Berliner Zeitung 16.08.2017
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 190 · M ittwoch, 16. August 2017 – S eite 20 *<br />
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❖<br />
Sport<br />
F Ü C H S E<br />
Der<br />
Veränderer<br />
Markus Lotter<br />
gratuliertBob Hanning<br />
zur Vertragsverlängerung<br />
mit sich selbst.<br />
Die Meldung geht so: Füchse verlängern<br />
mit Geschäftsführer<br />
Hanning bis 2023. Trefflicher wäre<br />
wohl gewesen: Geschäftsführer<br />
Hanning verlängert seinen Vertrag<br />
mit den Füchsen bis 2023. Oder<br />
noch besser: Füchse-Geschäftsführer<br />
Hanning verlängert seinen Vertrag<br />
mit sich selbst bis 2023. Klingt<br />
etwas seltsam, klar,kommt der Realität<br />
aber doch etwas näher, als das,<br />
was der Handball-Bundesligist am<br />
Dienstagmorgen via Eilmeldung in<br />
die Welt brachte.<br />
Hanning ist bei den Füchsen der<br />
Mann, der nach seiner Verpflichtung<br />
im Jahr 2005 den Verein an sich<br />
gerissen hat. Der aus dem mitunter<br />
doch etwas trägen und deshalb<br />
auch ziemlich unscheinbaren<br />
Handball-Verein aus Reinickendorf<br />
eine erfolgreiche Unternehmung<br />
gemacht hat.VomZweitligisten zum<br />
Pokalsieger, Gewinner des EHF-Pokals<br />
und Klubweltmeister, von einem<br />
Stadtteilklub zu einem sportlichen<br />
Aushängeschild der Hauptstadt.<br />
Dasist Hannings Verdienst.<br />
Der49-Jährige ist ein ewig Unzufriedener,<br />
ein Veränderer, dessen<br />
Engagement ja über die Füchse hinausgeht.<br />
Als Vizepräsident Leistungssport<br />
beim Deutschen Handball-Bund<br />
(DHB) hat er sich in eine<br />
Position gebracht, die so einflussreich<br />
ist, dass der eine oder andere<br />
ob seiner Allmacht im deutschen<br />
Handball vor den Gefahren ebendieser<br />
warnt. Durchaus gerechtfertigt<br />
mithin, weil Hanning eine ihm<br />
widerstrebende Meinung nahezu<br />
ausschließlich als vernachlässigbar<br />
erachtet.<br />
Dasrichtige Händchen<br />
Außer Frage steht, dass er in den<br />
vergangenen Jahren bei der Wahl<br />
der Trainer im rechten Moment mit<br />
zielsicherer Hand die richtigen Entscheidungen<br />
getroffen hat. Was sowohl<br />
für die Füchse als auch für den<br />
DHB gilt. Siehe Dagur Sigurdsson,<br />
der zunächst die Füchse, dann die<br />
deutsche Nationalmannschaft innerhalb<br />
kürzester Zeit auf ein unerwartet<br />
hohes Niveau coachte. Siehe<br />
auch Velimir Petkovic, der sich anschickt,<br />
bei den Füchsen aus Sigurdssons<br />
Erbe etwas Neues, womöglich<br />
gar noch etwas Erfolgreicheres<br />
abzuleiten. Unddas alles getragen<br />
von einer gesteigerten<br />
Finanzkraft der Füchse, die noch<br />
nicht mit der europäischer Spitzenklubs<br />
ebenbürtig, aber national allemal<br />
konkurrenzfähig ist.<br />
Was Bob Hanning selbst zu seinerVertragsverlängerung<br />
sagt? Nun,<br />
er habe sich gefragt, ob er noch wie<br />
am ersten Tag für das Projekt<br />
brenne,oberdie gleiche Motivation<br />
und Kraft habe,„unsereZiele weiter<br />
mit der gleichen Intensität zu verfolgen“.<br />
Schließlich sei es aber eine<br />
einfache Entscheidung gewesen.<br />
Und: „Mir macht die Arbeit hier mit<br />
meinem Team unglaublich viel<br />
Spaß.“<br />
In Entsprechung des Einstiegs<br />
kommt man also zu folgendem<br />
Schluss: Hanning kann sich selbst<br />
zur Verlängerung mit Hanning gratulieren,<br />
wenngleich er wohl selbst<br />
am Besten weiß, dass er mitunter<br />
doch ein bisschen zu viel von der<br />
Macht für sich in Anspruch nimmt.<br />
CITY-PRESS<br />
Bleibt bis 2023 ein Fuchs: Bob Hanning.<br />
Knapp gewonnen, aber viel verloren<br />
Hertha BSC erlebt trotz eines sportlich gelungenen Saisonstarts einen rabenschwarzen Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird<br />
V ON SEBASTIAN SCHMITT<br />
ROSTOCK. Wenn man nach Abpfiff<br />
in den Katakomben des<br />
Ostseestadions in die Gesichter<br />
der <strong>Berliner</strong> Spieler blickte, hätte<br />
man den Eindruck gewinnen können,<br />
Hertha BSC sei am Montagabend<br />
in der ersten Runde des<br />
DFB-Pokals ausgeschieden. Tatsächlich<br />
lief während der Partie<br />
nicht nur einiges, sondern sehr<br />
viel ziemlich daneben. Allerdings<br />
nicht auf dem Rasen, sondern auf<br />
den Rängen, genauer gesagt zwischen<br />
den beiden Blöcken der rivalisierenden<br />
Fanlager. Dass die<br />
<strong>Berliner</strong> am Ende eines beschämenden<br />
Abends mit einem 2:0<br />
(0:0)-Sieg gegen Hansa Rostock<br />
einen sportlich gelungenen Saisonstart<br />
hinlegten, merkte man<br />
den blau-weißen Profis nicht<br />
wirklich an.<br />
Torwart Rune Jarstein blies die<br />
Backen auf, atmete tief durch, bevor<br />
erinder Mixed Zone vor die<br />
Mikrofone trat und Worte für das<br />
fand, was sich in der zweiten<br />
Halbzeit direkt hinter seinem Tor<br />
V ON MATHIAS BUNKUS<br />
Wenn<br />
nur Kleinigkeiten über<br />
Sieg und Niederlage entschieden<br />
haben, gehörteszum festen Ritual<br />
der Trauerbewältigung, sich<br />
immer im Hätte-Wenn-und-Aber<br />
zu verlieren. Nach dem beherzten,<br />
aber einmal mehr torlosen DFB-<br />
Pokalauftritt des BFC Dynamo gegen<br />
den haushohen Favoriten und<br />
Bundesligisten FC Schalke 04 stand<br />
bei den unterlegenen <strong>Berliner</strong>n<br />
dieser Konjunktiv auffällig hoch im<br />
Kurs.<br />
Hendl zeichnet sich aus<br />
„Schade, dass wir keine Spieler wie<br />
Goretzka oder Meyer einwechseln<br />
konnten. Wer weiß, wie das sonst<br />
ausgegangen wäre?“, gab Sportdirektor<br />
Angelo Vier nach dem 0:2 zu<br />
Protokoll. Auch der Kopfball von<br />
David Kamm Al-Azzawe (51.), bei<br />
dem Schalkes neuer Kapitän Ralf<br />
Fährmann die Königsblauen voreinem<br />
Rückstand bewahrte, wurde<br />
derartthematisiert.<br />
Erst allmählich wich bei den<br />
Weinrot-Weißen die Enttäuschung<br />
dem Stolz, einen überaus passablen<br />
Auftritt im Friedrich-Ludwig-<br />
Jahn-Sportpark hingelegt zu<br />
haben.„Das war ein Riesenspaß ge-<br />
Als wenn es nicht schon laut genug gewesen wäre: Mitchell Weiser provoziertnach seinem Traumtor die Rostocker Zuschauer.<br />
abgespielt hatte. „Da sind auch<br />
Familien mit Kindern im Block.<br />
Das geht gar nicht“, verurteilte<br />
der Norweger die hässlichen Szenen.<br />
Chaoten und Krawallmacher<br />
beider Fangruppen beschossen<br />
sich mit Feuerwerkskörpern und<br />
Böllern, die teilweise auf dem<br />
Spielfeld landeten und auch Jarstein<br />
gefährlich nahe kamen. Die<br />
Ausschreitungen werden natürlich<br />
ein Nachspiel haben, der<br />
DFB-Kontrollausschuss ermittelt<br />
gegen beide Vereine.Welches Ausmaß<br />
die erbärmlichen Aktionen<br />
auch sportlich hätten haben können,<br />
analysierte Innenverteidiger<br />
Sebastian Langkamp. „Ein Abbruch<br />
des Spiels stand im Raum.<br />
Dass es kein Wiederholungsspiel<br />
gegeben hätte und wie es gewertet<br />
worden wäre, kann sich wohl jeder<br />
ausdenken.“<br />
Strapazierte Muskeln<br />
Dass es soweit nicht kam, ist<br />
Schiedsrichter Robert Hartmann<br />
zu verdanken. Nachdem er das<br />
Spiel kurz zuBeginn des zweiten<br />
Durchgangs wegen abgefeuerter<br />
2. RUNDE<br />
Auslosung: Die nächste Runde<br />
wird am Sonntag um 18 Uhr im<br />
Rahmen der ARD-„Sportschau“<br />
ausgelost. Comedian Carolin Kebekus<br />
spielt dabei die Losfee,<br />
U21-Cheftrainer Stefan Kuntz fungiertals<br />
Ziehungsleiter.<br />
Modus: Vonden 32 verbliebenen<br />
Teams genießen die vier Drittligisten<br />
sowie der einzige Regionalligist<br />
1. FC Schweinfurt05definitiv<br />
Heimrecht. Da aus zwei Töpfen gezogen<br />
wird, ist weder ein direktes<br />
Drittliga-Duell noch ein Aufeinandertreffen<br />
mit dem Amateurverein<br />
möglich. Die Begegnungen der<br />
zweiten Pokalrunde sind für den<br />
24. und 25. Oktober terminiert.<br />
Zurück in den Alltag<br />
Pyrotechnik aus dem Gästeblock<br />
für zwei Minuten unterbrach,<br />
hatte Hartmann zwanzig Minuten<br />
später keine andere Wahl als die<br />
Teams in die Kabine zu schicken.<br />
Berlins Cheftrainer Pal Dardai,<br />
der die Randale während der<br />
Zwangspause mit einem Kopfschütteln<br />
quittierte und später<br />
unisono mit seinem Gegenüber<br />
Pavel Dotchev verurteilte, bewies<br />
wie Hartmann ein gutes Gespür<br />
für die Situation und schickte sein<br />
Team bereits vor der Entscheidung,<br />
das Spiel nach 18-minütiger<br />
Unterbrechung wieder anzupfeifen,<br />
zurück auf den Rasen.<br />
„Ich habe zum Referee gesagt:<br />
Egal, wie er entscheidet, wir gehen<br />
raus. Ich habe hier eine<br />
Mannschaft und nächste Woche<br />
ein Spiel, ich will keine Muskelverletzungen<br />
bei meinen Spielern“,<br />
begründete der Ungar seine<br />
Maßnahme.<br />
Der Kapitän und Torschütze<br />
des 2:0-Endstandes, Vedad Ibisevic,<br />
machte keinen Hehl daraus,<br />
wie kontraproduktiv die Pause für<br />
die Mannschaft gewesen sei. „Das<br />
darf nicht sein, wir waren gerade<br />
gut im Spiel.“ Dass die Mannschaft<br />
nach Wiederanpfiff cool geblieben<br />
ist, und „Mentalität gezeigt<br />
hat“, machte Dardai „stolz“,<br />
als er spät am Abend endlich ein<br />
sportliches Fazit ziehen durfte.<br />
„Mit dem Spiel bin ich nicht ganz<br />
zufrieden. Mit dem Ergebnis<br />
schon.“ Es sei zwar das erwartet<br />
schwere Los gewesen, weil der<br />
Drittligist kompakt gestanden<br />
habe,aber man habe variabel und<br />
geduldig gespielt. „Mit den richtigen<br />
Passstafetten“, analysierte<br />
der Ungar, habe man Rostock viel<br />
laufen lassen und müde gespielt.<br />
Dennoch verdankten es die<br />
<strong>Berliner</strong> Mitchell Weisers Talent,<br />
dass das Spiel kurzvor der Verlängerung<br />
entschieden wurde. Der<br />
Rechtsverteidiger sorgte vier Minuten<br />
vordem Schlusspfiff mit einem<br />
technisch feinen Schuss aus<br />
rund 16 Metern inden Winkel des<br />
Rostocker Tors für das aus <strong>Berliner</strong><br />
Sicht erlösende Ende eines –<br />
abseits des Spielfeldes – rabenschwarzen<br />
Fußballabends, der<br />
noch lange nachwirken wird.<br />
Nach dem emotionalen Pokalauftritt gegen Schalke 04 muss sich der BFC Dynamo wieder auf seine eigentlichen Aufgaben in der Regionalliga konzentrieren<br />
gen einen Bundesligisten zu spielen.<br />
Gerade gegen Schalke 04“, gab<br />
BFC-Keeper Bernhard Hendl zu,<br />
der immerhin als offizieller Man of<br />
the Match ausgezeichnet worden<br />
war.Was nach einem solchen Spiel<br />
keine übermäßige Freude hervorruft.<br />
Dass er den Regionalligisten<br />
mit seinen Paraden überhaupt im<br />
Rennen gehalten hatte, tat er vielmehr<br />
als Selbstverständlichkeit ab.<br />
„Überragend war ich nicht. Es<br />
gab gerade mal zwei, drei Situationen,<br />
wo ich mich auszeichnen<br />
konnte. Aber ich hätte der Mannschaft<br />
gern noch mehr geholfen“,<br />
Am Boden, aber nicht zerstört:BFC-Keeper Bernhard Hendl.<br />
FESTNAHMEN<br />
Ab zur Sammelstelle: Die Polizei<br />
hat 91 Fans des BFC Dynamo und<br />
damit mehr als zunächst bekannt<br />
vor dem Pokalspiel gegen Schalkein<br />
einer Gefangenensammelstelle<br />
festgehalten. Sie waren vor dem Anpfiff<br />
an einem Restaurant im TreptowerParkvorläufig<br />
festgenommen<br />
worden und verpassten damit das<br />
0:2 ihres Klubs im Jahnsportpark.<br />
Der Polizei hätten Hinweise vorgelegen,<br />
dass die Männer sich mit gegnerischen<br />
Fans an einem Drittortzu<br />
einer Schlägerei verabredet hätten.<br />
JUERGEN ENGLER<br />
sagte der gebürtige Wiener, der<br />
nach 79 Minuten zum ersten Mal<br />
hinter sich greifen musste und erst<br />
in der Nachspielzeit ein zweites Mal<br />
das Nachsehen gegen Schalkes<br />
ukrainischen Nationalspieler Yevhen<br />
Konoplyanka hatte, der unter<br />
dem neuen Schalker Coach Domenico<br />
Tedesco aufzublühen scheint.<br />
Cubukcu gibt den Zuversichtlichen<br />
IMAGO/O. BEHRENDT<br />
Zufriedenheit herrschte natürlich<br />
auch darüber, dass es dem BFC gelungen<br />
war, das Hochsicherheitsspiel<br />
ohne wirkliche Störung über<br />
die Bühne zu bringen. Und vor allem,<br />
dass über 10 000 BFC-Anhänger<br />
mobilisiert werden konnten.<br />
„Die Fans haben uns überragend<br />
unterstützt. Das war heute eine super<br />
Atmosphäre. Das war wieder<br />
sehr friedlich wie in den letzten Jahrenauch“,<br />
zollte Coach René Rydlewicz<br />
den Dynamo-Fans ein ausdrückliches<br />
Lob.<br />
Dem 44-Jährigen obliegt jetzt<br />
die nicht ganz einfache Aufgabe,<br />
seine Mannschaft nach dem emotionalen<br />
Highlight wieder in die<br />
Normalität des Liga-Alltags zurückzuholen.<br />
Mannschaftskapitän Bilal<br />
Cubukcu ist davon überzeugt, dass<br />
das problemlos gelingt: „Wenn wir<br />
so wie gegen Schalke auftreten,<br />
werden wir auch in der Regionalliga<br />
sehr gute Spiele abliefern und Tore<br />
schießen.“ Der Beweis kann gleich<br />
an diesem Sonntag gegen den VSG<br />
Altglienicke geführtwerden.<br />
Besonders atmosphärisch gilt es<br />
sich da umzustimmen. Trotz Torsten<br />
Mattuschka im Aufgebot ist der<br />
Aufsteiger aus der Oberliga alles<br />
andere als ein Zuschauermagnet.<br />
Überhaupt fällt es vielen BFC-Zuschauern<br />
schwer, sich für Kicks in<br />
der vierten Liga zu begeistern und<br />
in Scharen ins Stadion zu strömen,<br />
wenn der Gegner eben nicht aus<br />
der Bundesliga kommt.