30 ZOOM „Die <strong>Augsburg</strong>er SPD wird mehr Kante zeigen“ Interview mit SPD-Fraktionschef Florian Freund und dem Ex-Grünen Christian Moravcik. Die gebeutelte <strong>Augsburg</strong>er SPD darf sich über einen Erfolg freuen. Stadtrat Christian Moravcik verlässt die Grünen und ist neuerdings Genosse. Über die Frage, ob nun Eiszeit zwischen Rot und Grün herrscht, was für <strong>Augsburg</strong> wichtig ist und worauf sich die politischen Mitbewerber einstellen müssen, sprach Marcus Ertle mit dem neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden Florian Freund und mit Christian Moravcik.
ZOOM 31 <strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong>: Christian, hast du das SPD-Parteibuch schon bekommen? Moravcik: Tatsächlich noch nicht, aber ich weiß immerhin, dass es rot sein wird. Gab es bei den Grünen so was wie ein Parteibuch? Moravcik: Nein, bei den Grünen kriegt man nur so einen labbrigen Scheckkartenausweis. Und den hast du nach deinem Austritt zerschnitten und mit einem toten Fisch an die Grünen zurückgeschickt? Moravcik: Nein, nicht zerschnitten und kein toter Fisch. Ich hab einfach ein ganz normales Kündigungsschreiben geschickt. Grüßen dich die Grünen noch, wenn ihr euch auf der Straße begegnet? Moravcik: Erfreulicherweise ja. Zumindest alle von den Parteimitgliedern, die ich bisher getroffen habe. Die waren sehr freundlich und konnten meinen Austritt gut nachvollziehen. Bei den Mitgliedern der Grünen-Stadtratsfraktion ist das Verhältnis etwas… sagen wir: getrübter. Vielleicht weil es vor deinem Austritt und dem Wechsel zur SPD keine Aussprache mit der Fraktion gab. Moravcik: Zunächst mal kam der Wechsel nicht deswegen zustande, weil sich Mäggi Heinrich oder Florian Freund von der SPD jeden Tag intensivst um mich bemüht hätten. Der Wechsel kam deswegen zustande, weil ich ihn für die richtige Entscheidung halte. Zum anderen waren die Spannungen in der Fraktion seit Jahren bekannt. Seit der Debatte über die Stadtwerke-Fusion und die Finanzierung der Theatersanierung gab es in der Fraktion immer wieder Brüche, die nicht gekittet wurden. Irgendwann langt’s dann auch einfach und man muss die Konsequenzen ziehen. Allerdings hast du kurz vor dem Austritt noch erfolglos für den Fraktionsvorstand kandidiert und erst dann Konsequenzen gezogen. Wärst du noch bei den Grünen, wenn du die Abstimmung gewonnen hättest? Moravcik: Das war natürlich schon ein Schlusspunkt und man sucht vorher natürlich immer nach Bestätigungen und fragt sich, ob das Verhältnis wirklich zerrüttet ist oder ob man sich das nur einbildet. Und nach der Wahl habe ich einfach gemerkt, dass das Verhältnis wirklich nicht mehr gerettet werden kann und dass ich mir das nicht aus einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung heraus einbilde. „Mal ehrlich: Welche politische Durchschlagskraft hat denn die Polit-WG oder die Linke im Stadtrat?“ So als würde ein Paar, bei dem es in der Beziehung knirscht, nochmal zusammen in der Urlaub fährt und merkt: Wir können uns nicht mehr leiden? Moravcik (lacht): Die Situation hatte ich privat noch nie. Aber im Ernst: Ich war jetzt 15 Jahre bei den Grünen und natürlich überlegst du dir so einen Schritt immer wieder. So gesehen ist es schon ein bisschen wie in einer Beziehung. Wenn du über Jahre in einer Gruppe arbeiten musst, in der es persönlich nicht mehr stimmt, dann ist das eine Situation, in der du weder glücklich noch motiviert bist. Und nach der Niederlage hast du bei Florian Freund angerufen und gesagt: Florian, ich will Genosse werden! Freund: Ich weiß nicht, was Christian gerade gemacht hat, als er mich angeschrieben und gesagt hat, dass wir uns mal unterhalten sollten. Aber dass wir beide gut miteinander können, das hat sich in den Jahren vorher schon gezeigt, als wir im Stadtrat nebeneinander saßen und das ein oder andere Späßchen miteinander gemacht haben. Und als wir dann miteinander gesprochen haben, war mir klar, dass Christian mit seinem Wissen und seiner klaren Haltung eine Bereicherung für die SPD ist und deswegen haben wir das gemacht. Moravcik: Wir hatten natürlich vor dem Austritt immer mal wieder darüber geredet, wie es mir politisch bei den Grünen geht und ich kenne Flo schon seit Jahren und haben eine persönliche, aber auch eine inhaltliche Nähe. Es ist mir schon wichtig, dass man auch gesellschaftspolitisch eine gemeinsame Grundlage für die politische Arbeit hat und da war für mich die SPD die klare Option. Und bei der SPD haben die Sektkorken geknallt. Freund: Nein, so war das nicht. Wir sind mit den Grünen ja nicht verfeindet, im Gegenteil, wir arbeiten vertrauensvoll zusammen und da muss man natürlich so vorgehen, dass es einen ordentlichen Wechsel gibt und die Grünen von seiner Absicht zuerst durch Christian erfahren und nicht durch die SPD. Die SPD und die Grünen sind zwar keine politischen Gegner, aber man merkt auch in Hintergrundgesprächen, dass die Grünen die SPD oft wie einen alten Onkel sehen, der früher in der Gewerkschaft war, viel gute Sachen erreicht hat, aber inzwischen ohne große Zukunft ist. Täuscht der Eindruck? Freund: Die Grünen denken das, weil sie gerade auf einer Welle des Erfolgs schwimmen, aber ich glaube, dass sich das in Zyklen abspielt. Gerade sind Themen, die von den Grünen verkörpert werden, sehr im Fokus, Kli-