12.02.2019 Aufrufe

RE KW 07

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

M ENSCHEN IM GESPRÄCH<br />

„Energie und Kraft aus der Natur“<br />

Sie war die erste Olympiasiegerin im Super-G und ist dennoch bodenständige Lechtalerin geblieben: Sigrid Wolf<br />

Der Rhythmus des Lebens bereitet ihr keinerlei Probleme: das Auf und<br />

Ab der Karriere, die Zeit innerhalb und außerhalb des Rampenlichts, all<br />

die Jahreszeiten des menschlichen Daseins eben – all das hat Sigrid Wolf<br />

nicht verändert. Sie ist eine bodenständige Lechtalerin geblieben. Vielleicht<br />

deshalb, weil sie etwas geschafft hat, das ihr niemand mehr nehmen<br />

kann: den Olympiasieg im Super-G.<br />

Von Jürgen Gerrmann<br />

Anlässlich der alpinen Ski-WM, die<br />

am Sonntag zu Ende geht, blickte die<br />

Elbigenalperin im Gespräch mit der<br />

RUNDSCHAU auf die Zeit zurück, in<br />

der sie selbst zur „Crème de la Crème“<br />

des Wintersports zählte.<br />

Es ist eine Zeit, an die sie gerne zurückdenkt,<br />

aber ohne ihr hinterherzutrauern.<br />

Der Schrank mit den Pokalen,<br />

die sie in ihrer Karriere einheimsen<br />

konnte, ist voll, „Riesentrümmer“ sind<br />

drunter. Aber auf einen ganz kleinen<br />

zeigt sie dann doch mit ganz besonderem<br />

Stolz: 1971 gewann sie ihn. Als<br />

Sechsjährige. Bei der Vereinsmeisterschaft<br />

des SV Elbigenalp.<br />

ONKEL TONI ALS ENTDE-<br />

CKER. Dass sie einmal an die Weltspitze<br />

kommen, ja sogar zur Olympiasiegerin<br />

gekürt werden würde – das<br />

konnte die kleine Sigrid sich damals<br />

nicht vorstellen. Ja, sie träumte (im<br />

Gegensatz zu manch anderen) nicht<br />

einmal davon, als sie ein Kind war:<br />

„Bei mir hat sich das Schritt für Schritt<br />

entwickelt. Man fährt ein Rennen nach<br />

dem anderen und will immer besser<br />

werden.“<br />

Dass sie gut war, das erkannte ihr<br />

Onkel Toni Knittel indes schon bald.<br />

„Ja, der war schon mein Entdecker“,<br />

schmunzelt sie: „Bei ihm am Lift habe<br />

ich viele Freiheiten gehabt.“ Je höher<br />

sie es indes im Tiroler oder ÖSV-Kader<br />

brachte, desto seltener konnte sie bei<br />

ihm daheim trainieren. Und auch da<br />

hauptsächlich Riesentorlauf. Für die<br />

Speed-Disziplinen sind die Pisten am<br />

Sonnenlift eben nicht gerade ideal.<br />

Und dennoch war sie immer gern<br />

dort: „In jungen Jahren hatten wir eine<br />

nette Clique. Nach der Schule haben<br />

wir uns immer zum Skifahren getroffen<br />

und trainiert. Das war ganz normal,<br />

aber leider ist das nicht mehr so.“ Und<br />

da spürt man schon ein wenig Bedauern<br />

darüber, dass die Zeit, als die Tiroler<br />

Kinder quasi mit den Ski an den<br />

Füßen geboren wurden, wohl vorbei<br />

sind: „Wir hatten ja kein Handy und<br />

konnten uns nicht verabreden. Wenn<br />

man sich treffen wollte, musste man<br />

zum Lift. Die Piste war sozusagen unser<br />

Spielplatz.“<br />

Vielleicht war es gerade dieses<br />

Schritt-für-Schritt-Prinzip, das ihr letztlich<br />

zum Durchbruch verhalf. Und das<br />

gleich bei ihrem ersten Weltcup-Rennen.<br />

1981 wurde sie als Mitglied des<br />

RUNDSCHAU Seite 40<br />

ÖSV-Jugendkaders für die Abfahrt in<br />

Saalbach nominiert: „Ich bin nur hin,<br />

habe mir nix erhofft, war locker, hab<br />

nix erwartet.“ Mit der Startnummer 60<br />

stürzte sie sich ins Rennen. Und kam<br />

unten als Dritte an. Aus dem Nichts<br />

aufs Podest also.<br />

DIE LEIDIGEN HUNDERTS-<br />

TELSEKÜNDCHEN. Im Jahr darauf<br />

durfte sie in Schladming, wo der Reuttener<br />

Harti Weirather Abfahrts-Gold<br />

gewann, zwar schon WM-Luft schnuppern,<br />

aber noch nicht mitfahren: „Aber<br />

dennoch war das ein Riesenerlebnis.“<br />

Drei Jahre später wurde sie in Bormio<br />

Vierte in der Abfahrt – und zur Silbermedaille,<br />

die sich Katharina Gutensohn<br />

aus Österreich mit der Schweizerin<br />

Ariane Ehrat teilte, fehlte ihr<br />

nur ein Hundertstelsekündchen. 1989<br />

musste sie sich in Vail der Rauriserin<br />

Ulrike Maier im Super G gerade mal<br />

um drei Hundertstel geschlagen geben.<br />

So knapp kann es (wie man auch jetzt<br />

in Åre gesehen hat) im Skisport zugehen.<br />

„Stimmt. Wenn ich in meiner Karriere<br />

um vier Hundertstel schneller<br />

gefahren wäre, hätte ich jetzt eine<br />

Gold- und eine Silbermedaille mehr“,<br />

schmunzelt Sigrid Wolf. Wobei man<br />

deutlich erkennt: ganz ernst gemeint<br />

ist das nicht. Denn: „Gott sei dank<br />

habe ich ja den Olympiasieg. Dadurch<br />

ist all das andere egal. Wenn nicht, wären<br />

die Sekundenbruchteile vielleicht<br />

schlimmer.“<br />

VERLETZUNG ALS HILFE. In<br />

allem Ernst meint sie indes, dass ihr<br />

vielleicht gerade ein Ab in der Karriere<br />

den Weg nach oben eröffnet hat: „Im<br />

Frühjahr 1986 hab ich mir das Kreuzband<br />

gerissen. Das war vermutlich ein<br />

Wink. Ich hab danach mehr auf meinen<br />

Körper gehört.“ Und das habe ihr<br />

zum richtigen Durchbruch verholfen:<br />

„Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel,<br />

selbst zu entscheiden, wie und was man<br />

trainiert. Das war damals gar nicht so<br />

leicht. Insofern war die Verletzung sogar<br />

eher eine Hilfe für mich.“<br />

Einen starken Willen hatte sie freilich<br />

schon damals: „Es war mir klar<br />

– wenn ich vorne mit dabei sein will,<br />

dann brauche ich Disziplin.“ Dabei<br />

habe ihr die Freude an der Natur und<br />

dem Skifahren auch sehr geholfen:<br />

„Dadurch hab ich bei Schlechtwetter<br />

nicht gejammert, sondern intensiv trainiert.<br />

Denn ich habe gespürt, dass man<br />

sich gerade dann einen Vorsprung erar-<br />

AUSSERFERNER<br />

SEIT 1922<br />

NACHRICHTEN<br />

Zu den erfolgreichsten österreichischen Skisportlerinnen zählt die Elbigenalperin<br />

Sigrid Wolf. Doch trotz aller Medaillen, Titel und Weltcup-Punkte ist die Lechtalerin<br />

bodenständig und bescheiden geblieben.<br />

RS-Foto: Gerrmann<br />

beiten kann.“<br />

Hinzu kam eine große mentale Stärke,<br />

auch wenn es vor drei Jahrzehnten<br />

noch keine speziellen Trainer dafür<br />

gab. Druck habe sie nie so empfunden,<br />

wie das möglicherweise heute bei<br />

vielen der Fall sei: „Oder ich habe ihn<br />

nicht an mich rankommen lassen.“ Ihr<br />

großer Tag in Calgary damals sei zum<br />

Beispiel „wahnsinnig schön“ gewesen:<br />

„Ich war Favoritin. Aber das hat mich<br />

nicht nervös gemacht.<br />

Ich war fokussiert und hab mich auf<br />

das Rennen gefreut, auch wenn mich<br />

in der Abfahrt zuvor ein Windstoß<br />

gepackt hat und ich weg vom Fenster<br />

war.“<br />

Ohnehin glaubt sie noch heute, dass<br />

„der Super-G extra für mich erfunden<br />

wurde“, sagte sie und zwinkert mit den<br />

Augen: „Das ist einfach eine Super-<br />

Disziplin. Eine schwierige Piste, man<br />

darf nicht trainieren und muss sich bei<br />

der Besichtigung alles genau merken<br />

und dann im Rennen auch umsetzen.“<br />

Das gelang ihr in Calgary weitaus am<br />

bes-ten. Eine ganze Sekunde betrug<br />

beim ersten Olympia-Super G ihr Vorsprung<br />

vor der Schweizerin Michela<br />

Figini. Da hätte sie also die vorhin erwähnten<br />

fünf Hundertstel locker abgeben<br />

können...<br />

Weitaus nervöser als bei Olympia sei<br />

sie dann bei der WM in Vail gewesen:<br />

„Da wollte ich wieder eine Medaille.<br />

Aber hätte fast den Start versemmelt,<br />

weil der Sessellift gestanden ist. Ich<br />

hatte die Nummer vier, bin quasi aus<br />

dem Lift gesprungen, habe die Ski<br />

angezogen und bin losgefahren. Das<br />

Gold habe ich damals ganz sicher am<br />

Start verloren.“<br />

Doch auch die erfolgreichste Karriere<br />

(zu der auch die zweimalige Wahl<br />

zu Österreichs „Sportlerin des Jahres“<br />

gehört) geht einmal zu Ende. Auslöser<br />

war bei Sigrid Wolf wieder ein Kreuzbandriss,<br />

im Dezember 1990 in Bad<br />

Kleinkirchheim: „Danach war mein<br />

Kopf einfach nicht mehr bereit.“<br />

Wehmut empfindet sie darob nicht:<br />

„Das Aufhören war nicht schwierig. Ich<br />

wusste, es geht einfach nicht mehr. Die<br />

Lindsey Vonn ist für mich ein Wahnsinn.<br />

Nach wie viel Verletzungen die<br />

wieder zurückgekommen ist!“<br />

Auch der Abschied aus dem Rampenlicht<br />

habe ihr keine Probleme bereitet:<br />

„Ich bin eher ein Typ, der das<br />

gar nicht braucht. Ich bin sowieso bodenständig,<br />

wusste, der ganze Rummel<br />

dauert nur kurze Zeit, dann wird es<br />

wieder anders. Ich habe das auch nie<br />

vermisst.“<br />

DIE LIEBE ZUR HEIMAT. Vermutlich<br />

auch wegen ihrer unverkennbarer<br />

Liebe zur Heimat: „Ich war nie<br />

eine Weltenbummlerin. Auch wenn<br />

wir den Sommer über in Australien<br />

trainiert haben, bin ich immer wieder<br />

gerne ins Lechtal zurück. Das ist meine<br />

Heimat, hier ist es wunderschön, ich<br />

habe nie daran gedacht, von hier wegzugehen.“<br />

Durch einen „totalen Zufall“ ist sie<br />

dann zu den Kräutern gekommen, eine<br />

Freundin hatte sie dafür begeistert:<br />

„Meine Kraft und Energie hatte ich<br />

schon immer aus der Natur geschöpft.<br />

Und je mehr man darüber weiß, desto<br />

interessanter ist es. Und im Lechtal bin<br />

in da am genau richtigen Platz“, strahlt<br />

die Kräuterpädagogin.<br />

Ihr Lieblingskraut? „Das ändert sich.<br />

Aber im Moment ist es die Meisterwurz.“<br />

Die enthalte ätherische Öle, sei<br />

kräftigend und immunstärkend.<br />

Auch jetzt ist sie viel und gerne in<br />

der Natur. Jetzt im Winter bei Tou-<br />

13./14. Februar 2019

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!