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Kreuz und quer Ausgabe 6

Magazin der Pfarreien im Seelsorgebereich Coburg Stadt & Land

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Titelthema<br />

<strong>Kreuz</strong> <strong>und</strong> Quer fragt<br />

– Dorothee Bär antwortet<br />

Dorothee Bär, 1978 in Bamberg geboren,<br />

ist seit dem 14. März 2018 Staatsministerin<br />

im B<strong>und</strong>eskanzleramt <strong>und</strong><br />

Beauftragte der B<strong>und</strong>esregierung für<br />

Digitalisierung. Andreas Kuschbert<br />

hat mit ihr gesprochen.<br />

Staatsministerin Dorothee Bär.<br />

?Frau Bär, ist Digitalisierung ein<br />

Fluch oder Segen für die Menschen?<br />

Dorothee Bär: Segen. Die Chancen für<br />

Lebensverbesserungen <strong>und</strong> -erleichterungen<br />

sind enorm. Denken Sie nur an<br />

die Potenziale in der medizinischen Diagnostik,<br />

da werden wir eine Zeitenwende<br />

erleben. Wir müssen es aber<br />

schaffen, unsere ethischen Werte in der<br />

Digitalisierung zu implementieren. Anders<br />

gesagt: Die Digitalisierung ist ein<br />

kraftvolles Instrument – je nachdem,<br />

wer es in den Händen hält, kann es zu<br />

guten oder schlechten Zwecken verwendet<br />

werden. Ein chinesisches Modell der<br />

Digitalisierung entspricht natürlich<br />

nicht unseren Vorstellungen, denn dort<br />

dient sie einem totalen Überwachungsregime.<br />

Auch das US-amerikanische<br />

Modell, in dem die großen Tech-Konzerne<br />

vor allem von der Digitalisierung<br />

profitieren, ist für mich kein Vorbild für<br />

Deutschland <strong>und</strong> Europa. Wir wollen<br />

den Nutzen des einzelnen in einer freiheitlich-demokratischen<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung<br />

– auch <strong>und</strong> gerade im digitalen<br />

Zeitalter. Dafür müssen wir im Steuersitz<br />

bleiben <strong>und</strong> vorn mitspielen, das ist<br />

essentiell.<br />

?Ist die Digitalisierung wirklich die<br />

„neue Normalität“, wie es gerne dargestellt<br />

wird?<br />

Dorothee Bär: Ja, sie ist heute schon<br />

Teil unseres Alltags <strong>und</strong> Normalität.<br />

Die Menschen haben sich aber so sehr<br />

daran gewöhnt, dass sie es gar nicht unbedingt<br />

unter dem Stichwort „Digitalisierung“<br />

verbuchen. Denken Sie an die<br />

Bedeutung der Smartphones im Alltag,<br />

an automatische Einparksysteme in<br />

Autos, an online Check-in für Flüge<br />

oder an automatische Benachrichtigungen<br />

auf dem Handy, wenn Ihr Flug sich<br />

verspätet, an die enorme Verbreitung des<br />

E-Commerce…ich könnte diese Kette<br />

endlos fortsetzen. Insofern: Ja, wir sind<br />

mittendrin in der Digitalisierung.<br />

Titelthema<br />

?Wie kann Digitalisierung gesellschaftlich<br />

gelenkt, genutzt, gefördert<br />

oder auch begrenzt werden? Und wie<br />

können wir politische <strong>und</strong> demokratische<br />

Souveränität über die digitalen Prozesse<br />

zurückerlangen?<br />

Dorothee Bär: Wir müssen hier die<br />

hohe Kunst schaffen, einen unglaublich<br />

dynamischen <strong>und</strong> schnellen Prozess<br />

nach unseren Vorstellungen zu prägen,<br />

ohne ihn abzuwürgen. Meinungsführerschaft<br />

in der Digitalisierung gelingt<br />

nicht, wenn wir technisch <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

marginalisiert sind <strong>und</strong> keine<br />

Rolle spielen. Nein, wir müssen in der<br />

ersten Liga spielen. Das heißt: Wir können<br />

nicht alles totregulieren <strong>und</strong> uns<br />

über unsere vermeintlich ethisch-moralisch<br />

weiße Weste freuen, wenn<br />

Deutschland <strong>und</strong> Europa technisch <strong>und</strong><br />

wirtschaftlich irrelevant werden. Denn<br />

dann werden wir auf die Technologie<br />

der anderen angewiesen sein, die sehr<br />

weit von unserem Gesellschafts- <strong>und</strong><br />

Menschenbild entfernt sind. Mit der<br />

Technologie importiert man auch<br />

immer Ideologie, das muss einem klar<br />

sein. Deswegen: Augenmaß – wir brauchen<br />

eine kluge Balance: Die Unternehmen<br />

brauchen Luft zum Atmen mit<br />

einer sensiblen, klugen Regulierung. Das<br />

muss unser Weg sein. Damit können<br />

wir auch weltweites Vorbild sein, die unternehmerische<br />

Dynamik ist dabei aber<br />

eine conditio-sine-qua-non der Gleichung.<br />

?Kirche <strong>und</strong> Digitalisierung – ist das<br />

ein Gegensatz?<br />

Dorothee Bär: Nein. Erstens: Das Bedürfnis<br />

nach Glauben wird es immer<br />

geben. Glauben meint die Kraft des<br />

Geistes <strong>und</strong> des Herzens jenseits des<br />

Faktischen. Digitalisierung ist sehr faktisch.<br />

Denken wir an KI: Basis sind Millionen<br />

<strong>und</strong> Milliarden bestehende Daten<br />

<strong>und</strong> Algorithmen. Das ist ein mathematisch-faktischer<br />

Prozess. Das wird den<br />

Glauben nie ersetzen können. Zweitens:<br />

Kirche bedeutet Gemeinschaft, das Bedürfnis<br />

nach Gemeinschaft ist den Menschen<br />

ureigen. Das zeigt die<br />

Digitalisierung mehr denn je: Denken<br />

sie an das „social“ in social media. Der<br />

Mensch ist ein soziales Wesen. Die Kirche<br />

könnte von den Möglichkeiten der<br />

Digitalisierung hier noch viel stärker<br />

profitieren: Es gibt im digitalen Zeitalter<br />

ganz neue Formen, Gemeinschaft zu erleben.<br />

Die Chance könnte auch die Kirche<br />

stärker ergreifen. Ich jedenfalls<br />

erfreue mich auch allabendlich auf Twitter<br />

durch den Account @twomplet gemeinsam<br />

beten zu können. Und zwar<br />

additiv. Nicht anstatt.<br />

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