04.03.2019 Aufrufe

Kreuz und quer Ausgabe 6

Magazin der Pfarreien im Seelsorgebereich Coburg Stadt & Land

Magazin der Pfarreien im Seelsorgebereich Coburg Stadt & Land

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Titelthema<br />

Titelthema<br />

8<br />

Sieben Thesen<br />

zum Thema<br />

Zukunft der<br />

Kirche<br />

– von Erik Flügge<br />

Erik Flügge, 1986 in Backnang geboren, ist<br />

ein deutscher Politikberater <strong>und</strong> Autor.<br />

Beim Neujahrsempfang von Erzbischof<br />

Ludwig Schick in Bad Windsheim war er<br />

der Festredner <strong>und</strong> begeisterte <strong>und</strong> verblüffte<br />

gleichermaßen die r<strong>und</strong> 600 Gäste<br />

mit seinen Ausführungen über den Zustand<br />

<strong>und</strong> die Zukunft der Kirche. „Eine Kirche<br />

für viele statt heiligen Rest“ lautet der Titel<br />

seines Buches, in dem Flügge seine Thesen<br />

ausführlich erläutert.<br />

Für unser Magazin fassen wir seine Ausführungen<br />

in sieben Thesen zusammen.<br />

These 1:<br />

Was in den Kirchen passiert ist nicht nur<br />

ein innerkirchlicher Prozess, sondern ist der<br />

Spiegel einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung.<br />

Großorganisationen <strong>und</strong> Institutionen<br />

aller Art erleiden derzeit einen<br />

massiven Vertrauensverlust <strong>und</strong> haben mit<br />

Rekrutierungsproblemen zu kämpfen. Das<br />

Ergebnis ist eine Veränderung der Gesellschaft.<br />

Das Prinzip der Kooperation <strong>und</strong><br />

die Idee der Gemeinschaft nehmen ab. Die<br />

einzelnen Teile der Gesellschaft streben<br />

immer mehr auseinander <strong>und</strong> jeder schaut<br />

nur noch auf sich.<br />

These 2:<br />

Würden Großorganisationen mehr Menschen<br />

binden <strong>und</strong> aktivieren, dann wäre das<br />

Ergebnis eine solidarischere Gesellschaft.<br />

Der katholischen Kirche als mitgliederstärksten<br />

Organisation Deutschlands<br />

kommt hierbei eine besondere Verantwortung<br />

zu. Die katholische Kirche muss bei<br />

der Neuerfindung von Großorganisationen<br />

voran gehen, weil sie eine finanzielle <strong>und</strong><br />

personelle Kraft hat, die keine andere Großorganisation<br />

aufbringen kann. Wenn der<br />

Katholizismus sich nicht neu erfindet, dann<br />

schafft es keine Großorganisation.<br />

These 3:<br />

Geschwächt werden Großorganisationen<br />

wie die Kirche vor allem durch ihr Territorialprinzips.<br />

Immer mehr Menschen werden<br />

mobil <strong>und</strong> ziehen im Leben mehrmals<br />

um. Mit jedem Umzug wird es unwahrscheinlicher,<br />

dass die Menschen erneut den<br />

Kontakt zu einer Kirchengemeinde suchen.<br />

Die Angebote in der Kirche sind nicht niedrigschwellig<br />

<strong>und</strong> einladend genug. Bedingt<br />

wird das durch den Beziehungsabbruch mit<br />

der Kirche bei jedem Ortswechsel, da Beziehungen<br />

nur lokal gedacht werden. In Zeiten<br />

neuer digitaler Medien besteht hierzu<br />

gar keine Notwendigkeit mehr. Beziehungen<br />

können auch über weite Strecken hinweg<br />

aufrecht erhalten werden, wenn man<br />

sich darum bemüht. Da besonders die jungen<br />

kreativen <strong>und</strong> innovativen Köpfe häufig<br />

umziehen, verlieren Großorganisationen besonders<br />

diese. Wer aber immer weniger<br />

Kreative in den eigenen Reihen binden<br />

kann, der brennt innerlich aus.<br />

These 4:<br />

Weil die Kirchen immer weniger kreatives<br />

Potential in sich binden, reproduzieren sie<br />

ihre Kultur nur noch <strong>und</strong> entwickeln sie<br />

nicht weiter. Beobachten kann man das besonders<br />

bei kirchlichem Liedgut. Es entstehen<br />

zwar neue Lieder allerdings immer<br />

basierend auf dem Klang von Melodien der<br />

1970/80er Jahre. Die eigene Jugend, die<br />

man noch für sich gewinnt, sind nicht mehr<br />

die kreative Spitze der Jugendkultur, sondern<br />

der traditionelle Rest, der sich abgehängt<br />

fühlt. Großorganisationen werden<br />

damit konservativer, greisenhafter <strong>und</strong> machen<br />

immer weniger Lust, sich daran zu beteiligen.<br />

Das mag mehr innerliche<br />

Harmonie erzeugen, weil weniger streitbare<br />

Geister am Leben in den Kirchen teilnehmen,<br />

aber es macht das Leben in den Kirchen<br />

auch weniger lebenswert.<br />

These 5:<br />

All das kann man ändern. Man kann die<br />

Kirche – genau wie jede andere Großorganisation<br />

– für moderne Formen des Lebens<br />

öffnen. Entscheidend ist, dass es sich um<br />

eine Öffnung hin zu modernen Formen des<br />

Lebens handelt <strong>und</strong> nicht um Adaptionen<br />

moderner Kulturformen, die man versucht<br />

zu kopieren. Das missglückt immer <strong>und</strong><br />

endet schnell peinlich.<br />

Großorganisationen, die sich für moderne<br />

Formen des Lebens öffnen, nehmen Abstand<br />

davon, immer nur in lokalen Angeboten zu<br />

denken. Sie verwandeln sich zu einer Beziehungsplattform.<br />

Ähnlich wie Soziale Netzwerke<br />

im Internet auch werden moderne<br />

Kirchen zu menschlichen Netzwerken des<br />

intensiven Austausches untereinander. Seinen<br />

Pfarrer kann man aufgr<strong>und</strong> von räumlichen<br />

Trennungen nicht mehr jeden<br />

Sonntag treffen, aber sehr wohl digital<br />

immer wieder sprechen.<br />

These 6:<br />

Eine Kirche, die sich für ihre Mitglieder interessiert,<br />

wartet nicht jammernd darauf,<br />

dass jemand kommt. Sie kehrt das Prinzip<br />

des Abwartens um <strong>und</strong> beginnt, aufsuchende<br />

Arbeit zu machen. Sie besucht all ihre<br />

Mitglieder <strong>und</strong> bietet sich zum Gespräch<br />

an, anstatt den verzweifelten Versuch zu unternehmen,<br />

die Menschen in ihre kulturell<br />

alten Angebote zu locken.<br />

These 7:<br />

Eine moderne Kirche kommuniziert sich<br />

nicht als Institution, sondern als Bewegung.<br />

Sie rückt den Glauben in den Mittelpunkt<br />

ihrer Kommunikation <strong>und</strong> nicht Funktionen<br />

<strong>und</strong> Hierarchien. Zur Folge hat das,<br />

dass sie nicht nur von oben herab belehrend<br />

auftreten kann, sondern dass all ihre Kommunikation<br />

dialogisch organisiert werden<br />

muss.<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!