der steirer land ... Ausgabe 01/2019 KARL OSWALD
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KRONJUWELEN-HOCHZEIT<br />
Ein Brief fürs Leben<br />
Unere Geschichte ereignete sich im Raum Straden.<br />
Friedl war eines von 12 Kin<strong>der</strong>n und weil er seinen<br />
Vater früh verlor, blieb <strong>der</strong> Mutter nichts an<strong>der</strong>es<br />
übrig, als ihn – damals drei Jahre alt – zu seinem<br />
Onkel zu geben, wo er aufwuchs und später den<br />
kleinen Hof übernahm. Im Winter stellte er bäuerliches<br />
Werkzeug und Schi her, im Sommer verdiente<br />
er sich als Strohdachdecker ein wenig Geld zur<br />
Wirtschaft dazu. Er verliebte sich in Hedwig, eine<br />
wun<strong>der</strong>schöne Bürgerstochter, und wusste, dass<br />
er nicht viele Chancen auf ihre Liebe haben wird.<br />
Zu viele Verehrer machten ihr den Hof; ein je<strong>der</strong><br />
konnte ihr weit mehr bieten als <strong>der</strong> Keuschlerbub<br />
Friedl. Doch das Glück ist ja bekanntlich dem Tapferen<br />
hold und so setzte sich Friedl hin und verfasste<br />
den Brief seines Lebens. Verlieren konnte er<br />
nichts, aber zu gewinnen gab es viel:<br />
Mein einzig geliebtes Herz! Ich grüße dich in<br />
stiller Nacht bei hellem Sternenschein, wo<br />
liebend noch mein Auge wacht für dich, du<br />
einzig Eine! Denkst du an mich! Ich grüße<br />
dich!<br />
Liebste Hedwig!<br />
Ist es vielleicht das letzte Mal, dass ich dich<br />
so nennen darf? Jetzt kann ich es nicht fassen<br />
und doch… Früher habe ich durch deine<br />
klaren Augen in deine reine Seele schauen können.<br />
Du hast so munter geplau<strong>der</strong>t mit mir,<br />
dein Mund sprach von Liebe! Dein aufrichtiges,<br />
liebes Benehmen, deine treuen Äugelein,<br />
deine lieben Worte, sie erweckten in mir ein<br />
Hoffen und Sehnen, ich träumte von einem<br />
zukünftigen Glück. Und jetzt? Sollte alles<br />
eine Täuschung sein??? Keine lieben Worte<br />
hast du mehr für mich übrig, nur abweisende<br />
Blicke, ein gezwungenes, eisernes Lächeln<br />
und Worte hart wie Steine, die sich zentnerschwer<br />
auf mein Herz legen und es zu<br />
erdrücken scheinen.<br />
Jetzt frage ich einmal: Womit habe ich solches<br />
verdient? Was habe ich getan, dass du<br />
kein gutes Wort mehr für mich übrighast?<br />
16<br />
Habe ich dich so arg gekränkt, dass du mir<br />
jetzt mit einem Mal so abgeneigt bist, dass<br />
ich überhaupt nicht in deiner Gegenwart sein<br />
darf? Ich könnte mich wohl an nichts erinnern,<br />
was ich gefehlt getan hätte, dass ich<br />
dich dadurch so gekränkt habe. Hast du vielleicht<br />
eines meiner Worte missverstanden,<br />
an<strong>der</strong>s aufgefasst, o<strong>der</strong> sollte mir wirklich<br />
ein unbedachtes Wort entschlüpft sein, was<br />
ich vielleicht gar nicht so gemeint hatte? Ist<br />
vielleicht wie<strong>der</strong> etwas Schlechtes über mich<br />
geredet worden, denn dass es Leute gibt, die<br />
sich nur damit befassen, mich auszurichten<br />
und zu verleumden, das weiß ich wohl. Dass<br />
du aber solchen Reden Glauben schenkst, das<br />
glaube ich gar nicht von dir. O<strong>der</strong> warst du<br />
überhaupt nur darauf bedacht, nur ein böses<br />
Spiel mit meinem Herzen zu treiben? – Doch<br />
nein, das glaube ich gar nicht von dir, du hast<br />
ja auch deine Liebe zu mir gezeigt, das kann<br />
ich ehrlich sagen.<br />
Und als ich dir ins Auge sah, wie lag in deinem<br />
Auge da ein unvergänglich Lieben. Es lag darin<br />
die Zaubermacht, die nicht in meines Herzens<br />
Nacht dein holdes Bild geschrieben…<br />
Ja, dein Bild ist mir ins Herz gegraben. Immer…<br />
meinen Augen. Dein aufrichtiges braves<br />
Betragen hat in mir eine solche Liebe zu dir<br />
entflammt, dass ich um keinen Preis ein an<strong>der</strong>es<br />
Mädchen deinem edlen Charakter vorgezogen<br />
hätte. Obwohl ich noch immer eine<br />
gewisse Zurückhaltung zeigte, indem ich dir<br />
noch nicht direkt meine Liebe zu dir erklärt<br />
habe, so lo<strong>der</strong>ten doch schon lange die Flammen<br />
<strong>der</strong> Liebe zu dir brennendheiß in meinem<br />
Herzen. Es war mein Wunsch, einmal ein<br />
braves, anständiges Mädchen mein Eigen nennen<br />
zu können. Schon sah ich diesen meinen<br />
Wunsch in Erfüllung gehen, doch jetzt…? All<br />
mein Hoffen scheint in Nichts wie<strong>der</strong> zu vergehen.<br />
Die Vergangenheit kommt mir vor wie<br />
ein Traum, die Zukunft wie ein Trümmerhaufen.<br />
Nichts ist mir geblieben als die Er-