Verita Magazin Frühjahr 2019

Wetterleuchten der Liebe
„Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug. Problematisch sind nur die Lenker, die Fahrgäste
und die Straße“, spöttelte Franz Kafka. Wir stellten vier Werke auf den Prüfstand.
Julian Barnes schreibt stets in der
obersten Liga der Gegenwartsliteratur.
„Die einzige Geschichte“
ist ein kunstvoller Roman über eine
unkonventionelle erste Liebe, die
zur lebenslangen Herausforderung
wird. Aber davon hat Paul,
jugendlicher Held des neuen
Werkes, im Alter von neunzehn
Jahren noch keine Ahnung. Im
Gegenteil: Er ist stolz darauf,
dass seine Liebe zur verheirateten,
fast 30 Jahre älteren Susan
alle gesellschaftlichen Konventionen
über den Haufen wirft.
Er ist überzeugt, in Susan die
Frau fürs Leben gefunden zu
haben, alles andere zählt nicht. Erst
mit zunehmendem Alter wird Paul
klar, dass die Anforderungen, die
diese Liebe an ihn stellt, größer sind,
als er es jemals für möglich gehalten
hätte. Ein tief bewegender Roman,
„In den Büchern werden
einem die Dinge erklärt; im
Leben nicht. Es überrascht
mich nicht, dass manche
Leute Bücher vorziehen.“
Julian Barnes
Barnes at his best, auch im Ausloten
menschlicher Abgründe. Passendes
Zitat aus dem Buch: „Würden Sie
lieber mehr lieben und dafür mehr
leiden oder weniger lieben und weniger
leiden? Das ist, glaube ich, am
Ende die einzig wahre Frage.“ Und
die muss jeder Leser, jede Leserin
letztlich auch selbst beantworten,
denn triviale Lebensrezepte hat der
große Brite noch nie geboten.
Paris gilt ja als Metropole der Liebe.
Vom Kummer ist nur selten die
Rede. Dem aber rückt Tatiana de
Rosnay in den Mittelpunkt ihrer
Geschichte, die immer mehr zum
Kammerspiel turbulenter Emotionen
wird. Sintflutartige Regenfälle
suchen die Seine-Metropole
heim, als sich die Familie
Malagarde dort anlässlich einer
Familienfeier trifft. Die Tochter
des Ehepaares reist aus London
an, wo sie als Künstlerin lebt,
der Sohn, ein versierter Fotograf,
kommt aus Los Angeles.
Die Seine droht aus den Ufern zu
treten, das familiäre Quartett ist
kaum in der Lage, das Hotelzimmer
zu verlassen. Nach und nach kommt
es auch zu privaten und emotionalen
Unwettern, mit Wortblitz und
Donner. Zumal dabei auch einige
zuvor gut gehütete Geheimnisse an
Foto: unsplash
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