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Poetische<br />
Perlenketten<br />
Literatur als Abenteuer, abenteuerliche Erzählkunst: Bücher, über die man spricht,<br />
Meisterwerke, an denen kein Weg vorbeiführt. Entfesselte Fantasie halt.<br />
Den Anfang macht der größte<br />
Aufreger jüngerer Zeit. „Stella“<br />
von Takis Würger wurde zum Beleg<br />
dafür, dass auch das angeblich ehrenwerte<br />
deutsche Feuilleton zu Shitstorms<br />
fähig ist und auch vor grotesken<br />
und absurden Auswüchsen<br />
nicht zurückschreckt. Das „Hauptübel“<br />
ist zweifellos die Tat sache,<br />
dass Takis Würger nicht nur ein<br />
enorm stilsicherer Autor, sondern<br />
auch „Spiegel“-Reporter ist. Und da<br />
gibt nach dem tiefen Fall des Fake-<br />
Fabrikanten Relotius offenbar eine<br />
Art Sippen haftung. Weh dem also,<br />
der Fakten und Fiktionen vermengt.<br />
Genau das tut Takis Würger. Er greift<br />
in seinem im Jahr 1942 in Berlin spielenden<br />
Roman die wahre Geschichte<br />
der jüdischen Nazi-Kollaborateurin<br />
Stella Goldschlag auf, die Hunderte<br />
Landsleute verriet, um das Leben<br />
ihrer von der Deportation bedrohten<br />
Eltern zu retten. Auch nach deren<br />
Deportation hielt sie ihrem Verrätertum<br />
die Treue. Diese authentische<br />
Geschichte wird verwoben zu einer<br />
fiktiven Liebesgeschichte mit einem<br />
völlig realitätsblinden jungen<br />
Schweizer, der Stella verfällt. Übersehen<br />
wird, dass dieser völlig naive<br />
Liebhaber, der auch noch mitten im<br />
Krieg nichts hören, nichts sehen,<br />
nichts verstehen will, der eigentliche<br />
Protagonist ist. Ein Proto typ der anscheinenden<br />
Ahnungslosigkeit, der<br />
all den NS-Wahnwitz mit ermöglichte.<br />
Bleibt nur ein wichtiger Tipp:<br />
selbst lesen, selbst ein Urteil bilden.<br />
Wechseln wir zu anderen, harmloseren,<br />
aber amüsanten Themen.<br />
Etwa zum merkwürdigen Verhalten<br />
geschlechtsreifer Menschen<br />
zur Paarungszeit. Helmut Krausser<br />
jongliert in seinem neuen Roman<br />
„Trennungen. Verbrennungen“ mit<br />
den Mitteln einer raffinierten Soap:<br />
Ein Großstadtkaleidoskop voller<br />
Witz und Überraschungen rückt<br />
unterschiedlichste Paare ironisch<br />
ins Licht. Da sind der Archäologe<br />
Fred Reitlinger und seine Frau<br />
Nora, ihr Liebhaber Arnie und dessen<br />
Gattin. Dann seine Doktoranden<br />
Leopold und Gerry im Streit<br />
um eine Uni-Stelle. Und Reitlingers<br />
Kinder: Alisha, 19, hat sich in ihre<br />
Kommilitonin Caro verguckt, die<br />
heimlich als Escort-Girl anschafft.<br />
Ihr Bruder Ansger dagegen ist nach<br />
einer Insolvenz verschwunden – ein<br />
Verbrechen? Caro wird ihren Liebhaber<br />
Petar nicht los, dessen Vater<br />
den Reitlingers eine Jacht verkauft<br />
als Stützpunkt für Noras Schäferstündchen.<br />
Jeder ist mit jedem in<br />
Beziehung, Trennungen stehen bevor.<br />
Unterhaltsam, entlarvend.<br />
Mit dem Roman „Die Bücherdiebin“<br />
schuf Markus Zusak einen Weltbestseller,<br />
ein Nachfolgewerk wurde<br />
sehnsüchtig erwartet. Nun ist es<br />
da, mit dem bezeichnenden Titel<br />
„Nichts weniger als ein Wunder“.<br />
Zusak erweckt die fünf Dunbar-<br />
Brüder zum literarischen Leben.<br />
Nach dem Tod der geliebten Mutter<br />
und dem Weggang ihres Vaters<br />
leben sie nach ihren ganz eigenen<br />
Regeln. Sie trauern, sie lieben, sie<br />
hassen, sie hoffen und sie suchen.<br />
Nach einem Weg, mit ihrer Vergangenheit<br />
klarzukommen, nach<br />
der Wahrheit und nach Vergebung.<br />
Schließlich ist es Clay – angetrieben<br />
von den Erinnerungen an ihren<br />
tragischen Verlust –, der beschließt,<br />
eine Brücke zu bauen. Eine Brücke,<br />
die Vergangen heit zu überwinden<br />
und so sich selbst und seine Familie<br />
zu retten. Dafür verlangt er sich<br />
Foto: unsplash<br />
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