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VestivalPlus2019

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Keine Holzscheibe, sondern Tüll, Taft und Toilettenpapier<br />

benötigt Gabriela Muñoz für ihr Pogramm<br />

„Perhaps, Perhaps... Quizás“. Die Mexikanerin<br />

arbeitete in den Bereichen Theater, Zirkus und Oper,<br />

bevor sie sich für das sogenannte „Physical Theatre“<br />

und die Clownerie entschied. Protagonistin Greta ist,<br />

so heißt es, eine clowneske Bridget Jones, die ihren<br />

Frust mit Schokolade füttert und einmal pro Woche<br />

die Ankunft ihres Traumprinzen probt, um für den<br />

Ernstfall gewappnet zu sein. Es geht um Einsamkeit,<br />

Hoffnung und das Warten auf den Märchenprinzen.<br />

Aber dieses Stück ist nicht nur herzzerreißend, sondern<br />

auch urkomisch – und gleichzeitig ein hinreißendes<br />

Statement über unsere Gesellschaft in Zeiten<br />

von Schlankheitswahn, Hochzeitsmessen und Online<br />

Dating.<br />

Mutter zu sein ist schön. Und schwer. Beruf, Familie,<br />

Partnerschaft, vielleicht noch ein Hauch Selbstverwirklichung…:<br />

ein echter Spagat. Diesem Spagat nehmen<br />

sich die „Rabenmütter“ der Gruppe „still hungry“<br />

charmant, unterhaltsam und artistisch in „Raven“ an.<br />

„still hungry“ ist ein Kollektiv für zeitgenössischen Circus<br />

aus Berlin. Ihre Arbeiten sind frisch, feministisch,<br />

stark, und schrecken nicht davor zurück, persönliche<br />

Themen zu erkunden. Basierend auf ihren eigenen<br />

Erfahrungen beleuchten die Frauen das Stigma des<br />

deutschen Begriffs der „Rabenmutter“. Mal als bemutternde<br />

Glucken in ironischen Choreografien oder als<br />

Adler, die stark und frei durch die Lüfte schwingen.<br />

„Un Poyo Rojo“ war schon in Avignon ein echter<br />

Renner. Die Argentinier Hermes Gaido (Schauspieler,<br />

Musiker, Lehrer und Regisseur), Luciano Rosso (Tänzer,<br />

Schauspieler, Choreograph und Perkussionist) und<br />

Alfonso Barón (Tänzer und Schauspieler) haben sich<br />

2008 gefunden, seitdem spielen sie das Stück sehr erfolgreich<br />

auf den Bühnen der Welt. Auch sie brauchen<br />

nicht viele Requisiten. Man sieht einen Umkleideraum,<br />

ein altes Radio, zwei Männer und sehr knappe Shorts.<br />

Doch das reicht für ein Unterhaltungsfeuerwerk.<br />

Eine Mischung aus Tanz und Slapstick, die in eine<br />

testosterongeschwängerte Welt zweier Platzhirsche<br />

führt. Sofort beginnt ein Kampf um Dominanz und<br />

Aufmerksamkeit, der<br />

wie das Balzverhalten<br />

zweier schräger Vögel<br />

wirkt. Worte braucht<br />

es nicht. Rosso und<br />

Barón lassen ihre<br />

Körper sprechen –<br />

irgendwo zwischen<br />

Wrestling, Ringkampf,<br />

Capoeira, Akrobatik<br />

und Tanz. Auch die<br />

Kritik war begeistert:<br />

„Eine meisterliche<br />

Dekonstruktion von<br />

männlichem Balzgehabe,<br />

dargestellt<br />

mit messerscharfem<br />

Timing und viel Charisma.“<br />

Die diesjährige<br />

Kooperation mit<br />

der Woche des Sports ist „Driftwood“ (Bild: links)<br />

vom australischen Casus Circus. Die Aktionen sind<br />

halsbrecherisch. Aber sie werden mit einer solchen<br />

Leichtigkeit und Perfektion auf die Bühne gebracht,<br />

dass sie oft fast schon unspektakulär wirken. Es ist<br />

Circus-Kunst ohne Glitzer und Glamour, aber auf<br />

allerhöchstem Niveau. Schon 2014 begeisterten Casus<br />

Circus mit „Knee Deep“ das Ruhrfestspiel-Publikum.<br />

Für dieses Programm gab es einen Award für „Best<br />

Circus & Physical Theatre“ sowohl beim Adelaide Fringe<br />

Festival 2015 als auch in Avignon 2016. Mittlerweile<br />

touren sie weltweit. Es ist die Leichtigkeit, die diese<br />

Show ausmacht. Traditionelle und neue Zirkustechniken<br />

verschmelzen, Tanz fusioniert mit Akrobatik.<br />

Inhaltlich widmet sich der Abend dem Gefühl des<br />

Gestrandet-Seins, der Suche nach Halt und nach den<br />

eigenen Wurzeln. Mit konventionellen Rollenbildern<br />

wird gespielt, die klassische Rollenverteilung im<br />

Zirkus hinterfragt.<br />

Auch die Compagnia Baccalà gastierte schon bei den<br />

Ruhrfestspielen. Vor vier Jahren. Mit ihrer preisgekrönten<br />

Show „PSS PSS“, mit der sie auf ihrer Welttournee<br />

mehr als 700 Shows in 50 Ländern spielten.<br />

Jetzt kehren sie auf den Grünen Hügel zurück. Mit<br />

„Oh Oh“. Camilla Pessi und Simone Fassari sind mit<br />

den liebenswerten, skurrilen und schüchternen Charakteren<br />

ihres Clown-Duos dabei ein echter Kontrapunkt<br />

zum Clowns-Klischee. Zwar kann man noch die<br />

Schatten vom dummen August über den traurigen<br />

Weißclown bis hin zu Charlie Chaplin oder Buster Keaton<br />

erkennen. Aber die Compagnia Baccalà hat ihre<br />

eigene Handschrift. Ohne rote Nasen und übergroße<br />

Schuhe. Slapstick und Akrobatik in Perfektion.<br />

Den Schlusspunkt des diesjährigen Reigens setzt<br />

die Compagnie Galapiat (von altfranzösisch Galpja:<br />

Gauner, Spinner) aus der Bretagne mit „Parasites“.<br />

Untermalt von melodischer Musik, bewegt sich die<br />

Show in einer postapokalyptischen Welt, deren Lärm<br />

und Chaos die drei Artisten unermüdlich zu entfliehen<br />

versuchen. Die emotionale Achterbahnfahrt<br />

wird trotz aller Düsternis und Verzweiflung zu einer<br />

Liebeserklärung an das Leben.<br />

jam

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