PT-Magazin 03 2019
Offizielles Magazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung, Regiotop, German Mittelstand, Plattform-Ökonomie, Geschäftsgeheimniss, KIA Stinger 3.3, Viraler Wandel,
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Aus der Geschichte lernen<br />
Ein Weckruf für eine proeuropäische Debatte<br />
über nationale Interessen hinweg<br />
<strong>PT</strong>-MAGAZIN 3/<strong>2019</strong><br />
Gesellschaft<br />
6<br />
1. Noch zu Schulzeiten haben wir gehört:<br />
Weimar ist an seiner Verfassung gescheitert.<br />
Inzwischen weiß man: 60 v.H. der<br />
wahlberechtigten Bevölkerung hatten<br />
demokratiefeindliche Parteien gewählt.<br />
„Keine Demokratie ist zu halten, wenn ihr<br />
die Bürger ausgehen“, schlussfolgert der<br />
Historiker Egon Flaig in: „Die Zukunft der<br />
Demokratie.“ Was lernen wir daraus für<br />
Europa? Europa scheitert nicht an seinen<br />
Verträgen, sondern, wenn ihm die Europäer<br />
ausgehen. Eine „Weimarisierung“ ist<br />
daher zu vermeiden.<br />
© Superbass / CC-BY-SA-4.0<br />
2. Europa ist im historischen Maßstab<br />
ohne Frage eine Erfolgsgeschichte. Die<br />
Trägerin des Friedenspreises des Deutschen<br />
Buchhandels, Aleida Assmann,<br />
fragt, was die EU, was Europa zusammenhält.<br />
Die Begründung für den Friedensnobelpreis<br />
an die EU aus dem Jahre 2012<br />
reflektierend schlägt sie die vier Lehren<br />
aus der Geschichte vor: Friedensprojekt<br />
– Demokratisierung – Erinnerungskultur<br />
- Menschenrechte. Die Europäer sollten<br />
sich dieser Lehren bewusst bleiben.<br />
3. Themenwechsel. In Deutschland<br />
nimmt im politischen Raum die Neigung<br />
zu, dem Staat mehr unternehmerisches<br />
Engagement einräumen zu wollen.<br />
Gewiss, auch für mich ist es unverständlich,<br />
dass wir in Europa auf die amerikanischen<br />
global player wie google, facebook,<br />
apple und amazon neidisch schauen, es<br />
aber nicht geschafft haben, etwas Vergleichbares<br />
auf die Beine zu stellen. Aber<br />
diese und viele andere Unternehmen<br />
sind Resultat privater Initiative und einer<br />
Risiko-Kultur, die wir bislang haben nicht<br />
entwickeln können. Daraus ordnungspolitisch<br />
zu schließen: mehr Staat statt<br />
privat, stellt Ludwig Erhard auf den Kopf.<br />
Wenn der Staat noch nicht einmal seine<br />
ureigenen Aufgaben ordnungsgemäß<br />
erfüllen kann (BER lässt grüßen!), wenn<br />
er Organisationen wie die DB nicht auf´s<br />
Gleis bekommt, wenn er beim Thema<br />
„digitale Verwaltung“ meilenweit hinter<br />
dem privaten Sektor herhinkt, lässt man<br />
sogar im Saarland in diesem Fall das<br />
„grad selääds“ nicht mehr gelten.<br />
4. Die Stimmung für Demokratie und<br />
Marktwirtschaft schwächelt, vom Systemwechsel<br />
in Richtung Sozialismus<br />
wird wieder geträumt. Dabei wird allzu<br />
oft der methodische Fehler gemacht, das<br />
Ideal eines Systems mit der Realität eines<br />
anderen zu vergleichen. Beim Vergleich<br />
des Ideals des Sozialismus mit dem Ideal<br />
der Marktwirtschaft ist im theoretischen<br />
Wettstreit der Sozialismus nie als Sieger<br />
hervorgegangen. Und beim Praxistest ist<br />
der Vergleich DDR-BRD doch historisch<br />
noch so frisch, dass irgendwelche Zweifel<br />
überflüssig sind. In Kuba geht man<br />
jetzt in Richtung Kapitalismus, um den<br />
Sozialismus finanzieren zu können. Und<br />
was man auf sozialistischem Weg aus<br />
Venezuela gemacht hat, ist zum Heulen.<br />
Wer weiter träumt, sei an das Wort von<br />
Hölderlin erinnert: Immerhin hat das<br />
den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn<br />
der Mensch zu seinem Himmel machen<br />
wollte. Nordkorea als Beispiel.<br />
5. Der französische Präsident Emmanuel<br />
Macron hat in seiner Rede vor dem<br />
Europaparlament in Straßburg bezogen<br />
auf die Demokratiedebatte festgehalten:<br />
„Wir brauchen keine autoritäre Demokratie,<br />
sondern Autoritäten in der Demokratie.“<br />
Damit hat er einen wichtigen Punkt<br />
angesprochen, der bei den Wählern oft<br />
missverstanden wird. Die Frage, wer<br />
soll regieren, wer soll herrschen, wusste<br />
schon Karl Popper, ist in der Demokratie<br />
falsch gestellt. Vielmehr muss es heißen:<br />
wie sind die Institutionen, „wie können<br />
wir den Staat und die Regierung organisieren,<br />
dass auch schlechte Herrscher<br />
keinen allzu großen Schaden anrichten<br />
können?“ und er folgert: „Wenn du eine<br />
vollkommene Gesellschaft anstrebst,<br />
so wirst du sicher gegen die Demokratie<br />
sein. Aber du wirst nichts Besseres<br />
zusammenbringen. Politik bedeutet, das<br />
kleinere Übel zu wählen.“ Der Blick auf<br />
die autoritären Entwicklungen nicht nur<br />
in Russland, in den USA oder der Türkei,<br />
sondern auch da und dort in Europa<br />
sollte uns für diese Fragen sensibilisieren.<br />
6. Um Macrons Wort von den Autoritäten,<br />
bezogen jetzt auf Europa, aufzugreifen,<br />
fallen einem die Gründungsväter<br />
Europas wie Robert Schuman, Alcide de<br />
Gasperi, Paul-Henri Spaak, Joseph Bech