Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Andreas Grau
BOTANIKWANDERN
Wege zur Blütenpracht im Frühjahr
Vorwort
Ein Streifzug durch üppige Auenwälder, ein Spaziergang
durch Blumenwiesen oder eine Bergwanderung inmitten
von farbenfrohen Blüten wissen wir alle zu schätzen. Doch
was war das eben für eine Pflanze? Hat sie eine Geschichte,
und verbergen sich in ihren Wurzeln und Sprossen Geheimnisse,
die darauf warten, entschlüsselt zu werden? Verrät
uns ihr Vorhandensein eventuell sogar etwas über Bodenbeschaffenheit,
Klima und Exposition ihres Standortes? Und
sicher hat diese Pflanze einen Namen, aber welchen? Solche
Fragen würden viel Raum für aufwendigste Studien bieten,
aber es geht auch anders, ohne allzu weit in wissenschaftliches
Terrain vorzudringen.
Das vorliegende Buch soll ein handlicher Begleiter durch
die Natur sein und möglichst einfache Antworten auf viele
Fragen zur Pflanzenwelt geben. Leicht verständlich dargeboten,
soll es aber wissenschaftlicher Prüfung dennoch genügen.
Zweck des Buches ist es also, die Aufmerksamkeit auf
verborgene Naturschätze am Wegrand und in der näheren
Umgebung zu lenken, das Gesehene einzuordnen und Verständnis
für viele Zusammenhänge der belebten und auch
unbelebten Natur zu vermitteln. Ein trendiger, erfüllender und
dazu noch gesunder Zeitvertrieb.
Ein wichtiger Platz wurde bei der Tourenplanung auch der
Sicherheit eingeräumt: Es empfiehlt sich, die Tour gut vorbereitet
anzutreten, wenn nötig mit entsprechender Wanderausrüstung
und vorgängiger Konsultation des Wetterberichts.
Dann dürfen wir es sicher wagen, während der Tour den Blick
auf botanische Schätze und weitere Sehenswürdigkeiten in
der Umgebung zu richten! Botanische Schätze? Sicher! Wir
lernen viele eindrückliche Pflanzen des Tieflandes, des Juras,
der Voralpen und der Alpen kennen.
Doch nebst den berühmten Seerosen, Edelweiss, Alpenrosen
und Enzianen warten viele, auch weniger bekannte Pflanzen
darauf, unser Auge zu erfreuen. Vorgestellt werden daher
sowohl botanische Raritäten als auch häufig vorkommende
Pflanzen. Denn einzigartig sind sie alle und verdienen Achtung,
Beachtung und Schutz. Insgesamt kann die flächenmässig
kleine Schweiz mit einer Vielzahl faszinierender Naturerlebnisse
aufwarten.
5
Der vorliegende Wanderführer soll als praktisches Werkzeug
für die Tourenplanung, auf der Tour selbst und als
Hilfsmittel zur Bestimmung von Pflanzen dienen. Dabei wird
nicht nur auf die Pflanzenwelt eingegangen, obgleich diesem
Aspekt natürlich erste Priorität eingeräumt wird. Lebensräume,
Tiere, Geologie und Kulturelles werden im verfügbaren
Rahmen ebenfalls kurz thematisiert.
Der Trend «Zurück zur Natur, und zwar bewusst» erfreut
sich heutzutage, in einem Zeitalter bedrohter Natur-Ressourcen,
einer wachsenden Zahl von Anhängern. Die Natur ist allerdings
alles andere als ein unendliches, uneingeschränktes
Gemeingut. Ein zu unbekümmerter Umgang mit den fragilen
Ressourcen schmerzt leider auf manchen Ausflügen Auge
und Seele der Naturfreundin und des Naturfreundes. Wir
aber können unseren Teil zur Erhaltung der Naturschätze beitragen,
indem wir ihnen mit Sorgsamkeit und Achtung begegnen.
Schön wäre es, wenn nach einer Tour das Gefühl zurückbleibt,
draussen im Freien etwas Gutes für Körper, Geist und
Seele getan zu haben, ohne einen «Fussabdruck» zurückzulassen.
Wer die Natur liebt, schadet ihr nicht; nach unseren
Wanderungen sollen noch ebenso viele Pflanzen den Weg
säumen wie vor unserem Ankommen. Wir nehmen sie mit,
aber nur als Fotografie und schöne Erinnerung im Herzen.
Was Sammeln betrifft, so wartet dieses Buch übrigens noch
mit einer spielerischen Idee auf, quasi ein «Sammeln von
Punkten», ein wenig wie das beliebte «Geotagging». Mehr
dazu im Kapitel «Big5».
Zweck dieses Buches ist es, Leserinnen und Lesern mit
oder ohne Vorkenntnissen, Tipps und Vorschläge für eindrückliche
Botanikwanderungen aufzuzeigen, und bei ihrer
Planung sowie auf der Tour selbst ein hilfreiches Werkzeug
zu sein. Den breitgefächerten Ansprüchen einer Exkursion
bestmöglich gerecht zu werden, ist nicht immer einfach und
zu guter Letzt dürfen weder zu viel noch zu wenig Informationen
in die Buchseiten verpackt werden. Aus diesem Grund
wurden Fach- und Spezialbegriffe sowie wissenschaftliche
Begriffe möglichst sparsam verwendet.
Es war mir auch ein Anliegen, die Touren über die Schweiz
so zu platzieren, dass sie auf verschiedenste Regionen verteilt
sind. Das Niveau erstreckt sich vom einfachen Spaziergang
bis zu anspruchsvollen Routen; die meisten sind leicht
bis mittelschwer. Es ist mir wichtig, dass alle Botanikwan-
6 |
derer unfallfrei von der Tour heimkehren, den Ausflug als
persönliche Bereicherung erleben und nach jeder Tour sagen
können: «Das war ein guter Tag». Sollte es mir mit diesem
Buch gelungen sein, bei meinen verehrten Leserinnen und
Lesern Freude und Verständnis für Natur und Umwelt zu wecken
und zu stärken, dann ist mir (fast) mehr gelungen, als
ich insgeheim zu hoffen wagte. Nun wünsche ich allen Naturund
Botanikfreunden stets gutes Gelingen und viele blumige
Erlebnisse.
Hünibach, Sommer 2018
Andreas Grau
Ein paar Erklärungen
••
Allgemein sind die Texte reich bebildert, so dass anhand der Fotografien eine erwähnte
Pflanze im Gelände wiedererkannt werden kann. Insgesamt werden in diesem Buch
356 Pflanzenarten vorgestellt. Die Fotos sind soweit möglich vor Ort entstanden. Ausnahmen
sind Habitusbilder von Bäumen, die im dichten Waldbestand nicht deutlich
abgebildet werden können oder von Pflanzen, die in einem anderen saisonalen Zustand
vorgestellt werden sollen.
••
Die Pflanzen sind im «Verzeichnis der Pflanzenarten und -familien» (Seite 181) aufgelistet.
Die Angaben richten sich nach «Flora Helvetica» (FH), dem Standardwerk der
Schweizer Feldbotanik.
••
Die Touren präsentieren eine bis vier Pflanzen, welche für die betreffende Wanderung
charakteristisch sind.
••
Die Wanderziele können in der Regel stets mit ÖV erreicht werden. Für Reisende mit
privaten Verkehrsmitteln wird auch die An-/Rückfahrt für Privatfahrzeuge beschrieben.
Am Anfang jeder Tourenbeschreibung steht eine Empfehlung zu den Besuchszeiten:
Gut Mässig gut Ungeeignet
••
Für alle Touren gilt, dass die erwähnenswerten Pflanzen, Landschaften und Lebensräume
zu den angegebenen Zeiten vorzufinden sein sollten. Doch die Natur ist ein
«Fliesssystem», 100-Prozent-Garantie gibt es da nicht.
7
Günstigste Besuchszeiten
Idealzeit/Blütezeit-Monat (*)
Nr. Pflanzen-Name KT Ort 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
1 Gemeine Küchenschelle AG Densbüren
2 Gelber Lerchensporn BE Hünibach-Thun
3 Flühblümchen BE Wimmis
4 Grengjer-Tulpen VS Grengiols
5 Fieberklee FR Düdingen
6 Bocks-Riemenzunge BE Ligerz
7 Frauenschuh SH Bargen
8 Frauenhaar-Farn TI Balerna
9 Brauner Storchenschnabel LU Waldemmen-Tal
10 Rosmarinheide JU Étang de la Gruère
11 Bergscharte GR Ramosch, Vnà
12 Sibirische Schwertlilie AG Unterlunkhofen
13 Pelz-Anemone BE Frutigen
14 Schneeweisse Hainsimse VS Saas Almagell
15 2 Steinbrecharten VS Saas-Fee
Gut Mässig gut Ungeeignet (*) Die Empfehlung der günstigen Besuchszeiten richtet sich explizit nach dem im Buch angegebenen Standort
8 |
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 5
Günstigste Besuchszeiten 8
Karte und Tourenverzeichnis 10
Big5 12
Verzeichnis der Touren, in denen die «Big5»-Pflanzen vorzugsweise zu finden sind 14
1 Gemeine Küchenschelle 18
2 Gelber Lerchensporn, Karvinskis Berufskraut, Dalmatische Glockenblume 29
3 Flühblümchen an der Simmenfluh 42
4 Grengjer Tulpen 56
5 Fieberklee, Weisse- und Hybrid-Seerose, Zypergras-Segge 68
6 Bocks-Riemenzunge 79
7 Frauenschuh, Fliegen- Ragwurz, Wilder Birn- und Wilder Apfelbaum 89
8 Frauenhaar-Farn 98
9 Brauner Storchschnabel 110
10 Rosmarinheide, Blutauge und Teichenzian 121
11 Alpen-Bergscharte, Heilglöckchen, Acker-Wachtelweizen 130
12 Sibirische und Gelbe Schwertlilie, Sumpf-Helmkraut 138
13 Pelz-Anemone 148
14 Schneeweisse Hainsimse 157
15 Gegenblättriger Steinbrech und Zweiblütiger Steinbrech 165
Kleines Glossar (Alphabetisch) 177
Verzeichnis Pflanzenarten und -familien 181
Quellenangaben /Dank 201
9
Karte und Tourenverzeichnis
10 |
11
Big5
«Big5», das ruft vielleicht Erinnerungen an eine Afrika-Safari
wach. Kein Wunder – von dort stammt schliesslich dieser
Begriff. Genau genommen spricht man dort von «The Big
Five of Africa» und meint damit: Elefant, Nashorn, Kaffernbüffel,
Löwe und Leopard. Irgendwie hat man sich auf diese
fünf Tiere geeinigt, obschon andere sicher auch berechtigten
Anspruch auf diesen Titel hätten. Nilpferd, Nilkrokodil und
Tüpfel-Hyäne wären da zu nennen, aber dann wären es nicht
mehr nur fünf, es sei denn, man würde einem der bisherigen
Ranginhaber seinen Titel aberkennen. Nun, nicht jeder kann
Platz finden auf dem Siegerpodest, so hat man wohl, nicht
ganz frei von Sympathie, jene fünf Repräsentanten der afrikanischen
Fauna auserkoren.
Diese Idee fand bald Nachahmer. Nur ein Beispiel: Neuseeland
wirbt mit verschiedenen Angeboten zu «Big Five», wobei
das teils Landschaften, Treckings aber natürlich auch Tiere
betrifft. Eine Trecking-Agentur wirbt beispielsweise für eine
Tour, bei der es Vögel wie den Kiwi, den Tui oder den Neuseeland-Falken
zu sehen gibt, mit einer guten Portion Selbstbewusstsein
so:
«Forget Africas‘ ‹Big5›, it’s been done! Here are the ‹Big5›
feathered sights in New Zealand and which ‹Walking Legends›
tour you should take in order to see them!»
Was ungefähr bedeutet, dass man die afrikanischen Big
Five vergessen soll – kalter Kaffee! Es gebe die «Big5» als
gefiederte Sehenswürdigkeiten von Neuseeland.
Die Beispiele zeigen: Es macht Spass, auf Wanderungen,
Touren usw. etwas Originelles zu «sammeln». Geotagging
verzeichnet seit seiner Einführung eine wachsende Zahl Anhänger;
Ornithologen notieren ganz genau, was ihnen vors
Okular flattert und welche Pilgerin oder welcher Pilger würde
wohl an einem Pilgerstempel vorbeigehen, ohne ihn in den
Pilgerpass zu drücken?
Es liegt also nahe, auch unsere Botanik-Wanderungen mit
etwas Spieleffekt und Sammelfieber aufzuwerten. Was also
sollte uns davon abhalten, das Konzept «Big Five» auch auf
die Schweizer Flora auszudehnen? So werden wir diese Idee
adaptieren und in landestypischer Aufmachung vortragen.
Ganz ähnlich wie in Afrika, gehen denn auch wir bei den Titelvergaben
für die «Big5» der Schweizer Flora vor. Wobei wir
vier verschiedene Regionen unterscheiden und für diese je
«Fünf Grosse» auswählen. Wie die Afrikaner, so stehen auch
wir vor dem gleichen «Problem»: Wem soll die Ehre gebühren?
12 |
Nun, wir wählen unter den vielen Kandidaten je fünf aus, die
die Pflanzenwelt der jeweiligen Region würdig repräsentieren.
Dies natürlich im Wissen, dass andere dazu auch in der Lage
wären. Die vier Regionen sind:
Tiefland
Voralpen/Jura
Alpen
Süd- & Ostalpen, Süd-CH
Die Pflanzen halten sich natürlich nicht an unsere Territorialzuweisungen.
Es wird daher nicht verwundern, dass einzelne
unserer Big5 sowohl im einen wie im anderen Gebiet
(z. B. Alpen und Voralpen/Jura) vorkommen.
Unten also die Tabellen mit den Auserkorenen. Es gibt
demzufolge insgesamt 20 Pflanzen in der Schweiz mit dem
Titel «Big Five».
Die jeweiligen Kapitel enthalten alle nötigen Informationen
und das «Big5»-Signet der Region. Nach Begehung aller Touren
sollten im Prinzip alle «Big5»-Pflanzen gefunden worden
sein. Nachfolgend gibt es auch eine Tabelle zum Selbereintragen
der Tour-Nr., des Datums (an dem wir einer «Big5»-Pflanze
begegnet sind) und ein Feld pro Spalte für persönliche Anmerkungen.
Da diese Idee für die Schweizer Botanik neu ist, könnte
vielleicht sogar ein Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde
beantragt werden, für diejenige Person, die zuerst alle 20
«Big5»-Pflanzen der Schweiz als gefunden meldet. Tja, Probieren
geht eben über Studieren – viel Spass!
13
Verzeichnis der Touren, in denen die «Big5»-Pflanzen
vorzugsweise zu finden sind
Tiefland
Nr. Name/D Name/Lat. Band 1
Tour-Nr.
Band 2
Tour-Nr.
1 Schwanenblume Butomus umbellatus 3
2 Drachenwurz Calla palustris 5 1
3 Frauenschuh Cypripedium calceolus 7, 11
4 Weisse Seerose Nymphea alba 5 2
5 Schwertlilie (Sibirische
oder Gelbe)
Iris (sibirica oder
pseudacorus)
5, 10, 12 2
14 |
Voralpen/Jura
Nr. Name/D Name/Lat. Band 1
Tour-Nr.
Band 2
Tour-Nr.
1 Alpenrose s.l. Rhododendron s.l. 7, 8, 9, 12
2 Arnika Arnica montana 4, 6, 7, 12, 14
3 Türkenbund Lilium martagon 6, 11 5, 7
4 Feuerlilie Lilium bulbiferum s.l. 7
5 Aurikel Primula auricula 3, 9
15
Alpen
Nr. Name/D Name/Lat. Band 1
Tour-Nr.
Band 2
Tour-Nr.
1 Edelweiss Leontopodium alpinum 15 6, 8, 9
2 Alpen-Aster Aster alpinus 15 4, 6, 7, 8, 9
3 Gegenblätt. Steinbrech,
Zweiblütiger Steinbrech
Saxifraga oppositifolia,
Saxifraga bifolia s.l.
1
4 Alpen-Enzian Gentiana alpina 8
5 Männertreu s.l. Nigritella nigra
Nigritella rubra
11, 15 4, 6, 8, 9, 13
16 |
Süd- & Ostalpen, Süd-Schweiz
Nr. Name/D Name/Lat. Band 1
Tour-Nr.
Band 2
Tour-Nr.
1 Himmelsherold Eritrichum nanum 15 11
2 Alpen-Goldregen Laburnum alpinum 8 5, 13
3 Alpen-Pech-Nelke Silene suecica 8
4 Heilglöckchen Cortusa matthioli 11
5 Frauenhaar-Farn Adiantum cappillus-veneris
8
17
1
GEMEINE KÜCHENSCHELLE
Einfache Frühlingswanderung über Wiesen und durch
Wälder im nördlichen Aargauer Jura mit Abstecher auf den
höchsten Aargauer Berg.
Optimale Besuchszeit
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
18 | 1 Gemeine Küchenschelle
Allgemeine Beschreibung
Name (D / wissenschaftl.)
Weitere Namen
Familie
Gemeine Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris)
Gemeine Kuhschelle
Hahnenfussgewächse (Ranunculaceae)
(FH-Nr.) / Häufigkeit 150 / 4 + 1,0 %
Lebensraum
Allgemeine Verbreitung
Vorkommen CH
Schutz, Gefährdung
Besonderes
Kollin-montan: trockene, steinige Magerrasen und lichte
Kiefernwälder, meist in sonniger Hanglage; kalkliebend.
Europa
Mittelland, Jura, Graubünden (Rheintal)
Gefährdet bis stark gefährdet! Schweizweit geschützt (CH)
••
Pflanze wird 10–20 (ausnahmsweise sogar 40) cm hoch.
••
Blüten innen violett; aussen zottig behaart. Zahlreiche Staub-
und Fruchtblätter.
••
Halb geschlossene Blüten ähneln einer Kuhschelle. Die
Verkleinerungsform «Kühchen» (kleine Kuh) führte zur
Bezeichnung «Küchen»-Schelle.
Weitere interessante Pflanzenvorkommen
Name (D)
Schwarzkätzchenweide
Echter Seidelbast
Lorbeer-Seidelbast
Stinkende Nieswurz
Stängellose Schlüsselblume
Frühlings-Schlüsselblume
Wald-Schlüsselblume
Hagebuche
Schwarzer Holunder
Roter Holunder
Name (Lat.)
Salix melanostachys
Daphne mezereum
Daphne laureola
Helleborus foetidus
Primula acaulis
Primula veris
Primula elatior
Carpinus betulus
Sambucus nigra
Sambucus racemosa
19
Wegbeschreibung
6,3 km
3 h (ÖV)
2,5 h (Privat-PW)
363 m Aufstieg
363 m Abstieg
515 m / 867 m T2
Anreise
ÖV: Mit Zug bis Bahnhof Aarau, dann mit Bus
(Richtung Frick) bis Haltestelle «Asp Abzw.»
(vor Densbüren).
Privat-PW: bis Asp, Parkplatz nahe «Oberi
Langmatt».
Route
Reisende mit ÖV passieren die kleine Brücke
gleich bei der Bushaltestelle «Asp Abzw.»
und folgen dem Weglein neben der Strasse
Richtung Asp. Nach ca. 80 m rechts 350 m
auf der Dorfstrasse dann rechts abzweigen
(gleich hinter Restaurant «Jura»). Am Parkplatz
bei «Oberi Langmatt» vorbei. Auf demselben
Weg geht es dann am Ende der Wanderung
zurück zur Bushaltestelle. In unserem
Plan mit grüner Farbe eingezeichnet.
Nach 200 m biegt links der Weg nach «Hinterrebe»
und Stockmatt ab. Wir bleiben noch
für ca. 40 Meter auf dem Weg und nehmen
dann den Pfad, der links in den Hang hineinführt.
Dieses sehr schmale Weglein zieht
sich fast parallel zum Talweg durch den Hinterreben-Hang
dahin. In unserem Plan mit lila
Pfeil.
Bei Wegverzweigung Pt. 712 m
Weg Richtung «Strihe» 867 m. In unserem
Plan mit dunkelblauem Pfeil.
Karten
LK 1: 25‘000, Nr. 1069 | LK 1:50‘000, Nr. 214T
Verpflegung, Übernachten
Hotels, B&Bs und Restaurants usw. in Densbüren,
Aarau und Umgebung.
Informationen
Gemeindeverwaltung, 5026 Densbüren
T 062 867 87 67
W www.densbueren.ch/de/portrait/
willkommen
Spezielles
Pfad durch den Hinterrebe-Hang ist nach
Regen rutschig, Ausrutschgefahr.
20 | 1 Gemeine Küchenschelle
Wanderung
Von der Strasse, die von Frick (AG) im Norden südlich über
den Staffeleggpass nach Aarau führt, biegt in der Region
Densbüren ein Strässchen ab, das uns ins beschauliche Dorf
Asp führt. Am südwestlichen Ende des Dorfes liegt der Weiler
«Oberi Langmatt», dort beginnt unsere heutige Botanikwanderung.
Sofern die Anreise mit dem Privatfahrzeug erfolgte,
ist zu beachten, dass ein eigentlicher Autoparkplatz zwar
nicht ausgeschrieben wurde, am Wegrand aber normalerweise
ein Abstellplatz zu finden ist. Bitte jedoch berücksichtigen,
dass wir hier in der Landwirtschaftszone sind; ein Traktor
sollte also noch ungehindert den Weg passieren können.
Die Wanderung beginnt beim Weiler
«Oberi Langmatt»
Blick auf das Gebiet Hinterreben
(unter dem Waldsaum)
Nur ca. 50 m nach dem Start (Koordinaten 645‘800/
254‘895) wächst links am Wegrand schon unser erstes botanisches
Highlight: die Schwarzkätzchenweide. Eine sehr
langsam wachsende Weidenart, die zwischen Fe bruar und
April tatsächlich schwarze Blütenkätzchen hervorbringt. Später
im Jahr spriessen an den Zweigen grüne, stark glänzende
Blätter. Dieses, hier erstaunlicherweise natürlich wachsende,
Ziergehölz hat Seltenheitswert und stammt ursprünglich aus
Japan. Es wird selten höher als 3 m.
Schwarzkätzchenweide:
ungewöhnlich für Weiden, die pechschwarzen
Blütenkätzchen
21
Wegweiser Hinterreben
Stängellose Primel
Wir folgen nun dem gegen Nordwesten leicht ansteigenden
Weg. Nach ca. 100 m führt dieser in einem Bogen an einem
kleinen Rebberg entlang. Nach weiteren 50 m biegt links
ein Talweg «Hinterrebenweg» ab (Wegweiser aus Holzlatten;
auf dem Wegschild steht «Hinterreben» auf der Karte «Hinterrebe»).
Wir bleiben aber noch auf der «Ringstrasse» und queren
nach 60 m, kurz vor dem Waldrand, links steil aufwärts in
den sehr schmalen Fusspfad, der uns parallel über dem Talweg
durch den Hang führen wird (vgl. Luftaufnahme unten).
Lorbeer-Seidelbast
Gemeiner Aronstab
Echter Seidelbast
Um zum Standort der Küchenschellen zu gelangen, den
Stars unserer heutigen Wanderung, ist es notwendig, diesen
Fusspfad zu wählen. Doch gleich beim ersten Feldgehölz begegnet
uns ein Vertreter der Schlüsselblumengewächse: die
Stängellose Primel. Zwei weitere Schlüsselblumengewächse
werden wir wenig später noch antreffen. Und gleich hinter
diesem Feldgehölz warten schon drei weitere Pflanzenarten,
typische Frühblüher, wie fast alles, was wir auf dieser Frühjahrswanderung
zu Gesicht bekommen. Es sind dies zwei
Seidelbastgewächse und der Gemeine Aronstab (Arum maculatum).
Der Echte Seidelbast trägt pinkfarbene, wohlriechende
Blüten, diejenigen des Lorbeer-Seidelbastes sind unauffällig
gelbgrün. Giftig sind alle drei Arten. Bei den
22 | 1 Gemeine Küchenschelle
Seidelbastgewächsen ist das Gift (Mezerein) hauptsächlich
in Rinde und Samen enthalten. Der Kontakt mit menschlicher
Haut kann diese schädigen, und es kann bereits dadurch zu
einer Giftaufnahme kommen. Auch Schäden an Niere, Nerven
und Kreislauf sind nicht auszuschliessen.
Wald-Schlüsselblume
Stinkender Nieswurz
Frühlings-Schlüsselblume
Der Pfad schlängelt sich in der ganzen Länge durch das Gebiet
Hinterrebe und verläuft stets wenige Meter unterhalb des
Waldsaums. Die Südexposition heizt den Hang schon früh im
Jahr auf und bildet einen deutlichen Kontrast zum Nordhang
der «Asperstrihe», einem hufeisenförmigen Hügel auf der anderen
Seite des Tälchens zu unseren Füssen. Der Untergrund
aus zerklüftetem Kalkgestein wird von einer dünnen, nicht
stets zusammenhängenden Humusschicht bedeckt. Entsprechend
trocken ist es hier am Südhang der «Strihe», dem
höchsten Berg, der ganz im Kanton Aargau liegt.
Wir werden bald oben stehen und die faszinierende Aussicht
bewundern, doch bis dahin wollen wir noch die botanischen
Kostbarkeiten auf dem Weg dorthin geniessen. Und
die gibt es reichlich: Kaum sind wir ein paar Schritte weiter
gewandert, heben sich vor dem Waldrand die Silhouetten des
zahlreich vertretenen Stinkenden Nieswurz ab. Eine Pflanze,
die vorwiegend im Altertum gegen verschiedene Gebrechen
verwendet wurde, aber auch als Droge für Vergnügliches. So
wurde aus ihrer getrockneten Wurzel ein Niespulver hergestellt
(Name). Wegen unerwünschter Nebenwirkungen wird
sie heute nicht mehr medizinisch verwendet.
Anderes lässt sich von der Frühlings-Schlüsselblume
sagen: Ihre Wurzeln, Blüten und Blätter finden auch heute
noch in Hustentees und -sirups Verwendung. Auf der noch
nicht ergrünten Weide leuchten überall gelbe Farbtupfer im
ansonsten braunen, trockenen Gras. Das sind die Blüten der
Frühlings-Schlüsselblume. Im Waldesinnern blühen, teils bereits
gut sichtbar von unserem Weg aus, die etwas helleren
Blüten der Wald-Schlüsselblume (auch «Hohe Schlüsselblume»
genannt).
23
Nachdem wir die Wegstrecke auf dem schmalen Pfad
etwa zu drei Vierteln zurückgelegt haben, gelangen wir zu
einem Weidestück, das über und über mit den Blüten des
heutigen Hauptstars überzogen ist. So selten die Gemeine
Küchenschelle sonst vorkommt, hier wachsen ein paar Dutzend
dieser zottigen Kleinode auf engem Raum. Trotzdem
sind sie in ihrem Fortbestand stark gefährdet!! Zwei Ausrufezeichen
in Flora Helvetica (FH) heisst eben genau das. Und
mit Nachdruck sei darauf hingewiesen, dass wir die letzte
Generation sein könnten, die diese Blumen in freier Natur sehen,
wenn wir nicht Sorge für den Schutz solcher Seltenheiten
tragen. Sie ist übrigens im Blumenladen als ganze Pflanze
zu moderatem Preis erhältlich. Im Besonderen soll also im
Umgang mit dieser Pflanze gelten, was für alle Begegnungen
mit Wildpflanzen selbstverständlich sein sollte:
Anschauen,
Fotografieren,
Dokumentieren:
Pflücken:
Ausgraben:
Hagebuche
Geniessen wir also die Blütenpracht. Es gibt hier in nächster
Nähe übrigens noch eine weitere Fläche, auf der diese
Blumen vorkommen, aber die Wiese hier hat das reichste
Vorkommen der Gemeinen Küchenschelle zu bieten.
Nachdem wir uns sattgesehen haben, setzen wir den
Weg fort – und werden mit weiteren Begegnungen wie dem
Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) belohnt. Bei einem
nahen Feldgehölz treibt eine Hagebuche erste Blattknospen
aus. Auf einer Hagebuche wachsen männliche und weibliche
Blüten, sie ist somit einhäusig. Die Hagebuche gehört übrigens
nicht zu den Buchen-, sondern zu den Birkengewächsen.
Mittlerweile stehen wir am Waldrand, wo viele Herbstzeitlosen
(Colchicum autumnale) ihre Blätter dem Frühlingshimmel
entgegenstrecken. Im Herbst, wenn die blassvioletten
Blüten erblühen, werden die Laubblätter bereits verwelkt sein.
Die Blätter sollten übrigens nicht mit denen des Bärlauchs
verwechselt werden. Die Herbstzeitlose heisst auf Latein:
Colchium autumnale, was auf das Gift Colchizin verweist. Die
Herbstzeitlose hat eine etwas komplizierte Systematik: Sie
gehört zur Klasse der «Einkeimblättrigen». Solche Pflanzen
treiben aus dem Samen nur mit einem Keimblatt. Sie ist eingereiht
in die Ordnung «Lilienartige» und in die Familie der
«Zeitlosengewächse», Gattung «Zeitlosen». So funktioniert
übrigens die botanische Systematik in etwa. Für uns genügt
in aller Regel die Kenntnis von Gattung und Art, eventuell noch
die Familienzugehörigkeit. Das ist natürlich hervorragend,
aber nicht absolut notwendig. Für Ambitionierte bietet sich
24 | 1 Gemeine Küchenschelle
als Eselsbrücke Folgendes an: Die Anfangsbuchstaben der
Begriffe (nach alter Systematik): Reich, Unterreich, Stamm,
Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art, Rasse (Unterart) ergeben
den russischen Familiennamen RUSKOFGAR.
Wir wandern den sanft ansteigenden Waldweg empor und
folgen diesem, nachdem er den Wald für ein kurzes Wegstück
verlässt, bis zum Punkt 712 m. Dort wählen wir den
Weg rechts, Richtung Strihe, bis nach der zweiten Kurve ein
mittelsteiler Grashang rechts an den Weg grenzt. Dort steigen
wir über dieses Wiesenstück bis zur Krete empor, ca.
120 m. Rechts haltend treffen wir dann wieder auf einen markierten
Weg, der zur Strihe hochführt.
Oben auf der Strihe (Wegweiserangabe: «Strihen») befinden
sich ein paar Sitzbänke zum Ausruhen und natürlich um die
Blütenpracht zahlreicher
Küchenschellen
Bärlauch (Allium ursinum)
Herbstzeitlose
Herbstzeitlose
25
Aussicht zu geniessen. Bis zu den Alpen reicht der Blick,
wenngleich oftmals Dunst und Staub die klare Sicht etwas
einschränken; schön ist es hier allemal. Nachdem wir uns
von dem Panorama losreissen konnten, nehmen wir den Weg
wieder talwärts, und zwar in Nordostrichtung, dem Pfad entlang
via «Oberloch». Dort mündet der Pfad in den Weg, auf
dem wir hergekommen sind. Wir werden dem Weg, wieder
über Punkt 712 m (Karte), zurückfolgen. Diesmal können wir
den schmalen Pfad durch die Hinterrebe umgehen, indem
wir einfach den bequemeren Talweg zu unserem Ausgangspunkt
Oberi Langmatt respektive zur Bushaltestelle «Asp
Abzw.» gehen. Dort endet unsere erste Botanik-Exkursion.
Auf dem letzten Wegstück treffen wir noch mehrere interessante
Pflanzen an, von denen hier wenigstens zwei vorgestellt
werden sollen: Schwarzer und Roter Holunder.
26 | 1 Gemeine Küchenschelle
Den frappantesten Unterschied zwischen den Holunder-
Arten machen die Bilder sehr schön anschaulich. Sicherstes
Unterscheidungsmerkmal ist die Farbe des Markes in ihren
Zweigen.
Schwarzer Holunder
Roter Holunder
Roter Holunder = Rotes Mark,
Schwarzer Holunder = Weisses
Mark
27
Weitere Sehenswürdigkeiten
in der Region
http://www.densbueren.ch/de/portrait/
sehenswuerdigkeiten/welcome.php
Aussichtspunkt Asper Strihe
Lage: Westlich von Asp auf 838 m ü. M.
( Koord. 645‘005/254‘670).
Aussichtspunkt Herzberg/
Mittlisberg
Oberhalb Reservoir Herzberg (Koord. 645‘836/254‘400)
befinden sich die zwei Aussichtspunkte mit Blick Richtung
Süden über Küttigen, Aarau und das Mittelland. Das Panorama
erstreckt sich von den Glarner- über die Zentral- bis zu
den Berner Alpen.
Burgruine Urgiz
Die Ruine befindet sich auf einem Felssporn am nördlichen
Ende der Gemeinde Densbüren (Koord. 646‘240/256‘835).
Dörfer Asp und Densbüren
Bemerkenswerte Ortsbilder.
28 | 1 Gemeine Küchenschelle