Beelitzer Nachrichten - Mai 2019
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Seite 10<br />
AUS STADT UND ORTSTEILEN<br />
Anna Adam (l.) und Jalda Rebling haben die<br />
Alte Schule in Wittbrietzen gekauft - und<br />
beleben sie mit Kunst und Kultur neu.<br />
Foto: Claudia Krause<br />
Zur<br />
rechten<br />
Zeit am<br />
rechten<br />
Ort<br />
Anna Adam und<br />
Jalda Rebling sind in<br />
Wittbrietzen angekommen<br />
und wollen mit<br />
dem Verein „Makom –<br />
Kunst & Schule“ hier<br />
Wurzeln schlagen<br />
Info: Die nächste Veranstaltung von<br />
Makom findet am 24. <strong>Mai</strong>, 19 Uhr, in<br />
der Wittbrietzener Dorfkirche statt.<br />
Bei dem Projekt „LAILAH“ steht der<br />
musikalische Dialog zwischen den<br />
Religionen Christentum, Judentum<br />
und Islam im Mittelpunkt (siehe Aprilausgabe<br />
der BN). Die Veranstaltung<br />
steht im Kontext der Potsdamer<br />
Reihe „Anders als du glaubst“ vom<br />
21.5. bis 12. 6. <strong>2019</strong>.<br />
info@makom-kunstundschule.de<br />
Telefon: 033204/616780<br />
M<br />
anchmal soll es einfach so sein. Für<br />
das Künstlerpaar Anna Adam<br />
(bildende Künstlerin und Diplompädagogin,<br />
55 Jahre) und Jalda Rebling<br />
(Schauspielerin und jüdische Kantorin,<br />
68 Jahre) sorgte eine drohende horrende<br />
Mietpreiserhöhung der Berliner Atelierräume<br />
dafür, dass sich die Frauen auf<br />
die Suche nach einer Alternative machten.<br />
Aufs Land zu ziehen war eigentlich nie<br />
eine Option, erzählen die „verpaartnerten“<br />
Frauen. Als sich nirgends etwas Passendes<br />
finden ließ, stand Anna Adam, die sich<br />
durch den Wust von Internetimmobilienangeboten<br />
gekämpft hatte, kurz vor der<br />
Resignation.<br />
Aber dann fand sie das Bild von der Alten<br />
Schule Wittbrietzen. Es war der letzte Tag<br />
der Online-Offerte für das Haus aus den<br />
1930er Jahren und flugs schickte sie alle<br />
Unterlagen ab. Unter rund 30 Kaufinteressenten<br />
schafften es die Frauen, sich mit<br />
ihrem Konzept bei der Stadt und dem<br />
Ortsbeirat durchzusetzen. Im <strong>Mai</strong> 2016<br />
bekamen sie den Schlüssel, im Frühjahr<br />
zogen sie ein. Auch wenn längst nicht alle<br />
Bauarbeiten abgeschlossen sind, sitzt man<br />
heute behaglich in der guten Stube mit<br />
offener Küche über dem einstigen Luftschutzbunker.<br />
„Wir sind zum richtigen Moment vom<br />
richtigen Ort gefunden worden“, beschreibt<br />
Anna Adam das neue Glück. Die<br />
Frauen schätzen besonders „die Offenheit<br />
des Ortes“. Als sie „mitten im Dreck standen“,<br />
brachte eine Nachbarin zwei Stiegen<br />
Gurken rüber, Männer hielten an der Straße<br />
und boten Gerüste an, die Frauen können<br />
sich Werkzeug ausleihen und Anna,<br />
die Handwerkerin in der Familie, ist<br />
„wahnsinnig dankbar dafür, dass sie mit<br />
Männern schön über Bauarbeiten fachsimpeln<br />
kann“. Überall im Ort würden „total<br />
nette“ Gespräche geführt. „Wenn Jalda<br />
loszieht, Eier zu holen - das kann dauern<br />
freut“, berichtet Anna Adam und lacht.<br />
„Zum ersten Mal in unser beider Leben<br />
haben wir das Gefühl, dass wir angekommen<br />
sind“, sagen die Frauen, deren Enkel<br />
auch schon in den Ort verliebt ist. Was<br />
macht Wittbrietzen richtig? „Man trifft<br />
sich auf Augenhöhe. Kinder und Erwachsene<br />
werden stets mit einbezogen“, sagen<br />
die Künstlerinnen, die beruflich oft in<br />
Berlin und anderswo unterwegs sind.<br />
Freundlichkeit sei wichtig, aber man müsse<br />
auch „feine Nuancen in den Befindlichkeiten<br />
spüren und respektieren“. Deshalb<br />
stand für sie schnell fest, dass sie etwas<br />
„zurückgeben“ und für die Region tun<br />
wollen. Sie gründeten den Verein<br />
„Makom – Kunst & Schule“ am Dorfplatz<br />
11 und starteten im Dezember 2017 mit<br />
Lesung und Musik in eine Vollmondnacht.<br />
Ortsvorsteherin Simone Spahn sagt,<br />
es sei ein richtig gutes Beispiel von Dorfintegration.<br />
Man habe die Alte Schule als<br />
ortsprägendes Gebäude auch ein stückweit<br />
öffentlich halten wollen. „Die beiden<br />
Frauen sind unkompliziert, wie es auf dem<br />
Lande auch ist. Sie bekommen und bieten<br />
selbst Hilfe an. Sie machen ihre Angebote,<br />
aber beteiligen sich auch an den anderen<br />
im Dorf. Wir sind jedenfalls begeistert<br />
und froh, dass wir sie damals ausgewählt<br />
haben“, betont Simone Spahn.<br />
Makom heißt „Ort“ auf Hebräisch und soll<br />
Raum geben für kreative Köpfe und<br />
Ideen, Menschen aller Altersgruppen und<br />
mit jeglicher Begabung sollen Möglichkeiten<br />
bekommen, sich auszuprobieren.<br />
Bastler und Tüftler, Sport- und Tanzbegeisterte<br />
können sich in der Alten Schule<br />
ebenso treffen wie Musiker, Autoren und<br />
Schauspieler. Ausstellungen und Lesungen,<br />
Konzerte und Vorträge, Workshops<br />
und Tagungen, Probenphasen für Künstler<br />
– vieles schwebt den Frauen vor. Bildungs<br />
- und Werkstattangebote für Kinder sind<br />
geplant. Nachwuchskünstler können Starthilfe<br />
auf künstlerischem wie wirtschaftlichem<br />
Gebiet bekommen. Die Räume können<br />
zudem von Menschen genutzt werden,<br />
die ihr eigenes Projekt bei Makom realisieren<br />
wollen. Die Zusammenarbeit mit<br />
dem Förster, dem Blühstreifenverein, dem<br />
<strong>Beelitzer</strong> Buchladen von Michaela Loth<br />
sowie dem <strong>Beelitzer</strong> Kulturverein wollen<br />
die Frauen befördern. Eine Spargelkrimi-<br />
Serie haben sie im Kopf. Dem Verein<br />
„Die mörderischen Schwestern“ fällt dazu<br />
bestimmt was Spannendes ein. Viel mehr<br />
müssten junge Autorinnen noch in die<br />
Öffentlichkeit. Zum Schreiben sind sie in<br />
der Alten Schule willkommen.<br />
Die Alte Schule mit rund 250 Quadratmetern<br />
bietet Privatsphäre, aber auch einen<br />
Nebenraum für Kulturangebote. Proppenvoll<br />
war dieser schon bei der Lesung von<br />
Marion Brasch. Platz ist noch für das Försterbüro<br />
und den Seniorensport. Ein etwa<br />
180 Quadratmeter großes Nebengebäude<br />
wird ökologisch ausgebaut für Atelier und<br />
Werkstatt und bekommt ein Gründach.<br />
Ein Öko-Garten mit Hochbeeten ist im<br />
Entstehen. Ins ausgebaute Dachgeschoss<br />
wird eine Gästewohnung integriert. Schon<br />
jetzt würden Schauspieler-Kollegen gern<br />
nach Wittbrietzen zum Proben und Ideenschmieden<br />
kommen, sagt Jalda Rebling.<br />
Und sie selbst sind „nun immer grummelig,<br />
wenn wir wieder nach Berlin müssen“.<br />
Claudia Krause