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FESTIVALS<br />
Openair Gampel, 15. - 18. August, Gampel (VS)<br />
MAN RAPPT DEUTSCH: DIE GUTEN, DIE BÖSEN UND DIE HIPPEN<br />
Kein Musikgenre ist in den DACH-Charts aktuell erfolgreicher als Deutschrap. Und an keinem Schweizer<br />
Festival ist die Szene so stark vertreten wie am Gampel. Doch reden «Cherry Lady», «Gangsterbraut»<br />
und «Lieblingsmensch» kaum die gleiche Sprache. (rec)<br />
<strong>#167</strong> | JUNI 2019<br />
30<br />
So gross wie ABBA, demnächst wahrscheinlich auch schon bald die Beatles<br />
überholt: Wenn Universal Music von seinem Schützling Capital Bra<br />
schreibt, dann werden die ganz grossen Namen gedroppt. Das Label bezieht<br />
sich dabei auf die neun Nummer 1 Hits, die der Berliner innert zehn<br />
Monaten in die Charts gebracht hat. Ein Rekord, der dem gebürtigen Sibirier<br />
den Ruf als bislang erfolgreichster deutschsprachiger Musiker des 21.<br />
Jahrhunderts eingebracht hat. Wer seine musikalische Diät über die hiesigen<br />
Radios bezieht, dürfte davon nicht viel mitbekommen: Die meisten<br />
Stationen boykottieren Capi, begründen das Blackout mit seinen oftmals<br />
problematischen «Fick dies, lutsch das»-Texten. Doch für einen Künstler,<br />
der sein Werk perfekt den Konsumgewohnheiten der Streaming-Generation<br />
auf den Pausenplätzen von Schlieren bis Schwerin angepasst hat,<br />
spielt das keine grosse Rolle. Ein Game, das auch Bonez MC und RAF<br />
Camora kapiert und kultiviert haben: Drei Songs ihres zweiten Albums<br />
«Palmen aus Plastik 2» belegten zeitweise die Top 3 der deutschen Hitparade,<br />
alleine in der ersten Woche wurden über 57 Millionen Streams<br />
generiert.<br />
Old School, New Punk<br />
Doch auch die alte Schule hat sich noch lange nicht in die Sommerferien<br />
verabschiedet: Neun Jahre lang liess sich Dendemann für sein neues<br />
Album «da nich für!» Zeit und landete damit im Februar prompt zum<br />
ersten Mal in seiner Karriere auf Platz 1. Die Karriere des Hamburgers<br />
reicht bis in die 1990er zurück, als Teil des Duos Eins Zwo feierte er seine<br />
ersten Erfolge und veröffentlichte mit «Gefährliches Halbwissen» 1999<br />
einen absoluten Genre-Klassiker. Zu diesem Zeitpunkt war Yung Hurn<br />
gerade mal vier Jahre alt. Inzwischen spalten sich am Österreicher die<br />
Geister: Ist das Kunst oder kann das Rap? Drogen und Dada scheinen die<br />
Hauptzutat seines benebelten Trap-Sounds zu sein, vor zwei Jahren liess<br />
er beim Openair Frauenfeld das SRF während eines Interviews dermassen<br />
auflaufen, dass der Clip dazu viral ging und der Welt zeigte: Punk<br />
trägt nicht mehr Lederjacke sondern Velourhoodie.<br />
Mit Flow im Mainstream<br />
Nicht ganz so nihilistisch, aber durchaus mit künstlerischem Anspruch,<br />
operiert Alligatoah. Musikalisch wandelbar und live auf die ganz grosse<br />
Show aus – auf seiner aktuellen Tour begrüsst er das Publikum eben mal<br />
vor der Kulisse eines Hotels aus den 1930er Jahren und schaut dabei aus<br />
wie Jim Carrey in «Die Maske» – kommentiert das launige Multitalent in<br />
cleverer Wortgewalt die verätzenswerten Aspekte vom aktuellen Kulturund<br />
Weltgeschehen. Dabei wagt sich Alligatoah auch gerne mal an den<br />
Pop heran – jedoch nie so knietief, wie das Namika inzwischen tut. Ihre<br />
Karriere begann sie als Hän Violett in der Hip-Hop-Szene. Später eroberte<br />
sie als Sängerin gleich mit ihrer ersten Single «Lieblingsmensch» Platz 1<br />
der Charts. Ihren Flow von damals hat sie aber bis heute beibehalten,<br />
nachzuhören beispielsweise in Songs wie «Phantom». Zu verdanken hat<br />
Namika ihren anhaltenden Erfolg übrigens insbesondere auch dem rigorosen<br />
Radio-Airplay. Es führen eben doch noch immer verschiedene<br />
Wege auf den Gipfel des Erfolgs – oder eben zwischen die Hügel von<br />
Gampel.<br />
Namika<br />
Alligatoah<br />
Dendemann<br />
Bonez MC und RAF Camora