Life Channel Magazin August 2019
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| PORTRÄT<br />
Evelyne Binsack liebt die Berggipfel, kennt aber auch die Talsohlen des Lebens<br />
Als Frau auf dem Everest<br />
Die Schweizerin Evelyne Binsack ist Abenteurerin, Bergführerin, Helikopterpilotin, Referentin und<br />
Buchautorin. © Privatarchiv Evelyne Binsack<br />
VON JAN LOBSIGER<br />
Schon als junges Mädchen zieht es Evelyne<br />
Binsack hinaus in die Natur, Richtung<br />
Abenteuer und hin zu extremen Erlebnissen.<br />
Bei Wanderungen mit der Familie schert sie<br />
aus, verlässt den normalen Pfad und kraxelt<br />
ihren eigenen Weg zum Ziel. Jahre später<br />
folgen die grossen Reiseziele: Eiger-Nordwand,<br />
Mount Everest, Nord- und Südpol.<br />
Heute fühlt sich Evelyne Binsack auch<br />
ab seits der grossen Abenteuer daheim. Ihr<br />
Rucksack ist randvoll mit Erlebnissen von<br />
nah und fern.<br />
Um Evelyne Binsack herum ist alles weiss.<br />
Der Wind pfeift ihr um die Ohren, der<br />
Schneesturm bläst von allen Seiten. Sie<br />
kämpft sich durch die Schneewüste in der<br />
Antarktis, vorwärts Richtung Südpol, Schritt<br />
für Schritt. Evelyne zieht einen 100 Kilogramm<br />
schweren Schlitten hinter sich her,<br />
der gefüllt ist mit einem Zelt, Essen und<br />
zusätzlichem, überlebenswichtigem Material.<br />
Zu jedem Schritt betet Evelyne ein Wort<br />
aus einem bekannten Gebet: «Atme in mir,<br />
Heiliger Geist, dass ich Heiliges denke …»<br />
Schritt für Schritt, Wort für Wort, kommt<br />
Evelyne ihrem grossen Expeditionsziel näher.<br />
«Ich wiederholte die Sätze so lange, bis ich<br />
daran glaubte: «Alles wird gut», sagt sie.<br />
Nach 484 Tagen, 25 000 Kilometern und 16<br />
bereisten Ländern erreicht sie den südlichsten<br />
Punkt der Erde. Gestartet ist sie daheim<br />
in der Schweiz. Mit eigener Muskelkraft,<br />
dem Fahrrad, zu Fuss, auf Skiern und mit<br />
Schlitten hat sie 2007 den Südpol erreicht<br />
und damit die «Expedition Antarctica»<br />
abgeschlossen.<br />
Die Reisen<br />
Es ist eines von drei grossen Abenteuern,<br />
die Evelyne Binsack bekannt machten. Sie<br />
sorgte schon 2001 für Schlagzeilen. Damals<br />
war sie die erste Schweizerin auf dem<br />
höchsten Gipfel der Welt, dem Mount Everest.<br />
Und 2017 führte sie eine über 105 Tage<br />
andauernde Reise zum Nordpol. «Seit ich<br />
den Gipfel des Mount Everest bestiegen und<br />
den südlichsten Punkt der Erde erreicht<br />
hatte, träumte ich davon, auch den dritten<br />
Pol, den Nordpol, zu begehen», so Evelyne.<br />
Sie konnte zwar an ihren Zielorten die «Siegerfaust»<br />
in die Höhe strecken, musste dafür<br />
aber auch viele Entbehrungen hinnehmen.<br />
Scheitern, Abstürze und<br />
Grenzerfahrungen<br />
Bei den teils waghalsigen Bergtouren<br />
stürzten schon mehrere ihrer Freunde in<br />
den Tod. Einige ihrer Projekte, wie etwa die<br />
zweite Besteigung des höchsten Berges im<br />
Himalaya, musste sie abbrechen. Und<br />
Evelyne Binsack selbst überlebte Schneeund<br />
Eislawinen sowie andere Beinahe-<br />
Abstürze.<br />
Von extrem zu «normal»<br />
Heute sagt Evelyne Binsack: «Mein Feuer<br />
für die Achttausender ist erloschen.» Ihre<br />
Expeditionen werden «normaler». Sie führt<br />
als Bergführerin Gäste durch die Schweizer<br />
Alpen und bildet sich im Coaching-Bereich<br />
aus. Sie will Gewaltopfern, traumatisierten<br />
Menschen und Teams weiterhelfen. «Was<br />
ich in meinem Leben gelernt und erfahren<br />
habe, möchte ich anderen Menschen weitergeben.»<br />
TV-TIPP<br />
FENSTER ZUM SONNTAG-TALK<br />
Evelyne Binsack:<br />
Höhenflüge und Abstürze<br />
Sa, 31. <strong>August</strong> 16.40 Uhr<br />
18.30 Uhr<br />
So, 1. September 12.15 Uhr<br />
17.45 Uhr<br />
<strong>Life</strong> <strong>Channel</strong> <strong>Magazin</strong> | <strong>August</strong> <strong>2019</strong> | 15