immobilia 2019/07 - SVIT
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solcher Strecken und Zonen dienen. Als<br />
Schlussfolgerung hält der Bericht fest,<br />
dass durch Temporeduktionen Lärmminderungen<br />
von mehreren Dezibel möglich<br />
sind. Auf übersichtlichen Tempo-<br />
30-Strecken wird tendenziell weniger<br />
gebremst und lautstark beschleunigt, was<br />
die Lärmemissionen deutlich senkt. Dies<br />
sorgt für mehr Ruhe in der Nacht und somit<br />
für einen besseren und gesünderen Schlaf.<br />
NOCH IMMER GROSSER<br />
WIDERSTAND<br />
Das Schweizerische Bundesgericht hat<br />
in einem Urteil vom März 2018 Geschwindigkeitsreduktionen<br />
auf stark befahrenen<br />
Strassen als grundsätzlich zulässig und für<br />
die Lärmbekämpfung als wirksam beurteilt.<br />
Im wegweisenden Entscheid erlaubte<br />
es Tempo 30 auf der Sevogelstrasse in Basel<br />
und bestätigte damit den kantonalen Entscheid.<br />
Dabei handelt es sich um eine verkehrsorientierte<br />
Verbindungsstrasse im<br />
St. Albanquartier, die hauptsächlich dem<br />
Durchgangs- und weniger dem Anwohnerverkehr<br />
dient. Bisher war die rechtliche<br />
Umsetzung von Tempo 30 auf solchen<br />
Strassen umstritten. Kurz darauf behandelte<br />
das Bundesgericht vergleichbare Fälle<br />
aus der Stadt Zürich und bestätigte damit<br />
den Basler Entscheid.<br />
Trotz dieser gerichtlichen Würdigung<br />
und den bislang vorliegenden Fakten ist<br />
der Widerstand gegen die Einführung<br />
von Tempo 30 nach wie vor beträchtlich.<br />
Sophie Hoehn vom BAFU findet dies bedauerlich:<br />
«Insbesondere auf breiten<br />
Strassen mit guter Sicht und ohne bauliche<br />
Massnahmen lassen sich Lärmemissionen<br />
mit Tempo 30 besonders wirksam<br />
reduzieren.» Denn dadurch sinkt<br />
der akustische Mittelungs pegel und laute<br />
Brems- und Beschleunigungsphasen fallen<br />
nahezu ganz weg.<br />
TEMPO 30<br />
WIRD IN DER<br />
SCHWEIZ<br />
AUCH ALS<br />
LÄRMSCHUTZ-<br />
MASSNAHME<br />
ZUNEHMEND<br />
AKZEPTIERT.<br />
SOHPIE HOEHN, SEKTI-<br />
ONSCHEFIN STRASSEN-<br />
LÄRM BAFU<br />
Zur Optimierung der Lärmreduktion<br />
in Zonen mit Tempobeschränkungen auf<br />
30 km/h lassen sich anhand der vorerwähnten<br />
Studie drei Erkenntnisse ableiten. Erstens<br />
ermöglicht eine freie 30er-Zone oder<br />
ein Streckenabschnitt mit diesem Tempolimit<br />
bereits eine beträchtliche Geschwindigkeitsreduktion<br />
und erhöht so auch die<br />
Sicherheit für alle Strassenbenützer. «Zweitens<br />
ist es sinnvoll, einen guten Verkehrsfluss<br />
ohne unnötige Anpassungen der Fahrbahn<br />
sicherzustellen», erläutert Sophie<br />
Hoehn, «und drittens verringert eine freie<br />
30er-Zone ‹sportliche› und ‹aggressive› Beschleunigungsvorgänge,<br />
die zu Lärmzunahmen<br />
führen.<br />
PRAXISBEISPIEL<br />
GEMEINDE KÖNIZ<br />
Die Gegnerschaft von Tempo-30-Zonen<br />
führt oft ins Feld, dass diese den Verkehrsfluss<br />
stark erschweren und ihn zu Spitzenzeiten<br />
gar zum Erliegen bringen. Ein gutes<br />
Beispiel zum Widerlegen dieser These<br />
ist Köniz. Mitten durch die grosse Berner<br />
Vorstadtgemeinde mit 40 000 Einwohnern<br />
führt die Schwarzenburgstrasse.<br />
Auf dieser Kantonsstrasse verkehren<br />
täglich fast 20 000 Fahrzeuge. Unter<br />
herkömmlicher Tempo-50-Signalisation<br />
mit Fussgängerstreifen kam es regelmässig<br />
zu massiven Staus. Zwischen den<br />
Jahren 2000 und 2004 erfuhr das Zentrum<br />
eine bauliche Aufwertung (Restaurants,<br />
Läden) mit Verdichtung. Dazu gehörte<br />
auch eine Tempo-30-Zone auf einer<br />
Länge von rund 300 Metern. In der Mitte<br />
der Fahrbahn ist heute ein breiter Streifen<br />
vorhanden, und auf Fussgängerstreifen<br />
hat man verzichtet.<br />
Der damals zuständige Projektleiter<br />
Ueli Weber erklärt: «Eine Lärmreduktion<br />
stand bei der Einführung von Tempo 30 eigentlich<br />
nicht im Vordergrund. Es ging uns<br />
vielmehr um ein gleichberechtigtes Miteinander<br />
aller Verkehrsteilnehmenden.»<br />
Seither hat sich der Verkehrsfluss sichtlich<br />
verbessert, und es kommt zu deutlich weniger<br />
Staus. Ein Grund sei bestimmt auch<br />
das Wegfallen des durch Fussgängerstreifen<br />
ausgelösten Stop-and-go-Fahrens. Zudem<br />
realisieren Fahrzeuglenker bei Tempo<br />
30 eher, dass sie sich in einem Ortszentrum<br />
befinden und lassen deshalb grössere Vorsicht<br />
walten. Ueli Weber ist denn auch überzeugt:<br />
«Das Schaffen von Tempo-30-Zonen<br />
geht nicht zulasten des Verkehrsflusses.»<br />
IMMOBILIA / Juli <strong>2019</strong> 41