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Siegerland-Wittgenstein – Waldmeer & QuellenReich

Waldmeer & QuellenReich. 32 Seiten voller Naturplätze & Kulturschätze in Siegen-Wittgenstein

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<strong>Waldmeer</strong> & <strong>QuellenReich</strong><br />

Könige der Wälder | Heiße Eisen | Prachtbauten | Holz vor der Hütte<br />

Lebensadern | Kulturerbe | Blickbalkone<br />

Ein Extra der Zeitschrift<br />

1


Inhalt<br />

2 Karte<br />

3 Editorial, Impressum<br />

4-9 Impressionen<br />

10-11 Interview mit Landrat<br />

Andreas Müller<br />

12-13 Könige der Wälder<br />

14-15 Heiße Eisen<br />

16-17 Das <strong>QuellenReich</strong><br />

18-19 Holz vor der Hütte<br />

20-21 Frisch auf den Tisch<br />

22-23 Prachtbauten<br />

24-25 Lebensadern<br />

26-27 Kulturerbe<br />

28-29 Blickbalkone<br />

30-31 Lohnenswerte Termine & Ziele<br />

2


Foto: Michael Sänger<br />

Impressum<br />

Beilage zum Wandermagazin 195 (Juli/August<br />

2017) sowie Verteilung über Touristikverband<br />

<strong>Siegerland</strong>-<strong>Wittgenstein</strong> e.V.<br />

Redaktion: Andrea Engel (Chefredakteurin)<br />

Texte: Michael Sänger<br />

Kartografie: Heinz Muggenthaler,<br />

Stadtplatz 19, 94209 Regen<br />

Titelbild: Klaus-Peter Kappest<br />

Verlags- u. Redaktionsanschrift:<br />

W&A Marketing & Verlag GmbH<br />

Rudolf-Diesel-Str. 14, 53859 Niederkassel<br />

Tel. 0228/45 95-10, Fax 0228/45 95-199<br />

post@wandermagazin.de<br />

www.wandermagazin.de<br />

HRB 5560 Amtsgericht Siegburg<br />

Steuernummer 220/5867/0551<br />

UST-IdNr.: DE149882288<br />

Geschäftsführer: Ralph Wuttke<br />

© W&A Marketing & Verlag GmbH<br />

Niederkassel, Mai 2017<br />

Nachdruck <strong>–</strong> auch auszugsweise <strong>–</strong> nur<br />

mit Genehmigung des Verlages und mit<br />

Quellenangabe statthaft. Keine Ansprüche<br />

im Falle höherer Gewalt. Gerichtsstand für<br />

alle Streitigkeiten aus der Verbreitung oder<br />

Erstellung ist für beide Teile Niederkassel.<br />

Prädikat „Wertvoll“<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

<strong>Siegerland</strong> und <strong>Wittgenstein</strong>er Land sind für mich zwei Seiten derselben Medaille. Hier<br />

die Waldlunge in der <strong>Wittgenstein</strong>er Kammer zwischen Rothaargebirge, Eder- und<br />

Lahntal. Dort die berühmte Eisenschmiede, legendäre Erzregion und Haubergslandschaft<br />

im <strong>Siegerland</strong> mit der Universitätsstadt Siegen als Zentrum. Hier das Paradies<br />

des Siegerländer Fachwerkbaus, reich an Aussichtstürmen und dem Erbe der Grafen<br />

und Fürsten von Nassau-Siegen zwischen Westerwald, Rothaarkamm und Kölschem<br />

Heck. Dort die Prachtschlösser der Fürstenhäuser in Bad Berleburg und Bad Laasphe,<br />

die Schieferverkleidungen, Schieferdächer der Wohnhäuser, die gedrungenen Kirchenschiffe<br />

und die 2013 ausgewilderten Könige der Wälder, die Wisente.<br />

Dazwischen, hoch oben über den beiden Gebirgskammern in 600 m Höhe, wartet das<br />

<strong>QuellenReich</strong> auf den Besucher, entzückt mit den Ursprüngen von Eder, Sieg, Lahn und<br />

Ilse. Der sprudelnde Bergkamm verfügt über hunderte weiterer Quellen, ein Frischeparadies,<br />

ein Wasserreservoir für Hundertausende. Drüben Gustav Prinz zu Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-Berleburg<br />

als größter Privatwaldbesitzer Nordrhein-Westfalens, hüben einer der<br />

weltbesten Chocolatiers Markus Podzimek aus Siegen.<br />

Längst ist für mich aus dem einstigen Reiseziel Siegen-<strong>Wittgenstein</strong> ein Reisemotiv<br />

geworden. Natur und Kultur sind eine eindrucksvolle Verbindung eingegangen.<br />

Diese Mittelgebirgslandschaft im Süden Westfalens verdient das Prädikat: wertvoll und<br />

unverwechselbar!<br />

Ihr Michael Sänger<br />

Herausgeber der Zeitschrift Wandermagazin<br />

3


4


Enge Gassen und Siegerländer Fachwerk.<br />

Der Gang durch die historische Fachwerkaltstadt<br />

von Freudenberg gehört zu den<br />

architektonischen Höhepunkten<br />

in Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>.<br />

Foto: Michael Sänger<br />

Fachwerkidylle in schwarz und weiß <strong>–</strong> Freudenbergs „Alter Flecken“<br />

5


6


Der Schlosspark hinter der gewaltigen<br />

Schlossanlage von Bad Berleburg, der Berlebach<br />

erweist sich als Gartenkünstler. Drei Teiche,<br />

überragt vom Westflügel des Schlosses,<br />

verströmen Ruhe und Gelassenheit.<br />

Foto: Michael Sänger<br />

Fürstliche Wanderfreuden <strong>–</strong> jeder Wandertag ist ein geschenkter Tag<br />

7


8


Unterwegs auf der Panoramaroute der<br />

Via Adrina. Ganz in der Nähe der<br />

Aussichtsplattform Heller mit tollem Blick<br />

auf das Edertal. Unweit von hier liegt das<br />

sehenswerte Alexander-Mack-Museum.<br />

Foto: Michael Sänger<br />

Hier bewegt sich was <strong>–</strong> zwei, die etwas ins Rollen bringen ...<br />

9


200 Jahre Kreise Siegen & <strong>Wittgenstein</strong><br />

Jubiläumsfest & Feierlaune<br />

Andreas Müller, Landrat des Kreises<br />

Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>, im Gespräch mit dem<br />

Wandermagazin<br />

Wandermagazin: 200 Jahre Kreis Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>, welche Stadt, welcher<br />

Flecken und welcher Fluss im Kreis stehen für Sie besonders für das Jubiläum?<br />

Im 13. Stock des Kreishauses in Siegen hat<br />

Andreas Müller seinen Arbeitsplatz. Der<br />

Blick auf Stadt, Land und Fluss ist beeindruckend.<br />

Anlass und Gelegenheit, dem<br />

politischen Chef des Kreises einige Fragen<br />

zu stellen.<br />

Andreas Müller: Ich denke hier an die „Ginsberger Heide“, die zu Hilchenbach-<br />

Grund gehört: eine wunderschöne Waldlichtung auf einem Berg! Dort findet<br />

seit über einem Vierteljahrhundert immer über Pfingsten das große Festival<br />

„KulturPur“ statt. Und 2017 feiern wir dort am 31. Mai auch das Jubiläum<br />

„200 Jahre Kreise Siegen und <strong>Wittgenstein</strong>“. Bei den Flüssen würde ich keinen<br />

hervorheben, sondern auf das <strong>QuellenReich</strong> entlang der historischen Eisenstraße<br />

verweisen. Denn das Besondere ist ja gerade, dass wir uns nicht nur über<br />

einen Fluss definieren, sondern über drei: Eder, Lahn und Sieg. Alle drei prägen<br />

unsere Region auf ihre Weise.<br />

Wandermagazin: Die Wiesenbauern des <strong>Siegerland</strong>s legten den Grundstein<br />

für die Siegener Universität, das Fürstenhaus derer von Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-<br />

Berleburg und den Grundstein für die europaweit erste Auswilderung der<br />

majestätischen Könige der Wälder <strong>–</strong> welche Überraschungen hat NRWs<br />

südlichster Kreis noch aufzuweisen?<br />

Andreas Müller: Da gibt es einiges: Mit einem Anteil von 71% ist Siegen-<strong>Wittgenstein</strong><br />

nicht nur der waldreichste Kreis Deutschlands, sondern vor kurzem<br />

10


wurde Siegen zur „grünsten Großstadt“<br />

der Bundesrepublik gekürt:<br />

Rund 86 Prozent der Fläche innerhalb<br />

der Stadtgrenzen von Siegen sind<br />

bepflanzt. Und wenn man sich dann<br />

noch vor Augen führt, dass wir mit<br />

unseren Partnern in Südwestfalen die<br />

Industrieregion Nr. 1 in NRW sind, dann<br />

ist das sicher etwas Besonderes! Darüber<br />

hinaus gilt der Slogan unseres Regionalmarketings:<br />

„Siegen-<strong>Wittgenstein</strong> <strong>–</strong> echt<br />

vielfältig.“ Wir haben die Großstadt<br />

Siegen mit ihren Angeboten und wir<br />

haben die ländlichen Bereiche <strong>–</strong> also<br />

Stadt und Land, Kultur und Natur, Seele<br />

baumeln lassen und sich in den Trubel<br />

stürzen. Nur bei uns kann man tagsüber<br />

am Rothaarsteig wandern und abends<br />

im Apollo-Theater die Philharmonie Südwestfalen<br />

hören. Diese Vielfalt zeichnet<br />

uns aus, sie ist unsere Stärke und damit<br />

können wir immer wieder überraschen.<br />

Wandermagazin: Das Waldreich im <strong>Wittgenstein</strong>er<br />

Land und die Stahlkocher,<br />

Eisenbieger und Röhrenwalzer im <strong>Siegerland</strong><br />

<strong>–</strong> wie passt das zusammen und wie<br />

profitieren die beiden so grundverschiedenen<br />

Regionen voneinander?<br />

Andreas Müller: Ich glaube, die beiden<br />

Altkreise sind gar nicht so verschieden:<br />

Auch das <strong>Siegerland</strong> war immer waldreich<br />

und hat mit der Haubergswirtschaft<br />

bis heute eine sehr nachhaltige Form der<br />

Waldnutzung, die in vielen Ortschaften<br />

verwurzelt ist. Auf der anderen Seite ist<br />

<strong>Wittgenstein</strong> wirtschaftlich und industriell<br />

enorm stark: Auch dort sind starke<br />

Weltmarktführer beheimatet. Natürlich<br />

haben beide Altkreise ihre besonderen<br />

Profile. Doch unterm Strich passen <strong>Siegerland</strong><br />

und <strong>Wittgenstein</strong> doch ziemlich<br />

gut zusammen.<br />

Wandermagazin: Was empfehlen Sie<br />

den Lesern dieses Magazins, wo lohnt<br />

sich Ihrer Meinung nach das Entdecken<br />

zu Fuß besonders, wo hat man die<br />

besten Aussichten, wie kann man sich<br />

den historischen Wurzeln des Kreises<br />

besonders eindrucksvoll nähern?<br />

Andreas Müller: Ohne Zweifel richtig<br />

schön ist es auf dem Rothaarkamm<br />

und am <strong>QuellenReich</strong>. Wunderschöne<br />

Fernsichten hat man im <strong>Siegerland</strong> vom<br />

Kindelsberg, der Ginsburg oder vom Gillerbergturm.<br />

Und in <strong>Wittgenstein</strong> gibt es<br />

in Bad Berleburg den WanderHöhepunkt<br />

„Via Adrina“. Der nennt sich im Untertitel<br />

auch „Weg der Ausblicke“ und das ist<br />

sicher nicht übertrieben. Und wenn es<br />

um Geschichte geht, greift wieder unser<br />

Motto „Echt vielfältig“. Natürlich ist das<br />

<strong>Siegerland</strong>museum im Oberen Schloss<br />

ein absolutes Highlight. Aber auch in<br />

den unzähligen Heimatstuben kann man<br />

tolle und interessante Facetten unserer<br />

Geschichte erleben. Darüber hinaus<br />

kann man sich unsere Geschichte auch<br />

erwandern <strong>–</strong> z. B. auf dem Keltenweg in<br />

Netphen, auf Bergmannspfaden in Wilnsdorf<br />

oder auch in Siegen-Achenbach.<br />

Dort ist der „Historische Rundweg <strong>–</strong> Von<br />

der La-Tène-Zeit bis zur Moderne“ vom<br />

Deutschen Wanderverband deutschlandweit<br />

als erster „Qualitätsweg mit Kulturerlebnis“<br />

ausgezeichnet worden.<br />

Wandermagazin: Die Renaturierung der<br />

Siegquelle und des Flusslaufs in Siegen,<br />

der Natursteig Sieg in der Vollendung,<br />

Namensgeber für die eine Hälfte des<br />

Kreises <strong>–</strong> welche Bedeutung hat die Sieg<br />

für die Identität, die Kultur, die Natur?<br />

Andreas Müller: Die Sieg ist in der Tat<br />

Namensgeber der Stadt Siegen und des<br />

<strong>Siegerland</strong>es. Sie ist deshalb natürlich<br />

identitätsstiftend. Wir leben am Oberlauf<br />

der Sieg. Das Flusstal prägt unsere<br />

Landschaft. Das Wasser der Sieg war<br />

für die Landwirtschaft genauso wichtig<br />

wie für die industrielle Entwicklung.<br />

Gleichzeitig verbindet uns die Sieg mit<br />

unseren Nachbarn. Das <strong>Siegerland</strong> endet<br />

geographisch nicht an der Kreisgrenze,<br />

sodass der sogenannte Oberkreis des<br />

Kreises Altenkirchen (Westerwald), der<br />

zu Rheinland-Pfalz gehört, wirtschaftlich<br />

eng mit dem Altkreis Siegen verbunden<br />

war und es immer noch ist. Und gerade<br />

im Tourismus arbeiten wir eng mit den<br />

anderen Kreisen entlang der Sieg bis zur<br />

Mündung im Rhein-Sieg-Kreis zusammen.<br />

Der autofreie Radaktionstag „Siegtal<br />

Pur“, immer am 1. Sonntag im Juli, ist mit<br />

regelmäßig über 100.000 Teilnehmern<br />

ein erfolgreiches Beispiel dafür.<br />

Wandermagazin: Die Herren im Berleburger<br />

Schloss hatten ein großes Herz<br />

für Menschen auf der Flucht <strong>–</strong> ob wegen<br />

Glaubensstreitigkeiten, Anfeindungen<br />

oder Verfolgungen. Welche Bedeutung<br />

hat diese spezielle Geschichte für den<br />

Kreis?<br />

Andreas Müller: Das ist richtig. Graf<br />

Casimir machte Anfang des 18. Jahrhunderts<br />

<strong>Wittgenstein</strong> zu einem Zufluchtsort<br />

für Religionsflüchtlinge. Er war ein Garant<br />

für die Toleranz in seinem Territorium.<br />

Siegen-<strong>Wittgenstein</strong> ist bis heute mehr<br />

als andere Regionen in Deutschland vom<br />

Pietismus geprägt. Und so habe ich zum<br />

Beispiel mit großer Freude feststellen<br />

dürfen, dass es bei uns in den Jahren<br />

2015 und 2016 eine überwältigende<br />

Hilfsbereitschaft für die ankommenden<br />

Flüchtlinge gab. Das trägt bis heute,<br />

wenn es um die Aufgabe der Integration<br />

geht. Ob das nun wirklich noch auf<br />

Graf Casimir zurückzuführen ist, weiß<br />

ich nicht. Aber die Siegerländer und<br />

<strong>Wittgenstein</strong>er sind in ihrem Wesen eher<br />

ruhig, lassen sich auch nicht so schnell<br />

aufwiegeln und sind ihren Prinzipien<br />

treu. Deshalb sind wir auch ehrliche,<br />

authentische und genauso herzliche<br />

Gastgeber.<br />

Wandermagazin: Vielen Dank!<br />

Blick auf Wilnsdorf<br />

Foto: Klaus-Peter Kappest<br />

Auf dem Mäanderweg an der Benfe<br />

Foto: Michael Sänger<br />

Die mittelalterliche Bergbausiedlung<br />

Altenberg zwischen<br />

Hilchenbach-Müsen und Littfeld<br />

Foto: Michael Sänger<br />

11


Könige der Wälder<br />

Zottelige Eminenz<br />

Kaja Heising, 29 Jahre, studierte Wildtiermanagerin,<br />

Master in Ethologie und Arterhaltung<br />

und Wissenschaftliche Koordinatorin<br />

in der Wisent-Welt <strong>Wittgenstein</strong>.<br />

„Warum Wisente so heißen? Es gibt eine<br />

Theorie, dass ihr Lebensraum ursprünglich<br />

nicht auf Wälder beschränkt war,<br />

sondern durch den Menschen auf den<br />

Wald zurück gedrängt wurde.“<br />

Das <strong>Wittgenstein</strong>er <strong>Waldmeer</strong> ist<br />

wieder Heimat von Wisenten. 2013<br />

wurde im <strong>Wittgenstein</strong>er Land eine kleine<br />

Herde der vom Aussterben bedrohten Wisente in die<br />

Freiheit entlassen. Das Wisent-Artenschutzprojekt zur Wiederansiedlung<br />

des größten Landsäugetieres der „Alten Welt“ ist einzigartig in West-<br />

Europa. Um die majestätischen Zotteltiere allerdings verlässlicher zu Gesicht<br />

zu bekommen, wurde 2012 bei Aue-Wingeshausen die Wisent-Welt <strong>Wittgenstein</strong><br />

mit aktuell zehn Tieren eingerichtet.<br />

Nein, mit einer Wildtiermanagerin hatte ich nicht gerechnet, als ich das Büro und<br />

die Ausstellungsräume der Wisent-Wildnis im schönen Bad Berleburg betrat, um<br />

mich aus erster Hand zu informieren. Die studierte Ethologin Katja Heising deutet<br />

auf eine Antenne am Boden: „Einige Tiere sind mit einem Sendehalsband ausgestattet.<br />

Im Optimalfall erhalte ich mehrfach täglich per Satellit Infos zum aktuellen<br />

Standort der ausgewilderten Herde. Allerdings schränkt die geologische Formation<br />

und die schlechte Mobilfunkverbindung diese Möglichkeit stark ein, so dass<br />

ich manchmal wochenlang nichts von den Tieren höre.‘“ Die Könige der Wälder<br />

haben einen eindrucksvollen Aktionsradius. Die Herde aus aktuell 18 Tieren nutzt<br />

rund 4.800 Hektar Fläche. Täglich können sie im Schnitt 11 km zurücklegen.<br />

Gewaltige Statur und scheue Natur<br />

Zum Ende der letzten Eiszeit, vor rund 12.000 Jahren, wanderten große Wisentherden<br />

über Osteuropa nach Mittel- und Westeuropa und bereicherten den Speisezettel<br />

der steinzeitlichen Bewohner. In vielen Höhlenmalereien unserer Vorfahren sind<br />

die haarigen Riesen abgebildet. Zu Zigtausenden streiften sie durch die Waldweiden<br />

12


der Alten Welt. Vor 100 Jahren war auch<br />

der letzte freilebende Wisent in Europa<br />

erlegt. Bis auf wenige Tiere in Zoos und<br />

Tiergehegen war die europäische<br />

Wisentpopulation eliminiert. Während<br />

in Osteuropa die Paarhufer<br />

mit der gewaltigen Statur, ein<br />

ausgewachsener Bulle kann bis<br />

2 m hoch und 3 m lang werden<br />

und bringt bis zu eine Tonne<br />

Gewicht auf die Waage, schon Anfang<br />

des 20. Jh. wiederangesiedelt<br />

und ausgewildert wurden, startete<br />

die erste Auswilderung in Westeuropa<br />

im April 2013 in den Wäldern<br />

von Richard Prinz zu Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-Berleburg.<br />

Dabei sind die mächtigen<br />

Grasfresser sehr scheue Tiere. Sie<br />

lieben die Ruhe und fühlen sich überall<br />

dort wohl, wo die natürliche Vorratskammer<br />

ihre Lieblingsgerichte vorhält. Dazu<br />

zählen Gräser, gerne auch Süßgräser, Himbeer-<br />

und Brombeerranken, Brennnesseln,<br />

Moose, Flechten, junge Triebe, Knospen,<br />

Blätter, Baumfrüchte, Rinde und Baumpilze.<br />

Welche Auswirkungen die braunen Kolosse<br />

auf das Ökosystem haben werden, das<br />

zu erforschen bzw. erforschen zu lassen,<br />

gehört neben der Verhaltensforschung der<br />

Tiere zu den Aufgaben der wissenschaftlichen<br />

Koordinatorin Kaja Heising. Es ist zu<br />

vermuten, dass die äsende Herde den Wald<br />

lichter macht und durch den Dung für die<br />

Besiedlung von spezialisierten Insekten<br />

und Käfern führt. Das wiederum lockt<br />

vermutlich auch verschwundene Vögel an.<br />

Man darf gespannt sein.<br />

Vom Zauber, sich beobachtet zu fühlen<br />

Die Chancen, dass Wanderer und andere<br />

Waldbesucher auf eine friedlich äsende<br />

Wisentherde treffen, sind sehr gering.<br />

Selbst die Wildtiermanagerin hat Probleme,<br />

trotz der Unterstützung der Verortung<br />

mittels Funksignalen, die scheuen<br />

Tiere zwischen all den Baumstümpfen,<br />

Wurzeltellern umgestürzter Bäume,<br />

hohem Farn und dichtem Baumbesatz zu<br />

erkennen. Sogar im vollen Galopp, und<br />

die braunen Eminenzen können bis zu<br />

60 km/h schnell werden, könne man die<br />

Herde kaum hören und nicht über die Erschütterungen<br />

des weichen Waldbodens<br />

spüren. „Ich finde die Vorstellung reizvoll,<br />

zu wissen, dass irgendwo im Wald diese<br />

majestätischen Tiere meine Witterung<br />

aufgenommen haben, mich beobachten<br />

Tipp zum Wandern:<br />

Von Aue-Wingeshausen aus, nahe der<br />

sehenswerten „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“,<br />

startet der qualitätsgeprüfte<br />

Rundwanderweg Wisent-Pfad mit 12,9 km<br />

Länge. Er lässt sich mit dem 3 km langen<br />

Rundwanderweg durch die 20 ha große<br />

Wisent-Wildnis kombinieren. Einen Besuch<br />

wert ist auch die Wisent-Erlebnisausstellung<br />

in der alten Landratsvilla, einem<br />

Nebengebäude des Rathauses der Stadt<br />

Bad Berleburg. www.wisent-welt.de<br />

und dabei für mich unsichtbar bleiben“,<br />

sagt Katja Heising. Zwischen Mai und<br />

August kommen die 25-30 kg schweren<br />

Kälber auf die Welt und werden sechs<br />

Monate von der Mutter gesäugt. Während<br />

sich Jungbullen nach zwei bis drei<br />

Jahren auf die Walz machen, bleiben die<br />

Kühe immer bei der Herde. Der Altbulle<br />

Egnar, so hat man beobachtet, bleibt<br />

jedoch stets bei der Herde und zieht<br />

sich lediglich in den Wochen, in denen<br />

die Kälber geboren werden, zurück.<br />

Das Artenschutzprojekt sieht vor, dem<br />

Bullen die nachwachsende Konkurrenz<br />

zu ersparen, und so werden Jungbullen<br />

künftig umgesiedelt. Schließlich soll sich<br />

die Stärke der Herde, die nicht über 25<br />

Tiere wachsen soll, der verfügbaren und<br />

weitgehend vom Menschen bewirtschafteten<br />

Fläche anpassen.<br />

Wisent-Welt <strong>Wittgenstein</strong><br />

Wer in den <strong>Wittgenstein</strong>er Wäldern mit<br />

Hund auf Wanderung geht, und an tollen<br />

Wanderwegen mangelt es in der Waldwildnis<br />

nicht, sollte den Hund stets angeleint<br />

haben und ausschließlich auf den Wegen<br />

führen. Für den sehr seltenen Fall, dass sich<br />

die Wisentherde dem Hund nähert, sollte<br />

man ihn indes umgehend ableinen. Allgemeine<br />

Verhaltensregeln für Wanderungen<br />

in der Wisent-Welt gibt es auf der Webseite<br />

www.wisent-welt.de. Wer das Glück haben<br />

sollte, den Wisenten in der freien Natur zu<br />

begegnen, ist herzlichst eingeladen, über<br />

seine Erlebnisse (Bitte mit Angabe von<br />

Standort, Tag und Uhrzeit) per Mail unter<br />

info@wisent-welt.de zu berichten.<br />

links & oben: Eindrucksvolle Illusion am<br />

Zaun, dass die gewaltigen Tiere sich<br />

inmitten ihres wilden Lebensareals frei<br />

bewegen <strong>–</strong> und nicht der Mensch<br />

unten: Einzigartiger Charme: Wisent-Hütte<br />

zwischen Bad Berleburg-Wingeshausen<br />

und Schmallenberg-Jagdhaus<br />

Fotos: Wisent-Welt-<strong>Wittgenstein</strong><br />

13


Heiße Eisen<br />

Erzengel und Haspelknechte<br />

Friedrich Schmidt, 64 Jahre, Leiter <strong>Siegerland</strong>halle,<br />

Städtischer Verwaltungsdirektor<br />

und Vorsitzender des Heimatvereins<br />

Niederschelden<br />

„<strong>Siegerland</strong> ist Eisenland <strong>–</strong> die mehr als<br />

2.500-jährige Eisengeschichte ist an<br />

vielen Stellen heute noch lebendig.“<br />

<strong>Siegerland</strong> <strong>–</strong> Eisenland und Heimat der<br />

„Hidden Champions“. Schon vor 2.500 Jahren<br />

verstanden sich die Bewohner des <strong>Siegerland</strong>es auf die<br />

Gewinnung von Oberflächenerz, seiner Verhüttung in sogenannten<br />

Rennöfen und der Bearbeitung der Eisenluppen zu Werkzeugen, Waffen<br />

und Schmuckstücken. Der Schmelzofen bei Obersdorf nahe Wilnsdorf liefert<br />

Anschauungsunterricht. Er stammt aus der Zeit um 250 v. Chr. Mehr als 300<br />

historische Verhüttungsplätze, etwa der Engsbachseifen bei Achenbach, sind<br />

verbrieft. Viele sind durch Wanderwege fußläufig zu erreichen.<br />

Um die Mühlen, Hütten und Hammerwerke entlang der Wasseradern von Sieg,<br />

Littfe, Ferndorf, Heller oder Asdorf entstanden kleine Siedlungen. Sie wuchsen<br />

rasch und so stellt das Hüttental von Eiserfeld über Siegen, die heutigen Stadtteile<br />

Weidenau, Geiswind bis nach Eichen und Kreuztal-Krombach ein nahezu<br />

kompaktes, zusammenhängendes Gemeinwesen dar.<br />

Schlote, Gruben, Hammerwerke<br />

Die mittelalterliche Eisenverhüttung im <strong>Siegerland</strong> reicht ins 9. Jh. zurück. Ab<br />

dem 12. Jh. begann man mit dem untertägigen Erzabbau. Anfänglich waren<br />

Hand- und Fußbälge in Gebrauch, bevor um 1300 die Nutzung der Wasserkraft<br />

für den mechanischen Antrieb der Gebläse genutzt wurde. Von nun an wanderten<br />

die Hütten, Hämmer, Pochen und Wäschen in die Täler. Schon bald wurden<br />

die Erze ausschließlich in der Tiefe abgebaut. Schächte und Fördertürme wurden<br />

errichtet und auf dem Pfannenberg zwischen Neunkirchen und Siegen-<br />

Eiserfeld stand einst Europas tiefste Erzgrube. Zur untersten Sohle des Berg-<br />

14


werks fuhren die Bergleute 1.338 Meter<br />

tief in die Erde des <strong>Siegerland</strong>es ein. Für<br />

die Verhüttung wurde in den umliegenden<br />

Wäldern Holzkohle als Brennmaterial<br />

produziert. Um 1800 zählte man über<br />

600 gewerbliche Köhler im <strong>Siegerland</strong>.<br />

Dass das waldreiche Mittelgebirge nicht<br />

gänzlich entwaldet wurde, verhinderte<br />

1562 eine vom Nassauer Landesherrn in<br />

Siegen gesetzlich verordnete Vergemeinschaftung<br />

der siegerländischen Wälder.<br />

Die nachhaltige Eichen-Birken-Niederwaldbewirtschaftung<br />

durch die erste<br />

Haubergsverordnung sicherte u.a. die<br />

stete Versorgung mit Holz zum Ausbau<br />

der Stollen und zur Herstellung von<br />

Holzkohle. 1857 waren 20 Hochöfen und<br />

sechs Puddelwerke, in denen aus den in<br />

den Hochöfen hergestellten Roheisen<br />

sogenanntes Schmiedeeisen (Puddeleisen)<br />

hergestellt wurden, verbrieft. Sechs<br />

Hammerwerke und fünf Gießereien wurden<br />

für den gleichen Zeitpunkt gezählt.<br />

In den Tälern rauchten die Schlote, das<br />

Dröhnen der wassergetriebenen Hämmer<br />

erfüllte die Luft. Im gleichen Jahr<br />

fuhren täglich zigtausende Bergleute in<br />

die 19 Bergwerke der Region ein.<br />

Eisengeschichte zu Fuß<br />

In Siegen-Achenbach bietet sich der 12 km<br />

lange historische Rundweg Achenbach an,<br />

der zu Rennöfen der La-Tène-Zeit führt.<br />

Auf Bergmannspfaden (15,6 km) ist man<br />

im Eisenland von Wilnsdorf unterwegs.<br />

Ein Besuch im dortigen Museum ist sehr<br />

zu empfehlen. Beide Touren gehören<br />

zum zwölf Wege umfassenden Wegenetz<br />

„WanderHöhepunkte links und rechts des<br />

Rothaarsteigs“. Dazu gibt es einen eigenen<br />

Pocketguide.<br />

www.siegerland-wittgenstein.com<br />

Von Wieland und Kaiser Wilhelm<br />

1555 verzichtete der regierende Graf<br />

vom Siegener Oberen Schloss auf die<br />

eigene Betätigung im Eisengewerbe.<br />

Jegliche Neuansiedlung von Glas-, Gieß-,<br />

Hammer- oder Stahlhütten wurde<br />

verboten. 1861 begann der Einzug der<br />

Steinkohle als Energieträger, das Ende<br />

des Köhlergewerbes war eingeläutet.<br />

Die heute noch aktive Köhlerei in Netphen-Walpersdorf<br />

kann man samt dem<br />

wanderbaren Köhlerpfad hautnah erleben.<br />

Dass Wieland der Schmied, er wird<br />

in nordischen Heldenepen als Schöpfer<br />

eines besonderen Stahls gepriesen, in<br />

Wilnsdorf mit Hammer, Eisenluppe, Esse<br />

und Amboss das berühmte Schwert<br />

Mimung schuf, ist pures Gerücht. Unbestritten<br />

ist hingegen, dass der Stahlberg<br />

in Hilchenbach-Müsen, am Fuße des<br />

Kindelsbergs, die wohl berühmteste<br />

Siegerländer Grube war. Erstmals 1313<br />

ist der Betrieb des Bergwerks urkundlich<br />

vermerkt. Nachdem ab 1815 das<br />

<strong>Siegerland</strong> zu Preußen gehörte, erhielt<br />

die Grube Besuch aus dem preußischen<br />

Königshaus. Kronprinz Friedrich Wilhelm,<br />

König Friedrich Wilhelm IV. und Kaiser<br />

Wilhelm I. befuhren den Stahlberg. 1931<br />

wurde der Grubenbetrieb eingestellt.<br />

Von Erzengeln und Haspelknechten<br />

Die Erzengel im Bergbau waren meist<br />

Mädchen und junge Frauen. Ihre Aufgabe<br />

bestand im Aussortieren der in<br />

riesigen Röstöfen „gewaschenen“ Erze.<br />

Haspelknechte hingegen arbeiteten über<br />

oder unter Tage und förderten mit der<br />

Haspel Material mit Muskelkraft nach<br />

oben oder unten. Es gab ganz fantasievolle<br />

Namen für die Gruben <strong>–</strong> Blumengarten,<br />

Bügeleisen, Feuer und Flamme,<br />

Hinterstes Hühnchen, Luftgrube oder<br />

Vereinigtes Pützhorn. Im 19. Jh. bildeten<br />

sich Grubenverbünde wie die Grube Steimel<br />

im Neunkirchen. In der Frauenberger<br />

Einigkeit waren zuletzt drei einzelne<br />

Bergwerke zusammengeschlossen und<br />

in der Grube Pfannenberger Einigkeit, die<br />

erst 1962 den Betrieb einstellte, waren<br />

acht Gruben und Stollengänge auf dem<br />

Pfannenberg vereint. Trotz des Niedergangs<br />

des Siegerländer Bergbaus, die<br />

letzte Grube schloss 1965, haben sich<br />

aus der langen Bergbau- und Verhüttungshistorie<br />

Unternehmen entwickelt,<br />

die heute auf ihren Gebieten zu den<br />

Weltmarktführern, den „Hidden Champions“<br />

gehören. Ihre Wurzeln liegen im<br />

19. oder 20. Jh., rühren an den Fertigkeiten<br />

und Kenntnissen der Boomzeit und<br />

ihre Weltmarktführerschaft haben sie sich<br />

durch extreme Spezialisierung erworben.<br />

Dazu gehören u. a. der Weltmarktführer<br />

für Aluminiumfeinband- und -folienwalzwerke<br />

und die Achenbach Buschhütten<br />

GmbH & Co. KG in Kreuztal. Weltweit<br />

führend ist z. B. die Firma Dango & Dienenthal<br />

Maschinenbau GmbH in Siegen,<br />

sie stellt Komponenten für Schmiedebetriebe,<br />

Reduktionsöfen und Abschlacktechnologien<br />

her. Die SMS Siemag AG<br />

im kleinen Hilchenbach-Dahlbruch ist<br />

Weltmarktführer für metallurgische<br />

Maschinen und Anlagen und TMT Tapping<br />

Measuring aus Siegen hat sich auf<br />

Abstichtechnologien für Hochöfen und<br />

Schmelzöfen spezialisiert. Mindestens ein<br />

Dutzend weiterer Weltmarktführer hat<br />

seinen Sitz im schönen <strong>Siegerland</strong> <strong>–</strong> das<br />

Besondere daran: Es handelt sich nahezu<br />

ausnahmslos um Familienbetriebe.<br />

Absteigen, bitte! Das Schaubergwerk<br />

Wodanstolln in Salchendorf,<br />

Gemeinde Neunkirchen<br />

Foto: Heimatverein Salchendorf<br />

Spuren des Bergbaus in der Landschaft<br />

des südlichen <strong>Siegerland</strong>es<br />

Foto: Klaus-Peter Kappest<br />

15


Das <strong>QuellenReich</strong> auf dem Rothaarkamm<br />

Der sprudelnde Berg<br />

Doris Herrmann, 53 Jahre, Gärtnerin und<br />

Landschaftsarchitektin<br />

„Die Kunst des Landschaftserlebnisses ist<br />

es, mit geringsten Anregungen zu motivieren,<br />

in die Landschaft hineinzuspüren,<br />

damit die Werte, die Geschichte und die<br />

Qualität in der Landschaft von einem<br />

bestimmten Punkt aus gespürt, gefunden<br />

und gedacht werden können.“<br />

„Quellen bedeuten für mich Ursprung,<br />

Anfang, Reinheit, Lebensraum, Inspiration,<br />

Frische <strong>–</strong> das ist Leben.“ Ich bin mit Doris Herrmann<br />

verabredet. Der gelernten Gärtnerin und studierten Landschaftsarchitektin<br />

aus dem <strong>Siegerland</strong> hat es das <strong>QuellenReich</strong> oberhalb von<br />

Hilchenbach, Netphen bzw. Erndtebrück und Bad Laasphe angetan.<br />

Vier Quellen, zwischen Ginsberger Heide und Haincher Höhe, 600 m hoch<br />

auf dem Kamm des Rothaargebirges gelegen, beweisen nachdrücklich:<br />

Hier wandert man über ein Wasserschloss. Hier schlängelt sich der Rothaarsteig<br />

über den schmalen Rothaarkamm, der die Gebirgskammern von<br />

<strong>Siegerland</strong> und <strong>Wittgenstein</strong>er Land trennt.<br />

Mythen, Nymphen und Elfen<br />

Eder, Sieg, Lahn und Ilse erblicken hier das Licht der Welt. Schon die Kelten, die<br />

nachfolgenden Germanen und Römer hatten ihre Freude an den vier Schönen.<br />

Als Langona erwähnte der römische Geschichtsschreiber Tacitus die Lahn.<br />

„Sikkere“ taufen die Kelten die Sieg und „Adrina“, so kann man die Hinweise<br />

deuten, nannten die Germanen die Eder. Der kleinen Ilse, die als einzige der vier<br />

Flussgrazien aus einem Felsen sprudelt, werden heilende Kräfte nachgesagt. Es<br />

wird berichtet, dass nächtens bei Mondschein schon mal Mondscheinwasser<br />

abgezapft wird. Die Schar der spirituell inspirierten Quellenfreunde ist groß. Es<br />

gibt Quellmythen und Sagen von Quellnymphen. Im schmalen Wiesental der<br />

Ilse gibt es den zwei Kilometer langen Märchenwanderweg „kleiner Rothaar“,<br />

der junge und große Wandergäste für das Reich des Kobolds namens Kleiner<br />

16


Wandern pur<br />

In der Nähe erwarten der 11,1 km lange Mythen- und Sagenweg in Bad Laasphe,<br />

der bereits erwähnte Ilsetalpfad (16,6 km) mit Start und Ziel in Feudingen, der<br />

Mäanderweg (25,4 km) mit Start und Ziel in Erndtebrück, der 7,2 km kurze<br />

Kalorienpfad in Hilchenbach und der Netphener Keltenpfad (14,9 km) den Wandergast.<br />

Alle Tourenvorschläge sind im Pocketguide „Rundtouren<br />

<strong>Siegerland</strong>-<strong>Wittgenstein</strong>“ enthalten.<br />

www.siegerland-wittgenstein.com<br />

pfad für Kinder und Familien hingegen<br />

ist sie überzeugt. Die Siegquelle ist<br />

auch Anfang oder Ende des Natursteigs<br />

Sieg, dessen Schlussstück bald eröffnet<br />

werden soll.<br />

Quellteich und ein Quellmoor<br />

Zum nächsten Fluss in diesem einzigartigen<br />

Wasserspeicher sind es nur knapp<br />

fünf Kilometer auf dem Rothaarsteig,<br />

dem allerersten Prädikatsweitwanderweg<br />

Deutschlands. Anders als Ilse, Lahn<br />

und Sieg entspringt die Eder aus einem<br />

bruchwaldartigen Quellmoor. Aus vielen<br />

tröpfelnden Stellen des Bruchwaldes<br />

fügt sich schon bald ein Bach, der sich<br />

Richtung <strong>Wittgenstein</strong>er Land später zu<br />

einer schlingenschlagenden Flussschönheit<br />

mit herrlichen Wiesenauen entwickelt.<br />

Die Lahn genehmigt sich indes<br />

einen kleinen, idyllisch unter Linden und<br />

Bergahorn gelegenen Teich. Hier beginnt<br />

auch der 288 km lange Lahnwanderweg<br />

seine Reise bis zur Mündung in den<br />

Rhein bei Lahnstein. Die Lahn strömt<br />

Rothaar begeistert. Auch der<br />

16,5 km lange Ilsetalpfad (gehört<br />

zu den Rothaarsteig-Spuren)<br />

führt die großen Wanderfreunde<br />

zur idyllisch gelegenen Quelle. Doris<br />

Herrmann wurde vor einigen Jahren<br />

beauftragt, dem in die Jahre gekommenen<br />

Quellort der Sieg ein neues,<br />

natürlicheres Gesicht zu verleihen. Auf<br />

die Frage, woher sie denn die Inspiration<br />

für die heutige Quellführung mit der<br />

halbrunden, ausgehöhlten Holzrinne<br />

und dem Steinquader mit der Wasserentnahmemulde<br />

hatte, antwortet sie ohne<br />

nachzudenken „solche Einfälle kommen<br />

mir beim Wandern durch die Natur!“ Die<br />

in Mode gekommene Mystifizierung mit<br />

nachtaktiven Quellelfen und Nymphen,<br />

einem unterirdischen Kosmos aus<br />

Zwergen- oder Königreich gehört für sie<br />

ins Reich der Sagen und Märchen. Real<br />

sei hingegen die besondere Reinheit des<br />

Quellwassers und die Einzigartigkeit des<br />

Lebensraumes direkt am Quellhorizont.<br />

Von dem 1.500 m kurzen Walderlebniszwar<br />

zunächst ostwärts, mündet aber<br />

letztlich im Vater Rhein. Da nimmt die<br />

Sieg den direkten Weg. Die Eder hingegen<br />

fließt später, nach der Vereinigung<br />

mit der Fulda, als Weser mit der Werra<br />

vereint zur Nordsee. Je nach Laufrichtung<br />

kurz vor oder nach der Ederquelle<br />

berührt der Rothaarsteig das beschauliche<br />

Höhendörfchen Benfe. Hier startet<br />

der Mäanderweg Richtung Erndtebrück,<br />

auch einer der zwölf „WanderHöhepunkte<br />

links und rechts des Rothaarsteigs“.<br />

Mehrere Bergpässe überwinden den grünen<br />

und wasserreichen Sperrriegel des<br />

Rothaarkamms. Über den Lützeler Pass<br />

zwischen Hilchenbach im <strong>Siegerland</strong><br />

und Erndtebrück im <strong>Wittgenstein</strong>er Land<br />

windet sich die Rothaar-Bahn in Kehren<br />

und durch Tunnels nach oben.<br />

Noch mehr Quellen<br />

Doris Herrmann ist sich sicher, dass es<br />

im <strong>QuellenReich</strong> noch hunderte weiterer<br />

Quellen gibt. Die teils namenlosen Rinnsale<br />

treten kaum bemerkt aus dem Quellhorizont<br />

aus und vereinen sich nach einigen<br />

Höhenmetern mit anderen Bächlein.<br />

Mit Benfe, Netphe, Ferndorf oder Ilm gibt<br />

es noch vier weitere, größere Bäche und<br />

gekennzeichnete Quellen. Wenn es nach<br />

der gelernten Gärtnerin ginge, würden<br />

kleine Holzstelen mit dezent gehaltenen<br />

Plaketten überall dort stehen, wo sich im<br />

näheren Umkreis weitere Quellen befinden.<br />

„Es sprudelt nur so aus dem Berg“, es<br />

seien Quellen der Frische, der Lebendigkeit<br />

und Reinheit. Für Doris Herrmann ist<br />

klar, dass man Quellen von unten nach<br />

oben ansteuern muss. Der Mensch sei<br />

nun mal so gestrickt, dass er den Ort des<br />

Ursprungs sehen möchte. Daher sei es<br />

ein besonderes Erlebnis, wenn man dem<br />

sich zunehmend verjüngenden Bachlauf<br />

Schritt für Schritt nach oben bis zum ultimativen<br />

Ursprung folgt. „Unser Berg ist<br />

voll von diesem reinen Wasser“. Übrigens,<br />

unweit der Ederquelle, am Forsthaus<br />

Hohenroth mit gemütlicher Gastronomie<br />

am Wochenende, befindet sich ein<br />

Rotwildgehege. Ganz in der Nähe liegt<br />

auch der abenteuerliche Kyrillpfad, der<br />

spielerisch, aber eindrucksvoll aufzeigt,<br />

welche Kräfte ein Sturm entfacht und<br />

wie sich die Natur nach dem brachialen<br />

Windbruchereignis wieder erholt.<br />

Spaß und frisches Siegwasser an der<br />

naturnah gestalteten Siegquelle<br />

im <strong>QuellenReich</strong><br />

Foto oben: Klaus-Peter Kappest,<br />

Foto unten: Michael Sänger<br />

17


Holz vor der Hütte<br />

Das Königreich der Bäume<br />

Georg Jung, 56 Jahre, Agraringenieur.<br />

Geschäftsführer der Bezirksgruppe<br />

Siegen-<strong>Wittgenstein</strong> im Waldbauernverband<br />

NRW e.V.<br />

„Die Waldbauern im<br />

Kreis Siegen-<strong>Wittgenstein</strong><br />

freuen sich über<br />

jeden Waldbesucher.<br />

Wanderer, die sich<br />

an das Wegegebot<br />

halten, die Früchte<br />

des Waldes in Maßen<br />

sammeln und mit<br />

unserer Flora und<br />

Fauna achtsam umgehen,<br />

sind uns ganz<br />

besonders willkommen!“<br />

Mythos Wald <strong>–</strong> im Kreis Siegen-<strong>Wittgenstein</strong><br />

gibt es tausendfach Anregung und Anschauungsunterricht.<br />

2.903 m 2 Wald stehen statistisch betrachtet jedem Einwohner<br />

des Kreises Siegen-<strong>Wittgenstein</strong> zur Verfügung. Auf 71% der gesamten Kreisfläche<br />

wächst Wald: Die letzte Waldinventur 2016 ergab unglaubliche 80.000<br />

Hektar. Ein Paradies für Waldschwärmer auf Schusters Rappen.<br />

Mehr als 8 Millionen Tonnen wertvollen Humus produzieren Wälder pro Jahr.<br />

Rund 2 Mio. Kubikmeter Wasser verdunstet das gewaltige Nadel- und Blätterdach<br />

im Jahr. Dank der Verdunstungskälte bieten die Wälder von <strong>Siegerland</strong><br />

und <strong>Wittgenstein</strong>er Land ein um bis zu 10 Grad kühleres Klima. Beste Voraussetzungen<br />

für Wanderungen an heißen Sommertagen.<br />

Variantenreicher Waldbesitz<br />

Die tiefste Stelle des Kreises liegt an der Sieg bei Niederschelden mit 215 m.<br />

Dafür geht es andernorts im <strong>Siegerland</strong> bis auf 677 m hinauf. Im <strong>Wittgenstein</strong>er<br />

Land, in alten Reiseführern als „<strong>Wittgenstein</strong>er Gebirgskammer“ bezeichnet,<br />

geht es schon mal knapp an die 800 Metermarke. Je nachdem, ob man das<br />

<strong>Siegerland</strong> oder das <strong>Wittgenstein</strong>er Land betrachtet, gibt es gravierende Unterschiede<br />

beim Waldbesitz und hieraus abgeleitet, auch zur Struktur der Wälder.<br />

Insgesamt befindet sich 85% der Waldfläche in Privatbesitz. 8% der Fläche ist<br />

im kommunalen und 7% im Besitz von Körperschaften des öffentlichen Rechts<br />

wie Bund, Land oder Kirche. Auffällig und kulturhistorisch einzigartig ist der<br />

hohe Anteil von Haubergswäldern im <strong>Siegerland</strong>. Hierbei sind die Waldflächen<br />

18


„vergemeinschafteter“ Wald und damit<br />

im Besitz der Bewohner siegerländischer<br />

Orte. Im <strong>Wittgenstein</strong>er Land hingegen<br />

verteilt sich der Waldbesitz auf die fürstliche<br />

Familie Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-Berleburg<br />

im Schloss Bad Berleburg und eine<br />

Vielzahl von Kleinwaldbesitzern. Mit über<br />

13.000 Hektar Wald führt das Fürstenhaus<br />

sogar die Liste der nordrhein-westfälischen<br />

Privatwaldbesitzer an. Aber<br />

auch die Rentkammer <strong>Wittgenstein</strong> in<br />

Bad Laasphe, der einstigen Südgrafschaft<br />

<strong>Wittgenstein</strong>, bewirtschaftet mehrere<br />

tausend Hektar Wald.<br />

Waldwelt im Wildwald<br />

Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW unterhält<br />

mit dem Waldinformationszentrum<br />

Forsthaus Hohenroth in der Nähe der Ederquelle<br />

ein wundervolles Erlebniszentrum.<br />

Themenwege (darunter der Kyrillpfad), ein<br />

Rotwildgehege und eine Dauerausstellung<br />

informieren ausführlich über das <strong>Waldmeer</strong><br />

im Süden Westfalens.<br />

www.waldland-hohenroth.de<br />

Nährstoff- und Wasserpumpe Wald<br />

Rund 1,96 Mio. Kubikmeter Totholz<br />

liefern die Grundlage für die Vitalisierung<br />

der Wälder, bieten Lebensgrundlagen für<br />

eine schier unermessliche Heerschar von<br />

Insekten und Kleinstlebewesen. Durch<br />

ihre filigrane Zersetzungsarbeit führen<br />

sie dem Waldboden wichtige Nährstoffe<br />

zu, reichern den humusreichen Boden<br />

mit Sauerstoff an, fördern die Kohlendioxydbindung<br />

und verhelfen dem<br />

Untergrund zu erstaunlichen Wasserspeicherfähigkeiten.<br />

Die gesamte Biomasse<br />

der Wälder speichert gewaltige Grundwassermengen<br />

wie ein Schwamm und<br />

gibt sie später in dosiert über Quellen<br />

und die Verdunstung über Nadeln und<br />

Laubblätter wieder ab. Man muss sich die<br />

Gesamtheit der Wälder in Siegen-<strong>Wittgenstein</strong><br />

als gewaltiges Kraftwerk, als gigantische<br />

Klimaanlage, als Sauerstoffproduzenten,<br />

Nährstoff- und Wasserpumpe<br />

vorstellen. 57% der Waldfläche sind mit<br />

Nadelbäumen bestückt. Die restlichen<br />

43% stellen die Laubbäume, darunter<br />

mit großem Vorsprung vor Ulme, Ahorn,<br />

Esche oder Birke die Buche (13,1%) und<br />

Eiche (10,9%). Eine ausgewachsene<br />

Rotbuche kann ein Blattvolumen von<br />

1.600 m 2 erreichen, dazu dienen bis zu<br />

8 Mio. Einzelblätter. Die verarbeiten in<br />

einer Stunde 2,4 kg Kohlendioxyd und<br />

960 g Wasser zu 1,6 kg Glucose und<br />

1,7 kgSauerstoff. Man stelle sich vor, dass<br />

ein Hektar Buchenwald jährlich rund 22<br />

Tonnen reinsten Sauerstoffs produzieren<br />

kann. Der Treibstoff dieser Kraftmaschine<br />

der Natur ist das Sonnenlicht.<br />

Der Wald und die Menschen<br />

Die Bewohner in Siegen-<strong>Wittgenstein</strong><br />

haben schon immer eine tiefe Beziehung<br />

zu ihrem Wald. Nicht nur, dass jedem<br />

Bewohner statistisch im Vergleich zu<br />

Deutschland insgesamt die doppelte<br />

Fläche an Wald zur Verfügung steht, der<br />

Wald, also der Rohstoff Holz hat Siegerländer<br />

und <strong>Wittgenstein</strong>er geprägt. Der<br />

Wald als Arbeitsplatz, als Viehweide, als<br />

Brennstoffreservoir, als Nahrungsspender,<br />

als Kühlkammer, Schutz vor Gefahren,<br />

Erwerbsquelle, Ort von Märchen und<br />

Sagen und Baustoffproduzent mit der<br />

besonderen Fähigkeit der regenerativen<br />

Erneuerung. Unübersehbar sind die<br />

vielen gestapelten Festmeter Brennholz<br />

in den Wäldern oder hinter den Häusern.<br />

So mancher Dorfbackes wird heute<br />

noch mit selbstgebundenen Reisigbündeln,<br />

den Schanzen, aufgeheizt und die<br />

schwarz getünchte Ständerung Siegerländer<br />

Fachwerkhäuser, an den Wetterseiten<br />

gerne auch mit Schiefer wetterfest<br />

verkleidet. Holz prägte und prägt die<br />

Menschen und ihre Kultur. Für Georg<br />

Jung, Geschäftsführer des Waldbauernverbandes<br />

Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>, ist klar:<br />

„Die seit Jahrhunderten praktizierte<br />

genossenschaftliche Haubergsbewirtschaftung<br />

hat bei den Siegerländern eine<br />

besonders innige Beziehung zum Wald<br />

bewirkt“. Die gemeinschaftliche Waldnutzung<br />

lebt bis heute fort und Waldanteile<br />

werden von Generation zu Generation<br />

vererbt.<br />

Viel Holz vor der Hütte<br />

Sage und schreibe 22 Mio. Kubikmeter<br />

Holz wachsen in Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>.<br />

Das ergibt, als Scheitholz mit einer Länge<br />

von 1 m, auf 2 m Höhe gestapelt, eine<br />

Strecke von 15.400 km. Damit könnte<br />

man die Distanz von Siegen nach Melbourne<br />

in Australien mit einem weltrekordverdächtigen<br />

Holzstapel verbinden.<br />

Der deutschlandweit waldreichste Kreis<br />

ist eine grüne Lunge. Voller würziger<br />

und sauerstoffreicher Luft. Rund 14% der<br />

Waldfläche unterliegen als FFH-Gebiete,<br />

das sind europäische Schutzgebiete<br />

nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie,<br />

besonderen Bewirtschaftungsbeschränkungen.<br />

Ziel ist es, vornehmlich den Buchenwaldcharakter<br />

zu erhalten. Weitere<br />

6% der Fläche sind als Vogelschutzgebiet<br />

ausgewiesen. Ein fantastisches Wegenetzwerk<br />

an Wanderwegen, darunter<br />

Weitwanderwege wie der Rothaarsteig,<br />

zertifizierte Tagestouren wie die Rothaarsteigspuren,<br />

Thementouren und zahlreiche<br />

örtliche Rundwanderwege helfen bei<br />

der Entdeckung des <strong>Waldmeer</strong>es.<br />

Ranger des Landesbetriebes Wald und Holz<br />

NRW organisieren Wald-Erlebnis-<br />

Wanderungen auf dem Rothaarsteig<br />

Fotos: Klaus-Peter Kappest<br />

19


Frisch auf den Tisch<br />

So schmeckt Heimat<br />

Christian Klein-Wagner, 45 Jahre,<br />

Inhaber und Koch vom Gasthaus Klein<br />

in Netphen-Deuz<br />

„Aus alten Einkaufslisten und Haushaltsbüchern<br />

habe ich das Wissen, was man<br />

früher gekocht<br />

und gegessen hat.<br />

Dann schaue ich in<br />

die Landschaft.<br />

Was blüht, was<br />

wächst, knüpfe<br />

Kontakte zu Landwirten,<br />

Metzgereien,<br />

Mühlen oder<br />

Brennereien. Altes<br />

modern interpretiert,<br />

das ist hohe<br />

Kochkunst!“<br />

„Selbst essen macht dick!“ Christian<br />

Klein-Wagner, Chefkoch im wunderschönen<br />

Fachwerkhaus des Siegerländer Traditionsgasthauses<br />

Klein, prustet vor Lachen. Ich hatte ihn<br />

gefragt, was denn passiert, wenn eines seiner fantasievollen Frischegerichte<br />

nicht den gewünschten Absatz finden würde. Der Mann sprüht vor<br />

Freude, streicht sich über die weiße Kochschürze mit einem gestickten, roten<br />

Westfalenpferd auf dem rechten Ärmel. „Wissen Sie, ich stamme von hier, mir<br />

macht es Spaß, gewachsene Tradition, überliefertes Wissen und Kochkunst<br />

mit regionalem Selbstbewusstsein zu kombinieren.“<br />

Den gebürtigen <strong>Wittgenstein</strong>er live zu erleben, in der Küche im 1768 auf den<br />

Grundmauern des Vorgängergasthauses wieder aufgebauten Fachwerkhauses<br />

im kleinen Deuz, ist ein Erlebnis. Unterstützt von Ehefrau Corinna, ebenfalls<br />

ein Kind des <strong>Wittgenstein</strong>er Landes, und bis zu acht Servicekräften haben die<br />

Beiden in den letzten 18 Jahren einen kleinen, aber feinen kulinarischen<br />

Genusstempel geschaffen.<br />

Die Welt da draußen <strong>–</strong> die Heimat hier<br />

Für Christian Klein-Wagner war schon im zarten Alter von 15 Jahren klar: „Ich<br />

werde Koch.“ Sicher hat ihn die 300-jährige Landwirtschaftstradition seiner Familie<br />

in Bernshausen geprägt. Andererseits weckten die kinderlose Großtante und<br />

ihr Mann die Lust an der Gastgeberrolle. Erstaunlich genug, im Gasthaus Klein,<br />

vor den Toren der großen Kreisstadt Siegen, wird seit nunmehr 14 Generationen<br />

der Gast verwöhnt. „Weil ich weiß, wo ich herkomme und wo ich hinwollte“, so<br />

erklärt mir der Wahlsiegerländer, „führten Corinna und ich unsere für Köche und<br />

20


Restaurant- bzw. Hotelfachkräfte übliche<br />

Gesellentour übers Land nahezu<br />

ausnahmslos zu familiengeführten,<br />

in ihrer Region fest verwurzelten<br />

Betrieben.“ Zum Koch ausgebildet<br />

wurde der Vater einer Tochter im<br />

renommierten Landhotel Doerr<br />

in Feudingen, einem Ortsteil von<br />

Bad Laasphe im <strong>Wittgenstein</strong>er<br />

Land. Früh reifte im Ehepaar<br />

Klein-Wagner der Wunsch, die<br />

Wertschätzung für die Besonderheiten<br />

der Region Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>,<br />

die faszinierende<br />

Geschichte des Gasthauses Klein<br />

in dem denkmalgeschützten Fachwerkhaus<br />

mit dem Geschmackserlebnis<br />

der Region zu kombinieren.<br />

So ist es ein beeindruckendes Erlebnis,<br />

seinen kulinarischen Reisen von der Welt<br />

da draußen in die Heimat hier zu folgen.<br />

Bis heute ist die einstige Umspannstation<br />

für die Zugtiere von Fuhrwerken,<br />

die über den Rothaarkamm oder über<br />

die Haincher Höhe Richtung Dillenburg<br />

zogen, ein Treffpunkt für die Dorfbewohner<br />

geblieben. Die urgemütliche<br />

Schankstube ist ein Ort der Behaglichkeit.<br />

Aus der geschäftigen Groß- und<br />

Universitätsstadt Siegen kommen viele<br />

Gäste, und begeben sich bei hausgepresstem<br />

Quitten- oder Apfelsaft, saisonalen<br />

Produkten und Zutaten regionaler<br />

Produzenten, zubereitet mit modernen<br />

Gar- und Kochverfahren und orientiert an<br />

alten Rezepten auf die Suche nach den<br />

Wurzeln des regionalen Geschmacks.<br />

Rubens und Landluft<br />

Der südöstliche Zipfel Südwestfalens<br />

hat, wie viele andere Regionen in<br />

Deutschland auch, seine kulinarische<br />

Entwicklung aus den klimatischen und<br />

wirtschaftlichen Umständen genommen.<br />

Die Kartoffel war elementares Nahrungsmittel,<br />

das Gemüse, die Kräuter und<br />

Salate stammten aus heimischen Gärten,<br />

das Bier und das saubere Wasser von hier.<br />

Angeregt durch den Kreis wurde vor Jahren<br />

eine Kooperation zur Förderung der<br />

Zusammenarbeit zwischen Gastronomen<br />

und den Landwirten der Region aus der<br />

Taufe gehoben. „Zwischen Rubens und<br />

Landluft“ heißt die Initiative, die regionale<br />

Produkte für saisonale Gerichte auf<br />

die Speisenkarten bringt. Wildkräuter wie<br />

Giersch oder Spitzwegerich, Brennesseln<br />

oder Löwenzahn finden heute genauso<br />

Regional genießen<br />

Eine ausführliche Liste aller Teilnehmer der<br />

Regionalen Genussinitiative „Zwischen<br />

Rubens und Landluft“ kann man bei der<br />

Homepage des TVSW abrufen. Das gilt<br />

auch für die umfangreiche Liste der Direktvermarkter<br />

im <strong>Siegerland</strong> und <strong>Wittgenstein</strong>er<br />

Land und für die Backestermine und<br />

die Termine der im <strong>Wittgenstein</strong>er Land so<br />

berühmten Kartoffelbratfeste.<br />

www.siegerland-wittgenstein.com<br />

selbstverständlich Einzug in die regionale<br />

Küche wie Fleisch vom Siegerländer Rotvieh,<br />

Senf aus bäuerlicher Herstellung,<br />

frischer Ziegen-, Kuh- oder Schafskäse,<br />

fangfrische Forellen, erntefrisches Gemüse,<br />

Salat, echtes Siegerländer Schwarzoder<br />

Schanzenbrot, hochprozentige<br />

Edelbrände und natürlich heimische<br />

Biere. In Krombach hat mit der gleichnamigen<br />

Brauerei ein Global Player seinen<br />

Sitz. Daneben gibt es regionale Brauereien<br />

wie die Brauerei Bosch in Siegen.<br />

Mehr und mehr Hofläden, u.a. von Biobauernhöfen<br />

wie dem Birkenhof in Wilnsdorf,<br />

dem Hof Maustal in Netphen oder<br />

dem Hof Heckhausen in Freudenberg,<br />

bieten erntefrische Produkte aus eigener<br />

Herstellung zum Direktkauf. Durch einen<br />

der weltbesten Chocolatiers, Markus<br />

Podzimek, erhielt eine der berühmtesten<br />

Persönlichkeiten des <strong>Siegerland</strong>es, Peter<br />

Paul Rubens, posthum ein kulinarisches<br />

Denkmal <strong>–</strong> die Rubenskugel. In seinem<br />

Café dasnaschwerk in Siegen bietet der<br />

Schokoladenzauberer köstliche Pralinen,<br />

Torten und andere süße Verführungen im<br />

gemütlichen Ambiente.<br />

Exzellente Küche auf der Geschmacksreise<br />

zu den Wurzeln der Heimat mit<br />

einer Prise Tradition und modernen<br />

Interpretationen gibt es u. a. auch im<br />

Landhotel Doerr in Feudingen, im Relais<br />

& Châteaux Hotel Jagdhof Glashütte im<br />

gleichnamigen Ortsteil von Bad Laasphe,<br />

im Hotel-Restaurant „Alte Schule“ in Bad<br />

Berleburg oder in der Pfeffermühle in<br />

Siegen.<br />

Appetitanreger:<br />

Einblicke in die<br />

Küchenkunst von<br />

Christian Klein-Wagner<br />

Fotos: Achim Meurer<br />

21


Prachtbauten<br />

Traditionell beeindruckend<br />

Gustav Prinz zu Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-<br />

Berleburg, 48 Jahre<br />

„Wald ist Erholung, Inspiration und<br />

Einnahmequelle. Auf<br />

rund 4.000 Hektar<br />

Waldfläche wird<br />

wissenschaftliche<br />

Forschung betrieben.<br />

Dabei gehen Wissenschaftler<br />

der Frage<br />

nach, wie sich der<br />

Wald durch verschiedene<br />

Bewirtschaftungsformen<br />

in den<br />

kommenden Jahren<br />

verändert .“<br />

Gustav Prinz zu Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-<br />

Berleburg, Oberhaupt des Fürstenhauses zu<br />

Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-Berleburg und Hausherr der Dreiflügelanlage<br />

von Schloss Berleburg, erklärt mir geduldig, wie man den<br />

Kopfschmuck eines Zehnenders von einem Vierzehnender unterscheidet und<br />

die Enden von Augsprosse, Eissprosse, Mittelsprosse bis zur Krone zählt. Der<br />

holzvertäfelte Raum mit den Trophäen in der <strong>Wittgenstein</strong>-Berleburgischen<br />

Rentkammer ist ein Anbau aus dem 17. Jh. an den ältesten Teil (13. Jh.), den<br />

rechten Flügel der Schlossanlage mit den drei Türmen.<br />

Vermutet man hier in der beschaulichen Residenzstadt im <strong>Wittgenstein</strong>er Land,<br />

den Stammsitz einer jahrhundertealten Familie des europäischen Hochadels?<br />

Schlösser, Kirchen, Glaubensfragen<br />

Die <strong>Wittgenstein</strong>er haben auch in Bad Laasphe eine gewaltige Schlossanlage<br />

gebaut. Auf einem 470 m hohen Berg über dem Lahntal thront Schloss <strong>Wittgenstein</strong>,<br />

eine Dreiflügelanlage, deren Grundmauern in das 13. Jh. zurückreichen.<br />

Bad Laasphe, jahrhundertelang Residenzstadt derer von Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-<br />

Hohenstein, atmet noch heute den Charme eines kleinstädtischen Zentrums<br />

aus. Eindrucksvoll sind auch die evangelischen Kirchen des <strong>Wittgenstein</strong>er<br />

Landes. Sie wirken wuchtig und sind dennoch schlicht gehalten. Die spätromanische<br />

Hallenkirche in Raumland, hier war die Urpfarrei der Region angesiedelt,<br />

ist ein besonders gelungenes Beispiel. Das Innere der Hallenkirche besteht aus<br />

drei gleich hohen, mit kuppelförmigen Gratgewölben abgeschlossenen Schiffen.<br />

Sehenswert ist auch die Bad Laaspher Kirche. An die zweijochige Saalkirche<br />

22


des frühen 13. Jh. wurde in der zweiten<br />

Hälfte des 13. Jh. ein dreijochiges Schiff<br />

mit polygonalem Chor angebaut. Typisch<br />

für viele Kirchen des <strong>Wittgenstein</strong>er Landes<br />

ist der Knickhelm des Kirchturms. Die<br />

halbkugelförmige Haube als Abschluss<br />

der Laaspher Kirche ist das Tüpfelchen<br />

auf dem „I“. Mitte des 16. Jh. hielt der<br />

evangelische Glaube Einzug. 1555 erhielt<br />

das Land eine neue Kirchenordnung,<br />

die das christliche Leben auf die Heilige<br />

Schrift und die Augsburgische Konfession,<br />

die reichsrechtliche Absicherung<br />

der Reformation, verpflichtete. In der<br />

ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als<br />

die <strong>Wittgenstein</strong>er Grafschaften wegen<br />

ihrer religiösen Toleranz weit über<br />

ihre Grenzen hinaus bekannt wurden,<br />

siedelten sich in Schwarzenau Glaubensflüchtlinge<br />

aus Süddeutschland, der<br />

Schweiz und Frankreich an. Das dortige<br />

Alexander-Mack-Museum ist dem Leben<br />

des Pietisten Alexander Mack gewidmet,<br />

der im Jahr 1708 mit einer spektakulären<br />

Taufe in der Eder eine freikirchliche<br />

Bewegung ins Leben rief, die heute als<br />

„Kirche der Brüder“ zu den ältesten Kirchen<br />

mit freikirchlicher Tradition zählt. Im<br />

<strong>Wittgenstein</strong>er Land durften sich unter<br />

dem Laaspher Grafen Henrich Albrecht<br />

zu Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-Hohenstein (1658<br />

bis 1723) viele religiös und politisch<br />

verfolgte Menschen ansiedeln.<br />

Vom Schiefer zum Holz<br />

Raumländer-Schiefer und der Holzreichtum<br />

der <strong>Wittgenstein</strong>er Wälder haben die<br />

regionale Architektur maßgeblich beeinflusst.<br />

So besteht die gesamte Dacheindeckung<br />

des Berleburger Schlosses aus<br />

Schiefer. Die ewige Baustelle der knapp 5<br />

Hektar großen Schlossanlage, so Gustav<br />

Prinz Sayn-<strong>Wittgenstein</strong>-Berleburg,<br />

verschlinge jährlich mehr als 250.000<br />

Euro. „Diese Kosten, den Lebensunterhalt<br />

der rund zehnköpfigen Familie, der gut<br />

60 Angestellten sowie von aktuell acht<br />

Hunden, finanzieren wir ausschließlich<br />

mit unseren Wäldern.“<br />

Holz prägt auch die Architektur des <strong>Siegerland</strong>es.<br />

Die jahrhundertealte Siegerländer<br />

Fachwerkhaus-Tradition lässt sich<br />

an den Jahreszahlen, Sinnsprüchen bzw.<br />

Hausinschriften über Eingangstüren und<br />

auf den Geschossbalken ablesen. Diese<br />

Inschriften informieren z. B. über das Alter<br />

der Bauten, die Namen der Hausherren<br />

und Zimmermeister. Viele Inschriften<br />

zitieren Psalmen aus der Bibel oder dem<br />

Kirchengesangsbuch. Meist waren die<br />

Motive der Bauherren religiöser Natur.<br />

Einige informieren über Zerstörung und<br />

Erneuerung. Manchmal klingt sogar die<br />

künftige Zweckbestimmung des Gebäudes<br />

an wie in Dillnhütten und Krombach.<br />

Ein Bauherr in Grissenbach textete über<br />

seine Feinde, dass er sie liebe „wie das<br />

Regenwasser, so von den Dächern<br />

fleusst“. Der älteste erhaltene Hausspruch<br />

stammt von 1608 und schmückt das<br />

Oberholzklauer Pfarrhaus. Zu den ältesten<br />

erhaltenen Sprüchen gehört auch<br />

die Inschrift über dem Fachwerkhaus<br />

in Siegen-Trupbach in der Birlenbacher<br />

Straße vom 17. 5. 1611: „Der Herr schafe<br />

das Weib, das in Dein Haus komt. Wie<br />

Rael und Lea. Dadurch ist das Haus Gotes.<br />

Ist erbawet Worte“. Den ultimativen<br />

Fachwerkhöhepunkt des <strong>Siegerland</strong>es<br />

kann man dann in der Altstadt von Freudenberg<br />

bestaunen. Der „Alte Flecken“,<br />

Freudenbergs historisches Zentrum,<br />

wurde nach einem zweiten verheeren-<br />

Prachtbauten im <strong>Siegerland</strong><br />

Über zwei Schlösser verfügt Siegen: Das<br />

Obere Schloss geht auf eine mittelalterliche<br />

Höhenburg zurück und stammt aus dem<br />

13. Jh. Das Untere Schloss, ursprünglich<br />

ein Franziskanerkloster, wurde im 17. Jh.<br />

zur Residenz der protestantischen Linie des<br />

Hauses Nassau-Siegen. Dazwischen erhebt<br />

sich der 53 m hohe Turm der Nikolaikirche<br />

mit dem hexagonalen Kirchenschiff und<br />

dem berühmten Krönchen auf der Turmspitze.<br />

Herausragend ist auch die Wasserburg<br />

Hainchen im gleichnamigen Ortsteil<br />

von Netphen aus dem Jahre 1290.<br />

den Stadtbrand 1666 im einheitlichen Stil<br />

wiederaufgebaut.<br />

Übrigens erließ die nassau-oranische<br />

Landesregierung in Siegen 1790 eine<br />

Bauverordnung, die den übermäßigen<br />

Holzverbrauch mit dem Hinweis auf „das<br />

konstruktiv notwendige Maß ...“ einschränkte.<br />

Daher erkennt das geschulte<br />

Auge auf Anhieb, ob man vor einem<br />

Fachwerkhaus alter Prägung mit<br />

Schmuck- und Ziergebälk oder einem<br />

Gebäude mit minimalistischer Holzkonstruktion,<br />

gebaut nach 1790, steht. Drum<br />

merke, nicht jeder Prachtbau beeindruckt<br />

durch Höhe oder Größe.<br />

oben links: Schloss Berleburg<br />

Foto: Achim Meurer<br />

Mitte: Das Obere Schloss in Siegen<br />

Foto: Klaus-Peter Kappest<br />

rechts: Szene aus der historischen<br />

Altstadt von Freudenberg<br />

Foto: Michael Sänger<br />

23


Lebensadern<br />

Blaue Bänder <strong>–</strong> grüne Ränder<br />

Dr. Heinz Meyer, 61 Jahre, Amtsleiter<br />

„Natur und Landschaft“ im Kreis Siegen-<br />

<strong>Wittgenstein</strong><br />

„Wasser ist Lebenselixier <strong>–</strong> dieses wird<br />

mir immer bewusst, wenn ich in der Stille<br />

der Wälder das Gurgeln eines Baches<br />

vernehme.“<br />

Die Täler im Wasserparadies von<br />

Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>. Seit fast 40<br />

Jahren bewandere ich das <strong>Siegerland</strong> und<br />

das <strong>Wittgenstein</strong>er Land. Egal, wie ich es auch anstelle,<br />

an der Faszination der Lebensadern dieser Mittelgebirgsregion im<br />

Süden Westfalens komme ich einfach nicht vorbei. Wer zum Beispiel, immer<br />

flussaufwärts, den Oberläufen von Lahn, Eder, Sieg, Ferndorf, Benfe oder Ilse<br />

folgt, landet auf dem hochwaldgeschützten Rothaarkamm über den mit dem<br />

Rothaarsteig ein bestens bekannter Prädikatsweitwanderweg seine Bahnen<br />

zieht. Hier liegen ihre Quellen. Von dort strömt, tröpfelt und rieselt es hundertfach<br />

aus namenlosen kleinen Quellen.<br />

Wer dann in umgekehrter Richtung auf Wanderwegen den Bachläufen talwärts<br />

folgt, kommt nicht umhin, ein ums andere Mal die grünen Ränder dieser blauen<br />

Bänder zu bestaunen. Hier wachsen Karpatenbirken-Bruchwälder, Schluchtwälder<br />

und Erlen-Auwälder. Niedermoore stehen im Wechsel mit Grünland aus<br />

Bergmähwiesen, Nass- und Moorwiesen, Pfeifengraswiesen, Borstgrasrasen und<br />

Magerweiden.<br />

Elberndorfer Tal und Oberes Zinser Bachtal<br />

Traumhafte Ruhe liegt über den naturnah erhaltenen Bachtälern des Zinser und<br />

Elbendorfer Baches. Übergangsmoore, lichter Baumstand und immer wieder<br />

Feucht- und Nasswiesen. Groppe und Bachneunauge leben in den Bächen und<br />

im Totholz haben es sich seltene Insekten gemütlich gemacht. Mit der nötigen<br />

Zeit im Gepäck lässt sich der Eisvogel beim Fischen beobachten und Besuche<br />

des Schwarzstorches sind keine Seltenheit. In den Morgen- und Abendstunden<br />

24


erklingt ein vielstimmiges Vogelkonzert.<br />

Weiter geht`s, rund um Bad Laasphe,<br />

in die Buchenwälder und ungezählten<br />

Wiesentäler die vom Rothaarkamm<br />

oder dem mächtigen Buckel<br />

der Struth, einem nordöstlich<br />

verlaufenden Ausläufer des Rothaarkamms<br />

zwischen Feudingen<br />

und Bernshausen, herabfließen.<br />

Die Borstgrasrasen „Am<br />

Finkenstein“ bei Sassenhausen<br />

sind bedeutend. Hier wächst der<br />

seltene Feldenzian, das Große<br />

Mausohr, der Raufußkauz oder<br />

der Rotmilan sind heimisch. Wundervoll<br />

ist auch, wie sich die Eder<br />

zwischen Röspe, Aue, Raumland,<br />

vorbei an Arfeld und Schwarzenau,<br />

bis Beddelhausen schlängelt. Auf<br />

40 km Länge sind die Uferpassagen der<br />

Eder noch absolut naturnah, die Ufer<br />

sind zum Teil mit Auenwald bewachsen<br />

und größtenteils von Wiesen gesäumt.<br />

Auf den vielen kleinen Flussinseln brüten<br />

Wasservögel und es gibt noch kleine,<br />

naturbelassene Stromschnellen. Eisvogel,<br />

Schwarzstorch oder Braunkehlchen<br />

nisten in dem FFH-Gebiet. Im Bereich des<br />

Zuflusses der Röspe und bei „Haus Steinchen“<br />

unterhalb von Hof Kilbe kann man<br />

sogar Schluchtwälder bestaunen. Weiter<br />

Artenreiche Vogelwelt<br />

östlich, bei Neuwiese, befindet sich eine<br />

der Flutmulden der Eder, ein Altarm, der<br />

bei Hochwasser durchströmt wird und<br />

temporär stehendes Wasser führt. Südlich<br />

davon erstreckt sich ein steiler Hang<br />

mit artenreichem Borstgrasrasen und<br />

sehenswerten Arnika-Beständen.<br />

Flutender Hahnenfuss & Trollblume<br />

Nein, natürlich vergesse ich die Wiesentäler<br />

des <strong>Siegerland</strong>es nicht. Kürzlich<br />

wurden im Oberlauf der Sieg Renaturierungsmaßnahmen<br />

durchgeführt<br />

und die Flußquerung von Siegen mit<br />

der Offenlegung und Renaturierung im<br />

Bereich der Innenstadt hat überregional<br />

Aufmerksamkeit erregt. Mir hat es das<br />

Weißbachtal zwischen Wilgersdorf und<br />

Rudersdorf angetan. Die kleine Weiß entspringt<br />

oben an der Kalteiche, wo auch<br />

der Rothaarsteig aus dem Westerwald<br />

herüberzieht. In dem Schutzgebiet verzahnen<br />

sich die wandernden Mäander,<br />

Sand- und Kiesbänke mit Steilufern und<br />

teils brachgefallenen Nass- und Feuchtwiesen.<br />

Es gibt Röhrichte, Moorpassagen<br />

sowie Borstgrasrasen. Hier wachsen das<br />

Gefleckte Knabenkraut, das Breitblättrige<br />

Knabenkraut, die Grünliche Waldhyazinthe,<br />

Arnika und das Wald-Läusekraut.<br />

Bekassine, Neuntöter, Raubwürger,<br />

In den Wäldern und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen gibt es eine besonders artenreiche<br />

Vogelwelt. Schwarzstorch, Uhu, Raufußkauz, Mittel-, Grau- und Schwarzspecht,<br />

Baum- und Wiesenpieper und Neuntöter kommen hier vor. In dem Vogelschutzgebiet<br />

liegt das letzte Brutvorkommen des Haselhuhns in NRW, einem Bewohner der Hauberge.<br />

Die Buchenwälder sind überregional bedeutsam für Rotmilan, Raufußkauz, Grau- oder<br />

Schwarzspecht.<br />

Wiesenpieper, Eisvogel, Kammmolch<br />

oder der bemerkenswerte Schwarzblaue<br />

Ameisenbläuling, eine besondere Tagfalterart,<br />

finden hier einen geschützten<br />

Lebensraum. Weiter südlich, von Burbach<br />

aus über die Höhe hinweg, liegen der<br />

Hickengrund und das Wetterbachtal bei<br />

Holzhausen. Die Struktur dieses kleinen<br />

Paradieses ist das Produkt der alten<br />

bäuerlichen Landwirtschaft. Sparsame<br />

Düngung, späte Mahd, sporadische<br />

Beweidung und Brachen sind die Grundlage<br />

eines einzigartigen Artenreichtums.<br />

Botaniker haben 250 Wiesenpflanzen<br />

erfasst. In den Hochstauden blüht<br />

während der Sommermonate der Blaue<br />

Eisenhut und der Sumpf-Storchschnabel.<br />

Im Frühling leuchten die gelben<br />

Blüten der Trollblumen in den Feuchtwiesen.<br />

Das Braunkehlchen findet in der<br />

artenreichen Krautschicht Deckung für<br />

seine am Boden angelegten Nester. Der<br />

Wiesenpieper, der Eisvogel mit seinen<br />

Niströhren, die er in die Steilufer gräbt,<br />

oder der Wachtelkönig bewohnen das<br />

Naturrefugium.<br />

Dass sich der Dunkle Ameisenbläuling,<br />

eine seltene Schmetterlingsart, hier hält,<br />

ist bemerkenswert. Als Raupe lebt sie von<br />

den Wiesenknopfblüten, lässt sich dann<br />

auf den Boden fallen, und benötigt eine<br />

bestimmte Ameisenart um huckepack in<br />

ihr Nest zu gelangen. Bestens versorgt<br />

fällt die Bläulingsraupe schlussendlich<br />

über ihre Versorger her, verpuppt sich<br />

und verlässt im folgenden Jahr das Ameisennest.<br />

Faszinierend <strong>–</strong> oder?<br />

Furt über die junge Ilse<br />

Foto: Klaus-Peter Kappest<br />

Unterwegs in der mittelalterlichen Bergbausiedlung<br />

Altenberg, Foto: Michael Sänger<br />

Wo ein Bach, da eine Brücke<br />

Foto: Achim Meurer<br />

Wasserspiel<br />

Foto: Klaus-Peter Kappest<br />

25


Kulturerbe<br />

Lose ziehen, Lohe schälen<br />

Klaus Münker, 60 Jahre, Dipl. Forstwirt,<br />

Forstdirekter im Landesbetrieb Wald und<br />

Holz NRW<br />

„So ein Hauberg aus Eichen und Birken<br />

dient heute vor allem der Brennholznutzung.<br />

Von den 30.000 Hektar klassischer<br />

Haubergsfläche Anfang des 20. Jh.<br />

werden heute noch rund 3.000 Hektar<br />

als vergemeinschafteter Niederwald<br />

genutzt.“<br />

Der Wald der Vielen <strong>–</strong> die Siegerländer<br />

Haubergswirtschaft. Was für ein merkwürdiger<br />

Wald! Scheinbar verstreut stehende, schmächtige<br />

Birken, über eine gut und gerne 20.000 m 2 große Fläche verteilt,<br />

recken die weißen Stämme und filigranen Äste zum Himmel. Dazwischen<br />

ist schütteres Buschwerk zu erkennen, das sich bei näherem Hinschauen als<br />

Stockausschlag entpuppt. Ein Siegerländer Hauberg.<br />

Geht es nach dem Kreistag des Kreises Siegen-<strong>Wittgenstein</strong> und den Bürgermeistern<br />

der kreisangehörigen Kommunen, so sollte der Siegerländer Hauberg<br />

in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden.<br />

Derzeit arbeitet eine Expertengruppe, die sich aus Kultur-, Geschichts- und<br />

Forstwissenschaftlern und Marketingexperten zusammensetzt, intensiv daran,<br />

den Siegerländer Hauberg für eine Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbeliste<br />

vorzuschlagen.<br />

Not macht erfinderisch<br />

Immer wieder war das <strong>Siegerland</strong> in der langen Geschichte der Erzgewinnung<br />

und -verhüttung kahl und wüst. Um das Erzgestein zu schmiedbarem Eisen zu<br />

schmelzen, muss es mehrere Stunden auf über 1.000 Grad erhitzt werden. Derlei<br />

Gluthitze war mit dem Verbrennen von Holz nicht zu erreichen. Da entdeckte der<br />

Mensch die Herstellung von Kohle aus Holz. Für ein Kilogramm Eisen benötigt<br />

man die zehnfache Menge an Holzkohle und um 10 kg Holzkohle herzustellen,<br />

waren 50 kg Holz vonnöten. Angesichts der Vielzahl aus dem Boden schießender<br />

Hütten und Hochöfen liegt es auf der Hand, dass Holz knapp wurde. 1562 erließ<br />

26


der in Siegen regierende Graf Johann VI.<br />

von Siegen-Nassau die erste Siegerländer<br />

Haubergsordnung. Erstmals wurde<br />

damit gesetzlich geregelt, dass fortan nur<br />

so viel Holz geschlagen werden durfte,<br />

wie nachwuchs. Gleichzeitig lieferte die<br />

Niederwaldbewirtschaftung Voraussetzungen<br />

der Nahrungsmittelproduktion,<br />

der Gewinnung von Gerbsäure, der<br />

Herstellung von Brenn- und Bauholz, der<br />

Gewinnung von Dämmmaterial und der<br />

Nutzung von Flächen für die Waldweide<br />

von Schweinen, Schafen und Rindern.<br />

180 Haubergsgenossenschaften gibt es<br />

im <strong>Siegerland</strong> heute noch. Die ideellen<br />

Anteile liegen in den Händen von mehr<br />

als 16.000 Anteilseignern. Es ist ein Wald<br />

der Vielen.<br />

Waldstaudenroggen und Buchweizen<br />

Die Anzahl der Anteile richtete sich oft<br />

nach der Anzahl der Hofstellen in einem<br />

Dorf. Heute regelt ein spezielles Gesetz,<br />

das Gemeinschaftswaldgesetz, den<br />

Umgang mit Anteilen am sogenannten<br />

Gesamthandsvermögen. Sie können wie<br />

Grundstücke verkauft und vererbt werden.<br />

Die Bewirtschaftung eines Haubergs<br />

orientierte sich an der „Umtriebszeit“ <strong>–</strong><br />

der Zeit vom Stockausschlag bis zum<br />

Ernte- oder Schlagtermin. Das waren in<br />

der Regel 20 bis 25 Jahre. Entsprechend<br />

der individuellen Anteile bekam der<br />

Haubergsgenosse dann per Losentscheid<br />

seinen Teil an dem jährlichen Schlag<br />

zugewiesen. Die Einzelanteile wurden im<br />

Gelände markiert. Nach dem Aushauen<br />

der Sträucher und Äste sammelte und<br />

bündelte man das fingerdicke Holz und<br />

band es zu Reisigbündeln (Schanzen)<br />

für die Gemeinschaftsbackhäuser. Dann<br />

wurde der Jahresschlag geräumt, wobei<br />

man zunächst die schälfähigen Eichen<br />

stehen ließ. Das Stangenholz gelangte<br />

entweder direkt in die Bergwerke oder zu<br />

den Kohlenmeilern. Im Mai wurden die<br />

Eichenstämme schließlich geschält und<br />

die getrocknete Baumrinde (Lohe) an die<br />

Gerbereien verkauft. Der Haubergsboden<br />

wurde abgeplackt, der Soden verbrannt<br />

und die Asche in die Erde eingebracht.<br />

Dann säte man Buchweizen ein, der im<br />

September geerntet werden konnte. Im<br />

Anschluss warf man Staudenroggen aus<br />

und erntete diesen im kommenden Jahr.<br />

Wenn der Stockausschlag hoch genug<br />

gewachsen war, begann man mit der<br />

Waldhute. Erst Schweine und Schafe dann,<br />

nach sechs bis sieben Jahren, auch Rinder.<br />

Historischer Hauberg Fellinghausen<br />

Der historische Hauberg in Kreuztal-Fellinghausen<br />

wird noch wie anno dazumal<br />

bewirtschaftet. Auf 24 ha Waldfläche betreiben<br />

die Haubergsgenossen traditionelle<br />

Niederwaldswirtschaft. Das Schöne daran<br />

ist, dass der interessierte Gast das Gelände<br />

besichtigen kann und zu den Führungsterminen<br />

(Tel. 0271/333-1021) eindrücklich<br />

über die einzigartige historische Landnutzung<br />

informiert wird.<br />

www.fhhf.de<br />

Mit dem Dung des Viehs wurde der Waldboden<br />

auf natürliche Weise gedüngt.<br />

Schellenbauer, Schanzenbrotbäcker<br />

und Wiesenbauer<br />

Meist ließ man noch Laubengänge aus<br />

Altholz stehen, damit die Haubergsgenossen<br />

auch Bauholz für Scheunen,<br />

Stallungen und ihre Wohnhäuser hatten.<br />

Die verstreut stehenden Eichen und<br />

Birken fungierten als Samenbäume für<br />

die natürliche Verjüngung des Haubergswaldes.<br />

Bis zum Siegeszug der Ruhrkohle<br />

Mitte des 19. Jh. dauerte die Blütezeit der<br />

<strong>Siegerland</strong> Hauberge. Es gab Schellenbauer<br />

für die Herstellung von Glocken für<br />

das Vieh, aus den zum Trocknen aufgerichteten<br />

Kornrittern wurde der Roggen<br />

gedroschen, zu Sauerteig verarbeitet und<br />

im Dorfgemeinschaftshaus zu deftigem<br />

Schanzenbrot gebacken. Noch heute<br />

gibt es zahlreiche Dorfbackes, die zu<br />

bestimmten Terminen in Betrieb genommen<br />

werden. Und noch eine kuriose<br />

Entwicklung geht auf den Siegerländer<br />

Hauberg zurück, die Entstehung der<br />

Wiesenbauerprofession. Die wachsende<br />

Bevölkerung führte zu einer Zunahme<br />

der Viehbestände, der Platz in den Haubergen<br />

wurde knapp und so erfanden<br />

die Siegerländer eine besondere Bewirtschaftungsform<br />

zur Berieselung und<br />

Düngung von Wiesen. 1843 wurde eine<br />

Sonntagsschule für den Wiesenbauernachwuchs<br />

initiiert, 1853 folgte in Siegen<br />

die Gründung einer Wiesenbauschule,<br />

aus der nach vierjährigem Studium<br />

Wiesenbaumeister hervorgingen und die<br />

Wurzeln der heutigen Universität Siegen<br />

gehen darstellen.<br />

Im <strong>Siegerland</strong> noch live zu erleben:<br />

Das Köhlerhandwerk<br />

Niederwald<br />

Rubens-Galerie im <strong>Siegerland</strong>museum im<br />

Oberen Schloss in Siegen<br />

„Siebenmeilerstiefel“, Fotos: Achim Meurer<br />

27


Blickbalkone<br />

Die Lust am Überblick<br />

Rolf Golze, 43 Jahre, Zentralheizungsbauer,<br />

stellvertretender Vorsitzender des<br />

Altenberg & Stahlbergvereins in Hilchenbach-Müsen<br />

„Die Anzahl der Türme und Aussichtspunkte<br />

in Siegen-<strong>Wittgenstein</strong> ist groß.<br />

Die Entstehungszeit vieler dieser Türme<br />

liegt noch in der Kaiserzeit. Der Altenbergturm<br />

ist vermutlich der jüngste<br />

Aussichtsturm der Region.“<br />

Hier ein Turm, dort ein Türmchen, eine<br />

Plattform, ein Ausguck. Auf der Passhöhe<br />

zwischen Kindelsberg und Ziegenberg, am Beginn der<br />

legendären „Kölschen Heck“, die einst die Grenze zwischen dem<br />

protestantischen Fürstentum Nassau-Siegen und dem katholischen Kurköln<br />

markierte, steht der acht Meter hohe Altenbergturm. Von der Plattform<br />

streicht der Blick zunächst über die mittelalterliche Bergbausiedlung Altenberg.<br />

Nach Westen hin ist der massige Turm der Ginsburg über Hilchenbach<br />

auszumachen. Östlich streicht der Blick über den Waldpelz der Wasserscheide,<br />

die das <strong>Siegerland</strong> vom Südsauerland trennt.<br />

Für Rolf Golze vom Verein Altenberg & Stahlberg e.V. mit Sitz im beschaulichen<br />

Müsen ist klar, die Bedeutung des Turmes lag und liegt in dem Überblick über<br />

die montanarchäologisch bedeutsame, spätmittelalterliche Bergbausiedlung<br />

Altenberg aus dem 12. und 13. Jh. Der Turm aus leichter Eisenkonstruktion in<br />

Cortenstahl strahlt in gewollt rostiger Optik.<br />

Dreh Dich um ...<br />

Man erkennt zahlreiche Pingen in denen im offenen Tagebau silberhaltige Bleiund<br />

Kupfererze abgebaut wurden. Grundmauerreste belegen, dass hier einst<br />

eine mittelalterliche Bergbausiedlung stand, die von einer Kleinburg bewacht<br />

wurde. Der Altenbergturm steht, so erklärt der Ehrenamtler im sehenswerten<br />

Stahlbergmuseum in Müsen, ziemlich genau auf den Grundmauern des<br />

Bergfrieds und hat vermutlich auch dessen einstige Höhe. In Müsen stand<br />

auch das wohl berühmteste Bergwerk des <strong>Siegerland</strong>es, die Grube Stahlberg.<br />

28


Bis 1931 wurde im Untertagebau Erz<br />

bergmännisch gefördert. Berühmt ist<br />

auch der Turm auf dem 618 m hohen<br />

Kindelsberg in der Nähe. Wer die<br />

123 Stufen auf die Aussichtsplattform<br />

besteigt wird durch einen<br />

umwerfenden Panoramablick bis<br />

Siegen, das Oberbergische Land,<br />

den Westerwald, das Sauerland<br />

und den Rothaarkamm belohnt.<br />

Wer wissen möchte, wie der<br />

1906 errichtete schlanke Turm<br />

mit der „Laterne“ mal ausgesehen<br />

hat, sollte einen Blick auf das<br />

Emblem der Krombacher Brauerei<br />

werfen. Von dem beliebten<br />

Wanderziel mit Berggasthaus kann<br />

man Maß nehmen auf drei weitere<br />

Blickbalkone die zum Stadtgebiet der<br />

Metropole an der namensgebenden<br />

Sieg im Süden gehören. Der Gilbergturm<br />

auf dem 426 m hohen Gilberg wurde<br />

bereits 1888 erbaut. Obwohl die Aussicht<br />

vom 5,65 m hohen Stahlturm durch<br />

den Wald eingeschränkt ist, kann man<br />

den 482 m hohen Eisenhardt mit dem<br />

134 m hohen Fernmeldeturm und den<br />

Aussichtsturm auf dem Burgberg über<br />

Siegen-Eisern ausmachen. Wer sich nun<br />

wieder umdreht wird einen weiteren<br />

Aussichtsturm ausfindig machen: Der<br />

aus der Konstruktion des Förderturms<br />

der ehemaligen Grube Pfannenberger<br />

Einigkeit zusammengebaute 19,69 m<br />

hohe Pfannenbergturm auf dem mit 499<br />

Metern höchsten Berg der Stadt Siegen.<br />

Halte Ausschau<br />

Siegen bietet weitere ganz aufregende<br />

Aussichtsbalkone. Vom Garten des Oberen<br />

Schlosses, genauer vom Großen oder<br />

Kleinen Krebs im Schlossgarten hinunter<br />

in das Weißtal und nach Norden. Von<br />

der Hasengartenbastion hat man einen<br />

schönen Blick auf die südlichen Stadtteile.<br />

Vermutlich ist dem Fan für Landmarken<br />

dabei bereits der Rabenhainturm im<br />

Osten aufgefallen. 1896 wurde das 11 m<br />

hohe Stahlgerüst auf der 465 m hohen<br />

Kuppe des Rabenhains errichtet. Dort wo<br />

der Rothaarsteig das <strong>Siegerland</strong> betritt<br />

und sich über die Haincher Höhe zum<br />

Rothaarkamm mit dem <strong>QuellenReich</strong><br />

aufmacht, liegt oberhalb von Wilgersdorf<br />

die wunderschöne Aussichtsplattform<br />

der Tiefenrother Höhe. Das ist der beste<br />

Sonnenuntergangsplatz im <strong>Siegerland</strong>.<br />

Von dem 550 m hoch gelegenen Balkon<br />

mit zwei geschwungenen Sinnenliegen<br />

reicht der Blick weit Richtung Westen.<br />

Weiter nordwärts, kurz nach dem der<br />

Rothaarsteig die Quellenmeile verlassen<br />

hat und die Rothaarbahn vor Lützel<br />

quert, reckt sich das Stahlgerüst des<br />

Gillerturmes in die Höhe. Der denkmalgeschützte,<br />

14 m hohe Aussichtsturm<br />

steht auf dem 653 m hohen Giller und<br />

gilt für mich als schönster Sonnenaufgangspunkt<br />

in Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>.<br />

Wahnsinn, wenn die Sonne im Osten die<br />

ersten orange-gelben Lichtstrahlen über<br />

den Rothaarkamm und die Gebirgskammer<br />

des <strong>Wittgenstein</strong>er Landes wirft.<br />

Wer Ausschau hält entdeckt die westlich<br />

gelegenen, wuchtigen Bergfried der<br />

Ruine Ginsburg, der sich über der Steilstufe<br />

zwischen Hilchenbach-Vormwald<br />

und dem Bergpass von Lützel erhebt und<br />

besichtigt werden kann. Hinein ins <strong>Wittgenstein</strong>er<br />

Land, wo die Berge höher und<br />

die Täler mäanderreicher werden. Immer<br />

wieder gibt es Blickschneisen, oben an<br />

der Kühhude zum Beispiel wo der 23 km<br />

lange WaldSkulpturen von Schmallenberg<br />

her mit elf künstlerischen Installationen<br />

erst den Rothaarsteig quert und<br />

dann <strong>Wittgenstein</strong>er Land betritt. Oder<br />

entlang der Via Adrina, dieser 20,2 km<br />

langen wundervollen Rundwanderung<br />

rund um die Schleifen der Eder. Zweimal<br />

wird das Ausschau halten durch hölzerne<br />

Plattformen erleichtert. Einmal oben<br />

bei Schwarzenau, ganz in der Nähe des<br />

Alexander-Mack-Museums über dem<br />

Weiler Heller zum Beispiel. Vom Waldrand<br />

aus reicht der traumhafte Blick Richtung<br />

Süden. Ein gigantischer Buckelteppich<br />

breitet sich vor dem Wanderer aus.<br />

Rechts der Eder, wo das Wiesengelände<br />

leicht zum Arfelder Hammer, einer<br />

formvollendeten Vollschleife der Eder,<br />

abfällt, steht eine weitere hölzerne<br />

Aussichtsplattform. Augen zu und in die<br />

Landschaft hineinhorchen und dabei tief<br />

einatmen. So riecht dieses Land, so hört<br />

sich pralle Natur an.<br />

Lust auf Aussicht<br />

Blick von der Ginsburg<br />

Mit der 20,2 km langen Via Adrina (Start<br />

in Arfeld im <strong>Wittgenstein</strong>er Land), dem<br />

14,2 km langen Kindelsbergpfad (Startpunkt<br />

Kreuztal-Kredenbach), dem 37,4 km<br />

langen Künstlerweg „Ansichten <strong>–</strong> Aussichten“<br />

rund um Neunkirchen (empfohlen<br />

sind zwei Etappen) und dem legendären<br />

Rothaarsteig von der Tiefenrother Höhe<br />

durch das <strong>QuellenReich</strong>, zum Gillerturm<br />

und weiter bis Kühhude bieten sich aussichtsreiche<br />

Pfade an.<br />

www.siegerland-wittgenstein.com<br />

Nase im Wind<br />

Früher Basaltsteinbruch,<br />

heute Naturschutzgebiet: Mahlscheid<br />

Fotos: Klaus-Peter Kappest<br />

Sonnenuntergang am Rothaarsteig<br />

Foto Michael Sänger<br />

Kindelsbergturm, Foto: Klaus-Peter Kappest<br />

29


Kultur & Natur<br />

Lohnenswerte Termine & Ziele<br />

Wiederkehrende Veranstaltungen:<br />

Internationale Musikfestwoche auf<br />

Schloss Berleburg: Herausragende<br />

Künstlerinnen und Künstler aus aller<br />

Welt.<br />

Wann? Sommer für Sommer in der ersten<br />

Juliwoche Wo? Bad Berleburg<br />

KulturPur: Internationales Musik- und<br />

Theaterfestival<br />

Wann? Jährlich an Pfingsten Wo? Ginsberger<br />

Heide bei Hilchenbach-Lützel<br />

Stünzelfest: Größte Kreistierschau der<br />

Region<br />

Wann? Jährlich am zweiten Samstag im<br />

Juni Wo? Bad Berleburg-Stünzel<br />

Bad Laasphe tafelt! Die längste Schlemmer-Tafel<br />

<strong>Wittgenstein</strong>s mit Köstlichkeiten<br />

aus der Lachsstadt selbst und der<br />

Region<br />

Wann? Jährlich an einem Freitagabend<br />

im Juni Wo? Bad Laasphe, Königsstraße<br />

in der Altstadt<br />

Siegtal pur: Autofreier Rad-Aktionstag<br />

Wann? Jährlich am ersten Sonntag im<br />

Juli Wo? Im Siegtal auf rund 130 km von<br />

der Siegquelle bei Netphen bis nach<br />

Siegburg<br />

Südwestfälische Freilichtbühne:<br />

Wann? Den Sommer über zeigt das<br />

Open-Air-Theater mit überdachten Sitzplätzen<br />

heitere Bühnenstücke für Jung<br />

und Alt. Wo? Freundenberg<br />

Berleburger WeihnachtsZeitreise:<br />

Weihnachtliche Bräuche vom rustikalen<br />

Mittelalter bis in die glitzernde Gegenwart.<br />

Ein Wintermärchen mit märchenhafte<br />

Kulisse.<br />

Wo? Bad Berleburg, Altstadt rund um<br />

das Schloss Wann? Jährlich am dritten<br />

Adventswochenende<br />

<strong>Wittgenstein</strong>er Holzmarkt: Schaufenster<br />

für innovative Produkte sowie Herstellungs-<br />

und Verarbeitungsmethoden rund<br />

um den Rohstoff Holz<br />

Wann? Im 3-Jahres-Turnus, erneut 2019<br />

Wo? Bad Berleburg, Kernstadt<br />

Siegener Sommerfestival: Beginnt 2017<br />

mit dem Siegener Stadtfest (16.-18. Juni)<br />

und endet mit der „Nacht der 1000<br />

Lichter“ (14. & 15. Juli). Die Lichtermeile<br />

erstreckt sich durchgehend vom poetisch<br />

illuminierten Schlosspark bis hinunter<br />

zum stimmungsvollen Tanz-Event auf<br />

dem Scheinerplatz.<br />

Wann? Jährlich einen Monat lang im<br />

Sommer<br />

Wo? Siegen, Innen- & Altstadt<br />

Wandertipps & Themenschwerpunkte:<br />

Weitwanderwege:<br />

Rothaarsteig (154 km, Brilon <strong>–</strong> Dillenburg)<br />

Wandern auf zertifiziertem Qualitätsniveau!<br />

Als Top Trail of Germany ist der<br />

Rothaarsteig einer der meistgewanderten<br />

und beliebtesten Fernwanderwege<br />

Deutschlands!<br />

Lahnwanderweg (288 km, Lahnquelle<br />

<strong>–</strong> Mündung in den Rhein bei Lahnstein)<br />

Der zertifizierte Qualitätsweg führt von<br />

Bad Laasphe-Feudingen immer an der<br />

Lahn entlang. Die ersten beiden Etappen<br />

verlaufen dabei durch das <strong>Wittgenstein</strong>er<br />

Bergland.<br />

30


Themenwege:<br />

WaldSkulpturenWeg (23 km,<br />

Schmallenberg <strong>–</strong> Bad Berleburg)<br />

Für Kunst und Naturfreunde<br />

gleichermaßen eignet sich der<br />

WaldSkulpturenWeg. Auf halbem<br />

Weg kreuzt er den Rothaarsteig und<br />

überrascht mit vielfältigen Kunstwerken<br />

am Wegesrand.<br />

Rothaarsteig-Spuren<br />

Wildromantische Pfade, schroffe Felsformationen,<br />

panoramareiche Gipfelerlebnisse,<br />

murmelnde Bäche, bunte Wiesen<br />

und majestätisch wirkende Wälder. Die<br />

als Rothaarsteig-Spuren gekennzeichneten<br />

Wege sind zertifizierte Qualitäts-Rundwanderwege,<br />

die jeweils an<br />

den Rothaarsteig anknüpfen. Drei davon<br />

befinden sich in Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>:<br />

Trödelsteinpfad bei Burbach (10,2 km,<br />

Start WP Buchhellertal in Burbach-Wahlbach<br />

bzw. Bhf Wahlbach);<br />

Themenschwerpunkt: Natur<br />

Ilsetalpfad bei Bad Laasphe-Feudingen<br />

(16,6 km, Start Wanderportal Feudingen);<br />

Themenschwerpunkt: Natur<br />

Wisentpfad bei Bad Berleburg-Wingeshausen<br />

eine Begegnung mit dem<br />

König der Wälder, dem Wisent! (13,5 km,<br />

Start Parkplatz Wisent-Wildnis);<br />

Themenschwerpunkte: Wisent-Welt<br />

und hist. Bergbau<br />

WanderHöhepunkte links und rechts<br />

des Rothaarsteigs<br />

Thematische Rundwanderwege in<br />

Siegen-<strong>Wittgenstein</strong>, die als Halb- oder<br />

Ganztagestouren im Vorbeigehen Wissenswertes<br />

über die Region vermitteln.<br />

<strong>Wittgenstein</strong>er Schieferpfad (12,8 km,<br />

Start Parkplatz an der Eder, Nähe<br />

Schieferschaubergwerk Raumland);<br />

Themenschwerpunkt: Schiefer<br />

Via Adrina <strong>–</strong> rund um die Ederschleifen<br />

(20,2 km, Start Eingangsportal an der<br />

Ederbrücke in Arfeld); Themenschwerpunkte:<br />

Lebensader Eder und Glaubensflüchtlinge<br />

im <strong>Wittgenstein</strong>er Land<br />

Mythen- und Sagenweg <strong>–</strong> zwischen<br />

Teufelskanzel und Bad Laasphe (11,1 km,<br />

Start Haus des Gastes Bad Laasphe);<br />

Themenschwerpunkt: Natur<br />

Mäanderweg <strong>–</strong> von der Benfe zu den<br />

Lahnhöhen (25,4 km, Start Eingangsportal<br />

Fuchsrain in Erndtebrück);<br />

Themenschwerpunkte: Lebensader<br />

Benfe, Flora<br />

Kalorienpfad Hilchenbach <strong>–</strong> um die<br />

Breitenbachtalsperre (7,2 km, Start<br />

Parkplatz Breitenbachtalsperre); Themenschwerpunkte:<br />

Natur und Wasser<br />

Kindelsbergpfad <strong>–</strong> zwischen Kindelsberg<br />

und Jungbrunnen (14,2 km, Start<br />

Kredenbach Bernhard-Weiß-Klinik); Themenschwerpunkte:<br />

Bergbau, Blickbalkone<br />

Netphener Keltenweg <strong>–</strong> über die Höhen<br />

des <strong>Siegerland</strong>es (14,9 km, Start WP Leimbachtal);<br />

Themenschwerpunkt: Kelten<br />

Fachwerkweg Freudenberg <strong>–</strong> auf der<br />

Spur des „Wilden Mannes“ (11,9 km, Start<br />

P4 „Hinterm Schloss“); Themenschwerpunkt:<br />

Siegerländer Fachwerk<br />

Historischer Rundweg Achenbach <strong>–</strong> von<br />

der La-Tène-Zeit bis zur Moderne (12 km,<br />

Start Wandertafel Ortseingang Achenbach);<br />

Themenschwerpunkt: Historische<br />

Eisenschmelzen<br />

Auf Bergmannspfaden <strong>–</strong> im Eisenland<br />

Wilnsdorf (15,6 km, Start Parkplatz an der<br />

B 54 Wilnsdorf); Themenschwerpunkt:<br />

Historischer Bergbau<br />

Ansichten <strong>–</strong> Aussichten <strong>–</strong> Künstlerweg<br />

rund um Neunkirchen (37,4 km, Start<br />

Bhf Struthütten); Themenschwerpunkte:<br />

Geologie und historischer Bergbau<br />

Literatur in der Natur <strong>–</strong> Romantischer<br />

Hickengrund (23,6 km, Start Parkplatz<br />

Naturweiher/Großer Stein in Holzhausen);<br />

Themenschwerpunkte: Geologie,<br />

Lebensadern, Natur<br />

Führungen:<br />

Unterwegs mit Rangern<br />

Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW<br />

schickt seine Ranger mit Ihnen auf Tour!<br />

Für Gruppen rechtzeitig Termin buchen<br />

und kompetent begleitet durch den Wald<br />

streifen!<br />

Wanderführer und AktivGuides<br />

Die Wanderführer und Aktivguides der<br />

Region <strong>Siegerland</strong>-<strong>Wittgenstein</strong> begleiten<br />

Sie, zeigen Ihnen die Highlights<br />

unserer Wanderwege und organisieren<br />

für Sie die perfekte Tour!<br />

Pocketguide:<br />

Zu den WanderHöhepunkten links und<br />

rechts des Rothaarsteig mit den drei<br />

Rothaar-Spuren und einer weiteren,<br />

kindgerechten Rundtour rund um das<br />

Forsthaus Hohenroth gibt es einen handlichen<br />

Pocketguide. Diesen und individuelle<br />

Beratung bzw Auskünfte erhalten<br />

Sie unter:<br />

Touristikverband<br />

<strong>Siegerland</strong>-<strong>Wittgenstein</strong> e. V.<br />

Koblenzer Str. 73<br />

57072 Siegen<br />

Telefon + 49 (0) 271 333-1020<br />

Telefax + 49 (0) 271 333-1029<br />

tvsw@siegen-wittgenstein.de<br />

www.siegerland-wittgenstein.com<br />

Die renaturierte Sieg in Siegens Innenstadt<br />

Altenbergturm <strong>–</strong> er markiert den Standort<br />

des Bergfrieds aus dem Mittelalter<br />

Blick vom „Großen Krebs“ am Oberen<br />

Schloss von Siegen<br />

Fotos: Michael Sänger<br />

31


Eine Perle der Natur.<br />

Mit Felsquellwasser gebraut.<br />

17188_KP_Image_210x215.indd 1 03.05.17 10:45<br />

Touristikverband<br />

<strong>Siegerland</strong>-<strong>Wittgenstein</strong> e. V.<br />

Koblenzer Str. 73<br />

57072 Siegen<br />

Telefon + 49 (0) 271 333-1020<br />

Telefax + 49 (0) 271 333-1029<br />

tvsw@siegen-wittgenstein.de<br />

www.siegerland-wittgenstein.com

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