VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2019
Ophthalmologie - Gute Aussichten fürs Glaukom Kardiologie - «Gefährliches» EKG Politik - Frauenstreik – über den Tag hinaus
Ophthalmologie - Gute Aussichten fürs Glaukom
Kardiologie - «Gefährliches» EKG
Politik - Frauenstreik – über den Tag hinaus
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<strong>VSAO</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 5, <strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong><br />
Journal<br />
Das Journal des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Transparent<br />
Von Wänden, Löhnen und Garnelen<br />
Ophthalmologie<br />
Gute Aussichten fürs Glaukom<br />
Seite 36<br />
Kardiologie<br />
«Gefährliches» EKG<br />
Seite 43<br />
Politik<br />
Frauenstreik – über den Tag hinaus<br />
Seite 6
Inhalt<br />
Editorial<br />
5 Totale Transparenz?<br />
Politik<br />
6 Der 14. Juni ist nicht zu Ende<br />
9 Auf den Punkt gebracht<br />
Weiterbildung /<br />
Arbeitsbedingungen<br />
10 Und es kam, wie es der Vater sagte<br />
14 Lesen lernen<br />
<strong>VSAO</strong><br />
19 Neues aus den Sektionen<br />
Perspektiven<br />
36 Aktuelles aus der Ophthalmologie:<br />
Glaukom: Goldenes Zeitalter für den<br />
grünen Star<br />
43 Aus der «Praxis»: Das «gefährliche»<br />
EKG<br />
51 Der besondere Patient<br />
MEDISERVICE<br />
52 Der Gang in die Praxis (5):<br />
Von Rechten und Pflichten<br />
55 Briefkasten<br />
57 Krankheitsfall = Lohnausfall?<br />
58 Sich für Neues entscheiden<br />
59 Wenn die Welt ins Wanken gerät<br />
62 Impressum<br />
Fokus: Transparent<br />
23 Der gläserne Mensch – eine Utopie?<br />
26 Durch Wände sehen ohne Magie<br />
29 Transparenz – ja oder nein?<br />
31 Das Lachen meines Bruders<br />
34 Meister des Versteckspiels<br />
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Editorial<br />
Totale<br />
Transparenz?<br />
Catherine Aeschbacher<br />
Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />
Die Idee ist nicht ganz neu; bereits im 18. Jahrhundert<br />
forderte Jean-Jacques Rousseau die absolute Transparenz.<br />
Nur wenn alles offen liege, sei die republikanische<br />
Gesellschaft vollkommen, behauptete der Aufklärer. Die<br />
totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts haben diese Forderung auf<br />
ihre eigene Weise umgesetzt: Die Bevölkerung wurde so gut als möglich<br />
durchleuchtet und akribisch überwacht, das Recht auf Privatsphäre<br />
war den Machthabern vorbehalten. Doch der Ruf nach absoluter<br />
Transparenz ist nicht verstummt. Im Gegenteil – in Politik und<br />
Wirtschaft ist der Begriff hoch im Kurs. Oft ist damit die Vorstellung<br />
von einer reinen und gerechten Gesellschaft verbunden. Ja, häufig<br />
wird transparent – also wörtlich: durchsichtig – sogar mit der Wahrheit<br />
schlechthin verwechselt.<br />
Wir alle werden dank den sozialen Medien immer durchsichtiger, ob<br />
freiwillig oder unfreiwillig. Selbst wer nicht sein halbes Leben auf<br />
Facebook postet, hinterlässt eine beachtliche Datenspur. Die Grenzziehung<br />
zwischen privat und öffentlich wird zunehmend diffuser. Der<br />
gläserne Mensch ist ein Thema unseres Schwerpunkts. Daneben<br />
befassen wir uns mit der Lohntransparenz, aber auch mit Wänden,<br />
durch die man hindurchsehen kann und mit transparenten Tieren.<br />
Wie transparent soll ein Patientengespräch sein? Die Frage ist einfach<br />
zu beantworten, solange Diagnose und Prognose nicht besorgniserregend<br />
sind. Andernfalls ist mehr als bloss Fingerspitzengefühl<br />
gefragt. Unser Autor berichtet im Fokus aus persönlicher Erfahrung,<br />
wie er gelernt hat, schlechte Nachrichten zu überbringen.<br />
Der 14. Juni liegt schon eine Weile zurück. Damals gingen in der<br />
ganzen Schweiz hunderttausende von Frauen auf die Strasse, um für<br />
Gleichstellung in Beruf und Gesellschaft zu streiken. Die Kundgebung<br />
war beachtlich, doch was hat sie erreicht, wie steht es um ihre Nachwirkung?<br />
Für den <strong>VSAO</strong> ist und war bereits vor dem 14. Juni klar, dass<br />
auch Ärztinnen nicht per se gleichgestellt, dass Beruf und Familie<br />
noch immer nicht einfach zu vereinbaren und Karrierechancen nicht<br />
gleichermassen verteilt sind. Aus diesem Grund hatte der <strong>VSAO</strong> verschiedenste<br />
eigene Aktivitäten rund um den Frauenstreiktag initiiert<br />
und setzt sein Engagement seither kontinuierlich fort. Genaueres dazu<br />
ist im Politikteil nachzulesen.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 5
Der 14. Juni ist<br />
nicht zu Ende<br />
Vier Monate später ist der Frauenstreik zwar Geschichte. Alles andere als<br />
passé sind aber seine Anliegen. Auch für den <strong>VSAO</strong>: Er führt den Kampf<br />
für Chancengleichheit und Gleichstellung fort. Rückblick und Ausblick.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation/stv. Geschäftsführer <strong>VSAO</strong><br />
Dass Weiss und Rot die Landesfarben<br />
der Schweiz sind,<br />
weiss jedes Kind. Wer am<br />
14. Juni <strong>2019</strong> zwischen Genf<br />
und Bodensee oder Basel und Chiasso unterwegs<br />
war, hätte jedoch vielerorts meinen<br />
können, es sei nun Lila dazugekommen.<br />
Denn im Zeichen dieser Farbe stand<br />
der zweite landesweite Frauenstreik.<br />
Gemäss Schätzungen verzeichneten die<br />
Manifestationen mehrere hunderttausend<br />
Teilnehmende. So sprach etwa der<br />
Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB)<br />
im Nachgang von deutlich über 500 000<br />
Personen.<br />
Der SGB sah darin ein starkes Signal<br />
für eine rasche Gangart bei der Gleichstellung:<br />
«Die Massenmobilisierung, an der<br />
sich Frauen aus allen Gesellschaftsschichten<br />
beteiligten, zeigt, dass es bei der Gleichstellung<br />
der Frauen im Erwerbsleben und<br />
in der Gesellschaft jetzt vorwärtsgehen<br />
muss und vorwärtsgehen wird.» Handlungsbedarf<br />
ortet der Verband bei den<br />
Löhnen/der Lohngleichheit, den beruflichen<br />
Entwicklungsmöglichkeiten bzw.<br />
der Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />
sowie beim Kampf gegen Sexismus/sexuelle<br />
Belästigung. Andere Organisationen<br />
wie die Koordinationsgruppe Bern beurteilten<br />
das Echo auf ihren Streikaufruf<br />
ebenfalls als überwältigend.<br />
<strong>VSAO</strong> in der FMH Vorreiter<br />
Gleichstellung und Chancengleichheit<br />
sind auch für Ärztinnen noch immer nicht<br />
selbstverständlich. Zwar bilden sie laut<br />
der FMH-Ärztestatistik 2018 bei den unter<br />
45-jährigen Berufsangehörigen bereits die<br />
Mehrheit – und erst recht bei den Medizinstudierenden.<br />
Auf den Ebenen leitende<br />
Ärzte und Chefärzte hingegen zählen sie<br />
mit Anteilen von 24,5 bzw. 12,4 Prozent<br />
weiterhin meist zu den Ausnahmen. «Deshalb<br />
hat der <strong>VSAO</strong> an der Delegiertenversammlung<br />
der FMH beantragt, dass sich<br />
die gesamte Ärzteschaft hinter die Anliegen<br />
des Frauenstreiks stellt», berichtet Vizepräsidentin<br />
Patrizia Kündig. Mit Erfolg:<br />
Der Vorstoss wurde ohne Gegenstimme<br />
gutgeheissen.<br />
Vom <strong>VSAO</strong>-Ansteckknopf wurden mehr als<br />
17 000 Exemplare verteilt, vor allem in Kliniken.<br />
Doch der <strong>VSAO</strong> liess es nicht bei Worten<br />
bewenden. So liess er für den Streiktag einen<br />
Ansteckknopf (siehe Bild) produzieren<br />
und verteilen. Über 17 000 Stück gingen<br />
weg, vor allem in Kliniken. Diverse<br />
Sektionen machten mit eigenen Aktionen<br />
auf die Situation der Ärztinnen aufmerksam.<br />
Dazu zählten eine Videoproduktion<br />
über Teilzeitarbeit, die (Mit-)Organisation,<br />
Unterstützung und Teilnahme an lokalen<br />
Veranstaltungen/Ständen sowie<br />
Newsletter, Flyer und Umfragen. Die Sek-<br />
Bild: <strong>VSAO</strong><br />
6<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Politik<br />
Lila, so weit das Auge reicht: Nicht nur auf dem Bundesplatz in Bern mobilisierte der Frauenstreik<br />
die Massen. Der <strong>VSAO</strong> fühlt sich dadurch in seinem Engagement für Frauenfragen bestärkt.<br />
(Bild: Raphael Moser/Frauenstreik-Koordination Bern)<br />
Fragen der Diskriminierung, vor allem<br />
rund um befristete Arbeitsverträge,<br />
Schwangerschaft und Mutterschutz, ein<br />
kostenloses Telefoncoaching mit der<br />
Fachstelle UND sowie – gemeinsam mit<br />
anderen Ärzteorganisationen – das Nachwuchs-Mentoringprogramm<br />
«Coach my<br />
Career». Im Weiteren zeigt der <strong>VSAO</strong> immer<br />
wieder Flagge bei sozialpolitischen<br />
Vorstössen, zum Beispiel mit der Unterstützung<br />
der Volksinitiative für einen Vaterschaftsurlaub.<br />
«Nicht zuletzt muss aber die administrative<br />
Belastung sinken, wie wir es mit<br />
unserer Kampagne ‹Medizin statt Bürokratie!›<br />
verlangen und anhand von konkreten<br />
Beispielen auch Lösungen dafür<br />
aufzeigen», ergänzt Burkhard Schneider.<br />
«Das würde die Attraktivität des Arztberufs<br />
steigern und zugleich die Kosten senken.»<br />
Im nächsten Jahr schliesslich ist die<br />
dritte grosse Mitgliederumfrage zu Arbeitszeiten<br />
und Arbeitsbelastung geplant.<br />
Dabei sollen Fragen zum Themenkreis des<br />
Frauenstreiks einfliessen.<br />
tion Zürich hat im Nachgang überdies einen<br />
Forderungskatalog an die Adresse der<br />
Zürcher Spitäler publiziert.<br />
Es braucht mehr Teilzeit<br />
Dachverband und FMH formulierten ihre<br />
Forderungen in einer gemeinsamen Medienmitteilung.<br />
Nötig seien insbesondere<br />
zeitgemässe Arbeitsbedingungen, betont<br />
Patrizia Kündig. «Das heisst, dass die Vereinbarkeit<br />
von Beruf, Familie und Freizeit<br />
zu garantieren ist, vor allem durch regelmässige<br />
Einsatzzeiten, Teilzeitstellen, betriebsnahe<br />
Kinderkrippen mit langen Öffnungszeiten<br />
oder Flexibilität beim Arbeitspensum.»<br />
Simone Burkhard Schneider, bis Ende<br />
September Leiterin Weitbildung und Recht<br />
(eine Würdigung folgt im «<strong>VSAO</strong>-Journal»<br />
vom Dezember), führt aus, wie sich der<br />
<strong>VSAO</strong> engagiert: «Im Projekt Förderung<br />
Teilzeit entwickeln wir massgeschneiderte<br />
Lösungen für Kliniken, damit diese vermehrt<br />
reduzierte Pensen anbieten. Ausserdem<br />
planen wir ein Konzept zur Förderung<br />
der Gleichstellung in der Weiterbildung,<br />
unter anderem durch Teilzeitangebote,<br />
und befassen uns mit dem Arztbild der Zukunft.<br />
Schliesslich wird dieses immer<br />
mehr von Frauen geprägt.»<br />
Bereits seit Langem etabliert sind die<br />
Mitgliederberatung bzw. Massnahmen zu<br />
Zulassungssteuerung: Neues vom Nationalrat<br />
Vor der Herbstsession gelangte der <strong>VSAO</strong> mit einer Themenkarte zur Zulassungssteuerung<br />
(siehe Bild) an alle Mitglieder des Nationalrats. Grund: Im September stand<br />
die Differenzbereinigung mit dem Ständerat an. Im «Stöckli» hatten die Argumente von<br />
<strong>VSAO</strong> und FMH im Juni Gehör gefunden – anders als vergangenen Dezember in der<br />
grossen Kammer.<br />
Letztere ist nun neu auf die zwei Hauptanliegen der Ärzteschaft eingetreten. Diese<br />
fordert als Voraussetzungen für die Zulassung drei Jahre Tätigkeit an einer Weiterbildungsstätte<br />
in der für die Zulassung beantragten Fachdisziplin und eine höhere Messlatte<br />
bei der Sprachkompetenz. Zudem rückt der Nationalrat von der Idee ab, die freie<br />
Arztwahl einzuschränken. Er beharrt jedoch auf zwingenden Zulassungsbeschränkungen<br />
und -stopps seitens der Kantone sowie auf die Verknüpfung der Vorlage mit jener<br />
zur einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS).<br />
Somit liegt der Ball in der kommenden Wintersession wieder bei der kleinen Kammer.<br />
Zwischenzeitlich werden ihn aber <strong>VSAO</strong> und FMH aufnehmen und sich weiter bemühen,<br />
den Spielverlauf bei den noch offenen Punkten in eine gute Richtung zu lenken.<br />
Mehr zum Thema: www.vsao.ch, Rubrik Gesundheitspolitik/ Zulassungssteuerung<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 7
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Politik<br />
Psychiater<br />
«heilt» Schwule<br />
Kennen Sie Konversionstherapien? Nicht? Das sollten<br />
Sie aber, denn sie werden auch in der Schweiz<br />
durchgeführt.<br />
Ich kann mich noch sehr gut an meine Zeit als<br />
Jugendlicher erinnern, als mir klar wurde, dass ich auf Männer<br />
stehe. Und doch wollte ich es lange Zeit nicht wahrhaben. Ich<br />
hatte die Hoffnung, «es» loszuwerden, wenn ich mir einfach nur<br />
genug Mühe gäbe.<br />
Auch heute geht es vielen queeren 1 Jugendlichen<br />
nicht einfacher als mir damals, obwohl<br />
unsere Gesellschaft offener und toleranter<br />
geworden ist. Und seit 1992 gelten wir<br />
gemäss WHO sogar offiziell nicht mehr<br />
als «krank».<br />
Im Austausch mit queeren<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />
höre ich immer wieder<br />
Geschichten, die mich erschüttern.<br />
Es kommt regelmässig vor,<br />
dass Familien ihre «falschsexuellen»<br />
Kinder nicht akzeptieren und<br />
ihnen nahelegen, sich zu verleugnen.<br />
Insbesondere in konservativ-religiösen<br />
Kreisen herrscht immer noch<br />
die Überzeugung, es sei eine freie Wahl,<br />
in wen wir uns verlieben, oder dass<br />
Mensch sich nur genug Mühe geben und<br />
gegen die eigenen Neigungen kämpfen muss.<br />
Teilweise wird auch mit arrangierten Ehen nachgeholfen,<br />
frei nach dem Motto: «Wenn du diese Frau nicht heiratest,<br />
wirst du aus unserer Gemeinschaft ausgestossen.»<br />
In dieselbe Kategorie fallen die sogenannten Konversionstherapien.<br />
Dabei geht es darum, Homosexuelle oder Transmenschen<br />
zu «heilen». Den jungen Menschen wird eingetrichtert, sie<br />
hätten ungelöste Konflikte mit sich selber oder müssten einfach<br />
mehr glauben und beten. Teil dieser «Therapie» ist es, den<br />
jungen Schwulen zu einem «richtigen Mann» zu machen,<br />
beispielsweise indem er Fussball spielt oder sich anders bewegt<br />
und kleidet. Aber jeder vernünftig denkende Mensch müsste<br />
eigentlich wissen, dass diese Äusserlichkeiten keinen Einfluss<br />
darauf haben, in welche Person wir uns verlieben. Folglich ist es<br />
richtig, dass die Standesordnungen der Psychiater_ 2 innen und<br />
der Psycholog_innen ihren Mitgliedern das Durchführen solcher<br />
Pseudotherapien nicht erlaubt. Nichtsdestotrotz finden sie nach<br />
Auf den<br />
Punkt<br />
gebracht<br />
wie vor auch in der Schweiz statt. Erst diesen Sommer wurde via<br />
Medien bekannt, dass ein Psychiater in Schwyz derartige<br />
Therapien durchführt und sie sogar via Grundversicherung der<br />
Krankenkasse in Rechnung gestellt hat.<br />
Das muss aufhören! Adoleszente sind besonders vulnerabel<br />
und brauchen Unterstützung, um sich selber zu sein, und<br />
dürfen nicht mit angeblich therapeutischen Angeboten noch<br />
mehr in eine persönliche Krise gestürzt werden. Deshalb<br />
sollten nicht nur die Standesorganisationen<br />
Konversionstherapierende ausschliessen. Ich<br />
setze mich dafür ein, dass in solchen Fällen<br />
Sanktionen wie Bussen oder gar ein<br />
Berufsverbot möglich werden. Denn<br />
wer nicht krank ist, muss auch nicht<br />
geheilt werden.<br />
Was ich vielmehr möchte ist,<br />
dass queere Jugendliche gesund<br />
und selbstbewusst erwachsen<br />
werden können, damit sie vielleicht<br />
in Zukunft wie ich an der<br />
Pride 3 dieses Jahr ein T-Shirt<br />
tragen mit der Aufschrift: «I didn’t<br />
choose to be gay. I just got lucky!»<br />
1<br />
Mit queer meine ich Jugendliche, die in ihrer<br />
sexuellen Orientierung nicht der heterosexuellen<br />
Norm entsprechen und/oder in der Geschlechtsidentität<br />
von ihrem biologischen Geschlecht abweichen.<br />
2<br />
Gender_Gap: Dieser Gap, bspw. Psychiater_innen, bezeichnet Männer,<br />
Frauen und alle dazwischen, damit auch diejenigen angesprochen sind, die<br />
sich in der Geschlechtsidentität nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen<br />
können.<br />
3<br />
Die Pride (ehemals Cristopher Street-Day) ist die Parade in Zürich, an der wir<br />
Queers und mit uns solidarische Menschen für unsere Gleichberechtigung<br />
und Akzeptanz auf die Strasse gehen.<br />
Angelo Barrile,<br />
Vizepräsident <strong>VSAO</strong><br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 9
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Und es kam, wie<br />
es der Vater sagte<br />
Nein, kopflos sei er nicht. Vielmehr überlegt, planend. Doch er plant<br />
eben auch 30 Mal im Jahr den Aus- und Aufstieg – in die Luft,<br />
als Flight- Attendant: Christoph Jans, Psychiater aus Leidenschaft,<br />
der nie Arzt sein wollte.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation/stv. Geschäftsführer <strong>VSAO</strong><br />
Zwischen Bodenhaftung und Höhenflügen: Christoph Jans arbeitet als Arzt bei der Integrierten<br />
Psychiatrie Winterthur – Zürcher Unterland (ipw), …<br />
Diese Geschichte beginnt im<br />
malerischen Luzerner Seetal,<br />
an einem Junitag 1983. In<br />
Hitzkirch wird Sohn Christoph<br />
in die Hausarztfamilie Jans geboren.<br />
Was es damals heisst, Grundversorger auf<br />
dem Land zu sein, erlebt der Junge nicht<br />
nur am Beispiel seines Vaters. Onkel und<br />
Grossvater sind im selben Metier. «Ich<br />
habe die schönen Seiten gesehen, den<br />
Kontakt mit den Menschen. Aber auch die<br />
Opfer wie die Arbeitsbelastung, die dauernde<br />
Erreichbarkeit.» Der Junior diskutiert<br />
mit dem Senior viel darüber. Der findet:<br />
Es ist so und muss so sein. Muss es<br />
nicht, nicht für mich, findet der Sprössling.<br />
Deshalb: Arzt werden – nie!<br />
Diese Geschichte endet – vorläufig –<br />
gut 36 Jahre später bei der Integrierten<br />
Psychiatrie Winterthur – Zürcher Unterland<br />
(ipw). In seinem Büro gleich hinter<br />
dem Bahnhof berichtet Christoph Jans als<br />
baldiger Facharzt Psychiatrie von seinem<br />
heutigen Beruf. Wobei man angesichts<br />
von Wortwahl und Begeisterung in der<br />
Stimme von Berufung sprechen muss.<br />
Herr Jans, warum wird man, was man<br />
nicht werden will?<br />
Mein Vater hat nicht erwartet, dass ich<br />
seine Praxis übernehme. Im Gegenteil: Da<br />
er meine Vorbehalte kannte, mahnte er<br />
mich, mir das mit dem Medizinstudium<br />
Bild: Marcel Marti<br />
10<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
…aber auch als Flight-Attendant bei der Swiss. Sein Hauptgebiet sei jedoch schon die Psychiatrie.<br />
Bild: Markus Mallaun<br />
gut zu überlegen, als ich mich doch dafür<br />
zu interessieren begann. Allerdings war es<br />
dann wieder er, der mich als Erster im<br />
Fach Psychiatrie sah.<br />
Sie noch gar nicht?<br />
Im Studium, in meinem Fall in Bern, ist<br />
der Anteil der Psychiatrie gering. Das Gebiet<br />
blieb mir also vorerst fremd. Als ich<br />
dann auf der Zielgeraden zum Staatsexamen<br />
ein vierwöchiges Praktikum in der<br />
Psychiatrie St. Urban (LU) machte, fand<br />
ich das schon mal spannend. Leider waren<br />
dann in der Weiterbildung meine ersten<br />
längeren Eindrücke von der medizinischen<br />
Praxis ganz andere …<br />
Die, welche Sie befürchtet hatten?<br />
Exakt, obschon sich die Situation ja nicht<br />
mit der in der väterlichen Hausarztpraxis<br />
vergleichen liess. Das erste Weiterbildungsjahr<br />
führte mich nämlich Ende Mai<br />
2009 in die Innere Medizin eines Aargauer<br />
Regionalspitals. Ein harter Start: Aufgrund<br />
des Personalmangels fand ich mich<br />
allein auf einer Station mit 30 Patientenbetten<br />
wieder. Zugleich musste ich eine<br />
Abteilung im oberen Stock im Auge behalten.<br />
So häufte ich im Lauf der Monate gegen<br />
600 Überstunden an, und einmal kam<br />
ich auf über 100 pendente Austrittsberichte.<br />
Keine schöne Zeit!<br />
Waren Sie wegen Ihrer frühen Zweifel<br />
am Arztberuf darauf vorbereitet?<br />
Nein. Im Studium drehte sich alles um die<br />
Medizin. Klar sah ich in den Praktika, dass<br />
die Assistenzärztinnen und -ärzte unter<br />
Stress stehen. Doch wie damit umgehen, das<br />
Erlebte einordnen, etwas dagegen machen,<br />
wusste ich nicht. Themen wie Arbeitsrecht<br />
und Berufsethik blieben blinde Flecken.<br />
Also kein Kampf, keine Auflehnung?<br />
Ich kämpfte darum, die Arbeit irgendwie<br />
hinzukriegen. Da blieb keine Energie, sich<br />
aufzulehnen – es ging schlicht ums Überleben.<br />
Und den Gedanken, dass es nachher<br />
besser werden muss.<br />
Es wurde besser. Es wurde sogar richtig<br />
gut – wie so oft im Leben über einen Umweg.<br />
Christoph Jans erhielt die Zusage, seine<br />
Weiterbildung im Bereich Innere Medizin<br />
im Limmattalspital fortsetzen zu können.<br />
Freilich nicht gleich, sondern erst ein Jahr<br />
später. Die Zwischenlösung fand er im Sanatorium<br />
Kilchberg, einer psychiatrischen<br />
Klinik am Zürichsee.<br />
Dort kam es zu den entscheidenden<br />
Weichenstellungen für Ihr heutiges Leben.<br />
Was geschah?<br />
Ich konnte in diesem Umfeld, mit diesen<br />
Patientinnen und Patienten, erstmals<br />
über die wichtigen Sachen im Leben reden<br />
– in ihrem Leben – und einen tieferen persönlichen<br />
Kontakt zu ihnen aufbauen. Ich<br />
lernte zudem neue Arbeitsweisen kennen.<br />
Meinen neuen beruflichen Alltag erlebte<br />
ich als bunt, reichhaltig, faszinierend und<br />
vor allem anders gestaltet: nicht arbeiten<br />
rund um die Uhr, sondern strukturierter,<br />
mit geplanter Freizeit.<br />
Trotzdem hatte der 27-Jährige das Gefühl,<br />
dass etwas fehlte. Jetzt einfach so ganz<br />
in die Psychiatrie wechseln und dort gleich<br />
weitermachen ..? «Das fühlte sich für mich<br />
nicht komplett an.» Er sei ein offener Typ,<br />
habe immer wieder Lust auf Neues. «Ich<br />
wollte einfach noch etwas ganz anderes machen.»<br />
Nur was? Die zufällige Bemerkung<br />
eines Pflegers im Sanatorium und das anschliessende<br />
Gespräch brachten ihm die<br />
Erleuchtung.<br />
Das Stichwort lautet Flight-Attendant …<br />
Ja, dieser Pfleger hat das gemacht und davon<br />
geschwärmt. Ich wechselte zwar von<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 11
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Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Kilchberg dann noch wie geplant ins Limmattalspital,<br />
um möglichst viel zu lernen.<br />
Allerdings nur für ein Jahr statt wie vereinbart<br />
für zwei. Nach der Kündigung bin<br />
ich gleich zur Swiss gegangen, für eine einbis<br />
zweijährige Auszeit, um anschliessend<br />
in die Psychiatrie zurückzukehren.<br />
«Über den Wolken<br />
Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein<br />
Alle Ängste, alle Sorgen<br />
Sagt man<br />
Blieben darunter verborgen<br />
Und dann<br />
Würde was uns gross und wichtig erscheint<br />
Plötzlich nichtig und klein»<br />
War es so, wie es Reinhard Meys<br />
Lied beschreibt?<br />
In der Fliegerei ist tatsächlich fast alles anders<br />
als am Boden und in den meisten<br />
anderen Berufen. Meine Welt über den<br />
Wolken fühlte sich sehr leicht an, frisch,<br />
voll positiver Energie. Service und Lebensqualität<br />
stehen im Vordergrund. Im<br />
Unterschied dazu ist die Psychiatrie ein<br />
teilweise schweres Gebiet, geprägt von<br />
Schmerz und Leid.<br />
Gemeinsamkeiten?<br />
Gibt es ebenfalls. In beiden Bereichen geht<br />
es um den Menschen und es geht sehr<br />
menschlich zu. Man braucht in der Psychiatrie<br />
wie als Flight-Attendant Sozialkompetenz<br />
und muss belastbar sein.<br />
Haben Sie die andere Welt, die Medizin,<br />
nicht vermisst?<br />
Zunächst keine Sekunde. Wie im Sanatorium<br />
Kilchberg habe ich jedoch nach einiger<br />
Zeit begonnen, über meine Zukunft<br />
nachzudenken. Die Freude am Fliegen<br />
liess in den insgesamt fast zwei Jahren<br />
allmählich nach – ich hatte so vieles gesehen<br />
und erlebt. Zugleich wuchs die<br />
Freude auf die Rückkehr in die Medizin.<br />
Ich wollte an der Universität Zürich die<br />
Ausbildung in Psychotherapie beginnen<br />
– und erfuhr zugleich, dass die Swiss ein<br />
Freelanceprogramm startet mit der Möglichkeit,<br />
reduziert als Flight-Attendant zu<br />
arbeiten: pro Jahr jeweils insgesamt an<br />
30 Tagen.<br />
Ihre Chance, die beiden Leidenschaften<br />
unter einen Hut zu bringen?<br />
So war es. 2015 konnte ich berufsbegleitend<br />
die Psychotherapieausbildung in Angriff<br />
nehmen, bei der ipw die Weiterbildung<br />
in Psychiatrie fortsetzen und erneut<br />
in luftige Höhen abheben.<br />
Wie haben Sie sich organisiert?<br />
Ich bin bei der ipw seit Beginn zu 100 Prozent<br />
angestellt. Für das Fliegen beziehe<br />
ich unbezahlten Urlaub.<br />
Herr Jans, der Arzt, und Christoph,<br />
der Flight-Attendant – zwei Seelen in einer<br />
Brust ..? Er sagt: «Ich bin am Boden und in<br />
der Luft dieselbe Person.» Seine Antworten<br />
kommen eloquent daher, wirken reflektiert,<br />
ergänzen und spiegeln sich – er<br />
hat sie anderen und vermutlich vor allem<br />
sich selbst wohl schon oft gegeben. Sie<br />
sprudeln denn auch rasch und entschlossen<br />
aus ihm heraus, begleitet von einer<br />
lebhaften Gestik. Die Hand mit dem Kugelschreiber<br />
unterstreicht sie, der Körper<br />
rutscht auf dem Stuhl hin und her. Er will<br />
die Sachen in seinem Leben bewegen – und<br />
sie bewegen ihn.<br />
Wie verbinden Sie Ihre Berufswelten<br />
für sich selber, als Mensch?<br />
Es sind zwei verschiedene Rollen. Manchmal<br />
ist es eine Herausforderung, von der<br />
einen in die andere zu schlüpfen, dann<br />
aber auch wieder ein Spiel und schön. Immer<br />
aber ist es eine Selbsterfahrung, die<br />
mir hilft, mich in andere Personen einzufühlen<br />
– etwas Wichtiges für den Umgang<br />
mit den Patientinnen und Patienten in der<br />
Psychiatrie. Ich freue mich jetzt immer auf<br />
die Fliegerei, genauso wie auf die Rückkehr<br />
zur ipw. Dort arbeite ich derzeit zu<br />
80 Prozent als stellvertretender Oberarzt<br />
für die Tagesklinik und zu 20 Prozent für<br />
unser Ambulatorium.<br />
Sie sind mittlerweile über vier Jahre bei<br />
der ipw. Immer noch zufrieden?<br />
Ich schätze meine Arbeitgeberin sehr,<br />
nicht nur weil sie mir meine Nebentätigkeit<br />
ermöglicht. Klar, die Flut an Administration<br />
schwappt längst auch zu uns in der<br />
Psychiatrie über. Besonders zu uns, weil<br />
wir mit unseren zahlreichen Berichten,<br />
Gutachten usw. eventuell sogar die anspruchsvollsten<br />
Dokumentationspflichten<br />
unter den medizinischen Fachgebieten<br />
haben. Man muss heute alles<br />
nachweisen, was man tut, jedes Telefonat,<br />
jedes Detail. Manchmal reicht die 50-Stunden-Woche<br />
dafür nicht. Doch wir können<br />
die Überzeiten kompensieren. Im Ganzen<br />
stimmt die Rechnung.<br />
Also keine Wechselgelüste?<br />
Nein, denn ich darf Ideen einbringen, die<br />
auch umgesetzt werden, und bin als junger<br />
Arzt nicht einfach eine Arbeitsameise.<br />
Der Nachwuchs wird z.B. auch mit einem<br />
Mentoringsystem gefördert, und aktuell<br />
kann ich – wieder berufsbegleitend –<br />
meine Kenntnisse in der emotionsfokussierten<br />
Psychotherapie vertiefen. Auf Anfang<br />
2020 setze ich meinen Weg im<br />
Traumabereich fort, als Assistenzarzt auf<br />
der Station und im Ambulatorium für<br />
Traumafolgestörungen in der ipw-Klinik<br />
Schlosstal in Wülflingen. Fliegen tue ich<br />
dabei natürlich weiter.<br />
Bleiben wir bei der Weiterbildung.<br />
Wenn Sie als baldiger Facharzt zurückblicken:<br />
Wo besteht Handlungsbedarf?<br />
Man könnte die mit sechs Jahren lange<br />
Weiterbildungszeit in der Psychiatrie vielleicht<br />
etwas verschlanken – und ganz sicher<br />
den Transfer zwischen Studium und<br />
Praxis verbessern, damit man dort nicht<br />
völlig aufgeschmissen ist. Ich selber würde<br />
mich im Rückblick etwas stringenter organisieren,<br />
um schneller ans Ziel zu kommen.<br />
Was natürlich voraussetzt, dass man<br />
weiss, was man will … Und man sollte selber<br />
mutig sein und von den Arbeitgebern<br />
einfordern, was man braucht, verbunden<br />
mit einer sorgfältigen Stellenauswahl. Das<br />
Wichtigste dabei: sich von seinem Herzen<br />
leiten lassen. Das weist einem die richtige<br />
Richtung.<br />
Womit wir beim Schlusssatz wären.<br />
Bitte formulieren Sie ihn zu Ende: «Ich<br />
als Assistenzarzt …»<br />
… sehe mich in erster Linie als Mensch –<br />
und nicht als Arzt.<br />
«Ich als Assistenzarzt»<br />
In seiner neuen Serie lässt das<br />
«<strong>VSAO</strong>-Journal» Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte zu Wort kommen – frühere<br />
wie heutige, mit verschiedenen Biografien<br />
und aus allen Teilen der<br />
Schweiz. Die Artikel sollen ein vielschichtiges,<br />
weil persönliches Bild der<br />
Weiterbildung und beruflichen Laufbahnen<br />
zeichnen. Bereits erschienen:<br />
Dina-Maria Jakob (<strong>Nr</strong>. 5/2018), Lisa<br />
Bircher (<strong>Nr</strong>. 1/<strong>2019</strong>) und Jürg Schlup<br />
(<strong>Nr</strong>. 3/<strong>2019</strong>). Sind Sie interessiert<br />
mitzumachen? Dann schreiben Sie<br />
bitte an marti@vsao.ch.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 13
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Lesen lernen<br />
Klassische und<br />
Bayes’sche Statistik<br />
Wie in einem früheren<br />
Beitrag besprochen,<br />
verwenden wir die<br />
schlies sende Statistik,<br />
um aus einer Stichprobe auf die Gesamtheit<br />
zu schliessen. Dabei gibt es zwei<br />
vorherrschende Lehren: die klassische<br />
(frequentistische) Statistik und die<br />
Bayes-Statistik.<br />
Die klassische schliessende<br />
Statistik ist uns allen geläufig: Wir<br />
sammeln im Rahmen einer Studie Daten<br />
und brauchen diese dann zum Schätzen<br />
von Parametern und zum Testen von<br />
Hypothesen. Die Antwort zur Forschungsfrage<br />
beruht allein auf den<br />
gesammelten Daten.<br />
Die Bayes-Statistik berücksichtigt<br />
zusätzlich, was wir bereits über das<br />
Problem wissen. Sie beginnt mit einer<br />
A-priori-Annahme zur Antwort auf die<br />
Forschungsfrage, beruhend auf dem<br />
bestehenden Wissen zu der Forschungsfrage.<br />
Diese A-priori-Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />
(auch Prior genannt) wird<br />
dann mit den Ergebnissen aus den neuen<br />
Daten kombiniert, woraus eine neue<br />
Erkenntnis (A-posteriori-Wahrscheinlichkeitsverteilung)<br />
resultiert. In der Bayes-Statistik<br />
wird also gefragt, um wie viel<br />
das vorbestehende Wissen durch die<br />
Ergebnisse der neuen Studie verändert<br />
wurde.<br />
Ein wichtiger Unterschied der beiden<br />
Lehren ist deren unterschiedliche<br />
Meinungen, was Wahrscheinlichkeit<br />
bedeutet. In der klassischen Statistik ist<br />
sie das (objektive) Ergebnis der Studie,<br />
dargestellt mit p-Werten und Konfidenzintervallen.<br />
In der Bayes’schen Statistik<br />
drückt Wahrscheinlichkeit eine allgemeiner<br />
verstandene Plausibilität aus, also<br />
eine (subjektive) Interpretation des<br />
A-priori- und A-posteriori-Wissens.<br />
Die Bayes’schen Verfahren sind<br />
attraktiv, aber oft rechnerisch aufwändig.<br />
Dies ist ein Grund, weshalb diese Methoden<br />
erst in den letzten Jahrzehnten<br />
vermehrt Einzug in die medizinische<br />
Forschung gehalten haben.<br />
Lukas Staub,<br />
klinischer Epidemiologe,<br />
Redaktionsmitglied<br />
des<br />
<strong>VSAO</strong>-Journals<br />
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14<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Your career starts here.<br />
Samstag, 2. November <strong>2019</strong><br />
Stade de Suisse, Bern<br />
Samedi, le 2 novembre <strong>2019</strong><br />
Stade de Suisse, Berne
8.45 – 9.15<br />
10.10 – 10.40<br />
11.25 – 11.45<br />
Begrüssung<br />
Dr. med. Anja Zyska Cherix<br />
Präsidentin <strong>VSAO</strong><br />
Tagesmoderation<br />
– Daniel Lüthi<br />
Journalist/<br />
Kommunikationsspezialist<br />
– Dr. med. Anja Zyska Cherix<br />
Präsidentin <strong>VSAO</strong><br />
DE<br />
9.15 – 9.20<br />
DE<br />
Ouverture du congrès<br />
Dr méd. Anja Zyska Cherix<br />
Présidente ASMAC<br />
Animation<br />
– Daniel Lüthi<br />
Journaliste/spécialiste<br />
de la communication<br />
– Dr méd. Anja Zyska Cherix<br />
Présidente ASMAC<br />
FR<br />
VORSTELLUNG<br />
FACHGESELLSCHAFTEN<br />
SGVC – Schweizerische<br />
Gesellschaft für<br />
Viszeralchirurgie<br />
Prof. Guido Beldi<br />
Leitender Arzt<br />
Universitätsklinik für Viszerale<br />
Chirurgie und Medizin<br />
Inselspital<br />
SGSM – Schweizerische<br />
Gesellschaft für<br />
Sportmedizin<br />
(Students & Junior<br />
Doctors SGSM/SSMS)<br />
Dr. med. German E. Clénin<br />
Präsident SGSM/SSMS<br />
Justin Carrard<br />
Präsident der SGSM/SSMS-<br />
Sektion «Students & Junior<br />
Doctors SGSM/SSMS»<br />
PRÉSENTATION DE<br />
SOCIÉTÉS DE<br />
DISCI PLINE MÉDICALE<br />
SSCV – Société Suisse<br />
de Chirurgie Viscérale<br />
Prof. Guido Beldi<br />
Médecin adjoint<br />
Clinique universitaire de<br />
chirurgie et médecine<br />
viscérale, Inselspital<br />
SSMS – Société Suisse<br />
de Médecine du Sport<br />
(Students & Junior Doctors<br />
SGSM/SSMS)<br />
Dr méd. German E. Clénin<br />
Président SGSM/SSMS<br />
Justin Carrard<br />
Président de la section<br />
SGSM/SSMS<br />
«Students & Junior Doctors<br />
SGSM/SSMS»<br />
Arbeitsplatz Universitäts-<br />
spital<br />
Prof. Dr. Hildegard Tanner<br />
Leitende Ärztin Rhythmologie<br />
und Elektrophysiologie,<br />
Universitätsklinik für<br />
Kardiologie, Inselspital,<br />
Universitätsspital Bern<br />
11.45 – 12.05<br />
PRAXIS?? – yes we can!!!<br />
Dr. med. Kristina Dumont<br />
FMH Pädiatrie<br />
Kinderarztpraxis Münsingen<br />
9.20 – 9.40<br />
<strong>VSAO</strong>-Themen in der<br />
Politik<br />
lic. phil. hist. Marcel Marti<br />
Stv. Geschäftsführer <strong>VSAO</strong>/<br />
Leiter Politik und Kommunikation<br />
<strong>VSAO</strong><br />
Thèmes politiques<br />
de l’ASMAC<br />
lic. phil. hist. Marcel Marti<br />
Directeur adjoint de l’ASMAC/<br />
responsable politique et<br />
communication de l’ASMAC<br />
SGNOR – Schweizerische<br />
Gesellschaft für<br />
Notfall- und Rettungsmedizin<br />
Prof. Dr. med. Aristomenis<br />
Exadaktylos<br />
Co-Präsident Klinische<br />
Notfallmedizin SGNOR<br />
SSMUS – Société<br />
Suisse de Médecine<br />
d’Urgence et de<br />
Sauvetage<br />
Prof. Dr méd. Aristomenis<br />
Exadaktylos<br />
Co-président médecine d’urgence<br />
hospitalière SSMUS<br />
Fragerunde/Diskussion<br />
DE<br />
12.05 – 12.15<br />
Nationalrat Angelo Barrile<br />
Co-Vizepräsident <strong>VSAO</strong><br />
DE<br />
Angelo Barrile, conseiller<br />
national<br />
Co-vice-président de l’ASMAC<br />
FR<br />
SGH – Schweizerische<br />
Gesellschaft für Handchirurgie<br />
PD Dr. med. Philipp<br />
Honigmann<br />
Leitender Arzt<br />
Handchirurgie Kantonsspital<br />
Baselland<br />
SSCM – Société Suisse<br />
de Chirurgie de la Main<br />
PD Dr méd. Philipp<br />
Honigmann<br />
Médecin adjoint<br />
Chirurgie de la main,<br />
hôpital cantonal de Bâle-<br />
Campagne<br />
9.40 – 10.00<br />
DE<br />
Auf dem Weg zum<br />
Facharzttitel: Topics,<br />
Tipps und e-Tools<br />
Christoph Hänggeli<br />
Geschäftsführer SIWF/FMH<br />
Rechtsanwalt, MPA unibe<br />
DE<br />
En route vers le titre de<br />
médecin spécialiste :<br />
sujets, conseils et<br />
outils électroniques<br />
Christoph Hänggeli<br />
Directeur de l’ISFM/FMH<br />
Avocat, MPA Université<br />
de Berne<br />
FR<br />
10.40 – 11.25<br />
FR<br />
10.00 – 10.10<br />
Fragerunde/Diskussion<br />
DE<br />
Questions/discussion<br />
FR<br />
Laufbahnplanung<br />
Gesundheitspolitik<br />
Arbeitsplatz Ausland<br />
Arbeitsplatz Praxis<br />
Arbeitsplatz Klinik
Sky Lounge 3<br />
11.25 – 11.45<br />
14.00 – 14.20<br />
14.20 – 14.40<br />
14.40 – 15.00<br />
Pratique privée ou hospitalière ?<br />
Comment et quand choisir<br />
Dr méd. Sonja Papa<br />
Cheffe de clinique du service de<br />
médecine de premier recours<br />
11.45 – 12.05<br />
Réunir les libertés d’un cabinet<br />
avec les possibilités d’un centre<br />
hospitalier<br />
Dr méd. Konstantin Burgmann<br />
Höchstarbeitszeiten –<br />
Schutz oder Schikane?<br />
Zwei Ärzte – zwei<br />
Meinungen<br />
Dr. med. Matthias<br />
von Allmen<br />
Assistenzarzt im 5. Jahr,<br />
Chirurgie, Lindenhofspital<br />
Dr. med. Dominic Bertschi<br />
Universitäre Altersmedizin<br />
Felix Platter, Basel<br />
DE<br />
Durée maximale du<br />
travail – protection ou<br />
tracasserie ? Deux médecins<br />
– deux opinions<br />
Dr méd. Matthias<br />
von Allmen<br />
Médecin-assistant de<br />
5 ème année, chirurgie,<br />
Lindenhofspital<br />
Notärztin auf dem Helikopter:<br />
Der Grat zwischen<br />
der Routine und<br />
den Herausforderungen<br />
im Gelände<br />
Dr. med. Andrea Kyburz<br />
Leitende Ärztin Rega<br />
Regacenter, Zürich<br />
Flughafen<br />
Médecin urgentiste<br />
sur hélicoptère : un<br />
exercice d’équilibriste<br />
entre routine et défis<br />
sur le terrain<br />
Dr méd. Andrea Kyburz<br />
Médecin adjointe Rega<br />
Regacenter, Aéroport de<br />
Zurich<br />
FR<br />
DE<br />
Als Arzt auf humanitärem<br />
Einsatz: Ein Erfahrungsbericht<br />
von Médecins<br />
Sans Frontières<br />
Dr. med. Graziano<br />
Uccheddu<br />
Médecin en mission<br />
humanitaire : un compterendu<br />
de Médecins<br />
Sans Frontières<br />
Dr méd. Graziano<br />
Uccheddu<br />
FR<br />
DE<br />
15.00 – 15.10<br />
12.05 – 12.15<br />
Questions/discussion<br />
Dr méd. Dominic Bertschi<br />
Gériatrie universitaire<br />
Felix Platter, Bâle<br />
Fragerunde/Diskussion<br />
DE<br />
FR<br />
FR<br />
Questions/discussion<br />
FR<br />
12.15 – 14.00<br />
15.10 – 15.20<br />
13.00 –13.20<br />
LUNCH-REFERAT<br />
HFR – Freiburger Spital<br />
WETTBEWERB<br />
Verlosung<br />
CONCOURS<br />
Tirage<br />
Planning de carrière<br />
Politique de la santé<br />
Travailler à l’étranger<br />
Travailler en cabinet<br />
Travailler à l’hôpital<br />
Die Akutmedizin –<br />
Eine multidisziplinäre<br />
Betreuung<br />
Infos Seite 19<br />
DE<br />
EXPOSÉ-LUNCH<br />
HFR – Hôpital<br />
fribourgeois<br />
La médecine aiguë –<br />
Une prise en charge<br />
multi disciplinaire<br />
Voir aussi page 19<br />
FR<br />
13.25 –13.45<br />
LUNCH-REFERAT<br />
HUG – Hôpitaux<br />
Universitaires de Genève<br />
Der Titel wird noch bekannt<br />
gegeben.<br />
DE<br />
EXPOSÉ-LUNCH<br />
HUG – Hôpitaux<br />
Universitaires de Genève<br />
Le titre sera encore<br />
annoncé.<br />
FR<br />
15.20 – 16.00<br />
NETWORKING-APÉRO<br />
Die Ausstellung<br />
ist noch offen.<br />
NETWORKING-APÉRO<br />
L’exposition est<br />
encore ouverte.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 17
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<strong>VSAO</strong><br />
Neues aus<br />
den Sektionen<br />
Bern<br />
Was meint Susanne Ernst zu<br />
Teilzeitarbeit?<br />
Susanne Ernst ist stellvertretende<br />
Chefärztin der medizinischen Klinik am<br />
Kantonsspital Olten und Leiterin der<br />
Notfallstation. Als Mutter von drei<br />
Kindern arbeitet sie seit vielen Jahren in<br />
Teilzeit – so auch in ihrer aktuellen<br />
Kaderposition. Als Verantwortliche der<br />
Notfallstation sind für sie die unterschiedlichsten<br />
Pensen ihrer Mitarbeitenden<br />
eine Selbstverständlichkeit. An<br />
unserem Teilzeitanlass im Raiffeisenforum<br />
Bern hat sie nicht nur ein spannendes<br />
Referat gehalten, sondern sich auch<br />
den Fragen aus dem Publikum gestellt.<br />
Wir haben im letzten «<strong>VSAO</strong>-Journal»<br />
bereits davon berichtet und kommen nun<br />
ausführlich darauf zurück.<br />
Einführend hat die Rednerin die<br />
ketzerische, aber berechtigte Frage<br />
aufgeworfen, warum denn bei 144 Stunden<br />
möglicher Arbeitszeit pro Woche<br />
50 Stunden die notwendige und richtige<br />
Arbeitszeit sein sollen. Auch mit 50 Stunden<br />
pro Woche könne man lediglich<br />
einen Drittel der Zeit abdecken – also<br />
könnten es genauso gut auch weniger<br />
sein. Diese Betrachtungsweise verdeutlicht,<br />
dass die im Klinikalltag herrschenden<br />
Systeme durchaus kritisch und mit<br />
der notwendigen Kreativität angeschaut<br />
werden sollten. Es braucht in den Spitälern<br />
hinsichtlich der Präsenzzeiten einen<br />
Kulturwandel, um die Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie zu verbessern.<br />
Wunschpensum – «dabei ist fast alles<br />
möglich». Während der Weiterbildungszeit<br />
gelte jedoch aus organisatorischen<br />
Gründen ein Minimum von 50 Prozent.<br />
Die Referentin beschrieb ihre Teilzeitmitarbeitenden<br />
als ausgesprochen loyal und<br />
motiviert und widerlegte damit das<br />
gängige Vorurteil, diese seien nicht<br />
arbeitswillig oder weniger engagiert.<br />
Laut Susanne Ernst erhöhen Teilzeitpensen<br />
die Komplexität der Planung. «Im<br />
Schichtbetrieb einer Notfallstation ist<br />
Teilzeitarbeit aber problemlos umsetzbar,<br />
unter der Voraussetzung, dass alle<br />
Mitarbeitenden alle Schichten gleichermassen<br />
abdecken.» Durch die zusätzlichen<br />
Mitarbeitenden steige der Führungs-<br />
und Administrationsaufwand.<br />
Aber Susanne Ernst betont, dass Teilzeitmitarbeitende<br />
insgesamt die Flexibilität<br />
des Betriebs verbessern und der Zusatzaufwand<br />
durch die Vorteile mehr als<br />
wettgemacht wird. Falle jemand aus, sei<br />
die Lücke im Dienstplan kleiner und es<br />
werde leichter ein kurzfristiger Ersatz<br />
gefunden.<br />
Bild: zvg<br />
Faul und desinteressiert?<br />
Susanne Ernst fragt bei Bewerbungsgesprächen<br />
grundsätzlich nach dem<br />
Teilzeitarbeit in einem stationären Betrieb? Mit der nötigen Kreativität ist das möglich.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 19
Ihre Bedürfnisse<br />
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Dienstleistungen des <strong>VSAO</strong><br />
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Den wichtigsten Beitrag können<br />
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• Wie bringe ich Familie, Freizeit<br />
und Beruf unter einen Hut?<br />
• Wie steige ich nach der Babypause<br />
wieder ein?<br />
• Wie meistere ich die täglichen<br />
Herausforderungen?<br />
Antworten und Lösungsvorschläge auf diese<br />
und weitere Fragen bietet der <strong>VSAO</strong> seinen<br />
Mitgliedern im Rahmen eines kostenlosen<br />
Coachings an. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />
durch die Fachstelle UND.<br />
044 462 71 23<br />
info@und-online.ch<br />
www.vsao.ch/beratung
<strong>VSAO</strong><br />
Karten offenlegen<br />
Wie bewirbt man sich für eine Teilzeitstelle?<br />
Eine Frage, die das junge Publikum<br />
beschäftigte und zu einer regen Diskussion<br />
führte. Susanne Ernst ist klar der<br />
Meinung, dass bei der Bewerbung die<br />
Karten offengelegt werden sollten. «Das<br />
schafft von Beginn weg Klarheit und<br />
Vertrauen.» Eine Teilnehmerin entgegnete,<br />
dass sie gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch<br />
eingeladen wird, wenn sie<br />
bereits im Bewerbungsschreiben nach<br />
einer Teilzeitstelle fragt. Ein in der Tat<br />
ungelöstes Dilemma: Nach wie vor gibt es<br />
viel zu wenig Kliniken, die bereits auf<br />
Assistenzarztebene Teilzeitstellen<br />
anbieten.<br />
Wie kann Teilzeitarbeit in einem<br />
stationären Betrieb umgesetzt werden?<br />
«Mit der nötigen Kreativität ist das<br />
möglich», sagte Susanne Ernst. Auch bei<br />
50 von 144 Stunden seien wir weit weg<br />
von der gerne propagierten Kontinuität.<br />
Also müssten vor allem die Schnittstellen<br />
und Übergaben verbessert werden. Und<br />
vielleicht würden wir uns auch irgendwann<br />
von den klassischen Wochentagen<br />
mit Wochenendunterbruch verabschieden<br />
müssen.<br />
Es ist noch ein weiter Weg. Aber<br />
Menschen wie Susanne Ernst machen<br />
Mut und lassen hoffen, dass Teilzeitarbeit<br />
irgendwann auch in den Spitälern zu<br />
einer Selbstverständlichkeit wird.<br />
Nora Bienz,<br />
Präsidentin <strong>VSAO</strong> Bern<br />
Zürich /<br />
Schaffhausen<br />
Wieso ein Elternzeitmodell?<br />
Im Parlament wurde um mehr Vaterschaftsurlaub<br />
gestritten. <strong>VSAO</strong> Schweiz<br />
und <strong>VSAO</strong> ZÜRICH haben sich für die<br />
vier Wochen gemäss Initiative ausgesprochen.<br />
Der parlamentarische Kompromiss<br />
sieht jetzt nur zwei Wochen vor. Damit<br />
bleibt die Schweiz gegenüber den umliegenden<br />
Ländern komplett rückständig.<br />
Solange der Mutterschaftsurlaub<br />
länger dauert als der Vaterschaftsurlaub,<br />
bleiben hergebrachte Rollenverteilungen<br />
zementiert. Auch vier Wochen Vaterschaftsurlaub<br />
könnten diese nicht aufbrechen.<br />
Die Voten der Ärztinnen zum<br />
Frauenstreik haben ein entsprechendes<br />
Resultat gezeigt: Nur ein Elternzeitmodell<br />
kann nachhaltig zur Gleichstellung<br />
von Ärztin und Arzt beitragen. Es muss<br />
für die Arbeitgeber eine Blackbox sein, ob<br />
Frau oder Mann eingestellt wird. D.h. das<br />
Risiko, dass eine Ärztin oder ein Arzt<br />
einmal für ein paar Wochen ausfallen<br />
könnte, muss gleich hoch sein.<br />
Ein solches Modell würde die<br />
Erwerbsquote der Frauen erhöhen, dem<br />
Ärztemangel und der Diskriminierung<br />
der Ärztinnen bei Lohn und Aufstiegsmöglichkeiten<br />
entgegenwirken. Dazu<br />
braucht es einen Kulturwandel – bei<br />
Müttern und Vätern, Vorgesetzten,<br />
Arbeitgebern, Kolleginnen und Kollegen.<br />
Profitieren würden alle davon, nicht<br />
zuletzt die Kinder, wenn Arbeit und<br />
Verantwortung gleichmässig geteilt wird<br />
und Rollen und Vorbilder austauschbar<br />
werden. Auf docdoc läuft unter den<br />
Mitgliedern eine Umfrage und Diskussion<br />
zum Elternzeitmodell – bringe auch Du<br />
Deine Meinung ein!<br />
Sollte in der Zwischenzeit gar die<br />
Elternzeitinitiative lanciert werden, so<br />
braucht diese eine breite Allianz über alle<br />
Parteien hinweg. Mithin ist es auch an<br />
der Ärzteschaft, Farbe für dieses Anliegen<br />
zu bekennen und sich aktiv für eine<br />
entsprechende Initiative einzubringen –<br />
lasst uns die Politik aktiv mitgestalten!<br />
Gesucht werden:<br />
Schreibfreudige Mitglieder für<br />
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und Arztberuf konnten wir gewinnen:<br />
• Frau Dr. S. Kisker<br />
(Gründerin doppledoc)<br />
• Herrn Prof. Dr. T. Fehr<br />
(ärztlicher Direktor Kantonsspital<br />
Graubünden)<br />
• Frau Prof. K. Landau<br />
(Weiterbildungsverantwortliche<br />
und Gleichstellungsbeauftragte<br />
USZ)<br />
• Herrn Prof. Dr. med.<br />
S. Breitenstein<br />
(Direktor Departement Chirurgie<br />
KSW)<br />
Auch Dein Diskussionsbeitrag<br />
ist uns sehr wichtig, es darf auch eine<br />
kritische Stimme sein!<br />
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unserer Website an: www.vsao-zh.ch.<br />
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<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 21
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5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Fokus<br />
Der gläserne<br />
Mensch –<br />
eine Utopie?<br />
Die Gedanken sind frei, aber sind sie auch privat? Was geben wir freiwillig<br />
preis und was ohne unser Wissen? Der Physiker und Unternehmer<br />
Dr. Lars Jaeger über das Kommunikationsverhalten im digitalen Zeitalter.<br />
Das Interview mit Dr. Lars Jaeger führte Erica Monti, Senior Public Relations Manager,<br />
Reichle & De-Massari AG, im Rahmen einer CAS-Weiterbildung.<br />
«Komplette Transparenz bis hin zu den Gedanken» – damit dies nicht geschieht, braucht es Gesetze und einen bewussteren<br />
Umgang mit den sozialen Medien.<br />
Bild: ® Adobe<br />
Lars Jaeger, Eingriffe in die<br />
Genetik und die Künstliche<br />
Intelligenz (KI) definieren<br />
menschliches Leben neu. Unser<br />
Alltag verändert sich radikal. Wie<br />
wirkt sich das auf das Kommunikationsverhalten<br />
der Menschen aus?<br />
Ein Blick auf das Kommunikationsverhalten<br />
unserer Teenager genügt eigentlich<br />
schon um festzustellen, dass sich bereits<br />
vieles dramatisch verändert hat, insbesondere<br />
durch das Internet und die sozialen<br />
Medien. Und das wird wohl so weitergehen.<br />
Künftig werden wir noch schneller,<br />
noch mehr und vor allem kostenlos mit<br />
allen kommunizieren. Es werden weitere<br />
neue Kommunikationsplattformen entstehen.<br />
Nebst den bestehenden, die unser<br />
Leben schon ziemlich prägen, wird es Kanäle<br />
geben, auf denen man noch mehr private<br />
Dinge freiwillig der Öffentlichkeit<br />
preisgibt.<br />
Der Umgang mit der Privatsphäre verändert<br />
sich zunehmend – bewusst, aber auch<br />
unbewusst. Mit den Daten, die wir preisgeben,<br />
wird zudem immer professioneller<br />
gearbeitet. Sie werden benutzt, verarbeitet<br />
und kommen zu uns zurück. Immer bessere<br />
Algorithmen arbeiten im Hintergrund<br />
und versuchen, unser Handeln und Denken<br />
zu beeinflussen. Durch diese Transparenz<br />
ermöglichen wir grossen Plattformund<br />
Datenprovidern wie Facebook & Co.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 23
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Fokus<br />
immer mehr über uns, unsere Vorlieben,<br />
Charaktereigenschaften und unsere innersten<br />
Regungen zu erfahren. Damit erhalten<br />
diese mehr und mehr Macht und die<br />
Gesellschaft wird zunehmend gläserner.<br />
Es ist heute z.B. möglich, mithilfe von<br />
Künstlicher Intelligenz (KI) ein mehr oder<br />
weniger komplettes Psychogramm eines<br />
Menschen nur auf der Basis der Stimme zu<br />
erhalten. Nach einer Viertelstunde Gespräch,<br />
dessen Aufnahme einer KI übergeben<br />
wird, kann diese ein sehr akkurates Bild<br />
zu Charaktereigenschaften und Motivation<br />
ermitteln. Vor dreissig Jahren hielt es niemand<br />
für möglich, dass die Stimme überhaupt<br />
Information über unsere Persönlichkeit<br />
enthält. Das galt so umstritten wie die<br />
Phrenologie, die Auffassung, dass man das<br />
Wesen eines Menschen an dessen Kopfform<br />
ablesen könne. Heute benutzen dies Firmen,<br />
um z.B. Bewerber zu analysieren. Telefonieren<br />
Sie mal eine Viertelstunde mit<br />
WhatsApp, und schon weiss Facebook, wer<br />
Sie sind. Der heutige Chairman und damalige<br />
CEO von Google, Eric Schmidt, sagte<br />
schon 2009: «Wenn es Dinge gibt, von denen<br />
Sie nicht wollen, dass irgendjemand<br />
etwas darüber erfährt, dann sollten Sie diese<br />
nicht tun.» Schöne neue Welt!<br />
Man kann das unter dem Stichwort<br />
«komplette Transparenz bis hin zu den Gedanken»<br />
zusammenfassen. Künftig wird<br />
noch viel mehr durch KI analysiert werden<br />
als Stimmen und Ausdrucksweisen.<br />
Was kann man tun, um die Gesellschaft<br />
vermehrt zu sensibilisieren, Stichwort<br />
Bildung?<br />
Natürlich muss eine vermehrte Sensibilisierung<br />
stattfinden und man muss früh<br />
damit beginnen. Der Technologiewandel<br />
läuft und wir hinken immer hinterher.<br />
Wachsam, aufmerksam und kritisch zu<br />
sein, und zwar immer und überall, das ist<br />
die Botschaft. Der naive Umgang mit sozialen<br />
Medien muss ein Thema sein. Jeder<br />
kann in seinem Umfeld sensibilisieren –<br />
ich denke da an Eltern, Schulen, Lehrpersonen,<br />
Unternehmer, Politiker, Wissenschaftler<br />
und natürlich an die Medien.<br />
Die meisten Bildungssysteme in Europa,<br />
aber auch in den USA, stammen aus<br />
dem 19. Jahrhundert, werden von Lehrpersonen<br />
unterrichtet, die aus dem 20. Jahrhundert<br />
stammen und sollen die Schüler<br />
für das 21. Jahrhundert fit machen. Das ist<br />
natürlich keine einfache Aufgabe und ich<br />
habe auch kein Patentrezept dafür.<br />
Wie werden wir in 20 Jahren kommunizieren?<br />
Möglicherweise direkt von Gehirn zu Gehirn.<br />
Ich kann mir durchaus vorstellen,<br />
dass irgendein technisches Instrument<br />
meine Gedanken erkennt, denn Gedanken<br />
sind messbar, weil sie ein Resultat von<br />
komplexen Gehirnströmen sind. Auf sehr<br />
rudimentäre Art und Weise ist das bereits<br />
heute schon möglich.<br />
Also unbedingt wachsam sein, hinterfragen,<br />
sensibilisieren und Rahmenbedingungen<br />
setzen?<br />
Auf jeden Fall. Menschen hatten schon<br />
immer Probleme, wenn neue Medien auftauchten,<br />
das war schon mit dem Radio so<br />
und später mit dem Fernseher ebenfalls.<br />
Ersteres spielte eine wichtige Rolle bei der<br />
Verbreitung der Nazi-Propaganda in<br />
Deutschland, zu Letzterem schrieb schon<br />
1985 der amerikanische Philosoph Neil<br />
Postman «Wir amüsieren uns zu Tode».<br />
Heute beschleunigt sich die mediale Entwicklung<br />
noch einmal. Ich glaube aber daran,<br />
dass die Gesellschaft es schaffen<br />
kann, kritisch damit umzugehen. Natürlich<br />
verursacht die Geschwindigkeit des<br />
technologischen Wandels eine grosse Verunsicherung<br />
und die Gefahr besteht, dass<br />
die Menschen resignieren, überfordert<br />
sind und falsch damit umgehen.<br />
Wie kann man sich entspannen in diesem<br />
angespannten Kommunikationszeitalter?<br />
Es ist sehr interessant, dass gerade in Zeiten<br />
grosser Hektik, Komplexität und Aufregung<br />
eine Entwicklung stark an Popularität<br />
gewinnt, in der die Menschen nach<br />
mehr Achtsamkeit und Entspannung streben.<br />
Achtsamkeitsbasierte Stressregulationen,<br />
die mit meditativen Techniken arbeiten,<br />
und dies voll und ganz säkular,<br />
ohne religiösen Überbau, ziehen viele<br />
Menschen an. Sie versuchen, sich zurückzubesinnen<br />
auf ganz fundamentale Prinzipien:<br />
wie ihr Geist funktioniert. Vielleicht<br />
ist das das eigentliche Thema: bewusster<br />
und achtsamer zu werden!<br />
Welche Weichen müssen durch die Politik<br />
gestellt werden, damit wir uns nicht<br />
komplett in die Abhängigkeit manövrieren?<br />
Die technologischen Veränderungen passieren<br />
so schnell, dass die Politik unmöglich<br />
mitkommt. Grösstenteils verstehen<br />
die Politiker solche Dinge ja auch gar<br />
nicht. Es ist erstaunlich, wie wenig in diesen<br />
Gremien nach wie vor von modernen<br />
Technologien die Rede ist. Was es braucht,<br />
sind klare gesetzgeberische Rahmenbedingungen.<br />
In Europa gibt es dies seit 2018<br />
zumindest ansatzweise mit dem EGDPR<br />
(European General Data Protection Regulation)<br />
oder DSGVO. Es ist sehr vorbildlich,<br />
dass die Europäer sich dazu durchgerungen<br />
haben. In den USA und natürlich<br />
z.B. in China mit der allumfassenden<br />
Staatskontrolle gibt es keinerlei Datenschutz.<br />
Die Europäer sind hier in die Offensive<br />
gegangen, aber das reicht bei weitem<br />
nicht aus. Die Politiker sind stark gefordert<br />
und werden sich zukünftig noch<br />
viel intensiver mit der technologischen<br />
Entwicklung beschäftigen müssen.<br />
Wie wird es der Gesellschaft damit ergehen?<br />
Das ist kaum vorhersagbar, denn wenn wir<br />
unsere Gehirne miteinander verschalten,<br />
ist das so etwas wie eine Singularität, etwas<br />
ganz Neues, sich ganz schnell Veränderndes<br />
und Dramatisches. Da müssen<br />
wir aufpassen, dass wir uns nicht mit den<br />
Falschen verschalten und es wird umso<br />
wichtiger sein, unsere Daten nicht in falsche<br />
Hände geraten zu lassen.<br />
Zur Person<br />
Dr. Lars Jaeger (www.larsjaeger.ch) ist<br />
Wissenschaftler, Schriftsteller, Unternehmer,<br />
Finanztheoretiker und Alternative<br />
Investment Manager. Er studierte<br />
Physik und Philosophie an der<br />
Universität Bonn und an der École<br />
Polytechnique in Paris und promovierte<br />
1997 auf dem Gebiet der theoretischen<br />
Physik am Max-Planck-Institut<br />
für Physik in Dresden. Nebst seinem<br />
beruflichen Engagement in der Finanzindustrie<br />
als quantitativer Forscher<br />
schreibt er Bücher und verfasst Blogs<br />
zu Naturwissenschaft, Geschichte und<br />
Wissenschaftsphilosophie. (Bild zvg)<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 25
Fokus<br />
Durch Wände<br />
sehen ohne Magie<br />
Es tönt nach Superman: die Fähigkeit, durch eine Wand schauen zu<br />
können. Doch während Superman noch seinen Röntgenblick<br />
benötigte, arbeitet das Through Wall Sensing System mit den nach<br />
heutigem Wissensstand unschädlichen Radiowellen.<br />
Prof. Dr. Rolf Vogt, Berner Fachhochschule Technik und Informatik<br />
I<br />
n gewissen Notfallsituationen wie<br />
Feuersbrünsten und anderen Katastrophenfällen<br />
wäre es hilfreich<br />
festzustellen, ob sich hinter einer<br />
nichtüberwindbaren Mauer Personen<br />
oder Objekte befinden, um einen Anhaltspunkt<br />
über die Situation zu bekommen.<br />
Oft hat man dabei nur wenige Zugänge<br />
zur Verfügung, beispielsweise nur eine<br />
Aussenseite eines Gebäudes.<br />
Eine erfolgversprechende Möglichkeit<br />
besteht in der Verwendung von elektromagnetischen<br />
Wellen in Frequenzbereichen,<br />
welche heutzutage hauptsächlich in der<br />
drahtlosen Telekommunikation Anwendung<br />
finden. An der ETH Zürich wurde ein<br />
entsprechender Demonstrator entwickelt,<br />
und an der Berner Fachhochschule Technik<br />
und Informatik (BFH) wurde das eingesetzte<br />
Verfahren durch grundlegende Änderungen<br />
praxistauglich gemacht. Diese<br />
Weiterentwicklungen betreffen sowohl das<br />
Funktionsprinzip als auch die zur Anwendung<br />
kommende Technologie.<br />
Das TWS-System<br />
In dem hier beschriebenen System, im folgenden<br />
TWS (Through Wall Sensing) genannt,<br />
kommen Wellenlängen im Dezimeterbereich<br />
zum Einsatz; in der konkreten<br />
Realisierung der BFH ist es der Frequenzbereich<br />
um 2,4 Gigahertz (GHz), welcher<br />
z.B. auch in herkömmlichen Drahtlos-Netzwerken<br />
(WLAN) Anwendung findet.<br />
Aus dem Alltag ist bekannt, dass, falls<br />
in einem bestimmten Raum ein WLAN-Zugangspunkt<br />
installiert ist, welcher entsprechende<br />
Funksignale aussendet und<br />
empfängt, in den allermeisten Fällen auch<br />
noch in Nachbarräumen, im Privatbereich,<br />
ja sogar in Nachbarwohnungen,<br />
Empfang möglich ist. Diese Dezimeterwellen<br />
sind also in der Lage, eine oder<br />
mehre Wände zu durchdringen, wobei die<br />
dabei auftretenden Dämpfungen in der<br />
Regel so gering sind, dass das hier beschriebene<br />
Detektionsverfahren dadurch<br />
in keiner Weise beeinträchtigt wird.<br />
An der BFH wurden verschiedenste<br />
Typen von Wänden getestet, von Wänden<br />
zwischen Laborräumen über Wände in<br />
Privatwohnungen bis hin zu Wänden in<br />
Luftschutzkellern – überall konnten problemlos<br />
eine, teilweise sogar zwei hintereinanderliegende<br />
Wände durchdrungen<br />
werden.<br />
An dieser Stelle sei erwähnt, dass es<br />
sich bei diesen Dezimeterwellen – im Gegensatz<br />
zu den Röntgenstrahlen – um<br />
nichtionisierende Strahlen handelt, welche<br />
– ähnlich wie bei einer Magnetresonanztomographie<br />
– menschliches Gewebe<br />
zwar teilweise durchdringen, jedoch bei<br />
der eingesetzten Sendeleistung und nach<br />
heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand<br />
nicht schädigen können. Für das<br />
hier vorgestellte Verfahren genügen sogar<br />
äusserst geringe Sendeleistungen im Bereich<br />
von rund zehn Milliwatt – im Vergleich<br />
dazu strahlt ein gängiges Mobiltelefon<br />
im Maximum mit der zweihundertfachen<br />
Leistung.<br />
Das Messverfahren<br />
Abb. 1 zeigt eine schematische Darstellung<br />
des Funktionsprinzips. Oberhalb der<br />
Wand (in der Graphik mit «wall» bezeichnet)<br />
befindet sich die Zone, innerhalb derer<br />
man Bewegungen detektieren möchte.<br />
Auf der unteren Seite der Wand befinden<br />
sich im Abstand von wenigen bis einigen<br />
zehn Zentimetern eine Sende- und eine<br />
Empfangsantenne (Bezeichnung «T1»<br />
bzw. «receiver») und optional eine zweite<br />
Sendeantenne («T2», nur bei der ETH-Lösung<br />
notwendig), im nachfolgenden «Kalibrationsantenne»<br />
genannt.<br />
Die Sendeantenne T1 sendet nun eine<br />
elektromagnetische Welle mit sinusförmigem<br />
Verlauf gegen die Wand (gestrichelte<br />
Linie). Hier erfolgt in der Regel eine Teilreflexion<br />
(nicht eingezeichnet). Befinden<br />
sich nun ein oder mehrere Objekte bzw.<br />
Personen im Raum oberhalb der Wand, so<br />
wird der transmittierte Wellenanteil ebenfalls<br />
eine Teilreflexion an diesen Objekten<br />
erfahren. Ferner wird diese Welle an<br />
di versen anderen Punkten im Raum (teil-)<br />
reflek tiert, beispielsweise am gegenüberliegenden<br />
Ende des Raumes. Diese reflektierten<br />
Wellenanteile gelangen schlussendlich,<br />
teilweise über Mehrfachreflexionen,<br />
zur Empfangsantenne (receiver).<br />
Dort überlagern sie sich zu einem – wiederum<br />
sinusförmigen – Summensignal gleicher<br />
Frequenz, aber im Allgemeinen mit<br />
einer unterschiedlichen Amplituden- und<br />
Phasenlage, welche im nachgeschalteten<br />
Empfänger ausgewertet werden.<br />
Bilder: adobe<br />
26<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Fokus<br />
Abb. 1: TWS-Messanordnung: Die geraden Linien (mit indexierten «r» bezeichnet) stellen die Pfade<br />
der Wellen dar, welche von den Antennen (T1, optional T2) ausgesendet, reflektiert und bei der<br />
Empfangsantenne (receiver) detektiert werden.<br />
Sendeantenne<br />
Auf www.youtube.com/watch?v=EcVynxZ<br />
vHcE ist das TWS-System in Aktion zu sehen.<br />
Hochfrequenzelektronik<br />
SDR<br />
Abb. 2: Das im Rahmen eines BFH-Projektes realisierte TWS-System<br />
Empfangsantenne<br />
Für die folgenden Erläuterungen wird der<br />
einfacheren Darstellung halber angenommen,<br />
es gäbe eine Reflexion an der<br />
sich bewegenden Person (roter Punkt)<br />
und genau eine Reflexion an einem statischen<br />
Objekt. Damit gelangen zwei Signale<br />
zur Empfangsantenne. Diese haben<br />
aufgrund der unterschiedlichen Positionen<br />
der Reflexionspunkte unterschiedlich<br />
lange Wege zurückgelegt. Entsprechend<br />
haben die beiden Signale aufgrund<br />
der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />
unterschiedliche Verzögerungen und<br />
weisen damit eine bestimmte Phasenverschiebung<br />
gegeneinander auf. Je nach<br />
Phasenverschiebung j addieren sich die<br />
Signale vollständig (j = 0°), subtrahieren<br />
sich (j=180°), oder sie addieren sich teilweise.<br />
Bewegt sich nun das Objekt, ändert<br />
sich der Ort des Reflexionspunkts und damit<br />
die Umweglänge und Phasenverschiebung<br />
zwischen den beiden Reflexionssignalen,<br />
was wiederum zu einer<br />
Änderung in Amplitude und Phase des<br />
Summensignals führt, die im Empfänger<br />
ausgewertet wird.<br />
Beim ETH-Aufbau kamen konventionelle<br />
und sehr teure Messgeräte im Empfänger<br />
zur Anwendung, welche mit einer<br />
dritten Antenne (T2) ständig kalibriert<br />
werden mussten. Die Berner Fachhochschule<br />
verfolgte einen anderen Weg durch<br />
den Einsatz eines sogenannten Software-Defined-Radios<br />
(SDR). Hierbei wird<br />
sowohl das Sende- als auch das Empfangssignal<br />
digital, also rechnerisch, erzeugt<br />
bzw. verarbeitet und mit Digital-/<br />
Analog-Wandlern umgesetzt. Aufgrund<br />
der enormen Leistungsfähigkeit des SDR<br />
entfällt die Notwendigkeit der dritten Antenne<br />
und das zeitraubende Kalibrieren.<br />
Damit resultiert ein sehr kompaktes, reaktionsschnelles<br />
und kostengünstiges System.<br />
Die Flexibilität der digitalen Signalverarbeitung<br />
eröffnet zudem ein beträchtliches<br />
Entwicklungspotential in Bezug<br />
auf Performance und Funktionalität des<br />
TWS-Systems. Abb. 2 zeigt das entwickelte<br />
System:<br />
Resultate und Fazit<br />
Das entwickelte TWS-System funktioniert<br />
über eine, teilweise zwei Wände hindurch<br />
und kann bereits Bewegungen auflösen,<br />
die im Bereich von wenigen Zentimetern<br />
liegen. Diese Auflösung könnte noch verbessert<br />
werden, beispielsweise durch Verwendung<br />
von höheren Frequenzbändern.<br />
Messungen haben gezeigt, dass bis zur<br />
Messgrenze von ca. 3,5 GHz keine relevanten<br />
Zusatzdämpfungen in den betrachteten<br />
Wänden entstehen. Das System ist so<br />
kompakt, dass es problemlos in einem<br />
Rucksack transportiert werden kann.<br />
Trotz dieser Resultate ist das existierende<br />
System nur ein Prototyp, denn die gegenwärtigen<br />
Limitierungen sollen an dieser<br />
Stelle nicht unerwähnt bleiben: So können<br />
gegenwärtig aus dem Empfangssignal<br />
nur Bewegungen detektiert werden<br />
und keine statischen Objekte. Ferner können<br />
auch noch keine Rückschlüsse über<br />
die Grösse der Objekte oder die Bewegungsrichtung<br />
gewonnen werden. Dank<br />
der Flexibilität der verwendeten SDR ist<br />
es allerdings denkbar, dass durch die geeignete<br />
Wahl von komplexeren Messsignalen<br />
mehr Informationen gewonnen<br />
werden könnten und damit die erwähnten<br />
Limitierungen zumindest teilweise<br />
eliminiert werden könnten.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 27
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Lohntransparenz verbessere die Lohngleichheit zwischen Mann und<br />
Frau, behaupten die Gewerkschaften. Stimmt nicht, sagen die<br />
Arbeitgeber und verweisen unter anderem auch auf die Privatsphäre<br />
und den Datenschutz. Wir lassen beide Seiten zu Wort kommen.<br />
Am 14. Juni <strong>2019</strong> nahmen über eine halbe Million<br />
Frauen und solidarische Männer am schweizweiten<br />
Frauen*streik teil und forderten ein Ende der Geschlechterdiskriminierung<br />
in Gesellschaft und Beruf.<br />
Vor allem forderten sie Lohngleichheit, die 1981 in der Verfassung<br />
verankert wurde, aber bis heute nicht umgesetzt ist.<br />
Frauen in der Schweiz verdienen durchschnittlich fast ein Fünftel<br />
weniger als Männer. Fast die Hälfte dieses Unterschieds beruht<br />
wohl auf Diskriminierung.<br />
Bei den Ärztinnen ist die Ungerechtigkeit sogar noch grösser<br />
als im Schweizer Durchschnitt: Sie verdienen gemäss Bundesamt<br />
für Statistik durchschnittlich 27 Prozent weniger als ihre Kollegen.<br />
Der Unterschied bleibt, auch wenn Berufserfahrung, Fachgebiet<br />
und Tätigkeitssektor berücksichtigt werden.<br />
Die Differenz hat auch damit tun, dass Frauen mehr unbezahlte<br />
Care-Arbeit übernehmen als Männer und deshalb weniger<br />
Zeit in die bezahlte Arbeit investieren können. Aber Lohnunterschiede<br />
nur mit Mutterschaft und der Übernahme weiterer Betreuungsaufgaben<br />
zu erklären, greift viel zu kurz. Sie existieren<br />
schon beim Berufseinstieg, lange vor der Familiengründung, wie<br />
verschiedene Studien aufgezeigt haben.<br />
Ein Problem ist, dass man in der Schweiz nicht über Geld<br />
spricht. Geschlechtsspezifische Lohndifferenzen werden folglich<br />
häufig nicht erkannt, nicht einmal von den Betroffenen selber.<br />
Wir müssen deshalb beginnen, über Löhne zu sprechen und diese<br />
transparent offenzulegen. Arbeitgeber sollten mit gutem Beispiel<br />
vorangehen und ihre Lohnsysteme transparent gestalten. In Europa<br />
kommunizieren denn auch immer mehr Unternehmen und<br />
Verwaltungen in ihren Stellenausschreibungen die zu erwartenden<br />
Löhne. In der Schweiz publizieren beispielsweise die Verkehrsbetriebe<br />
Zürich (VBZ) in ihren Stellenausschreibungen die<br />
Lohnbandbreite und haben damit positive Erfahrungen gemacht.<br />
Transparenz bedeutet aber auch, genau hinzuschauen. Denn<br />
nicht nur die Betroffenen wissen oft nicht, dass sie weniger verdienen<br />
als ihre Kollegen, sondern auch die Unternehmen prüfen<br />
nicht, ob sie die Lohngleichheit einhalten. In einer Erhebung des<br />
Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu<br />
befürchten. Diese These ist bekannt. Sie legitimiert,<br />
dass Überwachung erlaubt und geeignet<br />
ist, illegale oder unlautere Aktivitäten aufzudecken.<br />
Zugleich werde niemand tangiert, der sich regelkonform<br />
verhält. Transparenz sei in jedem Fall gut und helfe zur Aufdeckung<br />
von Unrechtmässigkeiten. Dagegen gilt Intransparenz als<br />
schlecht. Wer sie befürwortet, habe etwas zu verbergen.<br />
Nur ist es nicht so einfach. Der Mensch hat das Recht auf seine<br />
Privatsphäre und Diskretion, auch in der Arbeitswelt. Dort darf<br />
er selber entscheiden, was über ihn bekannt wird – etwa Einkommen,<br />
Gesundheit oder familiäre Angelegenheiten. Dazu schreibt<br />
der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte:<br />
«Als Arbeitgeber hat man diese Privatsphäre zu respektieren;<br />
nicht nur, weil unser Rechtssystem das fordert, sondern auch,<br />
weil andernfalls das Arbeitsklima erheblich vergiftet wird.»<br />
Auf eine schützenswerte Privatsphäre kann sich nicht nur<br />
der Arbeitnehmer berufen, sondern auch das Unternehmen. Dabei<br />
spielen vor allem Daten und Fabrikations- oder prinzipiell<br />
Geschäftsgeheimnisse eine Rolle. Diese sensiblen Informationen<br />
sollen nicht an die Öffentlichkeit oder zur Konkurrenz gelangen.<br />
Das grosse Thema rund um Transparenz in der Arbeitswelt<br />
ist die Lohngleichheit. Es heisst, Lohntransparenz verhindere die<br />
Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz. Die Gleichstellung<br />
von Frau und Mann ist zweifelslos ein wichtiges Ziel – gesamtwirtschaftlich,<br />
aber auch gesellschaftlich. Transparenz kann die<br />
Hoffnungen, die man im Rahmen der Lohngleichheit in sie setzt,<br />
aber nicht erfüllen. Das beste Beispiel dafür ist der öffentliche<br />
Sektor, der trotz publizierter Lohnskalen unerklärte Lohnunterschiede<br />
aufweist.<br />
Es wird viel über die statistische Erhebung diskutiert, die<br />
Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in einen erklärbaren<br />
und einen unerklärbaren Teil aufteilen. Bemängelt<br />
wird, dass nur bestimmte Kriterien erfasst werden, um in der Statistik<br />
die Unterschiede zu erklären. Diesen unvollständigen Katalog<br />
an Kriterien bemängelt auch der Schweizerische Arbeitgeber-<br />
VSA/ASMAC Journal 5/19 29
Fokus<br />
Centre Patronal aus dem Jahr 2015 sind zwar 77 Prozent der befragten<br />
Unternehmen überzeugt, Frauen und Männern gleiche<br />
Löhne zu zahlen, nur 34 Prozent haben aber ihre Löhne wirklich<br />
analysiert. Lohnanalysen wären jedoch eine Voraussetzung für<br />
Lohngleichheit, denn nur wer Lohndiskriminierung erkennt,<br />
kann diese auch korrigieren: Gemäss dem eidgenössischen Büro<br />
für Gleichstellung passen die Hälfte der Unternehmen, die eine<br />
Lohnanalyse durchführen, anschliessend die Löhne an, meist zugunsten<br />
der Frauen.<br />
Das revidierte Gleichstellungsgesetz, das 2020 in Kraft treten<br />
soll und Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden zu Lohnanalysen<br />
verpflichtet, ist deshalb ein erster wichtiger Schritt in Richtung<br />
Transparenz. Ob er schon ausreicht, wird sich weisen müssen.<br />
Klar ist: Nach dem Frauen*streik vom 14. Juni kann kein Arbeitgeber<br />
mehr die Augen verschliessen, wenn es um Frauenlöhne<br />
geht.<br />
Regula Bühlmann, Zentralsekretärin für das Dossier Gleichstellung,<br />
Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB<br />
verband. Diese Kritik stammt wohlgemerkt nicht nur von den<br />
Arbeitgebern, sondern auch von namhaften Vertretern der Wissenschaft.<br />
Sie bezeichnen die Methode, mit welcher der Bund<br />
statistische Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern<br />
erhebt, als ungeeignet, um eine allfällige Diskriminierung festzustellen.<br />
Denn es werden wichtige und lohnrelevante Faktoren<br />
nicht ausreichend erfasst, und somit ein verzerrtes Bild der Realität<br />
aufgezeigt.<br />
Viele Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sind<br />
auf die unzureichende Vereinbarkeit von beruflichen und familiären<br />
Verpflichtungen zurückzuführen. Deshalb braucht es insbesondere<br />
qualitativ gute und bezahlbare Angebote der familienergänzenden<br />
Kinderbetreuung, damit Frauen mit Kindern weniger<br />
karrierehemmende Erwerbsunterbrüche in Kauf nehmen<br />
müssen.<br />
Daniella Lützelschwab Saija, lic.iur. Mitglied der Geschäftsleitung,<br />
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5/19 VSA/ASMAC Journal<br />
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Fokus<br />
Das Lachen<br />
meines Bruders<br />
Wie transparent soll eine Diagnose mit schlechter Prognose einem<br />
Patienten mitgeteilt werden? Und gibt es kulturelle Unterschiede? Ein<br />
Patentrezept gibt es nicht, aber sicher bessere und schlechtere Wege.<br />
Jean-Claude Métraux, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,<br />
Lehrbeauftragter an der Universität Lausanne<br />
Für Teuta,<br />
für alles, was Du mir damals<br />
beigebracht hast.<br />
Möge dieser Text eine Hommage sein,<br />
viele Jahre nach Deinem Tod.<br />
Vor 20 Jahren, als ich bei Appartenances<br />
1 arbeitete, rief<br />
mich das Spital an. Eine Leukämie<br />
war bei einer kosovarischen<br />
Patientin, die erst kürzlich im Kontext<br />
des Balkankrieges in die Schweiz eingereist<br />
war, diagnostiziert worden. Sie<br />
war zu ihrem Ehemann gereist, der seit<br />
vielen Jahren in unserem Land arbeitete<br />
und nur während der Ferien zu seiner<br />
Frau heimreiste. Man sagte mir, die Diagnose<br />
sei ihr mitgeteilt worden, sie zeige<br />
sich aber «nicht kooperativ» und verweigere<br />
ihre Chemotherapie. Ich habe mir<br />
dann erlaubt zu fragen: «Hatten Sie einen<br />
Dolmetscher, um ihr den Schweregrad ihrer<br />
Krankheit zu erklären?» (Zu dieser Zeit<br />
war die Anwesenheit von Dolmetschern<br />
im Spital noch eher eine Seltenheit.)<br />
«Nein», hat man mir geantwortet, «ihr<br />
Mann hat für sie übersetzt.» Als ich das<br />
hörte, kam mir das sarkastische Lachen<br />
meines Bruders in den Sinn.<br />
Mit einer Dolmetscherin, Teuta Ballabani,<br />
deren Krebserkrankung in Remission<br />
war, gingen wir am nächsten Tag in<br />
die besagte Abteilung. Das Pflegepersonal<br />
wiederholte, was mir bereits am Telefon<br />
gesagt worden war. Die Dolmetscherin<br />
informierte das Pflegepersonal, dass<br />
in ihrer Volksgruppe grösste Zurückhaltung<br />
gegenüber den Kranken bei der Mitteilung<br />
von düsteren Prognosen angebracht<br />
sei. Anschliessend unterhielten<br />
wir uns mit dem Ehemann. Die Anwesenheit<br />
seiner Landsfrau war für ihn eine<br />
grosse Erleichterung. Er gestand, dass er<br />
«… wegen unserer Gewohnheiten» nicht<br />
den Mut hatte, seiner Frau diese schockierende<br />
Nachricht zu überbringen.<br />
«Deshalb habe ich ihr einfach gesagt, sie<br />
habe nur eine schwere Grippe. Als sie<br />
dann gesehen hat, welche Rosskur ihr<br />
verabreicht werden sollte, hat sie sich natürlich<br />
geweigert, diese einzunehmen.»<br />
In meinem Gedächtnis hallte wieder das<br />
Echo eines Lachens.<br />
Gemeinsam mit dem Spitalarzt haben<br />
wir also die Patientin getroffen. (Der Ehemann<br />
wollte nicht anwesend sein «um<br />
nicht Komplize dieses schweren Schlages<br />
zu sein».) Teuta brauchte sehr einfache<br />
Worte. Sie verwendete den Begriff «Leukämie»<br />
nicht, da sie nicht sicher war, ob die<br />
Frau diesen Begriff verstehen würde. Sie<br />
wollte ihr aber auch die Freiheit lassen,<br />
«soweit sie es wünschte», selbst Fragen zu<br />
stellen und sich so zu informieren. Sie<br />
sprach also von einer «sehr schweren<br />
Krankheit», die eine «mit schweren Nebenwirkungen<br />
verbundene Behandlung»<br />
erfordere. Anschliessend blieb es lange<br />
still. Es fielen einige wenige Worte. Nach<br />
einer gewissen Zeit ging der Arzt raus, um<br />
den Ehemann zu holen. Seine Ehefrau<br />
drehte den Kopf zu ihm und lächelte:<br />
«Danke, dass du mir gesagt hast, ich hätte<br />
eine Grippe.» Einige Tage später meldete<br />
uns das Pflegepersonal, dass die Patientin<br />
nun vollständig kooperiere.<br />
Der wohl grösste Fehler<br />
Vor fast 40 Jahren, 39, um genau zu sein,<br />
hatte ich soeben meine mündliche Prüfung<br />
in Chirurgie abgelegt – damals bestand<br />
das Staatsexamen noch aus 13 Prüfungen,<br />
die auf drei Monate verteilt waren.<br />
Ich lief über die Rue du Bugnon, um meinen<br />
Bruder zu besuchen, der seit zehn Tagen<br />
aufgrund von abnormen Blutwerten<br />
in Spitalbehandlung war. Der Oberarzt<br />
empfing mich und bat mich, in sein Büro<br />
einzutreten. «Du erlaubst mir, dass ich<br />
dich duze; in wenigen Wochen bist du ja<br />
auch Arzt.» Etwas überrascht stimmte ich<br />
zu. «Wir haben nun die Diagnose stellen<br />
können. Es ist kein Pfeiffer-Drüsenfieber<br />
und auch keine der harmlosen Erkrankungen,<br />
die wir erwähnt hatten. Es ist ein<br />
Hodgkin-Lymphom. Im Stadium IV. Wir<br />
haben auf dich gewartet, damit du ihn informieren<br />
kannst. Wir haben es in unserem<br />
Team besprochen: Es scheint uns angebracht,<br />
dass dies der Bruder, der baldige<br />
Kollege, macht.» Ich ging in sein Zimmer.<br />
Wie der kosovarische Ehemann stammelte<br />
ich etwas runter. Aber ich sagte ihm<br />
Hodgkin, nicht Grippe. Da lachte er lautstark:<br />
«Nun ja, meine Lebenserwartung<br />
hat heute einen herben Rückschlag erlitten!»<br />
Er wusste nicht, wie recht er hatte: Er<br />
war 21 Jahre alt und starb 18 Monate später.<br />
An diesem Tag beging ich vermutlich<br />
den grössten Fehler meines Lebens.<br />
In fast 40 Jahren hat sich die Form unserer<br />
Abschlussprüfungen stark verändert,<br />
wie auch das Studium. Mir ist aber<br />
nicht bekannt, ob die Ausbildung auch das<br />
Thema «Mitteilung der Diagnose mit<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 31
Fokus<br />
schlechter Prognose», auch bei Schweizer<br />
Patienten, einschliesst. Was ich hingegen<br />
weiss ist, dass – das Beispiel meines Bruders<br />
und dieser kosovarischen Frau belegen<br />
es – die Praxis 1980 und 1999 nicht<br />
gerade rosig war. Ich kann nur hoffen, dass<br />
es heute anders ist.<br />
Viel, viel Zeit<br />
Denn für eine gute Arbeit im transkulturellen<br />
Kontext sollte man schon mit den<br />
Seinen gut arbeiten. Umso mehr, wenn es<br />
darum geht, eine Diagnose mit schlechter<br />
Prognose zu überbringen. Ein solcher Augenblick<br />
weist einerseits auf eine fundamentale<br />
Ähnlichkeit 2 zwischen allen Menschen<br />
hin, die Endlichkeit und die Auseinandersetzung<br />
mit dem eigenen Ende, sei<br />
dieses nah oder fern, und auf eine unverrückbare<br />
Andersartigkeit zwischen denjenigen,<br />
deren «Lebenserwartung einen<br />
herben Rückschlag erlitten hat», und den<br />
anderen, darunter die grosse Mehrheit des<br />
Pflegepersonals. Unter diesen Umständen<br />
bedeutet «gut arbeiten» zuerst «sich die<br />
Zeit nehmen», «nichts zu überstürzen».<br />
Liebe junge Kolleginnen und Kollegen, haben<br />
Sie heute diese Wahl? Ich hoffe es, befürchte<br />
aber das Gegenteil.<br />
Vor bald zehn Jahren nahm ich an einem<br />
Konsilium zu einem zehnjährigen<br />
Kind teil. Auch wenn die Prognose<br />
«schlecht» war, bestand keine lebensbedrohliche<br />
Situation. Seine Mutter, die wie<br />
ihr Sohn anwesend war, kam aus Bosnien-<br />
Herzegowina. Sie sprach ein undeutliches<br />
Französisch, trotzdem wurde kein Dolmetscher<br />
aufgeboten. Sehr schnell war sie<br />
der Ansicht, dass ich ihre Sprache besser<br />
sprach als sie unsere – ich hatte das Privileg<br />
gehabt, 18 Monate in Sarajevo zu leben<br />
–, sie bat mich also spontan, als Dolmetscher<br />
zu agieren. Da sie sich bemühte,<br />
ihr Vokabular und ihre Sprechgeschwindigkeit<br />
an meine Möglichkeiten anzupassen,<br />
hatte ich keine Mühe, ihre Worte an<br />
meine anwesenden Kolleginnen und Kollegen<br />
zu übermitteln. Hingegen war es eine<br />
Herausforderung, deren Sätze zu übersetzen.<br />
Die Begriffe schienen allesamt aus<br />
einem medizinischen Wörterbuch zu entspringen<br />
– war dies die Essenz der «Transparenz»?<br />
– und erstens kannte ich die entsprechenden<br />
Begriffe in der Sprache der<br />
Mutter nicht und zweitens wusste ich<br />
haargenau, dass diese kein Wort einer allfälligen<br />
wörtlichen Übersetzung dieser<br />
Begriffe verstehen würde. Ich habe mir also<br />
die Zeit genommen, die Sache mit gängigen<br />
Adjektiven und Substantiven zu umschreiben.<br />
Es brauchte viel Zeit. Eine unendliche<br />
lange Zeit.<br />
Die Transparenz, Thema dieser Ausgabe<br />
des Journals, ist wirklich ein komplexes<br />
Konzept.<br />
1<br />
Waadtländer Verein, der seit 1993 das Zusammentreffen<br />
zwischen Migrantengruppen und<br />
Gesellschaft fördern will, unter anderem im<br />
Gesundheitsbereich<br />
2<br />
Jean-Claude Métraux, La migration comme<br />
métaphore, La Dispute, Paris, 2011/2017<br />
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<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 33
Fokus<br />
Wenn Transparenz zum<br />
Versteckspiel wird:<br />
Die Partnergarnele ist<br />
beinahe durchsichtig und<br />
damit kaum sichtbar.<br />
Meister des<br />
Versteckspiels<br />
Gesehen werden ist für Wildtiere nicht immer ein erstrebenswertes<br />
Ziel. Um nicht zur Beute zu werden oder das Beutetier<br />
zu vertreiben, bedienen sie sich aller möglichen Täuschungen.<br />
Dr. Robert Zingg, Zoo Zürich<br />
Bilder: Adobe<br />
34<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Fokus<br />
Transparenz im Sinne der Forderung<br />
im politischen Diskurs<br />
nach frei zugänglichen Informationen,<br />
Einblick in Abläufe<br />
und Sachverhalte, ist kein durchgängiges<br />
biologisches Prinzip. Transparent und damit<br />
offensichtlich und Teil der Kommunikation<br />
sind etwa Warnfärbungen wie das<br />
gelb-schwarze Kleid der Wespen oder die<br />
knalligen Farben der Pfeilgiftfrösche. Dies<br />
sind so eindeutige Mitteilungen, dass die<br />
Versuchung gross ist, sich ihrer zu bedienen,<br />
ohne die Kosten der effektiven Gefährlichkeit<br />
zu übernehmen. So betreiben<br />
harmlose Schwebefliegen Mimikry, indem<br />
sie das Farbmuster von Wespen imitieren,<br />
oder der Giftstoffe enthaltende Monarchfalter<br />
hat einen ungiftigen «Doppelgänger».<br />
Es gibt aber Situationen, da ist eine<br />
derartige Transparenz überhaupt nicht im<br />
Interesse eines Tieres. Wildtiere sind Meister<br />
im Verbergen von Schwächen (was in<br />
der Wildtierhaltung bedeutet, dass ein Tier<br />
zuweilen erst spät als Patient erkannt<br />
wird). Das ist verständlich, denn sichtbare<br />
Schwächen sind für Konkurrenten oder<br />
Prädatoren interessante Informationen,<br />
die man lieber verheimlicht. Handkehrum<br />
können solche Schwächen als «Fake News»<br />
dazu verwendet werden, um falsche Hoffnungen<br />
zu wecken: Verschiedene am Boden<br />
brütende Vögel zeigen bei Gefahr ein<br />
Verhalten, das als Verleiten bezeichnet<br />
wird. Dabei versucht der Vogel die Aufmerksamkeit<br />
eines Fressfeindes auf sich<br />
zu ziehen, um ihn so vom Nest oder den<br />
Jungvögeln abzulenken. Er simuliert eine<br />
offensichtliche Verletzung, z.B. einen lahmen<br />
Flügel, und erweckt so den Anschein,<br />
eine leichte Beute darzustellen. Gelingt<br />
das Ablenkungsmanöver und kann der potentielle<br />
Fressfeind weit genug weggelockt<br />
werden, fliegt der Vogel auf und kehrt zu<br />
seiner Brut zurück.<br />
Wie werde ich unsichtbar?<br />
Wie oft haben wir uns schon vorgestellt,<br />
«unsichtbar» zu sein, eine Tarnkappe zu<br />
besitzen, um etwas unbemerkt oder unerkannt<br />
beobachten zu können? Nicht gesehen<br />
werden bringt im täglichen Überlebenskampf<br />
durchaus praktischen Nutzen.<br />
Als potentielle Beute wird man leichter<br />
übersehen. Gleichermassen profitiert ein<br />
Räuber, der so seine Beute einfacher überraschen<br />
kann.<br />
Doch wie wird man «unsichtbar»? Ein<br />
Lösungsansatz ist, transparent zu sein,<br />
durchsichtig, durchscheinend. Das bedingt,<br />
physikalisch gesehen, dass man<br />
möglichst kein Licht reflektiert. Durchscheinende<br />
Körper findet man insbesondere<br />
im Lebensraum Wasser. Da gibt es<br />
etwa die weitgehend transparenten Partnergarnelen,<br />
deren Körperumrisse nur<br />
andeutungsweise erkennbar sind dank<br />
weniger weisser Flecken und Linien sowie<br />
einiger leuchtender Farbtupfer. Der<br />
Zwerg-Glasbarsch erlaubt mit seiner<br />
Transparenz tiefe Einblicke in sein «Innenleben».<br />
Solche Einblicke sind auch für<br />
die Forschung von Interesse, und so bestehen<br />
Bestrebungen, Goldfische mit transparenter<br />
Haut zu züchten, um Vorgänge<br />
im Innern des Fisches ohne Eingriffe von<br />
aussen mitverfolgen zu können. Weitere<br />
transparente Wasserbewohner sind zum<br />
Beispiel die Glaskrake oder die Tiefsee-Seegurke<br />
(kein Gemüse, sondern Vertreter<br />
der Stachelhäuter, zu welchen auch<br />
die Seesterne und Seeigel gehören).<br />
Ein von Aquarianern gern genutztes<br />
Lebendfutter sind die Weissen Mückenlarven.<br />
Diese waagrecht im Wasser schwebenden<br />
Larven von Büschelmücken nennt<br />
man ihrer Transparenz wegen auch Glasstäbchenlarven.<br />
Während die Larve räuberisch<br />
unterwegs ist und sich von kleinen<br />
Wasserorganismen ernährt, ist die Mücke<br />
eine harmlose Blütenbesucherin.<br />
Eine andere Möglichkeit, «unsichtbar»<br />
zu werden, ist eine äusserliche<br />
Angleichung an die Umgebung: die Tarnung.<br />
Dabei lösen sich die Konturen auf,<br />
die Körperlichkeit geht verloren, die<br />
Wahrnehmung lässt sich täuschen und<br />
suggeriert eine Nichtexistenz. Der Blick<br />
geht quasi durch das Objekt hindurch. Der<br />
nachtaktive Plattschwanzgecko ruht tagsüber<br />
eng am Baumstamm anliegend. Seine<br />
Färbung und die leicht gefranste Kontur<br />
seines Körpers verschmelzen mit der<br />
Rindenoberfläche. Steht die Grosse Rohrdommel<br />
mit ihrem farblich assortierten<br />
Federkleid aufrecht im Schilfröhricht, so<br />
geht sie gänzlich in ihrer Umgebung auf.<br />
Wir können auch mit einer falschen<br />
Erwartungshaltung etwas «unsichtbar»<br />
machen. Bedienen wir uns eines falschen<br />
Suchbildes – einer gerichteten Schärfung<br />
der Wahrnehmung –, so übersehen wir<br />
leicht ein gesuchtes Objekt. Umgekehrt<br />
hilft ein Suchbild, schwer zu Erkennendes<br />
sichtbarer zu machen.<br />
Transparenz als Vertrauensbasis<br />
Eine weitere Anwendung des Begriffes<br />
Transparenz im übertragenen Sinne<br />
kommt in der Zusammenarbeit von<br />
Mensch und Tier zum Tragen. Verschiedene<br />
Zootiere werden in ein Training einbezogen,<br />
um sie quasi auf freiwilliger Basis<br />
medizinisch betreuen zu können. Das<br />
geht soweit, dass solchen Tieren stressfrei<br />
auch Blutproben abgenommen werden<br />
können. Der Aufbau eines solchen Trainings<br />
setzt ein grosses Vertrauensverhältnis<br />
zwischen Mensch und Tier voraus.<br />
Dieses ist nur zu erreichen, wenn hohe<br />
Transparenz in der Kommunikation besteht.<br />
Der Trainer und seine Handlungen<br />
müssen für das Tier absolut berechenbar<br />
sein, seine Anweisungen verständlich. Bezüglich<br />
der oben erwähnten Blutprobe<br />
heisst das, dass das Tier das Vorgehen<br />
kennt, den Stich wohl nicht sehr schätzt,<br />
diesen aber im Hinblick auf eine zu erwartende<br />
Belohnung in Kauf nimmt.<br />
Der vermeintliche Himmel<br />
Fleischfressende Pflanzen decken einen<br />
Teil ihres Stickstoffbedarfes durch den<br />
Fang von Insekten und anderen Wirbellosen.<br />
Die Kobralilie ist eine dieser Pflanzen<br />
und betreibt mit Transparenz ein für ihre<br />
Beutetiere intransparentes Fangsystem.<br />
Ihre meist etwa 40 bis 50 Zentimeter langen<br />
Blätter sind schlauchförmig und haben<br />
an der Spitze einen kuppelartigen Abschluss.<br />
Unter dieser «Kuppel» befindet<br />
sich der Eingang in den Schlauch, gesäumt<br />
von Nektardrüsen, die als Lockstoff einen<br />
zuckerhaltigen Saft absondern. Angelockte<br />
Insekten, die weiterfliegen wollen, folgen<br />
der Helligkeit. Und hell ist es unter der<br />
Kuppel des Schlauchblattes. Denn hier ist<br />
das Blatt durchbrochen von einer Vielzahl<br />
kleiner chlorophyllfreier Flecken, die wie<br />
kleine Fensterchen reichlich Licht durchlassen.<br />
Mit dem Start dem vermeintlichen<br />
Himmel entgegen ist das Insekt im<br />
Schlauch gefangen. Durch weitere raffinierte<br />
Strukturen wird es schrittweise zum<br />
Blattgrund geleitet, wo es dann in einer<br />
Flüssigkeit in für die Pflanze verwertbare<br />
Stoffe zerlegt wird.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 35
Perspektiven<br />
Aktuelles aus der Ophthalmologie: Glaukom<br />
Goldenes<br />
Zeitalter für den<br />
grünen Star<br />
Allen Innovationen zum Trotz tat sich jahrzehntelang wenig<br />
bei der Behandlung des Glaukoms. Dank neuen Messmethoden,<br />
Medikamenten und minimalinvasiven Operationstechniken<br />
stehen wir auf der Schwelle zu erfolgversprechenden Diagnose- und<br />
Behandlungsmöglichkeiten.<br />
Kevin Gillmann FEBOphth. MBBS. MArch. 1 , Dr. med. Kaweh Mansouri MPH. 1,2<br />
Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts<br />
haben wir ein Zeitalter<br />
der Innovationen erlebt, das noch<br />
nie da gewesene Fortschritte in<br />
zahlreichen technologischen und medizinischen<br />
Bereichen gebracht hat. Von der<br />
ersten Mondlandung über das Projekt<br />
zum menschlichen Genom bis zur Erfindung<br />
der Magnetresonanztomographie.<br />
Dieser Wettbewerb um Innovationen<br />
scheint aber den medizinischen Fortschritt<br />
im Bereich des Glaukoms, zumindest<br />
während einer gewissen Zeit, ignoriert<br />
zu haben.<br />
Der Goldmann-Tonometer, die Referenzmethode<br />
zur Bestimmung des Augeninnendrucks,<br />
beispielsweise wurde 1950<br />
erfunden. Die Trabekulotomie, der heute<br />
häufigste chirurgische Eingriff, wurde in<br />
den 1960er Jahren eingeführt und hat seinen<br />
Ursprung in einem Verfahren, welches<br />
erstmals 1858 von De Wecker beschrieben<br />
wurde. [1] Nebst diesen grundlegenden<br />
Errungenschaften ist die Welt des<br />
Glaukoms, abgesehen von der regelmässigen<br />
Entdeckung von neuen Medikamenten<br />
gegen das Glaukom, bis Ende des<br />
20. Jahrhunderts weitgehend unverändert<br />
geblieben. Dann kam das 21. Jahrhundert<br />
mit seiner Fülle an Entdeckungen, sei es<br />
bei der Behandlung oder der Erforschung<br />
der Krankheit. Im vorliegenden Artikel<br />
werden wir eine Auswahl an Techniken<br />
anschauen, die unserer Ansicht nach einen<br />
signifikanten Einfluss auf die zukünftige<br />
Praxis bei der Behandlung des Glaukoms<br />
haben werden.<br />
Unberechenbarer Augeninnendruck<br />
Der Anstieg des Augeninnendrucks ist vermutlich<br />
der Hauptgrund für das Fortschreiten<br />
der Krankheit bei der Mehrheit<br />
der Patienten, die an einem Glaukom leiden.<br />
Trotzdem treffen die Ophthalmologen<br />
immer wieder auf Patienten, bei denen<br />
dieser ursächliche Zusammenhang nicht<br />
so offensichtlich ist. Das mangelnde Verständnis<br />
der präzisen zugrundeliegenden<br />
pathophysiologischen Prinzipien des<br />
Glaukoms ist ohne Zweifel zu bemängeln.<br />
Doch in diesem ungleichen Kampf gegen<br />
die Krankheit sind die Ophthalmologen<br />
schlecht gerüstet. Auch wenn der Augeninnendruck<br />
der einzig veränderbare<br />
Risikofaktor für das Fortschreiten des<br />
Glaukoms ist, darf sich die Behandlung des<br />
Glaukoms nicht alleine auf der Schätzung<br />
dieses während zweier von 31 536 000 Sekunden<br />
– so viel Sekunden zählt ein ganzes<br />
Jahr – gemessenen Wertes abstützen.<br />
In einem Fachgebiet, welches so sehr<br />
um den Augeninnendruck aufgebaut ist,<br />
erstaunt es nicht, dass sich viele Ophthalmologen<br />
eine kontinuierliche Messung des<br />
effektiven Augeninnendrucks erhofft haben.<br />
Eine Technologie, die eine nicht invasive,<br />
exakte und reproduzierbare Messung<br />
des Augeninnendrucks in jeder Situation<br />
ermöglichen würde, könnte die Diagnose,<br />
die Behandlung, die Betreuung und die<br />
Empfehlungen, die wir den Patienten, die<br />
an einem diagnostizierten oder vermuteten<br />
Glaukom leiden, geben, radikal verbessern.<br />
Zuallererst würde es zu einer wesentlichen<br />
Reduktion des interpersonellen Varia bilitätsrisikos<br />
und der fehlenden Wiederholbarkeit,<br />
die aktuell bei gewissen Applanations-<br />
oder Reboundtechniken beob -<br />
ach tet wird, kommen. Vor allem würde dies<br />
eine genauere Abbildung des reellen<br />
1<br />
Centre du glaucome, Clinique de Montchoisi,<br />
Swiss Visio, Lausanne, Schweiz<br />
2<br />
Department of Ophthalmology, University of<br />
Colorado School of Medicine, Denver, CO, USA<br />
Bilder: zvg<br />
36<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Augen innendrucks mit seinen intrinsischen<br />
Fluktuationen ermöglichen. Schliesslich<br />
sind wir der Ansicht, dass in Zeiten von<br />
Big Data die Vielzahl der durch kontinuierliche<br />
Telemetrie gesammelten Daten zu<br />
grossen Fortschritten in der Erforschung<br />
des Glaukoms sowie beim Verständnis des<br />
Einflusses der spezifisch mit dem Augeninnendruck<br />
verbundenen Faktoren auf die<br />
Nervenfasern und letztendlich zu einer<br />
wirklich individualisierten Behandlung des<br />
Glaukoms führen könnten.<br />
Abbildung 1 – Ein integrierter telemetrischer<br />
Mikroprozessor übermittelt ein Ausgangssignal<br />
ab der Triggerfish-Linse zu einer aussen<br />
angebrachten drahtlosen Antenne, die in einem<br />
wegwerfbaren Patch untergebracht ist und<br />
periokular am Patienten fixiert wird. Die<br />
Überwachungsdaten werden von einem Kabel<br />
zu einem tragbaren Aufnahmegerät übermittelt,<br />
das sich in einer am Hals und an der Hüfte<br />
des Patienten befestigten Tasche befindet.<br />
Wobei die Telemetrietechnik, die als Referenz<br />
dient, seit 1950, als die Applanationstonometrie<br />
nach Goldmann (mit dem<br />
Goldmann-Applanations-Tonometer,<br />
GAT) eingeführt wurde, ziemlich unverändert<br />
geblieben ist. Trotz des langen Weges,<br />
der seither zurückgelegt wurde, gilt<br />
diese Technik als weitgehend unausgereift<br />
und Studien haben deren konzeptionelle<br />
Mängel aufgedeckt. Der GAT ist nicht<br />
nur relativ ungenau. Die Momentaufnahme,<br />
die er liefert, ermöglicht es auch nicht,<br />
die Komplexität der reellen Variationen<br />
des Augeninnendruckes abzubilden. [2]<br />
Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte<br />
wurde mehrfach bewiesen, dass die individuellen<br />
Augeninnendruckwerte alles<br />
andere als stabil sind und in der Regel<br />
über 24 Stunden und über das Jahr variieren.<br />
[3] Neuere Studien kommen sogar<br />
zum Schluss, dass insbesondere nächtliche<br />
Druckpeaks einen direkten Einfluss<br />
auf das Fortschreiten des Glaukoms haben<br />
könnten, unabhängig von den absoluten<br />
Werten des Augeninnendrucks. [4] Aufgrund<br />
dieser Beobachtungen ist das Bedürfnis<br />
für die Entwicklung von praktischen<br />
und präzisen Instrumenten zur Beobachtung<br />
dieser Veränderungen entstanden.<br />
Während die Verwendung der<br />
Druckkurve im Tagesverlauf diese Notwendigkeit<br />
bestätigt hat, hat sie auch den<br />
Bedarf nach einer reproduzierbaren, praktischen<br />
und kontinuierlichen Messtechnik<br />
über 24 Stunden aufgezeigt.<br />
Das Konzept der Telemetrie über 24<br />
Stunden ist erstmals in den 1970er Jahren<br />
in der Form von mit Extensometern ausgerüsteten<br />
Kontaktlinsen, welche die Mes-<br />
sung der Veränderungen der okularen Dimensionen,<br />
die angeblich die Variationen<br />
des Augeninnendrucks abbilden, aufgetaucht.<br />
Trotz der Machbarkeit und Verlässlichkeit<br />
dieses Systems haben sich die<br />
damit verbundenen Kosten als zu dieser<br />
Zeit unüberwindbares Hindernis herausgestellt,<br />
da jeweils jeder Linsensensor angepasst<br />
werden musste (CLS, contact lens<br />
sensor). [5] Fast 50 Jahre später stehen den<br />
Spezialisten, welche die Telemetrie in ihre<br />
Arbeit integrieren wollen, nur zwei Vorrichtungen<br />
zur Verfügung, die erwiesenermassen<br />
sichere und präzise Ergebnisse<br />
liefern. (1) Der Triggerfish (TF), ein CLS<br />
von Sensimed SA (Lausanne, Schweiz),<br />
und (2) das intraokulare Implantat Eyemate,<br />
ein Überwachungssystem der Implan-<br />
Data GmbH (Hannover, Deutschland).<br />
Die eher nicht invasive Natur des TF<br />
CLS macht aus ihm ein polyvalentes Instrument<br />
(Abbildung 1), aber sein täglicher<br />
Gebrauch würde noch eine gewisse Anpassung<br />
der klinischen Praxis erfordern.<br />
Es ist daher unabdingbar, über einen Arzt<br />
zu verfügen, der im Umgang mit diesen<br />
Linsen geschult ist, denn die Wahl des passenden<br />
Linsendurchmessers und die adäquate<br />
Anpassung der Linse sind wesentlich.<br />
Zudem sind auch die Schulung des<br />
Patienten und dessen Mitarbeit wegen der<br />
Auswirkungen, die diese Vorrichtung auf<br />
die täglichen Aktivitäten, wie beispielsweise<br />
das Autofahren, haben kann, unabdingbar.<br />
Die aktuell in mVeq angegebenen<br />
Resultate liefern nur einen Überblick des<br />
Variationsprofils und müssen individuell<br />
interpretiert werden (Abbildung 2). Auch<br />
wenn dies ein wertvolles Diagnoseinstru-<br />
Abbildung 2 – Ein Triggerfish-Datensatz besteht aus 300 Datenpunkten, die während eines Intervalls von 30 Sekunden, welches alle 5 Minuten<br />
stattfindet, gesammelt werden. Dies entspricht 288 Messungen über 24 Stunden. Das Profil des Augeninnendrucks weist drei verschiedene Datensätze<br />
auf, die verschiedene Niveaus des nächtlichen Anstiegs (in mVeq) darstellen: minimal (gelb), moderat (grün), signifikant (blau). Während der drei<br />
Aufzeichnungen sind alle Patienten zwischen 21.30 Uhr und 22.00 Uhr schlafen gegangen und dann um ca. 8 Uhr erwacht.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 37
Perspektiven<br />
ment zur Überprüfung einer klinischen<br />
Intuition ist, wie beispielsweise die Identifikation<br />
eines Anstiegs des nächtlichen<br />
Augeninnendrucks oder von intermittierenden<br />
Peaks, ersetzt es nicht, in seiner<br />
Abbildung 3 – Das Eyemate ist ein intraokularer<br />
drahtloser Sensor, der aus acht kleinen<br />
Drucksensoren, einem Temperatursensor,<br />
einem Identifikationsencoder, einem analogdigitalen<br />
Encoder und einer telemetrischen<br />
Einheit besteht. Er wird an eine zirkuläre<br />
Antenne aus Gold befestigt. Die gesamte<br />
Vorrichtung ist in hochwertiges Silikon<br />
eingepackt. Es wiegt 0,1 g. Der Aussendurchmesser<br />
beträgt 11,3 bis 12,1 mm.<br />
jetzigen Form, eine umfassende klinische<br />
Untersuchung und liefert auch nicht für<br />
jeden Patienten kohärente nützliche klinische<br />
Daten. Der CLS hat aber bereits seinen<br />
Nutzen für die Entdeckung von Augeninnendruck-Peaks<br />
ausserhalb des klinischen<br />
Kontextes gezeigt: in der Nacht<br />
oder während anderer Tätigkeiten, wie<br />
Sport, Meditation oder Geschlechtsverkehr.<br />
[6]<br />
Was das intraokulare Überwachungssystem<br />
Eyemate angeht (Abbildung 3),<br />
schränkt die Notwendigkeit der Implantation<br />
seine Anwendung auf Patienten ein,<br />
bei denen gleichzeitig ein grauer Star diagnostiziert<br />
wird oder eine Operation des<br />
Glaukoms geplant ist. Auch wenn es sich<br />
weniger um einen Diagnosetest als um ein<br />
Überwachungsinstrument handelt, ist<br />
klar, dass die einfache und genaue Überwachung<br />
des Augeninnendrucks das Potential<br />
hat, die Betreuung und Behandlung<br />
der Patienten mit Glaukom zu verbessern.<br />
Dennoch sei darauf hingewiesen,<br />
dass wie bei jeder selber durchgeführten<br />
Messung die Häufigkeit und der Zeitpunkt<br />
der Messungen vom Einbezug der Patienten<br />
abhängig sind. Ähnlich wie beim CLS<br />
sind die Schulung und die Mitarbeit des<br />
Patienten für den Erfolg des Überwachungssystems<br />
Eyemate wichtig.<br />
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass es<br />
heute zwei sehr unterschiedliche, aber<br />
auch vielversprechende Telemetriesyste-<br />
me zur kontinuierlichen Überwachung<br />
des Augeninnendrucks gibt. Beide haben<br />
ihre Sicherheit und Genauigkeit bewiesen.<br />
Es handelt sich denn auch mehr um<br />
komplementäre als um rivalisierende Systeme.<br />
In ihrer aktuellen Form bleiben deren<br />
Anwendung und Zweck spezifisch.<br />
Wir sind aber der Ansicht, dass sich dies in<br />
den nächsten Jahren mit dem Aufkommen<br />
von neuen, polyvalenteren und ergonomischeren<br />
Verfahren ändern könnte.<br />
Durchbruch bei der Bildgebung<br />
Seit dem ersten Beschrieb dieser Technik<br />
im Jahre 2012 wurde die optische Kohärenztomographie-Angiographie<br />
(OCTA)<br />
als Revolution in der ophthalmologischen<br />
Bildgebung gefeiert. Die OCTA-Bildgebung<br />
beruht auf der optischen, mit Bewegungserkennung<br />
ergänzten Kohäranztomographie<br />
zur Erkennung der Bewegung<br />
der Gefässe. Dies ermöglicht die Darstellung<br />
des Blutflusses und die Bestimmung<br />
der Durchflussmenge in spezifischen Tiefen<br />
innerhalb der Retina, ohne dabei auf<br />
Farbstoffe oder ionisierende Strahlung<br />
zurückgreifen zu müssen.<br />
Mehrere Studien über das primäre Offenwinkelglaukom<br />
(POWG) haben einen<br />
klaren Zusammenhang zwischen Defekten<br />
der vaskulären Dichte und der Verdünnung<br />
der retinalen Nervenfaserschicht<br />
(RNF) und Gesichtsfeldstörungen (GF) gezeigt<br />
(Abbildung 4). [7] Zu diagnostischen<br />
Abbildung 4 – OCTA-Scans (links) (Avanti mit AngioVue; Optovue), OCT-RNF-Dicke-Kurve (Mitte) und automatische Abweichung vom Gesichtsfeldschema<br />
(rechts) der Patienten mit einer gesunden optischen Papille (oben) und von solchen mit moderaten Glaukomdefekten (unten). Die entsprechenden<br />
Defekte in den drei Tests werden aufgezeigt (Pfeile).<br />
38<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Abbildung 5 – Bimatoprost-SR-Mikroimplantat und Injektor. Gedruckt mit Genehmigung von Allergan.<br />
se und Betreuung von Glaukompatienten<br />
und derjenigen mit Verdacht auf ein Glaukom<br />
werden könnte.<br />
Weg von den täglichen Augentropfen<br />
Heutzutage ist die häufigste Erstlinienbehandlung<br />
des PEWG die medikamentöse<br />
Behandlung mit topischen Prostaglandinanaloga.<br />
Zahlreiche Studien haben deren<br />
Potential bei der substantiellen Senkung<br />
des Augeninnendrucks bis zu 48 Stunden<br />
bestätigt, indem sie sowohl tagsüber wie<br />
auch in der Nacht wirken, im Gegensatz zu<br />
den topischen Betablockern, die sich als in<br />
der Nacht unwirksam erwiesen haben.<br />
Diese Klasse von Medikamenten wirkt, indem<br />
sie primär den uveoskleralen Abfluss<br />
des Kammerwassers erhöht und, bis zu einem<br />
gewissen Grad, den trabekulären Abfluss<br />
verbessert. Während die topischen<br />
Prostaglandinanaloga in der Regel gut verträgliche<br />
Medikamente sind, verursachen<br />
sie verschiedene häufig beschriebene Nebenwirkungen,<br />
insbesondere das zystoide<br />
Makulaödem, das übermässige Wachstum<br />
der Wimpern, die Pigmentierung der Iris,<br />
allergische Reaktionen sowie Hyperämie<br />
und konjunktivale Narbenbildung. Letztere<br />
ist mit einem Scheitern der späteren<br />
filtrierenden Glaukomoperationen verbunden.<br />
Über diese unerwünschten Wirkungen<br />
hinaus gilt es, bei den topischen Prostaglandinanaloga<br />
die gleichen Schwierigkeiten<br />
wie bei den anderen selber verabreichten<br />
topischen Medikamenten zu<br />
bewältigen. [10]<br />
Es gibt viele Daten, seien diese selbst<br />
rapportiert oder aus Apotheken, die zeigen,<br />
dass die Compliance bei topischen<br />
Glaukombehandlungen in der Regel<br />
schlecht ist. Amerikanische Studien haben<br />
geschätzt, dass 27 Prozent aller verschriebenen<br />
Medikamente von den Patienten<br />
gar nicht gekauft werden und beina-<br />
Zwecken haben Rao et al. eine vergleichbare<br />
diagnostische Aussagekraft zwischen<br />
der OCT-RNF-Analyse und der Messung<br />
der peripapillären vaskulären Dichte mittels<br />
OCTA im POWG und primären Engwinkelglaukom<br />
(PEWG) entdeckt. [8] Gopinath<br />
et al. haben noch spezifischer herausgefunden,<br />
dass sowohl die OCT- als<br />
auch die OCTA-Analysen eine vergleichbare<br />
Trennschärfe aufweisen. Die Kombination<br />
der beiden Methoden verbessert<br />
die Trennschärfe wesentlich. Beim fortgeschrittenen<br />
Glaukom ist der «Bodeneffekt»<br />
eine Schwierigkeit, welche die<br />
Evaluation des Krankheitsfortschritts in<br />
schweren Fällen erschwert, also gerade<br />
wenn es besonders wichtig ist, die Stabilität<br />
zu gewährleisten. Rao et al. haben festgestellt,<br />
dass die RNF-Analyse ihren «Bodeneffekt»<br />
im Bereich von –10 dB bis –15<br />
dB Verlust der visuellen Sensibilität erreicht<br />
gegenüber –20 dB bis –30 dB bei der<br />
Analyse der vaskulären Dichte mit OCTA.<br />
Daraus lässt sich schliessen, dass im fortgeschrittenen<br />
Stadium die Analyse der<br />
vaskulären Dichte eine bessere Diagnose<br />
und bessere Überwachungskapazität bietet<br />
als die RNF-Analyse. [9]<br />
Abschliessend lässt sich also sagen,<br />
dass die OCTA bei der RNF-Analyse zur<br />
Unterscheidung von normalen Augen von<br />
Glaukomaugen eine ähnliche Sensitivität<br />
gezeigt hat. Dadurch, dass die individuellen<br />
Spezifitäten und Sensibilitäten beider<br />
Tests durch die Kombination der beiden<br />
Verfahren gesteigert werden können,<br />
kann man daraus schliessen, dass die OC-<br />
TA die OCT eher ergänzen als ersetzen<br />
würde. Im Vergleich mit dem GF-Test bietet<br />
die OCTA mehrere Vorteile. Da eine<br />
Mitarbeit des Patienten nicht erforderlich<br />
ist, hängt sie erstens weniger vom Patienten<br />
ab, ist objektiver und kann besser wiederholt<br />
werden als der GF-Test. Zweitens<br />
kann sie aus praktischer Sicht auch<br />
schneller und einfacher bei Patienten<br />
durchgeführt werden, deren Kooperation<br />
schwierig sein könnte. Drittens ist die<br />
OCTA in der Lage, mit dem Glaukom verbundene<br />
Veränderungen viel früher zu<br />
entdecken als der GF-Test. Schliesslich eröffnet<br />
die OCTA neue Perspektiven für die<br />
Pathophysiologie sämtlicher optischen<br />
Neuropathien, was das Verständnis dieser<br />
Krankheiten verbessern und zu neuen<br />
Dia gnose- und Differenzierungsmöglichkeiten<br />
führen kann. Aufgrund dieser neuen<br />
Entdeckungen sind wir der Meinung,<br />
dass die OCTA, neben dem GF-Test und<br />
der OCT, in naher Zukunft ein wesentliches<br />
Untersuchungsmittel für die Diagnohe<br />
die Hälfte aller Patienten, die an einem<br />
Glaukom leiden, über 25 Prozent ihrer Behandlungsdosen<br />
vergessen. [11, 12, 13] Es<br />
überrascht also nicht, dass eine schlechte<br />
Compliance mit einer schlechten Kontrolle<br />
des Augeninnendrucks und einem Fortschreiten<br />
der Krankheit einhergeht. Dazu<br />
kommt, dass auch im Falle einer Verabreichung<br />
der topischen Medikamente die<br />
Verabreichungstechniken der Patienten<br />
schlecht sein und zu einer schlechteren<br />
Wirksamkeit der Behandlung führen können.<br />
Um diesen universellen, mit der<br />
Selbstverabreichung von Augentropfen<br />
verbundenen Schwierigkeiten zu begegnen,<br />
wurden mehrere Medikamentenverabreichungsmethoden<br />
entwickelt, die<br />
bald für die Glaukomspezialisten verfügbar<br />
sein werden. Diese beinhalten mit<br />
Wirkstoff imprägnierte Kontaktlinsen<br />
oder periokulare Ringe, topische Zerstäuber,<br />
die Mikrotropfen des Wirkstoffes direkt<br />
auf die Hornhautoberfläche sprühen,<br />
oder subkonjunktivale Injektionen. Eine<br />
dieser Methoden, ein intrakamerales Implantat,<br />
welches Bimatoprost absondert,<br />
hat bereits das Stadium 3 der klinischen<br />
Versuche erreicht und weist vielversprechende<br />
Resultate auf. [14]<br />
Es besteht aus einer biologisch abbaubaren<br />
Matrix, die so gestaltet ist, dass sie<br />
in die hintere Augenkammer injiziert werden<br />
kann, wo sie dann schrittweise 15 μg<br />
Bimatroprost mit verzögerter Freisetzung<br />
über eine Dauer von sechs Monaten (Abbildung<br />
5) abgibt. In neueren Studien war<br />
die Wirksamkeit des Implantats vergleichbar<br />
mit der täglichen Verabreichung des<br />
topischen Medikamentes, ohne besondere<br />
Nebenwirkungen. [15] Diese Verabreichungsform<br />
bietet eine Reihe Vorteile:<br />
Erstens müssen die Patienten nur zwei<br />
Mal pro Jahr zum Augenarzt zur Verabreichung<br />
des Medikaments, was das Risiko<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 39
Perspektiven<br />
Abbildung 6 – Eine Auswahl der minimalinvasiven chirurgischen Verfahren beim Glaukom. Von<br />
oben links bis unten rechts: iStent, iStent inject, Hydrus Microstent, iTrack, Trabektom, TRAB 360,<br />
Kahook Dual Blade, CyPass Micro-Stent, iStent Supra, XEN 45, PreserFlo, Zyklophotokoagulation.<br />
von vergessenen Dosen gegenüber den topischen<br />
Behandlungen erheblich reduziert.<br />
Zweitens senkt der verminderte<br />
Kontakt und Effekt von Bimatoprost auf<br />
der Augenoberfläche die Häufigkeit der<br />
langfristigen Nebenwirkungen und die<br />
negativen Auswirkungen der längerfristigen<br />
Behandlungen aufgrund von filtrierenden<br />
Glaukomoperationen. Drittens<br />
wurde überraschenderweise keine maximale<br />
Dosis für die intrakamerale Verabreichung<br />
von Bimatoprost definiert, im Gegensatz<br />
zur topischen Anwendung. Es<br />
scheint als ob diese Besonderheit von einem<br />
direkten dämpfenden Effekt des intraokularen<br />
Bimatoprost auf den episkleralen<br />
Venendruck herrührt. Dazu kommt,<br />
dass nach mehrfacher intrakameraler Injektion<br />
die dämpfende Wirkung der Behandlung<br />
auf den Augeninnendruck deutlich<br />
länger andauert als die sechsmonatige<br />
Lebensdauer des Implantats, was zu<br />
verlängerten Episoden von behandlungsfreiem<br />
reduziertem Augeninnendruck<br />
führt. [16]<br />
40<br />
Die minimalinvasive<br />
Glaukomchirurgie<br />
Wenn die medikamentösen topischen Behandlungen<br />
und Laserbehandlungen keinen<br />
Erfolg brachten, war die filtrierende<br />
Glaukomchirurgie lange Zeit die einzige<br />
Alternative. In den vergangenen Jahrzenten<br />
hat die filtrierende Glaukomchirurgie<br />
von der Entwicklung von Antimetaboliten<br />
profitiert und sich zu einer sehr wirksamen<br />
Prozedur entwickelt, mit um bis zu<br />
50 Prozent reduziertem relativen Augeninnendruck.<br />
Diese Entwicklung war jedoch<br />
mit einer Zunahme der schweren<br />
unerwünschten Wirkungen, wie chronische<br />
Hypotonie, Flüssigkeitsaustritt oder<br />
Endophtalmitis, mit über 30 Prozent Spätkomplikationen<br />
verbunden. [17] Eine neue<br />
chirurgische Technik hat die Kluft zwischen<br />
medizinischer Behandlung oder<br />
Laserbehandlung und der invasiveren filtrierenden<br />
Chirurgie des leichten bis mittleren<br />
Glaukoms reduziert. Diese wird minimalinvasive<br />
Glaukomchirurgie (MIGS)<br />
genannt.<br />
Die minimalinvasive Glaukomchirurgie<br />
ermöglicht eine zuverlässige Reduktion<br />
des Augeninnendrucks – auch wenn in geringerem<br />
Ausmass als mit der klassischen<br />
filtrierenden Chirurgie – bei sehr günstigem<br />
Sicherheitsprofil, das eine schnelle<br />
postoperative Erholung garantiert. [16]<br />
Auf dieser Grundlage wurden zahlreiche<br />
Techniken entwickelt, mit dem Ziel, den<br />
Patienten, die an einem relativ leichten<br />
Glaukom leiden, welches sich aber nicht<br />
mehr medikamentös kontrollieren lässt,<br />
oder denjenigen, die aus medizinischen<br />
Gründen oder wegen ihrer Lebensgewohnheiten<br />
eine Alternative zu den täglichen<br />
Augentropfen suchen, eine Alternative<br />
zu den invasiveren Verfahren zu<br />
bieten. Mit der Zeit ist aufgrund des günstigen<br />
Risikoprofils eine dritte Patientenkategorie<br />
hinzugekommen: Solche, die mit<br />
einem medizinisch kontrollierten Glaukom<br />
anschliessend einen symptomatischen<br />
grauen Star entwickelt haben. In<br />
diesem Fall kann der Operateur die Chirurgie<br />
für den grauen Star mit einer minimalinvasiven<br />
Prozedur verbinden, um die<br />
topische Behandlung zu reduzieren oder<br />
ganz zu beenden. Auch wenn die Empfehlung<br />
für ein kombiniertes Verfahren bei<br />
einem medizinisch gut kontrollierten und<br />
stabilen Patienten auf den ersten Blick unlogisch<br />
erscheinen mag, sprechen mehrere<br />
Argumente für diese Methode:<br />
(1) Die Reduktion der Anzahl erforderlicher<br />
topischer Medikamente, um den<br />
Augeninnendruck im gewünschten Bereich<br />
zu halten, erhöht die Anzahl der<br />
verfügbaren Therapieoptionen für den<br />
Arzt, wenn sich die Krankheit verschlechtert<br />
oder eine Intensivierung<br />
der Behandlung erfordert.<br />
(2) Die Reduktion der Verabreichung von<br />
topischen Medikamenten mit all ihren<br />
bekannten Nebenwirkungen kann womöglich<br />
die Lebensqualität der Patienten<br />
verbessern.<br />
(3) Bei den Ophthalmologen ist seit kurzem<br />
das Bewusstsein für die Effekte der<br />
langfristigen topischen Behandlungen<br />
auf die Augenoberfläche und deren<br />
Auswirkungen auf die Ergebnisse der<br />
filtrierenden Glaukomchirurgie gestiegen.<br />
[19] Wenn die Patienten also die<br />
Möglichkeit haben, während relativ<br />
langer Perioden auf die Behandlung zu<br />
verzichten, könnten die Ergebnisse der<br />
anschliessenden chirurgischen Behandlungen<br />
des Glaukoms verbessert<br />
werden.<br />
(4) Die Kosten der minimalinvasiven Glaukomchirurgie<br />
variiert stark, je nachdem<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Mechanismus Details zum Verfahren Reduktion des Augeninnendrucks<br />
in der Literatur<br />
Die trabekulären Stents<br />
iStent<br />
iStent inject<br />
Hydrus Microstent<br />
1,0 × 0,3 mm<br />
L-förmiger Stent, welcher durch das Trabekulum in den<br />
Schlemm-Kanal eingeführt wird<br />
1,0 × 0,3 mm<br />
Gerader Stent, welcher durch das Trabekulum in den<br />
Schlemm-Kanal eingeführt wird<br />
8,0 × 0,3 mm<br />
Halbmondförmiger Stent, welcher in den Schlemm-Kanal<br />
eingeführt wird<br />
8,4 mmHg<br />
(24 Monate)<br />
8,1 mmHg<br />
(12 Monate)<br />
9,4 mmHg<br />
(24 Monate)<br />
Trabekuläre Dilatation<br />
Kanaloplastie ab interno (iTrack)<br />
Illuminierter Mikrokatheter, der in den Schlemm-Kanal<br />
eingeführt wird zwecks Injektion einer visko-elastischen<br />
Vorrichtung mit dem Ziel, diesen zu erweitern<br />
4,0 mmHg<br />
(12 Monate)<br />
Trabekulotomie<br />
Gonioskopie-assistierte transluminale<br />
Trabekulotomie (GATT)<br />
Trabektom<br />
TRAB-360-Trabekulotomie<br />
Kahook Dual Blade<br />
Trabekulotomie mittels illuminierten Mikrokatheters oder<br />
eines in den Schlemm-Kanal einzuführenden Einschnitts,<br />
um das Trabekulum zu durchdringen<br />
Trabekulotomie mittels Elektrokauterisation<br />
Trabekulotomie mittels flexiblen Trabekulotoms, das in<br />
den Schlemm-Kanal eingeführt wird, um das Trabekulum<br />
zu durchdringen<br />
Trabekulotomie mittels Doppelklinge<br />
8,4 mmHg<br />
(12 Monate)<br />
6,2 mmHg<br />
(24 Monate)<br />
6,3 mmHg<br />
(4 Monate)<br />
4,9 mmHg<br />
(12 Monate)<br />
Suprachoroidaler Abfluss<br />
CyPass Micro-Stent<br />
iStent Supra<br />
6,35 × 510,0 mm<br />
In den Suprachoroidalraum eingeführter gefensterter<br />
Microstent aus Polyamid – 2018 aufgegeben<br />
4,0 × 0,2 mm<br />
In den Suprachoroidalraum eingeführter Stent aus Titanund<br />
Polyethersulfon<br />
7,4 mmHg<br />
(24 Monate)<br />
7,8 mmHg<br />
(24 Monate)<br />
Subkonjunktivaler Abfluss (blasenbildende Verfahren)<br />
XEN 45<br />
PreserFlo<br />
(Früher bekannt unter dem<br />
Namen InnFocus)<br />
6,0 × 0,5 mm<br />
Von der hinteren Kammer in den subkonjunktivalen Raum<br />
eingeführter Gelatine-Stent<br />
8,5 × 0,4 mm<br />
Von der hinteren Kammer in den subkonjunktivalen Raum<br />
eingeführter Stent – ab externo<br />
5,9 mmHg<br />
(24 Monate)<br />
8,7 mmHg<br />
(12 Monate)<br />
Reduktion der Kammerwasserproduktion<br />
Zyklophotokoagulation<br />
Tabelle 1<br />
Transsklerale Zyklophotokoagulation des Ziliarkörpers<br />
2,1 mmHg<br />
(24 Monate)<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 41
Perspektiven<br />
ob sie die Implantation einer spezifischen<br />
Vorrichtung (bspw. iStent) beinhaltet<br />
oder auf wiederverwendbaren<br />
Instrumenten (bspw. Goniotomien) basiert.<br />
Studien legen nahe, dass die Kosten<br />
des ersten Verfahrens einer sechsjährigen<br />
Behandlung mit einem einzigen<br />
Augentropfen entsprechen und<br />
dass die Aufschiebung einer bimolekularen<br />
topischen Behandlung von zwei<br />
Jahren genügen würde, um die Kosten<br />
der zweiten Prozedur zu kompensieren.<br />
Adäquate chirurgische Optionen, die<br />
für den Patienten gewinnbringend<br />
sind, könnten also auch wirtschaftlich<br />
positive Auswirkungen haben. [20]<br />
Zahlreiche Studien haben nun den Nutzen<br />
dieser neuen Technologien belegt. Es ist<br />
damit sicher, dass sich die minimalinvasiven<br />
Verfahren langfristig etablieren<br />
werden. Aufgrund der steigenden Zahl der<br />
chirurgischen Optionen (Tabelle 1, Abbildung<br />
6) ist es für die Glaukomspezialisten<br />
zur neuen Herausforderung geworden,<br />
das für den Patienten geeignete Verfahren<br />
zu wählen. Obschon die Mehrheit der minimalinvasiven<br />
Verfahren individuell mit<br />
vergleichbaren Ergebnissen untersucht<br />
wurden, bleiben randomisierte Studien,<br />
die die verschiedenen minimalinvasiven<br />
Verfahren vergleichen, noch selten und<br />
die Individualfaktoren, die deren Ergebnisse<br />
beeinflussen, bleiben weitgehend<br />
unbekannt. [21] Zurzeit sind aber weltweite<br />
Bemühungen im Gange, um Antworten<br />
auf diese Fragen zu finden und den Weg<br />
für eine wahrhaftig personalisierte Behandlung<br />
zu ebnen. Dies erfordert grosse<br />
Patientenregister, genetische Datenbanken,<br />
künstliche Intelligenz, präoperative<br />
Bildgebung und randomisierte Studien.<br />
Fazit<br />
Trotz einer relativen Stagnation während<br />
fast der Hälfte des 20. Jahrhunderts steht<br />
offensichtlich ein goldenes Zeitalter für<br />
die Behandlung des Glaukoms an. Dank<br />
der Entwicklung von neuen Technologien<br />
zur besseren Diagnose der Krankheit<br />
und der besseren Zugänglichkeit zur<br />
24-Stunden-Überwachung des Augeninnendrucks,<br />
zur klareren Identifikation der<br />
Ursachen und dank der Zunahme der verfügbaren<br />
Mittel zur Senkung des Augeninnendrucks,<br />
mit weniger Nebenwirkungen<br />
und geringeren Auswirkungen auf die Lebensqualität<br />
der Patienten, könnte jeder<br />
Bereich in diesem Fachgebiet in den<br />
nächsten Jahren grosse Entwicklungen<br />
erleben.<br />
Mit Unterstützung der Swiss Glaucoma<br />
Research Foundation.<br />
Referenzen<br />
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et al. MIGS: Minimally Invasive<br />
Glaucoma Surgery. EyeRounds.org.<br />
posted September 27, 2017;<br />
Abrufbar unter: http://EyeRounds.<br />
org/tutorials/MIGS/<br />
42<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Aus der «Praxis» *<br />
Das<br />
«gefährliche»<br />
EKG<br />
The “Dangerous” ECG<br />
Gian Flury, Innere Medizin und Kardiologie, Ospidal, Gesundheitszentrum Unterengadin, Scuol<br />
Das 12-Ableitungs-EKG ist eine heute auch mobil verfügbare,<br />
einfach und schnell durchführbare, kostengünstige<br />
Diagnostik. Mit modernen portablen Geräten<br />
oder in Defibrillatoren integrierter Software<br />
kann sie auch ausserhalb der Arztpraxis und Klinik, z.B. beim<br />
Hausbesuch oder im Rettungswagen, eingesetzt werden. Viele<br />
Rettungsdienste übermitteln zudem ein am Einsatzort aufgezeichnetes<br />
EKG elektronisch an die nachbehandelnden Klinikärzte,<br />
die aufgrund dieses Befundes erste Behandlungsentscheide<br />
treffen können. Diese Übersicht möchte den klinischen<br />
Blick schärfen für einige ausgewählte EKG-Pathomorphologien,<br />
die (vielleicht) weniger bekannt, aber typisch für vital bedrohliche<br />
Erkrankungen sind. Diese zu erkennen kann dem Arzt helfen,<br />
zusammen mit der Anamnese und der klinischen Präsentation<br />
des Patienten frühzeitig die richtige Verdachtsdiagnose zu<br />
stellen, eine erste prognostische Einschätzung vorzunehmen<br />
Im Artikel verwendete Abkürzungen<br />
ACS Acute Coronary Syndrome<br />
ARVC Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie<br />
EKG Elektrokardiogramm<br />
ICD Implantable Cardioverter Defibrillator<br />
NPV Negative Predictive Value<br />
PPV Positive Predictive Value<br />
RIVA Ramus interventricularis anterior<br />
RVOT Right Ventricular Outflow Tract<br />
SCD Sudden Cardiac Death/plötzlicher Herztod<br />
STEMI ST-Elevation Myocardial Infarction<br />
TdP Torsades de Pointes<br />
WPW Wolf-Parkinson-White-Syndrom<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der «Praxis» <strong>2019</strong>; 108 (1): 45–52.<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-Mitglieder können die «Praxis» zu äusserst günstigen<br />
Konditionen abonnieren. Details siehe unter<br />
www.hogrefe.ch/downloads/vsao.<br />
und ohne Verzug adäquate diagnostische und therapeutische<br />
Massnahmen einzuleiten.<br />
Koronare Herzkrankheit<br />
Während ST-Streckenhebungen als Ausdruck einer transmuralen<br />
Myokardischämie (ST-Elevation Myocardial Infarction, STEMI)<br />
allgemein bekannt und meist einfach zu erkennen sind, präsentiert<br />
sich ein Teil der Patienten mit akutem Koronarsyndrom<br />
(ACS) mit anderen Morphologien der Repolarisation oder des<br />
QRS-Komplexes, die ebenfalls auf ein hohes Risiko hinweisen<br />
und deren Behandlung eine hohe Dringlichkeit aufweist.<br />
Hauptstammstenose, Stenose oder Verschluss des<br />
proximalen RIVA<br />
Bei Patienten mit diesen Koronarpathologien können elektrokardiografisch<br />
anstelle der konvexen ST-Streckenhebungen «nur»<br />
geringer ausgeprägte und weniger auffällige Veränderungen der<br />
ST-Strecke und/oder der T-Welle nachweisbar sein und die prognostisch<br />
relevante Diagnose erschweren.<br />
Das De-Winter-EKG zeigt typischerweise 0,1–0,3 mV unterhalb<br />
des J-Point abgehende aszendierende ST-Senkungen in<br />
einer oder mehreren Vorderwandableitungen (V1–V6), die in erhöhte<br />
symmetrische T-Wellen übergehen (Abb. 1). Ein Teil der<br />
Patienten zeigt einen R-Verlust und eine Knotenbildung im absteigenden<br />
Schenkel des QRS-Komplexes (Abb. 2a). Bei vielen<br />
dieser Patienten besteht zudem eine ST-Hebung von 0,1–0,2 mV<br />
in aVR. Typisch ist, dass sich diese Repolarisationsstörungen im<br />
akuten Verlauf kaum verändern (Abb. 2b), im Gegensatz zur<br />
Dynamik beim ST-Hebungsinfarkt. Korrelat dieses EKG-Musters<br />
ist in den meisten Fällen ein akuter proximaler RIVA-Verschluss<br />
mit ausgedehnter Vorderwandischämie [1].<br />
Das Wellens-EKG Typ 1 (Abb. 3a) zeichnet sich aus durch negative<br />
T-Wellen meist in V1–V4, ohne signifikante ST-Hebungen.<br />
Beim Wellens Typ 2 (Abb. 3b) sind die T-Wellen biphasisch (termi-<br />
VSA/ASMAC Journal 5/19 43
Perspektiven<br />
Der posteriore Myokardinfarkt<br />
Der posteriore Myokardinfarkt ist ein transmuraler Infarkt ohne<br />
ST-Hebung in den konventionellen 12-kanaligen EKG-Ableitungen.<br />
Typisch sind deszendierende ST-Senkungen von ≥0,05 mV in<br />
V1–V3 und terminal positive T-Wellen (Abb. 4). Letztere erlauben<br />
die Abgrenzung gegenüber einer nicht-transmuralen Vorderwandischämie.<br />
Ursache ist meist ein proximaler Verschluss des Ramus<br />
circumflexus der linken Kranzarterie. Die zusätzlichen Ableitungen<br />
V7–V9 können beim posterioren Infarkt ST-Hebungen,<br />
also einen STEMI zeigen. Da es sich um eine akute transmurale<br />
Ischämie handelt, ist das gleiche Manage ment wie bei einem akuten<br />
STEMI angezeigt.<br />
Abbildung 1. De-Winter-EKG. Aszendierende ST-Senkungen V1–V4 und<br />
«ischämische», an der Spitze leicht abgerundete T-Wellen bei einem<br />
Patienten mit subtotaler proximaler RIVA-Stenose.<br />
nal negativ). Beide Muster stellen dynamische, ineinander übergehende<br />
frühe Ischämiezeichen dar und werden zunehmend<br />
häufiger beobachtet, weil bei Verdacht auf ein ACS bereits beim<br />
ersten Kontakt des Rettungsdienstes zuhause oder in der Ambulanz<br />
frühzeitig EKG-Aufzeichnungen erfolgen. Die Patienten berichten<br />
über typische pektanginöse Beschwerden, die auch intermittierend<br />
sein können. Perfiderweise kann es während Schmerzphasen<br />
zu einer Pseudonormalisierung der negativen T-Wellen<br />
anterior kommen, sodass das EKG in dieser Phase als normal<br />
imponiert. In Kenntnis dieser EKG- Dynamik sind bei Patienten<br />
mit Thoraxschmerzen kurzfristige EKG-Verlaufskontrollen wichtig.<br />
Kardiale Biomarker sind initial oft negativ. Korrelat des Wellens-EKG<br />
ist eine hochgradige proximale RIVA-Stenose. Die Prognose<br />
solcher Patienten ist kritisch. Unerkannt und unbehandelt<br />
kommt es im Verlauf oft zu einem ausgedehnten akuten Vorderwandinfarkt<br />
[2].<br />
Der inferiore Myokardinfarkt mit Rechtsherzbeteiligung<br />
Ursache eines inferioren Myokardinfarktes ist in 80–90 % ein proximaler<br />
Verschluss der rechten Koronararterie, in den übrigen<br />
Fällen des Ramus circumflexus bei linksdominanter Koronarversorgung<br />
[3]. Bei ca. 40 % der inferioren Myokardinfarkte kommt<br />
es zu einer Ischämie und Nekrose des rechtsventrikulären Myokards<br />
[4, 5]. Da der rechte Ventrikel nur 1/6 der Muskelmasse des<br />
linken hat und über das interventrikuläre Septum direkt mechanisch<br />
und hämodynamisch mit dem muskelstarken linken Ventrikel<br />
interagiert, kann eine rechtsventrikuläre Ischämie rasch<br />
zum Rechtsherzversagen mit kardiogenem Schock führen. Es ist<br />
es deshalb prognostisch und therapeutisch wichtig, beim ACS eine<br />
Rechtsherzbeteiligung zu erfassen. Eine solche erhöht – unabhängig<br />
von der Ausdehnung der linksventrikulären Ischämie –<br />
das Risiko maligner Arrhythmien sowie von kardiogenem Schock<br />
und Tod um den Faktor >3 [4, 5]. Neben klinischen Hinweisen<br />
(Trias: Hypotonie, fehlende Lungenstauung, erhöhter Halsvenendruck)<br />
ist das EKG diagnostisch wegweisend. Ist die ST-Hebung<br />
in Ableitung III grösser als in II (Abb. 5a), spricht dies für<br />
einen Verschluss der rechten Koronararterie (Sensitivität 90 %,<br />
Spezifität 71 %, Positive Predictive Value, PPV 94 %) [3]. Bei jedem<br />
Patienten mit ST-Hebungen in den inferioren Ableitungen empfehlen<br />
die Guidelines der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie<br />
(ESC) zusätzliche rechtsventrikuläre Ableitungen V4r–V6r<br />
[6]. Zeigen diese eine ST-Hebung von ≥0,10 mV (Abb. 5b), ist ein<br />
Rechtsherzinfarkt hochwahrscheinlich (Sensitivität 79 %, Spezifität<br />
100 %, PPV 100 %) [3]. Therapeutische Konsequenz ist, neben<br />
der möglichst raschen Einleitung von Reperfusionsmassnah-<br />
Abbildung 2a und 2b. Patient mit intermittierenden Thoraxschmerzen. R-Verlust und Knotenbildung im absteigenden Schenkel des QRS-Komplexes in<br />
V2. Hohe T-Welle. Das Verlaufs-EKG nach 14 Stunden (Abb. 2b) zeigt nur geringe Dynamik mit leichter ST-Hebung in aVR. Koronarangiografisch<br />
Nachweis einer subtotalen distalen Hauptstammstenose.<br />
44<br />
5/19 VSA/ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Abbildung 3a. Wellens EKG Typ 1. T-Negativität V2–V5. 65-jähriger Mann<br />
mit intermittierendem retrosternalem Druckgefühl. hsTroponin nicht<br />
erhöht. Koronarangiografie: hochgradige proximale RIVA-Stenose.<br />
Abbildung 3b. Wellens EKG Typ 2. Terminal negative T-Wellen in V2,<br />
V4–V5, negative T-Welle in V3. 48-jähriger Mann mit belastungsabhängigem<br />
thorakalem Engegfühl. hsTroponin nicht erhöht. Koronarangiografie:<br />
hochgradige proximale RIVA-Stenose.<br />
men, keine Vorlast senkenden Medikamente (Nitroglycerin, Diuretika)<br />
zu verabreichen und den rechtsventrikulären Preload<br />
durch Volumenzufuhr zu optimieren (Frank-Starling-Mechanismus)<br />
[6].<br />
Das EKG bei akuter hämodynamisch relevanter<br />
Lungenembolie<br />
In der Diagnostik der Lungenembolie wird dem EKG eine geringe<br />
Sensitivität nachgesagt. Oft zitierte EKG-Pathomorphologien<br />
sind ein SIQIII-Muster (McGinn-White-Zeichen) und ein neu aufgetretener<br />
kompletter Rechtsschenkelblock (RSB). Weniger bekannte,<br />
aber sensitive und unabhängige Prediktoren für Schock<br />
und Tod sind T-Negativierungen in V1–V4 (PPV 93 %; Negative<br />
Predic tive Value, NPV 65 %) (Abb. 6a) und ST-Hebungen in I und/<br />
oder aVR [7–9]. Je mehr Ableitungen mit negativen T-Wellen und<br />
je grösser deren Amplitude, desto schlechter die Prognose [8, 9].<br />
In 50 % der Fälle sind die T-Negativitäten assoziiert mit einer<br />
T-Inversion in den Ableitungen II, III und aVF (Abb. 6b). Diese<br />
Konstellation von negativen T-Wellen gleichzeitig in den anterioren<br />
und inferioren Ableitungen tritt bei Koronarsyndromen nur<br />
selten auf und spricht für das Vorliegen von Lungenembolien<br />
(Sensitivität 90 %, Spezifität 97 %; Abb. 6b) [10]. Differenzialdiagnostisch<br />
ist bei dieser EKG-Morphologie an eine Takotsubo-Kardiomyopathie<br />
zu denken.<br />
Abbildung 4. Akuter Posteriorer Myokardinfarkt. ST-Senkungen V1–V5<br />
mit typischer terminal positiver T-Welle. Koronarangiografisch proximaler<br />
Verschluss des Ramus circumflexus.<br />
Das Hyperkaliämie-EKG<br />
Das Risiko von Hyperkaliämien ist bei Patienten mit Herz- und<br />
Niereninsuffizienz erhöht. Nachdem die RALES-Studie [11] 1999<br />
zeigte, dass die Zugabe von Spironolacton zur üblichen Therapie<br />
bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz deren Mortalität um<br />
30 % reduziert, wurde dieses nach Publikation der Studie bei solchen<br />
Patienten routinemässig eingesetzt. So fand sich Ende 2001<br />
in Ontario ein 4,4-facher Anstieg der Spironolacton-Verschreibungen<br />
[12]. In der gleichen Zeitspanne kam es jedoch auch zu<br />
einem 4,5-fachen Anstieg der Hospitalisationsrate wegen Hyperkaliämie<br />
und zu 73 zusätzlichen Todesfällen [12]. Der bei Abb. 7<br />
geschilderte Fall zeigt beispielhaft die Problematik dieser wirksamen,<br />
aber auch potenziell gefährlichen Kombination von<br />
ACE-Hemmern mit Spironolacton oder Eplerenone. Der verschreibende<br />
Arzt hat eine Kontrollpflicht und muss den Patienten<br />
über Risikosituationen (z.B. Diarrhö) informieren.<br />
Eine Hyperkaliämie führt zu verschiedenen EKG-Veränderungen.<br />
Erstes Zeichen sind meist spitzhohe T-Wellen, danach<br />
kommt es zu einer Zunahme der PQ-Zeit, Verlust der P-Wellen,<br />
zunehmender Bradykardie, progredienter Verbreiterung und Deformierung<br />
des QRS-Komplexes (Abb. 7, Abb. 8) und schliesslich<br />
Kammerflimmern. Im Gegensatz zum breiteren, an der Spitze<br />
leicht abgerundeten Erstickungs-T beim ACS sind die T-Wellen<br />
bei der Hyperkaliämie spitz und schmal gleichschenkelig. Es besteht<br />
keine gute Korrelation des Serumkaliumspiegels mit dem<br />
Ausmass der EKG-Veränderungen und dem Arrhythmierisiko.<br />
Bei akutem Auftreten der Elektrolytstörung ist das Arrhythmierisiko<br />
grösser. Anamnestische Hinweise (u.a. Herz- und Niereninsuffizienz,<br />
Medikation mit Spironolacton und ACE-Hemmern,<br />
Diarrhö, Erbrechen) sowie die beschriebenen EKG-Veränderungen<br />
sollen an eine Hyperkaliämie denken lassen und Anlass<br />
sein, diese zu suchen.<br />
Spezielle Breitkomplextachykardien<br />
Torsades de Pointes bei langem QT-Syndrom<br />
Lebensbedrohliche ventrikuläre Tachykardien vom Typ Torsades<br />
de Pointes (TdP) (Abb. 9a) treten bei verlängerter QTc–Zeit<br />
(Abb. 9b) und bei Bradykardien als Folge eines spontanen, hochgradigen<br />
atrioventrikulären Blocks auf [23]. Letztere können sowohl<br />
durch fragmentierte Potenziale aus dem rechtsventrikulären<br />
Apex wie auch durch frühe Nach depolarisationen ausgelöst<br />
werden [23]. Häufigste Ursache für eine akquirierte QTc-Zeit-Ver-<br />
VSA/ASMAC Journal 5/19 45
Perspektiven<br />
Abbildungen 5a und 5b. 54-jähriger Patient mit akutem inferiorem Myokardinfarkt und Rechtsherzbeteiligung. Tachykardes Vorhofflimmern. Signifikante<br />
ST-Hebungen in II, III und aVF. Die in III ausgeprägtere ST-Hebung spricht für einen Verschluss der rechten Koronararterie [4], die ST-Hebung in<br />
der Zusatzableitung V4r für eine Rechtsherzischämie [3–6].<br />
Abbildungen 6a und 6b. 70-jährige Patientin mit retrosternalem Druckgefühl und Dyspnoe. Abb. 6a zeigt T-Negativitäten in V2–V4. Im Verlaufs-EKG<br />
eine Stunde später massiv zunehmende T-Negativitäten anterior und neu auch inferior und lateral (Abb. 6b). Computertomografisch Nachweis<br />
zentraler Lungenembolien beidseits. Atypisch für hämodynamisch wirksame Lungenembolien ist die in Abb. 6b normokarde Herzfrequenz, in diesem<br />
Fall bedingt durch eine ausgeprägte vagale Stimulation bei starker Nausea nach Morphingabe. In der Regel sind Patienten mit Lungenembolien<br />
tachykard.<br />
Abbildung 7. Patient mit schwerer koronarer Herzkrankheit und EF 33 %<br />
unter Medikation mit Spironolacton 50 mg/d und Enalapril 2 × 20 mg/d.<br />
Eine Gastroenteritis führte zu einer prärenalen akuten Niereninsuffizienz<br />
(Kreatinin 270 μmol/l) mit schwerer Hyperkaliämie (Kalium 6,8 mmol/l).<br />
Das EKG zeigt stark verbreiterte plumpe QRS-Komplexe, teilweise<br />
fehlende P-Wellen und eine Bradykardie von 38/min. Der Patient war im<br />
kardiogenen Schock.<br />
Abbildung 8. 91-jähriger Patient mit schwerer Niereninsuffizienz (eGFR<br />
25 ml/min/1,73 m2) nach NSAR-Einnahme. Schwere Hyperkaliämie<br />
(Kalium 7,8 mmol/l). Das EKG zeigt stark verbreiterte plumpe QRS-Komplexe,<br />
fehlende P-Wellen, eine Bradykardie und kurze Pausen.<br />
46<br />
5/19 VSA/ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Abbildung 9a. Patient unter Dauermedikation mit Methadon und Citalopram, der wegen einer Gastroenteritis mit Metoclopramid und Ondansetron<br />
behandelt wurde. Er musste wegen einer Kammertachykardie vom Typ Torsades de Pointes (Abb. 9a) reanimiert und defibrilliert werden. Ursächlich<br />
war eine medikamenteninduzierte, massiv verlängerte QTc-Zeit (642 ms; Abb. 9b) begünstigt durch eine Hypokaliämie als Folge des Erbrechens.<br />
längerung ist die Einnahme gewisser Medikamente oder von Medikamentenkombinationen.<br />
Man geht davon aus, dass bei etwa<br />
einem Drittel der Patienten mit akquiriertem langem QT-Syndrom<br />
eine genetische Prädisposition vorliegt [13]. Die häufigsten<br />
zu einer QTc-Verlängerung führenden Pharmaka sind Antibiotika<br />
(Chinolone, Makrolide), Antimykotika, Antidepressiva, Antipsychotika,<br />
Antiarrhythmika, Antihistaminika sowie gewisse<br />
Onkologika. Eine umfassende Übersicht bietet die Datenbank<br />
www.crediblemeds.com. Interaktionsprüfungsprogramme können<br />
bei elektronischer Medikamentenverordnung über eine Verknüpfung<br />
mit dieser Datenbank die verschriebenen Medikamente<br />
überprüfen und den Verschreiber vor einem erhöhten Risiko<br />
von TdP warnen [14]. Bei Verordnung solcher Medikamente gehört<br />
es zur Sorgfaltspflicht des Arztes, diese Nebenwirkung zu<br />
kennen und die QTc-Zeit davor und im Verlaufe der Behandlung<br />
zu kontrollieren. Bei Zunahme der QTc-Zeit um mehr als 60 ms<br />
oder einer QTc-Verlängerung über 500 ms besteht ein zwei- bis<br />
dreifach erhöhtes Risiko für TdP, und es müssen sofort geeignete<br />
Schutzmassnahmen getroffen werden (u.a. EKG-Monitoring, Absetzen<br />
ursächlicher Medikamente, Korrektur von Dyselektrolytämien<br />
und triggernden Bradykardien) [15]. Prädisponierend für<br />
das Auftreten von TdP sind weibliches Geschlecht, Alter über<br />
65 Jahre, Bradykardie, Herz- und Niereninsuffizienz, Hypokaliämie<br />
und Hypomagnesiämie [15]. Eine Ausnahme betrifft die Medikation<br />
mit Amiodaron. Dieses verlängert typischerweise die<br />
QTc-Zeit, wobei es jedoch nur sehr selten (550 ms<br />
werden Dosisreduktion oder Absetzen von Amiodaron empfohlen.<br />
Schwierigkeiten bereitet die QTc-Berechnung bei Blockbildern.<br />
Für die Block-modifizierte QT-Zeit (QTmod) wird folgende<br />
Formel vorgeschlagen: QTmod = QTb – QRSb/2, wobei QTb die<br />
effektiv gemessene QT-Zeit und QRSb/2 die Hälfte der effektiv<br />
gemessenen Breite des Block-QRS darstellen [17]. Alternativ kann<br />
das JT-Intervall gemessen werden, für dessen Berechnung die<br />
Formel nach Hodges oder Nomogramme verwendet werden können<br />
[24].<br />
Abbildung 9b. Massiv verlängerte QTc-Zeit (642 ms).<br />
Tachykardes Vorhofflimmern bei Wolff-Parkinson-White<br />
Syndrom – eine gefährliche Kombination: «Fast – Broad – Irregular»<br />
Bei bis zu 25 % der Patienten mit WPW leitet die akzessorische<br />
Bahn nur retrograd, sodass im Ruhe-EKG keine Deltawelle sichtbar<br />
und das WPW bei asymptomatischen Patienten nicht erkennbar<br />
ist («concealed» WPW). Liegt eine Deltawelle als Zeichen der<br />
ventrikulären Präexzitation vor, stellt sich die Frage der prognostischen<br />
Wertigkeit dieses Befunds. Die Prävalenz akzessorischer<br />
atrio-ventrikulärer Leitungsbahnen bei unter 50-Jährigen wird<br />
auf 0,36/1000 bis 0,61/1000 geschätzt und das damit assoziierte<br />
Risiko des plötzlichen Herztods (SCD) auf 0,15–0,24 % innerhalb<br />
von 10 Jahren [18, 19]. Bei 50 % ist der plötzliche Herztod die Erstmanifestation<br />
eines WPW. Wichtigste Risikofaktoren für den SCD<br />
bei Patienten mit WPW sind ein sehr kurzes RR-Intervall von<br />
≤250 ms (entspricht einer Herzfrequenz von 240/min) bei spontanem<br />
oder induziertem Vorhofflimmern (Abb. 10), die Anamnese<br />
einer symptomatischen Tachykardie und das Vorliegen eines<br />
(seltenen) familiären/hereditären WPW. Das Vorhofflimmern<br />
kann bei ungebremster antidromer atrio-ventrikulärer Überleitung<br />
über die akzessorische Bahn zu sehr hohen Ventrikelfrequenzen,<br />
malignen ventrikulären Arrhythmien und zum Tod<br />
führen. Bei einer irregulären Breitkomplextachykardie ist differenzialdiagnostisch<br />
immer an ein WPW mit Vorhofflimmern zu<br />
Abbildung 10. Patient mit WPW und tachykardem Vorhofflimmern. FBI:<br />
«Fast – Broad – Irregular»; z.T. sehr kurze RR-Intervalle von ≦250 ms. Das<br />
EKG wurde freundlicherweise von Frau Prof. C. Brunckhorst, Universitäres<br />
Herzzentrum, zur Verfügung gestellt.<br />
VSA/ASMAC Journal 5/19 47
Perspektiven<br />
denken. Merke: Fast – Broad – Irregular (FBI). Prädiktoren für ein<br />
niedriges Risiko eines SCD beim WPW sind intermittierende Präexzitation<br />
im Ruhe-EKG und abruptes Verschwinden der Präexzitation<br />
im Belastungs-EKG. In Beobachtungsstudien von bis zu<br />
acht Jahren Dauer fanden sich bei bis zu 9 % der asymptomatischen<br />
Patienten mit WPW ein malignes Vorhofflimmern (RR-Interval<br />
≤250 ms) und bei bis zu 2 % Kammertachykardien [19]. Da<br />
eine sichere Risikovorhersage nicht möglich ist und die Prävalenz<br />
des Vorhofflimmerns mit zunehmendem Alter stark steigt, empfehlen<br />
die amerikanischen Guidelines auch bei asymptomatischen<br />
Patienten eine elektrophysiologische Risikostratifizierung<br />
und bei erhöhtem Risiko eine Frequenzablation der akzessorischen<br />
Bahn. Diese kann die Arrhythmieinzidenz um 90 % senken<br />
[19].<br />
Abbildung 11. Tachykardie aus dem rechtsventrikulären Ausflusstrakt.<br />
Pathognomonisch ist die Kombination von Linksschenkelblockbild und<br />
Steillagetyp. Bei der Sportlerin wurde erst im Verlauf eine ARVC<br />
diagnostiziert und ein ICD implantiert.<br />
Rechtsventrikuläre Kammertachykardie<br />
Beim Begriff Kammertachykardie denken die meisten an solche<br />
aus dem linken Ventrikel. Tachykardien aus dem rechten Ventrikel<br />
führen im EKG zu einem Linksschenkelblockbild, da in diesem<br />
Fall die Erregung des linken Ventrikels von rechts her über das<br />
Myokard und nicht über den linken Tawaraschenkel erfolgt.<br />
Stammt die Tachykardie aus dem rechtsventrikulären Ausflusstrakt<br />
(RVOT), führt die Erregungsausbreitung nach inferior zu<br />
einer elektrischen Steillage. Diese Kombination ist pathognomisch<br />
für RVOT-Tachykardien (Abb. 11). Getriggert werden sie<br />
typischerweise durch adrenerge Stimulation bei physischem<br />
(Sport) und psychischem Stress. Die Akuttherapie besteht in der<br />
i.v. Gabe von Betablockern oder Calciumantagonisten (Verapamil).<br />
Bei Auftreten von rechtsventrikulären Tachykardien ist an<br />
das Vorliegen einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardio-<br />
Abbildung 12. Ruhe-EKG mit Sinusrhythmus eines Patienten mit ARVC. Epsilon-Welle in V2–V5. Das EKG wurde freundlicherweise von PD Dr. med.<br />
Ardan M. Saguner, Universitäres Herzzentrum Zürich, zur Verfügung gestellt.<br />
48<br />
5/19 VSA/ASMAC Journal
Perspektiven<br />
myopathie (ARVC) zu denken. Deren Inzidenz wird auf 1:2000 bis<br />
1:5000 geschätzt [20]. Ca. 50 % der Patienten haben eine positive<br />
Familienanamnese, wobei wegen der inkompletten Penetranz<br />
und limitierten phänotypischen Manifestation die Prävalenz der<br />
überwiegend autosomal dominant vererbten ARVC klinisch unterschätzt<br />
wird. Pathologisches Korrelat ist ein fibrös-fettiger<br />
Myokardumbau mit frühestem Auftreten subtrikuspidal und im<br />
RVOT, dann auch im posterolateralen Segment des linken Ventrikels.<br />
Diese Umbauzonen sind Foci für die Entstehung maligner,<br />
vorwiegend rechtsventrikulärer Arrhythmien. Das Ruhe-EKG<br />
kann Repolarisationsstörungen, insbesondere negative T-Wellen<br />
in den Ableitungen V1–V4 (85 %), einen verzögerten Anstieg der<br />
S-Zacke (≥55 ms) in V1–V3 und eine Epsilon-Welle (bis zu 20 %) in<br />
der frühen Repolarisationsphase aufweisen (Abb. 12) [21, 22]. Die<br />
ARVC ist eine der häufigsten Ursachen für den plötzlichen Herztod<br />
bei jungen Menschen und Athleten. Zur Prävention des SCD<br />
werden Defibrillatoren (ICD) implantiert.<br />
Zusammenfassung<br />
Diese Minireview möchte den mit kardialen Notfällen konfrontierten<br />
Arzt auf einige spezielle EKG-Pathomorphologien beim<br />
akuten Koronarsyndrom und der Lungenembolie sowie auf maligne<br />
Arrhythmien bei Hyperkaliämie, hochgradigem AV-Block<br />
mit Bradykardie, Medikamenteninduzierter QTc-Verlängerung,<br />
beim WPW und bei arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie<br />
aufmerksam machen. Deren Nichterkennung und eine<br />
daraus resultierende Nicht- oder Fehlbehandlung können<br />
schwerwiegende Konsequenzen für den Patienten und den Arzt<br />
(Haftpflichtfolgen) haben.<br />
Kontakt<br />
Dr. med. Gian Flury<br />
Facharzt für Innere Medizin & Kardiologie FMH<br />
Gesundheitszentrum Unterengadin<br />
Via da l›Ospidal 280<br />
7550 Scuol<br />
gian.flury@cseb.ch<br />
Manuskript eingereicht: 02.10.2018<br />
Manuskript akzeptiert: 16.10.2018<br />
Interessenskonflikt: Der Autor erklärt, dass keine Interessenskonflikte<br />
bestehen.<br />
Zusammenfassung<br />
Diese Übersicht möchte den mit kardialen Notfällen konfrontierten<br />
Arzt auf einige spezielle EKG-Pathomorphologien beim<br />
akuten Koronarsyndrom und der Lungenembolie sowie auf<br />
maligne Arrhythmien bei Hyperkaliämie, medikamenteninduzierter<br />
QTc-Verlängerung, beim WPW und bei arrhythmogener<br />
rechtsventrikulärer Kardiomyopathie aufmerksam machen.<br />
Deren Nichterkennung und eine daraus resultierende Nichtoder<br />
Fehlbehandlung können schwerwiegende Konsequenzen<br />
für den Patienten und den Arzt (Haftpflichtfolgen) haben.<br />
Schlüsselwörter: Elektrokardiogramm, akutes Koronarsyndrom,<br />
Lungenembolie, WPW, QTc-Zeit-Verlängerung, rechtsventrikuläre<br />
Kammertachykardie<br />
Key messages<br />
• Bei pektanginösen Beschwerden und spezifischen Repolarisationsstörungen<br />
(aszendierende ST-Senkungen mit hoher<br />
T-Welle oder negative T-Wellen in V1–V4 , ST-Hebung in aVR)<br />
ist ursächlich an hochgradige Stenosen oder einen Verschluss<br />
von Hauptstamm oder proximalen RIVA zu denken.<br />
• Zeigt das EKG negative T-Wellen sowohl in V1–V4 wie auch in<br />
den inferioren Ableitungen, ist bei entsprechender Klinik an<br />
hämodynamisch wirksame Lungenembolien zu denken.<br />
• Eine QTc-Zeit-Verlängerung über 500ms erhöht das Risiko für<br />
maligne Kammertachykardien vom Typ Torsades de Pointes<br />
um das 2–3-fache. Häufigster Grund dafür ist die Einnahme ge -<br />
wisser Medikamente oder von Medikamentenkombinationen.<br />
• Ist beim inferioren STEMI die ST-Hebung in III > II, spricht<br />
dies für einen Verschluss der RCA. Besteht zudem eine ST-Hebung<br />
in der Zusatzableitung V4r, weist dies auf einen Rechtsherzinfarkt<br />
und ein erhöhtes Risiko für einen kardiogenen<br />
Schock hin.<br />
• Bei irregulärer Breitkomplextachykardie (FBI) ist an das<br />
Vorliegen eines WPW mit antidromer Leitung bei Vorhofflimmern<br />
zu denken.<br />
• Eine Breitkomplextachykardie mit Linksschenkelblockbild<br />
und Steillagetyp entsteht im rechtsventrikulären Ausflusstrakt.<br />
Es ist an das mögliche Vorliegen einer ARVC zu denken.<br />
Lernfragen<br />
1. Welche EKG-Veränderungen weisen auf das Vorliegen einer<br />
hochgradigen proximalen RIVA-Stenose oder eines akuten<br />
proximalen RIVA-Verschlusses hin? (Mehrfachauswahl)<br />
a) Deszendierende ST-Streckensenkungen in V1–V4<br />
b) Negative T-Wellen in V1–V4<br />
c) Aszendierende ST-Streckensenkungen mit hoher T-Welle<br />
in V1–V4<br />
d) R-Verlust in V2 und Knotung im absteigenden Schenkel<br />
des QRS<br />
e) ST-Hebung in aVR<br />
2. Beim akuten inferioren Myokardinfarkt mit Rechtsherzbeteiligung<br />
… (Mehrfachauswahl)<br />
a) … ist das Risiko eines kardiogenen Schocks signifikant<br />
erhöht.<br />
b) … sind im EKG die ST-Hebungen in Ableitung II grös ser als<br />
in Ableitung III.<br />
c) … finden sich im EKG ST-Hebungen in Ableitung V4rechts.<br />
d) … finden sich im EKG ST-Senkungen in V4rechts.<br />
e) … sollten frühzeitig Diuretika und Nitrate verabreicht<br />
werden.<br />
3. Folgende Aussagen sind richtig:<br />
a) Bei der Hyperkaliämie korrelieren die EKG-Veränderungen<br />
mit dem Serumkaliumspiegel.<br />
b) Häufigste Ursache von malignen Kammertachykardien<br />
vom Typ Torsades de Pointes ist eine<br />
QT-Zeit-Verlängerung.<br />
c) Beim WPW findet sich immer eine Delta-Welle im EKG als<br />
Korrelat einer akzessorischen AV- Leitungsbahn.<br />
d) Patienten mit WPW und strukturell gesundem Herzen<br />
haben keine erhöhte Mortalität.<br />
e) Bei Breitkomplextachykardien mit Linksschenkelblockbild<br />
und Steillagetyp ist an das mögliche Vorliegen einer<br />
arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyo pathie zu<br />
denken.<br />
VSA/ASMAC Journal 5/19 49
Perspektiven<br />
Résumé<br />
Cette mini-vue vise à alerter les médecins confrontés avec des<br />
urgences cardiaques de certaines pathomorphologies spécifiques<br />
de l’ECG dans les syndromes coronariens aigus et les<br />
embolies pulmonaires, ainsi que les arythmies malignes dans<br />
l’hyperkaliémie, la prolongation de l’intervalle QTc induite par<br />
des médicaments, le syndrome de WPW et la cardiomyopathie<br />
ventriculaire droite arythmogène. Leur non-reconnaissance et<br />
le non-traitement ou les mauvais traitements qui en résultent<br />
peuvent avoir des conséquences graves pour le patient et le<br />
médecin (conséquences en termes de responsabilité).<br />
Mots-clé: Electrocardiogramme, syndrome coronaire aigu,<br />
embolie pulmonaire, syndrome de WPW, QTc prolongé, tachycardie<br />
ventriculaire droite<br />
Abstract<br />
This review aims to draw the attention of physicians confronted<br />
with cardiac emergencies to some specific ECG pathomorphologies<br />
in acute coronary syndrome and pulmonary<br />
embolism, as well as to malignant arrhythmias in hyperkalemia,<br />
drug-induced QTc prolongation, WPW, and arrhythmogenic<br />
right ventricular cardiomyopathy. If they are not<br />
detected the resultant failure to treat or incorrect treatment<br />
can have serious consequences for the patient and the doctor<br />
(liability consequences).<br />
Keywords: Electrocardiogram, acute coronary syndrome,<br />
pulmonary embolism, WPW, QTc time extension, right ventricular<br />
ventricular tachycardia<br />
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2012; 17: 268–276.<br />
Antworten zu den Lernfragen:<br />
Antworten b), c), d) und e) sind<br />
richtig.<br />
Antworten c) und c) sind richtig.<br />
Antworten b) und e) sind richtig.<br />
50<br />
5/19 VSA/ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Bild: zvg<br />
Der besondere Patient<br />
Tsororo darf<br />
nicht weinen<br />
Das linke Auge tränte heftig,<br />
die Conjunktiven wirkten<br />
durch die Rötung und<br />
Schwellung wie pralle Wurststränge.<br />
Die Patientin rieb sich das Auge<br />
bei jeder Gelegenheit an der armseligen<br />
Einrichtung der Innenstallung. «Wollen<br />
Sie das Auge nicht aus der Nähe anschauen<br />
und untersuchen, Herr Doktor?» Die<br />
scheue Frage des zuständigen Tierpflegers<br />
war so logisch wie fordernd.<br />
Die Patientin war «Tsororo», das<br />
weibliche Spitzmaulnashorn im Zoologischen<br />
Garten Frankfurt. Zum Zeitpunkt<br />
der Erkrankung war die junge Dame bei<br />
einer flotten Körpermasse von geschätzten<br />
1200 kg angekommen. Spitzmaulnashörner<br />
gelten allgemein als sensibel,<br />
empfindlich, scheu, aggressiv und frei<br />
von Furcht; ganz im Gegensatz zu ihren<br />
Verwandten, den Breitmaulnashörnern.<br />
Also gemeinhin kein Patient, dem man<br />
einfach Anweisungen geben kann wie:<br />
«Legen Sie den Kopf nach hinten und<br />
schauen Sie direkt in meine Lampe, bitte<br />
nicht bewegen …»<br />
Normalerweise ist in einem solchen<br />
Fall die Entscheidung für eine Vollnarkose<br />
mit all ihren möglichen Komplikationen<br />
schnell getroffen. Dies ist vermutlich<br />
einer der grössten Unterschiede zur<br />
Humanmedizin oder zur Veterinärmedizin<br />
bei Haustieren. Bei unkooperativen,<br />
gefährlichen Wildtieren ist die Indikation<br />
zur Distanzimmobilisation mit Blasrohr<br />
oder Gewehr schnell gegeben. Und doch,<br />
irgendwie hat man in Fällen wie dem<br />
obigen ein Gefühl der Unangemessenheit<br />
und des unnötigen Risikos beim Gedanken<br />
an eine umgehende Narkose.<br />
Genau dieses Gefühl der Unangemessenheit<br />
hatte mich bereits ein Jahr zuvor,<br />
kurz nach der Ankunft von Tsororo in<br />
Frankfurt veranlasst, mit ihr zu trainieren.<br />
Bei ihren damaligen geschätzten<br />
500 kg schien mir das Risiko eingrenzbar.<br />
Täglich fütterte ich das Nashorn aus der<br />
Hand, mit Karotten – what else. Nach<br />
einiger Zeit begann ich Tsororo am Kopf<br />
zu berühren, dann am Hals, dann am Ohr<br />
und dann kam der grosse Tag. Zwischen<br />
den Gittern schlüpfte ich in die Innenstallung,<br />
direkt neben das Nashorn,<br />
welches mit stoischer Geduld am Ort<br />
verharrte, nur den Kopf zu mir drehte,<br />
um die Karotte zu empfangen. Dieses<br />
tägliche Training erlaubte dann die<br />
manuelle Untersuchung aller Körperoberflächen<br />
einschliesslich des Rektalisierens.<br />
Und wegen dieses Trainings tolerierte<br />
das Nashorn die Untersuchung<br />
seines Auges, die Entfernung des Fremdkörpers,<br />
einer Strohgranne, und die<br />
manuelle Applikation von antibiotischen<br />
Augentropfen. Nach drei Tagen Lokaltherapie<br />
war Tsororo symptomfrei und nach<br />
fünf Tagen wurde die Behandlung<br />
beendet. Das hier geschilderte medizinische<br />
Training ist Courant normal bei<br />
vielen Wildtierarten im Zoo. Es hat nichts<br />
mit Showeffekten zu tun, sondern<br />
bewahrt den potenziellen Patienten doch<br />
vor der einen oder anderen Anästhesie<br />
und den mit dieser verbundenen Risiken.<br />
Prof. Dr. med. vet. Bernd Schildger,<br />
Direktor Tierpark Dählhölzli Bern<br />
Die Fallberichte stammen aus Bernd Schildgers<br />
Zeit als Tierarzt im Zoo Frankfurt.<br />
Spitzmaulnashorn Tsororo, ca. 1200 kg, beim medizinischen Karottentraining mit dem Autor<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 51
MEDISERVICE<br />
Der Arztberuf unterlag aufgrund der<br />
besonderen Verantwortung bereits in der<br />
Antike ethischen Regeln. Vieles davon ist<br />
in die heutige Gesetzgebung eingeflossen.<br />
Der Gang in die Praxis (5)<br />
Von Rechten und<br />
Pflichten<br />
Ärztinnen und Ärzte unterliegen bei ihrer Berufsausübung<br />
einer Reihe von Gesetzen; die meisten davon dienen in erster Linie dem<br />
Schutz der Patienten.<br />
Patrick Halter, Dipl. med., MBA EM Lyon, Vorstandsmitglied MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Bild: Adobe<br />
52<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
MEDISERVICE<br />
Aufgrund der hohen beruflichen<br />
Verantwortung ist der<br />
Arztberuf einer Vielzahl gesetzlicher<br />
Bestimmungen unterworfen.<br />
Die Regelungen sollen insgesamt<br />
sicherstellen, dass ein Arzt über die<br />
erforderliche Aus- und Weiterbildung verfügt,<br />
sich fortbildet und dieses Wissen<br />
sorgfältig und gewissenhaft anwendet.<br />
Oft ist der niedergelassene Arzt selbstständig<br />
tätig, weshalb die Vorschriften<br />
über die Berufspflichten in der Ausübung<br />
privatwirtschaftlicher Tätigkeit grundlegend<br />
sind. Diese fussen im Bundesgesetz<br />
über die universitären Medizinalberufe<br />
(MedBG), welches den kantonalen Gesetzen<br />
gegenüber Vorrang hat.<br />
Die Standesordnungen der FMH und<br />
der kantonalen Ärztegesellschaften hingegen<br />
haben privatrechtlichen Charakter,<br />
sie bilden in gewisser Weise einen Vertrag<br />
mit ihren Mitgliedern, sind aber nicht Gesetz<br />
und dürfen gesetzlichen Bestimmungen<br />
auch nicht widersprechen. Im Falle<br />
eines rechtlichen Verfahrens können die<br />
teilweise detaillierten Standesordnungen<br />
aber von beteiligten Parteien zur Auslegung<br />
der geltenden Gesetze und Verordnungen<br />
herangezogen werden.<br />
Praxisbewilligung<br />
Um in der privaten Praxis tätig zu werden,<br />
ist eine kantonale Bewilligung erforderlich.<br />
Diese berechtigt lediglich zur Berufsausübung<br />
im Kanton. Die Anerkennung durch<br />
die Krankenkassen mit entsprechender<br />
Leistungsvergütung ist eine separate Sache.<br />
Die Voraussetzungen zur kantonalen Praxisbewilligung<br />
(meist Berufsausübungsbewilligung<br />
genannt) ergeben sich aus den<br />
MedBG und verlangen kumulativ:<br />
• eidgenössisches oder als gleichwertig anerkanntes<br />
ausländisches Arztdiplom<br />
• eidgenössischer oder als gleichwertig anerkannter<br />
ausländischer Weiterbildungstitel<br />
(Facharzt)<br />
• Vertrauenswürdigkeit (guter Leumund)<br />
• physische und psychische Voraussetzung<br />
zur einwandfreien Berufsausübung<br />
• Kenntnis der am jeweiligen Ort gesprochenen<br />
Amtssprache resp. Landessprache<br />
• Berufliche Tätigkeit von mindestens drei<br />
Jahren an einem Schweizer Spital.<br />
Die Praxisbewilligung kann durch die<br />
kantonal zuständigen Stelle auch entzogen<br />
werden. Dies, wenn sich etwa herausstellt,<br />
dass die Erteilung unter falschen<br />
Voraussetzungen erfolgte oder diese nicht<br />
mehr gegeben sind.<br />
Der Staat führt ein sogenanntes Medizinalberuferegister,<br />
welches öffentlich als<br />
Webdienst zugänglich ist. Das Register<br />
umfasst Qualifikationen und erteilte Bewilligungen<br />
(z.B. Praxisapotheke), aber<br />
auch allfällig verfügte disziplinarische<br />
Massnahmen wie etwa den Bewilligungsentzug:<br />
www.medregom.admin.ch.<br />
Berufspflichten<br />
Das Medizinalberufegesetz benennt auch<br />
die ärztlichen Berufspflichten:<br />
– Sorgfältige sowie gewissenhafte Berufsausübung:<br />
Kunstgerechte Behandlung<br />
des Patienten nach bestem Wissen und<br />
Gewissen. Kennen der eigenen Kompetenzen<br />
und Grenzen.<br />
– Lebenslange Fortbildung: Nicht zu verwechseln<br />
mit der Fortbildungspflicht<br />
der Fachgesellschaften (Credits).<br />
– Wahrung der Patientenrechte: Insbesondere<br />
das Selbstbestimmungsrecht der<br />
Patienten (ob und wie behandeln) sowie<br />
das Informationsrecht (Aufklärung und<br />
Rechenschaft über Behandlung).<br />
– Interessenwahrung bei Kooperation und<br />
Zusammenarbeit: Insbesondere das Verbot<br />
der persönlichen Bereicherung (z.B.<br />
Einweisungsprämie für neue Patienten<br />
etc.).<br />
– Schweigepflicht: Die Schweigepflicht gilt<br />
für alle Informationen, die während der<br />
Ausübung der beruflichen Tätigkeit einem<br />
mitgeteilt oder in Erfahrung gebracht<br />
wurden. In begründeten Fällen<br />
kann der Arzt davon abweichen.<br />
– Notfallpflicht: Teilnahme an kantonal<br />
organisierten Notfalldiensten sowie Beistandspflicht<br />
in Notfallsituationen.<br />
– Haftpflicht: Verpflichtung zu einer dem<br />
Fach- und Tätigkeitsbereich angepassten<br />
Haftpflichtversicherung oder einer<br />
sonstigen ausreichenden Deckung.<br />
– Werbung: Insbesondere der Verzicht auf<br />
vergleichende und heilsversprechende<br />
Aussagen.<br />
Diese im eidgenössischen Medizinalberufegesetz<br />
festgelegten Pflichten können<br />
durch weitere kantonale und standesrechtliche<br />
Pflichten ergänzt werden, sofern<br />
letztere dem MedBG nicht widersprechen.<br />
Weiterführende Informationen finden<br />
sich auch in der Publikation «Rechtliche<br />
Grundlagen im medizinischen Alltag»,<br />
herausgegeben von der Schweizerischen<br />
Akademie der Medizinischen Wissenschaften<br />
und der FMH.<br />
Die Serie zum<br />
Praxisstart<br />
Unsere kleine Serie beleuchtet kurz<br />
einige Problemfelder rund um den<br />
Praxisstart. Weitaus ausführlichere<br />
Informationen, Kontaktadressen,<br />
Stellungnahmen usw. zu den Themen<br />
rund um die Praxis finden Sie im<br />
Praxis-Paket.<br />
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Sie<br />
können das Praxis-Paket kostenlos<br />
unter folgendem Link bestellen: www.<br />
mediservice-vsao.ch/praxis-paket. Auf<br />
dieser Seite können Sie auch jederzeit<br />
die einzelnen Kapitel herunterladen,<br />
die Interviews lesen oder via Download<br />
anhören und sich für Updates<br />
registrieren.<br />
Letzte Folge:<br />
• Kommunikation und Marketing<br />
(Ausgabe 6/19)<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 53
Unser Beratungspartnernetz<br />
für Treuhand, Versicherungen, Vorsorge<br />
Schweizweit in Ihrer Nähe<br />
BERATUNGSSTELLEN für Versicherungs-, Vorsorge- und Finanzberatung<br />
Allcons AG 4153 Reinach Assidu 2363 Montfaucon, 2800 Delémont, 1205 Genève, 6903 Lugano BTAG Versicherungsbroker<br />
AG 3084 Wabern UFS Insurance Broker AG 8810 Horgen VM-F Frank insurance brokers GmbH<br />
9300 Wittenbach Vorsorge Wirz 4058 Basel<br />
TREUHANDPARTNER für Finanzbuchhaltung, Steueroptimierung, Wirtschaftsberatung<br />
B+A Treuhand AG 6330 Cham Brügger Treuhand AG 3097 Liebefeld/Bern contrust finance ag 6004 Luzern<br />
GMTC Treuhand & Consulting AG 9014 St. Gallen Kontomed Treuhand AG 8807 Freienbach LLK Treuhand AG<br />
4052 Basel Mehr-Treuhand AG 8034 Zürich Quadis Treuhand AG 3952 Susten Sprunger Partner AG 3006 Bern<br />
W&P AG Treuhand Steuern Wirtschaftsprüfung 7001 Chur<br />
Alle Beratungspartner finden Sie auch online oder rufen Sie uns an.<br />
Für unsere Mitglieder ist ein einstündiges Erstgespräch zur gezielten Bedürfnisabklärung kostenlos.<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Telefon 031 350 44 22<br />
info@mediservice-vsao.ch<br />
www.mediservice-vsao.ch
MEDISERVICE<br />
Briefkasten<br />
Ärger über<br />
den Wolken<br />
Ich habe bei einer deutschen<br />
Airline für ein verlängertes<br />
Wochenende einen Flug von<br />
Zürich nach Barcelona gebucht.<br />
Leider wurde der Aufenthalt zum<br />
Albtraum, weil zuerst der Flug fünf<br />
Stunden Verspätung hatte und ich bei<br />
der Ankunft feststellen musste, dass<br />
das Gepäck verloren ging. Habe ich<br />
Anspruch auf Entschädigung bei einer<br />
Verspätung und bei Verlust des Gepäcks?<br />
Im Anwendungsbereich der EU-Fluggastverordnung<br />
kann von der ausführenden<br />
Airline eine Ausgleichsentschädigung<br />
verlangt werden. Sie findet Anwendung<br />
bei Abflügen aus EU-Staaten, aus der<br />
Schweiz, aus Norwegen und Island.<br />
Ebenso bei Ankünften auf Flughäfen<br />
dieser Staaten, wenn eine schweizerische,<br />
AXA-ARAG<br />
bietet MEDISERVICE-Mitgliedern eine<br />
Rechtsschutzversicherung zu sehr<br />
vorteilhaften Konditionen an. Haben<br />
Sie noch weitere Fragen? Kontaktieren<br />
Sie MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC unter<br />
Telefon 031 350 44 22 oder per Mail<br />
info@mediservice-vsao.ch.<br />
norwegische, isländische oder EU-Fluggesellschaft<br />
den Flug durchführt. Bezüglich<br />
der Höhe gilt:<br />
– EUR 250 pro Passagier bei Flügen bis zu<br />
1500 km ab drei Stunden Verspätung<br />
– EUR 400 pro Passagier bei Flügen über<br />
1500 km innerhalb der EU und anderen<br />
Flügen zwischen 1500 und 3500 km ab<br />
drei Stunden Verspätung<br />
– EUR 600 bei Flügen über 3500 km<br />
ausserhalb der EU ab vier Stunden<br />
Verspätung.<br />
Unter Umständen haben die Passagiere<br />
ein Recht auf kostenlose Mahlzeiten,<br />
Getränke, Telekommunikation und,<br />
falls erforderlich, eine Unterkunft. Auch<br />
bei einer kurzfristigen Annullation des<br />
Fluges haben Sie das Recht auf Ausgleichszahlungen<br />
und Betreuungsleistungen.<br />
Bei Verlust, Beschädigung oder<br />
Verspätung von Ihrem Gepäck können Sie<br />
Schadenersatz verlangen. Damit eine<br />
Fluggesellschaft schadenersatzpflichtig<br />
wird, ist es wichtig, dass Sie Ihren<br />
Schaden konkret nachweisen und<br />
beziffern können. Eine Pauschalentschädigung<br />
existiert nicht. Die Fluggesellschaft<br />
kann sich von der Schadenersatzpflicht<br />
befreien, wenn sie alle<br />
zumutbaren Massnahmen zur Vermeidung<br />
des Schadens getroffen hat. Die<br />
Schadenmeldung bei beschädigtem<br />
Gepäck hat innert sieben Tagen schriftlich<br />
zu erfolgen. Bei verspätetem Reisegepäck<br />
innert 21 Tagen seit der Gepäckaufgabe.<br />
Anerkennt die Fluggesellschaft Ihren<br />
Entschädigungsanspruch nach der<br />
EU-Fluggastverordnung nicht, können<br />
Ihnen spezialisierte Fluggastrechteportale<br />
wie cancelled.ch oder flightright.de<br />
weiterhelfen. Bei erfolgreicher Durchsetzung<br />
Ihrer Entschädigung erhalten Sie<br />
die Ihnen zustehende Entschädigungssumme<br />
abzüglich der Erfolgsprovision<br />
der spezialisierten Fluggastrechtsportale<br />
von 20 bis 30 Prozent. Des Weiteren<br />
können Sie sich via Onlineformular beim<br />
BAZL (Bundesamt für Zivilluftfahrt) über<br />
die Airline beschweren.<br />
Andreas Gick,<br />
Teamleiter<br />
Rechtsdienst<br />
AXA-ARAG<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 55
Unsere Angebote – Ihre Vorteile<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC hat mit folgenden Unternehmen Zusammenarbeitsverträge<br />
abgeschlossen und kann deren Versicherungslösungen anbieten:<br />
Allianz Suisse<br />
• Motorfahrzeugversicherung<br />
• Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung<br />
• Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherung<br />
• Geschäftsversicherung<br />
• Gebäudeversicherung<br />
• Technische Versicherung<br />
• Krankentaggeldversicherung<br />
• Unfallversicherung UVG<br />
• UVG-Zusatzversicherung<br />
Helvetia<br />
• Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherung<br />
• Geschäftsversicherung<br />
• Technische Versicherung<br />
ZURICH<br />
• Motorfahrzeugversicherung<br />
• Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung<br />
• Gebäudeversicherung<br />
• Reiseversicherung<br />
• Krankentaggeldversicherung<br />
Visana<br />
• Unfallversicherung UVG<br />
• UVG-Zusatzversicherung<br />
• Krankentaggeldversicherung<br />
AXA-ARAG<br />
• Rechtsschutzversicherung (Privat-, Verkehrs- und Berufsrechtsschutz)<br />
Innova<br />
• Krankentaggeldversicherung<br />
Schweizerische Ärzte-Krankenkasse<br />
• Krankentaggeldversicherung / Invaliditäts-Taggeld<br />
Assura · Concordia · Sanitas · Swica · Visana<br />
• Krankenzusatzversicherungen<br />
Versicherung der Schweizer Ärzte Genossenschaft<br />
• Lebensversicherung<br />
Nutzen Sie unsere Kooperationspartner und profitieren Sie von<br />
den Vorteilen und Rabatten.<br />
Falls Sie bereits eine Versicherung bei einer der oben genannten Versicherungen besitzen,<br />
dann prüfen Sie einen Übertritt in unsere Kollektivverträge. Wir unterstützen Sie gerne dabei.<br />
Für Auskünfte wenden Sie sich bitte an:<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Telefon 031 350 44 22<br />
info@mediservice-vsao.ch
MEDISERVICE<br />
Krankheitsfall =<br />
Lohnausfall?<br />
Stefan Z. arbeitet als Assistenzarzt an der Dermatologischen<br />
Abteilung des Kantonsspitals Bern. Er hat einen auf ein Jahr<br />
befristeten Arbeitsvertrag; in rund zwei Monaten ist der Wechsel in<br />
ein anderes Spital in Zürich geplant – dieses wird die letzte<br />
Station seiner Weiterbildung sein. Plötzlich fällt er wegen Krankheit<br />
am Arbeitsplatz aus.<br />
Rafael Girbés, Verkaufsberater Key Account, innova Versicherungen AG<br />
Beruflich, aber auch privat<br />
läuft alles rund für Stefan Z.<br />
Seit einigen Monaten ist er<br />
Vater einer kleinen Tochter.<br />
Da fällt Stefan Z. wegen eines Bandscheibenvorfalls<br />
an seinem Arbeitsplatz aus;<br />
eine Operation ist unumgänglich. Die<br />
Prognose über seine Genesungszeit ist<br />
unsicher.<br />
Plötzlich ist die Planung der nahen<br />
Zukunft von Stefan Z. und seiner Familie<br />
ungewiss. Der Chefarzt der Orthopädie<br />
teilt Stefan mit, dass er mit einer Genesungszeit<br />
und dahingehenden Arbeitsunfähigkeit<br />
von mindestens fünf Monaten<br />
rechnen muss. Ein Schock für Stefan. Wie<br />
geht es weiter mit seiner Laufbahnplanung?<br />
Zum Glück kommen für ihn zu den<br />
beruflichen Ängsten nicht auch noch finanzielle<br />
Sorgen. Das Kantonsspital zahlt<br />
ihm – gemäss geltender gesetzlicher<br />
Lohnfortzahlungspflicht – seinen Lohn<br />
bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
in zwei Monaten.<br />
Da er glücklicherweise eine Lohnausfallversicherung<br />
mit variabler Wartefrist<br />
abgeschlossen hat, übernimmt sein Versicherer<br />
seinen Lohnausfall während der<br />
verbleibenden drei Monate seiner Genesungszeit.<br />
Da er in dieser Zeit bei seinem<br />
neuen Arbeitgeber im Kanton Zürich (mit<br />
anderer gesetzlicher Lohnfortzahlungspflicht)<br />
gearbeitet hätte, kann er seine individuelle<br />
Wartefrist dank seiner Versicherung<br />
bei innova einfach anpassen. So<br />
ist seine wirtschaftliche Existenz bis zur<br />
Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit gesichert<br />
und es entstehen keine finanziellen<br />
Engpässe für Stefan Z. und seine Familie.<br />
Massgeschneiderte Versicherung<br />
Zum Schutz von Ärzten mit einem befristeten<br />
Arbeitsvertrag hat MEDISERVICE<br />
<strong>VSAO</strong>-ASMAC in Zusammenarbeit mit einer<br />
Partnerversicherung die bestmögliche<br />
Vorsorge im Falle einer Krankheit * erarbeitet<br />
(siehe Kasten). Die einzigartige Versicherungslösung<br />
mit einer variablen<br />
Wartefrist passt sich der Lohnfortzahlung<br />
Innova<br />
des jeweiligen Arbeitgebers an und garantiert,<br />
dass das Einkommen des Arztes in<br />
den ersten zwei Jahren einer Arbeitsunfähigkeit<br />
gesichert ist. Dies gilt auch bei Beendigung<br />
des Arbeitsverhältnisses infolge<br />
eines befristeten Arbeitsvertrages. Die<br />
Versicherungslösung ist exklusiv für Mitglieder<br />
von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC.<br />
* Im Falle eines Unfalles gelten die Bestimmungen<br />
des UVG (Bundesgesetz über die obligatorische<br />
Unfallversicherung).<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC und die innova Versicherungen arbeiten seit vielen<br />
Jahren erfolgreich zusammen. Ihr Mehrwert als Mitglied bei MEDISERVICE: attraktive<br />
Prämien in der Lohnausfallversicherung und ein optimaler Versicherungsschutz während<br />
der gesamten Berufslaufbahn – sei es als angestellter Arzt oder als selbstständiger<br />
Praxisinhaber! MEDISERVICE hat zusammen mit innova eine einzigartige Lohnausfallversicherung<br />
entwickelt, welche sich an der jeweiligen Lohnfortzahlung des Arbeitgebers/Spitals<br />
anpasst und garantiert, dass das Einkommen während der ersten zwei<br />
Jahre einer Arbeitsunfähigkeit gesichert ist.<br />
Sind Sie interessiert an dieser innovativen Versicherungslösung? Kontaktieren Sie<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC unter Telefon 031 350 44 22 oder per E-Mail info@mediservice-vsao.ch.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 57
MEDISERVICE<br />
Sich für Neues<br />
entscheiden<br />
Im Leben erwarten uns täglich neue Heraus forderungen.<br />
Manche können wir ohne Probleme meistern, andere verlangen uns<br />
etwas mehr ab. Wie wir am besten damit umgehen und was das Neue in<br />
uns auslöst, erklärt uns Andrea Waldispühl, Coach aus Luzern.<br />
Quelle: CONCORDIA, Kundenmagazin CARE, Ausgabe März <strong>2019</strong><br />
Frau Waldispühl, wir alle begegnen<br />
im Leben immer wieder<br />
neuen Situationen. Wie gehen<br />
wir am besten damit um?<br />
Wir brauchen das Neue im Leben, um zu<br />
lernen, uns persönlich zu entwickeln und<br />
zu wachsen. Ohne Neues hätten wir Stillstand.<br />
Die meisten von uns werden durch<br />
das Neue jedoch verunsichert, oder es<br />
löst Stress aus. Es ist darum nur natürlich,<br />
dass wir lieber am Altbekannten<br />
festhalten. Wie wir mit Neuem umgehen,<br />
ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich.<br />
Resilienz, das heisst Eigenschaften<br />
wie Belastbarkeit, Flexibilität<br />
und Anpassungsfähigkeit, helfen aber<br />
nachweislich.<br />
Gibt es bestimmte<br />
Bewältigungsstrategien?<br />
Wir brauchen unser Herz und unseren<br />
Verstand – das Wollen und das Können,<br />
um uns auf Neues einzulassen. Oft hindern<br />
uns nicht die äusseren Umstände<br />
oder fehlenden Fähigkeiten, neue Wege zu<br />
gehen, sondern eine innere Blockade wie<br />
zum Beispiel ein limitierender Glaubenssatz<br />
wie «Dafür bin ich nicht gemacht».<br />
Ob wir das Neue als etwas Positives<br />
oder Negatives sehen, ist eine persönliche<br />
Bewertung. Gerade bei schwierigen Nachrichten<br />
suchen wir nach einem Schuldigen.<br />
Wir machen uns entweder selbst Vorwürfe<br />
oder wir suchen die Schuld woanders<br />
und rutschen in die Opferrolle. In<br />
diesem (inneren) Kampf bleibt allerdings<br />
die Energie fürs Vorankommen blockiert.<br />
Jede neue Situation bietet uns drei Reaktionsmöglichkeiten,<br />
wobei wir immer eine<br />
Wahl haben!<br />
1. Ich kann lernen, die Situation anzunehmen<br />
und ihr etwas Positives abgewinnen.<br />
2. Ich kann die Situation so verändern,<br />
dass ich ihr etwas Positives abgewinnen<br />
kann.<br />
3. Ich kann die Situation verlassen.<br />
Mit einer Entscheidung gegen etwas<br />
Neues handeln wir auch selbstverantwortlich<br />
und entkommen so der Opferrolle.<br />
Es gibt natürlich auch Situationen, die<br />
man nicht einfach verlassen kann …<br />
Ja, es gibt Situationen, die uns akut so<br />
überwältigen, dass wir sie weder akzeptieren<br />
noch verändern können. Und schliesslich<br />
können wir sie auch äusserlich nicht<br />
verlassen. Dann hilft es, eine innere Distanz<br />
zur Situation zu schaffen. In diesen<br />
Momenten helfen Methoden aus der Achtsamkeitspraxis.<br />
Es gibt einfache Übungen<br />
wie zum Beispiel für ein paar Atemzüge<br />
den Fluss des eigenen Atems zu beobachten.<br />
Oder Sie versuchen ganz bewusst den<br />
Boden unter Ihren Füssen zu spüren. Je<br />
mehr Aufmerksamkeit Sie in den Körper<br />
bringen, umso weniger sind Sie Ihren Gedanken<br />
ausgeliefert. Das schafft Distanz,<br />
wenigstens für diesen kurzen Moment.<br />
Und wenn ich nun das Neue suche,<br />
wie gehe ich es am besten an?<br />
Wir brauchen ein attraktives Bild von unserer<br />
Zukunft, eine Vision. Spitzensportler<br />
nutzen diese mentale Vorbereitung, bevor<br />
sie an den Start gehen. Visualisieren Sie<br />
das Ziel. Machen Sie einen Sprung in die<br />
Zukunft und stellen Sie sich vor, wie sich<br />
das Leben anfühlen wird, wenn Sie das<br />
Neue erreicht haben. Und dann planen Sie<br />
den ersten kleinen Schritt dahin und danach<br />
den nächsten.<br />
Vielen Dank, Frau Waldispühl, für das<br />
Gespräch und Ihre Tipps.<br />
Lesen Sie das ganze Interview unter<br />
www.concordia.ch/magazin in der Rubrik<br />
«Leben».<br />
Andrea Waldispühl<br />
Andrea Waldispühl ist Business Coach<br />
für Privatpersonen und Unternehmen<br />
in Luzern. Sie unterstützt Fach- und<br />
Führungspersonen bei Herausforderungen<br />
im Berufsalltag.<br />
www.ready-coaching.ch<br />
58<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
MEDISERVICE<br />
Wenn die Welt ins<br />
Wanken gerät<br />
Beim Gang in die Praxis sind viele wichtige Aspekte zur berücksichtigen.<br />
Dabei stehen Fragen zur Absicherung der Risiken bei Krankheit<br />
und Unfall nicht an erster Stelle. Dass diese Fragen wichtig sind, zeigt<br />
folgendes Beispiel.<br />
BTAG Versicherungsbroker AG, Sprunger & Partner AG, Brügger Treuhand AG<br />
Frau Dr. M. hat beruflich viel erreicht.<br />
Ihre Weiterbildung hat<br />
sie vor einigen Jahren erfolgreich<br />
abgeschlossen und als Angestellte<br />
in einer Praxis konnte sie so einiges<br />
an Erfahrung sammeln. In einem<br />
nächsten Schritt will Frau Dr. M. selbstständig<br />
werden und eine eigene Arztpraxis<br />
eröffnen.<br />
Bild: Adobe<br />
Euphorie und Planung<br />
Das Projekt nimmt bald konkrete Formen<br />
an. Gespräche mit dem Partner und der<br />
Familie verlaufen positiv, die Idee wird<br />
von allen Seiten unterstützt. Freundinnen<br />
und Kollegen, denen Frau Dr. M. von ihrem<br />
Projekt erzählt, bekräftigen sie. Hie<br />
und da wird ein Einwand betreffend das<br />
Risiko für das unsichere Einkommen ausgesprochen.<br />
Frau Dr. M. konzipiert ihr Geschäftsmodell,<br />
analysiert den Bedarf, stellt die<br />
Investitionen zusammen und macht ein<br />
Budget für die ersten Jahre. Ein vorbildlicher<br />
Businessplan entsteht. Für die Standortsuche<br />
und für die Einrichtung der<br />
Räumlichkeiten wird viel Zeit aufgewendet.<br />
Die Erarbeitung des Auftrittes mit<br />
Briefpapier, Broschüre und im Internet<br />
nimmt ebenfalls viele Stunden in Anspruch.<br />
Bewerbungsgespräche mit zwei in<br />
Teilzeit angestellten MPA verlaufen positiv,<br />
und beide werden angestellt. Für Spezialfragen<br />
wie die Buchführung und die<br />
Anmeldung bei der Ausgleichskasse hat<br />
Frau Dr. M. sich punktuell bei einem Treuhänder<br />
erkundigt.<br />
Ein plötzlicher Schicksalsschlag kann alles zum Einsturz bringen. Die richtigen Versicherungslösungen<br />
können die Folgen jedoch wesentlich reduzieren.<br />
Doppeltes Entsetzen und<br />
Rückschläge<br />
Ein knappes Jahr nach der Aufnahme der<br />
selbständigen Erwerbstätigkeit stellt man<br />
bei Frau Dr. M. einen Tumor fest. Eine<br />
Operation und Nachfolgebehandlungen<br />
werden notwendig. Ihre Patienten kann<br />
Frau Dr. M. an Kollegen überweisen. Ihre<br />
eigene Behandlung nimmt jedoch mehrere<br />
Monate in Anspruch, während derer<br />
Frau Dr. M. nicht arbeiten kann und die<br />
Praxis geschlossen bleibt. In dieser Zeit<br />
fehlen natürlich die Einnahmen, während<br />
die laufenden Kosten, insbesondere<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 59
Wir beraten Ärztinnen und Ärzte, weil wir sie gut verstehen.<br />
Lassen Sie sich von uns einen gratis Versicherungs-Check-Up<br />
verschreiben. Und danach sprechen wir über Ihre Personenversicherung,<br />
Sach- und Vermögensversicherung und Unfallversicherung.<br />
www.mediservice-vsao.ch
MEDISERVICE<br />
die Personalkosten sowie die Miete der<br />
Praxisräumlichkeiten, weiterhin zu bezahlen<br />
sind.<br />
Die Behandlung ist erfolgreich, hat<br />
aber mehrere Monate in Anspruch genommen,<br />
während derer Frau Dr. M. zu 100<br />
Prozent arbeitsunfähig war. Nun kann sie<br />
die Arbeit in reduziertem Umfang wieder<br />
aufnehmen und das Arbeitspensum während<br />
der Nachbehandlungen wieder<br />
Schritt für Schritt erhöhen, so es ihre Gesundheit<br />
zulässt. Das Vermögen von Frau<br />
Dr. M. ist mittlerweile jedoch aufgebraucht,<br />
und die Praxistätigkeit generiert<br />
wegen des reduzierten Arbeitspensums zu<br />
wenige Einnahmen, um die Lebenshaltungskosten<br />
zu decken. Zudem musste sie<br />
die Arbeitspensen der beiden MPA auf das<br />
Minimum reduzieren. Es gilt nun, die ursprüngliche<br />
Leistungsfähigkeit wieder zu<br />
erlangen und die Patienten zurückzugewinnen.<br />
Wird ihr das gelingen?<br />
Der gesundheitliche Schicksalsschlag<br />
hat Frau Dr. M. also auch in eine finanziell<br />
gefährliche Lage gebracht, welche durchaus<br />
das Potenzial hat, existenzbedrohlich<br />
zu sein. Was hat sie falsch gemacht?<br />
Ernüchterung und Erfahrungen<br />
Der Schritt in die Selbständigkeit wird<br />
sehr unterschiedlich und individuell angegangen.<br />
In der Regel macht man diesen<br />
Schritt nur einmal im Leben, entsprechend<br />
fehlen die eigenen Erfahrungen.<br />
Das führt dazu, dass der Aufwand an Zeit,<br />
Energie und Ressourcen oftmals unterschätzt<br />
wird. Neben der Begeisterung für<br />
die Sache haben dann die Fragen bezüglich<br />
der eigenen Absicherung wenig Platz<br />
oder werden aufgrund des nicht unerheblichen<br />
Kostenfaktors nicht ausreichend<br />
seriös behandelt. In dieser Konstellation<br />
sind vertrauenswürdige und erfahrene Berater<br />
wichtig. Die Risiken werden zwar oftmals<br />
bedacht, aber die Konsequenzen und<br />
die Eintrittswahrscheinlichkeit werden<br />
ohne externe Beratung unter Umständen<br />
unterschätzt. Insbesondere gilt es, nebst<br />
den Heilungskosten das Einkommen mittels<br />
Taggeld zu überbrücken, mit einer Kapitalrentenversicherung<br />
das investierte<br />
Vermögen im Todes- und Invaliditätsfall<br />
zu sichern und dabei die Massnahmen auf<br />
die individuelle Finanz- und Familiensituation<br />
abzustimmen.<br />
Zuversicht und Zukunft<br />
Frau Dr. M. hatte Glück im Unglück. Gesundheitlich<br />
konnte sie sich wieder erholen.<br />
Die betriebsnotwendigen Investitionen<br />
waren nicht so hoch, dass die Aufnahme<br />
von Fremdkapital notwendig gewesen<br />
wäre. Fordert die Kredit gebende Bank die<br />
Rückzahlungsraten ein, was sie regelmässig<br />
tut, verschärft sich dadurch die finanzielle<br />
Situation wesentlich. Zudem ist<br />
auch der Ehemann von Frau Dr. M. arbeitstätig<br />
und konnte die Familie in dieser Zeit<br />
unterhalten. Trotzdem bleibt für Frau Dr.<br />
M. ein Nachteil zurück, der zunächst nicht<br />
offensichtlich ist: Durch den Vorbezug aus<br />
der beruflichen Vorsorge, welcher Frau Dr.<br />
M. für den Aufbau der Praxis eingesetzt<br />
hat, hat sich das Alterskapital verringert<br />
und es gälte nun, dieses wieder aufzubauen.<br />
Vorderhand fehlt aber hierzu noch das<br />
Einkommen und mit den Jahren schwindet<br />
die Wahrscheinlichkeit, den Rückstand<br />
samt Verlust des Zinseszinses wieder aufholen<br />
zu können.<br />
Gewiss, das Unternehmerrisiko lässt<br />
sich nicht vollständig kontrollieren, aber<br />
die Folgen lassen sich mit einer geschickten<br />
Planung und den richtigen Versicherungslösungen<br />
wesentlich reduzieren, so<br />
dass der Schritt in die selbständige Erwerbstätigkeit<br />
nicht zu einem existenzbedrohlichen<br />
Vorhaben wird.<br />
Gerne unterstützen wir Sie bei Ihrem<br />
Vorhaben, eine eigene Praxis zu eröffnen.<br />
• BTAG Versicherungsbroker AG,<br />
www.btag-bern.ch<br />
• Sprunger & Partner AG,<br />
dsprunger@sd-service.ch<br />
• Brügger Treuhand AG,<br />
www.bruegger-treuhand.ch<br />
Anzeige<br />
Zusatzversicherungen künden?<br />
Erste Hilfe<br />
für Menschen mit<br />
letzter Hoffnung<br />
www.msf.ch<br />
PK 12-100-2<br />
Falls Sie über eine Zusatzversicherung zu Ihrer Krankenkasse verfügen (Krankenpflegeversicherung/<br />
Spital halbprivat bzw. privat) und mit einem Wechsel liebäugeln, müssen<br />
Sie die Kündigungsfristen beachten. Im Gegensatz zur Grundversicherung gelten<br />
andere, längere Fristen. In der Regel betragen diese Fristen drei bis sechs Monate.<br />
Zunehmend werden jedoch längere Vertragsdauern (mehrjährig) vereinbart. Daher<br />
sollte man rechtzeitig eine Überprüfung seiner Zusatzversicherung vornehmen. Eine<br />
Kündigung ist unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Frist jederzeit möglich.<br />
Im Gegensatz zur Grundversicherung sind die Leistungen in der Zusatzversicherung<br />
von Krankenkasse zu Krankenkasse verschieden. In der Zusatzversicherung können die<br />
Krankenkassen die Prämie risikogerecht, d.h. abgestuft nach Alter und Geschlecht,<br />
gestalten. Entsprechend dürfen Vorbehalte angebracht werden oder es kann eine Ablehnung<br />
erfolgen. Daher sollte man auf keinen Fall die bestehende Zusatzversicherung<br />
künden, ohne dass eine Aufnahmebestätigung des künftigen Versicherers vorliegt.<br />
Wir arbeiten mit zahlreichen Krankenversicherer zusammen und können Ihnen dank<br />
unsern Kollektivverträgen vorteilhafte Angebote unterbreiten.<br />
Für Auskünfte wenden Sie sich bitte an MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC, Tel. 031 350 44 22,<br />
info@mediservice-vsao.ch<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/19 61
Logo_Q-Publikation_D_2018_CMYK.pdf 1 03.04.18 11:40<br />
Impressum<br />
Kontaktadressen der Sektionen<br />
<strong>Nr</strong>. 5 • 38. Jahrgang • <strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong><br />
Herausgeber/Verlag<br />
AG<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der<br />
Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23,<br />
Fax 044 250 43 20<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88<br />
journal@vsao.ch, journal@asmac.ch<br />
www.vsao.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>VSAO</strong><br />
Redaktion<br />
Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />
Giacomo Branger, Franziska Holzner-Arnold,<br />
Kerstin Jost, Léo Pavlopoulos, Lukas Staub,<br />
Anna Wang, Sophie Yammine<br />
Geschäfts ausschuss <strong>VSAO</strong><br />
Anja Zyska (Präsidentin), Patrizia Kündig<br />
(Vize präsidentin), Angelo Barrile (Vizepräsident),<br />
Nora Bienz, Christoph Bosshard,<br />
Marius Suter, Dina-Maria Jakob, Helen<br />
Manser, Gert Printzen, Miodrag Savic, Sergio<br />
Sesia, Jana Siroka, Robin Walter (swimsa)<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />
Telefon +41 31 300 66 66<br />
info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />
Layout<br />
Tom Wegner<br />
Titelillustration<br />
Till Lauer<br />
Inserate<br />
Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />
Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />
Telefon 044 928 56 53<br />
E-Mail vsao@fachmedien.ch<br />
Auflagen<br />
Druckauflage: 22 700 Expl.<br />
WEMF/SW-Beglaubigung 2018: 21 893 Expl.<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />
Für <strong>VSAO</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />
inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 6/<strong>2019</strong> erscheint im Dezember<br />
<strong>2019</strong>.<br />
Thema: Generationen<br />
© <strong>2019</strong> by <strong>VSAO</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
BL/BS<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />
lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />
4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />
sekretariat@vsao-basel.ch, www.vsao-basel.ch<br />
BE <strong>VSAO</strong> Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />
info@vsao-bern.ch, www.vsao-bern.ch<br />
FR<br />
ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler,<br />
Wattenwylweg 21, 3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12,<br />
info@gkaufmann.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />
GR<br />
JU<br />
NE<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG,<br />
RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 078 880 81 64, info@vsao-gr.ch,<br />
www.vsao-gr.ch<br />
ASMAC Jura, 6, chemin des Fontaines, 2800 Delémont,<br />
marie.maulini@h-ju.ch<br />
ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier,<br />
Jurist, Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />
Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />
SG/AI/AR <strong>VSAO</strong> Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />
9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />
Surber@anwaelte44.ch<br />
SO<br />
TI<br />
TG<br />
VD<br />
VS<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der<br />
Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23,<br />
Fax 044 250 43 20<br />
ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />
segretariato@asmact.ch<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der<br />
Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23,<br />
Fax 044 250 43 20<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />
ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />
Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />
Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ZH/SH<br />
<strong>VSAO</strong> ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />
Geschäftsführerin, Rämistrasse 46, 8001 Zürich, Tel. +41 44 941 46 78,<br />
susanne.hasse@vsao-zh.ch, www.vsao-zh.ch<br />
Publikation<strong>2019</strong><br />
FOKUSSIERT<br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
62<br />
5/19 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
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