Handelsverband Journal RETAIL 1/2019
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— storys<br />
Übers Ziel hinaus und durch!<br />
UTP-Richtlinie durchgewunken. Die EU-Richtlinie, die ursprünglich<br />
kleine und mittelständische landwirtschaftliche Betriebe vor unlauteren<br />
Geschäftspraktiken schützen sollte, gilt nun plötzlich für (fast) alle –<br />
und enthält Nachteile für die Kleinen und Mittelgroßen.<br />
Foto: Shutterstock/Bildagentur Zoonar GmbH<br />
Es war eine lobenswerte Initiative:<br />
Auf EU-Ebene wurde im Vorjahr<br />
an einer Richtlinie zum Verbot von<br />
UTP (Unfair Trading Practices) in der<br />
Lebensmittelversorgungskette gearbeitet.<br />
Dadurch sollten kleine und mittelständische<br />
landwirtschaftliche Betriebe<br />
gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel<br />
(LEH) geschützt und ihre wirtschaftliche<br />
Position gestärkt werden. Kleine Produzenten<br />
haben gegenüber Großabnehmern<br />
eine naturgemäß schwache Verhandlungsposition<br />
– diese sei zu stärken, so<br />
die Grundüberlegung. So weit, so gut und<br />
sinnvoll.<br />
In der Endfassung der UTP-Richtlinie, die<br />
im Trilog zwischen EU-Kommission, -Rat<br />
und -Parlament beschlossen und kurz<br />
vor Weihnachten durchgewunken wurde,<br />
steht das aber anders drinnen: Da werden<br />
nämlich Unternehmen mit bis zu 350<br />
Millionen Euro Umsatz in den Schutzbereich<br />
miteinbezogen. In Österreich fallen<br />
circa 99 Prozent aller Lieferanten in diese<br />
Kategorie. Die Richtlinie gilt demnach<br />
nicht nur für KMU, sondern auch für die<br />
ziemlich Großen, und es stellt sich die<br />
Frage, warum ein Unternehmen dieser<br />
Größenordnung Anspruch auf besonderen<br />
Schutz haben sollte. Die Antwort<br />
gründet nicht unbedingt auf sachlichen<br />
Erwägungen: Druck kam von großen<br />
Produktionsbetrieben und vom Berichterstatter<br />
des Europäischen Parlaments.<br />
Ganz abgesehen davon treffen die sinnvollen<br />
Elemente der UTP-Richtlinie auf<br />
die österreichische Situation schon längst<br />
zu: Die heimischen Handelsunternehmen<br />
betrachten die Landwirte als Partner<br />
in der Versorgungskette und zählen<br />
überhaupt zu den europäischen Vorzeigebetrieben.<br />
Zur weiteren Erhöhung der<br />
Fairness hat der <strong>Handelsverband</strong> erst<br />
kürzlich gemeinsam mit dem Bundesministerium<br />
für Nachhaltigkeit und Tourismus<br />
eine Selbstverpflichtungserklärung<br />
vorgestellt, in der sich der Lebensmittelhandel<br />
freiwillig mit einer Branchenvereinbarung<br />
zum Fairnesskatalog der<br />
Bundeswettbewerbsbehörde bekennt.<br />
Sinnvolles wird für unzulässig erklärt<br />
Die UTP-Richtlinie in ihrer Endfassung<br />
enthält zwar durchaus einige vernünftige<br />
Bestimmungen – siehe Infobox<br />
rechts –, aber die Nachteile sind nicht zu<br />
übersehen. Die ursprüngliche Absicht,<br />
die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe<br />
zu schützen, ist darin nicht mehr zu<br />
erkennen.<br />
▪ Harald Sager<br />
Praktiken, die durch die<br />
UTP-Richtlinie unter<br />
anderem untersagt werden:<br />
• kurzfristige Stornierungen (Mindestfrist<br />
von 30 Tagen);<br />
• Nichteinhalten einer Zahlungsfrist<br />
von 60 Tagen für nicht verderbliche<br />
landwirtschaftliche Erzeugnisse und<br />
Lebensmittel und 30 Tagen für verderbliche<br />
Erzeugnisse;<br />
• die einseitige Änderung von Liefervereinbarungen<br />
über Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse;<br />
• das Verlangen von Zahlungen, die<br />
nicht im Zusammenhang mit dem<br />
Verkauf von Agrar- und Lebensmittelprodukten<br />
des Lieferanten stehen;<br />
• für die Verschlechterung oder den<br />
Verlust von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen<br />
auf dem Gelände des<br />
Käufers aufkommen zu müssen, die<br />
nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden<br />
des Lieferanten verursacht<br />
wurden;<br />
• die Verweigerung der schriftlichen<br />
Bestätigung einer Vereinbarung;<br />
• die missbräuchliche Verwendung<br />
von vertraulichen Informationen im<br />
Zusammenhang mit der Liefervereinbarung;<br />
• die Forderung nach einer Entschädigung<br />
vom Lieferanten für die Kosten<br />
der Bearbeitung von Beschwerden<br />
über die Erzeugnisse des Lieferanten,<br />
obwohl den Lieferanten kein Verschulden<br />
trifft;<br />
• das Ergreifen von oder Drohen mit Ver -<br />
geltungsmaßnahmen, wenn ein Lieferant<br />
von seinen vertraglichen bzw. gesetzlichen<br />
Rechten Gebrauch macht.<br />
April <strong>2019</strong> — 23