Mühlviertel Magazin November 2019
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24 | LOKALES <strong>November</strong> <strong>2019</strong> | GUUTE MAGAZIN<br />
„Der einzige<br />
Unterschied<br />
ist die Sprache“<br />
Oliver Jerney ist seit einigen Monaten<br />
Honorarkonsul in Budweis. Als solcher<br />
versucht er, die tschechischösterreichischen<br />
Beziehungen<br />
weiter zu verbessern.<br />
30 Jahre nach dem Fall des Eisernen<br />
Vorhangs ist das Grenzgebiet zwischen<br />
dem <strong>Mühlviertel</strong> und Südböhmen von<br />
einem Sorgenkind zum Musterschüler<br />
geworden. Die Wirtschaft läuft gut,<br />
die Beschäftigungsrate ist hoch, der<br />
Tourismus floriert. „Es ist wieder zusammengewachsen,<br />
was zusammengehört“,<br />
sagt Oliver Jerney. Der 46-jährige<br />
gebürtige Linzer arbeitet selbst seit<br />
18 Jahren am Raiffeisen-Standort in<br />
Budweis, spricht fließend Tschechisch<br />
und wohnt in einem renovierten Bauernhaus<br />
in Friedberg am Moldaustausee.<br />
So wie der Arbeitgeber von Jerney haben<br />
heute viele österreichische Unternehmen<br />
Standorte in Südböhmen, umgekehrt<br />
nutzen viele Tschechen<br />
Angebote auf dem österreichischen<br />
Arbeitsmarkt. „Die Betriebe auf beiden<br />
Seiten der Grenze sind gute Beispiele<br />
für die funktionierende grenzübergreifende<br />
Kooperation“, sagt<br />
Jerney. Und diese beschränke sich<br />
nicht nur auf das Berufsleben: „Die<br />
wirtschaftliche Verbindung ist auch<br />
ein Katalysator für das gesellschaftliche<br />
Zusammenleben.“ In seiner ehrenamtlichen<br />
Tätigkeit als Honorarkonsul<br />
ist ihm deshalb vor allem eines wichtig:<br />
Leute zusammenbringen, zu vernetzen,<br />
und damit die Zusammenarbeit<br />
weiter zu fördern.<br />
Deutsch wieder forcieren<br />
Ein großes Thema ist dabei die Sprache.<br />
„Die Sprache ist der einzige Unterschied.<br />
Denn von der Mentalität her<br />
sind die Menschen auf beiden Seiten<br />
der Grenze gleich“, sagt Jerney. Deutsch<br />
zu sprechen sei vor allem für Unternehmen<br />
im Grenzgebiet eine äußerst<br />
wichtige Qualifikation. Nachdem aber<br />
heutzutage auch in Tschechien Englisch<br />
die erste Fremdsprache ist, will<br />
Jerney Deutsch in den Schulen wieder<br />
mehr forcieren. „Wir arbeiten etwa mit<br />
dem Goethe-Institut in Budweis zusammen<br />
und versuchen auch, Lehrer in<br />
den Schulen zu motivieren, wieder<br />
mehr Deutsch zu unterrichten.“<br />
Temelin als schwieriges Thema<br />
So positiv sich die Beziehung zwischen<br />
den beiden Nachbarländern entwickelt<br />
hat, so gibt es dennoch auch schwierige<br />
Themen: Stichwort Temelin. Dass der<br />
geplante Ausbau in Österreich auf heftigen<br />
Widerstand stößt, ist für Jerney<br />
verständlich. „Es ist klar, dass es hier<br />
gewisse Ängste in Oberösterreich<br />
gibt.“ Für Tschechien würden die Ausbaupläne<br />
aber eine große Rolle bei der<br />
Umstellung der Energiepolitik spielen.<br />
Er hofft nach wie vor auf einen Kompromiss,<br />
mit dem beide Seiten leben<br />
können: „Es gibt eine Gesprächsbasis<br />
und laufende Gespräche. Miteinander<br />
reden ist das Wichtigste.“<br />
Speziell im Jubiläumsjahr des 30-jährigen<br />
Falls des Eisernen Vorhangs solle<br />
aber das Verbindende vor das Trennende<br />
gestellt werden, sagt Jerney. „Wir<br />
müssen den Blick in die Zukunft richten,<br />
sollen dabei aber unsere Vergangenheit<br />
nicht vergessen.“ ♦<br />
Zur Person<br />
Mag. Oliver Jerney (46) ist seit Juli<br />
<strong>2019</strong> österreichischer Honorarkonsul in<br />
Budweis. Seine „Bestallungsurkunde“<br />
wurde von den Außenministern und<br />
Präsidenten Österreichs und<br />
Tschechiens unterfertigt.<br />
Der ehrenamtliche Beamte vertritt<br />
österreichische Interessen in<br />
Süböhmen, ist Ansprechpartner für in<br />
Notlagen geratene Österreicher und<br />
kümmert sich um konsularische<br />
Angelegenheiten wie die Ausstellung<br />
von Beglaubigungen und<br />
verschiedener Bestätigungen.<br />
Foto: Privat