Huber Report 1/2002
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Zentrale Abwasserbehandlung – eine Lösung für die ganze Welt?<br />
Situation der Abwasserbehandlung<br />
Bereits im Jahre 3800 v. Chr.<br />
wurden in Jerusalem Fäkalien,<br />
Wasch- und Regenwasser gemeinsam<br />
in einem Kanal aus den Haushalten<br />
abgeleitet. Berühmtestes<br />
Zeugnis für die lange Tradition<br />
der Abwasserableitung ist die<br />
"cloaca maxima" in Rom, die im<br />
5. Jahrhundert v. Chr. gebaut<br />
wurde.<br />
Damals wie heute wird durch die<br />
Ableitung des Abwassers versucht,<br />
sich dieses eher unangenehmen<br />
Problemstoffes zu entledigen.<br />
Der Unterschied zur Römerzeit ist<br />
jedoch, dass das Abwasser heute<br />
aufgrund der wesentlich höheren<br />
Siedlungsdichte und in Kenntnis<br />
dessen schädigendender Wirkungen<br />
auf die Umwelt, auch von den<br />
Nähr- und Schadstoffen befreit<br />
werden muss. So haben wir bisher<br />
das damalige "römische" Konzept<br />
des gemeinsamen Ableitens<br />
aller Wasserströme beibehalten<br />
und um den Zusatz einer modernen<br />
Zentralkläranlage ergänzt.<br />
Die Abwasserströme, welche einer<br />
zentralen Kläranlage zufließen, setzen<br />
sich zusammen aus:<br />
● Fäkalien, die einen hohen organischen<br />
Kohlenstoffgehalt beinhalten<br />
● Gelbwasser (Urin), das einen<br />
hohen Stickstoff- und häufig<br />
auch Medikamentengehalt aufweist<br />
● Trinkwasser zum Transport der<br />
Fäkalien<br />
● Waschwasser aus Duschen,<br />
Waschmaschinen, Spülmaschinen<br />
● Prozess- und Reinigungswässer<br />
aus verschiedenen Industrien<br />
● Niederschlagsabflüsse (in<br />
Mischsystemen), die je nach<br />
Abflussgebiet sehr unterschiedlich<br />
stark belastet sind<br />
Im Anbetracht der schätzungsweise<br />
2,4 Mrd. Menschen (W.H.O.) in Asien,<br />
Afrika, Südamerika aber auch in<br />
Europa, die derzeit keinen Zugang<br />
zu geordneten sanitären Anlagen<br />
haben, stellt sich die Frage, ob die<br />
geschilderte Art der Abwasserbehandlung,<br />
die für alle Menschen<br />
richtige und sinnvolle Maßnahme<br />
darstellt oder ob es auch intelligente,<br />
verhältnismäßige und moderne Konzepte<br />
gibt, bei denen auf kostenintensive<br />
Kanalsysteme weitestgehend<br />
verzichtet wird.<br />
So kann als grober Kostenwert angegeben<br />
werden, dass allein für einen<br />
Meter verlegter Kanal DN 800 ebenso<br />
ein Einwohnerwert an eine dezentrale<br />
Behandlungsanlage angeschlossen<br />
werden könnte (bei 400<br />
E/EW).<br />
Vergleich Zentrale – Dezentrale<br />
Abwasserreinigung<br />
In Ländern und Regionen, in denen<br />
derzeit keine geregelte Abwasserentsorgung<br />
vorhanden ist, sind neue<br />
Technologien anzuwenden, die<br />
schnell, preiswert und wirkungsvoll<br />
die Situation der Menschen und der<br />
Umwelt verbessern können. Unter<br />
Berücksichtigung der im folgenden<br />
dargestellten Prinzipien bietet sich<br />
dazu die dezentrale Abwasserreinigung,<br />
also die Reinigung der<br />
Abwässer direkt am Entstehungsort,<br />
bevorzugt an.<br />
Unmittelbarer Nutzen<br />
Die Planung und der Bau von Kanalsystemen<br />
nimmt in der Regel mehrere<br />
Jahre in Anspruch. Ohne Kanalsystem<br />
ist jedoch die zentrale Klär-<br />
Bild 1: Behandlungskonzept für Fäkalien aus dezentralen Mehrkammergruben<br />
anlage prinzipbedingt wirkungslos,<br />
so dass der Nutzen sehr zeitversetzt<br />
erfolgt.<br />
Dezentrale Kläranlagen reinigen das<br />
Abwasser dagegen unmittelbar nach<br />
ihrer Lieferung, die bei standardisierten<br />
Produkten nur wenige<br />
Wochen in Anspruch nimmt. Der<br />
Nutzen der Maßnahme stellt sich<br />
also sofort ein.<br />
Überschaubare und<br />
wirkungsnahe Kosten<br />
Der Bau eines Kanalsystems nimmt<br />
bis zu 90 % der Investitionen für die<br />
gesamte Abwasserentsorgungsmaßnahme<br />
in Anspruch. Diese<br />
Investitionen sind während der Bauphase<br />
zu tätigen, ohne dass sie in<br />
dieser Zeit einen Nutzen bewirken.<br />
Beim Bau von dezentralen Anlagen<br />
fallen hingegen niedrigere und überschaubare<br />
Investitions- sowie<br />
Betriebskosten an. Diese Kosten<br />
sind dabei unmittelbar an die<br />
gewünschte Wirkung geknüpft.<br />
Bild 2: Schema eines integrierten Sanitärkonzepts<br />
Eigenverantwortung<br />
Die zentrale Abwasserbehandlung<br />
fördert den sorglosen Umgang mit<br />
dem eigenen Abwasser. In der Folge<br />
ergibt sich eine immer aufwendiger<br />
zu behandelnde Abwasserzusammensetzung.<br />
Dies kann durch dezentrale Verfahren<br />
verhindert werden, da sich die<br />
Konsequenz einer falschen Nutzung<br />
unmittelbar und für den Betreiber<br />
direkt sichtbar einstellt.<br />
Stoffstrombezogene<br />
Behandlung<br />
In einem Kanalsystem werden die<br />
bereits dargestellten Abwässer vermischt,<br />
was die Behandlung teuer<br />
und aufwendig macht.<br />
Sinnvoller ist die stoffstromspezifische<br />
Abwasserbehandlung, wie es<br />
durch dezentrale Konzepte ermöglicht<br />
wird. So kann Grauwasser mit<br />
technisch relativ einfachen Methoden<br />
zu Brauchwasser aufbereitet<br />
werden, Fäkalien und Küchenabfälle<br />
könnten energetisch genutzt werden<br />
und aus Industrieabwässern könnten<br />
Wertstoffe zurückgewonnen werden.<br />
Dezentrale Verfahren ermöglichen<br />
es auch, Schadstoffe in einem relativ<br />
kleinen und konzentrierten Strom zu<br />
fassen und auf geeignete Weise zu<br />
behandeln.<br />
Technische<br />
Einschränkungen<br />
In vielen Regionen der Welt scheidet<br />
der Bau eines Kanalsystems<br />
grundsätzlich aus, da:<br />
● der Baugrund unzureichend<br />
tragfähig oder tektonisch aktiv<br />
ist<br />
● die enge Infrastruktur städtischer<br />
Gebieten von gewachsenen<br />
Mega-Cities dies nicht zulässt<br />
● die zu entsorgenden Haushalte in<br />
ländlichen Gebieten zu weit auseinander<br />
liegen<br />
● das Geländegefälle nicht ausreicht,<br />
um das Abwasser zur<br />
Kläranlage zu transportieren<br />
● die Feststoffkonzentration und<br />
damit die Viskosität des Abwassers<br />
zu hoch ist, um ausreichend<br />
fließfähig zu sein (verursacht<br />
durch geringe Spülwassermengen<br />
und/oder die Zugabe von<br />
Speiseabfällen)<br />
● extreme Regenintensitäten auftreten,<br />
die nicht mehr abgeleitet werden<br />
können (z. B. Monsunregen)<br />
Seite 2<br />
In diesen Fällen wird es überhaupt<br />
erst durch dezentrale Konzepte möglich,<br />
das Abwasser zu behandeln.<br />
Dezentrale Verfahren<br />
Aus all den vorgenannten Gründen<br />
kann es nur sinnvoll sein, unsere<br />
Technologien derart anzupassen,<br />
dass sich diese in das Konzept der<br />
dezentralen Abwasserbehandlung<br />
einfügen lassen.<br />
Wir arbeiten intensiv daran unsere<br />
Produkte so zu gestalten, dass auch<br />
Regionen der Welt eine Perspektive<br />
auf eine lebenswerte Umwelt, auf<br />
reines Trinkwasser und auf hygienisch<br />
einwandfreie Verhältnisse<br />
haben, obwohl dies nach dem Vorbild<br />
der Industrienationen derzeit<br />
aus finanziellen Gründen unerreichbar<br />
scheint. Wir sind uns sogar<br />
sicher, dass diese Länder nun die<br />
Chance bekommen es noch besser<br />
und effektiver zu machen.<br />
Im Folgenden werden beispielhaft<br />
einige Möglichkeiten aufgezeigt,<br />
wie durch das Konzept der dezentralen<br />
Abwasserbehandlung eine<br />
unmittelbare und deutliche Entlastung<br />
für Mensch und der Umwelt<br />
erreicht werden kann.<br />
Fäkalschlammbehandlung<br />
Voraussetzung für die schnelle<br />
Lösung der Abwasserproblematik in<br />
vielen Ländern ist die gezielte Erfassung<br />
der Fäkalien und des Gelbwassers<br />
in Mehrkammergruben. Diese<br />
Gruben können mit den nachgeschalteten<br />
Versickerungsstrecken<br />
auch in Eigenleistung von den<br />
Bewohnern selber erstellt werden.<br />
Durch die Mehrkammergruben werden<br />
zunächst die Fäkalien zurückgehalten,<br />
die die Hauptlast von<br />
gesundheitsgefährdenden Keimen<br />
und sauerstoffzehrenden Verbindungen<br />
ausmachen. Die Fäkalien sind<br />
dann regelmäßig abzupumpen und<br />
wie in Bild 1 dargestellt zu behandeln.<br />
In einem späteren Schritt kann dann<br />
noch der Ablauf der Mehrkammergrube<br />
durch ein einfaches biologisches<br />
Verfahren wie durch Rotationstauchkörper<br />
behandelt werden.<br />
Dazu sind dann verhältnismäßig<br />
kleine z. B. durch Pflugverfahren<br />
eingebrachte Kanäle notwendig, um<br />
die Abläufe mehrerer Gruben zu<br />
sammeln. Der bei dieser Reinigung<br />
anfallende Schlamm kann durch die<br />
Tankfahrzeuge gemeinsam mit den<br />
Fäkalien eingesammelt werden.<br />
Abwasserfeinstsiebung<br />
Ein weiteres Behandlungskonzept<br />
sieht vor, die Abwässer mehrerer<br />
Wohneinheiten zu sammeln und<br />
durch ein Feinstsieb von Feststoffen<br />
zu befreien. Dadurch können CSB-<br />
Eliminationsraten von bis zu 60 %<br />
erreicht werden. Durch den Einsatz<br />
von Additiven kann der Wirkungsgrad<br />
noch weiter gesteigert werden.<br />
Die Reststoffe sind dann – je nach<br />
Menge – zu kompostieren oder zu<br />
vergären.<br />
Ohne die Feinstsiebung überflüssig<br />
zu machen, kann das gesiebte<br />
Abwasser zu einem späteren Zeitpunkt<br />
natürlich auch mit einem biologischen<br />
Verfahren weiter gereinigt<br />
werden.<br />
Integrierte Sanitärkonzepte<br />
Unter integrierten Sanitärkonzepten<br />
ist zu verstehen, dass sowohl die Versorgung<br />
als auch die Entsorgung von<br />
Wasser innerhalb einer Siedlungseinheit<br />
nahezu autark erfolgt.<br />
Das Wasser wird dabei entsprechend<br />
seines Verschmutzungsgrad aufbereitet<br />
und wiederverwendet. Derartige<br />
Konzepte kommen kurzfristig<br />
kaum für Siedlungen in Schwellenund<br />
Entwicklungsländern in Frage<br />
als vielmehr für Hotelkomplexe oder<br />
Industrieparks.<br />
Kernpunkt dieses Konzeptes ist die<br />
Trennung von Grau- und Schwarzwasser,<br />
was durch eine entsprechende<br />
Hausleitungsführung – auch<br />
nachträglich – relativ leicht zu realisieren<br />
ist.<br />
Das in Dusche und Waschbecken<br />
anfallende Grauwasser wird nach<br />
einer kleinen mechanischen Vorreinigung<br />
zur Befreiung von Haaren<br />
und Sand einer Ultrafiltration unterzogen.<br />
Damit ist das Wasser dann<br />
arm an Laugen und Tensiden, sowie<br />
frei von Pilzen, Bakterien und<br />
Viren. Dieses Wasser kann dann als<br />
Forsetzung auf Seite 3: