UNIon - Europa-Universität Viadrina Frankfurt
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30<br />
Lehrreiches Praxis-<br />
Seminar mit Gast<br />
aus Litauen<br />
In den Genuss einer nicht ganz alltäglichen<br />
Lehrveranstaltung kamen acht Studenten<br />
des Unicert-II-Fachsprachenkurses<br />
Russisch bei Elena Dormann an einem<br />
Mittwoch Ende April. Kein herkömmlicher<br />
Unterricht mit Büchern und Texten, sondern<br />
der Besuch der litauischen Hochschuldozentin<br />
Dagne Berzaite stand an<br />
diesem Vormittag auf dem Programm.<br />
Wen dies verwundert, der sei daran erinnert,<br />
dass Litauen bis 1990 Teil der Sowjetunion<br />
und – obwohl selbst kein Land des<br />
slawischen Kulturraums – einer der von<br />
Moskau dominierten Ostblockstaaten war.<br />
Dagne Berzaite hat selbst in Moskau studiert<br />
und lehrt heute an der <strong>Universität</strong><br />
Vilnius russische Sprache und Literatur –<br />
eine äußerst interessante Gesprächspartnerin<br />
für die <strong>Viadrina</strong>-Studierenden.<br />
Den Auftakt des Kurses bildete ein Vortrag<br />
über litauische Geschichte und Landeskunde,<br />
wobei Dagne Berzaite erstaunliche<br />
Details zu berichten wusste. So war z.B.<br />
den meisten Studenten sicher nicht geläufig,<br />
dass Litauisch eine der ältesten europäischen<br />
Sprachen ist und man am Litauischen<br />
hervorragend die Entwicklung<br />
so manch anderer europäischer Sprache<br />
analysieren kann.<br />
Im nachfolgenden Teil des Seminars traten<br />
dann auch die Studenten in Aktion. Man<br />
traf sich mit Dagne Berzaite und Kursleiterin<br />
Dormann im Zentrum <strong>Frankfurt</strong>s, von<br />
wo aus die Studenten in Gruppen oder allein<br />
an ausgewählten Stationen Kurzvorträge<br />
zu verschiedenen Kapiteln der Stadtund<br />
<strong>Universität</strong>sgeschichte hielten. Nach<br />
Begehung des Oder-Ufers, Besichtigung<br />
des Rathauses und der Marienkirche kehrte<br />
die Gruppe dann in einem Café ein, um<br />
ihrerseits dem litauischen Gast ein Stück<br />
Deutschland in Form von „nemezkie<br />
pierogy“ – also des deutschen Blechkuchens<br />
– näher zu bringen.<br />
Es war ein äußerst lehrreiches Praxis-Seminar<br />
im Rahmen des Russisch-Kurses, bei<br />
dem alle Seiten eine Menge Neues lernen<br />
konnten.<br />
Der Unicert-III-Kurs mit dem Thema „Wirtschaftliche,<br />
rechtliche und soziale Reformen<br />
heute in Russland, Polen und<br />
Deutschland“ ist einer von zwei möglichen<br />
Kursen, den Studenten belegen, bevor<br />
sie sich zur Prüfung der höchsten in<br />
<strong>Frankfurt</strong> angebotenen Fremdsprachen-<br />
Zertifikatsstufenprüfung anmelden können.<br />
HANS MARTIN MEIS<br />
MASTER OF EUROPEAN STUDIES<br />
1. SEMESTER<br />
FOTO: PRIVAT<br />
[<strong>UNIon</strong>]<br />
Im Sommersemester 2012 bot sich Studierenden<br />
der Kulturwissenschaftlichen Fakultät die<br />
Gelegenheit, an einem besonderen Projektseminar<br />
teilzunehmen. Im Rahmen des Forschungsprojektes<br />
„Vergleich und Verflechtung<br />
europäischer Wissenschaftskulturen“, das von<br />
der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung<br />
(DPWS) gefördert und von Prof. Dr. Gangolf Hübinger<br />
geleitet wird, wurden Methoden erarbeitet,<br />
um nationale Wissenschaftskulturen im<br />
<strong>Europa</strong> der Hochmoderne vergleichen und die<br />
europäischen Zirkulationen von Wissensbeständen<br />
sichtbar machen zu können.<br />
Höhepunkt des Projektseminars war ein zweitägiger<br />
Workshop an der Nikolaus-Kopernikus-<br />
<strong>Universität</strong> in Toruń. Studierende und Lehrende<br />
beider <strong>Universität</strong>en trafen hier zusammen, um<br />
aussagestarke Beispiele für Wissenstransfer<br />
und Wissensverflechtung vorzustellen und zu<br />
diskutieren. Begrüßt wurden sie von der Direktorin<br />
des Germanistischen Seminars, Dr. habil.<br />
Małgorzata Klentak-Zabłocka, und von der Leiterin<br />
der Abteilung Interkulturelle Germanistik,<br />
Dr. hab. Maria Gierlak. Nach einer thematischen<br />
Einführung durch Gangolf Hübinger folgten<br />
in drei Sektionen Vorträge zu Gelehrten, Intellektuellen<br />
und Experten als wichtigen Akteuren<br />
des Wissenschaftstransfers, zur Bedeutung<br />
des neuen Leitmediums Zeitschrift für die internationale<br />
Zirkulation und zu charakteristischen<br />
„Denkstilen“ (Ludwik Fleck), die nationale<br />
Wissenschaftskulturen prägen und internationalen<br />
Wissenstransfer motivieren.<br />
Die deutsch-polnische Wissenschaftskommunikation<br />
in der Zwischenkriegszeit wurde am Beispiel<br />
des polnischen Historikers Karol Górski<br />
und des polnischen Soziologen Stefan Czarnowski<br />
erläutert. Während Górski den aktiven<br />
Wissensaustausch mit deutschen Historikern<br />
verweigerte, da er ihre Perspektive auf die pol-<br />
Studium<br />
Deutsch-Polnisches Projektseminar „Europäische<br />
Wissenschaftskulturen in der Moderne“<br />
nische Geschichte nicht teilen konnte, nutzte<br />
Czarnowski alle wissenschaftlichen Möglichkeiten,<br />
um die internationale Ideenzirkulation für<br />
die polnische Soziologie fruchtbar zu machen.<br />
Von zentraler Bedeutung für den Aufbau der<br />
polnischen Soziologie waren, wie ein weiterer<br />
Vortrag zeigte, auch die neu gegründeten Fachzeitschriften,<br />
da sie wichtige Transferwege vor<br />
allem zur deutschen und französischen Soziologie<br />
eröffneten. Welche Übersetzungshürden<br />
dabei zu meistern waren, wurde den Workshop-Teilnehmern<br />
eindringlich vor Augen geführt:<br />
Unterschiedliche historische Erfahrungen<br />
hatten ihren Niederschlag in den jeweiligen<br />
Sprachen gefunden und machten die Übertragung<br />
von politisch-sozialen Grundbegriffen<br />
wie „Gemeinschaft“, „Gesellschaft“ oder gar<br />
„Vergesellschaftung“ sehr schwierig.<br />
Als das wohl wichtigste Beispiel auf deutscher<br />
Seite wurde das „Archiv für Sozialwissenschaft<br />
und Sozialpolitik“ mit seinen Begründern Werner<br />
Sombart, Max Weber und Edgar Jaffé vorgestellt,<br />
dessen wissenschaftliche Innovationen<br />
die europäischen Diskussionen prägten.<br />
Innovativ für den deutsch-polnischen Kulturtransfer<br />
war auch die hier kaum bekannte Zeitschrift<br />
„Neofilolog“, die als ein Medium für den<br />
Wissenstransfer mittels Fremdsprachenunterricht<br />
genutzt wurde. Damit war, neben Geschichtswissenschaft<br />
und Soziologie, der dritte<br />
disziplinäre Schwerpunkt des Workshops eröffnet.<br />
Er enthielt Vorträge zur polnischen Kleist-<br />
Rezeption und zum Streit um das Kaschubische<br />
zwischen polnischen und deutschen Sprachforschern<br />
vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Interdisziplinarität<br />
und das breite Themenspektrum<br />
ließen den zweitägigen Workshop zu einer für<br />
die Fragen des DPWS-Projektes ausgesprochen<br />
ertragreichen Wissenschaftsbegegnung werden.<br />
MAX SPOHN