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2019/49 - Weihnachtszauber1

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Weihnachtszauber zum 1. Advent<br />

Fisch, Tee und Portugiesisches<br />

Rund 120 Stände umfasst der Ulmer Weihnachtsmarkt jedes Jahr. Drei Händler erzählen, wann ihre Vorbereitungen für den Aufbau der<br />

Buden beginnen, wie die heiße Phase des Weihnachtsgeschäfts läuft und warum sie gerne dabei sind. Von Petra Starzmann<br />

Andreas Heilbronner tischt mit seinem Team Fischspezialitäten auf. <br />

<br />

Foto: Petra Starzmann<br />

Fischspezialitäten<br />

vom Fischhaus Heilbronner<br />

„Schon Mitte August beginnen<br />

wir mit den Dienstplänen für den<br />

Weihnachtsmarkt, dann kommt<br />

die Schulung der Ulmmesse in Sachen<br />

Hygiene und so“, blickt Andreas<br />

Heilbronner auf den Vorlauf<br />

für den Weihnachtsmarktstand,<br />

der dieses Jahr in der zweiten<br />

Saison größer ist als bei<br />

Heilbronners Einstand im letzten<br />

Jahr. Eine Woche vor Weihnachtsmarktbeginn<br />

fängt der Standaufbau<br />

an: „Das ist ein zeitlicher Spagat,<br />

weil das tägliche Geschäft im<br />

Laden und im Gasthaus ja parallel<br />

läuft“, verweist Heilbronner<br />

auf das Traditionshaus in der Rebengasse.<br />

Für den Standbetrieb verpflichtet<br />

er Mitarbeiter, die auch<br />

sonst im Laden Aushilfen sind:<br />

„Die Mitarbeiter sollten das Fachwissen<br />

in Sachen Fisch haben“,<br />

betont Heilbronner. Einen Tag<br />

vor Eröffnung gibt er dem Team<br />

Einweisungen und verteilt die<br />

Aufgaben, damit der Standbetrieb<br />

reibungslos klappt. Spezialität am<br />

Heilbronner-Stand sind Backfischsemmeln.<br />

Die sind dieses<br />

Jahr besonders hübsch: Semmeln<br />

in Fischform, solange das Angebot<br />

reicht. Semmeln, Fisch und<br />

Co müssen stets vom Laden hergetragen<br />

werden: „Letztes Jahr<br />

haben wir rund 100 Backfischsemmeln<br />

verkauft, an Wochenenden<br />

bis zu 300. Dieses Jahr mit<br />

dem größeren Stand werden es<br />

sicher mehr“, schätzt Heilbronner.<br />

Dabei hält die Karte neben<br />

Backfisch für alle etwas bereit,<br />

von der klassischen Heringsemmel<br />

über Garnelen im Brotteig bis<br />

hin zu Tintenfischringen. Jahr für<br />

Jahr lernen die Heilbronners<br />

dazu. Wenn der Weihnachtsmarkt<br />

für sie Routine ist, soll das Angebot<br />

noch größer werden Für jetzt<br />

findet Andreas Heilbronner, es<br />

genügt: „Man muss es auch verschaffen<br />

können.“<br />

Fahrenkamp Spezialitäten<br />

Kaffee, Tee, Kräuter, Gewürze,<br />

Pralinen und, und, und: Ein bisschen<br />

was von allem aus dem Ulmer<br />

Laden-Sortiment bringt Gerhard<br />

Fahrenkamp mit auf den<br />

Weihnachtsmarkt. Die Fahrenkamp-Spezialitäten<br />

gibt es zu<br />

kaufen und teils zu kosten. Oftmals<br />

Gedränge bildet sich an der<br />

Standseite, an der der Fahrenkamp-Glühwein<br />

ausgeschenkt<br />

wird. „Die Italiener freuen sich<br />

beim Weihnachtsmarktbesuch,<br />

wenn sie italienischen Wein bekommen<br />

– einen Merlot“, schmunzelt<br />

Fahrenkamp. Sein Glühwein<br />

wird erst mit dem hauseigenen<br />

Glühweingewürz zu einer wärmenden<br />

Spezialität. Für Stammkunden<br />

gibt es ein Regal mit eigener<br />

Tasse. Manche Tasse bewahren<br />

die Fahrenkamps sogar<br />

bis zur nächsten Weihnachtsmarktsaison<br />

auf. Doch die paar<br />

Tassen sind das wenigste, was es<br />

für Fahrenkamp auf den Weihnachtsmarkt<br />

zu schleppen gilt.<br />

Der Stand wird mit vielen Artikeln<br />

bestückt, doch noch viel<br />

mehr gilt es abzustimmen. Wie<br />

bei vielen Budenbetreibern beginnen<br />

erste Vorbereitungen<br />

schon im August: „Da füllen wir<br />

das Glühweingewürz ab, es muss<br />

durchziehen“, betont Fahrenkamp.<br />

Unmittelbar vor Beginn<br />

des Weihnachtsmarktes ist gute<br />

Logistik gefragt: „Eine Woche<br />

dauert der Aufbau des Standes,<br />

wobei es eine genaue Reihenfolge<br />

gibt: Zuerst kommt das Häusle,<br />

dann parallel der Bodenbelag<br />

und die Decke. Zudem muss man<br />

die Regale reinmachen, bevor die<br />

Decke ganz drauf ist – wegen der<br />

Konstruktion. Parallel muss der<br />

Wasserschlauch verlegt werden<br />

und die Technik mit Strom, welche<br />

sich hinter der Deko verbirgt.<br />

Wichtig ist dann auch, die Waren<br />

zweckmäßig auszulegen: Der<br />

Kunde soll die Auslage gut sehen,<br />

doch wir schauen ja genau andersherum“,<br />

schildert Fahrenkamp<br />

das Prozedere. Durchatmen<br />

gibt es keines. Wenn der Stand<br />

erst einmal fertig ist, beginnt der<br />

Betrieb: 18 Mitarbeiter sind am<br />

Stand beschäftigt.<br />

Gerhard Fahrenkamp<br />

serviert<br />

Glühwein, Tee<br />

und Gewürzspezialitäten.<br />

Foto:<br />

Petra Starzmann<br />

Wolfgang Scheck verkauft Dekoratives und Delikatessen aus Portugal.<br />

<br />

Foto: Petra Starzmann<br />

„Craft Story“ – Besonderes<br />

aus Portugal<br />

In mediterrane Welten geht es auf<br />

dem Weihnachtsmarkt mit dem<br />

„Craft Story“-Stand. Wolfgang<br />

Scheck und Birgit Gerstenlauer<br />

bringen aus ihrem Ladengeschäft<br />

in der Kohlgasse Besonderes aus<br />

Portugal an ihren Stand. Von<br />

Schafwolldecken über traditionelle<br />

Keramik und Naturkosmetik<br />

bis hin zu Sardinenspezialitäten<br />

reicht das Sortiment. „Viele<br />

Produkte haben wir selbst vor Ort<br />

ausfindig gemacht, die Produzenten<br />

sind alles Manufakturen“, verweist<br />

Scheck auf die Waren, bei<br />

denen natürliche Materialien und<br />

Zutaten im Vordergrund stehen.<br />

Das ist schon an der Standdekoration<br />

zu sehen: Selbst gemachte<br />

Holzkisten beherbergen Schafsund<br />

Eselsseife, Wolldecken sind<br />

mit einer Stoffschleife versehen:<br />

„Wie stecken viel Liebe in die<br />

Deko“, blickt Scheck auf die Einrichtung<br />

der Bude, die rund drei<br />

Tage dauert: „Die Hütte bekommen<br />

wir gestellt, dann kommt der<br />

Elektriker, schließlich geht es ans<br />

Ausstaffieren.“ Genauso „klein,<br />

aber fein“ wie der Laden, soll<br />

auch der Stand sein. Daher wird<br />

bis auf eine Aushilfe kein extra<br />

Personal rekrutiert. Die ersten<br />

Vorbereitungen für ihre zweite<br />

Weihnachtsmarktrunde hat das<br />

„Craft Story“-Team bereits im<br />

September getroffen. „Da haben<br />

wir die Bestellungen für die Waren<br />

aufgegeben. Sind diese erst<br />

einmal da geht es immer mit Vollgas<br />

daran, das Sortiment zusammenzustellen“,<br />

erklärt Scheck. Etwas<br />

Lager ist unter der Standtheke,<br />

doch das reicht nicht lange.<br />

„Wir holen täglich Nachschub.<br />

Den liefern wir mit der Sackkarre<br />

vor dem Öffnen des Weihnachtsmarktes<br />

an.“<br />

Von der Wintermesse<br />

zum Weihnachtsmarkt<br />

Der Ulmer Weihnachtsmarkt ist weit über die Stadtgrenzen bekannt,<br />

über eine Million Besucher kommen jedes Jahr. Von Stefanie Müller<br />

Absoluter Publikumsmagnet: Die lebendige Krippe mit Esel, wenn sie nicht gerade „Dienst“ haben, leben<br />

die Esel bei Landwirt Franz Gerstenlauer in Burgrieden. Foto: Müller<br />

Tierischer Weihnachtsjob<br />

Der Ulmer Weihnachtsmarkt hat begonnen! In der lebendigen<br />

Krippe „arbeiten“ Esel Mokka und Fohlen Flecki. Von Stefanie Müller<br />

Wenn er nicht gerade Dienst auf<br />

dem Ulmer Weihnachtsmarkt hat,<br />

lebt Esel Mokka in Burgrieden.<br />

Genauer gesagt auf dem Eselhof<br />

von Franz Gerstenlauer. Der hat<br />

dort 65 Esel und kennt seine Tiere.<br />

Deswegen kann er auch die<br />

Diskussion der Tierschützer<br />

nicht nachvollziehen, die jedes<br />

Jahr um die lebendige Krippe auf<br />

dem Ulmer Weihnachtsmarkt<br />

entflammt. „Ich suche immer die<br />

Esel aus, von denen ich auch<br />

weiß, die mögen das mit vielen<br />

Menschen“, so Gerstenlauer.<br />

Alle Auflagen werden erfüllt<br />

„Ich gehe auch mehrfach auf den<br />

Weihnachtsmarkt, um zu schauen,<br />

ob alles in Ordnung ist mit den<br />

Tieren. Wenn ich merke, das einer<br />

hibbelig wird, wird er ausgetauscht.<br />

Ich will den Esel ja auch<br />

gesund wieder auf dem Hof zurückhaben“,<br />

erklärt er. „Ich suche<br />

außerdem immer ein Tier mit<br />

Fohlen aus, dann hat es neben den<br />

Schafen auch Gesellschaft eines<br />

Artgenossen, das ist auch eine<br />

Auflage des Veterinäramtes“, erklärt<br />

Gerstenlauer. „Vieles, was<br />

da von einem gefordert wird, ist<br />

aber schlichtweg Wichtigmacherei<br />

– beheiztes Wasser zum Beispiel.<br />

Warmes Wasser saufen die<br />

Esel gar nicht, natürlich darf es<br />

nicht gefroren sein, aber die haben<br />

draußen ja auch nur kaltes“,<br />

schüttelt er den Kopf. „Ich hab<br />

seit 30 Jahren Esel, da kann mir<br />

keiner was erzählen, und hat er<br />

auch noch so lang studiert. Ich<br />

stelle mich gern jeder Diskussion,<br />

wenn jemand wirklich Ahnung<br />

hat. Aber die Leute, die keine<br />

Ahnung haben, und davon<br />

recht viel, die schwätzen immer<br />

am meisten mit.“<br />

Bitte nicht füttern<br />

Bisher war es meist die Liesl, die<br />

auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt<br />

war, „aber die ist jetzt in Pension<br />

gegangen. Mokka mit Fohlen<br />

Flecki übernimmt“, erklärt Gerstenlauer.<br />

Der Krippenesel gehört<br />

eigentlich Peter Burger, der seit<br />

über 30 Jahren den Stand mit der<br />

berühmten Feuerwurst auf dem<br />

Weihnachtsmarkt betreibt. Er<br />

weiß seinen Esel auf dem Hof von<br />

Gerstenlauer in besten Händen.<br />

„Ich erinnere mich, wie alles angefangen<br />

hat: Der erste Stall war<br />

noch recht klein, eine Hütte und<br />

eine Krippe. Die nächste Variante<br />

waren getrennte Ställe. Vor<br />

sechs Jahren haben wir uns dann<br />

einen Stallcontainer zugelegt –<br />

nun sind wir auf dem neuesten<br />

Stand und haben auch die Stallgröße<br />

nochmal angepasst“, erklärt<br />

Burger. Er und sein Team legen<br />

Wert darauf, dem hohen Anspruch<br />

des Tierschutzes gerecht<br />

zu werden: „Wir übernehmen die<br />

Betreuung, vom Futter und Wasser<br />

übers Misten bis zum Einstreuen.<br />

Und wir führen auch ein<br />

Protokoll, damit sichergestellt ist,<br />

dass alle paar Stunden jemand<br />

nach den Tieren schaut. Das Veterinäramt<br />

steht uns zur Seite.“<br />

Burger hat einen Tierarzt, der im<br />

Bedarfsfall sofort da ist. „Natürlich<br />

darf man nicht vergessen,<br />

dass sich Tiere, wie wir Menschen<br />

auch, eben mal unwohl fühlen<br />

können. Vor allem, wenn der<br />

Esel vom Publikum gefüttert<br />

wird. Die Marktbesucher in Ulm<br />

sind aber sehr diszipliniert“, so<br />

Burger.<br />

Wenn der Weihnachtsmarkt<br />

am 22. Dezember endet, ziehen<br />

Mokka und Flecki wieder auf den<br />

Eselhof nach Burgrieden und<br />

übernehmen dort die Landschaftspflege.<br />

Der Ulmer Weihnachtsmarkt wie<br />

wir ihn heute kennen, hat sich<br />

über Jahre entwickelt. Peter Burger,<br />

Chef des Feuerwurststandes,<br />

hat mit seiner Familie einiges<br />

dazu beigetragen: „Ganz früher<br />

gab es ja die Wintermesse auf<br />

dem Münsterplatz, da ist mein<br />

Vater mit zwei Kollegen schon<br />

jedes Jahr gestanden. Sie waren<br />

es auch, die dann die Initiative<br />

ergriffen haben und einen Vorschlag<br />

bei der Stadt Ulm eingereicht<br />

haben, ein Konzept für einen<br />

Weihnachtsmarkt zu entwickeln“,<br />

erzählt Burger. Das war<br />

vor 35 Jahren. Ein Jahr später war<br />

es dann wirklich so weit – das<br />

heutige Rastersystem des Weihnachtsmarktes<br />

wurde umgesetzt.<br />

Durch diese Grundvorgabe entstanden<br />

damals auch die bis heute<br />

beliebten Gassen. Der Feuerwurststand,<br />

der heute sehr zentral<br />

zu finden ist, stand nicht immer<br />

dort. „Der alte Münsterplatz war<br />

früher Parkplatz und die Ringstraße<br />

ging außen rum. Da gab es<br />

die Bushaltestelle, den Busbahnhof,<br />

die Touristinfo in der Baracke<br />

und den alten Münster-Bazar<br />

– ein völlig anderes Bild als heute“,<br />

erinnert sich Burger. Vor 25<br />

Jahren wurde dann der Münsterplatz<br />

umgestaltet – ursprünglich<br />

war ein Jahr für die Umbaumaßnahmen<br />

angesetzt. Die Stände des<br />

Weihnachtsmarktes wurden dann<br />

einfach etwas verschoben. „Als<br />

man angefangen hat zu graben,<br />

sind die ersten archäologischen<br />

Funde ans Licht gekommen, und<br />

was soll ich sagen – sieben Jahre<br />

hat es gedauert, bis alles so weit<br />

war“, erzählt Burger.<br />

Kampf um den Märchenwald<br />

„Die lebendige Krippe, die es ja<br />

auch heute noch gibt, war übrigens<br />

eine Idee meines Vaters“,<br />

sagt er lachend. Überhaupt war<br />

seine Familie oft Taktgeber für<br />

neue Ideen. „Zum 25-jährigen Jubiläum<br />

des Weihnachtsmarktes<br />

zum Beispiel – da wollten wir etwas<br />

Besonderes haben, wir hatten<br />

ein Märchenwald-Konzept<br />

entwickelt“,<br />

so Burger. Damals<br />

lag die Planungshoheit<br />

noch nicht bei<br />

der Ulm-Messe,<br />

sondern beim<br />

Liegenschaftsamt.<br />

Der damalige<br />

Marktmeister Sailer war gar<br />

nicht begeistert. Sowas bräuchte<br />

man in Ulm nicht, war seine<br />

Einschätzung. „Er hat sich auch<br />

nicht erweichen lassen, bis zu<br />

dem Moment, in dem wir vorgeschlagen<br />

haben, dass wir Organisation<br />

und Kosten übernehmen –<br />

als Beitrag zum Jubiläum sozusagen“,<br />

erinnert sich Burger. „Und<br />

ich weiß es noch wie wenn es gestern<br />

gewesen wäre, wie in diesem<br />

Jahr Oberbürgermeister Ivo Gönner<br />

den Weihnachtsmarkt eröffnet<br />

hat und auch durch den Märchenwald<br />

lief, direkt hellauf begeistert<br />

war und dem Sailer freudestrahlend<br />

verkündet hat: ,Herr<br />

Sailer gut gemacht, tolle Geschichte!‘<br />

Der Sailer hat sich<br />

dann nur zu mir umgedreht und<br />

gesagt: ,Peter: das müssen wir<br />

jetzt jedes Jahr machen‘!“<br />

FOTOS: ARCHIV

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