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8 <strong>#ticinomoments</strong><br />
Agnese, wie hat alles angefangen?<br />
Marco stammt aus dem Bedrettotal. Seine<br />
Eltern waren Gastwirte, er selbst arbeitete als<br />
Schreiner. Ich zog als Kind ins Leventinatal,<br />
wurde in Valchiavenna geboren, nahe dem<br />
Comer See. Mein Vater war Käser, ich arbeitete<br />
für eine Bäckerei in Airolo. Als Marco und ich<br />
heirateten, entschieden wir, uns im Bedrettotal<br />
niederzulassen, in der herrlichen Ruhe und<br />
dem Frieden dieses wunderschönen Tals. Ich<br />
habe die Berge immer geliebt: Mit 21 Jahren war<br />
ich in Nepal, hier fand ich später das Gebirge<br />
in Miniaturform. Eines Tages kam uns die Idee:<br />
Warum betreiben wir keinen Skilift im Tal?<br />
Wir sprachen mit der Gemeinde und übernahmen<br />
daraufhin die Anlage in Cioss Prato.<br />
Ist das also ein Ort für den Winter?<br />
Das Bedrettotal ist zu allen Jahreszeiten<br />
wunderschön. Der Schnee gehört zur Identität<br />
des Tals. Manchmal muss die Strasse wegen<br />
Lawinengefahr geschlossen werden. In der<br />
Vergangenheit war das Tal schon einige Male<br />
vom Rest der Welt abgeschnitten. Doch mit<br />
Schnee wird die Umgebung zur Märchenlandschaft.<br />
Wir haben mit dem Lift angefangen.<br />
Für die kleine Skianlage, die in den 1970ern<br />
dank der Initiative einer Gruppe Freunde<br />
entstand, wurden neue Betreiber gesucht.<br />
Wir übernahmen sie im Jahr 2005. Direkt bei<br />
uns führen auch Langlaufloipen und Schneeschuhtrails<br />
vorbei, die seit 2018 zum Schweiz-<br />
Mobil-Netzwerk gehören. Es kommen Leute<br />
aus der ganzen Schweiz vorbei. Einmal hatten<br />
wir zwei Damen vor der Tür, die in den frühen<br />
Morgenstunden im Aargau aufgebrochen sind,<br />
um das Bedrettotal auf Schneeschuhen zu erkunden.<br />
Doch nicht nur der Schnee glitzert hier:<br />
In Cioss Prato habt ihr viel Raum für Kinder<br />
geschaffen, aber auch für Kristalle.<br />
Wie kommt es dazu?<br />
Marco ist wie ein Vulkan, hat immer neue<br />
Ideen. Den Spielplatz wollten wir immer schon<br />
kreieren. Wir haben in Etappen begonnen,<br />
Schritt für Schritt. Wir überlegten uns weitere<br />
Attraktionen für unsere Gäste, die Natur<br />
und Landschaft geniessen wollen. Und dann<br />
schafften wir noch Platz für die Kristalle: Dabei<br />
handelt es sich um eine familiäre Leidenschaft,<br />
die über Generationen weitergegeben wurde.<br />
Marco, Sie erbten die Liebe zu diesen<br />
verborgenen Schätzen von ihrem<br />
Vater Gilberto. Was macht ihre<br />
Besonderheit aus?<br />
Der Mensch ist immer schon von Kristallen<br />
fasziniert gewesen, spricht ihnen übernatürliche<br />
Kräfte zu. Sie sind auch ein Symbol für<br />
Macht. Bis heute dienen sie als besondere<br />
Geschenke für Politiker und Militärangehörige<br />
oberer Ränge. Die Kristalle stammen aus<br />
den Tiefen des Gotthards, einem Bergmassiv<br />
mit hoher Bedeutung für die Schweiz. Mein<br />
Vater suchte leidenschaftlich gern Kristalle,<br />
ich begleitet ihn oft. Er kennt das Gebirge und<br />
die Gesteinsschichten, aus denen die Schätze<br />
hervorkommen, ist wie eine Enzyklopädie. Er<br />
weiss alles über Kristalle und könnte stundenlang<br />
darüber reden. Er fand schon die tollsten<br />
Gesteine. Wir entschlossen uns deshalb dazu,<br />
die schönsten Fundstücke in der Kristallgrotte<br />
auszustellen, die wir eigens dafür gebaut<br />
haben. Der grösste Kristall stammt aus dem<br />
Bavonatal. Es ist mehr als eine einfache Gesteinsausstellung.<br />
Es ist ein Erlebnis für jeden<br />
Besucher.<br />
Besucher der Grotte fühlen sich demnach<br />
wie echte Kristallsucher. Wie ist es, in die<br />
Tiefen des Felsens vorzudringen?<br />
Im Gebirge verbergen sich wunderschöne<br />
Kristalle, mal sehr gross, mal spitz, oder auch<br />
mit besonderer Färbung, wie beispielsweise<br />
Rauch- oder Zepterquarz. Vor diesen Gesteinen<br />
zu stehen, die über 15 Millionen Jahre<br />
alt sind, berührt mich emotional sehr stark.<br />
Einen Kristall zu entdecken, der sich im Boden<br />
verbirgt, ist immer auch eine Belohnung für<br />
die anstrengende Suche: Tagelang findet man<br />
manchmal nichts, und plötzlich ist er da, der<br />
Kristall. Jedes Mal ist es, wie das erste Mal. Die<br />
glitzernden Kristalle werfen tiefgründige Fragen<br />
auf. Sie sind mehr als ein einfacher Stein.<br />
Leider wird es immer schwieriger, welche zu<br />
finden. Wir müssen immer tiefer ins Gebirge<br />
vordringen, sehr viel Aufwand betreiben und<br />
auf Glück hoffen. Die Suche nach Kristallen ist<br />
eine Leidenschaft.<br />
Von den Kristallen aus dem Erdinneren<br />
zu Zuckerkristallen: Ihr produziert köstliche<br />
Pastefrolle. Agnese, wie lautet das<br />
Geheimrezept für das Gebäck?<br />
Jeder hat sein eigenes Rezept: Die Pastefrolle<br />
werden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts<br />
von Hand in den Häusern des Bedrettotals<br />
hergestellt. Unsere basieren auf dem Rezept<br />
von Marcos Tante. Die Kekse sind sehr beliebt,<br />
jede Woche backen wir neue. Eine aufwendige<br />
Arbeit: Ich fange um 5 Uhr an und brauche bis<br />
12 Uhr. Im Prinzip ein Arbeitstag, der sich auf<br />
den Vormittag konzentriert. Aber wenn ich<br />
das Strahlen in den Augen sehe, vor allem von<br />
Kindern, wenn sie das Gebäck probieren, erfüllt<br />
mich das mit Freude.<br />
Die Pastefrolle geben ausreichend Energie,<br />
um das ganze Tal und seine Geheimnisse zu<br />
erkunden. Viel Spass.<br />
Im Herzen der Schweiz<br />
Cioss Prato (ciossprato.jimdo.com) lohnt sich<br />
zu jeder Jahreszeit: Themenpfade, Spielplatz,<br />
Schneeschuhe und Ski für Kinder.<br />
In der Kristallgrotte lassen sich echte Edelsteine<br />
bewundern (ticino.ch/kristallhoehle).<br />
Das Bedrettotal ist ein naturbelassenes Paradies<br />
in kurzer Entfernung zur Autobahn und<br />
Ausgangspunkt für viele Wanderungen bis<br />
zum Gotthardpass oder ins Maggiatal<br />
(bellinzonese-altoticino.ch).<br />
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