21.01.2020 Aufrufe

Melange No10

Melange No10 - Das Magazin im Süden Bayerns

Melange No10 - Das Magazin im Süden Bayerns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Foto: Heribert Riesenhuber<br />

Der Mann an den Rudern ist Journalist und Filmemacher, Geschichtenerzähler<br />

und Umweltaktivist. 1947 in Murnau geboren,<br />

lebt er seit seinem 6. Lebensjahr in Uffing, nahe am Ufer des<br />

Staffelsees. Als Claus Biegert im Sommer einen Termin für unser<br />

Gespräch vorschlug, konnte er nicht wissen, dass dies ein klarer,<br />

warmer Oktobertag werden würde, an dem man Schöneres tun<br />

könnte, als in einem Interview Auskunft zu geben. Zum Glück<br />

hatte er die Idee, unser Gespräch auf den See zu verlegen – auch<br />

wenn er dabei rudern musste, denn ich war ja damit beschäftigt,<br />

ihm das Mikrophon unter die Nase zu halten. Die manchmal makellos<br />

glatte Wasseroberfläche war an ihren Rändern gerahmt<br />

vom Gelbrot des Herbstes; mit den Ruderschlägen tauchten wir<br />

auf und ab zwischen Vergangenheit und Gegenwart.<br />

„Wir leben ja hier in einer Idylle“, sagt er, hinter sich auf das<br />

Postkartenpanorama von Herzogstand bis Hörnle deutend.<br />

Aber er fügt an, dass diese Idylle eine trügerische sei. Denn<br />

man könnte „vor lauter Naturschönheit leicht übersehen, in welcher<br />

Bedrängnis die Natur weltweit ist – und wir mit ihr“. Er ist<br />

in seinem Leben viel gereist. Und besonders häufig war er bei<br />

den Indianern in Kanada und den USA, dort spielen die meisten<br />

seiner Geschichten. Heute allerdings bewegt ihn vordringlich<br />

ein Projekt für die „idyllische Heimat“. Er wünscht sich, dass<br />

die neun Gemeinden des Blauen Landes sich den „Mayors for<br />

Peace“ (Bürgermeister für den Frieden) anschließen und sich<br />

dezidiert gegen die Lagerung von Atomwaffen aussprechen.<br />

Die Bewegung hat ihren Ursprung in Japan und entstand nach<br />

der Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki durch amerikanische<br />

Atombomben. Bürgermeister, so heißt es in der Erklärung<br />

der japanischen Bürgermeister, haben die Pflicht, für das<br />

Wohl ihrer Bürger zu sorgen, also auch die Pflicht, sie vor der<br />

zerstörerischen Kraft von Atomwaffen zu bewahren.<br />

Die Bürgermeister von Ohlstadt, Großweil, Murnau, Grafenaschau,<br />

Riegsee, Spatzenhausen, Eglfing, Uffing und Seehausen<br />

hat Biegert angeschrieben. Aus Uffing kam bereits positive Nachricht:<br />

Der Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, sich den<br />

„Bürgermeistern für den Frieden“ anzuschließen. Dies wird jetzt in<br />

der Gemeindeverordnung verankert. Fehlen noch acht Gemeinden.<br />

Ob denn Sorge bestehe, dass um den Staffelsee Atomraketen<br />

stationiert werden, frage ich ihn.<br />

„Wir dürfen nicht erst handeln,<br />

wenn die Gefahr vor der Tür steht,<br />

dann kann es zu spät sein“,<br />

so Biegert. „Im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern bis<br />

heute Atomsprengköpfe, wer sagt denn, dass ein NATO-Beschluss<br />

nicht plötzlich eine Stationierung in Alpennähe vorsieht? Außerdem<br />

ist ein solcher Schritt auch Vorbild für andere Gemeinden!“<br />

Das Netz der „Mayors for Peace“ umfasst weltweit über 7500<br />

Städte in 163 Ländern; in Deutschland sind derzeit 603 Gemeinden<br />

dem Bündnis beigetreten, davon 59 in Bayern. „Es geht hier<br />

nicht um die Unterstützung einer Organisation, sondern um den<br />

Beitritt zu einem weltumspannenden Friedensnetz“, sagt Biegert.<br />

Wenn man Claus eine Frage stellt, macht er oft eine kleine Pause.<br />

Er versucht im Gespräch auf „Standardantworten“ zu verzichten,<br />

auch wenn er viele der Fragen, die ich stelle, sicher schon oft<br />

gehört hat. Wir fahren an der Mühlwörth vorbei, er deutet auf<br />

eine verlassene Biberburg. „Als Kind habe ich mir oft gewünscht,<br />

ich würde einem Biber begegnen, denn er ist mein Lieblingstier.“<br />

Ein paar Ruderschläge später: „In unserer Kulturlandschaft sorgen<br />

die Nager jetzt für Streit, wer hätte das gedacht.“<br />

Sein Entschluss, Journalist zu werden, reifte, so erzählt er, mit<br />

einer Irlandreise in den Sommerferien 1969. „Mit der Clique<br />

aus Murnau, Uffing und Seehausen sind wir in der Lederhose<br />

getrampt, weil wir dachten, dass wir so eine größere Chance haben,<br />

mitgenommen zu werden; was auch stimmte. Mit dem Richard<br />

16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!