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Melange No10

Melange No10 - Das Magazin im Süden Bayerns

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Nirschl und dem Andi Hoiss bin ich dann nach Derry. Dort habe<br />

ich gesehen, wie andere Journalisten kamen und Interviews<br />

machten in der Bogside, dem abgeriegelten Viertel der katholischen<br />

Seite. Und als ich später daheim die Zeitungen gelesen habe, fand<br />

ich: Da stimmt etwas nicht, hier wird nur das Klischee vom Religionskrieg<br />

strapaziert. Was ich las, deckte sich nicht mit meinen<br />

Erlebnissen. Das war schon mal eine erste journalistische Erfahrung,<br />

bevor ich diesen Beruf selbst ergriffen habe. Und als ich<br />

vom indianischen Widerstand las, war für mich klar, ich muss<br />

da hin und das mit eigenen Augen sehen.“ Zwei Jahre war Claus<br />

Biegert bei der Münchner Abendzeitung gewesen, bevor er<br />

kündigte, um fortan freiberuflich zu arbeiten. „Eigentlich wollte<br />

ich auf die Hochschule für Film und Fernsehen, aber dann hat<br />

die erste Reise in die USA mein berufliches Leben bestimmt.“<br />

Später im Gespräch wird er von sich sagen, dass er ein sehr intuitiver<br />

Mensch ist. Dass er immer wieder spontane Ideen habe,<br />

denen er nachgehe, ohne genau zu wissen, wohin sie ihn führen.<br />

Als er 1973 das erste Mal bei den Indianern war, folgte er<br />

allerdings nicht nur seiner Intuition, sondern ließ sich, und<br />

seinem Kollegen Carl-Ludwig Reichert, die Route durchs Indianerland<br />

von den Machern der „Akwesasne Notes“ festlegen,<br />

der damals größten indianischen Zeitung Nordamerikas, die<br />

im Reservat der Mohawks herausgegeben wurde.<br />

beide vor allem Radioreporter sind und eine große Rundfunksendung<br />

planen, und das hat uns dann die Türen geöffnet. Denn<br />

selten fährt dort jemand ins Hinterland, um mit den Ureinwohnern<br />

zu reden.“ Der Reiseroute von damals folgt Claus Biegert<br />

bis heute. Würde er es wieder so machen? „Ja! Damals hatte<br />

ich das Gefühl, ich war angekommen. Bei den Irokesen war das<br />

wie ein Déjà vu. Da war keine Überraschung und keine Exotik.<br />

Es war, als sei das schon immer mein Platz gewesen. Die Frage,<br />

wo es beruflich hingeht, hatte ich für mich noch gar nicht so<br />

deutlich gestellt, da war schon die Antwort da: Hier ist mein<br />

Thema.“<br />

Biegert sieht sich hauptsächlich als Radiomann. „Für die Indigenen<br />

ist es das Medium, das ihnen am meisten entspricht. Hier<br />

können sie ihre Sprache pflegen und ihre Tradition der Oral History,<br />

also das mündlichen Weitergebens von Wissen und Kultur.“<br />

2008 hat er zusammen mit Bayern 2 eine Indianerwoche produziert,<br />

„Reservation Blues“ hieß sie, und als beim Samstag-<br />

Liveabend mit dem Gast Milo Yellow Hair aus Wounded Knee<br />

Seid ihr denn da als Journalisten aus Deutschland gleich akzeptiert<br />

worden?<br />

„Wir haben eine Woche lang mitgearbeitet, Geschirr gewaschen,<br />

gekocht, Bohnen geerntet, Zeitungen für den Postversand gepackt,<br />

und natürlich viele Interviews geführt. Ich habe auch beim Layout<br />

geholfen. Das war ja die Zeit von Letraset, die Schriften, die<br />

man aufs Papier rubbeln musste. Ich bin ein Liebhaber von Typografie<br />

und war begeistert über diesen Job. Letraset kennt heute<br />

niemand mehr.“<br />

Er und Reichert hatten Verträge mit Buch-Verlagen. Das würde,<br />

so sagten die neu gewonnenen Mohawk-Freunde, bei der Weiterreise<br />

Probleme bereiten, denn ein Buch über Indianer zu<br />

schreiben habe einen schlechten Beigeschmack. „Wir hatten<br />

nie daran gedacht, dass es bisher immer Völkerkundler waren,<br />

die über Indianer geschrieben haben, was ausschließlich ihren<br />

eigenen Karrieren diente, aber nie denen, die den Ethnologen geholfen<br />

haben.“ Und dann? „Dann haben wir erzählt, dass wir<br />

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