com.unity Winter - Semester 2019 - Das UNI-Magazin für Hannover und Region
Hannover zählt mit über 45.000 Studierenden und rund 10.000 Beschäftigten an den Hochschulen zu den bedeutenden Wissenschaftsstandorten in Deutschland. Die com.unity berichtet halbjährlich aus und über die spannende Hochschullandschaft.
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Studie-Job Portrait
Nebenjob auf den
Straßen von Hannover
Komplett deformierte Fahrzeuge,
blutige Spuren und Leichen
– hört sich nach einem
actionreichen TATORT an, ist
aber Teil des HIWI-Jobs von
Mohammed Mohammed. Seit
dreieinhalb Jahren arbeitet der
Maschinenbaustudent bei der
Verkehrsunfallforschung der
Medizinischen Hochschule
Hannover (MHH) und hat in
dieser Zeit bereits über 200
Unfälle gesehen. Bei diesem
Forschungsprojekt der MHH
werden Verkehrsunfälle der Region
Hannover dokumentiert
und ausgewertet, um so für
mehr Sicherheit im Straßenverkehr
zu sorgen.
„Alle Daten werden direkt vor
Ort erfasst. Wir arbeiten in 4er-
Teams: ein Mediziner, zwei
Techniker und ein Koordinator,
Telefonieren im Callcenter, Flyerverteilen in
der City, kellnern im Restaurant - es gibt
zahlreiche klassische Orte, an denen
sich während des Studiums das nötige
Kleingeld verdienen lässt.
Maschinenbaustudent Mohammed
Mohammed verkehrt in seinem
Nebenjob jedoch in
mitunter ganz schön
fahrlässigen Kreisen.
der uns vom Büro aus navigiert
und zum nächsten
Verkehrsunfall schickt“, erklärt
Mohammed. Während die Mediziner
sich am Unfallgeschehen
auf personenbezogene
Daten konzentrieren, ist der
27-jährige als Techniker dafür
zuständig, alle Fakten über die
beteiligten Fahrzeuge und die
Fahrbahnen aufzunehmen.
Hierfür fotografiert er Straßen,
Autos, Unfallspuren, misst Deformationen
an Fahrzeugen
und schaut sich diese noch einmal
im Detail an. Auch Informationen
über Sichtbehinderungen,
Sicherheitssysteme
oder Airbags sind hierbei interessant.
„Bei meinem allerersten Unfall
war ich ein bisschen überfordert.
Wir müssen so viele Daten
in kurzer Zeit erfassen. Es
war laut, hektisch und Menschen
haben geweint, dann ist
man teilweise einfach abgelenkt.“
Die gesammelten
Informationen werden
anschließend in das
System der Verkehrsunfallforschung
aufgenommen. Von jeder
Unfallstelle werden sogenannte
CAD-Zeichnungen
erstellt, auf denen die Endlage
der Fahrzeuge und Spuren
millimetergenau nachgezeichnet
werden, um so die
Verkehrssituation zu rekonstruieren.
Anhand dieser Daten
können wichtige Erkenntnisse
zur Verkehrssicherheit ermittelt
werden, die beispielsweise
die Forschung zu Fahrzeugsicherheitsanforderungen
unterstützen.
Der Masterstudent hat somit
ohne Frage einen wichtigen
und aufregenden Job, aber die
Bilder, die er zu sehen bekommt,
können mitunter auch
ziemlich heftig sein. „Mein erster
Todesfall war hart. Auf der
Autobahn ist damals ein Kleintransporter
auf einen LKW aufgefahren.
Der Fahrer war sofort
tot. An dem Tag war kein
Mediziner mit dabei und ich
musste nicht nur die Fahrzeuge,
sondern auch die Leiche
fotografieren. Ich mache
den Job ganz klar, weil ich das
Gefühl habe, etwas Gutes zu
tun, aber teilweise sieht man
schon echt krasse Sachen.“
Sechs Stunden dauert eine
Schicht für Mohammed und
seine Kollegen. Teilweise tingelt
die Truppe in dieser Zeit
von einem Unfall zum nächsten.
Es gibt aber auch Wochentage,
an denen auf Hannovers
Straßen ruhig verkehrt
wird. „Klassischerweise ist das
ein Sonntagmorgen. Das kann
dann mitunter ganz schön
langweilig sein, weil wir eben
nicht unterwegs sind, sondern
im Büro sitzen und Datenpflege
betreiben. Andererseits
freuen wir uns aber auch, denn
uns interessieren nur Unfälle
mit mindestens einer verletzten
Person. Bekommen wir
keine Meldungen, gab es also
auch keine Verletzten.“
Mohammed selbst hat kein
Auto. Nur während seiner Arbeit
fährt er mit dem Wagen
der MHH zu den Unfällen. Ansonsten
zieht der gebürtige
Bad Oeynhausener die Straßenbahn
vor, denn seine Arbeit
hat ihn bereits geprägt. „Ich
sehe die Straßen hier in der
Umgebung mit anderen Augen
und verbinde bestimmte Orte
mit Unfällen, die ich dort gesehen
habe. Manchmal fahre ich
auch auf eine Kreuzung zu und
male mir direkt aus, was da
jetzt alles für typische Zusammenstöße
passieren könnten.
Das ist ein bisschen anstrengend,
aber im Großen und
Ganzen fahre ich, wenn ich
fahre, einfach ein bisschen vorsichtiger
als vorher.“