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BIBER 03_20

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Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien

www.dasbiber.at

MIT SCHARF

MÄRZ

2020

+

HANAU: WER IST SCHULD?

+

ZADIĆ IN ZAHLEN

+

WHITE DAYS FOR FUTURE

+

DAS IST

NICHT UNSER

JIHAD

IS-AUSSTEIGER WARNEN VOR

RADIKALISIERUNG IN WIENS HINTERHÖFEN


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sie von gut ausgebildeten PädagogInnen bei ihren ersten Lernerfahrungen begleitet werden.

Daher suchen wir KindergartenpädagogInnen, die mit Herz, Leidenschaft und dem nötigen

Können die Kinder unterstützen und sie optimal in ihren individuellen Interessen, Begabungen

und Bedürfnissen fördern.

3

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mit

Maryam Zaree

Ein ausführliches Interview mit

Maryam Zaree gibt es online auf

www.dasbiber.at

Im Dokumentarfilm „Born in Evin“

geht die Schauspielerin und Filmemacherin

Maryam Zaree der Frage

nach, warum in iranischen Familien

erlebte Traumata verdrängt

werden. Selbst im Foltergefängnis

„Evin“ geboren, zeigt Zaree an

ihrer Geschichte das Leid einer

ganzen Generation.

Von Elena Bavandpoori; Foto: Zoe Opratko

BIBER: Du bist im Film „Born in Evin“

sowohl Regisseurin als auch Protagonistin.

Hat es Überwindung gekostet,

dich vor der Kamera so verletzlich zu

zeigen?

MARYAM ZAREE: Das ist die Voraussetzung

für diesen Film gewesen. Er ist

ein Plädoyer, sich mit dem Schmerz und

der Verfolgungserfahrung der Eltern

auseinanderzusetzen. Daher musste ich

mich vor der Kamera öffnen, bevor ich

das von anderen verlange.

Inwiefern ist der Film zugänglich für

Nicht-Iraner*innen?

Der Film lief in 30 Ländern, auch an

Orten, wo es keinen Bezug zur iranischen

Geschichte gibt. Aber die

Botschaft, sich mit der Verdrängung in

der eigenen Familie, Kultur und Gesellschaft

auseinanderzusetzen, kommt

trotzdem an.

Wie gelingt dir die Balance zwischen den

beiden Welten?

Ich habe das für mich nie als Herausforderung

gesehen, sondern als gegeben.

Meine Familie ist auf der ganzen

Welt verstreut. Da gibt es das jüdische

Erbe meines Stiefvaters und meiner

Tante in Frankreich. Die Idee der Herkunft

als nationales Prinzip habe ich als

reines Konstrukt erlebt. Ich habe mich

in der Welt zuhause gefühlt.

Wie fühlst du dich, wenn du Farsi

sprichst?

In einer Sprache kann man sich zuhause

oder fremd fühlen. Das passiert mir

beides, wenn ich Farsi spreche. Mit

meinem Vater kann ich mir nicht vorstellen,

Deutsch zu sprechen. Sobald

sich aber der Kontext ändert, wird es

schwierig mit Farsi.

Hast du eine Verbindung zu Wien und

Österreich?

Der Co-Produzent Arash Riahi lebt in

Wien, weshalb ich die größte Zeit der

Postproduktion des Films hier verbracht

habe. Als Dramaturgin habe ich schon

in Graz gearbeitet und fand das österreichische

Kino, u.a. wegen Michael

Haneke oder Jessica Hausner, viel

spannender als das deutsche.

Hast du ein persisches Lieblingsessen?

Ich esse am liebsten Baghali polo. Das

ist ein Kräuterreis mit Bohnen. Als ich

noch Fleisch gegessen habe, auch mit

geschmorter Lammhaxe. Zum Nachtisch

gibt es Safran-Eis mit Rosenwasser.

Alter: 36

Geboren in: Teheran, Iran

Besonderes: Maryam spricht vier

Sprachen und macht gerne Yoga. In

der Mafiaserie „4Blocks“ spielt sie Kalila

Hamady, die Frau eines mächtigen

Klanführers in Berlin.

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/ 3 MINUTEN / 3

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3 3 MINUTEN MIT

MARYAM ZAREE

Die Schauspielerin und Filmemacherin über

ihren neuen Dokumentarfilm „Born in Evin“.

8 IVANAS WELT

In Jugofamilien ist Mama der unanfechtbare

Boss. Unsere Kolumnistin Ivana über die Angst,

zur eigenen Mutter zu werden.

POLITIKA

10 DER HINTERHOF-JIHAD

Ex-IS-Sympathisanten warnen vor dem Jihad

im Wiener Untergrund. Eine Reportage von

Aleksandra Tulej.

18 INTERVIEW IN ZAHLEN MIT

ALMA ZADIĆ

Biber fragt in Worten, Justizministerin

Alma Zadić antwortet in Zahlen.

20 BOSNIER, DIE

INTEGRATIONSSTREBER

KOSMO-Chefredakteur Nedad Mimic erklärt,

warum gerade Menschen aus Bosnien und

Herzegowina Integration können.

22 „DIE AFD IST DER GEISTIGE

WEGBEREITER VON HANAU.“

Ex-Spiegel-Journalist Hasnain Kazim über

sein neues Buch, Hassnachrichten, und

Rechtspopulismus.

RAMBAZAMBA

26 DER SCHREI NACH THERAPIE

In migrantischen Familien sind psychische

Probleme und ihre Therapie immer noch ein

großes Tabu. Drei Frauen über ihren Weg zur

Hilfe.

32 LIFE & STYLE

Über Sozialpornos in Zeiten der „Instagram

wokeness“

33 STRENG, STRENGER,

POLNISCHE ELTERN

Redakteurin Natalia Anders über Lügen, Rügen

und Leistungsdruck in polnischen Familien

36 WHITE DAYS FOR FUTURE?

Ist die Fridays For Future Bewegung zu „weiß“

und elitär?

18

„FRAU ZADIĆ, WIE OFT IN DER WOCHE LESEN

SIE DIE KRONE?“

Alma Zadic in Zahlen: 7 Mal in der Woche liest die

Justizministerin die „Krone“.

10

DER JIHAD IM

UNTERGRUND

Man würde sich

wundern, wie viele

IS-Fahnen in Wiener

Haushalten noch

hängen. Ex-IS-

Sympathisanten klären

auf.

26

IN HALT MÄRZ

2020

58

AUS DER HÜFTE

Der orientalische Tanz ist bei Arabern beliebt

wie verpönt. Warum? Die Geschichte einer

Tanzlehrerin zu ihrem Traumberuf.

DER SCHREI

NACH

THERAPIE

Härte zeigen ist die

Devise in migrantischen

Familien.

Doch psychische

Probleme machen

davor keinen Halt.

Marko Mestrović, Zoe Opratko, Sophie Kirchner Cover: Zoe Opratko

KARRIERE

40 ES GIBT IHN, DEN

SEXISMUS

Eine Frauenministerin, die sich nicht als

Feministin bezeichnen will? Kolumnistin Anna

Jandrisevits kommentiert.

42 JUST THE BEST 3

Unser exklusiver Fahrplan für die größte

Bildungsmesse Österreichs

50 SALUT & SALAM!

Das Sous-Bois verbindet Café und Papeterie,

so wie französisches Flair mit orientalischen

Spezialitäten.

52 „AUCH MAL DAS HANDY

WEGLEGEN.“

Vier Jungunternehmer sprechen mit

dem WKW-Präsidenten Walter Ruck über

Handypausen, Motivation und Digitalisierung.

TECHNIK

54 ALTER FALTER

Kolumnist Adam Bezeczky über den heißesten

neuen Trend für die Hosentasche: Faltbare

Handys.

KULTUR

56 WENN DER TEUFEL EINE

HEILIGE WIRD

Du wirst alt, wenn du die Eltern deiner

Serienhelden plötzlich cool findest.

58 ZUM BAUCHTANZEN

BRAUCHT MAN KEINEN

BAUCH.“

Eine orientalische Tanzlehrerin über ihren

Weg zum Traumberuf und warum dieser kein

einfacher war.

OUT OF AUT

58 DESTINATION: SRI LANKA

Andere Länder, andere Sitten. Andrea Grman

musste in Sri Lanka feststellen, dass es auch

Vorurteile gegen Europäer gibt.

62 TODOR

Kolumnist Todor Ovtcharov über zwei Brüder,

die mit dem ältesten VW-Bus überhaupt nach

Wien fahren, um das Leben zu „studieren“.



Zoe (l.) ist unsere neue Fotochefin, Marko (r.)

verlässt biber

Liebe LeserInnen,

„U pičku materinu“ – oder so ähnlich hört sich das an, wenn die

Justizministerin Alma Zadić zweimal täglich in ihrer Muttersprache

flucht. Die 35-jährige beziffert im Interview in Zahlen ab S. 18 die

Wahrscheinlichkeit der Einführung einer Sicherungshaft unter

Türkis/Grün mit 20%, plant noch mindestens 5 Jahre in der Politik

zu bleiben und hat 2 FPÖ-WählerInnen in ihrem Bekanntenkreis.

Die drei ehemaligen IS-Sympathisanten in der Cover-Geschichte

blicken zurück auf die Zeit der Gehirnwäsche und warnen zugleich:

„Der IS ist noch nicht tot.“ Ab S. 10 lest ihr das Portrait der

geläuterten Ex-Jihadis, die aufgrund ihrer geänderten Lebensweise

Drohungen aus der Islamistischen Szene bekommen.

Unsere Redakteurin Elena hat mit drei jungen Frauen gesprochen,

die sich getraut haben, in Therapie zu gehen – etwas, was von

anderen Familienmitgliedern nicht positiv aufgenommen wurde.

Wenn Eltern ihre Traumata nicht verarbeiten, müssen das die

Kinder ausbaden. Ab S. 26

Wichtige Richtigstellung

der biber Redaktion:

In unserer Dezemberausgabe 2019

erschien eine stark gekürzte Version

dieses Interviews, in dem Hakan

Gördü leider falsch zitiert wurde.

Hiermit widerrufen wir folgenden

Satz: „Mein Wunsch ist, dass die

Kurden autonom in ihren Gebieten

sein können, unabhängig davon,

ob sie einer militanten Organisation

untergeordnet sind, oder nicht.“ Dies

entsprach nicht den Aussagen Herrn

Gördüs im Interview. Richtig soll es

heißen: „Mein Wunsch wäre, dass

die Kurden sehr wohl autonom in

ihren Gebieten sind. Das bedeutet

allerdings keine Spaltung der

souveränen Türkei, Voraussetzung

dafür ist jedoch, dass sich KurdInnen

gegen die PKK emanzipieren und für

sich selber sprechen können, ohne

dogmatisch an einer marginalen stalinistischen

Bewegung zu hängen.“

Wir entschuldigen uns für diesen

Fehler.

IMPRESSUM

MEDIENINHABER:

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,

Musuemsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien

HERAUSGEBER

Simon Kravagna

CHEFREDAKTEURIN:

Delna Antia-Tatić

STV. CHEFREDAKTEUR:

Amar Rajković

CHEFiN VOM DIENST:

Aleksandra Tulej

LEITUNG NEWCOMER:

Amar Rajković & Aleksandra Tulej

FOTOCHEFS:

Marko Mestrović/Zoe Opratko

KOLUMNIST/IN:

Ivana Cucujkić, Todor Ovtcharov

REDAKTION & FOTOGRAFIE:

Adam Bezeczky, Nada El-Azar, Andrea

Grman, Christoph Liebentritt,Jelena

Pantić- Panić, Anna Jandrisevits, Natalia

Anders, Elena Bavandpoori

CONTENT CREATION, CAMPAIGN

MANAGEMENT & SOCIAL MEDIA

Aida Durić

BRANDED CONTENT & DIGITAL

CONSULTING:

Timea Zawodsky

CORPORATE SOCIAL INNOVATION:

Andrea Grman (karenziert)

BUSINESS DEVELOPMENT:

Andreas Wiesmüller

GESCHÄFTSFÜHRUNG:

Wilfried Wiesinger

REDAKTIONSHUNDE:

Tito, Casper

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH Quartier 21,

Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien

Tel: +43/1/ 9577528 redaktion@dasbiber.at

marketing@dasbiber.at abo@dasbiber.at

WEBSITE: www.dasbiber.at

ART DIRECTOR: Dieter Auracher

LEKTORAT: Birgit Hohlbrugger

ÖAK GEPRÜFT laut Bericht über die Zweitprüfung im

2. HJ 2018:

Druckauflage 85.000 Stück

verbreitete Auflage 80.700 Stück

DRUCK: Mediaprint

Fotochef als auch Jugo-Bobo

Marko Mestrović verlässt biber.

An dieser Stelle: Danke für

die unzähligen Shootings, den

Einsatz, die Ruhe, den Elan, die

Qualität und Professionalität. Für

Covershootings wie „Generation

Haram“, „Hijabi Style“ und

so ziemlich alle anderen

großartigen Fotostrecken der

letzten Jahre. Ach Markovic, wir

werden dich vermissen. Ajde!

Apropos Kinder: Unsere polnische Redakteurin Natalia musste

schon als Kind zum Schwimm- und Zitherunterricht, Volleyball

spielen wollte sie auch nicht so recht, eher lieber beim Mäci chillen.

Eine humoristische Ode an die strengen polnischen Eltern, denen

der größte Erfolg gerade gut genug ist. Ab S. 33

Ja, Erfolg hängt oft von der Ausbildung ab. Mit unserem Guide

für die best-Messe ab Seite 42 seid ihr bestens vorbereitet. An

unserem biber-Stand könnt ihr gratis Bewerbungsfotos schießen

lassen.

Noch etwas in eigener Sache: Marko, der Fotochef unseres

Vertrauens, sucht neue Herausforderungen und sagt čao. Die

Nachfolge tritt Zoe an, die Neochefin hat gleich zum Einstand

fast das ganze Heft fotografiert. Darunter die bildgewaltigen

Geschichten wie „Schrei nach Therapie“, „Streng, strenger,

polnische Eltern“ oder das Coverfoto. Kann man mal machen.

bmf.gv.at

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über eine Plattform?

Wir informieren Sie über Neuerungen

Entgeltliche Einschaltung

Foto: BMF/Adobe Stock

Die Vermietung und Verpachtung von privaten Immobilien unterliegt

in Österreich der Steuerpflicht. Das gilt auch für die touristische

Vermietung z. B. über eine Plattform.

Scharfe Bussis,

die Redaktion

6 / MIT SCHARF /

Chris Wilmott

• Plattformen, die bei der Vermietung unterstützen, müssen Informationen über die abgewickelten Umsätze erfassen.

• Diese Aufzeichnungen werden an das Finanzamt übermittelt, damit dieses überprüfen kann, ob die Umsätze/Gewinne

aus touristischen Vermietungen über eine Plattform ordnungsgemäß versteuert werden.

Informieren Sie sich daher jetzt auf bmf.gv.at/vermietung und machen Sie gegebenenfalls Ihre

Umsatzsteuererklärung/Einkommensteuererklärung.



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In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin

Ivana Cucujkić über ihr daily life.

IVANAS WELT

Ivan Minić

MAMA ŠEFICA

Bloß nicht wie die eigene Mutter werden. Das ist die große Angst vieler

Töchter, zumindest wenn sie in einem Jugohaushalt aufgewachsen sind.

In Jugofamilien endet die eigene Privatsphäre an der

Türschwelle zur Wohnung und das vermeintlich gut

versteckte Tagebuch wird wie ein öffentliches Telefonbuch

konsumiert. Als Option zur Abnabelung bleibt

die Rebellion gegen einfach alles, was einem vorgelebt

wird. Vor allem aber gegen diese allwissende

Frau mit sechstem Sinn für Geheimnisse und Lügen:

Mama Allmächtig. Nein, nein, ich werde bestimmt

nicht meinen Kindern auf die Nerven gehen mit ungefragten

Ratschlägen, alle Schulfreunde für potenzielle

Drogensüchtige halten, ihnen nach jedem Fortgehen

eine Schwangerschaft unterstellen - kurz: sie einfach

meine Super-Mamimacht als Familienoberhaupt spüren

lassen.

DON’T MESS WITH THE MAJKA

Es gibt nur eine Mutter. Das ist für viele Menschen

schlicht eine Tatsache. Am Balkan ist das ein Dogma.

Jedna je Majka. Es gibt nur eine Mutter, frei übersetzt:

es gibt nur die eine Wahrheit. Boss Mom ist hier nicht

bloß ein Hashtag. Mama ist heilig, aufopfernd, unantastbar.

Für sie prügeln wir uns im Schulhof. Denn

„wenn du was über meine Mutta sagst“, provozierst

du eine Faust ins Gesicht „bei der Vagina deiner Mutter“

(picka ti materina). Fun fact: Die höchste moralische

Instanz der Jugo-Gesellschaft ist gleichzeitig

zentraler Gegenstand der Schimpfkultur. Mich hat das

immer schon irritiert.

MUTTI HATTE DOCH RECHT

Noch mehr irritiert mich, dass sie in verdammt vielen

Dingen recht behielt, als sie hunderte Male „du wirst

schon sehen, wenn du eigene Kinder hast“ nachgeworfen

hatte.

Ja, ich seh’ schon. Es ist verdammt anstrengend, lustig,

atemberaubend, beängstigend. Diese Kinder,

diese Verantwortung, Wäsche, Minus, Sorgen, Sorgen,

Sorgen. Es macht müde und hungrig. Ja, ich seh’

schon. Es macht Sinn, unangemeldet mit Töpfen voller

warmem Essen aufzutauchen, das Kind zu packen

und es für mehrere Wochenenden meiner geistigen

Gesundheit zuliebe zu betreuen. Abrufbereit zur Stelle,

wenn es brennt. Mutti kommt und löscht. Und immer

etwas im Gefrierfach haben, denn man weiß ja nie.

Schon verstanden.

BISSL RAKIJA IM KAFFEE?

Alles schaffen, nach dem Nervenzusammenbruch das

Krönchen wieder aufsetzen und das Bio-Hühnchen

fertiggaren. Würd’ ich auch ur gern. Ich hab nur echt

keinen Plan, wie. Wie machten das die 80er-Muttis?

Waren sie härter im Nehmen oder half ein bisschen

Rakija im Kaffee? Meine marschierte um fünf Uhr in

der Früh top gestylt im Zweiteiler zu ihrem Bäckerei-

Job, um am Nachmittag meine Schwester und mich

im Park zu bespaßen. Die Handtasche war dabei stets

mit den Schuhen abgestimmt und absolut nie, nie, niemals

wurde sie auf dem Boden abgestellt. Meine Mutter

führte ein Insta-Life, nur offline. Ich schaff’s nicht

einmal, diesen Text hier rechtzeitig abzuliefern. Also

steht sie wieder auf der Matte. Und hat frische Semmeln

mit. Bloß so werden wie sie.

Happy 8. März!

Foto: Getty Images

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8 / MIT SCHARF /

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Aus Angst vor

Vergeltung wollen

Alen, Aslan und Yusuf

unterkannt bleiben.

DAS IST NICHT

UNSER JIHAD

Sie wollten in Syrien für Allah töten und ihr Land vor

Ungläubigen verteidigen, jetzt bewahren sie radikalisierte

Jugendliche davor, dieselben Fehler zu begehen. Drei

ehemalige IS-Sympathisanten über den Ausstieg und die

Warnung – die Ideologie lebt auch heute in Wien weiter.

Von Aleksandra Tulej, Fotos: Marko Mestrovic und Zoe Opratko

10 / POLITIKA /

/ POLITIKA / 11



I

Ich dachte mir, indem ich jetzt nach Syrien gehe,

kann ich all dem ein Ende setzen.“ Aslan hatte im

Dezember 2014 schon seine Sachen gepackt und war

auf dem Weg zu einem abgemachten Treffpunkt an

einem Wiener Busbahnhof, von dort aus hätte man ihn über

die Türkei nach Syrien geschleust – dort wollte sich der damals

16-Jährige dem sogenannten Islamischen Staat anschließen.

Er war bereit, für den IS in den Jihad zu ziehen. Fast alle seine

Freunde von damals waren schon in Syrien und haben für den

IS gekämpft – überlebt hat keiner. Aslan hatte Glück: Als er

am Bahnhof stand und Ausschau nach dem Mittelsmann hielt,

fingen ihn sein Vater und sein Onkel dort ab – und brachten

ihn zurück nach Hause. Seine Cousine, der sich der heute

20-jährige Tschetschene anvertraut hatte, hatte ihn verraten.

Verraten – so sah er das damals, das war 2014. Heute ist er ihr

dafür mehr als dankbar.

Ich treffe an einem Abend im Februar 2020 Aslan und seine

Freunde Yusuf und Alen, die alle ehemalige IS-Sympathisanten

sind, um über ihre Vergangenheit, ihren Ausstieg und ihre

Zukunft zu sprechen. Mittlerweile haben sie alle der radikalen

Ideologie den Rücken gekehrt. Die jungen Männer setzen sich

heute aktiv gegen Radikalismus und die Ideologie ein, von

der sie einst Teil waren. Deshalb müssen für diese Story ihre

Namen geändert und ihre Gesichter unkenntlich gemacht werden.

„Wegen den Leuten von früher“, wie mir Aslan erklärt.

„DAMALS WURDE DER JIHAD

AUSGERUFEN, HEUTE WIRD ER

GEFLÜSTERT.“

Also jenen Wienern, die heute noch mit dem IS sympathisieren.

Nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat im März 2019

weitgehend zerschlagen wurde und das Medienecho rund um

den IS verstummt ist, lebt die Ideologie noch im Untergrund

weiter. Auch in Wien. „Du würdest dich wundern, in wie vielen

Gemeindebau-Wohnungen im 20. oder 21. Bezirk in Wien noch

heute die IS Fahne hängt“, sagt Aslan. „Nur jetzt passiert das

halt unauffällig. Das ist nicht mehr wie früher, dass die Typen

lange Bärte und Gebetskleidung tragen – die sehen jetzt ganz

normal aus. Aber aus meiner persönlichen

Erfahrung kann ich dir sagen,

dass es jetzt nicht weniger IS Anhänger

in Wien gibt als früher.“ Nur wird

die Ideologie eben im Stillen gelebt.

„Damals wurde der Jihad ausgerufen,

heute wird er geflüstert“, resümiert

Aslan. Es gibt laut dem BMI und dem

Verfassungsschutz keine offiziellen

Zahlen dazu, wie viele IS-Sympathisanten

heute noch in Wien leben. Die

Ich hatte so

einen Hass gegen

den Westen.

/

12 / POLITIKA /

Dimension kann man nicht einfangen – auch deshalb sind die

Aussteiger vorsichtig. Das Problem sei nicht der Ausstieg –

sondern die Tatsache, dass die Jungs heute genau gegen die

Menschen arbeiten, die sie selbst früher waren.

Als ich Aslan, Yusuf und Alen zum ersten Mal treffe, ist

mein Eindruck „krasse Jungs“. Breite Schultern, fette Uhren,

schwarze Alpha-Industries-Klamotten, breitbeiniger Sitz. Doch

als Aslan beginnt zu sprechen, merke ich sehr schnell, dass

sich hinter dieser Fassade sehr viel Intelligenz und Scharfsinnigkeit

versteckt. Aslan wählt seine Worte bewusst, spricht

selbstsicher und blickt seinem Gegenüber stets in die Augen.

Er macht keine halben Sachen, das wird schnell klar.

„BRUDER, GERADE DU KÖNNTEST SO

VIEL FÜR DEN IS TUN“

Als Jugendlicher trug Aslan so viel Wut und Hass in sich –

gegen „den Westen“, wie er selbst sagt, gegen den Staat und

vor allem gegen die Ungerechtigkeit innerhalb unserer Gesellschaft

– die hat er von klein auf mitbekommen.

In Österreich war er von Anfang an mit polizeilichem und

pädagogischem Rassismus konfrontiert, wie er selbst erzählt.

Er fühlte sich ausgegrenzt und angegriffen. „Wenn die mich

als Teufel sehen, gebe ich mich auch als Teufel“, war Aslans

Credo. Er fing an, die Schule zu schwänzen, geriet schnell auf

die schiefe Bahn: Prügeleien, Sachbeschädigung – die klassische

Kleinkriminellen-Karriere eben. Die Anzeigen häuften

sich – bis Aslan kurz vor seinem 15. Geburtstag schließlich im

Gefängnis, der JVA Josefstadt, gelandet ist. Während seiner

siebenmonatigen Haft wurde sein Hass auf den Staat und das

System noch größer. „Ich habe dort im Gefängnis ältere Afghanen

kennengelernt, die eigentlich weit über 30 waren, sich

aber als Siebzehnjährige ausgegeben haben“, erklärt Aslan. Sie

bekräftigten ihn in seiner Ansicht, dass ihn hier in Österreich

niemand will und dass er gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen

muss. „Bruder, in Syrien ist gerade Krieg. Du solltest dich Dawla

anschließen, das wäre dein perfekter Weg. Russland hat dein

Land bekämpft, deine Verwandten umgebracht – jetzt kannst

du dich dafür rächen. Bruder, gerade du könntest dort so viel

Gutes für Muslime tun“, bekam Aslan von ihnen zu hören.

„DORT SIND GUTE BRÜDER, DIE

BRINGEN DIR ALLES BEI“

Sein Vater hatte ihn immer davor gewarnt, sich jeglicher Art

von Gruppierung oder Ideologie anzuschließen - die Worte

seiner Mithäftlinge ergaben für den Jugendlichen damals mehr

Sinn. TV-Nachrichten darüber, dass Assad gerade Giftgasanschläge

in Syrien verübt und der

Bevölkerung Leid zufügt, bekräftigten

ihn darin noch mehr. Von den Männern

im Gefängnis hat Aslan eine Wiener

Moschee empfohlen bekommen, an

die er sich „draußen“, also nach dem

Absitzen seiner Strafe, wenden sollte.

„Dort sind sehr viele gute Brüder, die

zeigen dir alles und bringen dir alles

bei“, hatte es geheißen. Und so war es

auch. Er fing an, mit diesen „Brüdern“

„Du würdest dich

wundern in wie vielen

Wohnungen in Wien

noch die IS-Fahne

hängt“, sagt Aslan.

POLITIKA / 13



abzuhängen – zuerst schien

es wie ein „stinknormaler

Freundeskreis, wir waren

grillen, schwimmen, und so

einen Scheiß“, sagt er und

winkt ab. Aber nach und nach

begann die Gehirnwäsche.

Aslan bekam mit, wie seine

neuen Freunde Dinge sagten

wie „Hast du gehört, was da in

Syrien passiert ist? Mashallah,

unsere Brüder sind siegreich

geworden“, ihm IS-Propaganda

Videos zeigten, in denen

Leute abgeschlachtet werden.

Seine „Freunde“ waren unter

anderem sogenannte Kader (in

der Szene Da‘i genannt) also

Menschen, die junge Männer

anwerben wollten, sich der

Ideologie anzuschließen. Nach

und nach rutschte Aslan in die

jihadistische Wiener Szene ab.

Bis er sich eines Tages sicher

war, dass in den Jihad zu

ziehen der einzig richtige Weg

ist. „Du bist jetzt bereit, sie

brauchen dich dort“, hieß es.

Und Aslan war bereit. „Als ich

damals am Bahnhof gestanden

bin und auf einmal ein

Auto vorgefahren ist, in dem

mein Vater und Onkel saßen, habe ich‘s ur nicht gepackt“, sagt

er. 13 Stunden lang hat sein Vater danach auf ihn eingeredet

– abwechselnd geschrien, geredet, geschrien – und es hat

gewirkt. „Mein Vater hat mir damals eine Moschee empfohlen,

durch den Imam dort wurde mir bewusst, dass alles, was ich

davor geglaubt habe, einfach totaler Blödsinn ist. Das, was die

Männer, die sich meine Brüder nannten, mir eingeredet haben,

steht nirgends im Koran.“ Die Männer, die sich seine Brüder

nannten, hatten natürlich Wind davon bekommen, dass Aslan

noch in Wien ist. „Kafir, Ungläubiger“, nannten sie ihn. „Die

hatten schon ein bissi Respekt, weil ich Kampfsportler bin, aber

als ich dann begonnen habe, mich in verschiedenen Jugendzentren

und Projekten zu beteiligen, die sich gegen deren

Ideologie richten, hat es ihnen gar nicht

mehr getaugt.“ Es folgten Morddrohungen

und daraufhin ein Angebot auf

Polizeischutz. „Aber das brauch ich

nicht, ich mach ja MMA“, sagt Aslan

selbstsicher.

ANGEZEIGT DURCH DEN

EIGENEN VATER

„Schau, das ist jetzt nicht so, dass dir

jemand auf einmal sagt: Jihad, Bruder,

da, geh hin“, wirft Aslans Freund Yusuf

Die Jungs wollen Jugendliche warnen, damit diese

nicht in die Hände des IS fallen.

Wenn die mich

als Teufel sehen,

gebe ich mich

auch als Teufel.

/

14 / POLITIKA /

ein. „Die schmieren dir zuerst

so viel Honig ums Maul, bis

sie dich komplett haben.“

Der 20-Jährige ist in Pakistan

geboren und lebt seit 19

Jahren in Österreich. Er gibt

sich lockerer als Aslan, reißt

Witze und erzählt viel durcheinander:

Zu erzählen hat er

einiges. Schnell gewinne ich

den Eindruck, dass auch er

viel durchgemacht hat. Yusuf

hatte eine ähnliche Geschichte

wie Aslan: „Ich war in meiner

Klasse der einzige Schwarzkopf,

ich wollte lieber mit

meinesgleichen abhängen.“

Mit 14 lernte er dann auch

„seinesgleichen“ kennen.

„Ich habe mich geprügelt,

hab Leute abgezogen, um zu

zeigen: Schau wie leiwand ich

bin“. Auch er fand schnell die

falschen Kreise. „Damals sind

die Kids mit ISIS-Kappen und

T-Shirts rumgelaufen. Damals

wusste ja keiner, was dieses

Logo bedeutet.“ Yusuf spricht

von Anfang 2014, einer Zeit,

als die Terrormiliz IS in Europa

der breiten Masse noch weitgehend

unbekannt war.

Als das Kalifat am 29. Juni 2014 ausgerufen wurde, hat

sich alles geändert. Am 24. September 2014 verabschiedete

der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig eine

Resolution für den weltweiten Kampf gegen den Islamischen

Staat. Ab 1. Jänner 2015 wurden Symbole des IS in Österreich

per Gesetz verboten. „Als diese Vereine für eine Terroristengruppierung

erklärt wurden, hat jeder begonnen, seine Fresse

zu halten. Das waren so unauffällige Moscheen, und als die

geschlossen wurden, hat man sich irgendwo bei wem zuhause

getroffen. Die Typen haben Sachen gepredigt, für die man sie

sofort verhaften würde, wenn sie das öffentlich getan hätten.“

Auch Yusuf war schon am Weg nach Syrien. „Ich habe

es aber nicht behindert gemacht, wie die meisten. Ich habe

meinen Bart rasiert, habe mich davor

ganz normal verhalten, dass meine

Eltern dachten, ich würde einfach

auf Urlaub nach Bulgarien fahren.“

Bis nach Bulgarien hatte er es auch

schon geschafft, weiter aber nicht.

„Ich wurde an der Grenze verhaftet.

Wegen Verdacht auf Mitwirken an

einer terroristischen Organisation.“

Yusuf wurde zurück nach Österreich

gebracht, wo er erstmal vier Stunden

lang vom Verfassungsschutz befragt

2016 wurde das Streetwork-Projekt

„Jamal al-Khatib“ ins Leben

gerufen. Gemeinsam mit anderen

Aussteigern, Poiltik- und Islamwissenschaftlern, Sozialarbeitern

und Filmemachern setzen sich ehemalige IS-Sympathisanten

heute dafür ein, dass Jugendliche nicht dieselben

Fehler wie sie begehen. Die Idee für das Projekt lieferte ein

Jugendlicher, der momentan in Haft sitzt –

er selbst war tief in der jihadistischen Szene

und möchte seine Geschichte erzählen. Er

wirkt heute noch mit und schreibt aus dem

Gefängnis Briefe, die als Grundlage für einige

der Videos fungieren. In den Videos, die

auf Youtube ausgestrahlt werden, erzählt

eine fiktive Identifikationsfigur Jamal, wie er

in Österreich in die salafistisch-jihadistische

Szene abdriftet und im Gefängnis seine

Entscheidungen hinterfragt.

Die Videos basieren auf tatsächlichen Erlebnissen

von jungen Wienern, die aus der

Szene ausgestiegen sind. Es geht um Gewalt, Religion und

Ehre. Die Resonanz auf die Videos sei überwiegend positiv.

„Wir bekommen viele Nachrichten von Jugendlichen, die

uns schreiben : Wegen dieses Videos habe ich eingesehen,

dass dies und jenes falsch ist.“ Genau das ist das Ziel. Wann

ihre Arbeit „getan“ sein wird? Noch lange nicht. Momentan

kursieren im Netz unzählige Videos

WAS IST

von Konzentrationslagern in China, in

denen Uiguren gefoltert und umgebracht

werden. „Es gibt aber auch falsche Infos und Fake

Videos, die im Zuge dessen verbreitet werden. Eines der

viralsten Videos zeigt Bilder aus Mexiko und nicht China,

da wird wieder instrumentalisiert und wir haben dasselbe

Problem wieder“ erzählt einer der Sozialarbeiter.

Die neueste Kampagne von Jamal al-Khatib

heißt „#Uiguren #Wirvergesseneuchnicht!“

– hier wird auf die Situation der Uiguren

in China Bezug genommen, es werden

Möglichkeiten wie man Uiguren unterstützen

kann aufgezeigt, es wird aufgeklärt

und Bewusstsein geschaffen. Damit die

Jugendlichen ihre Informationen nicht aus

Fake Videos beziehen. „Wir möchten aber

nicht, dass die Jugendlichen denken, dass

das die Positionen, die im Projekt gemeinsam

für die Videos entwickelt werden, die einzig richtigen

sind. Wir wollen mit den Videos ein Raum für Diskussionen

über Themen anbieten, die für Jugendliche wichtig sind. Wir

freuen uns über Kritik und möchten nicht, dass Jugendliche,

die die Videos sehen, die Positionen darin übernehmen. Sie

sollen ihre eigenen Positionen entwickeln.“

JAMAL AL KHATIB?

/ POLITIKA / 15



wurde. Er wusste, dass jemand

ihn verraten haben musste,

der Verfassungsschutz hatte

bei ihm zuhause mittlerweile

alles durchsucht – sein Laptop

und Handy wurden konfisziert.

Als das Verhör zu Ende war,

wartete Yusufs Vater vor dem

Eingang auf ihn: Er war derjenige,

der seinen Sohn beim

Verfassungsschutz angezeigt

hatte – und rettete ihn somit

vor dem sicheren Tod. „Meine

besten Freunde, mit denen ich

Tag und Nacht unterwegs war,

sind alle zum IS gegangen.

Keiner von denen lebt heute

noch.“

„DAS IST

WAHRSCHEINLICH

MEIN LETZTER

ATEMZUG, SAG

MEINEN ELTERN,

DASS ICH SIE

LIEBE“.

Am Anfang sah alles noch

rosig aus. Über Nachrichten-

Apps wie Telegram und

Threema kommunizierte Yusuf

mit seinen Freunden im Islamischen Staat, die ihm berichteten,

wie „‚leiwand‘ es dort ist, so auf ‚Baba Wetter, hier sind deine

Brüder, wir warten auf dich“, zitiert Yusuf. Nach und nach wurden

die Nachrichten seltener – teils deshalb, weil einige bereits

tot waren, teils deshalb, weil das Weltbild seiner Freunde

immer mehr auf den Kopf gestellt wurde. „Irgendwann hieß es

dann: Es ist hier nicht so, wie sie uns eingeredet haben. Das

in den Videos, die wir gesehen haben, stimmt einfach nicht.

Hier ist jeder gegen jeden, wegen allem kannst du getötet

werden. Wir kämpfen nicht für das Richtige hier. Bruder, komm

einfach nicht hierher“, schrieb ein guter Freund von Yusuf, der

davor Tag und Nacht nur vom Jihad gesprochen hatte. Auch

Aslan hatte Kontakt zu seinen Freunden, die bereits aus Wien

nach Syrien gegangen waren. „Das ist

wahrscheinlich mein letzter Atemzug,

sag meinen Eltern, dass ich sie liebe“.

Und dann war er – Aslan macht eine

Handbewegung – tot.

„Das war ein guter Freund von mir,

er hat mich damals angerufen. Er stand

vor der Wahl: Entweder er sprengt sich

selbst und die Basis der Rebellen in

die Luft, oder nur sich selbst.“ Er hat

letzteres gewählt - er hatte erkannt,

dass es nichts mehr bringen würde.

Leider zu spät. „Das war doch der eine

Dagestaner und sein Cousin, die haben

„Fast alle unsere Freunde, die beim IS waren, sind tot“

Die schmieren dir

einfach zuerst so

viel Honig ums

Maul, bis sie dich

komplett haben.

/

16 / POLITIKA /

sich gesprengt“, wirft Alen

leise ein. Alen, ein Inguschete,

ist der schüchterne von den

dreien – er selbst war, wie

er sagt, nicht so tief in der

Szene wie seine Freunde, aber

„auch bei mir sind fast alle

zum IS gegangen, das, was

die dir erzählen ist eh schon

alles, was man dazu sagen

kann“, sagt er. Ob irgendwer

von diesen Freunden bis zum

Schluss überzeugt war, dass

sie dort das Richtige tun?

„Nein“, sind sich alle drei

sicher. „Alle haben irgendwann

gemeint: Wallah, wir bereuen

es abnormal, dass wir hierher

gekommen sind“, erklärt Alen.

„Einer hat sich retten können,

indem er zurückgekommen ist

und sich rausgeredet hat, dass

er Rettungsfahrer war – und

man hat ihm nur geglaubt,

weil er blonder Österreicher

ist. Alle anderen - tot“, zuckt

Aslan mit den Schultern. Ich

will wissen, ob ihn das gar

nicht mitnimmt, so nüchtern,

wie er davon erzählt. „Schau,

selbst wenn das mein leiblicher Bruder gewesen wäre, könnte

ich genauso emotionslos darüber sprechen. Ich kann dir nicht

sagen, wie viele gestorben sind. Es war nicht einer, nicht zwei

und auch nicht zehn – man gewöhnt sich dran.“

Ende 2018 waren dem Bundesamt für Verfassungsschutz

und Terrorismusbekämpfung 320 aus Österreich stammende

Personen bekannt, die sich aktiv am Jihad in Syrien und dem

Irak beteiligten oder beteiligen wollten. Davon sind laut unbestätigten

Informationen 58 Personen in der Region gestorben

oder getötet worden und 93 Personen wieder nach Österreich

zurückgekehrt. Weitere 62 konnten an einer Ausreise gehindert

werden und halten sich nach wie vor im Bundesgebiet auf, so

der Verfassungsschutzbericht 2018.

Im Jahr 2019 sind laut dem Bundesministerium

für Inneres zwei Personen

zurückgekehrt. Weitaus weniger

als in den Vorjahren. Das bedeutet

aber nicht, dass der „Kampf gegen

den IS“ beendet ist.

„ES GIBT HEUTE FIX

NOCH REKRUTIERER“

Aslan und Yusuf vergleichen die

Ideologie des IS mit der der Nazis: Der

„Hype“ sei vorbei, die Gesinnung aber

lebe noch weiter. Und solange es die

Ideologie gibt, wird sie auch instrumentalisiert.

Es werde einfach nur auf eine Gelegenheit

gewartet. Momentan sei es die Situation der Uiguren

in China. Einen Call to Action wie damals beim Jihad

gibt es nicht – „aber es wird teilweise dazu angestiftet,

Menschen, die damit irgendwie in Verbindung

stehen, umzubringen oder ihnen Schaden zuzufügen“,

so Aslan. Es werde mobilisiert, sich gewissen Gruppierungen

anzuschließen, diese jihadistische Ideologie

und das Narrativ„Muslime vs. Nicht-Muslime“ sei nach

wie vor vorhanden. „Die Leute wollen sich nicht dem

ISIS anschließen. Sie wollen sich einfach der Ideologie

anschließen“, sagt Yusuf.

„Im Gefängnis damals war Syrien das Thema

Nummer eins. Ich nehme stark an, dass es heute die

Uigurensache ist. Da gibt es fix Rekrutierer. Die machen

so einen auf ur guten Bruder, sie gehen zu Jugendlichen

hin und haben quasi den Ansatz: Wir müssen

den Uiguren helfen, schau was in China mit unseren

Geschwistern passiert. Die töten dort unsere Männer

und vergewaltigen unsere Frauen. Wir müssen was tun.

Du wirst gebraucht.“ So war es auch damals bei Aslan,

Yusuf und Alen.

„Früher habe ich mir die ganze Zeit diese Propagandavideos

vom IS reingezogen, habe den Westen

verflucht, es ging 24/7 nur um das Eine“, sagt Aslan.

Heute sei er viel offener, er habe viele andere Religionen,

Positionen und Meinungen kennengelernt. „Ich

bin auch viel höflicher geworden. Mir ist heute egal, aus

welchem Land jemand kommt, oder welche Religion er

hat.“ Yusuf pflichtet ihm bei: „ Ich habe damals alles

verflucht und war die ganze Zeit depressiv und aggressiv,

habe an den Tod gedacht. Jetzt habe ich Freunde

aus allen möglichen Glaubensrichtungen, habe Fuß im

Leben gefasst und lebe einfach normal.“

Aber die Wut, die ist geblieben: Die Wut gegen

Ungerechtigkeiten, der Drang, Menschen in Not zu helfen

und sich für andere einzusetzen, ist bei allen noch

prävalent. Nur, dass sie es heute richtig einzusetzen

wissen, wie Aslan sagt: „Heute weiß ich, dass es keine

Waffe braucht, um anderen Menschen zu helfen.“ Der

Jihad, den die Aussteiger heute führen ist jener mit sich

selbst - der Jihad un-Nafs, um ein guter Mensch zu

werden. ●

Anm. : Alle Fotos wurden für die Geschichte gestellt, die Namen

sind zum Schutz der jeweiligen Personen von der Redaktion geändert.

„WIR BIETEN DEN

JUGENDLICHEN

PERSPEKTIVEN“

Interview mit Rami Ali

Politologe, Islamwissenschaftler

und Mitwirkender bei „Jamal al

Khatib“

BIBER: Wie weit ist die IS-Ideologie heute noch in Wien verbreitet?

Was ist anders im Gegensatz zu 2014?

RAMI ALI: Die Anzahl der Orte, an denen sie gepredigt wird,

hat abgenommen. Weil einerseits der Call to Action fehlt und

andererseits der Verfassungsschutz aufgerüstet hat. Früher

hat man sich eben in einer Hinterhofmoschee oder einer Wohnung

getroffen. Heute stehen diese Moscheen, falls es sie gibt,

unter Beobachtung und die Leute wissen „Wenn ich da jetzt

reingehe bin ich vielleicht auf dem Radar vom Verfassungsschutz“.

Die Akteure wissen ganz genau, dass sie beobachtet

werden.

Haben Sie eine Einschätzung dazu, wie viele IS-Sympathisanten

es 2020 in Wien gibt?

Das ist schwer zu sagen, zumal es einen Unterschied gibt zwischen

jenen, die sich wirklich als Anhänger der Organisation

„IS“ sehen und jenen, die mit Versatzstücken der IS-Ideologie

sympathisieren. Etwa 330 Menschen sind damals insgesamt

aus Österreich nach Syrien gegangen. Einige von ihnen sind

jetzt zurückgekehrt und berichten zum Teil über die falschen

Versprechen, die ihnen gemacht wurden. Was man mit

Gewissheit sagen kann: Der „Hype“ rund um den sogenannten

IS ist jetzt abgeflacht. Das liegt nicht nur am Territoriumsverlust

des sog. Islamischen Staats.Die geballte Brutalität, die er so

zur Schau gestellt hat, ist für die meisten Leute einfach nicht

mehr attraktiv und schreckt ab. Es spricht sicher noch eine

sehr gewaltaffine Gruppe, die noch sehr tief indoktriniert ist,

an. Die breite Masse erreichst du damit jetzt nicht mehr.

Was bewirken Projekte wie „Jamal Al Khatib“?

Erstens können sich die Jugendlichen, die an dem Projekt partizipieren,

mit den Inhalten identifizieren. Wir bringen sie in fast

alle Entscheidungen mit ein, bieten ihnen Perspektiven. Wenn

sie nicht mehr dieses Ohnmachtsgefühl haben und dieses

Ungerechtigkeitsempfinden positiv einzusetzen wissen, macht

das was mit den Jugendlichen. „Jamal al-Khatib“ ist auch

ein Diskursraum. Das sehen wir auch an den Interaktionen

und dem Feedback auf unseren Social Media Kanälen. Zudem

stellen wir immer wieder fest, dass sich viele Leute damit

identifizieren, das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen und

evaluiert. Es gibt eine externe Begleitforschung seitens der FH

St Pölten. Die zweite Staffel des Videoprojetkes wurde von der

Bundeszentrale für politische Bildung/bpb gefördert.

POLITIKA / 17



Frau Zadić,

wie oft fluchen

Sie täglich auf

Bosnisch?

Wie hoch ist die

Wahrscheinlichkeit

in %,

dass die Sicherungshaft

unter

Schwarz/Grün

eingeführt wird?

Wie viele

österreichische

Verfassungsgesetze

würden

Sie ändern,

wenn Sie

könnten?

Wie viele

aktuelle

PolitikerInnen

Österreichs

bewundern

Sie?

Auf einer Skala

von 1–100:

Wie viele

Meter links

von der Mitte

stehen Sie?

Auf einer Skala

von 1–100:

Wie viele

Meter rechts

von der Mitte

steht Sebastian

Kurz?

Wie viele Hassnachrichten

haben

Sie in diesem Jahr

bekommen, die

derzeit auf strafrechtliche

Inhalte

überprüft werden?

Wie viele

Stunden

arbeiten Sie

täglich?

Wie viele Jahre

werden Sie

mindestens

in der Politik

bleiben?

Interview in Zahlen:

In der Politik wird bereits genug

geredet. Biber fragt in Worten,

Justizministerin Alma Zadić

antwortet mit einer Zahl.

20

11

0

50

50

25.500

15

5

Von Magdalena Biberauer und Amar Rajković

Fotos: Zoe Opratko

Sechs Demos besuchte die Justizministerin im Jahr 2019.

Zwei Mal am Tag flucht die bosnischstämmige

Zadić in Ihrer Muttersprache.

Mindestens noch fünf Jahre will Alma Zadić

in der Politik bleiben.

Ein Mal im Monat geht die 35jährige Juristin zum „Mäci“ essen.

Wie oft fluchen

Sie täglich auf

Bosnisch?

Wie oft im

Jahr besuchen

Sie Ihre

Heimatstadt

Tuzla?

Wie viele Glückwünsche

haben

Sie zur Ihrer

Angelobung aus

Bosnien und

Herzegowina

erhalten?

Wie lautete Ihr

Matura-Notendurchschnitt?

Wie oft im

Monat gehen

Sie zum

„Mäci“?

Wie viel

Prozent Ihrer

MitarbeiterInnen

haben

Migrationshintergrund?

Wie viele

Identitäre

folgen Ihnen

auf Twitter?

Wie viele Ihrer

Bekannten

wählen die

FPÖ?

Auf wie vielen

Demos waren

Sie letztes

Jahr?

Wie viele Menschen

im Justizministerium

sprechen Ihren

Namen falsch

aus (In Prozent)?

2

1

1380

1

1

38%

30

2

6

40

18 / POLITIKA /

/ POLITIKA / 19



MEINUNG

BOSNIER, DIE INTEGRATIONSSTREBER

Warum schneiden Menschen aus Bosnien und Herzegowina in der

öffentlichen Wahrnehmung besser ab als andere Migranten?

Ein Erklärungsversuch von Nedad Memić.

KEIN ZURÜCK MEHR

Ein ehemaliges Flüchtlingskind aus Bosnien-Herzegowina

als erste Bundesministerin in Österreich: ein

Zufall oder vielleicht doch nicht? Alma Zadić gehört

zu jener Generation der bosnischen Flüchtlinge, die

Benefits aus beiden Kulturkreisen zu nutzen wussten:

zu jung, um vom Bosnienkrieg in all seiner Ungeheuerlichkeit

traumatisiert zu werden; jung genug,

um Chancen in Österreich rechtzeitig zu ergreifen.

Dass das junge Mädchen aus Bosnien-Herzegowina

keinen leichten Start in ihrer neuen Heimat hatte, gibt

sie selbst zu. Doch sie hat es geschafft – wie auch

viele andere bosnische Kriegsflüchtlinge. Hierzulande

gelten sie als gut integriert, ihre Beschäftigungsquote

ist höher als bei den meisten anderen Zuwanderercommunitys.

In Schweden bekleideten sie bereits

Minister- und Staatssekretärsposten, in Großbritannien

sitzt eine gebürtige Bosnierin als Baroness im House

of Lords. Also, worin liegt das geheime Rezept der

guten Integration von Bosnierinnen und Bosniern in

der Diaspora?

Zuerst ist es ihre Fluchterfahrung: Für viele Flüchtlinge

aus Bosnien-Herzegowina gab es nach ihrer Flucht

oder Vertreibung kein Zurück mehr. Das Land und die

Leute, die ihnen einst vertraut waren, gingen im Krieg

für immer verloren. Die Integration in der neuen Heimat

war für sie alternativlos. Auch die soziale Struktur

der bosnischen Community spielte eine wesentliche

Rolle in ihrer Integration. Während vor allem die frühe

Zuwanderung aus Serbien oder der Türkei von Gastarbeitern

geprägt war, ist die Struktur der bosnischen

Flüchtlinge vielfältiger: War es ein Uniprofessor, eine

Bankangestellte oder ein Spengler: Der Krieg machte

keinen Unterschied. Darüber hinaus spielt im bosnischen

Bildungsbürgertum der schulische Erfolg nach

wie vor einen zentralen Erziehungsfaktor: „Du musst

nur lernen, für alles andere ist gesorgt“, lautet ein

Standardsatz vieler bosnischer Eltern.

„UNSER BOSNIEN“

Auch wenn es um die Wahrnehmung einer Community

in der Mehrheitsgesellschaft geht, haben Bosnier wieder

die besseren Karten. „Ihr habt mal zu uns gehört!“,

zählt etwa zum Standardrepertoire jedes bosnischösterreichischen

Annäherungsversuchs. Die gemeinsame

Geschichte spielt nämlich auch eine Rolle. Ein

positives Medienbild genauso. So löst eine bosnischstämmige

Bundesministerin bei vielen Durchschnittsösterreichern

immer noch weniger Kontroversen aus

als etwa eine türkisch- oder afrikanischstämmige.

Trotzdem bleibt Alma Zadić ein Hoffnungsschimmer:

Sie machte die Tür zu den höchsten Ämtern im Staat

für Migrantinnen und Migranten auf. Diese wird man

nicht mehr so leicht zumachen können. ●

Zur Person: Nedad Memić ist gebürtiger Bosnier.

Der promovierte Germanist war u. a. KOSMO-Chefredakteur,

momentan arbeitet er als Consultant in der

Wiener PR-Agentur Himmelhoch.

Zoe Opratko

„Deutschland, umarme mich.“

Von Elena Bavandpoori

Toleranz

Für ein friedliches Miteinander von 2,6 Mio. Fahrgästen täglich.

#so gut fährt Wien

In Shishabars lebt ein kollektives Gefühl. Sie sind

wie kleine Schutzräume in einer dysfunktionalen

Gesellschaft, in der Schwarzköpfe an den Clubtüren

abgewiesen werden. Aber dieser Trugschluss findet

vergangene Woche sein Ende. In den Schutzraum

wurde eingedrungen. Es gibt endgültig keine

Blaupause mehr von Diskriminierung, Rassismus und

rechtem Terror. Mit Hanau wurde gewaltsam in die Privatsphäre

all jener eingegriffen, die nicht-weiße Deutsche sind, die

einen Migrationshintergrund haben, die schon einmal in ihrem

Leben auf Alltagsrassismus gestoßen sind.

Es ist nicht die Angst, die mich packt. Es ist die Wut. Die

Wut, meine Herkunft nicht als Verbrechen sehen zu wollen. Die

Wut, mich überhaupt weiterhin an Orte flüchten zu müssen, an

denen ich sicher bin. Lange schon zweifle ich an der Integrität

Deutschlands. Oft überdenke ich meine Zukunft in diesem

Land. Fliehe ich jetzt aus dieser Unerträglichkeit oder gehe

ich in den schmerzhaften Widerstand? Die Forderung nach

Gerechtigkeit meldet sich allerdings wieder in mir. Einfach zu

gehen, wäre verräterisch. Jetzt muss ich das Megafon in die

Hand nehmen und schreien, bis ich gehört werde. Der Terror in

Hanau überschreitet seine Stadtgrenzen, breitet sich parasitenähnlich

aus und schleicht sich in unsere Häuser. Das

ist kein Hilferuf, das ist eine Kampfansage. Gegen

das Verstummen, gegen die linguistische Verklärung

von Rassismus und Mord. Wir brauchen keine

Tränen, keine leeren Worte und netten Rituale – wir

brauchen einen dringend nötigen Aufstand und wahrhaftige

Solidarität.

ICH BIN BETROFFEN

Es ist gut, dass sich Menschen nicht einschüchtern lassen und

dass sie weiterleben wie gehabt. Das ist jedoch Luxus. Dieses

Privileg habe ich nicht. Menschen, die sich mit den Opfern von

Hanau identifizieren, haben dieses Privileg nicht. Und ich frage

mich: Wer steht für sie ein? Wer lässt sie zu Wort kommen

und gibt ihnen Raum? Oder noch viel simpler: Wer fragt, wie

es ihnen geht? Deutschland gab mir die Macht der Sprache,

Bildung und wirtschaftliche Stabilität. Aber nicht die Macht der

Selbstbeherrschung – denn auch das Privileg habe ich nicht.

Ich bin betroffen. Und wenn schon mein stilles Sein ein Ermordungsgrund

sein kann, dann ist es egal, wie laut ich werde, ich

bleibe eine Zielscheibe. Mein kindlicher Wunsch wird mehr und

mehr zur erbitterten Forderung: Deutschland, umarme mich.

20 / POLITIKA /

/ MIT SCHARF / 21

022910T3 WL Märzkampagne 2020 Toleranz 207x135 biber ET29.02. NP.indd 1 19.02.20 10:34



„Die AfD ist der

geistige Wegbereiter

der Tat von Hanau.“

Der Journalist Hasnain Kazim hat

ein Buch darüber geschrieben, wie

man Pöblern und Rechtspopulisten

die Stirn bieten kann – er spricht

aus Erfahrung. Über die Kunst des

Streitens, Hass und die AfD.

Interview: Nada El-Azar, Fotos: Peter Rigaud

Autor und ehemaliger

Spiegel-Journalist Hasnain

Kazim kann ein Liedchen

von Hassmails singen

BIBER: Herr Kazim, in Hanau erschoss

ein Rechtsextremer in Shishalokalen

neun Menschen aus rassistischen

Motiven. Wie sehen Sie die Zukunft

Deutschlands im Umgang mit rechtem

Hass?

Diese Tat, dieser Terror ist keine Überraschung.

Sie ist kein unerwartetes

Ereignis, nichts, von dem man behaupten

könnte, man hätte es nicht wissen

können. Sondern es ist genau das, was

absehbar und erwartbar und von manchen

Kreisen auch gewünscht war. Die

AfD ist der geistige Wegbereiter der Tat

von Hanau. Wir müssen dieser Art von

hassvoller und menschenverachtender

Sprache wieder und wieder entgegentreten,

sonst sehe ich für Deutschland keine

gute Zukunft.

Sie sind durch Ihre ganze Karriere immer

wieder mit massiven Hassnachrichten

und Morddrohungen konfrontiert

gewesen. Gab es ein ausschlaggebendes

Ereignis, das zum Schreiben des jüngsten

Buches geführt hat? Eine ähnliche

Thematik hatte ja schon Ihr Buch „Post

von Karlheinz“.

Hasnain Kazim: „Post von Karlheinz“ ist

eine Sammlung von Dialogen, die ich

mit solchen Leuten geführt habe. Es ist

sachlich und komisch zugleich – manchmal

zynisch im Streit. Eigentlich wollte

ich nicht der Typ sein, der ständig zum

Thema Hassdialoge schreibt. Aber ich

bekam Zuspruch von Leuten, die es toll

fanden, endlich eine Vorlage dafür zu

haben, wie man mit Hatern umgeht. Das

sollte „Post von Karlheinz“ aber gar nicht

sein, denn ich bin manchmal durchaus

etwas böse. Deshalb habe ich das zum

Anlass genommen, eine richtige Streitanleitung

zu schreiben, und so ist „Auf sie

mit Gebrüll“ entstanden.

Ich habe sogar als

Kind verstanden,

dass jeder für

irgendein Merkmal

aufgezogen wurde..

Als Journalist ist man ja eine Person des

öffentlichen Lebens und daher leicht eine

Zielscheibe für Hassnachrichten – insbesondere

wenn es um politische oder

soziale Ansichten geht. Wie war das mit

dem Hass, bevor Sie Journalist wurden?

Ich bin in einem kleinen norddeutschen

3.000-Einwohner-Dorf namens Hollern-

Twielenfleth aufgewachsen. Während

meiner Kindheit habe ich keinen Hass

erfahren. Ein Spruch eines Mitschülers

hat sich jedoch in meinen Kopf

eingebrannt, und zwar „Du bist braun

wie Scheiße“. Das hat mich einerseits

verletzt, aber andererseits habe ich

sogar als Kind verstanden, dass jeder für

irgendein Merkmal aufgezogen wurde.

Das konnte Übergewicht, Segelohren

oder eben die Hautfarbe sein. Was ich

aber schon gemerkt habe – das wurde

mir wahrscheinlich unbewusst von

meinen Eltern mitgegeben – war, dass

wir 110 Prozent geben mussten. Ich

befürchte, wir Nichtweißen müssen

immer 110 Prozent oder mehr geben,

um dieselbe Anerkennung zu bekommen

wie Weiße. In der Schule habe ich mich

daher immer angestrengt und war ein

guter Schüler.

Wann erhielten Sie Ihre erste Drohung?

Das passierte erst, als ich als 17-Jähriger

meinen ersten Artikel veröffentlichte.

Diese Zeit, als in Deutschland Jagd auf

Flüchtlinge gemacht wurde, als der

Mordanschlag von Solingen verübt wurde

und als Flüchtlingsheime brannten,

22 / POLITIKA /

/ POLITIKA / 23



Hasnain Kazim lebt

seit 2016 in Wien.

nicht gerade bei den ostdeutschen Wählern

die Enttäuschung über die bisherige

Politik, die sie im Stich gelassen hat?

Die Enttäuschung verstehe ich. Es gab

eine wunderbare Karikatur von Martin

Perscheid, in der ein Mann und eine

Frau am Esstisch sitzen. Die Frau hat

Spaghetti gekocht und isst sie, der Mann

hingegen hat einen Haufen Scheiße auf

dem Teller und sagt: „Ich esse das, weil

mir dein Essen nicht schmeckt!“. Das

fand ich treffend: Natürlich kann man

Scheiße fressen, wenn einem das Essen,

das jemand gekocht hat, nicht schmeckt

– aber es ist eine sehr dumme Form von

Protest.

Sie leben seit 2016 in Wien und waren

bis zu Ihrem Abschied vom Spiegel

Österreichkorrespondent. Wie unterscheiden

sich die deutschen Rechtspopulisten

der AfD von denen der FPÖ?

Die AfD ist deutlich härter in der Sprache.

Was beide Parteien eint, ist, dass sie

unter dem Deckmantel der Demokratie

daherkommen, aber viele demokratische

Werte mit Füßen treten. Ich denke, dass

man in Österreich Rechtsextreme normalisiert

hat, indem man beispielsweise

permanent Jörg Haider auf die Titelblätter

gehoben hat, weil das mehr Auflage

bringt.

Sie kritisierten jüngst Ihre ehemaligen

Kollegen vom Spiegel dafür, Björn Höcke

auf dem Titelblatt abgedruckt zu haben.

Ich mag den Spiegel sehr und bin zum

Jahresende nur gegangen, um mich

stärker auf das Bücherschreiben konzentrieren

zu können. Aber ja, sowas

muss man leider kritisieren. Höcke war

zwar mit der nicht besonders positiven

Schlagzeile „Der Dämokrat“ – also als

Dämon – abgedruckt worden. Aber das

ist genau, wie Höcke sich sehen will:

als irgendwie demokratischen Dämon,

der eine bedeutungsvolle Rolle in der

deutschen Politik innehat. Das Wort

Demokrat darin steht dafür, dass er zwar

demokratisch an die Macht gekommen

ist. Aber er tritt demokratische Werte

wie Minderheitenrechte mit Füßen. Der

heroisch-bedrohliche Blick in die Kamera

dazu… Ich bin mir sicher, dass Höcke

sich dieses Bild mit Freunde an die Wand

nagelt. Die AfD jedenfalls hat gejubelt

vor Freude über dieses Cover.

In der Vergangenheit war öfter auch

Donald Trump auf der Titelseite – wie

unterscheidet sich das?

Wenn man Höcke aufs Cover bringt, was

man ja im Prinzip auch darf, dann bitte

nicht so. Trump war auf den Titelseiten

so stilisiert, dass er beispielsweise der

Freiheitsstatue den Kopf absäbelt. Das

ist eine viel eindeutigere Botschaft. ●

Der Journalist und Autor Hasnain

Kazim wurde 1974 als Sohn indischpakistanischer

Einwanderer in Oldenburg

geboren. Er schrieb von 2004 bis

2019 für den SPIEGEL und SPIEGEL

ONLINE und war als Auslandskorrespondent

u. a. in Islamabad, Istanbul

und zuletzt in Wien stationiert.

hat mich stark geprägt. Ich schrieb einen

Artikel, weil mich aufregte, dass ein Politiker

trotz dieser Zwischenfälle vor einer

„Überfremdung Deutschlands“ warnte.

Das kann man natürlich kritisieren, aber

nicht in dieser Situation, in der Menschen

umgebracht werden, weil sie anders

aussehen. Nachdem ich also als 17-Jähriger

den Artikel in einer überregionalen

Zeitung veröffentlicht hatte, bekam ich

meine ersten Hassbriefe – damals natürlich

anonym und per Post.

Das Buch „Auf sie mit Gebrüll!“ soll

also eine Anleitung zum Streiten mit

Rechtspopulisten sein. Welche Strategien

beschreiben Sie?

Ich gebe Beispiele zu verschiedenen

Themen, wie etwa der Frage nach

Meinungsfreiheit. In Deutschland und in

Österreich argumentieren manche, es

gäbe keine Meinungsfreiheit, weil man

bestimmte Dinge nicht sagen dürfe. Meinungsfreiheit

bedeutet aber nicht, dass

man alles folgenlos sagen kann. Streit

braucht Regeln und Grenzen des Sagbaren

– und diese Grenzen werden nicht

erst durch das Strafrecht gesetzt – sondern

schon davor. Aus guten Gründen

bringen wir zum Beispiel unseren Kindern

bei: „So etwas sagt man nicht!“. Manche

Erwachsene müssten an diesen Satz

erinnert werden. Eine Diskussion muss

auf echten, nicht sogenannten alternativen

Fakten beruhen. Streit darf aber

auch Spaß machen. In meinem Buch

„Post von Karlheinz“ bin ich humorvoll

mit Hass umgegangen – dabei ist Humor

keine Waffe, sondern eine Methode, mit

diesem ganzen Müll umgehen zu können.

Ich glaube nicht,

dass alle AfD-Wähler

Nazis sind. Einige

wählen sie sicher aus

Protest, aber es ist

eine sehr dumme Art

zu protestieren.

24 / MIT SCHARF /

Zum Streiten muss man sich aber auch

zunächst auf Augenhöhe begegnen

können. Auf Twitter posteten Sie im Jahr

2017 nach den Bundestagswahlen in

Deutschland folgendes: „Höre, ich solle

Ostdeutsche ‚ernst nehmen‘. Ihr kamt

1990 mit nem Trabi angeknattert und

wählt heute AfD – wie soll ich euch ernst

nehmen?“. Schert man damit Menschen

nicht in unvorteilhafter Weise über einen

Kamm?

Natürlich ist der Trabi-Spruch sehr

zugespitzt, und damit schere ich in der

Tat Leute über einen Kamm. Aber bei

der Kernaussage „Ich nehme AfD-Wähler

nicht ernst“ bleibe ich natürlich. Ich

lasse mir doch nicht die symbolische

Pistole auf die Brust drücken und mich

bedrohen, dass sie abdrücken, sprich:

Rechtsextremisten wählen, wenn ich diese

Leute nicht ernst nehme. Ich glaube

nicht, dass alle AfD-Wähler Nazis sind.

Einige wählen sie sicher aus Protest,

aber es ist eine sehr dumme Art zu protestieren.

Aber jeder dieser Wähler ebnet

wissend Nazis den Weg an die Macht.

Sind also alle AfD-Wähler dumm? Gibt es

Wir

machen

Wien

zur

Klimamusterstadt

SCAN ME

Dr. Michael Ludwig

Bürgermeister von Wien

Ulli Sima

Umweltstadträtin

Mag. Josef Taucher

SPÖ-Klubvorsitzender

Extreme Hitze im Sommer, viel zu hohe Temperaturen im Winter - der Klimawandel ist auf der ganzen Welt zu

spüren, auch bei uns in Wien. Deshalb pflanzen wir noch mehr Bäume, bauen neue Parks, erzeugen saubere Energie

mit der Kraft der Sonne und erweitern das Öffi-Netz, um die Menschen und das Klima in unserer Stadt zu schützen.

Wir machen 2020 zum Klimaschutzjahr. Scan den Code, hol dir alle Infos und gib die Message weiter.

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DER

SCHREI

NACH

THERAPIE

Viele migrantische Eltern mussten Härte zeigen, um ihre

Kinder durchzubringen. Nun zahlt der Nachwuchs die

Rechnung in Form von unverarbeiteten Traumata. Über

das Tabu „Therapie“ in Familien mit Migrationsgeschichte

und was passiert, wenn das Schweigen gebrochen wird.

Von Elena Bavandpoori, Fotos: Zoe Opratko

Sie blickt in die Leere und

hört Schreie. Immer lauter

werdende Schreie. Ihre Beine

ziehen sie in den Wald. Unter

ihren nackten Füßen spürt sie den knirschenden

Schnee, der Schritt für Schritt

zu kaltem Wasser schmilzt. Für sechs

Stunden geht sie barfuß durch den Wald.

In ihr kommt die Angst hoch, zu verbrennen.

Sie will einsperrt werden, um sich

selbst zu schützen. Als Luana (Name

geändert) im Winter 2017 eine Psychose

bekommt und in eine geschlossene

Therapie geht, rüttelt das ihre albanische

Familie auf.

Menschen mit Migrationshintergrund

können durch ihre Lebenserfahrungen

für psychische Erkrankungen besonders

anfällig sein. Gerade bei Familien, die

ihre Kinder in einer neuen Kultur aufziehen,

geht die Verarbeitung der Migration

und des möglichen Traumas über mehrere

Generationen hinweg. In vielen dieser

Familien wird über seelisches Leiden

oder Therapie der Mantel des Schweigens

ausgebreitet. Psychische Erkrankungen

sind tabu. Wer redet, verliert, so

das Motto.

NUR DER RUF ZÄHLT

Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende

zu, als Alva (Name geändert) von der

psychischen Erkrankung ihrer älteren

Schwester Luana erfährt. Nach der

Psychose ihrer Schwester geht Alva auch

in Therapie. Sie befürchtet, dass sich

ihre mentale Verfassung verschlechtern

könnte. Alva ist geschockt von Luanas

Situation. Luana wird mit einer bipolaren

Störung diagnostiziert, bei der extreme

Stimmungsschwankungen typisch sind.

Einen Tag depressiv und niedergeschlagen,

einen Tag manisch und voller

Euphorie. Diese Erkrankung kann veranlagt

sein, wird aber durch belastende

Lebensereignisse verstärkt.

Während besonders schweren

manischen Phasen können Symptome

von Psychosen auftreten, wobei Betroffene

halluzinieren oder sich verfolgt fühlen.

Das passiert auch Luana. Daraufhin

geht sie in eine geschlossene Therapie

und wird isoliert und medikamentös

behandelt. Für die 25-jährige Alva war

sie immer wie ein Vorbild, denn mit ihr

konnte sie über Themen sprechen, die in

ihrer Familie tabuisiert werden. So auch

über Therapie. „Meine Eltern haben ihren

Freunden erzählt, meine Schwester wäre

auf den Kopf gefallen und könnte deshalb

nicht mehr arbeiten gehen“, erzählt

Alva. Der Ruf der Familie sei ihren Eltern

zu wichtig.

Psychotherapeutin Karoline Eppensteiner

leitet eine interkulturelle Privatpraxis

in Wien, in der sie auch

Jugendliche und junge Erwachsene mit

Migrationshintergrund therapiert. Den

Widerstand von Eltern spürt sie oft:

„Wenn Eltern ihre Kinder in die Therapie

bringen, stellen sie sie manchmal ab

wie Autos in der Werkstatt, die wieder

fahrtüchtig gemacht werden sollen. Aber

es geht nicht darum, wieder zu funktionieren,

sondern zu genesen. Kinder sind

in Familien die schwächsten Glieder und

damit Symptomträger. Sie spüren Dinge,

die nie ausgesprochen werden.“

ES SIND EIGENTLICH DIE

ELTERN, DIE DIE THERAPIE

BRAUCHEN

Alvas Familie kommt aus dem Kosovo.

Ihr Vater geht als Gastarbeiter in

den 80er Jahren in die Schweiz. Alvas

Eltern wachsen in patriarchalen Verhältnissen

auf und durchleben eine sehr

strenge Erziehung. Diese wird auch in

der Schweiz weitergeführt. Körperliche

Gewalt ist Teil der Erziehung. Es gibt

Schläge vom Vater. In Alvas Therapie

stellt sich heraus, dass sie unter einer

posttraumatischen Belastungsstörung

(PTBS) leidet, die durch die häusliche

Gewalt ausgelöst wurde. PTBS kann nach

einem Ereignis entstehen, das das Leben

oder die Sicherheit einer Person gefährdet

und große Furcht auslöst. So zum

Beispiel Unfälle, Krieg oder eben wie bei

Alva häusliche Gewalt. Es ist ein Irrtum

zu glauben, nur Kriegsveteran*innen

würden unter PTBS leiden, wie Alvas

Geschichte zeigt.

Ihr Vater weiß nichts von Alvas

Therapie: „Ihn hat es fast zerrissen, als

26 / RAMBAZAMBA /

/ RAMBAZAMBA / 27



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Körperliche Gewalt

ist Teil der Erziehung.

Es gibt Schläge

vom Vater.

Psycholog*innen reagieren: „Eltern

können eifersüchtig auf die Therapie

sein, weil die Kinder Hilfe bekommen und

sie nicht“, erklärt Karoline Eppensteiner.

„Trotzdem verzichten sie auf professionelle

Hilfe, weil sie Angst oder Scham

haben, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.

Es werden sehr schmerzhafte

Erfahrungen hochgeholt.“

Eppensteiner zufolge brauche es

einen sehr sicheren Raum und viel

Vertrauen, um über psychische Erkrankungen

zu sprechen. Es seien generell

eher Frauen, die Therapie beanspruchen:

„Da gibt es einen sichtbaren Unterschied

zwischen den Geschlechtern, da

es Frauen durch die Sozialisation eher

erlaubt wird über Gefühle zu sprechen

als Männern.“ Auch Alvas zwei ältere

Brüder gehen bislang nicht in Therapie,

obwohl sie sich aktiv mit ihr darüber

austauschen und sehen, wie sehr es

Alva bei der Aufarbeitung ihrer Erfahrungen

hilft. Besonders traumatische

Vorfälle können unaussprechlich sein

– also bloß nicht drüber sprechen und

alten Wunden aufreißen. Dabei wirkt das

Reden heilend, weil es dazu führen kann,

traumatische Erlebnisse handhabbar zu

machen.

auf ihrem Schoß sitzen. Meine Mutter

musste ja auch nicht für mich da sein,

weil meine älteren Geschwister für mich

da waren.“

Mit zwölf Jahren beginnt sie, sich

selbst zu ritzen und entwickelt Bulimie.

Als ihre Mutter sie eines Tages beim Ritzen

erwischt, sprüht sie ihr mit den Worten

„So wird es auch brennen, wenn du

in die Hölle kommst“ zur Strafe Desinfektionsmittel

in die Wunden. Ebenso wird

es in ihrer Familie als respektlos erachtet,

dass sie das Essen erbricht, wofür ihr

alleinverdienender Vater hart schuftet.

Für Nesrin kann es so nicht weitergehen.

Im Alter von 16 Jahren spricht sie mit

ihren Eltern und fordert eine Therapie.

Diagnose: Borderline. Die Krankheit entsteht

neben einer gewissen Veranlagung

durch kindliches Trauma und emotionale

Vernachlässigung. Selbstverletzung,

starke Stimmungsschwankungen und

Angst vor Verlassenwerden sind klassische

Symptome.

Auch in Nesrins Familie ist der Ruf

das Wichtigste, weshalb das eigentliche

Problem ihrer psychischen Erkrankung

ignoriert wird: „Ein Familienfreund sah

die Narben auf meinen Armen, weil ich

etwas Kurzärmeliges trug und sagte

vor meinen Eltern, dass mich ein Mann

so nie nehmen würde. Meine Mutter

rührte nur in ihrem Tee rum und niemand

sagte etwas.“ Nesrin muss schon

HÖCHSTE

ERFOLGSZAHL

ÖSTERREICHS

• AHS-Matura

• Berufsreifeprüfung

• Hauptschulabschluss

• Studienberechtigungsprüfung

• Sprachkurse, Latinum

• Fernunterricht

(Beginn jederzeit)

Beginn:

Frühjahr & Herbst

Luana macht eine sechsstündige Wanderung durch den Wald. Barfuß im Winter.

meine Schwester die Psychose hatte.

Meine Mutter hat ihm gesagt, dass er

die Schuld dafür trägt. Aber er kann

es nicht wahrhaben, weil es zu sehr

schmerzen würde. Deshalb weiß er auch

nicht von meiner Therapie.“ Tatsächlich

erschüttert Luanas Psychose die Familie

in ihren Grundfesten. Die Mutter sucht

seither mehr Halt in der Religion und liest

aus dem Koran. Alva sagt, ihre Eltern

bräuchten eigentlich die Therapie nach

der Kriegserfahrung im Kosovo und ihrer

strengen Erziehung, aber das Stigma und

die Angst vor Therapie seien zu groß:

„Mein größter Wunsch wäre es, dass

sich mein Vater bei uns entschuldigt. Ich

glaube, er versteht seine Fehler, kann

aber nicht darüber sprechen.“

MÄNNER SCHWEIGEN

MEHR ALS FRAUEN

Selbst wenn Familien über ihr Leid

schweigen, geben sie eine Atmosphäre

an ihre Kinder weiter. Angst, Überforderung

und Verdrängung können wortlos

vermittelt werden (siehe Infokasten

„Traumaweitergabe“). Es gibt viele

Gründe, warum Eltern misstrauisch auf

28 / RAMBAZAMBA /

„SO WIRD ES AUCH

BRENNEN, WENN DU IN

DIE HÖLLE KOMMST“

Nicht nur Alvas Familie ist von einem

unterdrückten Umgang mit Traumata

geprägt: Die 21-jährige Nesrin (Name

geändert) wächst als das dritte von vier

Kindern in einer Wohnbausiedlung in

Wien auf. Bereits vor der Flucht nach

Österreich werden die Eltern Zeugen von

unfassbarer Gewalt. Der Vater wächst

im Gazastreifen auf, die Mutter verliert

beim Bürgerkrieg in Ägypten ihren Vater.

Nesrin beschreibt das schwierige Verhältnis

zu ihrer Mutter: „Sie war nie da

für mich, ich konnte als Kind nicht einmal

Alvas Vater war gewalttätig. Heute geht sie in Therapie, um ihr Trauma zu verarbeiten.

Tel.: 01/523 14 88,

Neubaugasse 43

1070 Wien

www.roland.at



früh die Kultur ihrer traditionell muslimischen

Eltern und die Kultur Österreichs

ausbalancieren. Da sie als Jugendliche

selten aus dem Haus darf, verliert sie

den Anschluss zu ihren österreichischen

Bezugspersonen: „Mein Tagebuch war

wie ein Ersatz für all die Freunde, die ich

nicht hatte.“

SICH IMMER ZWISCHEN

DEN WELTEN BEWEGEN

MÜSSEN

Psychotherapeutin Karoline Eppensteiner

zufolge ist das Gefühl von Zugehörigkeit

und die Suche nach Identität ein elementarer

Bestandteil des Erwachsenwerdens.

Bei Menschen mit Migrationshintergrund

kann das allerdings noch eine spezielle

Konnotierung haben, da sie sich zwischen

den Welten bewegen. Je nach

In der Therapie werden schmerzhafte Erlebnisse

mit professioneller Hilfe aufgearbeitet.

Herkunft und sozialer Schicht machen sie

Diskriminierungserfahrungen und stehen

oft unter Erwartungsdruck. Zum einen

kann es den Erwartungsdruck der Familie

geben, zum anderen den der Anpassung

an die Gesellschaft. Therapie kann daher

auch sinnvoll für Menschen sein, die keine

akute psychische Erkrankung haben.

So überlegt sich auch die 26-jährige

Medina aus Kärnten eine Therapie

zu machen. In ihrer bosnischen Familie

übernahm sie die Erziehung ihres jüngeren

Bruders. Wertschätzung gab es für

diese Verantwortung wenig: „Ich weiß,

dass meinen Eltern die Zeit fehlte, weil

sie so viel arbeiten mussten. Die Frustration

und das Gefühl der Heimatlosigkeit

verstehe ich, aber meine persönliche

Entwicklung wurde beeinträchtigt. Ich

will mein Leben leben, ohne schlech-

tes Gewissen.“ Als Erste in der Familie

studiert Medina. Die Kommunikation in

ihrer Familie beschreibt sie als sehr aufgeladen:

„Es ist wie Psychoterror – so als

würde man beschossen werden und nie

wissen, wann die Bombe platzt. Jegliche

Kritik an meinen Eltern wird abgeschmettert“,

schildert die Architekturstudentin.

Erst vor kurzem realisierte Medina, dass

die Belastung von zuhause nicht gesund

ist und sie professionelle Hilfe braucht.

WER KANN SICH THERAPIE

ÜBERHAUPT LEISTEN?

In migrantischen Familien aus weniger

privilegierten Schichten ist nicht nur das

Tabu, sondern auch die Finanzierung

der Therapie ein Problem: „Wenn du als

Kind keinen Klavierunterricht bekommst,

dann bekommst du als Erwachsene auch

keine Therapie bezahlt. Pro Stunde zahlt

man zwischen 60 und 90 Euro“, sagt

Nesrin dazu (siehe Infokasten „Therapiekosten“).

Mittlerweile hat sich der Umgang mit

psychischen Erkrankungen in Nesrins

und Alvas Familie verbessert. Aber auch

nur, weil sie selbst mit dem Problem so

stark konfrontiert wurden, dass sie es

einfach nicht mehr verdrängen konnten.

Zwei Jahre sind nun vergangen, seitdem

Luana ihre Psychose hatte. Inzwischen

kann sie wieder arbeiten – etwas, was

ihre Familie im Winter 2017 nicht für

möglich gehalten hätte, als Luana barfuß

und verängstigt im Wald stand. ●

DARF

ICH VOR-

STELLEN?

Agenturfoto. Mit Model gestellt.

30 / RAMBAZAMBA /

THERAPIEKOSTEN:

In Österreich hängen die Kosten einer Psychotherapie

von der Übernahme der Krankenkasse

ab. Diese variieren nach Bundesland und nach

Vorliegen einer Diagnose. Dabei werden Teile

der Kosten übernommen, vollfinanzierte Psychotherapie

gibt es nur in kleinen Kontingenten. 50

Euro pro Stunde verdienen Therapiepraxen an

Kassenpatient*innen, weshalb es sich für Praxen

weniger rentiert Krankenkassenverträge anzunehmen.

In Deutschland sind es im Vergleich

dazu 100 €.

TRAUMAWEITERGABE:

Die Psychologie kennt das Phänomen der

transgenerationalen Traumaweitergabe.

Hierbei werden Traumata an folgende

Generationen weitergeben, ohne je ausgesprochen

zu werden. Ein Schmerz, der

in vorangegangenen Generationen erlebt

wurde, manifestiert sich in der DNA.

Beispiel: Eine Patientin hat immer wieder

das Gefühl, zu verbrennen und dann

stellt sich in der Therapie heraus, dass

ein Elternteil als Kind in einem Haus fast

verbrannt wäre, aber nie darüber gesprochen

hat.

Psychische Erkrankungen kommen auch

in Ihrem Umfeld vor. Das ist okay, Vorurteile

aber nicht. Ändern wir gemeinsam etwas

daran und starten das Gespräch:

Hilfe & Beratung in

psychischen Notlagen

01/31330



MEINUNG

High Class

Sozialporno

Kettenrauchende schwangere 14-jährige

Schulabbrecherinnen, Hartz

IV-Großfamilien, Messie-Wohnungen,

Fliesentische, Vokuhila-Mütter mit Ostberliner

Akzent, Floridsdorfer Proleten

mit Spitznamen wie „Spotzl“ - ob im

RTL-Vormittagsprogramm oder als

best-of-Assi auf Youtube: Sendungen

über den sozialen Abgrund ziehen einfach.

Wir Menschen lieben es anscheinend,

uns an der Unterlegenheit,

Dummheit und Unwissenheit anderer

zu erquicken. Ist das in Zeiten unserer

woken Instagram-Bubble überhaupt

noch gestattet? Nö – auf Keeping Up

With The Kardashians kann man sich

aber noch einigen, das ist ja sowas wie

High-Class-Assi-TV. Money is Power.

Die wissen ganz genau, was sie da

tun, im Gegenteil zu Teenager Werden

Mütter-Protagonisten, die neben dem

bisschen Fame noch an ihre Existenz

denken. Übrigens: TWM-Held Marcel

wird dieses Jahr zum fünften Mal

Vater – steht also zumindest in puncto

Nachwuchs und Selbstdarstellung

dem Kardashian-Jenner-Clan in nichts

nach. Das Imperium könnte noch folgen.

Die notwendige Reichweite hat er

dank Einschaltquoten ja bald.

tulej@dasbiber.at

LIFE & STYLE

Mache mir die Welt,

wie sie mir gefällt

Aleksandra Tulej

Wellness-Tipp

GUTES

HÄNDCHEN

Gut gegen rissige Winter-Hände:

Die neue CICA Handmaske von

Neutrogena repariert raue, strapazierte

Hände in 10 Minuten.

Einfach wie Handschuhe

anziehen,

einwirken lassen

und schon

fühlt sich

die Haut viel

geschmeidiger

und weicher

an. Ca 3,99 €.

Butter-Tipp

FUTTER FÜR

DIE HAUT

Mein absoluter Favorit diesen

Winter: Die „Skin Food“ Linie

von Weleda. Besonders gern

ALEKS BEAUTY FAIL

Ich mag Beauty-Produkte ja an sich.

Aber sie mögen mich nicht unbedingt zurück.

Lipstick-Tipp

STABILE LIPPE

Ich hatte immer Respekt vor Lippenstiften

– bei meinen nicht vorhandenen Make-up-

Skills ist die Gefahr, dass es mehr schlecht

als recht aussieht, einfach zu hoch. Einer hat

mich jetzt aber doch überzeugt. Ich durfte

einen Lippenstift der neuen Rouge Volupte

Rock’n Shine Linie von Yves Saint

Laurent testen und

ich glaub, ich bin ein

bisschen verliebt:

geile Verpackung,

guter Geruch,

subtile Farbe, sexy

Schimmer – und

vor allem: Er hält,

auch wenn man sich

ständig die Lippen

abschlecken will.

Genau nach meinem

Geschmack, im

wahrsten Sinne.

Gesehen im Handel

um ca 37 €

habe ich die Skin Food Body

Butter – Sie spendet extrem

viel Feuchtigkeit, zieht gut ein

und hat einen beruhigenden

Calendula- und Kamille-

Geruch, der auch lange anhält.

So eingeschmiert kann ich in

jeden noch so trüben Wintermorgen

starten .Ca 13 €

Diesmal:

Make-up à la Jersey Shore.

Mein Gesicht gibt’s nur in zwei Ausführungen:

Entweder ich habe Falten unter den Augen wie

ein 70-Jähriger Mann mit schwieriger Vorgeschichte

oder ich versuche diese verzweifelt

mit viel hellem Concealer zu überschminken

und sehe im Endeffekt aus wie Snooki aus

Jersey Shore circa 2009. Und wie besagt das

alte Sprichwort: Wer zu hellen Concealer verwendet,

braucht zu dunkle Foundation dazu.

Ich spare immer noch auf mein Eye-Lifting,

derweil muss ich mein Snooki-Antlitz wohl

embracen.

Yves Saint Laurent/L’oreal, Weleda, Neutrogena, theplace.ru, Marko Mestrović

STRENG, STRENGER,

POLNISCHE ELTERN

Während die Mutter meines österreichischen

Exfreundes mit uns

Joints rauchte, gaben mir meine

polnischen Eltern nicht mehr als fünf

Euro zum Fortgehen. Sonst würde ich

mir damit ja noch Drogen kaufen.

Von Natalia Anders, Foto: Zoe Opratko

C

32 / MIT SCHARF /

/ RAMBAZAMBA / 33



Florian und Caroline freuten

sich über eine Vier auf die

Matheschularbeit. Ich fürchtete

mich bei derselben Note

vor enttäuschten Blicken von Mama

und Tata (poln. Papa). Auch wusste ich,

dass mich im Anschluss ein Nachhilfemarathon

mit Jenny, meiner damaligen

Nachhilfelehrerin erwartet. Fünf Wochen

später bekam ich die nächste Schularbeit

meines Hassfachs zurück, freute

mich über eine Drei und übermittelte die

frohe Botschaft gleich zuhause: ”Super

Kochanie (poln. Schatz), dann kannst du

bei der nächsten Schularbeit ja endlich

eine Zwei oder Eins schreiben!”, so Tata.

Ja, meine Eltern sind schwer zufriedenzustellen

….

MAMAS/DZIADEKS/

TATAS TRAUM

WEITERLEBEN

2012. Samstagmorgen, Schwimmwettkampf,

zu dem mich meine Mutter

gezwungen hat, hinzugehen. Sport

war und ist nie meine Stärke gewesen,

aber meinen Eltern war es wichtig, dass

meine Schwester und ich bis wir 16

waren regelmäßig zum Schwimmtraining

gehen. Schließlich war Dziadek (poln.

Opa) Olympiaschwimmer und wäre mega

enttäuscht, wenn seine Nachkommen

den den Sport nicht genauso lieben

würden wie er. Dass mein Opa vor über

fünfzig Jahren einmal bei den Olympischen

Spielen mitgeschwommen ist,

wird heute noch oft und gerne erzählt.

Leider war ich dem Traum von Opa nicht

gewachsen und verpasste gleich zwei

von drei meiner Starts, weil ich mich mit

meinen Freundinnen verquatscht habe.

Wer grade was mit wem am laufen hat,

fand Mama jedoch weniger interessant

und drohte mir, nach dem Wettkampf

nicht wie gewohnt zum Mäci zu gehen.

(Ist zum Glück eh nicht passiert…)

Neben der Schwimmwettkämpfe

haben meine kleine Schwester Veronika

und ich auch diverse Instrumente

ausprobieren müssen, Tanzkurse besucht

oder Volleyball und Basketball gespielt.

Mama findet nämlich Musik und Ballspiele

aufregend. Da Tata täglich Ö1 hört

und gerne einen auf intellektuell macht,

standen Schreibwerkstätte, wöchentliche

Museumsführungen und Malkurse auf

dem Programm. Heute kann ich weder

im Rhythmus klatschen, noch einen Ball

mit beiden Händen fangen, but thanks

for trying.

LÜGEN, RÜGEN UND

ANGEBEREI

2008. Mama holt mich von der Schule

ab. Als ich ihr entgegenkomme, spricht

sie gerade mit der Mutter meines polnischen

Schulkollegen.

“Paweł hat gestern eine Eins auf die

Deutschschularbeit geschrieben und die

Lehrerin hat ihn in der Sprechstunde nur

gelobt”, so Pawełs Mutter. “Natalia und

Veronika schwimmen jetzt im besten

Verein Wiens, ihre Trainerin meinte

sogar, dass sie das Talent im Blut haben.

Genauso wie ihr Dziadek, der ja Olympiaschwimmer

war (let’s not forget)”,

konterte meine Mama.

Im Auto angekommen fingen dann

die Vorwürfe wieder an: “Natalia, wusstest

du, dass Paweł eine Eins in Deutsch

hat? Ich dachte eigentlich, du wärst das

polnische Wunderkind der Schule, wir

müssen dich doch nochmal in die Nachhilfe

schicken.”

Ganz zu schweigen davon, dass

Paweł eine Frühwarnung in Deutsch

hatte und meine Schwester und ich zu

der Zeit das Schwimmen genauso wie

den aufgezwungenen Zitherunterricht

hassten.

diengangs, Journalismus, hat?” Ach

Mama! Dass ich nicht Journalismus

studiere, habe ich ihr schon mindestens

zwanzig Mal erzählt. Auch, dass

man nicht überprüfen kann, welche*r

Student*in die besten Noten schreibt.

Ganz zu schweigen davon, dass mein

Notendurchschnitt von dem eines/r

Einserstudent*in genauso weit entfernt

ist, wie Warschau von Wladiwostok.

2019. Dienstagnachmittag im

Dezember. Ich rufe meine Mama an

und erzähle ihr stolz, dass ich den

Praktikumsplatz bei Biber bekommen

habe. “Super Kochanie (poln. Schatz),

aber wann machst du endlich den

Führerschein fertig?” ●

„Wir dachten eigentlich,

du wärst das polnische

Wunderkind der Schule“

Foto: Johannes Zinner

ZIGARETTEN,

TUMBLR UND TATAS

PROPHEZEIUNGEN

Doch der Erziehungsstil meiner Eltern

hielt nicht ewig. Je älter ich wurde, desto

wichtiger waren mir Zigaretten, Tumblr

und perfekte Augenbrauen. Als Tata das

erste Mal ein Tschickpackerl in meiner

Tasche fand, gab er dann komplett

auf: “Am besten, wir schicken dich zu

Dziadek nach Polen, damit du bei Tesco

als Kassiererin arbeitest. Dort kannst du

dann gerne deine Marlboro Rot rauchen.”

Selbst nachdem ich ausgezogen bin

und angefangen habe zu arbeiten und

studieren, änderten sich Mama und Tata

nicht. Mittlerweile glaube ich kaum, dass

das je passieren wird.

2018. Sommerurlaub in Polen,

Instantcoffeetalk bei Ciocia (poln. Tante).

“Wusstest du schon, dass Natalia

den besten Notendurchschnitt ihres Stu-

„Ich bin einer von 14.000,

die an der VHS einen

Bildungsabschluss nachholen.“

Patrick, Berufsreifeprüfung

DAS LEBEN FORDERT,

WIEN FÖRDERT!

Die genannte Zahl bezieht sich auf die vergangenen fünf Jahre.

34 / RAMBAZAMBA /

Bildung

und Jugend

BILDUNG FÜR ALLE www.vhs.at



Jori, 16 Enya, 18

WHITE DAYS FOR FUTURE?

Bio-Fleisch kaufen oder vegan

leben, mit bedruckten Jutebeuteln

in den Zero-Waste-Laden

hineinspazieren und Schilder für

die kommende Demo basteln. Ist

die Klimabewegung Fridays for

Future nur für die weiße Elite?

Von Elena Bavandpoori, Fotos: Soza Jan

Das ist vielleicht ein Klischee,

aber auf der Demo habe ich

viel mehr typisch österreichische

Leute gesehen. Da

waren kaum migrantisch aussehende

Menschen“, sagt der 19-jährige Schüler

Mohammed. Mit Freundinnen entspannt

er auf buntbemalten Sitzgelegenheiten

vorm Lessinggymnasium. Es ist Freitag.

Zur geplanten Fridays for Future-Demo

geht er nicht.

Mohammed hat nicht unrecht: Laut

einer Studie des Instituts für Protestund

Bewegungsforschung (ipb) gaben

nur 17% der Demo-Teilnehmenden von

Fridays for Future an, einen Migrationshintergrund

zu haben. In Österreich hat

aber jede vierte Person einen Migrationshintergrund,

in Wien sogar jede

zweite. Wie kommt es zu dieser Kluft?

Nina Wienkoop ist Vorstandsmitglied

vom ipb und Mitarbeiterin beim Deutschen

Zentrum für Integrations- und

Migrationsforschung (DeZIM). Sie sieht

das Problem der Diversität generell bei

jungen Umweltorganisationen: „Es fängt

erst jetzt an, dass diverse Stimmen

hörbar gemacht werden, aber Klimabewegungen

gibt es schon sehr lange. Wir

sehen einen Anstieg an Berichterstattung

über das Verhältnis von Diversität und

Klima, seitdem Vanessa Nakate aus dem

Foto geschnitten wurde.“

BIST DU SCHWARZ, WIRST

DU RAUSGESCHNITTEN

Zur Erinnerung: Die ugandische Klimaaktivistin

Vanessa Nakate wurde von der

Fotoagentur Associated Press aus einem

Foto vom Weltwirtschaftsforum 2020 in

Davos rausgeschnitten. Das sorgte für

heftige Kritik, Rassismusvorwürfe standen

im Raum. Denn sie war die einzige

nicht-weiße Aktivistin auf dem Bild. Es

ist nicht das erste Mal, dass Rassismus

mit der Klimabewegung in Verbindung

gebracht wird: Berliner Rapper Chefket

bezeichnet die Fridays for Future-

Bewegung als „White Days for Future“,

nachdem er von einem geplanten

Benefizkonzert im Mai 2019 wieder ausgeladen

wurde. Grund: Auf dem Remix

„Nicht die Faust

heben, sondern den

Menschen die Hand

reichen.“

seines Songs „Rap & Soul“ ist Xatar

dabei, ein „Bad Boy“ des deutschen

Raps mit krimineller Vergangenheit. Für

die FFF Ortsgruppe Berlin sei das ethisch

nicht vertretbar gewesen.

Während Mohammed vor der Schule

sitzt, steht die Wiener Ortsgruppe von

Fridays for Future protestierend unter

dem Heldentor. An diesem regnerischen

Nachmittag können sich alle

Interessent*innen mit den „Scientists for

Future“ unterhalten und sich informieren.

Teil der Ortsgruppe Wien sind Jori, Anna,

Adrian und Simon.

Die 17-jährige Anna findet es nicht

verwunderlich, dass wenige Menschen

mit Migrationshintergrund bei den Demos

vertreten sind: „Wenn du mit akuten

Benachteiligungen wie Rassismus zu

kämpfen hast, dann ist es verständlich,

dass das Klima keine Priorität in deinem

Leben ist.“ Ihre Eltern kommen aus

Weißrussland, sie hat nicht die österreichische

Staatsbürgerschaft. Aus Angst

vor Polizeigewalt und um rechtlich nicht

negativ aufzufallen, bleibt Anna daher

den Protesten der „Extinction Rebellion“-

Gruppe fern. „Extinction Rebellion“ ist

bekannt für Aktionen des zivilen Ungehorsams,

Straßenblockaden und Konfrontation

mit der Polizei.

ZEIT, GELD UND WISSEN

ALS WICHTIGSTE

RESSOURCEN

Protestforscherin Nina Wienkoop betont

zudem, dass Ressourcen wichtig seien,

um an Klimademos teilzunehmen: „Zeit

und Geld spielen eine Rolle, wenn es

um klimafreundliches Leben, Teilnahme

an den Protesten und ehrenamtliches

Engagement allgemein geht. Auch die

Vertrautheit mit dem Thema ist wichtig,

zum Beispiel bei vorausgesetztem Vokabular

und Wissen.“ Fossile, Biodiversität,

Klimagerechtigkeit. Was heißt das alles

eigentlich? Anna weiß, dass schweres

Vokabular Menschen abschrecken

kann: „Sprache ist eines der größten

Probleme, die uns beschäftigen. Wir

machen uns immer Gedanken darüber,

welche Begriffe wir voraussetzen können

und welche Sprüche verständlich sind.“

Auch Adrian von der Ortsgruppe Wien,

25 Jahre alt, hat anfangs nicht alles

verstanden. Jedoch konnte er seinem

Interesse durch das kostenlose Angebot

im Internet nachgehen und sich ausgiebig

von den „Scientists for Future“

informieren lassen.

Allerdings kann sich Interesse nur

dann entwickeln, wenn es schon Zugang

zum Thema gibt. Um Brücken zu anderen

Gemeinden zu bauen, hat FFF Wien eine

Arbeitsgruppe namens „Religions for

Future“. Die Gruppe tritt mit Menschen

aus verschiedenen Glaubensrichtungen

in Kontakt, um den Zugang zur Klimabewegung

zu erleichtern. Simon, 18, leitet

die Arbeitsgruppe und sagt dazu: „Nicht

die Faust heben, sondern den Menschen

die Hand reichen. Wenn wir uns

abkapseln, lösen wir die Klimakrise nicht.

Heute habe ich mich mit einem serbisch-

Adrian, 25 Anna, 17

/ RAMBAZAMBA / 37



Mohammed, 19, beklagt mangelnde

Vorbilder für Schüler*innen mit

Migrationsbiografie

„Wir machen uns

immer Gedanken

darüber, welche

Begriffe wir

voraussetzen können.“

orthodoxen Bischof getroffen, der voll

von unserem Ziel überzeugt war.“

WIE WAR DAS NOCHMAL

MIT DEM KOLONIALISMUS?

Laut Nina Wienkoop ist an der Fridays

for Future-Bewegung die mangelnde

Auseinandersetzung mit sich selbst zu

kritisieren: „Die Bewegung betont vorrangig

zukünftige Folgeschäden in einer

sogenannten 5 vor 12 Rhetorik. Dabei ist

der Klimawandel schon längst im Gange,

vor allem im Globalen Süden. Hier zeigen

sich koloniale Machtstrukturen und eurozentristische

Perspektiven“. Der ach so

ferne Kolonialismus, die Besitzergreifung

von Ländern und die blutige Ausbeutung

einheimischer Völker. Kein Thema mehr?

Oh doch! Um die europäische Wirtschaftsmacht

auszuweiten und das kapitalistische

System zu garantieren, leiden

Länder des Globalen Südens. Unkontrollierter

Bergbau in Kongo, Rohstoffraub

für unsere Smartphones, Vertreibung

indigener Menschen in Brasilien wegen

Abholzung. Die Klimakatastrophe wirkt

sich in der Welt ungleich aus.

Wenn also People of Color deutlich

stärker von der Klimakatastrophe bedroht

sind, warum denken wir beim Klima

zuerst an Greta Thunberg oder Luisa

Neubauer? Mohammed kommt dazu ein

bedrückender Gedanke: „Ich weiß ehrlich

gesagt nicht, wie sehr Menschen einer

dunkelhäutigen Person folgen würden.

Unsere Gesellschaft orientiert sich nicht

an solchen Leuten als Vorbilder.“ An

seiner Aussage wird deutlich, wie sehr

sich heute noch Postkolonialismus und

rassistische Hierarchien auf Menschen

auswirken. Nina Wienkoop sieht das

Problem ebenfalls in der Sichtbarkeit: „Es

gibt extrem viel Engagement von Menschen

mit Migrationsbiografien, aber die

Berichterstattung darüber ist zu wenig.

Es wird primär von den Massendemos

von Fridays for Future gesprochen, deutlich

seltener aber über diversen Klimaaktivismus

wie von ,BPoC Environmental

and Climate Justice Collective´.“

ZUGANG DURCH SCHULE

UND GLEICHALTRIGE

VORBILDER

Es braucht mehr Sichtbarkeit und Zugang

für Menschen mit wenig Ressourcen. In

erster Linie gelingt das durch Bildung.

Das Thema Klima wird an der Schule des

16-jährigen Jori sehr gefördert. Er bekam

sogar eine Freistellung vom Direktor,

um mit dem Zug zur Klimakonferenz zu

fahren. Damit ist seine Schule allerdings

eine Ausnahme. Eine von Mohammeds

Freundinnen, die 18-jährige Enya, merkt

an: „An unserer Schule ist das absolut

kein Thema. Zwischen uns Schülern wird

das besprochen, aber im Unterricht gar

nicht. Wir müssen selbst anfragen, wenn

wir in den Klassen Müll trennen wollen.

Nur sehr engagierte Lehrer reden über

das Klima und Fridays for Future. Wir

sollen freitags zur Schule gehen, nicht

demonstrieren.“

Die Klimakrise ist kein Teil des

Lehrplans. Dabei wäre die Schule ein

FFF Ortsgruppe Wien im Gespräch mit Biber-

Autorin Elena Bavandpoori

wichtiger Zugang. FFF Wien hat eine Gruppe zur

Klimabildung, die versucht, dass das Bildungsministerium

in Schulbüchern Kapitel zur Klimakrise

einführt. Nina Wienkoop fordert, dass

Klima an allen Schulformen thematisiert wird:

„Die Studie vom ipb hat gezeigt, dass nur 5%

der deutschen Teilnehmenden von Realschulen

kamen. Das sind genauso viele, wie Teilnehmende

mit Doktortitel. Zur Hauptschule gingen,

laut eigener Angabe, unter 1% der Befragten.“

(Anm. d. Red.: Realschulen in Deutschland sind

im Bildungssystem zwischen der NMS und AHS

in Österreich einzustufen.)

Über die Schule könnte sowohl das Problem

des fehlenden Know-Hows gelöst, als auch der

Mehrwert von ehrenamtlichem Engagement

gelehrt werden. Auch Altergenoss*innen, die

sogenannte Peer Group, sind ein wichtiger

Bezugspunkt, um zum Protest zu mobilisieren.

Daher empfiehlt Nina Wienkoop, dass bereits

engagierte Personen mit Migrationshintergrund

mit Leuten aus ihrer Community sprechen. So

könnte z.B. eine junge, schwarze Klimaaktivistin

mit Mohammed sprechen und ihm zeigen, dass

es doch Vorbilder in der Bewegung gibt, die sich

mit ihm identifizieren. Dann sehen wir Mohammed

vielleicht auch künftig auf einer Demonstration.

Bislang bleibt Klimaprotest aber noch

weitestgehend eine Sache der Eigeninitiative. ●

Die f

leischlo

s e Kolumne von Zina Sayed

BEZAHLTE ANZEIGE

Schöner als Döner

Salome Dorner

EINE FRUCHT

NAMENS JACK

Schon einmal von Jackfruit gehört? Das soll der heißeste

neue Trend unter Vegetariern und Veganern sein. Die

tropische Frucht kommt aus Südindien, wächst auf 20 Meter

hohen Bäumen und sieht aus wie ein übergroßes, grünes,

außerirdisches Ei mit vielen kleinen Stacheln drauf. Foodblogger

schwören auf die Frucht, die in Konsistenz und

Geschmack Fleisch sehr nahekommen soll. Deshalb habe

ich mir bei SPAR-Gourmet eine Dose Lotao Jackfruit besorgt

und sie auf die Probe gestellt. Zum Beispiel in einem simplen

Kokosmilch-Curry. Innerhalb einer halben Stunde gezaubert

ist es nicht nur sättigend und gesund, sondern auch ziemlich

flexibel, was die Zutaten betrifft. Schaut in den Kühlschrank:

Karotten, Zucchini, Brokkoli, Tiefkühlerbsen - jegliche Gemüsereste

erleben in einem gut gewürzten Curry einen mehr

als würdevollen Abschied. Die Jackfruit-Stückchen habe ich

gleich zu Beginn mit einer gewürfelten Zwiebel angeröstet

und dann wie gewohnt das gelbe Kokoscurry mit Gemüse

gekocht. Das Endergebnis konnte sich sehen (und schmecken)

lassen! Die sehnige Jackfruit sah optisch aus wie

Kalbsgulasch, nahm den Geschmack des Currys super an und

überzeugte sogar eine eingefleischte Fleischesserin wie mich.

Mahlzeit!

„Pulled Jackfruit“ im Kokoscurry als Fleischalternative

Präsentiert von

© SPAR/Grabner

38 / RAMBAZAMBA /



MEINUNG

Es gibt ihn,

den Sexismus

Unsere Integrations- und Frauenministerin

Susanne Raab meint, sie hat am Arbeitsplatz

noch nie Sexismus erlebt. Dazu kann ich

nur sagen: Gratulation! Das spiegelt aber

leider nicht die Realität wider. Jede Frau

ist im Laufe ihres Lebens in irgendeiner

Form von Sexismus betroffen, ob nun in

der Schule, am Arbeitsplatz, auf der Straße

oder in der Familie. Doch vor allem im Job

erleben wir nach wie vor Diskriminierungen,

Diffamierungen und sexuelle Belästigung:

Frauen werden schlechter bezahlt, sind in

niedrigeren Positionen, haben geringere

Aufstiegschancen oder werden schon beim

Bewerbungsgespräch nach potenziellen

Schwangerschaften gefragt. Sexismus am

Arbeitsplatz betrifft in Österreich jede Branche

und alle Positionen. Umso erstaunlicher

ist es, dass sich unsere Frauenministerin

nicht als Feministin bezeichnen will. Raab

meint, man müsse sich als Frau in Führungspositionen

schon behaupten. Diese Aussage

vermittelt bereits jungen Mädchen, dass sie

sich in unserer patriarchalisch geprägten

Gesellschaft zurechtfinden müssen, anstatt

gegen die strukturellen Probleme von Sexismus

anzukämpfen. Für Raab sei jedenfalls

eine Gleichstellungspolitik das Ziel. Wer

allerdings für die Gleichstellung von Frauen

und Männern kämpft, ist nichts anderes als

eine Feministin. Ob man es will oder nicht.

jandrisevits@dasbiber.at

KARRIERE & KOHLE

Para gut, alles gut

Von Anna Jandrisevits

FOMO

(„FEAR OF MISSING OUT“)

WAR GESTERN!

Studium oder Matura hättest

du schon gern, weißt

aber nicht recht, wie du dazu

kommst? Keine Panik! Bei den

Wiener Volkshochschulen

kannst du verschiedene Bildungsabschlüsse

nachholen.

Egal ob Pflichtschulabschluss,

Berufsreifeprüfung oder Studienberechtigungsprüfung

– hier

findet jede*r den richtigen

Abschluss für sich.

Unter www.vhs.at findest du

alle Antworten zu Fragen rund

um Einstufungstests, Übungskurse

und Formalitäten.

Komm, lass mal Abschluss

machen jetzt.

Wie kriege ich den Job?

Hier sind 3 Dinge, auf die es beim

Bewerbungsgespräch ankommt:

● Selbstbewusstsein: Wieso

sollte jemand von dir überzeugt

sein, wenn du es selbst nicht bist?

Wer sich mit den eigenen Stärken

vertraut macht, kann diese auch im

Bewerbungsgespräch vermitteln.

Selbstverständliche Eigenschaften

wie „Zuverlässigkeit“ sollten aber

nicht hervorstechen – eher auf

Außergewöhnliches setzen, das dem

Gegenüber in Erinnerung bleibt.

● Vorwissen: Man sollte sich im

Vorfeld nicht nur mit sich selbst,

sondern auch mit dem Unternehmen,

für das man arbeiten will,

beschäftigen. Was liegt den Vor-

Podcast des

Monats:

HOW TO HACK

VON BUSINESS PUNK

Podcasts gibt es zwar schon im

Überfluss, manche sind aber perfekt

zur Weiterbildung. Für den Weg zur

Arbeit & Co., kann ich den Podcast

„How to Hack“

vom deutschen

Wirtschaftsmagazin

Business

Punk empfehlen.

Hier spricht die

Moderatorin

Tijen Onaran mit

erfolgreichen

UnternehmerInnen,

GründerInnen

und

Kreativen über Tipps und Hacks

rund um das Arbeitsleben. Themen

wie Finanzierung und Produktivität

stehen ebenso auf der Agenda wie

Self-Branding und Diversität.

Für das nächste Bewerbungsgespräch

gesetzten am Herzen, was bieten

sie und wie präsentieren sich ihre

MitarbeiterInnen? Ein allgemeines

Know-How über die Firma schützt

vor der peinlichen Stille, wenn man

auf solche Fragen keine Antworten

weiß.

● Ehrlichkeit: Wer den zukünftigen

Vorgesetzten etwas vorgaukelt,

wird spätestens nach der ersten

Arbeitswoche gegen die Wand

fahren. Es bringt weder dir noch

dem Unternehmen etwas, wenn

du mit erlogenen Fähigkeiten deine

Persönlichkeit verfälschst. Auch mal

zugeben, dass man besser im Team

arbeitet oder zu ungeduldig ist.

Nobody’s perfect – hat uns schon

Hannah Montana gelehrt.

Business Punk, Brookie Cagle/unsplash.com, cowomen/unsplash.com, Jonathan Borba/unsplash.com, Marko Mestrović

Alle reden von der Zukunft: Siemens entwickelt sie.

Jetzt mit Kombi aus Studium und Lehre durchstarten.

Eine Lehre nach der Matura ist in Österreich

noch immer mehr Ausnahme

statt Regel: Während in Deutschland über

25 Prozent aller Abiturienten eine Lehre

beginnen, sind es in Österreich nur rund

2 Prozent der Maturanten. Mit unseren

Ausbildungsgängen bieten wir dir einen

direkten Einstieg in spannende Arbeitsgebiete.

Wenn du auf ein Studium nicht

verzichten willst, aber gleichzeitig auch die

Praxis erleben möchtest, steigst du bei uns

am besten ins duale Studium ein.

Österreichs erster ausbildungsintegrierter

Studiengang

Bist du bereit, die Zukunft

mitzugestalten?

Jetzt mit dem Dualen Studium durchstarten.

Die Kooperation zwischen Siemens und der

Fachhochschule St. Pölten bietet für AHS-

Absolventen den österreichweit ersten ausbildungsintegrierten

Studiengang „Smart

Engineering“ an. Parallel zum Studium absolvierst

du bei Siemens die praktische Ausbildung

zum Elektrotechniker. Nach sieben

Semestern stehen dir mit dem Bachelor of

Science in Engineering und einem Lehrabschluss

mit starkem Digitalisierungsschwerpunkt

alle Türen offen. Du übernimmst Verantwortung,

lernst eigene Entscheidungen

zu treffen und treibst mit uns innovative

Projekte voran.Während der Ausbildung

liegt der Fokus auf Konzeption, Entwicklung

und Umsetzung von Technologien und

Prozessen innerhalb der Industrie 4.0.

Klassische technische Disziplinen wie

Maschinenbau und Elektrotechnik werden im

Zeitalter der Digitalisierung mit modernem

Know-How der Mensch-Maschine-Interaktion

und Industrial Security verbunden.

Beste Zukunftsaussichten für

Fachkräfte

Um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern

bietet Siemens als österreichweit

erstes Unternehmen die Lehre mit Studium

an und bietet so den Auszubildenden beste

Zukunftsaussichten und die richtigen Kompetenzen

für einen perfekten Start ins

Berufsleben.

Weitere Informationen findest du auf

www.siemens.at/ausbildung

Mit Siemens zum Bachelor

Während du an der FH St. Pölten

deinen Bachelor im Studiengang

„IT Security“ oder „Smart Engineering“

absolvierst, machst du bei

Siemens die praktische Ausbildung

zum/zur ApplikationsentwicklerIn

bzw. ElektrotechnikerIn. So hast du

nach 7 Semestern gleich zwei

Abschlüsse in der Tasche:

Du bist Bachelor of Science und

hast einen Lehrabschluss. Danach

stehen dir alle Türen offen.

siemens.at/ausbildung

40 / KARRIERE /



Just The BeSt³

Was will ich eigentlich mit meinem Leben machen? Eine mögliche

Antwort findest du von 5. bis 8. März 2020 auf der BeSt³ in der

Wiener Stadthalle. Rund 350 Stände aus dem In- und Ausland

und viele Vorträge und Workshops bieten dir einen Einblick in

verschiedene Karrierewege. Studieren an der Uni oder FH, doch eine

Lehre oder erstmal ein FSJ? Vier Tage lang kannst du das kostenlose

Informationsangebot zum Thema Beruf, Studium und Weiterbildung

nutzen, um deine Zukunft zu planen. Wir haben dir aber schon eine

kleine Auswahl zusammengestellt:

DONNERSTAG,

05. MÄRZ 2020

10:00

Passende Stipendien finden und

sich erfolgreich bewerben

Viele wissen nicht, dass sie sich ihr

Studium mit Stipendien finanzieren

können. In diesem Vortrag gibt es

Empfehlungen, Tipps und Tricks zum

passenden Stipendium und zur Bewerbung.

Vortragssaal 2

12:15

„Nix wie weg“ –

Auslandsaufenthalte für junge Leute

Du möchtest nach der Matura oder

während der Ausbildung ins Ausland?

In diesem Workshop findest du eine

Vielzahl an Möglichkeiten und Hilfe bei

der Planung.

Workshopraum 1*

14:45

Traumjob? Journalismus!

Du würdest gerne im Journalismus

einsteigen oder du willst einfach mehr

darüber erfahren? Presse-Journalist

Michael Köttritsch beantwortet dir Fragen

zu Ausbildung, Jobchancen und

Berufsalltag.

Workshop*

FREITAG

06. MÄRZ 2020

12:15

Crashkurs Journalismus

Du schreibst gerne und stellst kritische

und freche Fragen? Dann komm zum

Biber-Workshop mit unserem stellvertretenden

Chefredakteur Amar Rajković!

Workshop*

14:00

Work&Travel und Freiwilligenarbeit

Willst du in die weite Welt, weißt aber

noch nicht mit welchem Programm?

Informiere dich über deine Chancen im

Ausland von Neuseeland bis Lateinamerika.

Vortragssaal 2

15:20

„Neue Jobchancen für Frauen in

Handwerk und Technik“

Als Frau in einen handwerklichen Beruf?

Immer noch nicht so üblich, aber es wird

Zeit! Wie sich neue Chancen für Frauen

ergeben, erfährst du hier.

Vortragssaal 2

*Aufgepasst!

Für Workshops musst du dich frühzeitig auf der BeSt³-Webseite anmelden.

SAMSTAG

07. MÄRZ 2020

12:15

Schreibworkshop: Writers‘ Tricks

In diesem Workshop kannst du in den

Schreibfluss eintauchen und dich kreativ

ausdrücken.

Workshop*

13:20

Es geht um unsere Zukunft

Du willst im Feld der Nachhaltigkeit

und Energieversorgung arbeiten?

Mehr zu Jobperspektiven in Zeiten des

Klimawandels hier.

Vortragssaal 3

14:00

Die Seele heilen – Psychotherapie als

Beruf

Überlegst du, Psychologie zu studieren

oder als Therapeut*in zu arbeiten? In

diesem Vortrag findest du alles zur

Ausbildung und zu möglichen Arbeitsfeldern

und Berufschancen.

Vortragssaal 3

SONNTAG

08. MÄRZ 2020

12:00

Untypisch studieren

Du bist die erste Person in deiner

Familie, die studieren will? Du willst

nicht das studieren, was dir deine

Eltern vorschreiben? Schau hier vorbei!

Vortragssaal 3

13:30

Schauspieler/in werden

In einem praktischen Workshop

Einblick in den Traumberuf

Schauspieler*in erhalten und die Ausund

Weiterbildungsmöglichkeiten der

SCHULE DES THEATERS kennenlernen.

Workshop*

Zoe Opratko

Mit 18 die Schule fertiggemacht. Mit 19 verzweifelt.

Mit 20 die beste Entscheidung fürs Studium

getroffen. Schon in jungen Jahren wusste ich, dass

es für mich in den Journalismus gehen soll. Aber

ich entschied mich gegen ein Journalismus-Studium.

Ich wollte mich nicht gleich auf einen Beruf festnageln,

sondern in meinen frühen 20ern in mehrere Bereiche reinschnuppern.

Daher entschloss ich mich zu etwas, bei dem

mich meine Eltern bis heute fragen „Was genau hast du da

eigentlich gemacht?“

Studium: Medienkunst. An meiner Uni war ich der zweite

Jahrgang überhaupt. Der Studiengang war ein Experiment

von Dozierenden, die sich aus verschiedenen Fachrichtungen

zusammengetan hatten, um ein wildes und offenes Studium zu

kreieren. Ein bisschen Medienwissenschaft, ein bisschen Pädagogik,

ein bisschen Kunst. Für mich war es ideal. Ich suchte die

Freiheit im Studium und bekam sie. Filme drehen, fotografieren,

die Wirkung von Medien auf Kinder analysieren, viel diskutieren

und kritisch reflektieren, was uns in den Medien und

Studium ohne Qual.

Von Elena Bavandpoori

in der Kunst begegnet. Es war die pure Kreativität

– ohne den Anspruch an theoretische Genauigkeit

zu verlieren. Zugegeben: es ist ein „irgendwas mit

Medien“-Studium.

Nicht für jede Person war es das richtige, aber der

interdisziplinäre Aspekt eröffnete mir eine bis dahin noch

unentdeckte Leidenschaft: die Kunst. Also vielleicht ist es gar

nicht so verkehrt, einen Studiengang zu wählen, wo man erstmal

keine konkreten Berufsaussichten hat und bei dem man

sich etwas treiben lassen kann. Klassische Studiengänge wie

Jura, Medizin und BWL wird es immer geben. Aber wir gönnen

uns selbst viel zu wenig Zeit, um einfach mal zu entdecken und

auszuprobieren.

Deshalb mein Plädoyer: Wenn ihr könnt, nehmt euch die

Zeit und experimentiert herum. Ihr müsst nicht den geraden

Weg gehen, der ist eh langweilig. Geht euren Weg, auch wenn

das heißt, dass ihr hundertmal erklären müsst, was ihr studiert

und ob es was für eure Zukunft bringt. Habt Spaß im Studium!

Es ist schließlich da, um sich zu bilden, nicht um sich quälen.

Jöbchancen

Industrie 4.0 – wir bringen Österreich weiter.

www.iv.at

42 / KARRIERE /

/ MIT SCHARF / 43

78_20_NM_Inserat_Das_Biber_Jöbchancen_207x135.indd 1 20.02.20 15:18



Vier Arten von Publizistik-Studenten,

die du kennen solltest Von Natalia Anders

Um „irgendwas mit Medien“ zu studieren,

könnte dieser Text dir weiterhelfen. Diesen vier

Arten von Publizistik-Studis wirst du während

deiner Studienzeit definitiv begegnen. Oder

vielleicht zählst du selbst zu ihnen?

Die Überjournos

iNsTaGrAmiNfLuEnCeR

Erkennbar sind Instagram-Kings und

-Queens vor allem daran, dass sie mit

schimmernd auffälligen Gucci-Sonnenbrillen

im Winter in den Seminarraum

stolzieren. Das Klackern ihrer Gelnägel

auf ihren iPhone XYZS’s hört man

sogar aus hundert Metern Entfernung.

In Übungen und Seminaren melden sie

sich eher selten zu Wort, da sie gerade

am Handy sind, um ihre Kloselfies zu

bearbeiten oder ein Flugticket nach Bali

zu buchen (was den Wannabe-Ökos

natürlich sauer aufstößt).

Die Wannabe-Ökos

Sie drucken ihre Hausaufgaben nicht aus, weil

Papier ja voll die Verschwendung ist. Sie erzählen

in Seminaren ungefragt, dass sie seit fünf Monaten

nicht mehr geflogen sind. Sie scrollen auf ihren

MacBook Pros der ersten Generation (“Heast,

das ist Vintage, oida!”) auffällig nach Filmkameras

auf willhaben. Sie haben für sich selbst und

für die Umwelt beschlossen, nur mehr einmal in

der Woche zu duschen und sich ihr Deo selbst zu

basteln. Mein Tipp an dich: Vermeide Gruppenarbeiten

(und Körperkontakt) mit Wannabe-Ökos, es

sei denn, du möchtest ihre persönliche, ungefragte

Meinung bezüglich Kurzstreckenflügen und zu

deinem nicht veganen Käsebrot hören.

Connor James/unsplash.com, Austin Distel/unsplash.com, Toa Heftiba/unsplash.com, Jeshoots/unsplash.com

Sie erzählen in Übungen immer wieder von

ihrem ORF-Praktikum und dass sie Florian

Klenk persönlich kennen. In Wortmeldungen

erwähnen sie genauso ungefragt Falter-

Reportagen und diesen einen ZIB2-Beitrag,

den eh jeder Anwesende kennen sollte,

schließlich haben sie ihn 2016 auf ihrer

persönlichen Twitterseite geteilt. Sie sind laut

eigenen Angaben voll drinnen im Mediengeschehen,

denn sie sind selbst Teil davon. Für

Gruppenarbeiten praktisch, private Bekanntschaften

eher nicht empfehlenswert.

VOLLER

PERSPEKTIVEN

STARTE DEINE LEHRE BEI BILLA UND HOL’ DIR

ZUSÄTZLICH BIS ZU € 5.000.– PRÄMIEN!

1. Lehrjahr: € 770.– brutto

2. Lehrjahr: € 1.030.– brutto

3. Lehrjahr: € 1.320.– brutto

Die, die nie da sind

Sie studieren seit sieben Jahren Publizistik

und sind seit vier Jahren “fast

fertig”. Obwohl gefühlt halb Wien

Publizistik studiert, fällt die Hälfte der

Publizistikstudis unter diese Kategorie.

Also keine Sorge, so massiv ist unser

Massenstudium eigentlich nicht.

44 / KARRIERE /

JETZT BEWERBEN AUF KARRIERE.BILLA.AT

/ MIT SCHARF / 45



Furkan, der Feinkost-Experte

Von Natalia Anders

WELCHES STUDIUM PASST

AM BEST 3 EN ZU DIR?

Du hast das Gefühl, deine Interessen unterscheiden sich von denen deiner

Freunde und suchst immer noch nach dem passenden Studium für dich? Kein

Grund zur Verzweiflung! Vielleicht ist ja unter diesen fünf Studiengängen

etwas für dich dabei?

1. Meteorologie

Du kannst bei Smalltalks nicht aufhören, über das Wetter zu quatschen? Du

findest den Orkan Sabine interessanter als deine Klassenkollegin, die Sabine?

Dann bist du im Meteorologiestudium auf der Universität Wien perfekt aufgehoben.

2. Pferdewissenschaften

Pferde und Reiten sind dein Leben und dein Herz schmerzt jedes Mal, wenn

du den Stall verlassen musst? Auf der Uni für Bodenkultur oder auf der Vet-

Med in Wien kannst du Dich im Studiengang Pferdewissenschaften beweisen.

Wissen,

was

morgen

zählt.

3. Architektur - Green Building

Architektur but make it green! Nachhaltig gebaute Gebäude sind zur Zeit der

Klimakrise gefragter und bedeutender denn je. Vielleicht ist ja ein Studium in

Architektur - Green Building auf der FH Campus Wien etwas für dich?

Jetzt informieren:

fhstp.ac.at

Donnerstag, 6:30 Uhr morgens

in der Eurospar Filiale

Pastorstraße. Ich kann

meine Augen kaum offen

halten, bekomme meine Arbeitskleidung

in die Hand gedrückt und schon geht es

los. Furkan Özdemir ist schon seit 6 Uhr

hier – wie jeden Morgen. Ich werde den

Spar-Lehrling heute an seiner Arbeitsstelle

begleiten – und mich von ihm zu

französischem Käse beraten lassen,

aber dazu später. Käse anschneiden,

Brötchen aufbacken. Ich stehe mit Furkan

hinter der Feinkosttheke und merke,

wie schwer es sein kann, Käse richtig

zu verpacken. Furkan beruhigt mich: Mit

ein bisschen Muskelkraft und vor allem

mehr Erfahrung geht’s ruck zuck. Aber

die Feinkosttheke ist zum Glück nicht

der einzige Bereich, durch den der Lehrling

mich heute führen wird:

Furkan befindet sich im dritten und

letzten Lehrjahr – und konnte deshalb

schon einige Erfahrungen in den unterschiedlichsten

Abteilungen machen. Am

liebsten arbeitet er mit frischer Ware,

weil er da immer zu tun hat und sich

kreativ ausleben kann. “Die Abwechslung

macht es aus. Es gibt immer was

zu tun”, erzählt der Lehrling.

VORBILDFUNTION

HINTER DER THEKE

Neben der Qualitätschecks und dem

Nachschlichten berät Furkan auch

Kunden und schaut, dass die Atmosphäre

im Geschäft für alle angenehm

ist. Was Qualitätschecks genau

bedeuten? “Ich muss das im Regal

behalten, was ich auch selbst kaufen

wollen würde”, erzählt der Zwanzigjährige.

Außer Furkan arbeiten noch zwei

andere Lehrlinge in der Filiale. Obwohl

der Altersunterschied zwischen ihnen

nicht so groß ist, erfüllt Furkan als „der

Erfahrene“ für die anderen auch seine

Vorbildfunktion und hilft bei Unklarheiten

immer weiter.

Knapp dreißig Stunden in der Woche

verbringt Furkan in der Filiale, jeden

Dienstag ist er in der Berufsschule.

Nachdem er die Handelsschule

46 / KARRIERE /

Furkan zeigt Natalia seinen Arbeitsplatz

abgebrochen hat, ist er über seine

Schwester, die bereits seit sieben Jahren

bei Spar tätig ist, zu einem Praktikum

gekommen. Nach dem Praktikum

bewarb Furkan sich für eine Lehrstelle

– und hat diese auch bekommen. Sein

Traum ist es, einmal Marktleiter zu

werden. “Bei Spar gibt es genügend

Aufstiegsmöglichkeiten. Die ergreife

ich auch, schließlich habe ich jetzt eine

gute Ausbildung”, so der Austrotürke.

Dass ihm der Job viel Spaß macht, kaufe

ich ihm ab: “Ich würde nicht gerne

arbeiten gehen, wenn es mir keinen

Spaß macht, nur weil ich da viel Kohle

bekomme”, erzählt der Lehrling.

Schichtende. Ich beschließe, mir

zur Feier des Tages eine Käsesemmel

zu gönnen. Furkan empfiehlt mir

anstatt dem klassischen Gouda eine

französisch-klingende Sorte Butterkäse,

von der ich noch nie gehört hatte und

ich bereue die empfohlene Wahl kein

bisschen. Da merkt man, dass sich einer

auskennt. Mahlzeit und bis bald, hinter

der Theke!

Susanne Einzenberger

4. Moden und Styles Textiles Werken / Textiles Gestalten

Du lebst für Mode und liebst es, zu nähen und zu designen? Auf der Akademie

der Bildenden Künste in Wien kannst du deiner Leidenschaft nachgehen

und Moden und Styles studieren.

5. Diätologie

Gesunde und ausgewogene Ernährung ist ein wichtiger Teil deines Lebens

und du würdest gerne einmal anderen Menschen helfen, sich richtig zu

ernähren? Dann ist das Diätologie Studium auf der FH Wien Campus genau

das Richtige für dich.

BIBER- BEST-TIPP:

Brauchst du ein schickes Foto für deinen Lebenslauf oder deine nächste

Bewerbung?

Lass’ dich von Profi-Fotograf Christoph Liebentritt kostenlos von deiner

Schokoladenseite ablichten.

WANN? Freitag, 06.03.2020, 13 bis 17 Uhr

WO? BeSt-Messe Wien, biber-Stand (EG)

Willst du wissen, was eigentlich die biber-Akademie ist? Dann komm’ zum

Journalismus-Crashkurs mit biber-Redakteur Amar Rajkovic.

WANN? Freitag, 06.03. 2020, 12:15 Uhr

WO? Der Workshop-Raum befindet sich außerhalb des direkten Messegeschehens.

Treffpunkt ist kurz vor dem Termin beim Treffpunkt „Workshops“

open.day

13. März 2020

13 – 18 Uhr

Dunja Gharwal

Wiener Kinder- und

Jugendanwältin

(Stadt Wien) Absolventin

Soziale Arbeit



WKO-Wahlen:

Das musst du wissen!

Alle fünf Jahre haben

Selbstständige in ganz

Österreich die Chance,

für ihre politischen

Vertreter zu stimmen.

Aber warum sollte man

von 2-5 März wählen

gehen?

Wie auch in der Politik kann man in der

Wirtschaft alle fünf Jahre ein neues

Parlament wählen. Das Wirtschaftsparlament

besteht aus Vertretern, die

zuständig für verschiedene Berufsgruppen

sind. Branchenvertreter können

entweder mit selbst aufgestellten

Listen oder Parteien, die Teilorganisationen

der größten politischen Parteien

Österreichs sind, antreten.

WUSSTEST DU, DASS…?

… du keine österreichische Staatsbürgerschaft

brauchst, um bei den WKO-

Wahlen deine Stimme abzugeben?

Du musst ein Gewerbe in Österreich

angemeldet haben. Worauf wartest

du eigentlich noch? Greif zu Stift und

Wahlzettel und setz dein Kreuz!

WEN KANN ICH ÜBERHAUPT WÄHLEN?

SWV

Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband:

Die Teilorganisation der SPÖ setzt sich für faire Mieten,

eine bessere soziale Absicherung oder Frauen in

der österreichischen Wirtschaft ein. Ihr Spitzenkandidat

bei den Wahlen 2020 ist Marcus Arige.

RFW

Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender:

Die freiheitlichen Wirtschaftstreibenden kommen von

der FPÖ und möchten mit Roland Walter als Spitzenkandidaten

weniger Bürokratie, Steuersenkungen und

mehr unternehmerische Freiheiten.

UNOS

Unternehmerisches Österreich:

Die UNOS sind Teil der NEOS und planen mit ihrem

Spitzenkandidaten Michael Schuster eine Reform der

Wirtschaftskammer oder mehr Freiheiten für Unternehmer.

Außerdem wollen sie gegen Fachkräftemangel

mit Bildungsförderungen ankämpfen.

GRÜNE WIRTSCHAFT:

Die Grüne Wirtschaft setzt ihre Schwerpunkte auf

Themen wie bedingungsloses Grundeinkommen,

Nachhaltigkeit in der Wirtschaft oder regionales Wirtschaften.

WIRTSCHAFTSBUND:

Der Wirtschaftsbund gehört zur ÖVP und setzt sich

unter anderem für flexible Arbeitszeiten, weniger

Vorschriften und Verbote in der Bürokratie und eine

Senkung der Steuern- und Abgabenlast ein.

HOW TO WKO-VOTE:

Du bist ein*e volljährige*r Unternehmer*in in Österreich und möchtest deine Stimme

bei den WKO-Wahlen abgeben? Du kannst entweder postal wählen und online

eine Wahlkarte beantragen oder zwischen 2. und 5. März persönlich in einem der

vielen Wahllokale vorbeikommen. Mehr Infos zur Wahl findest du unter:

https://www.wko.at/service/oe/wirtschaftskammerwahlen.html

August Lechner

Das Biber: 200 x127 mm

Hans Arsenović, 52, ist

Sprecher der "Grünen

Wirtschaft" und Vizepräsident

der Wirtschaftskammer

Wien.

Weils nicht wurscht ist:

GEH WÄHLEN!

Als Unternehmerin oder Unternehmer kannst du

vom 3. Bis 5. März deine Vertretung in der Wiener

Wirtschaftskammer wählen. Und ich hoffe,

dass du deine Stimme auch nutzt. Warum? Weil

die Wirtschaftskammer die wichtigste Interessensvertretung

für uns Selbstständige ist. Und

weil es deshalb nicht wurscht ist, wer sich für

unsere Unternehmen stark macht.

Mehr als 40 Prozent der Wiener Unternehmerinnen

und Unternehmer haben Migrationshintergrund.

Wir sind eine immer größer

werdende Gruppe, die in der Kammer auch

stärker mitbestimmen sollte. Die Wirtschaftskammer

soll für Frau Milosavljevic mit ihrem

kleinen Burekgeschäft an der Thaliastraße oder

für Herrn Karaman und sein Elektrogeschäft

genauso da sein, wie für einen großen Spediteur

mit hundert LKW. Deshalb habe ich vor 15

Jahren das erste Mal für die Kammer kandidiert

und dafür setze ich mich als Chef der Grünen

Wirtschaft Wien und halber Jugo von ganzem

Herzen ein.

Bevor wir in der Wirtschaftskammer waren,

IGM ® Lebensstil-

Programm

Werden Sie Managerin bzw.

Manager Ihrer Gesundheit

Verringern Sie aktiv Ihr Risiko für Übergewicht, Diabetes,

Herzkreislauf-Erkrankungen und Stressfolgeschäden mit

dem Viterio ® -Gesundheitsportal und Gruppencoaching.

Nähere Informationen unter 0800 600 511

oder igm-serviceline@oegk.at

haben 70-jährige Kommerzialräte Interessenspolitik

für Banken und Großkonzerne gemacht.

Deshalb treten wir seit 20 Jahren in immer

mehr Branchen an, um frischen Wind in die

Kammer zu bringen. Unsere Wirtschaft ist bunt,

vielfältig, nachhaltig und regional. So wie unser

Wien. Uns geht’s ums Miteinander. Deshalb

sind wir auch ständig im Grätzel unterwegs

und reden mit den Leuten. Was ich da so höre,

nehme ich in die Kammer mit. Und dann setzen

wir was um, zum Beispiel mehrsprachige Beratungsangebote

für Unternehmer*innen.

Die Kammer hat eigentlich ein tolles Service.

Sie bietet zum Beispiel kostenlose Rechtsberatung

an, das wissen die wenigsten. Die Kammer

ist schon lange kein dubioses Amt mehr, wo

keiner hinwill und niemand mehr rausfindet. Bei

uns wird dir als Unternehmerin und Unternehmer

zu fast allen Themen geholfen.

Als Unternehmerin und Unternehmer sollst

du die bestmögliche Unterstützung bekommen.

Denn du bist schließlich das Rückgrat unserer

Wirtschaft. Deshalb ist es so wichtig, dass du

mitbestimmst und nicht jemand anderer für dich

entscheidet.

Egal für welche Partei, geh wählen! ●

48 / KARRIERE /

/ MIT SCHARF / 49



Selbermacher

Salut

&

Salam!

Das Sous-Bois in der

Wiener Neustiftgasse

verbindet Papeterie und

Café, und strahlt französisches

Flair gepaart mit

orientalischer Gemütlichkeit

aus.

Text: Nada El-Azar, Fotos: Susanne Einzenberger

Betritt man das Sous-Bois, so wird

man von arabischer Musik, sowie

dem Duft von frisch gebrühtem

Kaffee und aufgebackenem Baguette begrüßt.

Geführt wird das Lokal von der gebürtigen

Französin Chloé Thomas mit ihrem irakischen

Mann Yusuf Shaker. Kennengelernt hat sich

das Ehepaar im Jahr 2016 auf einer Karaoke-

Party in Wien. Die 36-jährige Chloé eröffnete

vor sieben Jahren das Lokal zunächst als

reinen Shop für exklusive Schreibwaren.

Erhältlich ist dort alles, was Schreiblustige

begehren: Hochwertige Notizbücher von

Herstellern aus Japan, Frankreich, Tschechien

oder Taiwan, Füller, Kugelschreiber, Kalender,

Sticker, Büroartikel und vieles mehr. Sous-

Bois bietet zudem eine Reihe von Workshops

rund ums Schreiben an, etwa Kalligraphie,

Zeichnen oder Buchbinderei. Auch das sogenannte

Hand-Lettering, eine immer beliebter

werdende Art, Worte, Sprüche und Zitate

kunstvoll zu gestalten, kann man im Rahmen

eines Kurses erlernen. „Ich denke, wir waren

schon trendy, bevor das Handgeschriebene

wieder Trend wurde. Unsere Kunden in der

Papeterie lieben einfach Papier und Schreiben“,

so Chloé.

fahrung als Grafikerin in Wien. „Sous-Bois

bedeutet aus dem Französischen übersetzt

‚Unterholz‘. Mir gefiel einfach diese Metapher

als Name für den Shop“, erklärt sie.

FRISCHE SPEZIALITÄTEN UND

GUTER SERVICE

Die französisch-orientalische Fusion findet

nicht nur im Interieur des Cafés – mit den

Sous-Bois

Neustiftgasse 33

1070 Wien

www.sous-bois.at

Holztischchen, den orientalischen Teppichen

und Lampen – sondern auch auf

der Speisekarte statt. Für alle, die gerne

frühstücken, hat das Sous-Bois eine große

Auswahl an frischem Brot, das aus der

französischen Bäckerei Parémi bezogen

wird, das man mit Humus, Bio-Lachs oder

ausgezeichnetem Käse genießen kann.

Andere beliebte orientalische Spezialiäten

wie Babaghanoush oder gefüllte Weinblätter

sind ebenfalls erhältlich. „Wir geben

Künstlerinnen und Künstlern auch die Möglichkeit,

im Lokal ihre Werke auszustellen“,

so der 25-jährige Yusuf. „Wir glauben, dass

die Gemeinsamkeiten zwischen unseren

Kulturen in der Wärme unseren Kunden

gegenüber spürbar ist. Hier sprechen wir

gerne mit unseren Kunden, das macht

nicht jeder“, so Yusuf. Ein Besuch im Sous-

Bois kann vielseitig sein – als einsamer

Schreiberling über dem Notizbuch brüten

geht hier genauso gut wie sich auf einen

Brunch mit Freunden zu treffen.

ZEIGEN SIE

WAS SIE

KÖNNEN

WKO-WIEN HILFT

Im Gründerservice der WKO-

Wien kann man bei einem

Beratungsgespräch alle Fragen

stellen, die die Gründung eines

Unternehmens betreffen. Im

Vorhinein kann man sich auch

schon eigenständig online

informieren. Ob generelle

Tipps zur Selbstständigkeit,

rechtliche Voraussetzungen,

Amtswege oder Finanzierungsund

Förderungsmöglichkeiten:

Auf der Website kommt man

mit wenigen Klicks zu allen

wichtigen Informationen.

wko.at/wien

www.gruenderservice.at

Die Selbermacher-Serie ist eine

redaktionelle Kooperation von das

biber mit der Wirtschaftskammer

Wien.

EINE UNSCHLAGBARE KOMBINATION

Im Sommer 2019 zogen Chloé und Yusuf mit

der Papeterie Sous-Bois eine Tür weiter, um

Platz für das gleichnamige Café zu schaffen.

Café und Shop befinden sich somit Seite an

Seite und sind getrennt begehbar. Wie kam

es zu der Entscheidung, den Schreibwarenladen

um ein Café zu erweitern? „Menschen,

die gerne schreiben, tun das am liebsten

auch mit einer Tasse Kaffee oder Tee. Das ist

eine unschlagbare Kombination“, so Chloé im

Gespräch. Ihre Affinität zum Schreiben und

Gestalten rührt aus ihrer langen Arbeitser-

» WKO FIRMEN A–Z –

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„Auch mal

das Handy

weglegen.“

Vier JungunternehmerInnen treffen WKW-Präsiden ten Walter Ruck,

um über Handypausen, Motivation und die Vorteile einer digitalisierten

Arbeitswelt im Rahmen des Almanah-Bizness-Talks zu diskutieren.

Von Amar Rajković, Fotos: Susanne Einzenberger

Im Restaurant Habibi & Hawara füllen sich allmählich

die Tische. Bei den Bürohengsten aus der

Umgebung im ersten Bezirk hat sich herumgesprochen,

dass das Buffet des Social-Franchise-

Unternehmens einige orientalische Schmankerln zu

bieten hat. Im abgedunkelten Hinterzimmer, bei dem

man sich wie in einem Speisesaal in Marokko vorkommt,

haben sich Wirtschaftskammer Wien-Präsident

Walter Ruck und vier JungunternehmerInnen eingefunden.

Das Ziel: sich in lockerer Atmosphäre austauschen

und so manche Eigenheiten des Unternehmerdaseins

mit anderen Leidgenossen teilen.

Den Reigen eröffnet Petar Iliev. „Servus, i bin‘s,

da Petar aus dem Burgenland“, stellt er sich mit einer

resoluten Stimme vor, selbst das Servicepersonal zwei

Räume weiter dürfte Petars Anwesenheit mitbekommen

haben. Der aufgeweckte Jungunternehmer ist der

Gründer von „Getsby“, einer App, die bargeldlose und

rasche Bezahlung in Gastronomiebetrieben ermöglicht.

Die App hat mittlerweile eine Useranzahl in hohem

fünfstelligem Bereich. Der Gastgeber Walter Ruck nickt

anerkennend. Er stellt zugleich fest: „Wien kann mehr

als wir glauben.“ Ein Satz, der sich auf die vorsichtige

österreichische Mentalität bezieht, die manchmal vielversprechenden

Ideen im Wege steht.

SCHUHE UND AJVAR

Gülsen Akkas weiß ganz genau, wie schwer es ist, ein

eigenes Business zu starten – trotz Unkenrufen aus

dem Bekanntenkreis, es doch bleiben zu lassen. Die

Designerin verkauft hochwertige Schuhe online. „Sie

müssen komfortabel sein“, ist Akkas ganz wichtig. Dass

komfortabel aber nicht unbedingt Schlabberlook bedeuten

muss, zeigt ein Blick auf ihren Onlineshop. Bunt,

stylisch und leistbar lässt sich ihre Schuhlinie am besten

beschreiben. Wenn sie nicht gerade Schuhe entwirft,

steht sie auf Händlermessen und wirbt für ihre Kreationen.

Dort trifft sie manchmal auf Marijana Miljković von

„BioBalkan“. Die ehemalige Journalistin und Korrespondentin

weiß, wie sie ihre Produkte geschickt platziert.

Auf dem Platz der teilnehmenden UnternehmerInnen

und des WKW-Präsidenten stehen bunte Gläser mit –

für viele – unbekanntem Inhalt. „Ajvar“, „Pindur“ oder

„Malino“ steht auf dem Etikett drauf. Die Aufstriche

werden nach dem traditionellen Rezept hergestellt. Das

bedeutet auch, dass Miljković mit ihrem Mann das notwendige

Gemüse dafür in Serbien ernten lässt. Seit nun

knapp einem Jahr macht sie das und seufzt manchmal,

weil der Job sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Eine

gelebte Realität für viele Jungunternehmer. Da sind

schon mal 70, 80 Stunden in der Woche eher Norm als

Ausnahme.

Walter Ruck, der selber aus einer Unternehmerfamilie

stammt, hat einen weisen Rat an die jungen Startup-Spunde:

„Auch mal das Handy weglegen.“ Manch

einer in der Runde kann sich das schwer vorstellen.

Der durchstartende Burgenländer Iliev hat ein klares

Ziel: Sein Unternehmen nach vorne pushen und bald

den deutschen Markt erobern, da passen Pausen kaum

in den ehrgeizigen Plan. Ruck beruhigt und versichtert

Iliev: „Zeit für Familie oder andere Hobbys ist wichtig.

Glauben Sie mir, jeden Tag geht die Sonne auf.“

Petar Iliev

Getsby

Gülsen Akkas

Libra Shop

Marijana Miljkovic

BioBalkan

„GO WITH THE FLOW“

Leichter gesagt als getan, das denkt sich auch Tamer

Aslan. Der junge Istanbuler fand zuerst bei der Ars

Electronica in Linz einen Job, bevor er sich 2015 selbstständig

machte. Für ihn sind arbeitsreiche Wochen,

genauso wie für alle anderen Teilnehmer des Bizness-

Talks, ganz normal. Er vergleicht die Herausforderung

als Jungunternehmer mit dem Training für die Muskulatur:

„Je mehr wir unsere Muskeln belasten, desto

stärker werden sie. Genauso verstehe ich auch die

Herausforderung des Unternehmertums, je mehr man

arbeitet, desto belastbarer und produktiver ist man“, so

Aslan. Er unterstreicht auch die Wichtigkeit, sich früh

zu informieren. Eine Tatsache, die er mit seiner Taktik

„go with the flow“ etwas verabsäumt hatte. Hier setzt

Walter Ruck an: „Die Wirtschaftskammer ist nicht nur

die Interessensvertretung der Unternehmen, sondern

bietet auch Service, Kontakte und Ausbildungen für

alle Unternehmer an. „Wir haben im abgelaufenen Jahr

über 63.000 Unternehmer beraten und mehr als 28.000

Gründungsberatungen angeboten“, so Ruck. Iliev nickt.

Walter Ruck

Präsident der

WKW

Timea Zawodsky

Almanah

Amar Rajković

Almanah

Tamer Aslan

City Games

Auch er habe sich beim Gründerservice der Wirtschaftskammer

beraten lassen, etwas, was er anderen

Neuunternehmern auch ans Herz legen möchte.

Das letzte Thema des Bizness-Talks ist die Digitalisierung.

Man habe das Gefühl, sie sei ein ständiges

Schreckensgespenst, das die Arbeitswelt heimsucht.

Ruck sieht das nicht so: „Alles, was mir Arbeit abnimmt,

schafft Raum in meinem Kopf für andere Gedanken.“

Die anderen TeilnehmerInnen sehen es ähnlich,

schließlich beruhen viele von ihren Geschäftsideen auf

den Möglichkeiten der fortschreitenden Digitalisierung.

Aslan, der Spiele für Großstädte entwickelt, damit sie

ihre digitalen Möglichkeiten ausschöpfen, stimmt dem

natürlich zu. Er bereut es keine Sekunde, sich selbstständig

gemacht zu haben und kann die Zukunft kaum

erwarten. Dafür hat er auch eine Handlungsanweisung

an alle JungunternehmerInnen, die schlechte Zeiten

durchmachen müssen: „Stay hungry, stay foolish.“

Hungrig sind die TeilnehmerInnen des Bizness-Talks

nicht nach Hause gegangen – dem g‘schmackigen Mittagsbuffet

bei Habibi & Hawara sei Dank. ●

52 / KARRIERE /

/ KARRIERE / 53



TECHNIK & MOBIL

Alt+F4 und der Tag gehört dir.

Von Adam Bezeczky

Aleks Jobicić

BEZAHLTE ANZEIGE

MEINUNG

Alter Falter

Die neue Welle der Falthandys ist

da: neben Huawei hat nun auch

Samsung zwei Handys mit Faltdisplays

auf dem Markt. Die Technologie,

auf die alle schon warten,

hatte einen schweren Start. Displays

lösten sich auf, Scharniermechanismen

klemmten. Doch die nun

vorgestellten Modelle scheinen

die Kinderkrankheiten hinter sich

gebracht zu haben. Gespannt blickt

man nun auch zu Apple, was die

Kreativen aus Cupertino planen.

Preislich liegen die Geräte definitiv in

der Oberklasse, aber läuten vielleicht

die nächste Welle der Handy-Evolution

ein. Interessant

wird die Geschichte

natürlich, wenn es

ausklappbare Tablets

mit wirklich großen

Displaygrößen gibt -

damit und der neuen

Generation im Mobilfunk

werden Bahn-

,Bus- und Autofahrten

noch entspannter..

bezeczky@dasbiber.at

PlayStation 5

kommt

Sony bereitet die PlayStation 5 vor. Das

Logo wurde bereits auf der Consumer

Electronic Show (CES) vorgestellt

- kreativ austoben hat sich da wohl

niemand dürfen. Dafür wissen wir, dass

die PS5 höchstaufgelöste Grafik mit 8K liefern wird, alle Spiele der

PS4 laufen werden und dass die Konsole Ende des Jahres kommt.

Digitaler Ausweis

kommt

Die neue Bundesregierung hat

ein ehrgeiziges Digitalprogramm:

Führerschein und Personalausweis

sollen auch digital kommen. Dank

der „Digitales Amt“ App sollen die

Amtswege in den kommenden Jahren

fast gänzlich wegfallen - Zeit wirds!

Auch andere amtliche Unterlagen wie

Zulassung und Reisepass sollen ihren

Weg aufs Handy finden. Aktuell kann

man Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis,

Meldebestätigung

und E-Card abrufen. Das ist schon ein

Schritt in die richtige Richtung, aber es

ist noch Luft nach oben!

EIN SPIEL IST

KEIN WISSEN-

SCHAFTLICHES

WERK

Im Spiel von 2012 (!) von Ndemic

Games spielen wir ein Virus.

Unsere Aufgabe: die ganze Welt

zu befallen. Acht Jahre später

ist das Spiel ganz oben in den

Verkaufscharts - das Spielestudio

hat schon mehrmals betonen

müssen, dass es sich bei dem

Programm um ein Spiel und

nicht um eine wissenschaftliche

Abhandlung handelt. Aber

immerhin, sie haben auch einen

Vortrag beim CDC gehalten,

der amerikanischen Seuchenbehörde.

Samsung, Plague inc., Marko Mestrović

Electronic Arts, Inc.

MEIN PERFEKTES

ZWEITLEBEN

Von Aleksandra Tulej

Mein Leben ist perfekt. Karriere und

Privatleben könnten gerade nicht

besser laufen. Ich habe gestern

zehn Millionen neue Social Media

Follower bekommen, beim Joggen

im Park einen sexy Boy kennengelernt,

ihn zwei Stunden später

im Stadt-Museum geheiratet und

drei Tage später hatten wir auch

schon wunderschöne Drillinge. Was

zugegebenermaßen etwas eng

werden kann, wenn man sich in eine

Zwei-Zimmer-

Wohnung im

Künstlerviertel

von San Myshuno

quetschen

muss. Aber die

Lage macht’s

ja bekanntlich aus. Na gut, ich war

nicht ganz ehrlich. Die Wohnung

können wir uns nur leisten, weil wir

Betrüger sind. Okay, Einzahl. Ich.

Ich bin ein Betrüger und habe mir

dieses Leben mit einem Cheatcode

hergezaubert. Motherlode ist für

Anfänger – der Spaß beginnt erst,

wenn’s richtig schräg wird.

Das meistverkaufte PC-Spiel

aller Zeiten, The Sims, feierte im

Februar seinen 20 Geburtstag. Und

genau so lange ist dieses Game

Teil meines Lebens – oder eher

ich Teil davon. Ich habe alle Alien-

Entführungen, Haustier-Einkäufe,

Poolleiter-Verkäufe, Monti vs. Capulet-Romanzen

und Goth-Mysterien

mitgemacht. Von Sims 1 bis Sims 4,

die volle Bandbreite. Ich verwöhntes

Kind hatte jedes einzelne Add-On.

Im Volksschulalter noch unschuldig

glückliche Familien erstellt, um sie

dann als Präpubertierende im Pool

zu ertränken. Festivals, auf die ich

als Jugendliche nicht durfte, eben

bei den Sims nachgebaut. Parties,

Clubs, Schmusereien, Stress mit

der Polizei – alles war dabei. Später

dann Generationen an superreichen

Adelsgeschlechtern durchgespielt,

bei White-Trash-Familien die Babys

von den Social Services holen lassen.

Drug-Mods

ausprobiert, seltsam

inzestuöse

Sims-Stämme

entstehen lassen,

Einbrecher

verprügelt, vom

Sensenmann geschwängert worden.

Die dreißigstelligen Cheatcodes kann

ich bis heute im Schlaf auswendig

aufsagen. Was heißt bis heute:

Erst gestern Abend habe ich noch

auf Elternseiten nach Namen für

meine Drillinge gesucht. Aber bald

könnte ich meiner Sucht und meinen

scheinbar psychopatischen Zügen

was neues liefern. Nach zwanzig

Jahren und vier Sims-Generationen

brodelt es auf den Fandom-Seiten:

Sims 5 soll bald erscheinen – seitens

EA Games wurde aber noch nichts

bestätigt. Verdammt.

Ihr merkt, es wäre vielleicht an

der Zeit, aufzuhören. Aber ich kann

noch nicht. Ich kann meine armen

Drillinge doch nicht unbeaufsichtigt

lassen.

Job?

Fix!

DIE BERUFSLEBENS KOLUMNE DES

AMS WIEN

Was ich geliebt habe, als ich so zirka 15 war:

Beim Aufbau der Bühne zuzuschauen, am

Tag vor einem Konzert. Ich hätte alles gegeben,

da dazuzugehören. Männer und Frauen

mit Headset, Kabeln, Werkzeuggürteln, jeder

Handgriff muss sitzen. Hochkonzentriert,

stundenlang. Auch ich, beim Zuschauen.

Und am Schluss ist diese riesige Bühne auf

der Donauinsel gestanden, statt einer Weisheit

an der Tafel.

Weil: Als ich im letzten Pflichtschuljahr war,

habe ich eines mit Sicherheit gewusst – dass

ich nicht weiter in die Schule gehen will.

Wenn das so ist, ist es okay. Grundsätzlich.

Nämlich dann, wenn du dir trotzdem Gedanken

drüber machst, was du weiter lernst.

Schule wie bisher muss es nicht sein, aber

ohne Ausbildung geht’s nicht. Warum? Brutal

gesagt: Weil du ohne Ausbildung in Wien

keinen Job findest, in dem du bleiben und

dich entwickeln kannst.

Aber wenn man genau das lernt, was einen

interessiert, dann macht es Spaß. Es gibt

hunderte Lehrberufe. Technische. Kreative.

Soziale. Forme Geigenbögen, Eisenbahnschienen

oder den Charakter von Kindern.

Egal. Forme deine Karriere.

Tipp: Komm im März in eines der AMS-

BerufsInfoZentren. Dafür brauchst du

keinen klaren Berufswunsch. Nur ein paar

Ideen, was dich interessiert und was du

kannst. Du wirst sehen: Es gibt einen

Beruf dazu. Frauen, die Bühnen bauen,

zum Beispiel: das sind Veranstaltungstechnikerinnen.

54 / TECHNIK /

/ TECHNIK / 55



MEINUNG

Wenn der Teufel

eine Heilige wird

Ich kenne so ziemlich jede einzelne Folge

von „Malcolm Mittendrin“. Von all diesen

Familiensitcoms im TV war Malcolms

Mittelschichtsfamilie die einzige, mit der

ich mich wirklich identifizieren konnte. Ich

bin als viertes von fünf Kindern in einem

Favoritner Gemeindebau aufgewachsen.

Einer meiner Brüder war ein wenig

wie Malcolms älterer Bruder Reese, und

meine jüngere Schwester erinnerte mich

immer an Dewey. Neulich habe ich mir

in einem Anflug von Nostalgie einige

Folgen angeschaut und musste feststellen,

wie sehr sich Malcolms Mutter Lois

in meinen Augen verändert hat. Lois und

ihre berüchtigten Wutanfälle sind lange

ein Spiegelbild meiner eigenen Mutter

gewesen. Lois war der Teufel in Person.

Eine herrische, übertemperamentvolle

Löwin von einer Mutter, die ihrem

Mann Hal genauso wie ihren Kindern die

Leviten lesen konnte. Vielleicht werde

ich alt, aber wenn ich mir die Serie

heute ansehe, vertritt Lois genau die Art

Kindererziehung, die man heute braucht.

Klar, sie hatte fragwürdige Bestrafungsmethoden,

um ihren Söhnen eine Lektion

zu erteilen, aber sie war letztendlich nicht

die Spielverderberin, für die ich sie lange

gehalten hatte. Seht doch selbst, wenn

ihr mir nicht glaubt. Lois hält den Laden

echt zusammen!

el-azar@dasbiber.at

KULTURA NEWS

Klappe zu und Vorhang auf!

Von Nada El-Azar

Ausstellungstipp

SIE

In welchem Alter beginnen

Frauen, ihren jugendlichen,

oft schambehafteten Blick auf

den eigenen Körper zu hinterfragen?

Wann wird aus Scham

Gelassenheit? Biber-Fotografin

Susanne Einzenberger setzt

sich in der Ausstellung „Sie“

intensiv mit der Veränderung

des Körperbildes und Selbstbewusstseins

von Frauen im Alter

zwischen 25 und 35 Jahren

auseinander. Eine sehenswerte

Körperstudie. Vernissage am

5. März, danach ist die Ausstellung

bis 8. März zu sehen!

sehsaal

Zentagasse 38/1, 1050 Wien

56 / KULTURA /

SEX

SMELLS

Die Barbetreiberinnen der Hot Flamingo

Bar wehren sich gegen das

Verschwinden ihres letzten feministischen

Pornokinos - mit einer fulminanten

Porno-Art-House-Show.

SEX SMELLS untersucht die befreiende

Wirkung von Sex und seiner

Darstellung auf der einen, und die

ausbeuterische, unterdrückerische

Praxis der Werbe-, Porno- und

Filmindustrie auf der anderen Seite.

Eine Stückentwicklung von Kollektiv

Eins, Die Theater Chemnitz und

Kosmos Theater.

Premiere:

11. März 2020 im Kosmos Theater

Susanne Einzenberger, Maria Noisternig, BBC, Rudolf Schlichter, Bettina Frenzel

Filmtipp

Die perfekte

Kandidatin

Maryam (Mila Alzahrani) arbeitet als Ärztin

in einer saudi-arabischen Kleinstadt.

Sie kämpft tagtäglich aufs Neue um den

Respekt ihrer Mitarbeiter und Patienten,

die sie als Frau nicht ernst nehmen, und

leidet unter den mangelhaften Bedingungen

in der Klinik. Sie bewirbt sich

für eine bessere Stelle in Dubai, jedoch

darf sie ohne männliche Begleitung

nicht alleine dorthin reisen. Der Zufall

will, dass sie sich als Kandidatin für die

anberaumte Wahl des Stadtrats bewirbt,

um in Dubai Hilfe bei einem entfernten

Cousin suchen zu können. Der Film

behandelt auf tragisch-komische Art den

Weg einer Frau zu ihrer Stimme.

Seit 18. Februar im Kino

Into The Night –

die Avantgarde im Nachtcafé

Das Untere Belvedere

widmet der Welt der

Kabaretts, Clubs, Cafés

und Bars eine Ausstellung.

Es sind die Orte, an denen

sich Künstlerinnen und

Künstler, Nachtschwärmer

Berufsausbildungen in der Heilmassage

und Exzentriker jeder Art begegnet sind. Vom Kabarett Fledermaus

in Wien über das Chat Noir in Paris bis hin zu dem Teheraner Künstlerclub

Rasht29. Es warten Rekonstruktionen dieser Orte und ein reiches

Begleitprogramm mit Theater, Lesungen und Performances auf

die Besucher. Mit Werken von Hugo Ball, Otto Dix, Susanne Wenger,

Henri de Toulouse-Lautrec und vielen mehr.

Bis 1. Juni 2020

Erlernen Sie manuelle Behandlungen zu Heilzwecken -- mit mit umfangreichen

medizinischem Wissen, gutem Einfühlungsvermögen

und und therapeutischen Kenntnissen.

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aufbauende Ausbildung

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freiberufliche Tätigkeit

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WIENER

FRAUEN*

SPAZIERGÄNGE

Überall in Wien kann man

wortwörtlich den Spuren der

Geschichte nachgehen. Petra

Unger, Begründerin der Wiener

Frauen*Spaziergänge und

Expertin für Gender Studies,

beleuchtet auf 50 verschiedenen

Routen durch ganz Wien

die spannenden Geschichten

von mutigen Frauen in Verbindung

mit Kunstgeschichte,

Politik und Biografieforschung.

Termine für die nächsten Rundgänge

findet man unter:

https://frauenspaziergaenge.at/

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/ KULTURA / 57



„ZUM

BAUCHTANZEN

BRAUCHT MAN

KEINEN BAUCH“

Der Orientalische Tanz ist bei Arabern genauso

beliebt wie verpönt. Tanz lehrerin Shams erzählt

von ihrem Weg zum Traumberuf Tänzerin und

welche Hürden sie dafür überwinden musste.

Von Nada El-Azar; Fotos: Sophie Kirchner

Mysteriös, fesselnd, verführerisch und feminin.

Spätestens seit dem Durchbruch von Shakira

in den frühen 2000ern war der Orientalische

Tanz, auch „Bauchtanz“ genannt, endgültig

im globalen Mainstream angekommen. Seine Wurzeln liegen

– wo auch sonst? – in Ägypten, und unumstritten wird er bis

heute in den meisten arabischen Ländern als Teil des kulturellen

Erbes anerkannt. So sehr aber der Orientalische Tanz von

den Arabern geliebt wird – das Stigma gegen ihn wird immer

größer. Denn Frauen, die auf der Bühne gekonnt das Publikum

mit ihren Hüftschwüngen verzaubern, sind mit konservativen

islamischen Werten nur schwer vereinbar. Wie sich dieser

Widerspruch äußert, wird an der Geschichte von Shams deutlich.

Shams heißt eigentlich Sham. Ein S hat sie ihrem richtigen

Namen angehängt - und fertig war der perfekte Bühnenname.

Shams – das bedeutet auf Kurdisch und Arabisch „Sonne“ –

diesem Namen wird die junge Frau allemal gerecht. Ich traf

sie an einem grauen, verregneten Tag in einem Wiener Café

und es war, als würde die Sonne scheinen, als sie den Raum

betrat. Ihre unglaubliche Bühnenpräsenz lässt im Alltag kaum

nach. Mit ihren wallenden Naturlocken und ausgeprägtem Sinn

für Humor ist sie schnell im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

TANZEN = PROSTITUTION?

Seit über zehn Jahren unterrichtet Shams Frauen jeden Alters

in der Kunst des „Bauchtanzes“. „Die Bezeichnung ‚Bauchtanz‘

wird dem Ganzen eigentlich nicht gerecht“, sagt die

gebürtige Irakerin und nippt an ihrem Chai Latte, „man tanzt ja

nicht nur mit dem Bauch, sondern Hauptmerkmal des Tanzes

sind die Hüften und der Beckenboden. ‚Bauchtanz‘ ist vom

amerikanischen Belly Dance schlampig übersetzt worden.“

Seit frühester Kindheit war Shams fasziniert vom Orientalischen

Tanz, tanzte und bewegte sich gerne zuhause

zu orientalischer Musik und war getrieben von ihrem

Wunsch, einmal auf der Bühne zu stehen. Aufgewachsen ist

sie in Kärnten. „Ich spürte dort schon als kleines Kind eine

bestimmte Beklemmung, da Klagenfurt keine Großstadt ist.

Ich war ja immer ein sehr extrovertierter Typ“, erinnert sich

die 35-Jährige. „Zuhause, hinter verschlossenen Türen, durfte

ich natürlich alles machen, tanzen, singen und lustig sein.

Aber in der Öffentlichkeit? Geschweige denn auf einer Bühne?

Unmöglich!“. Tanzen ist im arabischen Kulturkreis etwas, das

Frauen nicht vor Publikum tun sollten. Und gerade der Orientalische

Tanz – mit den mit Münzen besetzten Kostümen, den

langen fließenden Stoffen, den großzügigen Beinschlitzen und

schillernden BHs – ist in dieser Hinsicht besonders verpönt.

Eine Tänzerin zu sein wird in der arabischen Gesellschaft oft

mit Prostitution gleichgesetzt. Doch das war nicht immer so.

„HOLLYWOOD“ DES NAHEN OSTENS

Die ersten orientalischen Tänzerinnen zogen im 18. Jahrhundert

in Gruppen, die Ghawazee genannt wurden, durch

Ägypten und Europa. Aus dem Tanzstil der Wandergruppen

entstand der heutige klassische Raqs Sharqi (dt. „Tanz des

Ostens“), der vor allem in den 1940er bis 60er Jahren, im

58 / KULTURA / / KULTURA / 59



„goldenen Zeitalter“ des ägyptischen Kinos, in Filmen Eingang

gefunden hat. Kairo war das Hollywood des Nahen Ostens.

Um 1950 war die ägyptische Filmindustrie die drittgrößte auf

der ganzen Welt nach der US-amerikanischen und indischen.

In Musicals und Komödien war der Tanz eine beliebte

Unterhaltungsform für Männer und Frauen gleichermaßen. Es

war normal, dass in den Filmen Frauen und Männer rauchend

in einem Salon den Darbietungen der Tänzerin zusahen, die

von Musikern begleitet wird. Mit Striptease kann man das

nicht vergleichen. Durch namhafte Größen wie Samia Gamal

oder Naima Akef wurden die Techniken und der Tanz im Film

verbessert und aufgewertet. In den letzten Jahrzehnten ist

die arabische Gesellschaft jedoch konservativer geworden:

Die Politik, die um den Orientalischen Tanz seit Mitte des 20.

Jahrhunderts betrieben wird, hat die Bewunderung für diese

Kunstform in eine Art Hassliebe verwandelt. Einerseits darf auf

keiner arabischen Hochzeit eine „Bauchtänzerin“ fehlen – aber

wenn die eigene Tochter, Schwester oder Ehefrau den Tanz

ausüben will, hört der Spaß auf.

DROHUNGEN STATT FÖRDERUNG

Diese Erfahrung musste Shams machen, als ihre Familie auf

Videos und Fotos im Internet stieß, in denen sie tanzte. „Ich

habe das immer mit einem reinen Herzen gemacht. Der Tanz

ist etwas so Schönes für mich und ich wusste von diesen

ganzen negativen Auswirkungen nichts.“ Aus ihrer Familie

kamen schnell Kommentare, Tanzen sei etwas für „leichte

Frauen“ und Prostituierte. Der künstlerische Aspekt des

Tanzes spielte an diesem Punkt keine Rolle, denn traditionell

steht die Wahrung des Ansehens der Familie immer an erster

Stelle. „Man kann sich nicht vorstellen, was ich für Anrufe,

mitunter auch absurde Morddrohungen, bekommen habe. Ich

war schockiert darüber, wie schlecht behaftet der Tanz war

und wie wenig er als eigenständige Kunstform angesehen

wird!“. Häufig wurden Familienmitglieder über Zweit- und

Drittmänner kontaktiert, die Shams in ihrem Leben nie gesehen

hatte. Oder selbst entfernte Verwandte übten mit allen

Mitteln Druck auf ihren Vater aus, damit er gegen ihr Auftreten

im Internet vorgeht. „In Europa fördern Eltern ihre Kinder und

ermutigen sie, ihre Talente zu entfalten. Ich hatte nicht einmal

den Gedanken zu sagen, was mir gefällt. Ich habe das leider

verstecken müssen.“

Mit 19 Jahren fing sie an, regelmäßig Tanzkurse in verschiedenen

Richtungen und Stilen zu besuchen. Ihren Eltern

erzählte sie, sie ginge ins Fitnessstudio. Aber schlussendlich

verfolgte sie ihre größte Leidenschaft – den Orientalischen

Tanz – weiter. Mit 22 Jahren zog Shams von zuhause aus und

trat auf orientalischen Tanznächten auf. Daraufhin folgten zahlreiche

Shows auf öffentlichen sowie privaten Veranstaltungen,

wie etwa Hochzeiten, Bällen, Tanzevents oder Geburtstagen.

Nach ihren ersten Solo-Auftritten bekam Shams immer wieder

Anfragen, ob sie nicht unterrichten möchte. Um ihr Tanzrepertoire

zu erweitern nahm sie an zahlreichen Workshops im

In- und Ausland teil und startete ihre Tanzausbildung 2017 im

Wiener Tanzstudio Mänada.

w w w . b e s t i n f o . a t

Die neue

APP

Zu Shams liebsten

Requisiten gehören

diese wallenden

goldenen Flügel,

mit denen sie ihre

Zuschauer in den

Bann zieht.

5. bis 8. März 2020

Wiener Stadthalle

9 bis 18 Uhr, 8. März bis 17 Uhr

Eintritt frei

D i e g r o ß e B i l d u n g s m e s s e

60 / KULTURA /

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www.twitter.com/bestinfo_at



Shams verfolgte ihre

Leidenschaft trotz der

Widerstände aus ihrer

Familie. Sie möchte

anderen Frauen

mit gutem Beispiel

vorangehen.

Großen Dank an das libanesische Restaurant Al Fayrooz (Universitätsring 8,

1010 Wien), das wir als Fotolocation nutzen durften!

„DER WEG IST KEIN LEICHTER,

ABER ES LOHNT SICH ZU

KÄMPFEN!“

Shams möchte eine Inspiration für alle Frauen sein, insbesondere

für jene, die auf ähnlichen Widerstand in ihren Familien

stoßen wie einst sie selbst. „Ich möchte ein Vorbild für alle

Frauen sein, die nicht tanzen dürfen oder können und nicht

einmal die Möglichkeit bekommen, sich tänzerisch auszudrücken“,

sagt sie entschlossen. Mit ihrer Familie kam sie beim

Thema Tanzen in all den Jahren auf keinen grünen Zweig

mehr, was sie für sich in Kauf genommen hat. „Es ist ein

Thema, über das ich mit meiner Familie nicht mehr diskutieren

kann.“

Für ihre Leidenschaft am Tanzen begrenzt Shams den Kontakt

zu ihrer Familie auf das Wesentlichste. „Der Weg, für den

ich mich entschieden habe, ist kein leichter gewesen, aber ich

wollte immer nach meinen Vorstellungen und Ideen leben und

nicht nach irgendwelchen Erwartungen, an die ich selber nicht

glaube. Denn am Ende des Tages muss man mit sich selbst

zufrieden und glücklich sein, sich selbst treu sein und authentisch

bleiben!“, so Shams im Gespräch.

Dass wohl nicht viele Frauen aus konservativen arabischen

oder muslimischen Familien denselben Weg wie Shams gehen,

fällt sowohl in der heimischen als auch in der internationalen

Tanzszene auf. „Ich bin bei Tanzveranstaltungen häufig die

einzige, die so ‚orientalisch‘ aussieht“, lacht sie. „Ich finde das

schade – allein mit dieser tollen Musik, das liegt uns doch im

Blut!“. Unlängst nahm sie bei einem Tanzwettbewerb in Kairo

teil, das immer noch als Mekka des Belly Dance gilt. Dabei ist

ihr aufgefallen, dass ausländische Tänzerinnen die Tanzszene

schon seit geraumer Zeit dominieren. Die Überzahl stammt vor

allem aus Osteuropa: aus Russland, der Ukraine oder aus dem

asiatischen Raum.

ORIENTALISCHER TANZ IM

WANDEL

In der New York Times stellte ein Journalist die treffende

Frage: Wenn Kairo doch das globale Zentrum des Belly Dance

ist, warum kommen die heißesten neuen Stars von überall

her, außer aus Ägypten? Die Tanzeinlagen der modernen Belly

Dance-Stars haben längst nichts mehr mit den spielerischen

Hüftschwüngen der großen Ikonen zu tun. Immer offenherziger

und provokanter werden die Kostüme, und die Shows

sexueller und aggressiver. Der klassische Orientalische Tanz

ist durch die Unterwanderung aus dem Ausland lange nicht

mehr das, was er einmal war. Das erkennen und bedauern

viele Araberinnen und Araber, sowie Enthusiasten des traditionellen

Raqs Sharqi heute. Trotzdem bleiben Nachwuchstänzerinnen

aus den arabischen Ländern bis auf Weiteres aus.

„Viele Tänzerinnen treten für Spottpreise auf Veranstaltungen

auf“, bedauert Shams. „Manche verlangen nur 50 Euro für

einen Auftritt, was alleine meine Taxifahrten abdecken würde!

Aufgrund dessen haben es viele andere Tänzerinnen schwer,

einen angemessenen Preis zu verlangen, da man nicht mehr

auf die Qualität des Tanzes Wert legt, sondern nur auf den

Preis.“ Der Druck, auch selbst zu immer offenherzigeren

Kostümen zu greifen, steigt ebenfalls mit der Konkurrenz.

„VIELE TÄNZERINNEN TRETEN FÜR

SPOTTPREISE AUF.“

In der Welt des Belly Dance herrschen andere Maßstäbe,

was das Äußere angeht. Denkt man an professionelle Tänzerinnen,

ist die Erwartung, dass sie besonders durchtrainiert

und athletisch sein müssen, nicht weit. Nicht so beim

Orientalischen Tanz. „Es gibt den Spruch ‚Zum Bauchtanzen

brauchst du einen Bauch‘, der sich hartnäckig hält. Je mehr

beim Tanzen wackelt, desto besser“, erklärt Shams. Sie hörte,

auch letztens in Kairo, den einen oder anderen Kommentar,

sie sei zu schlank für Belly Dance. „Sicherlich trifft das ja auch

den Geschmack in den orientalischen Ländern, als Frau ein

wenig mehr auf den Hüften zu haben. Aber jede und jeder

kann, unabhängig von Körperform und Alter, mit dem Tanzen

beginnen, da gibt es keine Grenzen!“. Die junge Frau sieht

den Tanzunterricht als Allheilmittel für selbst die trübsten

Tage. „Tanz und Musik sind Sprachen, die von allen Menschen

verstanden werden – egal welche ethnische Herkunft man

hat. Sie verbinden die unterschiedlichsten Kulturen, schaffen

Freundschaften und sind die schönste Art, sich zu verständigen.“

Unter Shams‘ Webseite shamsbellydance.at findet man

übrigens weitere Informationen und Kontaktdaten. ●

Für uns ist

Integration

kein Thema.

Gut so! Das Zusammenarbeiten unterschiedlicher Nationen war

bei McDonald’s noch nie ein Thema. Und darauf sind wir stolz.

Seit der Eröffnung unseres ersten Restaurants in Österreich 1977

arbeiten Menschen verschiedenster Kulturen bei und mit uns.

Heute sind bei uns rund 9.600 Mitarbeiter aus 91 Nationen tätig,

die bei uns gleiche Berufschancen finden und ergreifen können,

unabhängig von Alter, Geschlecht und Erfahrung. Das werden wir

auch in Zukunft so leben. Denn reden allein ist bei McDonald’s kein

Thema. Es braucht nachhaltiges Engagement – für Mensch, Umwelt

und Gesellschaft. Wir machen’s. Und nennen das Machhaltigkeit.

Mehr auf www.machhaltigkeit.at

62 / KULTURA /

mcd_S4G_KeinThema_Anzeige_Integration_BIBER_01.06.2019_207x270_ISONewspaper26v4.indd 2 14.05.19 13:50



KOLUMNE

„Mehrsprachigkeit ja,

aber bitte nur die guten Sprachen“

Darüber, wie Mehrsprachigkeit gelebt werden sollte, damit alle davon

profitieren - nicht nur in den Klassenzimmern.

Ich bin seit einem Jahr fast wöchentlich

an verschiedenen Schulen, um dort

Workshops zu unterschiedlichen Themen

abzuhalten. Ich wurde oft sowohl von

Lehrer*innen als auch von Schüler*innen mit

dem Thema Mehrsprachigkeit konfrontiert.

In erster Linie erlebe ich Lehrer*innen,

die sich Sorgen um den Unterrichtsverlauf

machen, dass manche Schüler*innen auf

der Strecke bleiben. Als nächstes erlebe ich

gekränkte Schüler*innen, die Deutsch als

Muttersprache haben und sich immer wieder

ausgeschlossen fühlen, wenn sich ihre

Mitschüler*innen in ihrer Anwesenheit in

einer fremden Sprache unterhalten. Hingegen

berichten mir oft Schüler*innen, die mehrsprachig

aufwachsen oder Deutsch als Fremdsprache lernen,

von ihrem Missmut und dem Gefühl, jemand versuche

ihnen den Mund zuzuhalten, als wäre ihre Muttersprache

eine Schande. In jeder Schule ist es anders, doch eine

gewisse Stigmatisierung der eigenen Muttersprache

kann man immer wieder auch außerhalb der Schule

erleben.

BURAK, CAN UND ED SHEERAN

Mir ist dieses Problem gar nicht so fremd. Ich habe mich

oft davor gescheut abzuheben, wenn ich im Supermarkt

war und meine Mutter mich anrief. Ich wollte die skeptischen

Blicke, wenn ich auf Arabisch rede, vermeiden.

Andererseits nervt es mich auch extrem, wenn ich mit

meinen kurdischen Freunden unterwegs bin und sie

untereinander nur kurdisch reden. Wenn Mehrsprachig-

Jad Turjman

ist Poetry-Slammer,

Buch-Autor und

Flüchtling aus Syrien.

In seiner Kolumne

schreibt er über sein

Leben in Österreich.

keit zum Thema im Workshop wird, konnte

ich keine Aussage machen, die für alle fair

ist und alle Faktoren umfasst. So versuchte

ich die Schüler*innen zu ermutigen, die

Rollen zu tauschen und sich empathisch in die

Lage der anderen hineinzuversetzen. So waren

Burak und Can der Meinung, dass es nicht

schlimm sei in der Klasse in ihrer Muttersprache

etwas zu sagen. Ich habe ihnen zugestimmt

und erklärt, dass es situationsbedingt

ist und der Ton die Musik macht. Ich habe den

Rest der Klasse gefragt, ob es in Ordnung sei,

mit Mohamad, der wie ich Arabisch spricht,

kurz auf Arabisch zu reden. Ich fing an, mich

mit Mohamad zu unterhalten und habe dabei

immer wieder Burak und Can angeschaut, als

würde ich über sie reden. Im Nachhinein sagten die zwei

„es war unangenehm.“ Thomas und Julia haben sich

bestätigt gefühlt. So habe ich sie gebeten, sich noch

einmal so leidenschaftlich über Ed Sheerans letzten

Auftritt zu unterhalten, wie sie das am Anfang der

Stunde taten – nur diesmal auf Englisch. Feedback war:

„Wir konnten nicht so frei und fließend reden.” Ich habe

ihnen erzählt, dass es mir persönlich auch so geht. Ich

habe das Bedürfnis, über manche Sachen, besonders

emotionale, auf Arabisch zu reden. Aber ich vermeide es

strikt, arabisch zu reden, wenn unter den Anwesenden

jemand ist, der diese Sprache nicht versteht, und wir

ohnehin alle Deutsch können. Es soll nicht um die Frage

gehen, wer Recht und Unrecht hat, sondern darum, wie

wir respektvoll miteinander und mit unseren Unterschieden

umgehen.

Robert Herbe

LIEBE GRÜSSE AUS DAMASKUS

Die wissenschaftliche Sicht ist einstimmig

– nämlich, dass die Muttersprache von

Kindern mit Migrations- und Fluchthintergrund

eine entscheidende Rolle beim

Erlernen der deutschen Sprache spielt. Sie

zu stärken und exakt zu lernen und beim

Unterricht zu nutzen kann die kognitive

Anregung und die nötige geistige Auseinandersetzung

für das Erlernen weiterer

Sprachen fördern. Ich lehre regelmäßig

drei syrische Kinder Arabisch. Ich habe

gemerkt, seit ich die Stunde auf Deutsch und Arabisch

gleichzeitig gestalte, indem wir jedem neuen Begriff

einen deutschen gegenüberstellen, dass die Effektivität

und Aufmerksamkeit deutlich gestiegen ist und sie sich

das Gelernte nachhaltig merken. Aus meiner eigenen

Erfahrung kann ich behaupten, dass die Spracherwerbsfähigkeit

eines Menschen nicht separierbar ist. Es gibt

nicht eine Schublade für Deutsch, eine für Türkisch

und eine für Englisch. Wenn die Erstsprache ein gutes

Fundament hat, profitiert auch die Zweitsprache und

turjman@dasbiber.at

Wenn die

Erstsprache ein gutes

Fundament hat,

profitiert auch die

Zweitsprache.

jede weitere Fremdsprache, die man lernt.

Denn wenn ich mich in meiner Muttersprache

mit großem Wortschatz und

differenziert ausdrücken kann, werde ich

automatisch dasselbe beim Deutschlernen

anstreben. Wir müssen lernen, mit unserer

Vielfalt und Individualität konstruktiver

umzugehen. Sie als eine große Chance

und Bereicherung zu sehen. Wir können

die Realität der existierenden Diversität

nicht verleugnen. Wir dürfen nicht vergessen,

dass wir in einer mehrsprachigen

Gesellschaft leben, in der ein nachhaltiger Bedarf an gut

ausgebildeten zwei- oder mehrsprachigen Menschen

existiert. Es ist Aufgabe der Politik, individualisiertes

Lernen zu ermöglichen. Und aufzuhören, aus der einzigarten

Diversität dieses Landes polarisierende Politik zu

betreiben, um politisches Kleingeld zu machen und billig

Stimmen zu gewinnen.

Übrigens: Mittlerweile hebe ich selbstbewusst ab,

wenn mich meine Mutter beim Einkaufen anruft, und

richte der Kassiererin liebe Grüße aus Damaskus aus.

Melde rassistische Diskriminierung

und Hass im Netz an ZARA:

www.zara.or.at

Die Beratung ist

kostenlos und auf

Wunsch anonym.

MELDEN UND

BERATUNG

64 / MIT SCHARF /



HEY BABY

Aus dem Bauch heraus

TRIP & TRAVEL

Einmal um die ganze Welt

Jelena Pantić-Panić

Andrea Grman

Gewinnspiel

MEINUNG

In Liebe, Mama

Ich habe übers Stillen geschrieben, über

Väter, über unnötige Ratschläge und die

richtige Wickeltasche. Doch was ich seit

Monaten kaum in Worte fassen kann, ist

wie sehr ich dieses kleine Wesen liebe.

Natürlich wusste ich auch früher, dass

Eltern ihre Kinder lieben. Aber auf diese

Wucht war ich doch nicht vorbereitet. Als

ich klein war, hat meine Mama mir erzählt,

dass sich die kleinen Babys im Himmel ihre

Eltern aussuchen und wir so zueinander

gefunden haben. Circa ein Vierteljahrhundert

später habe ich zum Himmel geblickt

und mich an das eine Baby gewandt: Wir

sind bereit für dich. Genau dieses Kind

in meinem Bauch zu tragen und seine

Händchen an meinem Gesicht zu spüren,

ist mehr als ein „Ich liebe dich“ jemals

ausdrücken könnte. Auch acht Monate

später sehe ich meinen Sohn an und kann

nicht glauben, dass das Leben wirklich so

passiert. Ich habe mich gefragt, warum

ich anfangs so verloren war. Jetzt weiß

ich, dass ich mich verlieren musste, um

wirklich zu mir zu finden. Ich bin wacher

als je zuvor. Als er seinen ersten Atemzug

gemacht hat, dachte ich, ich habe ihm das

Leben geschenkt. Doch wenn er mich eindringlich

mit seinen großen Augen ansieht,

die aussehen wie meine und ich diese

Verbundenheit spüre, weiß ich, dass er mir

Leben eingehaucht hat. Volim te, Luka.

ZAHN, ZAHN, BABY

Zahnen ist bei uns gerade großes Thema.

Kurz nachdem das Bauchweh aufgehört

hat, fing das Zahnen an. Zähnchen sind

aber noch keine in Sicht, aber gesabbert

wird, was das Zeug hält. Einer der Lieblinge

zum Knabbern ist dieser Kühlbeißring

in Schildkröten-Form mit Rassel von

reer, um 4,95 Euro

MAGIE DER NOSTALGIE

BEWUSST ERZIEHEN

Dr. Shefali hat alles auf den Kopf gestellt, was

ich je über Erziehung und Elternschaft dachte.

Ihr Mindvalley-Kurs „Conscious Parenting“ hat

echt mein Leben verändert und total revolutioniert,

wie ich als Mutter sein will. Wenn ihr

keinen ganzen Kurs machen wollt, folgt ihr

zumindest auf Instagram (@doctorshefali) und

YouTube (DrShefali)– ich finde sie großartig.

Ihr Buch „The Awakened Family: How to Raise

Empowered, Resilient, and Conscious Children“

gibt es auf Amazon um 18,91 Euro

Ich liebe den Gedanken, besondere

Dinge von Generation zu

Generation weiterzugeben und

wende das auch bei meinem

Kind an. Zum Beispiel schläft

mein Sohn in meinem Baby-

Bettchen und trägt Sachen von

seinem Papa, als er so klein

war. Abgesehen davon, dass

man sich Unmengen an Geld

spart, ist es besondererer als

Massenware. Wichtig: Immer

penibel auf den Zustand der

Dinge achten, was Sicherheit

und Sauberkeit betrifft.

Nynne Schroder/unsplash.com, Elsa Okazaki

Christoph Liebentritt, bereitgestellt

DAS WICHTIGSTE

WORT AUF REISEN

Destination:

Sri Lanka

Meistens und am allerliebsten verreise ich

alleine. So bleibe ich spontan, flexibel und

lerne tolle Menschen kennen. Und doch

gibt es manchmal Situationen, in denen ich

lieber nicht alleine wäre. Gut, dass ich mit

meiner Mama in

Sri Lanka war. Das

hat die folgende

Situation zwar nicht

verhindert, aber

zumindest fühlte

ich mich ein wenig

sicherer.

Wir fuhren mit dem

Zug von der Hauptstadt

Colombo ins

Hochland. Obwohl

wir uns den Luxus

der zweiten Klasse

gönnten, waren die

Waggons gesteckt

voll. Meine Mama

ergatterte einen

Sitzplatz und ich

stellte mich neben

sie. Während

wir plauderten,

bemerkte ich einen

gut gekleideten,

groß gewachsenen

Züge in Sri Lanka.

Dagegen ist die U6 ein Kindergeburtstag.

Mann neben mir. Er lächelte mich an. Ich

lächelte zurück, schenkte ihm aber nicht

weiter Beachtung – bis er fast an mir

klebte. Zuerst schrieb ich das dem vollen

Waggon zu. Es dauerte ein wenig, bis ich

bemerkte, dass er seinen Penis an meinem

Hintern rieb. Nach einigen Sekunden der

Fassungslosigkeit drehte ich mich zu ihm.

Als ich in sein Gesicht sah, fand ich weder

Scham noch Selbstgefälligkeit. Ich blickte

in ein breites Lächeln und die Suche nach

Bestätigung – als wäre er davon überzeugt,

dass mir seine Aktion gefällt. Ich sagte ihm,

er solle sich umdrehen und mich in Ruhe

lassen. „You don’t like it?“, fragte er völlig

verdutzt. „No! No, I don’t like it!“ Er entfernte

sich sichtlich enttäuscht und stieg bei

der nächsten Station aus. Ein anderer Mann

neben mir, der die gleichen Absichten hatte,

schien abgeschreckt zu sein und vergrößerte

seinen Sicherheitsabstand.

Glücklicherweise habe ich nur von wenigen

solcher Vorfälle zu berichten.

Dennoch muss man

auf alles gefasst

sein. Offenbar

hat sich in vielen

Ländern das

Klischee etabliert,

dass europäische

Frauen sehr leicht

zu haben und ohnehin

für jeden Spaß

bereit sind. Meist

reicht ein lautes

und entschiedenes

‚No‘, um die werten

Herren vom Gegenteil

zu überzeugen

– egal ob am Markt

in Äthiopien oder

beim Autostopp

durch Armenien.

Und falls es hart auf

hart kommt, habe

ich immer noch

mein Pfefferspray.

grman@dasbiber.at

Allein,

aber nicht

Einsam

Alleinreisen muss auch gelernt

sein. Bloggerin Annika Ziehen

erzählt Anekdoten von ihren Reisen

und gibt praktische Tipps für

Abenteurerinnen. Schick mir ein

Mail an grman@dasbiber.at und

erzähle von deinen verrücktesten

Reise-Stories. Mit etwas Glück

findest du bald das Buch Solotrip.

Vom Glück des Alleinreisens in

deinem Briefkasten.

Low-Budget

Tipp

COUCHSURFING

Reisen muss nicht teuer

sein. Durch die Plattform

Couchsurfing kannst du bei

Einheimischen auf dem Sofa

übernachten. Sie zeigen dir

das echte Leben in ihrer Stadt

fernab von den typischen Touri-Attraktionen.

Wenn du Fernweh

hast, aber dein nächster

Trip nicht in Sicht ist, kannst

du wiederum Reisende hosten

und dich mit Backpackern aus

der ganzen Welt treffen.

66 / BABYSTYLE /

/ REISE / 67



DIE VERLASSENEN

KINDER MOLDAUS

Stetige Abwanderung und wirtschaftliche Stagnation führen dazu,

dass immer mehr moldauische Eltern auf der Suche nach Arbeit ihre

Kinder zurücklassen müssen.

Von Andrija Perkovic

Neben Concordia unterstützt die ADA Jugendliche mit

Ausbildungsprojekten im landwirtschaftlichen Sektor

Auf Moldaus Straßen spazierend sieht man schnell

Spuren der ehemaligen UDSSR so auch die

für Russland typischen Matrjoschka

Rasch geleitet man uns herein

ins Gebäude, an Wohnbereichen

und Kunstworkshops

vorbei, zu unserem Zielort.

Wir marschieren das Treppenhaus hinunter

und gelangen in ein Wohnzimmer. Am

anderen Ende des Raumes stehen ungeduldig

drei Mädchen und drei Burschen.

Sie möchten das Gespräch mit uns

schnell hinter sich bringen. Nicht, weil sie

ungern über ihr Schicksal reden - nein,

„die Kinovorstellung beginnt bald“, lässt

uns Helena mit einem Grinsen wissen.

Gleich nach dem Interview und Fotoshooting geht es für die Jugendlichen ins Kino.

Helena ist eine muntere und aufgeschlossene

20-Jährige aus dem Umland

der Hauptstadt Chisinau. Sie besucht

gerade die Tourismusschule in der Stadt

und möchte dazu auch noch Schauspielerin

werden. Sie wirkt fokussiert und

reifer als ihr Alter es vermuten würde,

deswegen erscheint mir ihr Traum von

Hollywood gar nicht so weit fern. Helena

und ihre Freunde sind „children-at-risk“

– das sind Kinder und Jugendliche in

der Republik Moldau, die nicht bei ihrer

eigentlichen Familie leben. Ihre Eltern

sind entweder zu arm, arbeiten im Ausland

oder sind schlichtweg überfordert.

Andrija Perkovic/ADA

ung zur Verfügung. Gruppenaktivitäten,

Feste und Beschäftigungsangebote

sorgen für soziale Kontakte. „Wenn man

nicht mehr weiß, wie man die Kinder

ernähren soll, woher man das Geld für

Lebensmittel, für die Schule, für Kleidung

nehmen soll, helfen wir“, so Verena

Roringer von Concordia. Die Österreicherin

verurteilt auch nicht die Eltern, die

ins Ausland gehen, um etwas Geld zu

verdienen: „Sie brauchen es schließlich

zum Überleben.“

In den ländlichen Regionen Moldaus

haben die Menschen meist keine

oder nur schlecht bezahlte Arbeit.

Armut, Abwanderung in die Städte

Die 20-Jährige Helena ist positiv

und zielstrebig. Die perfekten

Voraussetzungen für die Laufbahn

Richtung Hollywood.

und Arbeitsmigration ins Ausland sind

die Folge. Moldau hat die europaweit

höchste Arbeitsmigration. In den letzten

zehn Jahren ist mehr als ein Drittel der

arbeitsfähigen Bevölkerung und damit

fast eine Million Menschen ins Ausland

emigriert. Oft bleiben nur die Alten und

die in deren Obhut zurückgelassenen

Kinder und Jugendlichen in den Dörfern

zurück. Ohne Geld und ohne Perspektive.

„ICH MÖCHTE IN

ÖSTERREICH STUDIEREN“

Anastasia wurde von ihren Eltern verlassen

als sie vier Jahre alt war. Sie sind

mit ihrer älteren Schwester nach Moskau

gezogen und haben sie und ihre anderen

Geschwister bei ihrer Großmutter zur

Obhut gegeben. Doch nach dem Tod der

Großmutter ist die damals Achtjährige

mit ihren Geschwistern zur Concordia

gekommen. Anastasia bewarb sich später

an der Universität und absolviert jetzt

erfolgreich ihr Studium in Chisinau. Sie

blickt zurück: „ Concordia hilft uns sehr.

Ich lebe hier mit meinen Brüdern. Wir

wachsen gemeinsam auf. Neben dem

Studium arbeite ich auch jeden Abend in

der Gastronomie. Ich bin sehr glücklich,

denn es ist schwer, neben dem Studium

eine Arbeit zu finden.“ So wie Helena

hat Anastasia eine klare Vorstellung von

ihrer Zukunft: „Ich möchte in Österreich

studieren und danach aber in mein Heimatland

zurückkehren, ich liebe Moldau.“

Das Gespräch mit den zwei inspirie-

ADA UND CONCORDIA

Die Republik Moldau ist seit 2004 ein

Schwerpunktland der Österreichischen

Entwicklungszusammenarbeit. Mit der

Unterstützung der Austrian Development

Agency (kurz: ADA) hat sich die zivilgesellschaftliche

Organisation Concordia

dem Problem angenommen. Sie stellt in

eigens errichteten Sozialzentren betreute

Wohnangebote und auch Einzelbetreurenden

Frauen ist leider schon zu Ende.

Die Zeit verging wie im Flug und wie

schon eingangs angekündigt, müssen

die Freunde ja unbedingt ins Kino. Vorher

wollen wir aber noch ein paar Fotos von

der „Gang“ schießen. Ich bedanke mich

für ihre ehrliche Art. Es ist nicht selbstverständlich,

mit wildfremden Menschen

über solche Schicksalsschläge zu reden.

Sie entgegnen mir: „No, thank you for

listening to us.” Vielleicht sehe ich ja

Anastasia bald, wenn sie ihr Studium in

Österreich anfängt. ●

68 / OUT OF AUT /

/ OUT OF AUT / 69



„Die Leiden des jungen Todor“

Von Todor Ovtcharov

Studenten

I

on und Radu sind groß wie zwei Nilpferde.

Sie arbeiten schwarz auf Baustellen und ich

frage mich immer, wie die Baugerüste ihr

Gewicht aushalten. Sie sehen aus wie Zwillinge,

obwohl der eine vier Jahre älter ist. Beide haben

angeblich jeweils fünf Kinder. „Und sie sehen

genau so aus wie wir!!“. Die zwei Brüder sind

stolz. Ich stelle mir zehn kleine Ions und Radus

vor und muss lachen.

Seit zehn Jahren kommen die beiden mit dem

ältesten VW-Bus, den ihr euch vorstellen könnt,

nach Wien. Dieser Bus war schon alt, als die

Hippies sich auf dem Weg nach Indien mit alten

VW-Bussen machten. Ion und Radu könnten ruhig

diesen Bus einem Museum anbieten. Sie kommen

aber nicht auf die Idee. Sie kommen nach Wien

und lassen den Bus dort, wo man keinen Parkschein

kaufen muss. Er hat nur zwei Vordersitze,

alles andere ist leer. Jeden Tag kommen Ion und

Radu zu ihrem Bus und er wird immer voller: ein

weggeworfener Tisch, den sie sorgfältig auseinandernehmen,

eine Nähmaschine aus der Mitte

des vergangenen Jahrhunderts, ein gebrochener

Spiegel, eine Schreibmaschine mit fehlenden

Tasten, eine ganze Ausgabe des „Neckermann“

Katalogs aus den 1980-er, sogar eine gebrauchte

Kloschüssel. All das findet seinen Platz im Bus,

der immer mehr nach unten sinkt. Die beiden

ordnen alles sehr genau, damit kein Zentimeter

leer bleibt. Im Bus wird es so dicht wie auf einer

Supernova. Ion und Radu können nicht lesen und

schreiben. Weder auf Deutsch noch auf ihrer

Muttersprache. Ich wundere mich, wie sie es

geschafft haben, den Führerschein zu machen,

es ist aber eine Tatsache, dass sie bis jetzt noch

nie Probleme mit der Polizei hatten. Ich fragte

sie mal, warum sie dieses ganze weggeworfene

Zeug sammeln. Sie antworteten mit einem listigen

Lächeln, insofern ein Nilpferd listig lächeln kann,

dass sie „das Leben in Wien studieren“. Daraufhin

nannte ich sie „ewige Studenten“, was ihnen sehr

gefiel.

Irgendwann ist der Bus so voll, dass sein

Hinterteil nach unten neigt und sein Vorderteil so

hoch wie das Vorderteil eines Motorboots. Man

kann nichts mehr reintun, da er bis oben voll ist.

In so einem Moment fragte mich Ion, ob ich ihm

vielleicht nicht eine Zahnbürste schenken kann.

Ich gab ihm eine. Ich glaube, genau sie fehlte, um

den Bus ganz voll zu machen. Danach setzen sich

Ion und Radu in den Bus und von ihrem Gewicht

steht er wieder gerade. Sie schnallen sich an. Von

draußen sehen sie aus wie ein Bild aus einem

Kinderbuch, wo zwei Nilpferde einen Bus fahren.

Sie fahren zurück zu ihrem Dorf in Rumänien.

Am Weg überlegen sie sich, was sie mit der alten

Schreibmaschine machen und wo die gebrauchte

Kloschüssel in Verwendung kommt. Bis sie

wieder nach Wien kommen und ihr Bus wieder

leer ist. Das letzte Mal kamen sie mit noch einem

Mann – einer Kopie von ihnen, der aber doch

kein Verwandter war. Anscheinend sehen alle in

diesem Dorf ähnlich aus. „Florentin!“, stellte er

sich vor. Ion und Radu lächelten mich an – das ist

ein weiterer Student, den wir bringen! Er wird das

Leben in Wien studieren!“. ●

echt.

großartig.

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