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Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien
www.dasbiber.at
MIT SCHARF
MÄRZ
2020
+
HANAU: WER IST SCHULD?
+
ZADIĆ IN ZAHLEN
+
WHITE DAYS FOR FUTURE
+
DAS IST
NICHT UNSER
JIHAD
IS-AUSSTEIGER WARNEN VOR
RADIKALISIERUNG IN WIENS HINTERHÖFEN
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Wir suchen KindergartenpädagogInnen!
Die ersten Bildungsschritte.
Für Wiens Kinder ist der Kindergarten die erste Bildungseinrichtung. Umso wichtiger ist es, dass
sie von gut ausgebildeten PädagogInnen bei ihren ersten Lernerfahrungen begleitet werden.
Daher suchen wir KindergartenpädagogInnen, die mit Herz, Leidenschaft und dem nötigen
Können die Kinder unterstützen und sie optimal in ihren individuellen Interessen, Begabungen
und Bedürfnissen fördern.
3
minuten
mit
Maryam Zaree
Ein ausführliches Interview mit
Maryam Zaree gibt es online auf
www.dasbiber.at
Im Dokumentarfilm „Born in Evin“
geht die Schauspielerin und Filmemacherin
Maryam Zaree der Frage
nach, warum in iranischen Familien
erlebte Traumata verdrängt
werden. Selbst im Foltergefängnis
„Evin“ geboren, zeigt Zaree an
ihrer Geschichte das Leid einer
ganzen Generation.
Von Elena Bavandpoori; Foto: Zoe Opratko
BIBER: Du bist im Film „Born in Evin“
sowohl Regisseurin als auch Protagonistin.
Hat es Überwindung gekostet,
dich vor der Kamera so verletzlich zu
zeigen?
MARYAM ZAREE: Das ist die Voraussetzung
für diesen Film gewesen. Er ist
ein Plädoyer, sich mit dem Schmerz und
der Verfolgungserfahrung der Eltern
auseinanderzusetzen. Daher musste ich
mich vor der Kamera öffnen, bevor ich
das von anderen verlange.
Inwiefern ist der Film zugänglich für
Nicht-Iraner*innen?
Der Film lief in 30 Ländern, auch an
Orten, wo es keinen Bezug zur iranischen
Geschichte gibt. Aber die
Botschaft, sich mit der Verdrängung in
der eigenen Familie, Kultur und Gesellschaft
auseinanderzusetzen, kommt
trotzdem an.
Wie gelingt dir die Balance zwischen den
beiden Welten?
Ich habe das für mich nie als Herausforderung
gesehen, sondern als gegeben.
Meine Familie ist auf der ganzen
Welt verstreut. Da gibt es das jüdische
Erbe meines Stiefvaters und meiner
Tante in Frankreich. Die Idee der Herkunft
als nationales Prinzip habe ich als
reines Konstrukt erlebt. Ich habe mich
in der Welt zuhause gefühlt.
Wie fühlst du dich, wenn du Farsi
sprichst?
In einer Sprache kann man sich zuhause
oder fremd fühlen. Das passiert mir
beides, wenn ich Farsi spreche. Mit
meinem Vater kann ich mir nicht vorstellen,
Deutsch zu sprechen. Sobald
sich aber der Kontext ändert, wird es
schwierig mit Farsi.
Hast du eine Verbindung zu Wien und
Österreich?
Der Co-Produzent Arash Riahi lebt in
Wien, weshalb ich die größte Zeit der
Postproduktion des Films hier verbracht
habe. Als Dramaturgin habe ich schon
in Graz gearbeitet und fand das österreichische
Kino, u.a. wegen Michael
Haneke oder Jessica Hausner, viel
spannender als das deutsche.
Hast du ein persisches Lieblingsessen?
Ich esse am liebsten Baghali polo. Das
ist ein Kräuterreis mit Bohnen. Als ich
noch Fleisch gegessen habe, auch mit
geschmorter Lammhaxe. Zum Nachtisch
gibt es Safran-Eis mit Rosenwasser.
Alter: 36
Geboren in: Teheran, Iran
Besonderes: Maryam spricht vier
Sprachen und macht gerne Yoga. In
der Mafiaserie „4Blocks“ spielt sie Kalila
Hamady, die Frau eines mächtigen
Klanführers in Berlin.
Informiere dich jetzt unter wien.gv.at/kindergartenpaedagogik
und schicke uns deine Bewerbung an bewerbungen@ma10.wien.gv.at
/ 3 MINUTEN / 3
INS_03_KiGaPS_207_270.indd 1 18.02.20 13:41
3 3 MINUTEN MIT
MARYAM ZAREE
Die Schauspielerin und Filmemacherin über
ihren neuen Dokumentarfilm „Born in Evin“.
8 IVANAS WELT
In Jugofamilien ist Mama der unanfechtbare
Boss. Unsere Kolumnistin Ivana über die Angst,
zur eigenen Mutter zu werden.
POLITIKA
10 DER HINTERHOF-JIHAD
Ex-IS-Sympathisanten warnen vor dem Jihad
im Wiener Untergrund. Eine Reportage von
Aleksandra Tulej.
18 INTERVIEW IN ZAHLEN MIT
ALMA ZADIĆ
Biber fragt in Worten, Justizministerin
Alma Zadić antwortet in Zahlen.
20 BOSNIER, DIE
INTEGRATIONSSTREBER
KOSMO-Chefredakteur Nedad Mimic erklärt,
warum gerade Menschen aus Bosnien und
Herzegowina Integration können.
22 „DIE AFD IST DER GEISTIGE
WEGBEREITER VON HANAU.“
Ex-Spiegel-Journalist Hasnain Kazim über
sein neues Buch, Hassnachrichten, und
Rechtspopulismus.
RAMBAZAMBA
26 DER SCHREI NACH THERAPIE
In migrantischen Familien sind psychische
Probleme und ihre Therapie immer noch ein
großes Tabu. Drei Frauen über ihren Weg zur
Hilfe.
32 LIFE & STYLE
Über Sozialpornos in Zeiten der „Instagram
wokeness“
33 STRENG, STRENGER,
POLNISCHE ELTERN
Redakteurin Natalia Anders über Lügen, Rügen
und Leistungsdruck in polnischen Familien
36 WHITE DAYS FOR FUTURE?
Ist die Fridays For Future Bewegung zu „weiß“
und elitär?
18
„FRAU ZADIĆ, WIE OFT IN DER WOCHE LESEN
SIE DIE KRONE?“
Alma Zadic in Zahlen: 7 Mal in der Woche liest die
Justizministerin die „Krone“.
10
DER JIHAD IM
UNTERGRUND
Man würde sich
wundern, wie viele
IS-Fahnen in Wiener
Haushalten noch
hängen. Ex-IS-
Sympathisanten klären
auf.
26
IN HALT MÄRZ
2020
58
AUS DER HÜFTE
Der orientalische Tanz ist bei Arabern beliebt
wie verpönt. Warum? Die Geschichte einer
Tanzlehrerin zu ihrem Traumberuf.
DER SCHREI
NACH
THERAPIE
Härte zeigen ist die
Devise in migrantischen
Familien.
Doch psychische
Probleme machen
davor keinen Halt.
Marko Mestrović, Zoe Opratko, Sophie Kirchner Cover: Zoe Opratko
KARRIERE
40 ES GIBT IHN, DEN
SEXISMUS
Eine Frauenministerin, die sich nicht als
Feministin bezeichnen will? Kolumnistin Anna
Jandrisevits kommentiert.
42 JUST THE BEST 3
Unser exklusiver Fahrplan für die größte
Bildungsmesse Österreichs
50 SALUT & SALAM!
Das Sous-Bois verbindet Café und Papeterie,
so wie französisches Flair mit orientalischen
Spezialitäten.
52 „AUCH MAL DAS HANDY
WEGLEGEN.“
Vier Jungunternehmer sprechen mit
dem WKW-Präsidenten Walter Ruck über
Handypausen, Motivation und Digitalisierung.
TECHNIK
54 ALTER FALTER
Kolumnist Adam Bezeczky über den heißesten
neuen Trend für die Hosentasche: Faltbare
Handys.
KULTUR
56 WENN DER TEUFEL EINE
HEILIGE WIRD
Du wirst alt, wenn du die Eltern deiner
Serienhelden plötzlich cool findest.
58 ZUM BAUCHTANZEN
BRAUCHT MAN KEINEN
BAUCH.“
Eine orientalische Tanzlehrerin über ihren
Weg zum Traumberuf und warum dieser kein
einfacher war.
OUT OF AUT
58 DESTINATION: SRI LANKA
Andere Länder, andere Sitten. Andrea Grman
musste in Sri Lanka feststellen, dass es auch
Vorurteile gegen Europäer gibt.
62 TODOR
Kolumnist Todor Ovtcharov über zwei Brüder,
die mit dem ältesten VW-Bus überhaupt nach
Wien fahren, um das Leben zu „studieren“.
Zoe (l.) ist unsere neue Fotochefin, Marko (r.)
verlässt biber
Liebe LeserInnen,
„U pičku materinu“ – oder so ähnlich hört sich das an, wenn die
Justizministerin Alma Zadić zweimal täglich in ihrer Muttersprache
flucht. Die 35-jährige beziffert im Interview in Zahlen ab S. 18 die
Wahrscheinlichkeit der Einführung einer Sicherungshaft unter
Türkis/Grün mit 20%, plant noch mindestens 5 Jahre in der Politik
zu bleiben und hat 2 FPÖ-WählerInnen in ihrem Bekanntenkreis.
Die drei ehemaligen IS-Sympathisanten in der Cover-Geschichte
blicken zurück auf die Zeit der Gehirnwäsche und warnen zugleich:
„Der IS ist noch nicht tot.“ Ab S. 10 lest ihr das Portrait der
geläuterten Ex-Jihadis, die aufgrund ihrer geänderten Lebensweise
Drohungen aus der Islamistischen Szene bekommen.
Unsere Redakteurin Elena hat mit drei jungen Frauen gesprochen,
die sich getraut haben, in Therapie zu gehen – etwas, was von
anderen Familienmitgliedern nicht positiv aufgenommen wurde.
Wenn Eltern ihre Traumata nicht verarbeiten, müssen das die
Kinder ausbaden. Ab S. 26
Wichtige Richtigstellung
der biber Redaktion:
In unserer Dezemberausgabe 2019
erschien eine stark gekürzte Version
dieses Interviews, in dem Hakan
Gördü leider falsch zitiert wurde.
Hiermit widerrufen wir folgenden
Satz: „Mein Wunsch ist, dass die
Kurden autonom in ihren Gebieten
sein können, unabhängig davon,
ob sie einer militanten Organisation
untergeordnet sind, oder nicht.“ Dies
entsprach nicht den Aussagen Herrn
Gördüs im Interview. Richtig soll es
heißen: „Mein Wunsch wäre, dass
die Kurden sehr wohl autonom in
ihren Gebieten sind. Das bedeutet
allerdings keine Spaltung der
souveränen Türkei, Voraussetzung
dafür ist jedoch, dass sich KurdInnen
gegen die PKK emanzipieren und für
sich selber sprechen können, ohne
dogmatisch an einer marginalen stalinistischen
Bewegung zu hängen.“
Wir entschuldigen uns für diesen
Fehler.
IMPRESSUM
MEDIENINHABER:
Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,
Musuemsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien
HERAUSGEBER
Simon Kravagna
CHEFREDAKTEURIN:
Delna Antia-Tatić
STV. CHEFREDAKTEUR:
Amar Rajković
CHEFiN VOM DIENST:
Aleksandra Tulej
LEITUNG NEWCOMER:
Amar Rajković & Aleksandra Tulej
FOTOCHEFS:
Marko Mestrović/Zoe Opratko
KOLUMNIST/IN:
Ivana Cucujkić, Todor Ovtcharov
REDAKTION & FOTOGRAFIE:
Adam Bezeczky, Nada El-Azar, Andrea
Grman, Christoph Liebentritt,Jelena
Pantić- Panić, Anna Jandrisevits, Natalia
Anders, Elena Bavandpoori
CONTENT CREATION, CAMPAIGN
MANAGEMENT & SOCIAL MEDIA
Aida Durić
BRANDED CONTENT & DIGITAL
CONSULTING:
Timea Zawodsky
CORPORATE SOCIAL INNOVATION:
Andrea Grman (karenziert)
BUSINESS DEVELOPMENT:
Andreas Wiesmüller
GESCHÄFTSFÜHRUNG:
Wilfried Wiesinger
REDAKTIONSHUNDE:
Tito, Casper
KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH Quartier 21,
Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien
Tel: +43/1/ 9577528 redaktion@dasbiber.at
marketing@dasbiber.at abo@dasbiber.at
WEBSITE: www.dasbiber.at
ART DIRECTOR: Dieter Auracher
LEKTORAT: Birgit Hohlbrugger
ÖAK GEPRÜFT laut Bericht über die Zweitprüfung im
2. HJ 2018:
Druckauflage 85.000 Stück
verbreitete Auflage 80.700 Stück
DRUCK: Mediaprint
Fotochef als auch Jugo-Bobo
Marko Mestrović verlässt biber.
An dieser Stelle: Danke für
die unzähligen Shootings, den
Einsatz, die Ruhe, den Elan, die
Qualität und Professionalität. Für
Covershootings wie „Generation
Haram“, „Hijabi Style“ und
so ziemlich alle anderen
großartigen Fotostrecken der
letzten Jahre. Ach Markovic, wir
werden dich vermissen. Ajde!
Apropos Kinder: Unsere polnische Redakteurin Natalia musste
schon als Kind zum Schwimm- und Zitherunterricht, Volleyball
spielen wollte sie auch nicht so recht, eher lieber beim Mäci chillen.
Eine humoristische Ode an die strengen polnischen Eltern, denen
der größte Erfolg gerade gut genug ist. Ab S. 33
Ja, Erfolg hängt oft von der Ausbildung ab. Mit unserem Guide
für die best-Messe ab Seite 42 seid ihr bestens vorbereitet. An
unserem biber-Stand könnt ihr gratis Bewerbungsfotos schießen
lassen.
Noch etwas in eigener Sache: Marko, der Fotochef unseres
Vertrauens, sucht neue Herausforderungen und sagt čao. Die
Nachfolge tritt Zoe an, die Neochefin hat gleich zum Einstand
fast das ganze Heft fotografiert. Darunter die bildgewaltigen
Geschichten wie „Schrei nach Therapie“, „Streng, strenger,
polnische Eltern“ oder das Coverfoto. Kann man mal machen.
bmf.gv.at
Vermieten Sie
über eine Plattform?
Wir informieren Sie über Neuerungen
Entgeltliche Einschaltung
Foto: BMF/Adobe Stock
Die Vermietung und Verpachtung von privaten Immobilien unterliegt
in Österreich der Steuerpflicht. Das gilt auch für die touristische
Vermietung z. B. über eine Plattform.
Scharfe Bussis,
die Redaktion
6 / MIT SCHARF /
Chris Wilmott
• Plattformen, die bei der Vermietung unterstützen, müssen Informationen über die abgewickelten Umsätze erfassen.
• Diese Aufzeichnungen werden an das Finanzamt übermittelt, damit dieses überprüfen kann, ob die Umsätze/Gewinne
aus touristischen Vermietungen über eine Plattform ordnungsgemäß versteuert werden.
Informieren Sie sich daher jetzt auf bmf.gv.at/vermietung und machen Sie gegebenenfalls Ihre
Umsatzsteuererklärung/Einkommensteuererklärung.
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In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin
Ivana Cucujkić über ihr daily life.
IVANAS WELT
Ivan Minić
MAMA ŠEFICA
Bloß nicht wie die eigene Mutter werden. Das ist die große Angst vieler
Töchter, zumindest wenn sie in einem Jugohaushalt aufgewachsen sind.
In Jugofamilien endet die eigene Privatsphäre an der
Türschwelle zur Wohnung und das vermeintlich gut
versteckte Tagebuch wird wie ein öffentliches Telefonbuch
konsumiert. Als Option zur Abnabelung bleibt
die Rebellion gegen einfach alles, was einem vorgelebt
wird. Vor allem aber gegen diese allwissende
Frau mit sechstem Sinn für Geheimnisse und Lügen:
Mama Allmächtig. Nein, nein, ich werde bestimmt
nicht meinen Kindern auf die Nerven gehen mit ungefragten
Ratschlägen, alle Schulfreunde für potenzielle
Drogensüchtige halten, ihnen nach jedem Fortgehen
eine Schwangerschaft unterstellen - kurz: sie einfach
meine Super-Mamimacht als Familienoberhaupt spüren
lassen.
DON’T MESS WITH THE MAJKA
Es gibt nur eine Mutter. Das ist für viele Menschen
schlicht eine Tatsache. Am Balkan ist das ein Dogma.
Jedna je Majka. Es gibt nur eine Mutter, frei übersetzt:
es gibt nur die eine Wahrheit. Boss Mom ist hier nicht
bloß ein Hashtag. Mama ist heilig, aufopfernd, unantastbar.
Für sie prügeln wir uns im Schulhof. Denn
„wenn du was über meine Mutta sagst“, provozierst
du eine Faust ins Gesicht „bei der Vagina deiner Mutter“
(picka ti materina). Fun fact: Die höchste moralische
Instanz der Jugo-Gesellschaft ist gleichzeitig
zentraler Gegenstand der Schimpfkultur. Mich hat das
immer schon irritiert.
MUTTI HATTE DOCH RECHT
Noch mehr irritiert mich, dass sie in verdammt vielen
Dingen recht behielt, als sie hunderte Male „du wirst
schon sehen, wenn du eigene Kinder hast“ nachgeworfen
hatte.
Ja, ich seh’ schon. Es ist verdammt anstrengend, lustig,
atemberaubend, beängstigend. Diese Kinder,
diese Verantwortung, Wäsche, Minus, Sorgen, Sorgen,
Sorgen. Es macht müde und hungrig. Ja, ich seh’
schon. Es macht Sinn, unangemeldet mit Töpfen voller
warmem Essen aufzutauchen, das Kind zu packen
und es für mehrere Wochenenden meiner geistigen
Gesundheit zuliebe zu betreuen. Abrufbereit zur Stelle,
wenn es brennt. Mutti kommt und löscht. Und immer
etwas im Gefrierfach haben, denn man weiß ja nie.
Schon verstanden.
BISSL RAKIJA IM KAFFEE?
Alles schaffen, nach dem Nervenzusammenbruch das
Krönchen wieder aufsetzen und das Bio-Hühnchen
fertiggaren. Würd’ ich auch ur gern. Ich hab nur echt
keinen Plan, wie. Wie machten das die 80er-Muttis?
Waren sie härter im Nehmen oder half ein bisschen
Rakija im Kaffee? Meine marschierte um fünf Uhr in
der Früh top gestylt im Zweiteiler zu ihrem Bäckerei-
Job, um am Nachmittag meine Schwester und mich
im Park zu bespaßen. Die Handtasche war dabei stets
mit den Schuhen abgestimmt und absolut nie, nie, niemals
wurde sie auf dem Boden abgestellt. Meine Mutter
führte ein Insta-Life, nur offline. Ich schaff’s nicht
einmal, diesen Text hier rechtzeitig abzuliefern. Also
steht sie wieder auf der Matte. Und hat frische Semmeln
mit. Bloß so werden wie sie.
Happy 8. März!
Foto: Getty Images
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cucujkic@dasbiber.at
8 / MIT SCHARF /
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Aus Angst vor
Vergeltung wollen
Alen, Aslan und Yusuf
unterkannt bleiben.
DAS IST NICHT
UNSER JIHAD
Sie wollten in Syrien für Allah töten und ihr Land vor
Ungläubigen verteidigen, jetzt bewahren sie radikalisierte
Jugendliche davor, dieselben Fehler zu begehen. Drei
ehemalige IS-Sympathisanten über den Ausstieg und die
Warnung – die Ideologie lebt auch heute in Wien weiter.
Von Aleksandra Tulej, Fotos: Marko Mestrovic und Zoe Opratko
10 / POLITIKA /
/ POLITIKA / 11
I
Ich dachte mir, indem ich jetzt nach Syrien gehe,
kann ich all dem ein Ende setzen.“ Aslan hatte im
Dezember 2014 schon seine Sachen gepackt und war
auf dem Weg zu einem abgemachten Treffpunkt an
einem Wiener Busbahnhof, von dort aus hätte man ihn über
die Türkei nach Syrien geschleust – dort wollte sich der damals
16-Jährige dem sogenannten Islamischen Staat anschließen.
Er war bereit, für den IS in den Jihad zu ziehen. Fast alle seine
Freunde von damals waren schon in Syrien und haben für den
IS gekämpft – überlebt hat keiner. Aslan hatte Glück: Als er
am Bahnhof stand und Ausschau nach dem Mittelsmann hielt,
fingen ihn sein Vater und sein Onkel dort ab – und brachten
ihn zurück nach Hause. Seine Cousine, der sich der heute
20-jährige Tschetschene anvertraut hatte, hatte ihn verraten.
Verraten – so sah er das damals, das war 2014. Heute ist er ihr
dafür mehr als dankbar.
Ich treffe an einem Abend im Februar 2020 Aslan und seine
Freunde Yusuf und Alen, die alle ehemalige IS-Sympathisanten
sind, um über ihre Vergangenheit, ihren Ausstieg und ihre
Zukunft zu sprechen. Mittlerweile haben sie alle der radikalen
Ideologie den Rücken gekehrt. Die jungen Männer setzen sich
heute aktiv gegen Radikalismus und die Ideologie ein, von
der sie einst Teil waren. Deshalb müssen für diese Story ihre
Namen geändert und ihre Gesichter unkenntlich gemacht werden.
„Wegen den Leuten von früher“, wie mir Aslan erklärt.
„DAMALS WURDE DER JIHAD
AUSGERUFEN, HEUTE WIRD ER
GEFLÜSTERT.“
Also jenen Wienern, die heute noch mit dem IS sympathisieren.
Nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat im März 2019
weitgehend zerschlagen wurde und das Medienecho rund um
den IS verstummt ist, lebt die Ideologie noch im Untergrund
weiter. Auch in Wien. „Du würdest dich wundern, in wie vielen
Gemeindebau-Wohnungen im 20. oder 21. Bezirk in Wien noch
heute die IS Fahne hängt“, sagt Aslan. „Nur jetzt passiert das
halt unauffällig. Das ist nicht mehr wie früher, dass die Typen
lange Bärte und Gebetskleidung tragen – die sehen jetzt ganz
normal aus. Aber aus meiner persönlichen
Erfahrung kann ich dir sagen,
dass es jetzt nicht weniger IS Anhänger
in Wien gibt als früher.“ Nur wird
die Ideologie eben im Stillen gelebt.
„Damals wurde der Jihad ausgerufen,
heute wird er geflüstert“, resümiert
Aslan. Es gibt laut dem BMI und dem
Verfassungsschutz keine offiziellen
Zahlen dazu, wie viele IS-Sympathisanten
heute noch in Wien leben. Die
„
Ich hatte so
einen Hass gegen
den Westen.
“
/
12 / POLITIKA /
Dimension kann man nicht einfangen – auch deshalb sind die
Aussteiger vorsichtig. Das Problem sei nicht der Ausstieg –
sondern die Tatsache, dass die Jungs heute genau gegen die
Menschen arbeiten, die sie selbst früher waren.
Als ich Aslan, Yusuf und Alen zum ersten Mal treffe, ist
mein Eindruck „krasse Jungs“. Breite Schultern, fette Uhren,
schwarze Alpha-Industries-Klamotten, breitbeiniger Sitz. Doch
als Aslan beginnt zu sprechen, merke ich sehr schnell, dass
sich hinter dieser Fassade sehr viel Intelligenz und Scharfsinnigkeit
versteckt. Aslan wählt seine Worte bewusst, spricht
selbstsicher und blickt seinem Gegenüber stets in die Augen.
Er macht keine halben Sachen, das wird schnell klar.
„BRUDER, GERADE DU KÖNNTEST SO
VIEL FÜR DEN IS TUN“
Als Jugendlicher trug Aslan so viel Wut und Hass in sich –
gegen „den Westen“, wie er selbst sagt, gegen den Staat und
vor allem gegen die Ungerechtigkeit innerhalb unserer Gesellschaft
– die hat er von klein auf mitbekommen.
In Österreich war er von Anfang an mit polizeilichem und
pädagogischem Rassismus konfrontiert, wie er selbst erzählt.
Er fühlte sich ausgegrenzt und angegriffen. „Wenn die mich
als Teufel sehen, gebe ich mich auch als Teufel“, war Aslans
Credo. Er fing an, die Schule zu schwänzen, geriet schnell auf
die schiefe Bahn: Prügeleien, Sachbeschädigung – die klassische
Kleinkriminellen-Karriere eben. Die Anzeigen häuften
sich – bis Aslan kurz vor seinem 15. Geburtstag schließlich im
Gefängnis, der JVA Josefstadt, gelandet ist. Während seiner
siebenmonatigen Haft wurde sein Hass auf den Staat und das
System noch größer. „Ich habe dort im Gefängnis ältere Afghanen
kennengelernt, die eigentlich weit über 30 waren, sich
aber als Siebzehnjährige ausgegeben haben“, erklärt Aslan. Sie
bekräftigten ihn in seiner Ansicht, dass ihn hier in Österreich
niemand will und dass er gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen
muss. „Bruder, in Syrien ist gerade Krieg. Du solltest dich Dawla
anschließen, das wäre dein perfekter Weg. Russland hat dein
Land bekämpft, deine Verwandten umgebracht – jetzt kannst
du dich dafür rächen. Bruder, gerade du könntest dort so viel
Gutes für Muslime tun“, bekam Aslan von ihnen zu hören.
„DORT SIND GUTE BRÜDER, DIE
BRINGEN DIR ALLES BEI“
Sein Vater hatte ihn immer davor gewarnt, sich jeglicher Art
von Gruppierung oder Ideologie anzuschließen - die Worte
seiner Mithäftlinge ergaben für den Jugendlichen damals mehr
Sinn. TV-Nachrichten darüber, dass Assad gerade Giftgasanschläge
in Syrien verübt und der
Bevölkerung Leid zufügt, bekräftigten
ihn darin noch mehr. Von den Männern
im Gefängnis hat Aslan eine Wiener
Moschee empfohlen bekommen, an
die er sich „draußen“, also nach dem
Absitzen seiner Strafe, wenden sollte.
„Dort sind sehr viele gute Brüder, die
zeigen dir alles und bringen dir alles
bei“, hatte es geheißen. Und so war es
auch. Er fing an, mit diesen „Brüdern“
„Du würdest dich
wundern in wie vielen
Wohnungen in Wien
noch die IS-Fahne
hängt“, sagt Aslan.
POLITIKA / 13
abzuhängen – zuerst schien
es wie ein „stinknormaler
Freundeskreis, wir waren
grillen, schwimmen, und so
einen Scheiß“, sagt er und
winkt ab. Aber nach und nach
begann die Gehirnwäsche.
Aslan bekam mit, wie seine
neuen Freunde Dinge sagten
wie „Hast du gehört, was da in
Syrien passiert ist? Mashallah,
unsere Brüder sind siegreich
geworden“, ihm IS-Propaganda
Videos zeigten, in denen
Leute abgeschlachtet werden.
Seine „Freunde“ waren unter
anderem sogenannte Kader (in
der Szene Da‘i genannt) also
Menschen, die junge Männer
anwerben wollten, sich der
Ideologie anzuschließen. Nach
und nach rutschte Aslan in die
jihadistische Wiener Szene ab.
Bis er sich eines Tages sicher
war, dass in den Jihad zu
ziehen der einzig richtige Weg
ist. „Du bist jetzt bereit, sie
brauchen dich dort“, hieß es.
Und Aslan war bereit. „Als ich
damals am Bahnhof gestanden
bin und auf einmal ein
Auto vorgefahren ist, in dem
mein Vater und Onkel saßen, habe ich‘s ur nicht gepackt“, sagt
er. 13 Stunden lang hat sein Vater danach auf ihn eingeredet
– abwechselnd geschrien, geredet, geschrien – und es hat
gewirkt. „Mein Vater hat mir damals eine Moschee empfohlen,
durch den Imam dort wurde mir bewusst, dass alles, was ich
davor geglaubt habe, einfach totaler Blödsinn ist. Das, was die
Männer, die sich meine Brüder nannten, mir eingeredet haben,
steht nirgends im Koran.“ Die Männer, die sich seine Brüder
nannten, hatten natürlich Wind davon bekommen, dass Aslan
noch in Wien ist. „Kafir, Ungläubiger“, nannten sie ihn. „Die
hatten schon ein bissi Respekt, weil ich Kampfsportler bin, aber
als ich dann begonnen habe, mich in verschiedenen Jugendzentren
und Projekten zu beteiligen, die sich gegen deren
Ideologie richten, hat es ihnen gar nicht
mehr getaugt.“ Es folgten Morddrohungen
und daraufhin ein Angebot auf
Polizeischutz. „Aber das brauch ich
nicht, ich mach ja MMA“, sagt Aslan
selbstsicher.
ANGEZEIGT DURCH DEN
EIGENEN VATER
„Schau, das ist jetzt nicht so, dass dir
jemand auf einmal sagt: Jihad, Bruder,
da, geh hin“, wirft Aslans Freund Yusuf
Die Jungs wollen Jugendliche warnen, damit diese
nicht in die Hände des IS fallen.
„
Wenn die mich
als Teufel sehen,
gebe ich mich
auch als Teufel.
“
/
14 / POLITIKA /
ein. „Die schmieren dir zuerst
so viel Honig ums Maul, bis
sie dich komplett haben.“
Der 20-Jährige ist in Pakistan
geboren und lebt seit 19
Jahren in Österreich. Er gibt
sich lockerer als Aslan, reißt
Witze und erzählt viel durcheinander:
Zu erzählen hat er
einiges. Schnell gewinne ich
den Eindruck, dass auch er
viel durchgemacht hat. Yusuf
hatte eine ähnliche Geschichte
wie Aslan: „Ich war in meiner
Klasse der einzige Schwarzkopf,
ich wollte lieber mit
meinesgleichen abhängen.“
Mit 14 lernte er dann auch
„seinesgleichen“ kennen.
„Ich habe mich geprügelt,
hab Leute abgezogen, um zu
zeigen: Schau wie leiwand ich
bin“. Auch er fand schnell die
falschen Kreise. „Damals sind
die Kids mit ISIS-Kappen und
T-Shirts rumgelaufen. Damals
wusste ja keiner, was dieses
Logo bedeutet.“ Yusuf spricht
von Anfang 2014, einer Zeit,
als die Terrormiliz IS in Europa
der breiten Masse noch weitgehend
unbekannt war.
Als das Kalifat am 29. Juni 2014 ausgerufen wurde, hat
sich alles geändert. Am 24. September 2014 verabschiedete
der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig eine
Resolution für den weltweiten Kampf gegen den Islamischen
Staat. Ab 1. Jänner 2015 wurden Symbole des IS in Österreich
per Gesetz verboten. „Als diese Vereine für eine Terroristengruppierung
erklärt wurden, hat jeder begonnen, seine Fresse
zu halten. Das waren so unauffällige Moscheen, und als die
geschlossen wurden, hat man sich irgendwo bei wem zuhause
getroffen. Die Typen haben Sachen gepredigt, für die man sie
sofort verhaften würde, wenn sie das öffentlich getan hätten.“
Auch Yusuf war schon am Weg nach Syrien. „Ich habe
es aber nicht behindert gemacht, wie die meisten. Ich habe
meinen Bart rasiert, habe mich davor
ganz normal verhalten, dass meine
Eltern dachten, ich würde einfach
auf Urlaub nach Bulgarien fahren.“
Bis nach Bulgarien hatte er es auch
schon geschafft, weiter aber nicht.
„Ich wurde an der Grenze verhaftet.
Wegen Verdacht auf Mitwirken an
einer terroristischen Organisation.“
Yusuf wurde zurück nach Österreich
gebracht, wo er erstmal vier Stunden
lang vom Verfassungsschutz befragt
2016 wurde das Streetwork-Projekt
„Jamal al-Khatib“ ins Leben
gerufen. Gemeinsam mit anderen
Aussteigern, Poiltik- und Islamwissenschaftlern, Sozialarbeitern
und Filmemachern setzen sich ehemalige IS-Sympathisanten
heute dafür ein, dass Jugendliche nicht dieselben
Fehler wie sie begehen. Die Idee für das Projekt lieferte ein
Jugendlicher, der momentan in Haft sitzt –
er selbst war tief in der jihadistischen Szene
und möchte seine Geschichte erzählen. Er
wirkt heute noch mit und schreibt aus dem
Gefängnis Briefe, die als Grundlage für einige
der Videos fungieren. In den Videos, die
auf Youtube ausgestrahlt werden, erzählt
eine fiktive Identifikationsfigur Jamal, wie er
in Österreich in die salafistisch-jihadistische
Szene abdriftet und im Gefängnis seine
Entscheidungen hinterfragt.
Die Videos basieren auf tatsächlichen Erlebnissen
von jungen Wienern, die aus der
Szene ausgestiegen sind. Es geht um Gewalt, Religion und
Ehre. Die Resonanz auf die Videos sei überwiegend positiv.
„Wir bekommen viele Nachrichten von Jugendlichen, die
uns schreiben : Wegen dieses Videos habe ich eingesehen,
dass dies und jenes falsch ist.“ Genau das ist das Ziel. Wann
ihre Arbeit „getan“ sein wird? Noch lange nicht. Momentan
kursieren im Netz unzählige Videos
WAS IST
von Konzentrationslagern in China, in
denen Uiguren gefoltert und umgebracht
werden. „Es gibt aber auch falsche Infos und Fake
Videos, die im Zuge dessen verbreitet werden. Eines der
viralsten Videos zeigt Bilder aus Mexiko und nicht China,
da wird wieder instrumentalisiert und wir haben dasselbe
Problem wieder“ erzählt einer der Sozialarbeiter.
Die neueste Kampagne von Jamal al-Khatib
heißt „#Uiguren #Wirvergesseneuchnicht!“
– hier wird auf die Situation der Uiguren
in China Bezug genommen, es werden
Möglichkeiten wie man Uiguren unterstützen
kann aufgezeigt, es wird aufgeklärt
und Bewusstsein geschaffen. Damit die
Jugendlichen ihre Informationen nicht aus
Fake Videos beziehen. „Wir möchten aber
nicht, dass die Jugendlichen denken, dass
das die Positionen, die im Projekt gemeinsam
für die Videos entwickelt werden, die einzig richtigen
sind. Wir wollen mit den Videos ein Raum für Diskussionen
über Themen anbieten, die für Jugendliche wichtig sind. Wir
freuen uns über Kritik und möchten nicht, dass Jugendliche,
die die Videos sehen, die Positionen darin übernehmen. Sie
sollen ihre eigenen Positionen entwickeln.“
JAMAL AL KHATIB?
/ POLITIKA / 15
wurde. Er wusste, dass jemand
ihn verraten haben musste,
der Verfassungsschutz hatte
bei ihm zuhause mittlerweile
alles durchsucht – sein Laptop
und Handy wurden konfisziert.
Als das Verhör zu Ende war,
wartete Yusufs Vater vor dem
Eingang auf ihn: Er war derjenige,
der seinen Sohn beim
Verfassungsschutz angezeigt
hatte – und rettete ihn somit
vor dem sicheren Tod. „Meine
besten Freunde, mit denen ich
Tag und Nacht unterwegs war,
sind alle zum IS gegangen.
Keiner von denen lebt heute
noch.“
„DAS IST
WAHRSCHEINLICH
MEIN LETZTER
ATEMZUG, SAG
MEINEN ELTERN,
DASS ICH SIE
LIEBE“.
Am Anfang sah alles noch
rosig aus. Über Nachrichten-
Apps wie Telegram und
Threema kommunizierte Yusuf
mit seinen Freunden im Islamischen Staat, die ihm berichteten,
wie „‚leiwand‘ es dort ist, so auf ‚Baba Wetter, hier sind deine
Brüder, wir warten auf dich“, zitiert Yusuf. Nach und nach wurden
die Nachrichten seltener – teils deshalb, weil einige bereits
tot waren, teils deshalb, weil das Weltbild seiner Freunde
immer mehr auf den Kopf gestellt wurde. „Irgendwann hieß es
dann: Es ist hier nicht so, wie sie uns eingeredet haben. Das
in den Videos, die wir gesehen haben, stimmt einfach nicht.
Hier ist jeder gegen jeden, wegen allem kannst du getötet
werden. Wir kämpfen nicht für das Richtige hier. Bruder, komm
einfach nicht hierher“, schrieb ein guter Freund von Yusuf, der
davor Tag und Nacht nur vom Jihad gesprochen hatte. Auch
Aslan hatte Kontakt zu seinen Freunden, die bereits aus Wien
nach Syrien gegangen waren. „Das ist
wahrscheinlich mein letzter Atemzug,
sag meinen Eltern, dass ich sie liebe“.
Und dann war er – Aslan macht eine
Handbewegung – tot.
„Das war ein guter Freund von mir,
er hat mich damals angerufen. Er stand
vor der Wahl: Entweder er sprengt sich
selbst und die Basis der Rebellen in
die Luft, oder nur sich selbst.“ Er hat
letzteres gewählt - er hatte erkannt,
dass es nichts mehr bringen würde.
Leider zu spät. „Das war doch der eine
Dagestaner und sein Cousin, die haben
„Fast alle unsere Freunde, die beim IS waren, sind tot“
„
Die schmieren dir
einfach zuerst so
viel Honig ums
Maul, bis sie dich
komplett haben.
“
/
16 / POLITIKA /
sich gesprengt“, wirft Alen
leise ein. Alen, ein Inguschete,
ist der schüchterne von den
dreien – er selbst war, wie
er sagt, nicht so tief in der
Szene wie seine Freunde, aber
„auch bei mir sind fast alle
zum IS gegangen, das, was
die dir erzählen ist eh schon
alles, was man dazu sagen
kann“, sagt er. Ob irgendwer
von diesen Freunden bis zum
Schluss überzeugt war, dass
sie dort das Richtige tun?
„Nein“, sind sich alle drei
sicher. „Alle haben irgendwann
gemeint: Wallah, wir bereuen
es abnormal, dass wir hierher
gekommen sind“, erklärt Alen.
„Einer hat sich retten können,
indem er zurückgekommen ist
und sich rausgeredet hat, dass
er Rettungsfahrer war – und
man hat ihm nur geglaubt,
weil er blonder Österreicher
ist. Alle anderen - tot“, zuckt
Aslan mit den Schultern. Ich
will wissen, ob ihn das gar
nicht mitnimmt, so nüchtern,
wie er davon erzählt. „Schau,
selbst wenn das mein leiblicher Bruder gewesen wäre, könnte
ich genauso emotionslos darüber sprechen. Ich kann dir nicht
sagen, wie viele gestorben sind. Es war nicht einer, nicht zwei
und auch nicht zehn – man gewöhnt sich dran.“
Ende 2018 waren dem Bundesamt für Verfassungsschutz
und Terrorismusbekämpfung 320 aus Österreich stammende
Personen bekannt, die sich aktiv am Jihad in Syrien und dem
Irak beteiligten oder beteiligen wollten. Davon sind laut unbestätigten
Informationen 58 Personen in der Region gestorben
oder getötet worden und 93 Personen wieder nach Österreich
zurückgekehrt. Weitere 62 konnten an einer Ausreise gehindert
werden und halten sich nach wie vor im Bundesgebiet auf, so
der Verfassungsschutzbericht 2018.
Im Jahr 2019 sind laut dem Bundesministerium
für Inneres zwei Personen
zurückgekehrt. Weitaus weniger
als in den Vorjahren. Das bedeutet
aber nicht, dass der „Kampf gegen
den IS“ beendet ist.
„ES GIBT HEUTE FIX
NOCH REKRUTIERER“
Aslan und Yusuf vergleichen die
Ideologie des IS mit der der Nazis: Der
„Hype“ sei vorbei, die Gesinnung aber
lebe noch weiter. Und solange es die
Ideologie gibt, wird sie auch instrumentalisiert.
Es werde einfach nur auf eine Gelegenheit
gewartet. Momentan sei es die Situation der Uiguren
in China. Einen Call to Action wie damals beim Jihad
gibt es nicht – „aber es wird teilweise dazu angestiftet,
Menschen, die damit irgendwie in Verbindung
stehen, umzubringen oder ihnen Schaden zuzufügen“,
so Aslan. Es werde mobilisiert, sich gewissen Gruppierungen
anzuschließen, diese jihadistische Ideologie
und das Narrativ„Muslime vs. Nicht-Muslime“ sei nach
wie vor vorhanden. „Die Leute wollen sich nicht dem
ISIS anschließen. Sie wollen sich einfach der Ideologie
anschließen“, sagt Yusuf.
„Im Gefängnis damals war Syrien das Thema
Nummer eins. Ich nehme stark an, dass es heute die
Uigurensache ist. Da gibt es fix Rekrutierer. Die machen
so einen auf ur guten Bruder, sie gehen zu Jugendlichen
hin und haben quasi den Ansatz: Wir müssen
den Uiguren helfen, schau was in China mit unseren
Geschwistern passiert. Die töten dort unsere Männer
und vergewaltigen unsere Frauen. Wir müssen was tun.
Du wirst gebraucht.“ So war es auch damals bei Aslan,
Yusuf und Alen.
„Früher habe ich mir die ganze Zeit diese Propagandavideos
vom IS reingezogen, habe den Westen
verflucht, es ging 24/7 nur um das Eine“, sagt Aslan.
Heute sei er viel offener, er habe viele andere Religionen,
Positionen und Meinungen kennengelernt. „Ich
bin auch viel höflicher geworden. Mir ist heute egal, aus
welchem Land jemand kommt, oder welche Religion er
hat.“ Yusuf pflichtet ihm bei: „ Ich habe damals alles
verflucht und war die ganze Zeit depressiv und aggressiv,
habe an den Tod gedacht. Jetzt habe ich Freunde
aus allen möglichen Glaubensrichtungen, habe Fuß im
Leben gefasst und lebe einfach normal.“
Aber die Wut, die ist geblieben: Die Wut gegen
Ungerechtigkeiten, der Drang, Menschen in Not zu helfen
und sich für andere einzusetzen, ist bei allen noch
prävalent. Nur, dass sie es heute richtig einzusetzen
wissen, wie Aslan sagt: „Heute weiß ich, dass es keine
Waffe braucht, um anderen Menschen zu helfen.“ Der
Jihad, den die Aussteiger heute führen ist jener mit sich
selbst - der Jihad un-Nafs, um ein guter Mensch zu
werden. ●
Anm. : Alle Fotos wurden für die Geschichte gestellt, die Namen
sind zum Schutz der jeweiligen Personen von der Redaktion geändert.
„WIR BIETEN DEN
JUGENDLICHEN
PERSPEKTIVEN“
Interview mit Rami Ali
Politologe, Islamwissenschaftler
und Mitwirkender bei „Jamal al
Khatib“
BIBER: Wie weit ist die IS-Ideologie heute noch in Wien verbreitet?
Was ist anders im Gegensatz zu 2014?
RAMI ALI: Die Anzahl der Orte, an denen sie gepredigt wird,
hat abgenommen. Weil einerseits der Call to Action fehlt und
andererseits der Verfassungsschutz aufgerüstet hat. Früher
hat man sich eben in einer Hinterhofmoschee oder einer Wohnung
getroffen. Heute stehen diese Moscheen, falls es sie gibt,
unter Beobachtung und die Leute wissen „Wenn ich da jetzt
reingehe bin ich vielleicht auf dem Radar vom Verfassungsschutz“.
Die Akteure wissen ganz genau, dass sie beobachtet
werden.
Haben Sie eine Einschätzung dazu, wie viele IS-Sympathisanten
es 2020 in Wien gibt?
Das ist schwer zu sagen, zumal es einen Unterschied gibt zwischen
jenen, die sich wirklich als Anhänger der Organisation
„IS“ sehen und jenen, die mit Versatzstücken der IS-Ideologie
sympathisieren. Etwa 330 Menschen sind damals insgesamt
aus Österreich nach Syrien gegangen. Einige von ihnen sind
jetzt zurückgekehrt und berichten zum Teil über die falschen
Versprechen, die ihnen gemacht wurden. Was man mit
Gewissheit sagen kann: Der „Hype“ rund um den sogenannten
IS ist jetzt abgeflacht. Das liegt nicht nur am Territoriumsverlust
des sog. Islamischen Staats.Die geballte Brutalität, die er so
zur Schau gestellt hat, ist für die meisten Leute einfach nicht
mehr attraktiv und schreckt ab. Es spricht sicher noch eine
sehr gewaltaffine Gruppe, die noch sehr tief indoktriniert ist,
an. Die breite Masse erreichst du damit jetzt nicht mehr.
Was bewirken Projekte wie „Jamal Al Khatib“?
Erstens können sich die Jugendlichen, die an dem Projekt partizipieren,
mit den Inhalten identifizieren. Wir bringen sie in fast
alle Entscheidungen mit ein, bieten ihnen Perspektiven. Wenn
sie nicht mehr dieses Ohnmachtsgefühl haben und dieses
Ungerechtigkeitsempfinden positiv einzusetzen wissen, macht
das was mit den Jugendlichen. „Jamal al-Khatib“ ist auch
ein Diskursraum. Das sehen wir auch an den Interaktionen
und dem Feedback auf unseren Social Media Kanälen. Zudem
stellen wir immer wieder fest, dass sich viele Leute damit
identifizieren, das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen und
evaluiert. Es gibt eine externe Begleitforschung seitens der FH
St Pölten. Die zweite Staffel des Videoprojetkes wurde von der
Bundeszentrale für politische Bildung/bpb gefördert.
POLITIKA / 17
Frau Zadić,
wie oft fluchen
Sie täglich auf
Bosnisch?
Wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit
in %,
dass die Sicherungshaft
unter
Schwarz/Grün
eingeführt wird?
Wie viele
österreichische
Verfassungsgesetze
würden
Sie ändern,
wenn Sie
könnten?
Wie viele
aktuelle
PolitikerInnen
Österreichs
bewundern
Sie?
Auf einer Skala
von 1–100:
Wie viele
Meter links
von der Mitte
stehen Sie?
Auf einer Skala
von 1–100:
Wie viele
Meter rechts
von der Mitte
steht Sebastian
Kurz?
Wie viele Hassnachrichten
haben
Sie in diesem Jahr
bekommen, die
derzeit auf strafrechtliche
Inhalte
überprüft werden?
Wie viele
Stunden
arbeiten Sie
täglich?
Wie viele Jahre
werden Sie
mindestens
in der Politik
bleiben?
Interview in Zahlen:
In der Politik wird bereits genug
geredet. Biber fragt in Worten,
Justizministerin Alma Zadić
antwortet mit einer Zahl.
20
11
0
50
50
25.500
15
5
Von Magdalena Biberauer und Amar Rajković
Fotos: Zoe Opratko
Sechs Demos besuchte die Justizministerin im Jahr 2019.
Zwei Mal am Tag flucht die bosnischstämmige
Zadić in Ihrer Muttersprache.
Mindestens noch fünf Jahre will Alma Zadić
in der Politik bleiben.
Ein Mal im Monat geht die 35jährige Juristin zum „Mäci“ essen.
Wie oft fluchen
Sie täglich auf
Bosnisch?
Wie oft im
Jahr besuchen
Sie Ihre
Heimatstadt
Tuzla?
Wie viele Glückwünsche
haben
Sie zur Ihrer
Angelobung aus
Bosnien und
Herzegowina
erhalten?
Wie lautete Ihr
Matura-Notendurchschnitt?
Wie oft im
Monat gehen
Sie zum
„Mäci“?
Wie viel
Prozent Ihrer
MitarbeiterInnen
haben
Migrationshintergrund?
Wie viele
Identitäre
folgen Ihnen
auf Twitter?
Wie viele Ihrer
Bekannten
wählen die
FPÖ?
Auf wie vielen
Demos waren
Sie letztes
Jahr?
Wie viele Menschen
im Justizministerium
sprechen Ihren
Namen falsch
aus (In Prozent)?
2
1
1380
1
1
38%
30
2
6
40
18 / POLITIKA /
/ POLITIKA / 19
MEINUNG
BOSNIER, DIE INTEGRATIONSSTREBER
Warum schneiden Menschen aus Bosnien und Herzegowina in der
öffentlichen Wahrnehmung besser ab als andere Migranten?
Ein Erklärungsversuch von Nedad Memić.
KEIN ZURÜCK MEHR
Ein ehemaliges Flüchtlingskind aus Bosnien-Herzegowina
als erste Bundesministerin in Österreich: ein
Zufall oder vielleicht doch nicht? Alma Zadić gehört
zu jener Generation der bosnischen Flüchtlinge, die
Benefits aus beiden Kulturkreisen zu nutzen wussten:
zu jung, um vom Bosnienkrieg in all seiner Ungeheuerlichkeit
traumatisiert zu werden; jung genug,
um Chancen in Österreich rechtzeitig zu ergreifen.
Dass das junge Mädchen aus Bosnien-Herzegowina
keinen leichten Start in ihrer neuen Heimat hatte, gibt
sie selbst zu. Doch sie hat es geschafft – wie auch
viele andere bosnische Kriegsflüchtlinge. Hierzulande
gelten sie als gut integriert, ihre Beschäftigungsquote
ist höher als bei den meisten anderen Zuwanderercommunitys.
In Schweden bekleideten sie bereits
Minister- und Staatssekretärsposten, in Großbritannien
sitzt eine gebürtige Bosnierin als Baroness im House
of Lords. Also, worin liegt das geheime Rezept der
guten Integration von Bosnierinnen und Bosniern in
der Diaspora?
Zuerst ist es ihre Fluchterfahrung: Für viele Flüchtlinge
aus Bosnien-Herzegowina gab es nach ihrer Flucht
oder Vertreibung kein Zurück mehr. Das Land und die
Leute, die ihnen einst vertraut waren, gingen im Krieg
für immer verloren. Die Integration in der neuen Heimat
war für sie alternativlos. Auch die soziale Struktur
der bosnischen Community spielte eine wesentliche
Rolle in ihrer Integration. Während vor allem die frühe
Zuwanderung aus Serbien oder der Türkei von Gastarbeitern
geprägt war, ist die Struktur der bosnischen
Flüchtlinge vielfältiger: War es ein Uniprofessor, eine
Bankangestellte oder ein Spengler: Der Krieg machte
keinen Unterschied. Darüber hinaus spielt im bosnischen
Bildungsbürgertum der schulische Erfolg nach
wie vor einen zentralen Erziehungsfaktor: „Du musst
nur lernen, für alles andere ist gesorgt“, lautet ein
Standardsatz vieler bosnischer Eltern.
„UNSER BOSNIEN“
Auch wenn es um die Wahrnehmung einer Community
in der Mehrheitsgesellschaft geht, haben Bosnier wieder
die besseren Karten. „Ihr habt mal zu uns gehört!“,
zählt etwa zum Standardrepertoire jedes bosnischösterreichischen
Annäherungsversuchs. Die gemeinsame
Geschichte spielt nämlich auch eine Rolle. Ein
positives Medienbild genauso. So löst eine bosnischstämmige
Bundesministerin bei vielen Durchschnittsösterreichern
immer noch weniger Kontroversen aus
als etwa eine türkisch- oder afrikanischstämmige.
Trotzdem bleibt Alma Zadić ein Hoffnungsschimmer:
Sie machte die Tür zu den höchsten Ämtern im Staat
für Migrantinnen und Migranten auf. Diese wird man
nicht mehr so leicht zumachen können. ●
Zur Person: Nedad Memić ist gebürtiger Bosnier.
Der promovierte Germanist war u. a. KOSMO-Chefredakteur,
momentan arbeitet er als Consultant in der
Wiener PR-Agentur Himmelhoch.
Zoe Opratko
„Deutschland, umarme mich.“
Von Elena Bavandpoori
Toleranz
Für ein friedliches Miteinander von 2,6 Mio. Fahrgästen täglich.
#so gut fährt Wien
In Shishabars lebt ein kollektives Gefühl. Sie sind
wie kleine Schutzräume in einer dysfunktionalen
Gesellschaft, in der Schwarzköpfe an den Clubtüren
abgewiesen werden. Aber dieser Trugschluss findet
vergangene Woche sein Ende. In den Schutzraum
wurde eingedrungen. Es gibt endgültig keine
Blaupause mehr von Diskriminierung, Rassismus und
rechtem Terror. Mit Hanau wurde gewaltsam in die Privatsphäre
all jener eingegriffen, die nicht-weiße Deutsche sind, die
einen Migrationshintergrund haben, die schon einmal in ihrem
Leben auf Alltagsrassismus gestoßen sind.
Es ist nicht die Angst, die mich packt. Es ist die Wut. Die
Wut, meine Herkunft nicht als Verbrechen sehen zu wollen. Die
Wut, mich überhaupt weiterhin an Orte flüchten zu müssen, an
denen ich sicher bin. Lange schon zweifle ich an der Integrität
Deutschlands. Oft überdenke ich meine Zukunft in diesem
Land. Fliehe ich jetzt aus dieser Unerträglichkeit oder gehe
ich in den schmerzhaften Widerstand? Die Forderung nach
Gerechtigkeit meldet sich allerdings wieder in mir. Einfach zu
gehen, wäre verräterisch. Jetzt muss ich das Megafon in die
Hand nehmen und schreien, bis ich gehört werde. Der Terror in
Hanau überschreitet seine Stadtgrenzen, breitet sich parasitenähnlich
aus und schleicht sich in unsere Häuser. Das
ist kein Hilferuf, das ist eine Kampfansage. Gegen
das Verstummen, gegen die linguistische Verklärung
von Rassismus und Mord. Wir brauchen keine
Tränen, keine leeren Worte und netten Rituale – wir
brauchen einen dringend nötigen Aufstand und wahrhaftige
Solidarität.
ICH BIN BETROFFEN
Es ist gut, dass sich Menschen nicht einschüchtern lassen und
dass sie weiterleben wie gehabt. Das ist jedoch Luxus. Dieses
Privileg habe ich nicht. Menschen, die sich mit den Opfern von
Hanau identifizieren, haben dieses Privileg nicht. Und ich frage
mich: Wer steht für sie ein? Wer lässt sie zu Wort kommen
und gibt ihnen Raum? Oder noch viel simpler: Wer fragt, wie
es ihnen geht? Deutschland gab mir die Macht der Sprache,
Bildung und wirtschaftliche Stabilität. Aber nicht die Macht der
Selbstbeherrschung – denn auch das Privileg habe ich nicht.
Ich bin betroffen. Und wenn schon mein stilles Sein ein Ermordungsgrund
sein kann, dann ist es egal, wie laut ich werde, ich
bleibe eine Zielscheibe. Mein kindlicher Wunsch wird mehr und
mehr zur erbitterten Forderung: Deutschland, umarme mich.
20 / POLITIKA /
/ MIT SCHARF / 21
022910T3 WL Märzkampagne 2020 Toleranz 207x135 biber ET29.02. NP.indd 1 19.02.20 10:34
„Die AfD ist der
geistige Wegbereiter
der Tat von Hanau.“
Der Journalist Hasnain Kazim hat
ein Buch darüber geschrieben, wie
man Pöblern und Rechtspopulisten
die Stirn bieten kann – er spricht
aus Erfahrung. Über die Kunst des
Streitens, Hass und die AfD.
Interview: Nada El-Azar, Fotos: Peter Rigaud
Autor und ehemaliger
Spiegel-Journalist Hasnain
Kazim kann ein Liedchen
von Hassmails singen
BIBER: Herr Kazim, in Hanau erschoss
ein Rechtsextremer in Shishalokalen
neun Menschen aus rassistischen
Motiven. Wie sehen Sie die Zukunft
Deutschlands im Umgang mit rechtem
Hass?
Diese Tat, dieser Terror ist keine Überraschung.
Sie ist kein unerwartetes
Ereignis, nichts, von dem man behaupten
könnte, man hätte es nicht wissen
können. Sondern es ist genau das, was
absehbar und erwartbar und von manchen
Kreisen auch gewünscht war. Die
AfD ist der geistige Wegbereiter der Tat
von Hanau. Wir müssen dieser Art von
hassvoller und menschenverachtender
Sprache wieder und wieder entgegentreten,
sonst sehe ich für Deutschland keine
gute Zukunft.
Sie sind durch Ihre ganze Karriere immer
wieder mit massiven Hassnachrichten
und Morddrohungen konfrontiert
gewesen. Gab es ein ausschlaggebendes
Ereignis, das zum Schreiben des jüngsten
Buches geführt hat? Eine ähnliche
Thematik hatte ja schon Ihr Buch „Post
von Karlheinz“.
Hasnain Kazim: „Post von Karlheinz“ ist
eine Sammlung von Dialogen, die ich
mit solchen Leuten geführt habe. Es ist
sachlich und komisch zugleich – manchmal
zynisch im Streit. Eigentlich wollte
ich nicht der Typ sein, der ständig zum
Thema Hassdialoge schreibt. Aber ich
bekam Zuspruch von Leuten, die es toll
fanden, endlich eine Vorlage dafür zu
haben, wie man mit Hatern umgeht. Das
sollte „Post von Karlheinz“ aber gar nicht
sein, denn ich bin manchmal durchaus
etwas böse. Deshalb habe ich das zum
Anlass genommen, eine richtige Streitanleitung
zu schreiben, und so ist „Auf sie
mit Gebrüll“ entstanden.
„
Ich habe sogar als
Kind verstanden,
dass jeder für
irgendein Merkmal
aufgezogen wurde..
“
Als Journalist ist man ja eine Person des
öffentlichen Lebens und daher leicht eine
Zielscheibe für Hassnachrichten – insbesondere
wenn es um politische oder
soziale Ansichten geht. Wie war das mit
dem Hass, bevor Sie Journalist wurden?
Ich bin in einem kleinen norddeutschen
3.000-Einwohner-Dorf namens Hollern-
Twielenfleth aufgewachsen. Während
meiner Kindheit habe ich keinen Hass
erfahren. Ein Spruch eines Mitschülers
hat sich jedoch in meinen Kopf
eingebrannt, und zwar „Du bist braun
wie Scheiße“. Das hat mich einerseits
verletzt, aber andererseits habe ich
sogar als Kind verstanden, dass jeder für
irgendein Merkmal aufgezogen wurde.
Das konnte Übergewicht, Segelohren
oder eben die Hautfarbe sein. Was ich
aber schon gemerkt habe – das wurde
mir wahrscheinlich unbewusst von
meinen Eltern mitgegeben – war, dass
wir 110 Prozent geben mussten. Ich
befürchte, wir Nichtweißen müssen
immer 110 Prozent oder mehr geben,
um dieselbe Anerkennung zu bekommen
wie Weiße. In der Schule habe ich mich
daher immer angestrengt und war ein
guter Schüler.
Wann erhielten Sie Ihre erste Drohung?
Das passierte erst, als ich als 17-Jähriger
meinen ersten Artikel veröffentlichte.
Diese Zeit, als in Deutschland Jagd auf
Flüchtlinge gemacht wurde, als der
Mordanschlag von Solingen verübt wurde
und als Flüchtlingsheime brannten,
22 / POLITIKA /
/ POLITIKA / 23
Hasnain Kazim lebt
seit 2016 in Wien.
nicht gerade bei den ostdeutschen Wählern
die Enttäuschung über die bisherige
Politik, die sie im Stich gelassen hat?
Die Enttäuschung verstehe ich. Es gab
eine wunderbare Karikatur von Martin
Perscheid, in der ein Mann und eine
Frau am Esstisch sitzen. Die Frau hat
Spaghetti gekocht und isst sie, der Mann
hingegen hat einen Haufen Scheiße auf
dem Teller und sagt: „Ich esse das, weil
mir dein Essen nicht schmeckt!“. Das
fand ich treffend: Natürlich kann man
Scheiße fressen, wenn einem das Essen,
das jemand gekocht hat, nicht schmeckt
– aber es ist eine sehr dumme Form von
Protest.
Sie leben seit 2016 in Wien und waren
bis zu Ihrem Abschied vom Spiegel
Österreichkorrespondent. Wie unterscheiden
sich die deutschen Rechtspopulisten
der AfD von denen der FPÖ?
Die AfD ist deutlich härter in der Sprache.
Was beide Parteien eint, ist, dass sie
unter dem Deckmantel der Demokratie
daherkommen, aber viele demokratische
Werte mit Füßen treten. Ich denke, dass
man in Österreich Rechtsextreme normalisiert
hat, indem man beispielsweise
permanent Jörg Haider auf die Titelblätter
gehoben hat, weil das mehr Auflage
bringt.
Sie kritisierten jüngst Ihre ehemaligen
Kollegen vom Spiegel dafür, Björn Höcke
auf dem Titelblatt abgedruckt zu haben.
Ich mag den Spiegel sehr und bin zum
Jahresende nur gegangen, um mich
stärker auf das Bücherschreiben konzentrieren
zu können. Aber ja, sowas
muss man leider kritisieren. Höcke war
zwar mit der nicht besonders positiven
Schlagzeile „Der Dämokrat“ – also als
Dämon – abgedruckt worden. Aber das
ist genau, wie Höcke sich sehen will:
als irgendwie demokratischen Dämon,
der eine bedeutungsvolle Rolle in der
deutschen Politik innehat. Das Wort
Demokrat darin steht dafür, dass er zwar
demokratisch an die Macht gekommen
ist. Aber er tritt demokratische Werte
wie Minderheitenrechte mit Füßen. Der
heroisch-bedrohliche Blick in die Kamera
dazu… Ich bin mir sicher, dass Höcke
sich dieses Bild mit Freunde an die Wand
nagelt. Die AfD jedenfalls hat gejubelt
vor Freude über dieses Cover.
In der Vergangenheit war öfter auch
Donald Trump auf der Titelseite – wie
unterscheidet sich das?
Wenn man Höcke aufs Cover bringt, was
man ja im Prinzip auch darf, dann bitte
nicht so. Trump war auf den Titelseiten
so stilisiert, dass er beispielsweise der
Freiheitsstatue den Kopf absäbelt. Das
ist eine viel eindeutigere Botschaft. ●
Der Journalist und Autor Hasnain
Kazim wurde 1974 als Sohn indischpakistanischer
Einwanderer in Oldenburg
geboren. Er schrieb von 2004 bis
2019 für den SPIEGEL und SPIEGEL
ONLINE und war als Auslandskorrespondent
u. a. in Islamabad, Istanbul
und zuletzt in Wien stationiert.
hat mich stark geprägt. Ich schrieb einen
Artikel, weil mich aufregte, dass ein Politiker
trotz dieser Zwischenfälle vor einer
„Überfremdung Deutschlands“ warnte.
Das kann man natürlich kritisieren, aber
nicht in dieser Situation, in der Menschen
umgebracht werden, weil sie anders
aussehen. Nachdem ich also als 17-Jähriger
den Artikel in einer überregionalen
Zeitung veröffentlicht hatte, bekam ich
meine ersten Hassbriefe – damals natürlich
anonym und per Post.
Das Buch „Auf sie mit Gebrüll!“ soll
also eine Anleitung zum Streiten mit
Rechtspopulisten sein. Welche Strategien
beschreiben Sie?
Ich gebe Beispiele zu verschiedenen
Themen, wie etwa der Frage nach
Meinungsfreiheit. In Deutschland und in
Österreich argumentieren manche, es
gäbe keine Meinungsfreiheit, weil man
bestimmte Dinge nicht sagen dürfe. Meinungsfreiheit
bedeutet aber nicht, dass
man alles folgenlos sagen kann. Streit
braucht Regeln und Grenzen des Sagbaren
– und diese Grenzen werden nicht
erst durch das Strafrecht gesetzt – sondern
schon davor. Aus guten Gründen
bringen wir zum Beispiel unseren Kindern
bei: „So etwas sagt man nicht!“. Manche
Erwachsene müssten an diesen Satz
erinnert werden. Eine Diskussion muss
auf echten, nicht sogenannten alternativen
Fakten beruhen. Streit darf aber
auch Spaß machen. In meinem Buch
„Post von Karlheinz“ bin ich humorvoll
mit Hass umgegangen – dabei ist Humor
keine Waffe, sondern eine Methode, mit
diesem ganzen Müll umgehen zu können.
„
Ich glaube nicht,
dass alle AfD-Wähler
Nazis sind. Einige
wählen sie sicher aus
Protest, aber es ist
eine sehr dumme Art
zu protestieren.
“
24 / MIT SCHARF /
Zum Streiten muss man sich aber auch
zunächst auf Augenhöhe begegnen
können. Auf Twitter posteten Sie im Jahr
2017 nach den Bundestagswahlen in
Deutschland folgendes: „Höre, ich solle
Ostdeutsche ‚ernst nehmen‘. Ihr kamt
1990 mit nem Trabi angeknattert und
wählt heute AfD – wie soll ich euch ernst
nehmen?“. Schert man damit Menschen
nicht in unvorteilhafter Weise über einen
Kamm?
Natürlich ist der Trabi-Spruch sehr
zugespitzt, und damit schere ich in der
Tat Leute über einen Kamm. Aber bei
der Kernaussage „Ich nehme AfD-Wähler
nicht ernst“ bleibe ich natürlich. Ich
lasse mir doch nicht die symbolische
Pistole auf die Brust drücken und mich
bedrohen, dass sie abdrücken, sprich:
Rechtsextremisten wählen, wenn ich diese
Leute nicht ernst nehme. Ich glaube
nicht, dass alle AfD-Wähler Nazis sind.
Einige wählen sie sicher aus Protest,
aber es ist eine sehr dumme Art zu protestieren.
Aber jeder dieser Wähler ebnet
wissend Nazis den Weg an die Macht.
Sind also alle AfD-Wähler dumm? Gibt es
Wir
machen
Wien
zur
Klimamusterstadt
SCAN ME
Dr. Michael Ludwig
Bürgermeister von Wien
Ulli Sima
Umweltstadträtin
Mag. Josef Taucher
SPÖ-Klubvorsitzender
Extreme Hitze im Sommer, viel zu hohe Temperaturen im Winter - der Klimawandel ist auf der ganzen Welt zu
spüren, auch bei uns in Wien. Deshalb pflanzen wir noch mehr Bäume, bauen neue Parks, erzeugen saubere Energie
mit der Kraft der Sonne und erweitern das Öffi-Netz, um die Menschen und das Klima in unserer Stadt zu schützen.
Wir machen 2020 zum Klimaschutzjahr. Scan den Code, hol dir alle Infos und gib die Message weiter.
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DER
SCHREI
NACH
THERAPIE
Viele migrantische Eltern mussten Härte zeigen, um ihre
Kinder durchzubringen. Nun zahlt der Nachwuchs die
Rechnung in Form von unverarbeiteten Traumata. Über
das Tabu „Therapie“ in Familien mit Migrationsgeschichte
und was passiert, wenn das Schweigen gebrochen wird.
Von Elena Bavandpoori, Fotos: Zoe Opratko
Sie blickt in die Leere und
hört Schreie. Immer lauter
werdende Schreie. Ihre Beine
ziehen sie in den Wald. Unter
ihren nackten Füßen spürt sie den knirschenden
Schnee, der Schritt für Schritt
zu kaltem Wasser schmilzt. Für sechs
Stunden geht sie barfuß durch den Wald.
In ihr kommt die Angst hoch, zu verbrennen.
Sie will einsperrt werden, um sich
selbst zu schützen. Als Luana (Name
geändert) im Winter 2017 eine Psychose
bekommt und in eine geschlossene
Therapie geht, rüttelt das ihre albanische
Familie auf.
Menschen mit Migrationshintergrund
können durch ihre Lebenserfahrungen
für psychische Erkrankungen besonders
anfällig sein. Gerade bei Familien, die
ihre Kinder in einer neuen Kultur aufziehen,
geht die Verarbeitung der Migration
und des möglichen Traumas über mehrere
Generationen hinweg. In vielen dieser
Familien wird über seelisches Leiden
oder Therapie der Mantel des Schweigens
ausgebreitet. Psychische Erkrankungen
sind tabu. Wer redet, verliert, so
das Motto.
NUR DER RUF ZÄHLT
Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende
zu, als Alva (Name geändert) von der
psychischen Erkrankung ihrer älteren
Schwester Luana erfährt. Nach der
Psychose ihrer Schwester geht Alva auch
in Therapie. Sie befürchtet, dass sich
ihre mentale Verfassung verschlechtern
könnte. Alva ist geschockt von Luanas
Situation. Luana wird mit einer bipolaren
Störung diagnostiziert, bei der extreme
Stimmungsschwankungen typisch sind.
Einen Tag depressiv und niedergeschlagen,
einen Tag manisch und voller
Euphorie. Diese Erkrankung kann veranlagt
sein, wird aber durch belastende
Lebensereignisse verstärkt.
Während besonders schweren
manischen Phasen können Symptome
von Psychosen auftreten, wobei Betroffene
halluzinieren oder sich verfolgt fühlen.
Das passiert auch Luana. Daraufhin
geht sie in eine geschlossene Therapie
und wird isoliert und medikamentös
behandelt. Für die 25-jährige Alva war
sie immer wie ein Vorbild, denn mit ihr
konnte sie über Themen sprechen, die in
ihrer Familie tabuisiert werden. So auch
über Therapie. „Meine Eltern haben ihren
Freunden erzählt, meine Schwester wäre
auf den Kopf gefallen und könnte deshalb
nicht mehr arbeiten gehen“, erzählt
Alva. Der Ruf der Familie sei ihren Eltern
zu wichtig.
Psychotherapeutin Karoline Eppensteiner
leitet eine interkulturelle Privatpraxis
in Wien, in der sie auch
Jugendliche und junge Erwachsene mit
Migrationshintergrund therapiert. Den
Widerstand von Eltern spürt sie oft:
„Wenn Eltern ihre Kinder in die Therapie
bringen, stellen sie sie manchmal ab
wie Autos in der Werkstatt, die wieder
fahrtüchtig gemacht werden sollen. Aber
es geht nicht darum, wieder zu funktionieren,
sondern zu genesen. Kinder sind
in Familien die schwächsten Glieder und
damit Symptomträger. Sie spüren Dinge,
die nie ausgesprochen werden.“
ES SIND EIGENTLICH DIE
ELTERN, DIE DIE THERAPIE
BRAUCHEN
Alvas Familie kommt aus dem Kosovo.
Ihr Vater geht als Gastarbeiter in
den 80er Jahren in die Schweiz. Alvas
Eltern wachsen in patriarchalen Verhältnissen
auf und durchleben eine sehr
strenge Erziehung. Diese wird auch in
der Schweiz weitergeführt. Körperliche
Gewalt ist Teil der Erziehung. Es gibt
Schläge vom Vater. In Alvas Therapie
stellt sich heraus, dass sie unter einer
posttraumatischen Belastungsstörung
(PTBS) leidet, die durch die häusliche
Gewalt ausgelöst wurde. PTBS kann nach
einem Ereignis entstehen, das das Leben
oder die Sicherheit einer Person gefährdet
und große Furcht auslöst. So zum
Beispiel Unfälle, Krieg oder eben wie bei
Alva häusliche Gewalt. Es ist ein Irrtum
zu glauben, nur Kriegsveteran*innen
würden unter PTBS leiden, wie Alvas
Geschichte zeigt.
Ihr Vater weiß nichts von Alvas
Therapie: „Ihn hat es fast zerrissen, als
26 / RAMBAZAMBA /
/ RAMBAZAMBA / 27
Dr. Roland_ Anzeige Biber_523x270
Körperliche Gewalt
ist Teil der Erziehung.
Es gibt Schläge
vom Vater.
Psycholog*innen reagieren: „Eltern
können eifersüchtig auf die Therapie
sein, weil die Kinder Hilfe bekommen und
sie nicht“, erklärt Karoline Eppensteiner.
„Trotzdem verzichten sie auf professionelle
Hilfe, weil sie Angst oder Scham
haben, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.
Es werden sehr schmerzhafte
Erfahrungen hochgeholt.“
Eppensteiner zufolge brauche es
einen sehr sicheren Raum und viel
Vertrauen, um über psychische Erkrankungen
zu sprechen. Es seien generell
eher Frauen, die Therapie beanspruchen:
„Da gibt es einen sichtbaren Unterschied
zwischen den Geschlechtern, da
es Frauen durch die Sozialisation eher
erlaubt wird über Gefühle zu sprechen
als Männern.“ Auch Alvas zwei ältere
Brüder gehen bislang nicht in Therapie,
obwohl sie sich aktiv mit ihr darüber
austauschen und sehen, wie sehr es
Alva bei der Aufarbeitung ihrer Erfahrungen
hilft. Besonders traumatische
Vorfälle können unaussprechlich sein
– also bloß nicht drüber sprechen und
alten Wunden aufreißen. Dabei wirkt das
Reden heilend, weil es dazu führen kann,
traumatische Erlebnisse handhabbar zu
machen.
auf ihrem Schoß sitzen. Meine Mutter
musste ja auch nicht für mich da sein,
weil meine älteren Geschwister für mich
da waren.“
Mit zwölf Jahren beginnt sie, sich
selbst zu ritzen und entwickelt Bulimie.
Als ihre Mutter sie eines Tages beim Ritzen
erwischt, sprüht sie ihr mit den Worten
„So wird es auch brennen, wenn du
in die Hölle kommst“ zur Strafe Desinfektionsmittel
in die Wunden. Ebenso wird
es in ihrer Familie als respektlos erachtet,
dass sie das Essen erbricht, wofür ihr
alleinverdienender Vater hart schuftet.
Für Nesrin kann es so nicht weitergehen.
Im Alter von 16 Jahren spricht sie mit
ihren Eltern und fordert eine Therapie.
Diagnose: Borderline. Die Krankheit entsteht
neben einer gewissen Veranlagung
durch kindliches Trauma und emotionale
Vernachlässigung. Selbstverletzung,
starke Stimmungsschwankungen und
Angst vor Verlassenwerden sind klassische
Symptome.
Auch in Nesrins Familie ist der Ruf
das Wichtigste, weshalb das eigentliche
Problem ihrer psychischen Erkrankung
ignoriert wird: „Ein Familienfreund sah
die Narben auf meinen Armen, weil ich
etwas Kurzärmeliges trug und sagte
vor meinen Eltern, dass mich ein Mann
so nie nehmen würde. Meine Mutter
rührte nur in ihrem Tee rum und niemand
sagte etwas.“ Nesrin muss schon
HÖCHSTE
ERFOLGSZAHL
ÖSTERREICHS
• AHS-Matura
• Berufsreifeprüfung
• Hauptschulabschluss
• Studienberechtigungsprüfung
• Sprachkurse, Latinum
• Fernunterricht
(Beginn jederzeit)
Beginn:
Frühjahr & Herbst
Luana macht eine sechsstündige Wanderung durch den Wald. Barfuß im Winter.
meine Schwester die Psychose hatte.
Meine Mutter hat ihm gesagt, dass er
die Schuld dafür trägt. Aber er kann
es nicht wahrhaben, weil es zu sehr
schmerzen würde. Deshalb weiß er auch
nicht von meiner Therapie.“ Tatsächlich
erschüttert Luanas Psychose die Familie
in ihren Grundfesten. Die Mutter sucht
seither mehr Halt in der Religion und liest
aus dem Koran. Alva sagt, ihre Eltern
bräuchten eigentlich die Therapie nach
der Kriegserfahrung im Kosovo und ihrer
strengen Erziehung, aber das Stigma und
die Angst vor Therapie seien zu groß:
„Mein größter Wunsch wäre es, dass
sich mein Vater bei uns entschuldigt. Ich
glaube, er versteht seine Fehler, kann
aber nicht darüber sprechen.“
MÄNNER SCHWEIGEN
MEHR ALS FRAUEN
Selbst wenn Familien über ihr Leid
schweigen, geben sie eine Atmosphäre
an ihre Kinder weiter. Angst, Überforderung
und Verdrängung können wortlos
vermittelt werden (siehe Infokasten
„Traumaweitergabe“). Es gibt viele
Gründe, warum Eltern misstrauisch auf
28 / RAMBAZAMBA /
„SO WIRD ES AUCH
BRENNEN, WENN DU IN
DIE HÖLLE KOMMST“
Nicht nur Alvas Familie ist von einem
unterdrückten Umgang mit Traumata
geprägt: Die 21-jährige Nesrin (Name
geändert) wächst als das dritte von vier
Kindern in einer Wohnbausiedlung in
Wien auf. Bereits vor der Flucht nach
Österreich werden die Eltern Zeugen von
unfassbarer Gewalt. Der Vater wächst
im Gazastreifen auf, die Mutter verliert
beim Bürgerkrieg in Ägypten ihren Vater.
Nesrin beschreibt das schwierige Verhältnis
zu ihrer Mutter: „Sie war nie da
für mich, ich konnte als Kind nicht einmal
Alvas Vater war gewalttätig. Heute geht sie in Therapie, um ihr Trauma zu verarbeiten.
Tel.: 01/523 14 88,
Neubaugasse 43
1070 Wien
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früh die Kultur ihrer traditionell muslimischen
Eltern und die Kultur Österreichs
ausbalancieren. Da sie als Jugendliche
selten aus dem Haus darf, verliert sie
den Anschluss zu ihren österreichischen
Bezugspersonen: „Mein Tagebuch war
wie ein Ersatz für all die Freunde, die ich
nicht hatte.“
SICH IMMER ZWISCHEN
DEN WELTEN BEWEGEN
MÜSSEN
Psychotherapeutin Karoline Eppensteiner
zufolge ist das Gefühl von Zugehörigkeit
und die Suche nach Identität ein elementarer
Bestandteil des Erwachsenwerdens.
Bei Menschen mit Migrationshintergrund
kann das allerdings noch eine spezielle
Konnotierung haben, da sie sich zwischen
den Welten bewegen. Je nach
In der Therapie werden schmerzhafte Erlebnisse
mit professioneller Hilfe aufgearbeitet.
Herkunft und sozialer Schicht machen sie
Diskriminierungserfahrungen und stehen
oft unter Erwartungsdruck. Zum einen
kann es den Erwartungsdruck der Familie
geben, zum anderen den der Anpassung
an die Gesellschaft. Therapie kann daher
auch sinnvoll für Menschen sein, die keine
akute psychische Erkrankung haben.
So überlegt sich auch die 26-jährige
Medina aus Kärnten eine Therapie
zu machen. In ihrer bosnischen Familie
übernahm sie die Erziehung ihres jüngeren
Bruders. Wertschätzung gab es für
diese Verantwortung wenig: „Ich weiß,
dass meinen Eltern die Zeit fehlte, weil
sie so viel arbeiten mussten. Die Frustration
und das Gefühl der Heimatlosigkeit
verstehe ich, aber meine persönliche
Entwicklung wurde beeinträchtigt. Ich
will mein Leben leben, ohne schlech-
tes Gewissen.“ Als Erste in der Familie
studiert Medina. Die Kommunikation in
ihrer Familie beschreibt sie als sehr aufgeladen:
„Es ist wie Psychoterror – so als
würde man beschossen werden und nie
wissen, wann die Bombe platzt. Jegliche
Kritik an meinen Eltern wird abgeschmettert“,
schildert die Architekturstudentin.
Erst vor kurzem realisierte Medina, dass
die Belastung von zuhause nicht gesund
ist und sie professionelle Hilfe braucht.
WER KANN SICH THERAPIE
ÜBERHAUPT LEISTEN?
In migrantischen Familien aus weniger
privilegierten Schichten ist nicht nur das
Tabu, sondern auch die Finanzierung
der Therapie ein Problem: „Wenn du als
Kind keinen Klavierunterricht bekommst,
dann bekommst du als Erwachsene auch
keine Therapie bezahlt. Pro Stunde zahlt
man zwischen 60 und 90 Euro“, sagt
Nesrin dazu (siehe Infokasten „Therapiekosten“).
Mittlerweile hat sich der Umgang mit
psychischen Erkrankungen in Nesrins
und Alvas Familie verbessert. Aber auch
nur, weil sie selbst mit dem Problem so
stark konfrontiert wurden, dass sie es
einfach nicht mehr verdrängen konnten.
Zwei Jahre sind nun vergangen, seitdem
Luana ihre Psychose hatte. Inzwischen
kann sie wieder arbeiten – etwas, was
ihre Familie im Winter 2017 nicht für
möglich gehalten hätte, als Luana barfuß
und verängstigt im Wald stand. ●
DARF
ICH VOR-
STELLEN?
Agenturfoto. Mit Model gestellt.
30 / RAMBAZAMBA /
THERAPIEKOSTEN:
In Österreich hängen die Kosten einer Psychotherapie
von der Übernahme der Krankenkasse
ab. Diese variieren nach Bundesland und nach
Vorliegen einer Diagnose. Dabei werden Teile
der Kosten übernommen, vollfinanzierte Psychotherapie
gibt es nur in kleinen Kontingenten. 50
Euro pro Stunde verdienen Therapiepraxen an
Kassenpatient*innen, weshalb es sich für Praxen
weniger rentiert Krankenkassenverträge anzunehmen.
In Deutschland sind es im Vergleich
dazu 100 €.
TRAUMAWEITERGABE:
Die Psychologie kennt das Phänomen der
transgenerationalen Traumaweitergabe.
Hierbei werden Traumata an folgende
Generationen weitergeben, ohne je ausgesprochen
zu werden. Ein Schmerz, der
in vorangegangenen Generationen erlebt
wurde, manifestiert sich in der DNA.
Beispiel: Eine Patientin hat immer wieder
das Gefühl, zu verbrennen und dann
stellt sich in der Therapie heraus, dass
ein Elternteil als Kind in einem Haus fast
verbrannt wäre, aber nie darüber gesprochen
hat.
Psychische Erkrankungen kommen auch
in Ihrem Umfeld vor. Das ist okay, Vorurteile
aber nicht. Ändern wir gemeinsam etwas
daran und starten das Gespräch:
Hilfe & Beratung in
psychischen Notlagen
01/31330
MEINUNG
High Class
Sozialporno
Kettenrauchende schwangere 14-jährige
Schulabbrecherinnen, Hartz
IV-Großfamilien, Messie-Wohnungen,
Fliesentische, Vokuhila-Mütter mit Ostberliner
Akzent, Floridsdorfer Proleten
mit Spitznamen wie „Spotzl“ - ob im
RTL-Vormittagsprogramm oder als
best-of-Assi auf Youtube: Sendungen
über den sozialen Abgrund ziehen einfach.
Wir Menschen lieben es anscheinend,
uns an der Unterlegenheit,
Dummheit und Unwissenheit anderer
zu erquicken. Ist das in Zeiten unserer
woken Instagram-Bubble überhaupt
noch gestattet? Nö – auf Keeping Up
With The Kardashians kann man sich
aber noch einigen, das ist ja sowas wie
High-Class-Assi-TV. Money is Power.
Die wissen ganz genau, was sie da
tun, im Gegenteil zu Teenager Werden
Mütter-Protagonisten, die neben dem
bisschen Fame noch an ihre Existenz
denken. Übrigens: TWM-Held Marcel
wird dieses Jahr zum fünften Mal
Vater – steht also zumindest in puncto
Nachwuchs und Selbstdarstellung
dem Kardashian-Jenner-Clan in nichts
nach. Das Imperium könnte noch folgen.
Die notwendige Reichweite hat er
dank Einschaltquoten ja bald.
tulej@dasbiber.at
LIFE & STYLE
Mache mir die Welt,
wie sie mir gefällt
Aleksandra Tulej
Wellness-Tipp
GUTES
HÄNDCHEN
Gut gegen rissige Winter-Hände:
Die neue CICA Handmaske von
Neutrogena repariert raue, strapazierte
Hände in 10 Minuten.
Einfach wie Handschuhe
anziehen,
einwirken lassen
und schon
fühlt sich
die Haut viel
geschmeidiger
und weicher
an. Ca 3,99 €.
Butter-Tipp
FUTTER FÜR
DIE HAUT
Mein absoluter Favorit diesen
Winter: Die „Skin Food“ Linie
von Weleda. Besonders gern
ALEKS BEAUTY FAIL
Ich mag Beauty-Produkte ja an sich.
Aber sie mögen mich nicht unbedingt zurück.
Lipstick-Tipp
STABILE LIPPE
Ich hatte immer Respekt vor Lippenstiften
– bei meinen nicht vorhandenen Make-up-
Skills ist die Gefahr, dass es mehr schlecht
als recht aussieht, einfach zu hoch. Einer hat
mich jetzt aber doch überzeugt. Ich durfte
einen Lippenstift der neuen Rouge Volupte
Rock’n Shine Linie von Yves Saint
Laurent testen und
ich glaub, ich bin ein
bisschen verliebt:
geile Verpackung,
guter Geruch,
subtile Farbe, sexy
Schimmer – und
vor allem: Er hält,
auch wenn man sich
ständig die Lippen
abschlecken will.
Genau nach meinem
Geschmack, im
wahrsten Sinne.
Gesehen im Handel
um ca 37 €
habe ich die Skin Food Body
Butter – Sie spendet extrem
viel Feuchtigkeit, zieht gut ein
und hat einen beruhigenden
Calendula- und Kamille-
Geruch, der auch lange anhält.
So eingeschmiert kann ich in
jeden noch so trüben Wintermorgen
starten .Ca 13 €
Diesmal:
Make-up à la Jersey Shore.
Mein Gesicht gibt’s nur in zwei Ausführungen:
Entweder ich habe Falten unter den Augen wie
ein 70-Jähriger Mann mit schwieriger Vorgeschichte
oder ich versuche diese verzweifelt
mit viel hellem Concealer zu überschminken
und sehe im Endeffekt aus wie Snooki aus
Jersey Shore circa 2009. Und wie besagt das
alte Sprichwort: Wer zu hellen Concealer verwendet,
braucht zu dunkle Foundation dazu.
Ich spare immer noch auf mein Eye-Lifting,
derweil muss ich mein Snooki-Antlitz wohl
embracen.
Yves Saint Laurent/L’oreal, Weleda, Neutrogena, theplace.ru, Marko Mestrović
STRENG, STRENGER,
POLNISCHE ELTERN
Während die Mutter meines österreichischen
Exfreundes mit uns
Joints rauchte, gaben mir meine
polnischen Eltern nicht mehr als fünf
Euro zum Fortgehen. Sonst würde ich
mir damit ja noch Drogen kaufen.
Von Natalia Anders, Foto: Zoe Opratko
C
32 / MIT SCHARF /
/ RAMBAZAMBA / 33
Florian und Caroline freuten
sich über eine Vier auf die
Matheschularbeit. Ich fürchtete
mich bei derselben Note
vor enttäuschten Blicken von Mama
und Tata (poln. Papa). Auch wusste ich,
dass mich im Anschluss ein Nachhilfemarathon
mit Jenny, meiner damaligen
Nachhilfelehrerin erwartet. Fünf Wochen
später bekam ich die nächste Schularbeit
meines Hassfachs zurück, freute
mich über eine Drei und übermittelte die
frohe Botschaft gleich zuhause: ”Super
Kochanie (poln. Schatz), dann kannst du
bei der nächsten Schularbeit ja endlich
eine Zwei oder Eins schreiben!”, so Tata.
Ja, meine Eltern sind schwer zufriedenzustellen
….
MAMAS/DZIADEKS/
TATAS TRAUM
WEITERLEBEN
2012. Samstagmorgen, Schwimmwettkampf,
zu dem mich meine Mutter
gezwungen hat, hinzugehen. Sport
war und ist nie meine Stärke gewesen,
aber meinen Eltern war es wichtig, dass
meine Schwester und ich bis wir 16
waren regelmäßig zum Schwimmtraining
gehen. Schließlich war Dziadek (poln.
Opa) Olympiaschwimmer und wäre mega
enttäuscht, wenn seine Nachkommen
den den Sport nicht genauso lieben
würden wie er. Dass mein Opa vor über
fünfzig Jahren einmal bei den Olympischen
Spielen mitgeschwommen ist,
wird heute noch oft und gerne erzählt.
Leider war ich dem Traum von Opa nicht
gewachsen und verpasste gleich zwei
von drei meiner Starts, weil ich mich mit
meinen Freundinnen verquatscht habe.
Wer grade was mit wem am laufen hat,
fand Mama jedoch weniger interessant
und drohte mir, nach dem Wettkampf
nicht wie gewohnt zum Mäci zu gehen.
(Ist zum Glück eh nicht passiert…)
Neben der Schwimmwettkämpfe
haben meine kleine Schwester Veronika
und ich auch diverse Instrumente
ausprobieren müssen, Tanzkurse besucht
oder Volleyball und Basketball gespielt.
Mama findet nämlich Musik und Ballspiele
aufregend. Da Tata täglich Ö1 hört
und gerne einen auf intellektuell macht,
standen Schreibwerkstätte, wöchentliche
Museumsführungen und Malkurse auf
dem Programm. Heute kann ich weder
im Rhythmus klatschen, noch einen Ball
mit beiden Händen fangen, but thanks
for trying.
LÜGEN, RÜGEN UND
ANGEBEREI
2008. Mama holt mich von der Schule
ab. Als ich ihr entgegenkomme, spricht
sie gerade mit der Mutter meines polnischen
Schulkollegen.
“Paweł hat gestern eine Eins auf die
Deutschschularbeit geschrieben und die
Lehrerin hat ihn in der Sprechstunde nur
gelobt”, so Pawełs Mutter. “Natalia und
Veronika schwimmen jetzt im besten
Verein Wiens, ihre Trainerin meinte
sogar, dass sie das Talent im Blut haben.
Genauso wie ihr Dziadek, der ja Olympiaschwimmer
war (let’s not forget)”,
konterte meine Mama.
Im Auto angekommen fingen dann
die Vorwürfe wieder an: “Natalia, wusstest
du, dass Paweł eine Eins in Deutsch
hat? Ich dachte eigentlich, du wärst das
polnische Wunderkind der Schule, wir
müssen dich doch nochmal in die Nachhilfe
schicken.”
Ganz zu schweigen davon, dass
Paweł eine Frühwarnung in Deutsch
hatte und meine Schwester und ich zu
der Zeit das Schwimmen genauso wie
den aufgezwungenen Zitherunterricht
hassten.
diengangs, Journalismus, hat?” Ach
Mama! Dass ich nicht Journalismus
studiere, habe ich ihr schon mindestens
zwanzig Mal erzählt. Auch, dass
man nicht überprüfen kann, welche*r
Student*in die besten Noten schreibt.
Ganz zu schweigen davon, dass mein
Notendurchschnitt von dem eines/r
Einserstudent*in genauso weit entfernt
ist, wie Warschau von Wladiwostok.
2019. Dienstagnachmittag im
Dezember. Ich rufe meine Mama an
und erzähle ihr stolz, dass ich den
Praktikumsplatz bei Biber bekommen
habe. “Super Kochanie (poln. Schatz),
aber wann machst du endlich den
Führerschein fertig?” ●
„Wir dachten eigentlich,
du wärst das polnische
Wunderkind der Schule“
Foto: Johannes Zinner
ZIGARETTEN,
TUMBLR UND TATAS
PROPHEZEIUNGEN
Doch der Erziehungsstil meiner Eltern
hielt nicht ewig. Je älter ich wurde, desto
wichtiger waren mir Zigaretten, Tumblr
und perfekte Augenbrauen. Als Tata das
erste Mal ein Tschickpackerl in meiner
Tasche fand, gab er dann komplett
auf: “Am besten, wir schicken dich zu
Dziadek nach Polen, damit du bei Tesco
als Kassiererin arbeitest. Dort kannst du
dann gerne deine Marlboro Rot rauchen.”
Selbst nachdem ich ausgezogen bin
und angefangen habe zu arbeiten und
studieren, änderten sich Mama und Tata
nicht. Mittlerweile glaube ich kaum, dass
das je passieren wird.
2018. Sommerurlaub in Polen,
Instantcoffeetalk bei Ciocia (poln. Tante).
“Wusstest du schon, dass Natalia
den besten Notendurchschnitt ihres Stu-
„Ich bin einer von 14.000,
die an der VHS einen
Bildungsabschluss nachholen.“
Patrick, Berufsreifeprüfung
DAS LEBEN FORDERT,
WIEN FÖRDERT!
Die genannte Zahl bezieht sich auf die vergangenen fünf Jahre.
34 / RAMBAZAMBA /
Bildung
und Jugend
BILDUNG FÜR ALLE www.vhs.at
Jori, 16 Enya, 18
WHITE DAYS FOR FUTURE?
Bio-Fleisch kaufen oder vegan
leben, mit bedruckten Jutebeuteln
in den Zero-Waste-Laden
hineinspazieren und Schilder für
die kommende Demo basteln. Ist
die Klimabewegung Fridays for
Future nur für die weiße Elite?
Von Elena Bavandpoori, Fotos: Soza Jan
Das ist vielleicht ein Klischee,
aber auf der Demo habe ich
viel mehr typisch österreichische
Leute gesehen. Da
waren kaum migrantisch aussehende
Menschen“, sagt der 19-jährige Schüler
Mohammed. Mit Freundinnen entspannt
er auf buntbemalten Sitzgelegenheiten
vorm Lessinggymnasium. Es ist Freitag.
Zur geplanten Fridays for Future-Demo
geht er nicht.
Mohammed hat nicht unrecht: Laut
einer Studie des Instituts für Protestund
Bewegungsforschung (ipb) gaben
nur 17% der Demo-Teilnehmenden von
Fridays for Future an, einen Migrationshintergrund
zu haben. In Österreich hat
aber jede vierte Person einen Migrationshintergrund,
in Wien sogar jede
zweite. Wie kommt es zu dieser Kluft?
Nina Wienkoop ist Vorstandsmitglied
vom ipb und Mitarbeiterin beim Deutschen
Zentrum für Integrations- und
Migrationsforschung (DeZIM). Sie sieht
das Problem der Diversität generell bei
jungen Umweltorganisationen: „Es fängt
erst jetzt an, dass diverse Stimmen
hörbar gemacht werden, aber Klimabewegungen
gibt es schon sehr lange. Wir
sehen einen Anstieg an Berichterstattung
über das Verhältnis von Diversität und
Klima, seitdem Vanessa Nakate aus dem
Foto geschnitten wurde.“
BIST DU SCHWARZ, WIRST
DU RAUSGESCHNITTEN
Zur Erinnerung: Die ugandische Klimaaktivistin
Vanessa Nakate wurde von der
Fotoagentur Associated Press aus einem
Foto vom Weltwirtschaftsforum 2020 in
Davos rausgeschnitten. Das sorgte für
heftige Kritik, Rassismusvorwürfe standen
im Raum. Denn sie war die einzige
nicht-weiße Aktivistin auf dem Bild. Es
ist nicht das erste Mal, dass Rassismus
mit der Klimabewegung in Verbindung
gebracht wird: Berliner Rapper Chefket
bezeichnet die Fridays for Future-
Bewegung als „White Days for Future“,
nachdem er von einem geplanten
Benefizkonzert im Mai 2019 wieder ausgeladen
wurde. Grund: Auf dem Remix
„Nicht die Faust
heben, sondern den
Menschen die Hand
reichen.“
seines Songs „Rap & Soul“ ist Xatar
dabei, ein „Bad Boy“ des deutschen
Raps mit krimineller Vergangenheit. Für
die FFF Ortsgruppe Berlin sei das ethisch
nicht vertretbar gewesen.
Während Mohammed vor der Schule
sitzt, steht die Wiener Ortsgruppe von
Fridays for Future protestierend unter
dem Heldentor. An diesem regnerischen
Nachmittag können sich alle
Interessent*innen mit den „Scientists for
Future“ unterhalten und sich informieren.
Teil der Ortsgruppe Wien sind Jori, Anna,
Adrian und Simon.
Die 17-jährige Anna findet es nicht
verwunderlich, dass wenige Menschen
mit Migrationshintergrund bei den Demos
vertreten sind: „Wenn du mit akuten
Benachteiligungen wie Rassismus zu
kämpfen hast, dann ist es verständlich,
dass das Klima keine Priorität in deinem
Leben ist.“ Ihre Eltern kommen aus
Weißrussland, sie hat nicht die österreichische
Staatsbürgerschaft. Aus Angst
vor Polizeigewalt und um rechtlich nicht
negativ aufzufallen, bleibt Anna daher
den Protesten der „Extinction Rebellion“-
Gruppe fern. „Extinction Rebellion“ ist
bekannt für Aktionen des zivilen Ungehorsams,
Straßenblockaden und Konfrontation
mit der Polizei.
ZEIT, GELD UND WISSEN
ALS WICHTIGSTE
RESSOURCEN
Protestforscherin Nina Wienkoop betont
zudem, dass Ressourcen wichtig seien,
um an Klimademos teilzunehmen: „Zeit
und Geld spielen eine Rolle, wenn es
um klimafreundliches Leben, Teilnahme
an den Protesten und ehrenamtliches
Engagement allgemein geht. Auch die
Vertrautheit mit dem Thema ist wichtig,
zum Beispiel bei vorausgesetztem Vokabular
und Wissen.“ Fossile, Biodiversität,
Klimagerechtigkeit. Was heißt das alles
eigentlich? Anna weiß, dass schweres
Vokabular Menschen abschrecken
kann: „Sprache ist eines der größten
Probleme, die uns beschäftigen. Wir
machen uns immer Gedanken darüber,
welche Begriffe wir voraussetzen können
und welche Sprüche verständlich sind.“
Auch Adrian von der Ortsgruppe Wien,
25 Jahre alt, hat anfangs nicht alles
verstanden. Jedoch konnte er seinem
Interesse durch das kostenlose Angebot
im Internet nachgehen und sich ausgiebig
von den „Scientists for Future“
informieren lassen.
Allerdings kann sich Interesse nur
dann entwickeln, wenn es schon Zugang
zum Thema gibt. Um Brücken zu anderen
Gemeinden zu bauen, hat FFF Wien eine
Arbeitsgruppe namens „Religions for
Future“. Die Gruppe tritt mit Menschen
aus verschiedenen Glaubensrichtungen
in Kontakt, um den Zugang zur Klimabewegung
zu erleichtern. Simon, 18, leitet
die Arbeitsgruppe und sagt dazu: „Nicht
die Faust heben, sondern den Menschen
die Hand reichen. Wenn wir uns
abkapseln, lösen wir die Klimakrise nicht.
Heute habe ich mich mit einem serbisch-
Adrian, 25 Anna, 17
/ RAMBAZAMBA / 37
Mohammed, 19, beklagt mangelnde
Vorbilder für Schüler*innen mit
Migrationsbiografie
„Wir machen uns
immer Gedanken
darüber, welche
Begriffe wir
voraussetzen können.“
orthodoxen Bischof getroffen, der voll
von unserem Ziel überzeugt war.“
WIE WAR DAS NOCHMAL
MIT DEM KOLONIALISMUS?
Laut Nina Wienkoop ist an der Fridays
for Future-Bewegung die mangelnde
Auseinandersetzung mit sich selbst zu
kritisieren: „Die Bewegung betont vorrangig
zukünftige Folgeschäden in einer
sogenannten 5 vor 12 Rhetorik. Dabei ist
der Klimawandel schon längst im Gange,
vor allem im Globalen Süden. Hier zeigen
sich koloniale Machtstrukturen und eurozentristische
Perspektiven“. Der ach so
ferne Kolonialismus, die Besitzergreifung
von Ländern und die blutige Ausbeutung
einheimischer Völker. Kein Thema mehr?
Oh doch! Um die europäische Wirtschaftsmacht
auszuweiten und das kapitalistische
System zu garantieren, leiden
Länder des Globalen Südens. Unkontrollierter
Bergbau in Kongo, Rohstoffraub
für unsere Smartphones, Vertreibung
indigener Menschen in Brasilien wegen
Abholzung. Die Klimakatastrophe wirkt
sich in der Welt ungleich aus.
Wenn also People of Color deutlich
stärker von der Klimakatastrophe bedroht
sind, warum denken wir beim Klima
zuerst an Greta Thunberg oder Luisa
Neubauer? Mohammed kommt dazu ein
bedrückender Gedanke: „Ich weiß ehrlich
gesagt nicht, wie sehr Menschen einer
dunkelhäutigen Person folgen würden.
Unsere Gesellschaft orientiert sich nicht
an solchen Leuten als Vorbilder.“ An
seiner Aussage wird deutlich, wie sehr
sich heute noch Postkolonialismus und
rassistische Hierarchien auf Menschen
auswirken. Nina Wienkoop sieht das
Problem ebenfalls in der Sichtbarkeit: „Es
gibt extrem viel Engagement von Menschen
mit Migrationsbiografien, aber die
Berichterstattung darüber ist zu wenig.
Es wird primär von den Massendemos
von Fridays for Future gesprochen, deutlich
seltener aber über diversen Klimaaktivismus
wie von ,BPoC Environmental
and Climate Justice Collective´.“
ZUGANG DURCH SCHULE
UND GLEICHALTRIGE
VORBILDER
Es braucht mehr Sichtbarkeit und Zugang
für Menschen mit wenig Ressourcen. In
erster Linie gelingt das durch Bildung.
Das Thema Klima wird an der Schule des
16-jährigen Jori sehr gefördert. Er bekam
sogar eine Freistellung vom Direktor,
um mit dem Zug zur Klimakonferenz zu
fahren. Damit ist seine Schule allerdings
eine Ausnahme. Eine von Mohammeds
Freundinnen, die 18-jährige Enya, merkt
an: „An unserer Schule ist das absolut
kein Thema. Zwischen uns Schülern wird
das besprochen, aber im Unterricht gar
nicht. Wir müssen selbst anfragen, wenn
wir in den Klassen Müll trennen wollen.
Nur sehr engagierte Lehrer reden über
das Klima und Fridays for Future. Wir
sollen freitags zur Schule gehen, nicht
demonstrieren.“
Die Klimakrise ist kein Teil des
Lehrplans. Dabei wäre die Schule ein
FFF Ortsgruppe Wien im Gespräch mit Biber-
Autorin Elena Bavandpoori
wichtiger Zugang. FFF Wien hat eine Gruppe zur
Klimabildung, die versucht, dass das Bildungsministerium
in Schulbüchern Kapitel zur Klimakrise
einführt. Nina Wienkoop fordert, dass
Klima an allen Schulformen thematisiert wird:
„Die Studie vom ipb hat gezeigt, dass nur 5%
der deutschen Teilnehmenden von Realschulen
kamen. Das sind genauso viele, wie Teilnehmende
mit Doktortitel. Zur Hauptschule gingen,
laut eigener Angabe, unter 1% der Befragten.“
(Anm. d. Red.: Realschulen in Deutschland sind
im Bildungssystem zwischen der NMS und AHS
in Österreich einzustufen.)
Über die Schule könnte sowohl das Problem
des fehlenden Know-Hows gelöst, als auch der
Mehrwert von ehrenamtlichem Engagement
gelehrt werden. Auch Altergenoss*innen, die
sogenannte Peer Group, sind ein wichtiger
Bezugspunkt, um zum Protest zu mobilisieren.
Daher empfiehlt Nina Wienkoop, dass bereits
engagierte Personen mit Migrationshintergrund
mit Leuten aus ihrer Community sprechen. So
könnte z.B. eine junge, schwarze Klimaaktivistin
mit Mohammed sprechen und ihm zeigen, dass
es doch Vorbilder in der Bewegung gibt, die sich
mit ihm identifizieren. Dann sehen wir Mohammed
vielleicht auch künftig auf einer Demonstration.
Bislang bleibt Klimaprotest aber noch
weitestgehend eine Sache der Eigeninitiative. ●
Die f
leischlo
s e Kolumne von Zina Sayed
BEZAHLTE ANZEIGE
Schöner als Döner
Salome Dorner
EINE FRUCHT
NAMENS JACK
Schon einmal von Jackfruit gehört? Das soll der heißeste
neue Trend unter Vegetariern und Veganern sein. Die
tropische Frucht kommt aus Südindien, wächst auf 20 Meter
hohen Bäumen und sieht aus wie ein übergroßes, grünes,
außerirdisches Ei mit vielen kleinen Stacheln drauf. Foodblogger
schwören auf die Frucht, die in Konsistenz und
Geschmack Fleisch sehr nahekommen soll. Deshalb habe
ich mir bei SPAR-Gourmet eine Dose Lotao Jackfruit besorgt
und sie auf die Probe gestellt. Zum Beispiel in einem simplen
Kokosmilch-Curry. Innerhalb einer halben Stunde gezaubert
ist es nicht nur sättigend und gesund, sondern auch ziemlich
flexibel, was die Zutaten betrifft. Schaut in den Kühlschrank:
Karotten, Zucchini, Brokkoli, Tiefkühlerbsen - jegliche Gemüsereste
erleben in einem gut gewürzten Curry einen mehr
als würdevollen Abschied. Die Jackfruit-Stückchen habe ich
gleich zu Beginn mit einer gewürfelten Zwiebel angeröstet
und dann wie gewohnt das gelbe Kokoscurry mit Gemüse
gekocht. Das Endergebnis konnte sich sehen (und schmecken)
lassen! Die sehnige Jackfruit sah optisch aus wie
Kalbsgulasch, nahm den Geschmack des Currys super an und
überzeugte sogar eine eingefleischte Fleischesserin wie mich.
Mahlzeit!
„Pulled Jackfruit“ im Kokoscurry als Fleischalternative
Präsentiert von
© SPAR/Grabner
38 / RAMBAZAMBA /
MEINUNG
Es gibt ihn,
den Sexismus
Unsere Integrations- und Frauenministerin
Susanne Raab meint, sie hat am Arbeitsplatz
noch nie Sexismus erlebt. Dazu kann ich
nur sagen: Gratulation! Das spiegelt aber
leider nicht die Realität wider. Jede Frau
ist im Laufe ihres Lebens in irgendeiner
Form von Sexismus betroffen, ob nun in
der Schule, am Arbeitsplatz, auf der Straße
oder in der Familie. Doch vor allem im Job
erleben wir nach wie vor Diskriminierungen,
Diffamierungen und sexuelle Belästigung:
Frauen werden schlechter bezahlt, sind in
niedrigeren Positionen, haben geringere
Aufstiegschancen oder werden schon beim
Bewerbungsgespräch nach potenziellen
Schwangerschaften gefragt. Sexismus am
Arbeitsplatz betrifft in Österreich jede Branche
und alle Positionen. Umso erstaunlicher
ist es, dass sich unsere Frauenministerin
nicht als Feministin bezeichnen will. Raab
meint, man müsse sich als Frau in Führungspositionen
schon behaupten. Diese Aussage
vermittelt bereits jungen Mädchen, dass sie
sich in unserer patriarchalisch geprägten
Gesellschaft zurechtfinden müssen, anstatt
gegen die strukturellen Probleme von Sexismus
anzukämpfen. Für Raab sei jedenfalls
eine Gleichstellungspolitik das Ziel. Wer
allerdings für die Gleichstellung von Frauen
und Männern kämpft, ist nichts anderes als
eine Feministin. Ob man es will oder nicht.
jandrisevits@dasbiber.at
KARRIERE & KOHLE
Para gut, alles gut
Von Anna Jandrisevits
FOMO
(„FEAR OF MISSING OUT“)
WAR GESTERN!
Studium oder Matura hättest
du schon gern, weißt
aber nicht recht, wie du dazu
kommst? Keine Panik! Bei den
Wiener Volkshochschulen
kannst du verschiedene Bildungsabschlüsse
nachholen.
Egal ob Pflichtschulabschluss,
Berufsreifeprüfung oder Studienberechtigungsprüfung
– hier
findet jede*r den richtigen
Abschluss für sich.
Unter www.vhs.at findest du
alle Antworten zu Fragen rund
um Einstufungstests, Übungskurse
und Formalitäten.
Komm, lass mal Abschluss
machen jetzt.
Wie kriege ich den Job?
Hier sind 3 Dinge, auf die es beim
Bewerbungsgespräch ankommt:
● Selbstbewusstsein: Wieso
sollte jemand von dir überzeugt
sein, wenn du es selbst nicht bist?
Wer sich mit den eigenen Stärken
vertraut macht, kann diese auch im
Bewerbungsgespräch vermitteln.
Selbstverständliche Eigenschaften
wie „Zuverlässigkeit“ sollten aber
nicht hervorstechen – eher auf
Außergewöhnliches setzen, das dem
Gegenüber in Erinnerung bleibt.
● Vorwissen: Man sollte sich im
Vorfeld nicht nur mit sich selbst,
sondern auch mit dem Unternehmen,
für das man arbeiten will,
beschäftigen. Was liegt den Vor-
Podcast des
Monats:
HOW TO HACK
VON BUSINESS PUNK
Podcasts gibt es zwar schon im
Überfluss, manche sind aber perfekt
zur Weiterbildung. Für den Weg zur
Arbeit & Co., kann ich den Podcast
„How to Hack“
vom deutschen
Wirtschaftsmagazin
Business
Punk empfehlen.
Hier spricht die
Moderatorin
Tijen Onaran mit
erfolgreichen
UnternehmerInnen,
GründerInnen
und
Kreativen über Tipps und Hacks
rund um das Arbeitsleben. Themen
wie Finanzierung und Produktivität
stehen ebenso auf der Agenda wie
Self-Branding und Diversität.
Für das nächste Bewerbungsgespräch
gesetzten am Herzen, was bieten
sie und wie präsentieren sich ihre
MitarbeiterInnen? Ein allgemeines
Know-How über die Firma schützt
vor der peinlichen Stille, wenn man
auf solche Fragen keine Antworten
weiß.
● Ehrlichkeit: Wer den zukünftigen
Vorgesetzten etwas vorgaukelt,
wird spätestens nach der ersten
Arbeitswoche gegen die Wand
fahren. Es bringt weder dir noch
dem Unternehmen etwas, wenn
du mit erlogenen Fähigkeiten deine
Persönlichkeit verfälschst. Auch mal
zugeben, dass man besser im Team
arbeitet oder zu ungeduldig ist.
Nobody’s perfect – hat uns schon
Hannah Montana gelehrt.
Business Punk, Brookie Cagle/unsplash.com, cowomen/unsplash.com, Jonathan Borba/unsplash.com, Marko Mestrović
Alle reden von der Zukunft: Siemens entwickelt sie.
Jetzt mit Kombi aus Studium und Lehre durchstarten.
Eine Lehre nach der Matura ist in Österreich
noch immer mehr Ausnahme
statt Regel: Während in Deutschland über
25 Prozent aller Abiturienten eine Lehre
beginnen, sind es in Österreich nur rund
2 Prozent der Maturanten. Mit unseren
Ausbildungsgängen bieten wir dir einen
direkten Einstieg in spannende Arbeitsgebiete.
Wenn du auf ein Studium nicht
verzichten willst, aber gleichzeitig auch die
Praxis erleben möchtest, steigst du bei uns
am besten ins duale Studium ein.
Österreichs erster ausbildungsintegrierter
Studiengang
Bist du bereit, die Zukunft
mitzugestalten?
Jetzt mit dem Dualen Studium durchstarten.
Die Kooperation zwischen Siemens und der
Fachhochschule St. Pölten bietet für AHS-
Absolventen den österreichweit ersten ausbildungsintegrierten
Studiengang „Smart
Engineering“ an. Parallel zum Studium absolvierst
du bei Siemens die praktische Ausbildung
zum Elektrotechniker. Nach sieben
Semestern stehen dir mit dem Bachelor of
Science in Engineering und einem Lehrabschluss
mit starkem Digitalisierungsschwerpunkt
alle Türen offen. Du übernimmst Verantwortung,
lernst eigene Entscheidungen
zu treffen und treibst mit uns innovative
Projekte voran.Während der Ausbildung
liegt der Fokus auf Konzeption, Entwicklung
und Umsetzung von Technologien und
Prozessen innerhalb der Industrie 4.0.
Klassische technische Disziplinen wie
Maschinenbau und Elektrotechnik werden im
Zeitalter der Digitalisierung mit modernem
Know-How der Mensch-Maschine-Interaktion
und Industrial Security verbunden.
Beste Zukunftsaussichten für
Fachkräfte
Um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern
bietet Siemens als österreichweit
erstes Unternehmen die Lehre mit Studium
an und bietet so den Auszubildenden beste
Zukunftsaussichten und die richtigen Kompetenzen
für einen perfekten Start ins
Berufsleben.
Weitere Informationen findest du auf
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Mit Siemens zum Bachelor
Während du an der FH St. Pölten
deinen Bachelor im Studiengang
„IT Security“ oder „Smart Engineering“
absolvierst, machst du bei
Siemens die praktische Ausbildung
zum/zur ApplikationsentwicklerIn
bzw. ElektrotechnikerIn. So hast du
nach 7 Semestern gleich zwei
Abschlüsse in der Tasche:
Du bist Bachelor of Science und
hast einen Lehrabschluss. Danach
stehen dir alle Türen offen.
siemens.at/ausbildung
40 / KARRIERE /
Just The BeSt³
Was will ich eigentlich mit meinem Leben machen? Eine mögliche
Antwort findest du von 5. bis 8. März 2020 auf der BeSt³ in der
Wiener Stadthalle. Rund 350 Stände aus dem In- und Ausland
und viele Vorträge und Workshops bieten dir einen Einblick in
verschiedene Karrierewege. Studieren an der Uni oder FH, doch eine
Lehre oder erstmal ein FSJ? Vier Tage lang kannst du das kostenlose
Informationsangebot zum Thema Beruf, Studium und Weiterbildung
nutzen, um deine Zukunft zu planen. Wir haben dir aber schon eine
kleine Auswahl zusammengestellt:
DONNERSTAG,
05. MÄRZ 2020
10:00
Passende Stipendien finden und
sich erfolgreich bewerben
Viele wissen nicht, dass sie sich ihr
Studium mit Stipendien finanzieren
können. In diesem Vortrag gibt es
Empfehlungen, Tipps und Tricks zum
passenden Stipendium und zur Bewerbung.
Vortragssaal 2
12:15
„Nix wie weg“ –
Auslandsaufenthalte für junge Leute
Du möchtest nach der Matura oder
während der Ausbildung ins Ausland?
In diesem Workshop findest du eine
Vielzahl an Möglichkeiten und Hilfe bei
der Planung.
Workshopraum 1*
14:45
Traumjob? Journalismus!
Du würdest gerne im Journalismus
einsteigen oder du willst einfach mehr
darüber erfahren? Presse-Journalist
Michael Köttritsch beantwortet dir Fragen
zu Ausbildung, Jobchancen und
Berufsalltag.
Workshop*
FREITAG
06. MÄRZ 2020
12:15
Crashkurs Journalismus
Du schreibst gerne und stellst kritische
und freche Fragen? Dann komm zum
Biber-Workshop mit unserem stellvertretenden
Chefredakteur Amar Rajković!
Workshop*
14:00
Work&Travel und Freiwilligenarbeit
Willst du in die weite Welt, weißt aber
noch nicht mit welchem Programm?
Informiere dich über deine Chancen im
Ausland von Neuseeland bis Lateinamerika.
Vortragssaal 2
15:20
„Neue Jobchancen für Frauen in
Handwerk und Technik“
Als Frau in einen handwerklichen Beruf?
Immer noch nicht so üblich, aber es wird
Zeit! Wie sich neue Chancen für Frauen
ergeben, erfährst du hier.
Vortragssaal 2
*Aufgepasst!
Für Workshops musst du dich frühzeitig auf der BeSt³-Webseite anmelden.
SAMSTAG
07. MÄRZ 2020
12:15
Schreibworkshop: Writers‘ Tricks
In diesem Workshop kannst du in den
Schreibfluss eintauchen und dich kreativ
ausdrücken.
Workshop*
13:20
Es geht um unsere Zukunft
Du willst im Feld der Nachhaltigkeit
und Energieversorgung arbeiten?
Mehr zu Jobperspektiven in Zeiten des
Klimawandels hier.
Vortragssaal 3
14:00
Die Seele heilen – Psychotherapie als
Beruf
Überlegst du, Psychologie zu studieren
oder als Therapeut*in zu arbeiten? In
diesem Vortrag findest du alles zur
Ausbildung und zu möglichen Arbeitsfeldern
und Berufschancen.
Vortragssaal 3
SONNTAG
08. MÄRZ 2020
12:00
Untypisch studieren
Du bist die erste Person in deiner
Familie, die studieren will? Du willst
nicht das studieren, was dir deine
Eltern vorschreiben? Schau hier vorbei!
Vortragssaal 3
13:30
Schauspieler/in werden
In einem praktischen Workshop
Einblick in den Traumberuf
Schauspieler*in erhalten und die Ausund
Weiterbildungsmöglichkeiten der
SCHULE DES THEATERS kennenlernen.
Workshop*
Zoe Opratko
Mit 18 die Schule fertiggemacht. Mit 19 verzweifelt.
Mit 20 die beste Entscheidung fürs Studium
getroffen. Schon in jungen Jahren wusste ich, dass
es für mich in den Journalismus gehen soll. Aber
ich entschied mich gegen ein Journalismus-Studium.
Ich wollte mich nicht gleich auf einen Beruf festnageln,
sondern in meinen frühen 20ern in mehrere Bereiche reinschnuppern.
Daher entschloss ich mich zu etwas, bei dem
mich meine Eltern bis heute fragen „Was genau hast du da
eigentlich gemacht?“
Studium: Medienkunst. An meiner Uni war ich der zweite
Jahrgang überhaupt. Der Studiengang war ein Experiment
von Dozierenden, die sich aus verschiedenen Fachrichtungen
zusammengetan hatten, um ein wildes und offenes Studium zu
kreieren. Ein bisschen Medienwissenschaft, ein bisschen Pädagogik,
ein bisschen Kunst. Für mich war es ideal. Ich suchte die
Freiheit im Studium und bekam sie. Filme drehen, fotografieren,
die Wirkung von Medien auf Kinder analysieren, viel diskutieren
und kritisch reflektieren, was uns in den Medien und
Studium ohne Qual.
Von Elena Bavandpoori
in der Kunst begegnet. Es war die pure Kreativität
– ohne den Anspruch an theoretische Genauigkeit
zu verlieren. Zugegeben: es ist ein „irgendwas mit
Medien“-Studium.
Nicht für jede Person war es das richtige, aber der
interdisziplinäre Aspekt eröffnete mir eine bis dahin noch
unentdeckte Leidenschaft: die Kunst. Also vielleicht ist es gar
nicht so verkehrt, einen Studiengang zu wählen, wo man erstmal
keine konkreten Berufsaussichten hat und bei dem man
sich etwas treiben lassen kann. Klassische Studiengänge wie
Jura, Medizin und BWL wird es immer geben. Aber wir gönnen
uns selbst viel zu wenig Zeit, um einfach mal zu entdecken und
auszuprobieren.
Deshalb mein Plädoyer: Wenn ihr könnt, nehmt euch die
Zeit und experimentiert herum. Ihr müsst nicht den geraden
Weg gehen, der ist eh langweilig. Geht euren Weg, auch wenn
das heißt, dass ihr hundertmal erklären müsst, was ihr studiert
und ob es was für eure Zukunft bringt. Habt Spaß im Studium!
Es ist schließlich da, um sich zu bilden, nicht um sich quälen.
Jöbchancen
Industrie 4.0 – wir bringen Österreich weiter.
www.iv.at
42 / KARRIERE /
/ MIT SCHARF / 43
78_20_NM_Inserat_Das_Biber_Jöbchancen_207x135.indd 1 20.02.20 15:18
Vier Arten von Publizistik-Studenten,
die du kennen solltest Von Natalia Anders
Um „irgendwas mit Medien“ zu studieren,
könnte dieser Text dir weiterhelfen. Diesen vier
Arten von Publizistik-Studis wirst du während
deiner Studienzeit definitiv begegnen. Oder
vielleicht zählst du selbst zu ihnen?
Die Überjournos
iNsTaGrAmiNfLuEnCeR
Erkennbar sind Instagram-Kings und
-Queens vor allem daran, dass sie mit
schimmernd auffälligen Gucci-Sonnenbrillen
im Winter in den Seminarraum
stolzieren. Das Klackern ihrer Gelnägel
auf ihren iPhone XYZS’s hört man
sogar aus hundert Metern Entfernung.
In Übungen und Seminaren melden sie
sich eher selten zu Wort, da sie gerade
am Handy sind, um ihre Kloselfies zu
bearbeiten oder ein Flugticket nach Bali
zu buchen (was den Wannabe-Ökos
natürlich sauer aufstößt).
Die Wannabe-Ökos
Sie drucken ihre Hausaufgaben nicht aus, weil
Papier ja voll die Verschwendung ist. Sie erzählen
in Seminaren ungefragt, dass sie seit fünf Monaten
nicht mehr geflogen sind. Sie scrollen auf ihren
MacBook Pros der ersten Generation (“Heast,
das ist Vintage, oida!”) auffällig nach Filmkameras
auf willhaben. Sie haben für sich selbst und
für die Umwelt beschlossen, nur mehr einmal in
der Woche zu duschen und sich ihr Deo selbst zu
basteln. Mein Tipp an dich: Vermeide Gruppenarbeiten
(und Körperkontakt) mit Wannabe-Ökos, es
sei denn, du möchtest ihre persönliche, ungefragte
Meinung bezüglich Kurzstreckenflügen und zu
deinem nicht veganen Käsebrot hören.
Connor James/unsplash.com, Austin Distel/unsplash.com, Toa Heftiba/unsplash.com, Jeshoots/unsplash.com
Sie erzählen in Übungen immer wieder von
ihrem ORF-Praktikum und dass sie Florian
Klenk persönlich kennen. In Wortmeldungen
erwähnen sie genauso ungefragt Falter-
Reportagen und diesen einen ZIB2-Beitrag,
den eh jeder Anwesende kennen sollte,
schließlich haben sie ihn 2016 auf ihrer
persönlichen Twitterseite geteilt. Sie sind laut
eigenen Angaben voll drinnen im Mediengeschehen,
denn sie sind selbst Teil davon. Für
Gruppenarbeiten praktisch, private Bekanntschaften
eher nicht empfehlenswert.
VOLLER
PERSPEKTIVEN
STARTE DEINE LEHRE BEI BILLA UND HOL’ DIR
ZUSÄTZLICH BIS ZU € 5.000.– PRÄMIEN!
1. Lehrjahr: € 770.– brutto
2. Lehrjahr: € 1.030.– brutto
3. Lehrjahr: € 1.320.– brutto
Die, die nie da sind
Sie studieren seit sieben Jahren Publizistik
und sind seit vier Jahren “fast
fertig”. Obwohl gefühlt halb Wien
Publizistik studiert, fällt die Hälfte der
Publizistikstudis unter diese Kategorie.
Also keine Sorge, so massiv ist unser
Massenstudium eigentlich nicht.
44 / KARRIERE /
JETZT BEWERBEN AUF KARRIERE.BILLA.AT
/ MIT SCHARF / 45
Furkan, der Feinkost-Experte
Von Natalia Anders
WELCHES STUDIUM PASST
AM BEST 3 EN ZU DIR?
Du hast das Gefühl, deine Interessen unterscheiden sich von denen deiner
Freunde und suchst immer noch nach dem passenden Studium für dich? Kein
Grund zur Verzweiflung! Vielleicht ist ja unter diesen fünf Studiengängen
etwas für dich dabei?
1. Meteorologie
Du kannst bei Smalltalks nicht aufhören, über das Wetter zu quatschen? Du
findest den Orkan Sabine interessanter als deine Klassenkollegin, die Sabine?
Dann bist du im Meteorologiestudium auf der Universität Wien perfekt aufgehoben.
2. Pferdewissenschaften
Pferde und Reiten sind dein Leben und dein Herz schmerzt jedes Mal, wenn
du den Stall verlassen musst? Auf der Uni für Bodenkultur oder auf der Vet-
Med in Wien kannst du Dich im Studiengang Pferdewissenschaften beweisen.
Wissen,
was
morgen
zählt.
3. Architektur - Green Building
Architektur but make it green! Nachhaltig gebaute Gebäude sind zur Zeit der
Klimakrise gefragter und bedeutender denn je. Vielleicht ist ja ein Studium in
Architektur - Green Building auf der FH Campus Wien etwas für dich?
Jetzt informieren:
fhstp.ac.at
Donnerstag, 6:30 Uhr morgens
in der Eurospar Filiale
Pastorstraße. Ich kann
meine Augen kaum offen
halten, bekomme meine Arbeitskleidung
in die Hand gedrückt und schon geht es
los. Furkan Özdemir ist schon seit 6 Uhr
hier – wie jeden Morgen. Ich werde den
Spar-Lehrling heute an seiner Arbeitsstelle
begleiten – und mich von ihm zu
französischem Käse beraten lassen,
aber dazu später. Käse anschneiden,
Brötchen aufbacken. Ich stehe mit Furkan
hinter der Feinkosttheke und merke,
wie schwer es sein kann, Käse richtig
zu verpacken. Furkan beruhigt mich: Mit
ein bisschen Muskelkraft und vor allem
mehr Erfahrung geht’s ruck zuck. Aber
die Feinkosttheke ist zum Glück nicht
der einzige Bereich, durch den der Lehrling
mich heute führen wird:
Furkan befindet sich im dritten und
letzten Lehrjahr – und konnte deshalb
schon einige Erfahrungen in den unterschiedlichsten
Abteilungen machen. Am
liebsten arbeitet er mit frischer Ware,
weil er da immer zu tun hat und sich
kreativ ausleben kann. “Die Abwechslung
macht es aus. Es gibt immer was
zu tun”, erzählt der Lehrling.
VORBILDFUNTION
HINTER DER THEKE
Neben der Qualitätschecks und dem
Nachschlichten berät Furkan auch
Kunden und schaut, dass die Atmosphäre
im Geschäft für alle angenehm
ist. Was Qualitätschecks genau
bedeuten? “Ich muss das im Regal
behalten, was ich auch selbst kaufen
wollen würde”, erzählt der Zwanzigjährige.
Außer Furkan arbeiten noch zwei
andere Lehrlinge in der Filiale. Obwohl
der Altersunterschied zwischen ihnen
nicht so groß ist, erfüllt Furkan als „der
Erfahrene“ für die anderen auch seine
Vorbildfunktion und hilft bei Unklarheiten
immer weiter.
Knapp dreißig Stunden in der Woche
verbringt Furkan in der Filiale, jeden
Dienstag ist er in der Berufsschule.
Nachdem er die Handelsschule
46 / KARRIERE /
Furkan zeigt Natalia seinen Arbeitsplatz
abgebrochen hat, ist er über seine
Schwester, die bereits seit sieben Jahren
bei Spar tätig ist, zu einem Praktikum
gekommen. Nach dem Praktikum
bewarb Furkan sich für eine Lehrstelle
– und hat diese auch bekommen. Sein
Traum ist es, einmal Marktleiter zu
werden. “Bei Spar gibt es genügend
Aufstiegsmöglichkeiten. Die ergreife
ich auch, schließlich habe ich jetzt eine
gute Ausbildung”, so der Austrotürke.
Dass ihm der Job viel Spaß macht, kaufe
ich ihm ab: “Ich würde nicht gerne
arbeiten gehen, wenn es mir keinen
Spaß macht, nur weil ich da viel Kohle
bekomme”, erzählt der Lehrling.
Schichtende. Ich beschließe, mir
zur Feier des Tages eine Käsesemmel
zu gönnen. Furkan empfiehlt mir
anstatt dem klassischen Gouda eine
französisch-klingende Sorte Butterkäse,
von der ich noch nie gehört hatte und
ich bereue die empfohlene Wahl kein
bisschen. Da merkt man, dass sich einer
auskennt. Mahlzeit und bis bald, hinter
der Theke!
Susanne Einzenberger
4. Moden und Styles Textiles Werken / Textiles Gestalten
Du lebst für Mode und liebst es, zu nähen und zu designen? Auf der Akademie
der Bildenden Künste in Wien kannst du deiner Leidenschaft nachgehen
und Moden und Styles studieren.
5. Diätologie
Gesunde und ausgewogene Ernährung ist ein wichtiger Teil deines Lebens
und du würdest gerne einmal anderen Menschen helfen, sich richtig zu
ernähren? Dann ist das Diätologie Studium auf der FH Wien Campus genau
das Richtige für dich.
BIBER- BEST-TIPP:
Brauchst du ein schickes Foto für deinen Lebenslauf oder deine nächste
Bewerbung?
Lass’ dich von Profi-Fotograf Christoph Liebentritt kostenlos von deiner
Schokoladenseite ablichten.
WANN? Freitag, 06.03.2020, 13 bis 17 Uhr
WO? BeSt-Messe Wien, biber-Stand (EG)
Willst du wissen, was eigentlich die biber-Akademie ist? Dann komm’ zum
Journalismus-Crashkurs mit biber-Redakteur Amar Rajkovic.
WANN? Freitag, 06.03. 2020, 12:15 Uhr
WO? Der Workshop-Raum befindet sich außerhalb des direkten Messegeschehens.
Treffpunkt ist kurz vor dem Termin beim Treffpunkt „Workshops“
open.day
13. März 2020
13 – 18 Uhr
Dunja Gharwal
Wiener Kinder- und
Jugendanwältin
(Stadt Wien) Absolventin
Soziale Arbeit
WKO-Wahlen:
Das musst du wissen!
Alle fünf Jahre haben
Selbstständige in ganz
Österreich die Chance,
für ihre politischen
Vertreter zu stimmen.
Aber warum sollte man
von 2-5 März wählen
gehen?
Wie auch in der Politik kann man in der
Wirtschaft alle fünf Jahre ein neues
Parlament wählen. Das Wirtschaftsparlament
besteht aus Vertretern, die
zuständig für verschiedene Berufsgruppen
sind. Branchenvertreter können
entweder mit selbst aufgestellten
Listen oder Parteien, die Teilorganisationen
der größten politischen Parteien
Österreichs sind, antreten.
WUSSTEST DU, DASS…?
… du keine österreichische Staatsbürgerschaft
brauchst, um bei den WKO-
Wahlen deine Stimme abzugeben?
Du musst ein Gewerbe in Österreich
angemeldet haben. Worauf wartest
du eigentlich noch? Greif zu Stift und
Wahlzettel und setz dein Kreuz!
WEN KANN ICH ÜBERHAUPT WÄHLEN?
SWV
Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband:
Die Teilorganisation der SPÖ setzt sich für faire Mieten,
eine bessere soziale Absicherung oder Frauen in
der österreichischen Wirtschaft ein. Ihr Spitzenkandidat
bei den Wahlen 2020 ist Marcus Arige.
RFW
Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender:
Die freiheitlichen Wirtschaftstreibenden kommen von
der FPÖ und möchten mit Roland Walter als Spitzenkandidaten
weniger Bürokratie, Steuersenkungen und
mehr unternehmerische Freiheiten.
UNOS
Unternehmerisches Österreich:
Die UNOS sind Teil der NEOS und planen mit ihrem
Spitzenkandidaten Michael Schuster eine Reform der
Wirtschaftskammer oder mehr Freiheiten für Unternehmer.
Außerdem wollen sie gegen Fachkräftemangel
mit Bildungsförderungen ankämpfen.
GRÜNE WIRTSCHAFT:
Die Grüne Wirtschaft setzt ihre Schwerpunkte auf
Themen wie bedingungsloses Grundeinkommen,
Nachhaltigkeit in der Wirtschaft oder regionales Wirtschaften.
WIRTSCHAFTSBUND:
Der Wirtschaftsbund gehört zur ÖVP und setzt sich
unter anderem für flexible Arbeitszeiten, weniger
Vorschriften und Verbote in der Bürokratie und eine
Senkung der Steuern- und Abgabenlast ein.
HOW TO WKO-VOTE:
Du bist ein*e volljährige*r Unternehmer*in in Österreich und möchtest deine Stimme
bei den WKO-Wahlen abgeben? Du kannst entweder postal wählen und online
eine Wahlkarte beantragen oder zwischen 2. und 5. März persönlich in einem der
vielen Wahllokale vorbeikommen. Mehr Infos zur Wahl findest du unter:
https://www.wko.at/service/oe/wirtschaftskammerwahlen.html
August Lechner
Das Biber: 200 x127 mm
Hans Arsenović, 52, ist
Sprecher der "Grünen
Wirtschaft" und Vizepräsident
der Wirtschaftskammer
Wien.
Weils nicht wurscht ist:
GEH WÄHLEN!
Als Unternehmerin oder Unternehmer kannst du
vom 3. Bis 5. März deine Vertretung in der Wiener
Wirtschaftskammer wählen. Und ich hoffe,
dass du deine Stimme auch nutzt. Warum? Weil
die Wirtschaftskammer die wichtigste Interessensvertretung
für uns Selbstständige ist. Und
weil es deshalb nicht wurscht ist, wer sich für
unsere Unternehmen stark macht.
Mehr als 40 Prozent der Wiener Unternehmerinnen
und Unternehmer haben Migrationshintergrund.
Wir sind eine immer größer
werdende Gruppe, die in der Kammer auch
stärker mitbestimmen sollte. Die Wirtschaftskammer
soll für Frau Milosavljevic mit ihrem
kleinen Burekgeschäft an der Thaliastraße oder
für Herrn Karaman und sein Elektrogeschäft
genauso da sein, wie für einen großen Spediteur
mit hundert LKW. Deshalb habe ich vor 15
Jahren das erste Mal für die Kammer kandidiert
und dafür setze ich mich als Chef der Grünen
Wirtschaft Wien und halber Jugo von ganzem
Herzen ein.
Bevor wir in der Wirtschaftskammer waren,
IGM ® Lebensstil-
Programm
Werden Sie Managerin bzw.
Manager Ihrer Gesundheit
Verringern Sie aktiv Ihr Risiko für Übergewicht, Diabetes,
Herzkreislauf-Erkrankungen und Stressfolgeschäden mit
dem Viterio ® -Gesundheitsportal und Gruppencoaching.
Nähere Informationen unter 0800 600 511
oder igm-serviceline@oegk.at
haben 70-jährige Kommerzialräte Interessenspolitik
für Banken und Großkonzerne gemacht.
Deshalb treten wir seit 20 Jahren in immer
mehr Branchen an, um frischen Wind in die
Kammer zu bringen. Unsere Wirtschaft ist bunt,
vielfältig, nachhaltig und regional. So wie unser
Wien. Uns geht’s ums Miteinander. Deshalb
sind wir auch ständig im Grätzel unterwegs
und reden mit den Leuten. Was ich da so höre,
nehme ich in die Kammer mit. Und dann setzen
wir was um, zum Beispiel mehrsprachige Beratungsangebote
für Unternehmer*innen.
Die Kammer hat eigentlich ein tolles Service.
Sie bietet zum Beispiel kostenlose Rechtsberatung
an, das wissen die wenigsten. Die Kammer
ist schon lange kein dubioses Amt mehr, wo
keiner hinwill und niemand mehr rausfindet. Bei
uns wird dir als Unternehmerin und Unternehmer
zu fast allen Themen geholfen.
Als Unternehmerin und Unternehmer sollst
du die bestmögliche Unterstützung bekommen.
Denn du bist schließlich das Rückgrat unserer
Wirtschaft. Deshalb ist es so wichtig, dass du
mitbestimmst und nicht jemand anderer für dich
entscheidet.
Egal für welche Partei, geh wählen! ●
48 / KARRIERE /
/ MIT SCHARF / 49
Selbermacher
Salut
&
Salam!
Das Sous-Bois in der
Wiener Neustiftgasse
verbindet Papeterie und
Café, und strahlt französisches
Flair gepaart mit
orientalischer Gemütlichkeit
aus.
Text: Nada El-Azar, Fotos: Susanne Einzenberger
Betritt man das Sous-Bois, so wird
man von arabischer Musik, sowie
dem Duft von frisch gebrühtem
Kaffee und aufgebackenem Baguette begrüßt.
Geführt wird das Lokal von der gebürtigen
Französin Chloé Thomas mit ihrem irakischen
Mann Yusuf Shaker. Kennengelernt hat sich
das Ehepaar im Jahr 2016 auf einer Karaoke-
Party in Wien. Die 36-jährige Chloé eröffnete
vor sieben Jahren das Lokal zunächst als
reinen Shop für exklusive Schreibwaren.
Erhältlich ist dort alles, was Schreiblustige
begehren: Hochwertige Notizbücher von
Herstellern aus Japan, Frankreich, Tschechien
oder Taiwan, Füller, Kugelschreiber, Kalender,
Sticker, Büroartikel und vieles mehr. Sous-
Bois bietet zudem eine Reihe von Workshops
rund ums Schreiben an, etwa Kalligraphie,
Zeichnen oder Buchbinderei. Auch das sogenannte
Hand-Lettering, eine immer beliebter
werdende Art, Worte, Sprüche und Zitate
kunstvoll zu gestalten, kann man im Rahmen
eines Kurses erlernen. „Ich denke, wir waren
schon trendy, bevor das Handgeschriebene
wieder Trend wurde. Unsere Kunden in der
Papeterie lieben einfach Papier und Schreiben“,
so Chloé.
fahrung als Grafikerin in Wien. „Sous-Bois
bedeutet aus dem Französischen übersetzt
‚Unterholz‘. Mir gefiel einfach diese Metapher
als Name für den Shop“, erklärt sie.
FRISCHE SPEZIALITÄTEN UND
GUTER SERVICE
Die französisch-orientalische Fusion findet
nicht nur im Interieur des Cafés – mit den
Sous-Bois
Neustiftgasse 33
1070 Wien
www.sous-bois.at
Holztischchen, den orientalischen Teppichen
und Lampen – sondern auch auf
der Speisekarte statt. Für alle, die gerne
frühstücken, hat das Sous-Bois eine große
Auswahl an frischem Brot, das aus der
französischen Bäckerei Parémi bezogen
wird, das man mit Humus, Bio-Lachs oder
ausgezeichnetem Käse genießen kann.
Andere beliebte orientalische Spezialiäten
wie Babaghanoush oder gefüllte Weinblätter
sind ebenfalls erhältlich. „Wir geben
Künstlerinnen und Künstlern auch die Möglichkeit,
im Lokal ihre Werke auszustellen“,
so der 25-jährige Yusuf. „Wir glauben, dass
die Gemeinsamkeiten zwischen unseren
Kulturen in der Wärme unseren Kunden
gegenüber spürbar ist. Hier sprechen wir
gerne mit unseren Kunden, das macht
nicht jeder“, so Yusuf. Ein Besuch im Sous-
Bois kann vielseitig sein – als einsamer
Schreiberling über dem Notizbuch brüten
geht hier genauso gut wie sich auf einen
Brunch mit Freunden zu treffen.
ZEIGEN SIE
WAS SIE
KÖNNEN
WKO-WIEN HILFT
Im Gründerservice der WKO-
Wien kann man bei einem
Beratungsgespräch alle Fragen
stellen, die die Gründung eines
Unternehmens betreffen. Im
Vorhinein kann man sich auch
schon eigenständig online
informieren. Ob generelle
Tipps zur Selbstständigkeit,
rechtliche Voraussetzungen,
Amtswege oder Finanzierungsund
Förderungsmöglichkeiten:
Auf der Website kommt man
mit wenigen Klicks zu allen
wichtigen Informationen.
wko.at/wien
www.gruenderservice.at
Die Selbermacher-Serie ist eine
redaktionelle Kooperation von das
biber mit der Wirtschaftskammer
Wien.
EINE UNSCHLAGBARE KOMBINATION
Im Sommer 2019 zogen Chloé und Yusuf mit
der Papeterie Sous-Bois eine Tür weiter, um
Platz für das gleichnamige Café zu schaffen.
Café und Shop befinden sich somit Seite an
Seite und sind getrennt begehbar. Wie kam
es zu der Entscheidung, den Schreibwarenladen
um ein Café zu erweitern? „Menschen,
die gerne schreiben, tun das am liebsten
auch mit einer Tasse Kaffee oder Tee. Das ist
eine unschlagbare Kombination“, so Chloé im
Gespräch. Ihre Affinität zum Schreiben und
Gestalten rührt aus ihrer langen Arbeitser-
» WKO FIRMEN A–Z –
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/ MIT SCHARF / 51
„Auch mal
das Handy
weglegen.“
Vier JungunternehmerInnen treffen WKW-Präsiden ten Walter Ruck,
um über Handypausen, Motivation und die Vorteile einer digitalisierten
Arbeitswelt im Rahmen des Almanah-Bizness-Talks zu diskutieren.
Von Amar Rajković, Fotos: Susanne Einzenberger
Im Restaurant Habibi & Hawara füllen sich allmählich
die Tische. Bei den Bürohengsten aus der
Umgebung im ersten Bezirk hat sich herumgesprochen,
dass das Buffet des Social-Franchise-
Unternehmens einige orientalische Schmankerln zu
bieten hat. Im abgedunkelten Hinterzimmer, bei dem
man sich wie in einem Speisesaal in Marokko vorkommt,
haben sich Wirtschaftskammer Wien-Präsident
Walter Ruck und vier JungunternehmerInnen eingefunden.
Das Ziel: sich in lockerer Atmosphäre austauschen
und so manche Eigenheiten des Unternehmerdaseins
mit anderen Leidgenossen teilen.
Den Reigen eröffnet Petar Iliev. „Servus, i bin‘s,
da Petar aus dem Burgenland“, stellt er sich mit einer
resoluten Stimme vor, selbst das Servicepersonal zwei
Räume weiter dürfte Petars Anwesenheit mitbekommen
haben. Der aufgeweckte Jungunternehmer ist der
Gründer von „Getsby“, einer App, die bargeldlose und
rasche Bezahlung in Gastronomiebetrieben ermöglicht.
Die App hat mittlerweile eine Useranzahl in hohem
fünfstelligem Bereich. Der Gastgeber Walter Ruck nickt
anerkennend. Er stellt zugleich fest: „Wien kann mehr
als wir glauben.“ Ein Satz, der sich auf die vorsichtige
österreichische Mentalität bezieht, die manchmal vielversprechenden
Ideen im Wege steht.
SCHUHE UND AJVAR
Gülsen Akkas weiß ganz genau, wie schwer es ist, ein
eigenes Business zu starten – trotz Unkenrufen aus
dem Bekanntenkreis, es doch bleiben zu lassen. Die
Designerin verkauft hochwertige Schuhe online. „Sie
müssen komfortabel sein“, ist Akkas ganz wichtig. Dass
komfortabel aber nicht unbedingt Schlabberlook bedeuten
muss, zeigt ein Blick auf ihren Onlineshop. Bunt,
stylisch und leistbar lässt sich ihre Schuhlinie am besten
beschreiben. Wenn sie nicht gerade Schuhe entwirft,
steht sie auf Händlermessen und wirbt für ihre Kreationen.
Dort trifft sie manchmal auf Marijana Miljković von
„BioBalkan“. Die ehemalige Journalistin und Korrespondentin
weiß, wie sie ihre Produkte geschickt platziert.
Auf dem Platz der teilnehmenden UnternehmerInnen
und des WKW-Präsidenten stehen bunte Gläser mit –
für viele – unbekanntem Inhalt. „Ajvar“, „Pindur“ oder
„Malino“ steht auf dem Etikett drauf. Die Aufstriche
werden nach dem traditionellen Rezept hergestellt. Das
bedeutet auch, dass Miljković mit ihrem Mann das notwendige
Gemüse dafür in Serbien ernten lässt. Seit nun
knapp einem Jahr macht sie das und seufzt manchmal,
weil der Job sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Eine
gelebte Realität für viele Jungunternehmer. Da sind
schon mal 70, 80 Stunden in der Woche eher Norm als
Ausnahme.
Walter Ruck, der selber aus einer Unternehmerfamilie
stammt, hat einen weisen Rat an die jungen Startup-Spunde:
„Auch mal das Handy weglegen.“ Manch
einer in der Runde kann sich das schwer vorstellen.
Der durchstartende Burgenländer Iliev hat ein klares
Ziel: Sein Unternehmen nach vorne pushen und bald
den deutschen Markt erobern, da passen Pausen kaum
in den ehrgeizigen Plan. Ruck beruhigt und versichtert
Iliev: „Zeit für Familie oder andere Hobbys ist wichtig.
Glauben Sie mir, jeden Tag geht die Sonne auf.“
Petar Iliev
Getsby
Gülsen Akkas
Libra Shop
Marijana Miljkovic
BioBalkan
„GO WITH THE FLOW“
Leichter gesagt als getan, das denkt sich auch Tamer
Aslan. Der junge Istanbuler fand zuerst bei der Ars
Electronica in Linz einen Job, bevor er sich 2015 selbstständig
machte. Für ihn sind arbeitsreiche Wochen,
genauso wie für alle anderen Teilnehmer des Bizness-
Talks, ganz normal. Er vergleicht die Herausforderung
als Jungunternehmer mit dem Training für die Muskulatur:
„Je mehr wir unsere Muskeln belasten, desto
stärker werden sie. Genauso verstehe ich auch die
Herausforderung des Unternehmertums, je mehr man
arbeitet, desto belastbarer und produktiver ist man“, so
Aslan. Er unterstreicht auch die Wichtigkeit, sich früh
zu informieren. Eine Tatsache, die er mit seiner Taktik
„go with the flow“ etwas verabsäumt hatte. Hier setzt
Walter Ruck an: „Die Wirtschaftskammer ist nicht nur
die Interessensvertretung der Unternehmen, sondern
bietet auch Service, Kontakte und Ausbildungen für
alle Unternehmer an. „Wir haben im abgelaufenen Jahr
über 63.000 Unternehmer beraten und mehr als 28.000
Gründungsberatungen angeboten“, so Ruck. Iliev nickt.
Walter Ruck
Präsident der
WKW
Timea Zawodsky
Almanah
Amar Rajković
Almanah
Tamer Aslan
City Games
Auch er habe sich beim Gründerservice der Wirtschaftskammer
beraten lassen, etwas, was er anderen
Neuunternehmern auch ans Herz legen möchte.
Das letzte Thema des Bizness-Talks ist die Digitalisierung.
Man habe das Gefühl, sie sei ein ständiges
Schreckensgespenst, das die Arbeitswelt heimsucht.
Ruck sieht das nicht so: „Alles, was mir Arbeit abnimmt,
schafft Raum in meinem Kopf für andere Gedanken.“
Die anderen TeilnehmerInnen sehen es ähnlich,
schließlich beruhen viele von ihren Geschäftsideen auf
den Möglichkeiten der fortschreitenden Digitalisierung.
Aslan, der Spiele für Großstädte entwickelt, damit sie
ihre digitalen Möglichkeiten ausschöpfen, stimmt dem
natürlich zu. Er bereut es keine Sekunde, sich selbstständig
gemacht zu haben und kann die Zukunft kaum
erwarten. Dafür hat er auch eine Handlungsanweisung
an alle JungunternehmerInnen, die schlechte Zeiten
durchmachen müssen: „Stay hungry, stay foolish.“
Hungrig sind die TeilnehmerInnen des Bizness-Talks
nicht nach Hause gegangen – dem g‘schmackigen Mittagsbuffet
bei Habibi & Hawara sei Dank. ●
52 / KARRIERE /
/ KARRIERE / 53
TECHNIK & MOBIL
Alt+F4 und der Tag gehört dir.
Von Adam Bezeczky
Aleks Jobicić
BEZAHLTE ANZEIGE
MEINUNG
Alter Falter
Die neue Welle der Falthandys ist
da: neben Huawei hat nun auch
Samsung zwei Handys mit Faltdisplays
auf dem Markt. Die Technologie,
auf die alle schon warten,
hatte einen schweren Start. Displays
lösten sich auf, Scharniermechanismen
klemmten. Doch die nun
vorgestellten Modelle scheinen
die Kinderkrankheiten hinter sich
gebracht zu haben. Gespannt blickt
man nun auch zu Apple, was die
Kreativen aus Cupertino planen.
Preislich liegen die Geräte definitiv in
der Oberklasse, aber läuten vielleicht
die nächste Welle der Handy-Evolution
ein. Interessant
wird die Geschichte
natürlich, wenn es
ausklappbare Tablets
mit wirklich großen
Displaygrößen gibt -
damit und der neuen
Generation im Mobilfunk
werden Bahn-
,Bus- und Autofahrten
noch entspannter..
bezeczky@dasbiber.at
PlayStation 5
kommt
Sony bereitet die PlayStation 5 vor. Das
Logo wurde bereits auf der Consumer
Electronic Show (CES) vorgestellt
- kreativ austoben hat sich da wohl
niemand dürfen. Dafür wissen wir, dass
die PS5 höchstaufgelöste Grafik mit 8K liefern wird, alle Spiele der
PS4 laufen werden und dass die Konsole Ende des Jahres kommt.
Digitaler Ausweis
kommt
Die neue Bundesregierung hat
ein ehrgeiziges Digitalprogramm:
Führerschein und Personalausweis
sollen auch digital kommen. Dank
der „Digitales Amt“ App sollen die
Amtswege in den kommenden Jahren
fast gänzlich wegfallen - Zeit wirds!
Auch andere amtliche Unterlagen wie
Zulassung und Reisepass sollen ihren
Weg aufs Handy finden. Aktuell kann
man Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis,
Meldebestätigung
und E-Card abrufen. Das ist schon ein
Schritt in die richtige Richtung, aber es
ist noch Luft nach oben!
EIN SPIEL IST
KEIN WISSEN-
SCHAFTLICHES
WERK
Im Spiel von 2012 (!) von Ndemic
Games spielen wir ein Virus.
Unsere Aufgabe: die ganze Welt
zu befallen. Acht Jahre später
ist das Spiel ganz oben in den
Verkaufscharts - das Spielestudio
hat schon mehrmals betonen
müssen, dass es sich bei dem
Programm um ein Spiel und
nicht um eine wissenschaftliche
Abhandlung handelt. Aber
immerhin, sie haben auch einen
Vortrag beim CDC gehalten,
der amerikanischen Seuchenbehörde.
Samsung, Plague inc., Marko Mestrović
Electronic Arts, Inc.
MEIN PERFEKTES
ZWEITLEBEN
Von Aleksandra Tulej
Mein Leben ist perfekt. Karriere und
Privatleben könnten gerade nicht
besser laufen. Ich habe gestern
zehn Millionen neue Social Media
Follower bekommen, beim Joggen
im Park einen sexy Boy kennengelernt,
ihn zwei Stunden später
im Stadt-Museum geheiratet und
drei Tage später hatten wir auch
schon wunderschöne Drillinge. Was
zugegebenermaßen etwas eng
werden kann, wenn man sich in eine
Zwei-Zimmer-
Wohnung im
Künstlerviertel
von San Myshuno
quetschen
muss. Aber die
Lage macht’s
ja bekanntlich aus. Na gut, ich war
nicht ganz ehrlich. Die Wohnung
können wir uns nur leisten, weil wir
Betrüger sind. Okay, Einzahl. Ich.
Ich bin ein Betrüger und habe mir
dieses Leben mit einem Cheatcode
hergezaubert. Motherlode ist für
Anfänger – der Spaß beginnt erst,
wenn’s richtig schräg wird.
Das meistverkaufte PC-Spiel
aller Zeiten, The Sims, feierte im
Februar seinen 20 Geburtstag. Und
genau so lange ist dieses Game
Teil meines Lebens – oder eher
ich Teil davon. Ich habe alle Alien-
Entführungen, Haustier-Einkäufe,
Poolleiter-Verkäufe, Monti vs. Capulet-Romanzen
und Goth-Mysterien
mitgemacht. Von Sims 1 bis Sims 4,
die volle Bandbreite. Ich verwöhntes
Kind hatte jedes einzelne Add-On.
Im Volksschulalter noch unschuldig
glückliche Familien erstellt, um sie
dann als Präpubertierende im Pool
zu ertränken. Festivals, auf die ich
als Jugendliche nicht durfte, eben
bei den Sims nachgebaut. Parties,
Clubs, Schmusereien, Stress mit
der Polizei – alles war dabei. Später
dann Generationen an superreichen
Adelsgeschlechtern durchgespielt,
bei White-Trash-Familien die Babys
von den Social Services holen lassen.
Drug-Mods
ausprobiert, seltsam
inzestuöse
Sims-Stämme
entstehen lassen,
Einbrecher
verprügelt, vom
Sensenmann geschwängert worden.
Die dreißigstelligen Cheatcodes kann
ich bis heute im Schlaf auswendig
aufsagen. Was heißt bis heute:
Erst gestern Abend habe ich noch
auf Elternseiten nach Namen für
meine Drillinge gesucht. Aber bald
könnte ich meiner Sucht und meinen
scheinbar psychopatischen Zügen
was neues liefern. Nach zwanzig
Jahren und vier Sims-Generationen
brodelt es auf den Fandom-Seiten:
Sims 5 soll bald erscheinen – seitens
EA Games wurde aber noch nichts
bestätigt. Verdammt.
Ihr merkt, es wäre vielleicht an
der Zeit, aufzuhören. Aber ich kann
noch nicht. Ich kann meine armen
Drillinge doch nicht unbeaufsichtigt
lassen.
Job?
Fix!
DIE BERUFSLEBENS KOLUMNE DES
AMS WIEN
Was ich geliebt habe, als ich so zirka 15 war:
Beim Aufbau der Bühne zuzuschauen, am
Tag vor einem Konzert. Ich hätte alles gegeben,
da dazuzugehören. Männer und Frauen
mit Headset, Kabeln, Werkzeuggürteln, jeder
Handgriff muss sitzen. Hochkonzentriert,
stundenlang. Auch ich, beim Zuschauen.
Und am Schluss ist diese riesige Bühne auf
der Donauinsel gestanden, statt einer Weisheit
an der Tafel.
Weil: Als ich im letzten Pflichtschuljahr war,
habe ich eines mit Sicherheit gewusst – dass
ich nicht weiter in die Schule gehen will.
Wenn das so ist, ist es okay. Grundsätzlich.
Nämlich dann, wenn du dir trotzdem Gedanken
drüber machst, was du weiter lernst.
Schule wie bisher muss es nicht sein, aber
ohne Ausbildung geht’s nicht. Warum? Brutal
gesagt: Weil du ohne Ausbildung in Wien
keinen Job findest, in dem du bleiben und
dich entwickeln kannst.
Aber wenn man genau das lernt, was einen
interessiert, dann macht es Spaß. Es gibt
hunderte Lehrberufe. Technische. Kreative.
Soziale. Forme Geigenbögen, Eisenbahnschienen
oder den Charakter von Kindern.
Egal. Forme deine Karriere.
Tipp: Komm im März in eines der AMS-
BerufsInfoZentren. Dafür brauchst du
keinen klaren Berufswunsch. Nur ein paar
Ideen, was dich interessiert und was du
kannst. Du wirst sehen: Es gibt einen
Beruf dazu. Frauen, die Bühnen bauen,
zum Beispiel: das sind Veranstaltungstechnikerinnen.
54 / TECHNIK /
/ TECHNIK / 55
MEINUNG
Wenn der Teufel
eine Heilige wird
Ich kenne so ziemlich jede einzelne Folge
von „Malcolm Mittendrin“. Von all diesen
Familiensitcoms im TV war Malcolms
Mittelschichtsfamilie die einzige, mit der
ich mich wirklich identifizieren konnte. Ich
bin als viertes von fünf Kindern in einem
Favoritner Gemeindebau aufgewachsen.
Einer meiner Brüder war ein wenig
wie Malcolms älterer Bruder Reese, und
meine jüngere Schwester erinnerte mich
immer an Dewey. Neulich habe ich mir
in einem Anflug von Nostalgie einige
Folgen angeschaut und musste feststellen,
wie sehr sich Malcolms Mutter Lois
in meinen Augen verändert hat. Lois und
ihre berüchtigten Wutanfälle sind lange
ein Spiegelbild meiner eigenen Mutter
gewesen. Lois war der Teufel in Person.
Eine herrische, übertemperamentvolle
Löwin von einer Mutter, die ihrem
Mann Hal genauso wie ihren Kindern die
Leviten lesen konnte. Vielleicht werde
ich alt, aber wenn ich mir die Serie
heute ansehe, vertritt Lois genau die Art
Kindererziehung, die man heute braucht.
Klar, sie hatte fragwürdige Bestrafungsmethoden,
um ihren Söhnen eine Lektion
zu erteilen, aber sie war letztendlich nicht
die Spielverderberin, für die ich sie lange
gehalten hatte. Seht doch selbst, wenn
ihr mir nicht glaubt. Lois hält den Laden
echt zusammen!
el-azar@dasbiber.at
KULTURA NEWS
Klappe zu und Vorhang auf!
Von Nada El-Azar
Ausstellungstipp
SIE
In welchem Alter beginnen
Frauen, ihren jugendlichen,
oft schambehafteten Blick auf
den eigenen Körper zu hinterfragen?
Wann wird aus Scham
Gelassenheit? Biber-Fotografin
Susanne Einzenberger setzt
sich in der Ausstellung „Sie“
intensiv mit der Veränderung
des Körperbildes und Selbstbewusstseins
von Frauen im Alter
zwischen 25 und 35 Jahren
auseinander. Eine sehenswerte
Körperstudie. Vernissage am
5. März, danach ist die Ausstellung
bis 8. März zu sehen!
sehsaal
Zentagasse 38/1, 1050 Wien
56 / KULTURA /
SEX
SMELLS
Die Barbetreiberinnen der Hot Flamingo
Bar wehren sich gegen das
Verschwinden ihres letzten feministischen
Pornokinos - mit einer fulminanten
Porno-Art-House-Show.
SEX SMELLS untersucht die befreiende
Wirkung von Sex und seiner
Darstellung auf der einen, und die
ausbeuterische, unterdrückerische
Praxis der Werbe-, Porno- und
Filmindustrie auf der anderen Seite.
Eine Stückentwicklung von Kollektiv
Eins, Die Theater Chemnitz und
Kosmos Theater.
Premiere:
11. März 2020 im Kosmos Theater
Susanne Einzenberger, Maria Noisternig, BBC, Rudolf Schlichter, Bettina Frenzel
Filmtipp
Die perfekte
Kandidatin
Maryam (Mila Alzahrani) arbeitet als Ärztin
in einer saudi-arabischen Kleinstadt.
Sie kämpft tagtäglich aufs Neue um den
Respekt ihrer Mitarbeiter und Patienten,
die sie als Frau nicht ernst nehmen, und
leidet unter den mangelhaften Bedingungen
in der Klinik. Sie bewirbt sich
für eine bessere Stelle in Dubai, jedoch
darf sie ohne männliche Begleitung
nicht alleine dorthin reisen. Der Zufall
will, dass sie sich als Kandidatin für die
anberaumte Wahl des Stadtrats bewirbt,
um in Dubai Hilfe bei einem entfernten
Cousin suchen zu können. Der Film
behandelt auf tragisch-komische Art den
Weg einer Frau zu ihrer Stimme.
Seit 18. Februar im Kino
Into The Night –
die Avantgarde im Nachtcafé
Das Untere Belvedere
widmet der Welt der
Kabaretts, Clubs, Cafés
und Bars eine Ausstellung.
Es sind die Orte, an denen
sich Künstlerinnen und
Künstler, Nachtschwärmer
Berufsausbildungen in der Heilmassage
und Exzentriker jeder Art begegnet sind. Vom Kabarett Fledermaus
in Wien über das Chat Noir in Paris bis hin zu dem Teheraner Künstlerclub
Rasht29. Es warten Rekonstruktionen dieser Orte und ein reiches
Begleitprogramm mit Theater, Lesungen und Performances auf
die Besucher. Mit Werken von Hugo Ball, Otto Dix, Susanne Wenger,
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wortwörtlich den Spuren der
Geschichte nachgehen. Petra
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/ KULTURA / 57
„ZUM
BAUCHTANZEN
BRAUCHT MAN
KEINEN BAUCH“
Der Orientalische Tanz ist bei Arabern genauso
beliebt wie verpönt. Tanz lehrerin Shams erzählt
von ihrem Weg zum Traumberuf Tänzerin und
welche Hürden sie dafür überwinden musste.
Von Nada El-Azar; Fotos: Sophie Kirchner
Mysteriös, fesselnd, verführerisch und feminin.
Spätestens seit dem Durchbruch von Shakira
in den frühen 2000ern war der Orientalische
Tanz, auch „Bauchtanz“ genannt, endgültig
im globalen Mainstream angekommen. Seine Wurzeln liegen
– wo auch sonst? – in Ägypten, und unumstritten wird er bis
heute in den meisten arabischen Ländern als Teil des kulturellen
Erbes anerkannt. So sehr aber der Orientalische Tanz von
den Arabern geliebt wird – das Stigma gegen ihn wird immer
größer. Denn Frauen, die auf der Bühne gekonnt das Publikum
mit ihren Hüftschwüngen verzaubern, sind mit konservativen
islamischen Werten nur schwer vereinbar. Wie sich dieser
Widerspruch äußert, wird an der Geschichte von Shams deutlich.
Shams heißt eigentlich Sham. Ein S hat sie ihrem richtigen
Namen angehängt - und fertig war der perfekte Bühnenname.
Shams – das bedeutet auf Kurdisch und Arabisch „Sonne“ –
diesem Namen wird die junge Frau allemal gerecht. Ich traf
sie an einem grauen, verregneten Tag in einem Wiener Café
und es war, als würde die Sonne scheinen, als sie den Raum
betrat. Ihre unglaubliche Bühnenpräsenz lässt im Alltag kaum
nach. Mit ihren wallenden Naturlocken und ausgeprägtem Sinn
für Humor ist sie schnell im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
TANZEN = PROSTITUTION?
Seit über zehn Jahren unterrichtet Shams Frauen jeden Alters
in der Kunst des „Bauchtanzes“. „Die Bezeichnung ‚Bauchtanz‘
wird dem Ganzen eigentlich nicht gerecht“, sagt die
gebürtige Irakerin und nippt an ihrem Chai Latte, „man tanzt ja
nicht nur mit dem Bauch, sondern Hauptmerkmal des Tanzes
sind die Hüften und der Beckenboden. ‚Bauchtanz‘ ist vom
amerikanischen Belly Dance schlampig übersetzt worden.“
Seit frühester Kindheit war Shams fasziniert vom Orientalischen
Tanz, tanzte und bewegte sich gerne zuhause
zu orientalischer Musik und war getrieben von ihrem
Wunsch, einmal auf der Bühne zu stehen. Aufgewachsen ist
sie in Kärnten. „Ich spürte dort schon als kleines Kind eine
bestimmte Beklemmung, da Klagenfurt keine Großstadt ist.
Ich war ja immer ein sehr extrovertierter Typ“, erinnert sich
die 35-Jährige. „Zuhause, hinter verschlossenen Türen, durfte
ich natürlich alles machen, tanzen, singen und lustig sein.
Aber in der Öffentlichkeit? Geschweige denn auf einer Bühne?
Unmöglich!“. Tanzen ist im arabischen Kulturkreis etwas, das
Frauen nicht vor Publikum tun sollten. Und gerade der Orientalische
Tanz – mit den mit Münzen besetzten Kostümen, den
langen fließenden Stoffen, den großzügigen Beinschlitzen und
schillernden BHs – ist in dieser Hinsicht besonders verpönt.
Eine Tänzerin zu sein wird in der arabischen Gesellschaft oft
mit Prostitution gleichgesetzt. Doch das war nicht immer so.
„HOLLYWOOD“ DES NAHEN OSTENS
Die ersten orientalischen Tänzerinnen zogen im 18. Jahrhundert
in Gruppen, die Ghawazee genannt wurden, durch
Ägypten und Europa. Aus dem Tanzstil der Wandergruppen
entstand der heutige klassische Raqs Sharqi (dt. „Tanz des
Ostens“), der vor allem in den 1940er bis 60er Jahren, im
58 / KULTURA / / KULTURA / 59
„goldenen Zeitalter“ des ägyptischen Kinos, in Filmen Eingang
gefunden hat. Kairo war das Hollywood des Nahen Ostens.
Um 1950 war die ägyptische Filmindustrie die drittgrößte auf
der ganzen Welt nach der US-amerikanischen und indischen.
In Musicals und Komödien war der Tanz eine beliebte
Unterhaltungsform für Männer und Frauen gleichermaßen. Es
war normal, dass in den Filmen Frauen und Männer rauchend
in einem Salon den Darbietungen der Tänzerin zusahen, die
von Musikern begleitet wird. Mit Striptease kann man das
nicht vergleichen. Durch namhafte Größen wie Samia Gamal
oder Naima Akef wurden die Techniken und der Tanz im Film
verbessert und aufgewertet. In den letzten Jahrzehnten ist
die arabische Gesellschaft jedoch konservativer geworden:
Die Politik, die um den Orientalischen Tanz seit Mitte des 20.
Jahrhunderts betrieben wird, hat die Bewunderung für diese
Kunstform in eine Art Hassliebe verwandelt. Einerseits darf auf
keiner arabischen Hochzeit eine „Bauchtänzerin“ fehlen – aber
wenn die eigene Tochter, Schwester oder Ehefrau den Tanz
ausüben will, hört der Spaß auf.
DROHUNGEN STATT FÖRDERUNG
Diese Erfahrung musste Shams machen, als ihre Familie auf
Videos und Fotos im Internet stieß, in denen sie tanzte. „Ich
habe das immer mit einem reinen Herzen gemacht. Der Tanz
ist etwas so Schönes für mich und ich wusste von diesen
ganzen negativen Auswirkungen nichts.“ Aus ihrer Familie
kamen schnell Kommentare, Tanzen sei etwas für „leichte
Frauen“ und Prostituierte. Der künstlerische Aspekt des
Tanzes spielte an diesem Punkt keine Rolle, denn traditionell
steht die Wahrung des Ansehens der Familie immer an erster
Stelle. „Man kann sich nicht vorstellen, was ich für Anrufe,
mitunter auch absurde Morddrohungen, bekommen habe. Ich
war schockiert darüber, wie schlecht behaftet der Tanz war
und wie wenig er als eigenständige Kunstform angesehen
wird!“. Häufig wurden Familienmitglieder über Zweit- und
Drittmänner kontaktiert, die Shams in ihrem Leben nie gesehen
hatte. Oder selbst entfernte Verwandte übten mit allen
Mitteln Druck auf ihren Vater aus, damit er gegen ihr Auftreten
im Internet vorgeht. „In Europa fördern Eltern ihre Kinder und
ermutigen sie, ihre Talente zu entfalten. Ich hatte nicht einmal
den Gedanken zu sagen, was mir gefällt. Ich habe das leider
verstecken müssen.“
Mit 19 Jahren fing sie an, regelmäßig Tanzkurse in verschiedenen
Richtungen und Stilen zu besuchen. Ihren Eltern
erzählte sie, sie ginge ins Fitnessstudio. Aber schlussendlich
verfolgte sie ihre größte Leidenschaft – den Orientalischen
Tanz – weiter. Mit 22 Jahren zog Shams von zuhause aus und
trat auf orientalischen Tanznächten auf. Daraufhin folgten zahlreiche
Shows auf öffentlichen sowie privaten Veranstaltungen,
wie etwa Hochzeiten, Bällen, Tanzevents oder Geburtstagen.
Nach ihren ersten Solo-Auftritten bekam Shams immer wieder
Anfragen, ob sie nicht unterrichten möchte. Um ihr Tanzrepertoire
zu erweitern nahm sie an zahlreichen Workshops im
In- und Ausland teil und startete ihre Tanzausbildung 2017 im
Wiener Tanzstudio Mänada.
w w w . b e s t i n f o . a t
Die neue
APP
Zu Shams liebsten
Requisiten gehören
diese wallenden
goldenen Flügel,
mit denen sie ihre
Zuschauer in den
Bann zieht.
5. bis 8. März 2020
Wiener Stadthalle
9 bis 18 Uhr, 8. März bis 17 Uhr
Eintritt frei
D i e g r o ß e B i l d u n g s m e s s e
60 / KULTURA /
www.facebook.com/bestinfo.at
www.twitter.com/bestinfo_at
Shams verfolgte ihre
Leidenschaft trotz der
Widerstände aus ihrer
Familie. Sie möchte
anderen Frauen
mit gutem Beispiel
vorangehen.
Großen Dank an das libanesische Restaurant Al Fayrooz (Universitätsring 8,
1010 Wien), das wir als Fotolocation nutzen durften!
„DER WEG IST KEIN LEICHTER,
ABER ES LOHNT SICH ZU
KÄMPFEN!“
Shams möchte eine Inspiration für alle Frauen sein, insbesondere
für jene, die auf ähnlichen Widerstand in ihren Familien
stoßen wie einst sie selbst. „Ich möchte ein Vorbild für alle
Frauen sein, die nicht tanzen dürfen oder können und nicht
einmal die Möglichkeit bekommen, sich tänzerisch auszudrücken“,
sagt sie entschlossen. Mit ihrer Familie kam sie beim
Thema Tanzen in all den Jahren auf keinen grünen Zweig
mehr, was sie für sich in Kauf genommen hat. „Es ist ein
Thema, über das ich mit meiner Familie nicht mehr diskutieren
kann.“
Für ihre Leidenschaft am Tanzen begrenzt Shams den Kontakt
zu ihrer Familie auf das Wesentlichste. „Der Weg, für den
ich mich entschieden habe, ist kein leichter gewesen, aber ich
wollte immer nach meinen Vorstellungen und Ideen leben und
nicht nach irgendwelchen Erwartungen, an die ich selber nicht
glaube. Denn am Ende des Tages muss man mit sich selbst
zufrieden und glücklich sein, sich selbst treu sein und authentisch
bleiben!“, so Shams im Gespräch.
Dass wohl nicht viele Frauen aus konservativen arabischen
oder muslimischen Familien denselben Weg wie Shams gehen,
fällt sowohl in der heimischen als auch in der internationalen
Tanzszene auf. „Ich bin bei Tanzveranstaltungen häufig die
einzige, die so ‚orientalisch‘ aussieht“, lacht sie. „Ich finde das
schade – allein mit dieser tollen Musik, das liegt uns doch im
Blut!“. Unlängst nahm sie bei einem Tanzwettbewerb in Kairo
teil, das immer noch als Mekka des Belly Dance gilt. Dabei ist
ihr aufgefallen, dass ausländische Tänzerinnen die Tanzszene
schon seit geraumer Zeit dominieren. Die Überzahl stammt vor
allem aus Osteuropa: aus Russland, der Ukraine oder aus dem
asiatischen Raum.
ORIENTALISCHER TANZ IM
WANDEL
In der New York Times stellte ein Journalist die treffende
Frage: Wenn Kairo doch das globale Zentrum des Belly Dance
ist, warum kommen die heißesten neuen Stars von überall
her, außer aus Ägypten? Die Tanzeinlagen der modernen Belly
Dance-Stars haben längst nichts mehr mit den spielerischen
Hüftschwüngen der großen Ikonen zu tun. Immer offenherziger
und provokanter werden die Kostüme, und die Shows
sexueller und aggressiver. Der klassische Orientalische Tanz
ist durch die Unterwanderung aus dem Ausland lange nicht
mehr das, was er einmal war. Das erkennen und bedauern
viele Araberinnen und Araber, sowie Enthusiasten des traditionellen
Raqs Sharqi heute. Trotzdem bleiben Nachwuchstänzerinnen
aus den arabischen Ländern bis auf Weiteres aus.
„Viele Tänzerinnen treten für Spottpreise auf Veranstaltungen
auf“, bedauert Shams. „Manche verlangen nur 50 Euro für
einen Auftritt, was alleine meine Taxifahrten abdecken würde!
Aufgrund dessen haben es viele andere Tänzerinnen schwer,
einen angemessenen Preis zu verlangen, da man nicht mehr
auf die Qualität des Tanzes Wert legt, sondern nur auf den
Preis.“ Der Druck, auch selbst zu immer offenherzigeren
Kostümen zu greifen, steigt ebenfalls mit der Konkurrenz.
„VIELE TÄNZERINNEN TRETEN FÜR
SPOTTPREISE AUF.“
In der Welt des Belly Dance herrschen andere Maßstäbe,
was das Äußere angeht. Denkt man an professionelle Tänzerinnen,
ist die Erwartung, dass sie besonders durchtrainiert
und athletisch sein müssen, nicht weit. Nicht so beim
Orientalischen Tanz. „Es gibt den Spruch ‚Zum Bauchtanzen
brauchst du einen Bauch‘, der sich hartnäckig hält. Je mehr
beim Tanzen wackelt, desto besser“, erklärt Shams. Sie hörte,
auch letztens in Kairo, den einen oder anderen Kommentar,
sie sei zu schlank für Belly Dance. „Sicherlich trifft das ja auch
den Geschmack in den orientalischen Ländern, als Frau ein
wenig mehr auf den Hüften zu haben. Aber jede und jeder
kann, unabhängig von Körperform und Alter, mit dem Tanzen
beginnen, da gibt es keine Grenzen!“. Die junge Frau sieht
den Tanzunterricht als Allheilmittel für selbst die trübsten
Tage. „Tanz und Musik sind Sprachen, die von allen Menschen
verstanden werden – egal welche ethnische Herkunft man
hat. Sie verbinden die unterschiedlichsten Kulturen, schaffen
Freundschaften und sind die schönste Art, sich zu verständigen.“
Unter Shams‘ Webseite shamsbellydance.at findet man
übrigens weitere Informationen und Kontaktdaten. ●
Für uns ist
Integration
kein Thema.
Gut so! Das Zusammenarbeiten unterschiedlicher Nationen war
bei McDonald’s noch nie ein Thema. Und darauf sind wir stolz.
Seit der Eröffnung unseres ersten Restaurants in Österreich 1977
arbeiten Menschen verschiedenster Kulturen bei und mit uns.
Heute sind bei uns rund 9.600 Mitarbeiter aus 91 Nationen tätig,
die bei uns gleiche Berufschancen finden und ergreifen können,
unabhängig von Alter, Geschlecht und Erfahrung. Das werden wir
auch in Zukunft so leben. Denn reden allein ist bei McDonald’s kein
Thema. Es braucht nachhaltiges Engagement – für Mensch, Umwelt
und Gesellschaft. Wir machen’s. Und nennen das Machhaltigkeit.
Mehr auf www.machhaltigkeit.at
62 / KULTURA /
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KOLUMNE
„Mehrsprachigkeit ja,
aber bitte nur die guten Sprachen“
Darüber, wie Mehrsprachigkeit gelebt werden sollte, damit alle davon
profitieren - nicht nur in den Klassenzimmern.
Ich bin seit einem Jahr fast wöchentlich
an verschiedenen Schulen, um dort
Workshops zu unterschiedlichen Themen
abzuhalten. Ich wurde oft sowohl von
Lehrer*innen als auch von Schüler*innen mit
dem Thema Mehrsprachigkeit konfrontiert.
In erster Linie erlebe ich Lehrer*innen,
die sich Sorgen um den Unterrichtsverlauf
machen, dass manche Schüler*innen auf
der Strecke bleiben. Als nächstes erlebe ich
gekränkte Schüler*innen, die Deutsch als
Muttersprache haben und sich immer wieder
ausgeschlossen fühlen, wenn sich ihre
Mitschüler*innen in ihrer Anwesenheit in
einer fremden Sprache unterhalten. Hingegen
berichten mir oft Schüler*innen, die mehrsprachig
aufwachsen oder Deutsch als Fremdsprache lernen,
von ihrem Missmut und dem Gefühl, jemand versuche
ihnen den Mund zuzuhalten, als wäre ihre Muttersprache
eine Schande. In jeder Schule ist es anders, doch eine
gewisse Stigmatisierung der eigenen Muttersprache
kann man immer wieder auch außerhalb der Schule
erleben.
BURAK, CAN UND ED SHEERAN
Mir ist dieses Problem gar nicht so fremd. Ich habe mich
oft davor gescheut abzuheben, wenn ich im Supermarkt
war und meine Mutter mich anrief. Ich wollte die skeptischen
Blicke, wenn ich auf Arabisch rede, vermeiden.
Andererseits nervt es mich auch extrem, wenn ich mit
meinen kurdischen Freunden unterwegs bin und sie
untereinander nur kurdisch reden. Wenn Mehrsprachig-
Jad Turjman
ist Poetry-Slammer,
Buch-Autor und
Flüchtling aus Syrien.
In seiner Kolumne
schreibt er über sein
Leben in Österreich.
keit zum Thema im Workshop wird, konnte
ich keine Aussage machen, die für alle fair
ist und alle Faktoren umfasst. So versuchte
ich die Schüler*innen zu ermutigen, die
Rollen zu tauschen und sich empathisch in die
Lage der anderen hineinzuversetzen. So waren
Burak und Can der Meinung, dass es nicht
schlimm sei in der Klasse in ihrer Muttersprache
etwas zu sagen. Ich habe ihnen zugestimmt
und erklärt, dass es situationsbedingt
ist und der Ton die Musik macht. Ich habe den
Rest der Klasse gefragt, ob es in Ordnung sei,
mit Mohamad, der wie ich Arabisch spricht,
kurz auf Arabisch zu reden. Ich fing an, mich
mit Mohamad zu unterhalten und habe dabei
immer wieder Burak und Can angeschaut, als
würde ich über sie reden. Im Nachhinein sagten die zwei
„es war unangenehm.“ Thomas und Julia haben sich
bestätigt gefühlt. So habe ich sie gebeten, sich noch
einmal so leidenschaftlich über Ed Sheerans letzten
Auftritt zu unterhalten, wie sie das am Anfang der
Stunde taten – nur diesmal auf Englisch. Feedback war:
„Wir konnten nicht so frei und fließend reden.” Ich habe
ihnen erzählt, dass es mir persönlich auch so geht. Ich
habe das Bedürfnis, über manche Sachen, besonders
emotionale, auf Arabisch zu reden. Aber ich vermeide es
strikt, arabisch zu reden, wenn unter den Anwesenden
jemand ist, der diese Sprache nicht versteht, und wir
ohnehin alle Deutsch können. Es soll nicht um die Frage
gehen, wer Recht und Unrecht hat, sondern darum, wie
wir respektvoll miteinander und mit unseren Unterschieden
umgehen.
Robert Herbe
LIEBE GRÜSSE AUS DAMASKUS
Die wissenschaftliche Sicht ist einstimmig
– nämlich, dass die Muttersprache von
Kindern mit Migrations- und Fluchthintergrund
eine entscheidende Rolle beim
Erlernen der deutschen Sprache spielt. Sie
zu stärken und exakt zu lernen und beim
Unterricht zu nutzen kann die kognitive
Anregung und die nötige geistige Auseinandersetzung
für das Erlernen weiterer
Sprachen fördern. Ich lehre regelmäßig
drei syrische Kinder Arabisch. Ich habe
gemerkt, seit ich die Stunde auf Deutsch und Arabisch
gleichzeitig gestalte, indem wir jedem neuen Begriff
einen deutschen gegenüberstellen, dass die Effektivität
und Aufmerksamkeit deutlich gestiegen ist und sie sich
das Gelernte nachhaltig merken. Aus meiner eigenen
Erfahrung kann ich behaupten, dass die Spracherwerbsfähigkeit
eines Menschen nicht separierbar ist. Es gibt
nicht eine Schublade für Deutsch, eine für Türkisch
und eine für Englisch. Wenn die Erstsprache ein gutes
Fundament hat, profitiert auch die Zweitsprache und
turjman@dasbiber.at
„
Wenn die
Erstsprache ein gutes
Fundament hat,
profitiert auch die
Zweitsprache.
jede weitere Fremdsprache, die man lernt.
Denn wenn ich mich in meiner Muttersprache
mit großem Wortschatz und
differenziert ausdrücken kann, werde ich
automatisch dasselbe beim Deutschlernen
anstreben. Wir müssen lernen, mit unserer
Vielfalt und Individualität konstruktiver
umzugehen. Sie als eine große Chance
und Bereicherung zu sehen. Wir können
die Realität der existierenden Diversität
nicht verleugnen. Wir dürfen nicht vergessen,
dass wir in einer mehrsprachigen
Gesellschaft leben, in der ein nachhaltiger Bedarf an gut
ausgebildeten zwei- oder mehrsprachigen Menschen
existiert. Es ist Aufgabe der Politik, individualisiertes
Lernen zu ermöglichen. Und aufzuhören, aus der einzigarten
Diversität dieses Landes polarisierende Politik zu
betreiben, um politisches Kleingeld zu machen und billig
Stimmen zu gewinnen.
Übrigens: Mittlerweile hebe ich selbstbewusst ab,
wenn mich meine Mutter beim Einkaufen anruft, und
richte der Kassiererin liebe Grüße aus Damaskus aus.
Melde rassistische Diskriminierung
und Hass im Netz an ZARA:
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Die Beratung ist
kostenlos und auf
Wunsch anonym.
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MELDEN UND
BERATUNG
64 / MIT SCHARF /
HEY BABY
Aus dem Bauch heraus
TRIP & TRAVEL
Einmal um die ganze Welt
Jelena Pantić-Panić
Andrea Grman
Gewinnspiel
MEINUNG
In Liebe, Mama
Ich habe übers Stillen geschrieben, über
Väter, über unnötige Ratschläge und die
richtige Wickeltasche. Doch was ich seit
Monaten kaum in Worte fassen kann, ist
wie sehr ich dieses kleine Wesen liebe.
Natürlich wusste ich auch früher, dass
Eltern ihre Kinder lieben. Aber auf diese
Wucht war ich doch nicht vorbereitet. Als
ich klein war, hat meine Mama mir erzählt,
dass sich die kleinen Babys im Himmel ihre
Eltern aussuchen und wir so zueinander
gefunden haben. Circa ein Vierteljahrhundert
später habe ich zum Himmel geblickt
und mich an das eine Baby gewandt: Wir
sind bereit für dich. Genau dieses Kind
in meinem Bauch zu tragen und seine
Händchen an meinem Gesicht zu spüren,
ist mehr als ein „Ich liebe dich“ jemals
ausdrücken könnte. Auch acht Monate
später sehe ich meinen Sohn an und kann
nicht glauben, dass das Leben wirklich so
passiert. Ich habe mich gefragt, warum
ich anfangs so verloren war. Jetzt weiß
ich, dass ich mich verlieren musste, um
wirklich zu mir zu finden. Ich bin wacher
als je zuvor. Als er seinen ersten Atemzug
gemacht hat, dachte ich, ich habe ihm das
Leben geschenkt. Doch wenn er mich eindringlich
mit seinen großen Augen ansieht,
die aussehen wie meine und ich diese
Verbundenheit spüre, weiß ich, dass er mir
Leben eingehaucht hat. Volim te, Luka.
ZAHN, ZAHN, BABY
Zahnen ist bei uns gerade großes Thema.
Kurz nachdem das Bauchweh aufgehört
hat, fing das Zahnen an. Zähnchen sind
aber noch keine in Sicht, aber gesabbert
wird, was das Zeug hält. Einer der Lieblinge
zum Knabbern ist dieser Kühlbeißring
in Schildkröten-Form mit Rassel von
reer, um 4,95 Euro
MAGIE DER NOSTALGIE
BEWUSST ERZIEHEN
Dr. Shefali hat alles auf den Kopf gestellt, was
ich je über Erziehung und Elternschaft dachte.
Ihr Mindvalley-Kurs „Conscious Parenting“ hat
echt mein Leben verändert und total revolutioniert,
wie ich als Mutter sein will. Wenn ihr
keinen ganzen Kurs machen wollt, folgt ihr
zumindest auf Instagram (@doctorshefali) und
YouTube (DrShefali)– ich finde sie großartig.
Ihr Buch „The Awakened Family: How to Raise
Empowered, Resilient, and Conscious Children“
gibt es auf Amazon um 18,91 Euro
Ich liebe den Gedanken, besondere
Dinge von Generation zu
Generation weiterzugeben und
wende das auch bei meinem
Kind an. Zum Beispiel schläft
mein Sohn in meinem Baby-
Bettchen und trägt Sachen von
seinem Papa, als er so klein
war. Abgesehen davon, dass
man sich Unmengen an Geld
spart, ist es besondererer als
Massenware. Wichtig: Immer
penibel auf den Zustand der
Dinge achten, was Sicherheit
und Sauberkeit betrifft.
Nynne Schroder/unsplash.com, Elsa Okazaki
Christoph Liebentritt, bereitgestellt
DAS WICHTIGSTE
WORT AUF REISEN
Destination:
Sri Lanka
Meistens und am allerliebsten verreise ich
alleine. So bleibe ich spontan, flexibel und
lerne tolle Menschen kennen. Und doch
gibt es manchmal Situationen, in denen ich
lieber nicht alleine wäre. Gut, dass ich mit
meiner Mama in
Sri Lanka war. Das
hat die folgende
Situation zwar nicht
verhindert, aber
zumindest fühlte
ich mich ein wenig
sicherer.
Wir fuhren mit dem
Zug von der Hauptstadt
Colombo ins
Hochland. Obwohl
wir uns den Luxus
der zweiten Klasse
gönnten, waren die
Waggons gesteckt
voll. Meine Mama
ergatterte einen
Sitzplatz und ich
stellte mich neben
sie. Während
wir plauderten,
bemerkte ich einen
gut gekleideten,
groß gewachsenen
Züge in Sri Lanka.
Dagegen ist die U6 ein Kindergeburtstag.
Mann neben mir. Er lächelte mich an. Ich
lächelte zurück, schenkte ihm aber nicht
weiter Beachtung – bis er fast an mir
klebte. Zuerst schrieb ich das dem vollen
Waggon zu. Es dauerte ein wenig, bis ich
bemerkte, dass er seinen Penis an meinem
Hintern rieb. Nach einigen Sekunden der
Fassungslosigkeit drehte ich mich zu ihm.
Als ich in sein Gesicht sah, fand ich weder
Scham noch Selbstgefälligkeit. Ich blickte
in ein breites Lächeln und die Suche nach
Bestätigung – als wäre er davon überzeugt,
dass mir seine Aktion gefällt. Ich sagte ihm,
er solle sich umdrehen und mich in Ruhe
lassen. „You don’t like it?“, fragte er völlig
verdutzt. „No! No, I don’t like it!“ Er entfernte
sich sichtlich enttäuscht und stieg bei
der nächsten Station aus. Ein anderer Mann
neben mir, der die gleichen Absichten hatte,
schien abgeschreckt zu sein und vergrößerte
seinen Sicherheitsabstand.
Glücklicherweise habe ich nur von wenigen
solcher Vorfälle zu berichten.
Dennoch muss man
auf alles gefasst
sein. Offenbar
hat sich in vielen
Ländern das
Klischee etabliert,
dass europäische
Frauen sehr leicht
zu haben und ohnehin
für jeden Spaß
bereit sind. Meist
reicht ein lautes
und entschiedenes
‚No‘, um die werten
Herren vom Gegenteil
zu überzeugen
– egal ob am Markt
in Äthiopien oder
beim Autostopp
durch Armenien.
Und falls es hart auf
hart kommt, habe
ich immer noch
mein Pfefferspray.
grman@dasbiber.at
Allein,
aber nicht
Einsam
Alleinreisen muss auch gelernt
sein. Bloggerin Annika Ziehen
erzählt Anekdoten von ihren Reisen
und gibt praktische Tipps für
Abenteurerinnen. Schick mir ein
Mail an grman@dasbiber.at und
erzähle von deinen verrücktesten
Reise-Stories. Mit etwas Glück
findest du bald das Buch Solotrip.
Vom Glück des Alleinreisens in
deinem Briefkasten.
Low-Budget
Tipp
COUCHSURFING
Reisen muss nicht teuer
sein. Durch die Plattform
Couchsurfing kannst du bei
Einheimischen auf dem Sofa
übernachten. Sie zeigen dir
das echte Leben in ihrer Stadt
fernab von den typischen Touri-Attraktionen.
Wenn du Fernweh
hast, aber dein nächster
Trip nicht in Sicht ist, kannst
du wiederum Reisende hosten
und dich mit Backpackern aus
der ganzen Welt treffen.
66 / BABYSTYLE /
/ REISE / 67
DIE VERLASSENEN
KINDER MOLDAUS
Stetige Abwanderung und wirtschaftliche Stagnation führen dazu,
dass immer mehr moldauische Eltern auf der Suche nach Arbeit ihre
Kinder zurücklassen müssen.
Von Andrija Perkovic
Neben Concordia unterstützt die ADA Jugendliche mit
Ausbildungsprojekten im landwirtschaftlichen Sektor
Auf Moldaus Straßen spazierend sieht man schnell
Spuren der ehemaligen UDSSR so auch die
für Russland typischen Matrjoschka
Rasch geleitet man uns herein
ins Gebäude, an Wohnbereichen
und Kunstworkshops
vorbei, zu unserem Zielort.
Wir marschieren das Treppenhaus hinunter
und gelangen in ein Wohnzimmer. Am
anderen Ende des Raumes stehen ungeduldig
drei Mädchen und drei Burschen.
Sie möchten das Gespräch mit uns
schnell hinter sich bringen. Nicht, weil sie
ungern über ihr Schicksal reden - nein,
„die Kinovorstellung beginnt bald“, lässt
uns Helena mit einem Grinsen wissen.
Gleich nach dem Interview und Fotoshooting geht es für die Jugendlichen ins Kino.
Helena ist eine muntere und aufgeschlossene
20-Jährige aus dem Umland
der Hauptstadt Chisinau. Sie besucht
gerade die Tourismusschule in der Stadt
und möchte dazu auch noch Schauspielerin
werden. Sie wirkt fokussiert und
reifer als ihr Alter es vermuten würde,
deswegen erscheint mir ihr Traum von
Hollywood gar nicht so weit fern. Helena
und ihre Freunde sind „children-at-risk“
– das sind Kinder und Jugendliche in
der Republik Moldau, die nicht bei ihrer
eigentlichen Familie leben. Ihre Eltern
sind entweder zu arm, arbeiten im Ausland
oder sind schlichtweg überfordert.
Andrija Perkovic/ADA
ung zur Verfügung. Gruppenaktivitäten,
Feste und Beschäftigungsangebote
sorgen für soziale Kontakte. „Wenn man
nicht mehr weiß, wie man die Kinder
ernähren soll, woher man das Geld für
Lebensmittel, für die Schule, für Kleidung
nehmen soll, helfen wir“, so Verena
Roringer von Concordia. Die Österreicherin
verurteilt auch nicht die Eltern, die
ins Ausland gehen, um etwas Geld zu
verdienen: „Sie brauchen es schließlich
zum Überleben.“
In den ländlichen Regionen Moldaus
haben die Menschen meist keine
oder nur schlecht bezahlte Arbeit.
Armut, Abwanderung in die Städte
Die 20-Jährige Helena ist positiv
und zielstrebig. Die perfekten
Voraussetzungen für die Laufbahn
Richtung Hollywood.
und Arbeitsmigration ins Ausland sind
die Folge. Moldau hat die europaweit
höchste Arbeitsmigration. In den letzten
zehn Jahren ist mehr als ein Drittel der
arbeitsfähigen Bevölkerung und damit
fast eine Million Menschen ins Ausland
emigriert. Oft bleiben nur die Alten und
die in deren Obhut zurückgelassenen
Kinder und Jugendlichen in den Dörfern
zurück. Ohne Geld und ohne Perspektive.
„ICH MÖCHTE IN
ÖSTERREICH STUDIEREN“
Anastasia wurde von ihren Eltern verlassen
als sie vier Jahre alt war. Sie sind
mit ihrer älteren Schwester nach Moskau
gezogen und haben sie und ihre anderen
Geschwister bei ihrer Großmutter zur
Obhut gegeben. Doch nach dem Tod der
Großmutter ist die damals Achtjährige
mit ihren Geschwistern zur Concordia
gekommen. Anastasia bewarb sich später
an der Universität und absolviert jetzt
erfolgreich ihr Studium in Chisinau. Sie
blickt zurück: „ Concordia hilft uns sehr.
Ich lebe hier mit meinen Brüdern. Wir
wachsen gemeinsam auf. Neben dem
Studium arbeite ich auch jeden Abend in
der Gastronomie. Ich bin sehr glücklich,
denn es ist schwer, neben dem Studium
eine Arbeit zu finden.“ So wie Helena
hat Anastasia eine klare Vorstellung von
ihrer Zukunft: „Ich möchte in Österreich
studieren und danach aber in mein Heimatland
zurückkehren, ich liebe Moldau.“
Das Gespräch mit den zwei inspirie-
ADA UND CONCORDIA
Die Republik Moldau ist seit 2004 ein
Schwerpunktland der Österreichischen
Entwicklungszusammenarbeit. Mit der
Unterstützung der Austrian Development
Agency (kurz: ADA) hat sich die zivilgesellschaftliche
Organisation Concordia
dem Problem angenommen. Sie stellt in
eigens errichteten Sozialzentren betreute
Wohnangebote und auch Einzelbetreurenden
Frauen ist leider schon zu Ende.
Die Zeit verging wie im Flug und wie
schon eingangs angekündigt, müssen
die Freunde ja unbedingt ins Kino. Vorher
wollen wir aber noch ein paar Fotos von
der „Gang“ schießen. Ich bedanke mich
für ihre ehrliche Art. Es ist nicht selbstverständlich,
mit wildfremden Menschen
über solche Schicksalsschläge zu reden.
Sie entgegnen mir: „No, thank you for
listening to us.” Vielleicht sehe ich ja
Anastasia bald, wenn sie ihr Studium in
Österreich anfängt. ●
68 / OUT OF AUT /
/ OUT OF AUT / 69
„Die Leiden des jungen Todor“
Von Todor Ovtcharov
Studenten
I
on und Radu sind groß wie zwei Nilpferde.
Sie arbeiten schwarz auf Baustellen und ich
frage mich immer, wie die Baugerüste ihr
Gewicht aushalten. Sie sehen aus wie Zwillinge,
obwohl der eine vier Jahre älter ist. Beide haben
angeblich jeweils fünf Kinder. „Und sie sehen
genau so aus wie wir!!“. Die zwei Brüder sind
stolz. Ich stelle mir zehn kleine Ions und Radus
vor und muss lachen.
Seit zehn Jahren kommen die beiden mit dem
ältesten VW-Bus, den ihr euch vorstellen könnt,
nach Wien. Dieser Bus war schon alt, als die
Hippies sich auf dem Weg nach Indien mit alten
VW-Bussen machten. Ion und Radu könnten ruhig
diesen Bus einem Museum anbieten. Sie kommen
aber nicht auf die Idee. Sie kommen nach Wien
und lassen den Bus dort, wo man keinen Parkschein
kaufen muss. Er hat nur zwei Vordersitze,
alles andere ist leer. Jeden Tag kommen Ion und
Radu zu ihrem Bus und er wird immer voller: ein
weggeworfener Tisch, den sie sorgfältig auseinandernehmen,
eine Nähmaschine aus der Mitte
des vergangenen Jahrhunderts, ein gebrochener
Spiegel, eine Schreibmaschine mit fehlenden
Tasten, eine ganze Ausgabe des „Neckermann“
Katalogs aus den 1980-er, sogar eine gebrauchte
Kloschüssel. All das findet seinen Platz im Bus,
der immer mehr nach unten sinkt. Die beiden
ordnen alles sehr genau, damit kein Zentimeter
leer bleibt. Im Bus wird es so dicht wie auf einer
Supernova. Ion und Radu können nicht lesen und
schreiben. Weder auf Deutsch noch auf ihrer
Muttersprache. Ich wundere mich, wie sie es
geschafft haben, den Führerschein zu machen,
es ist aber eine Tatsache, dass sie bis jetzt noch
nie Probleme mit der Polizei hatten. Ich fragte
sie mal, warum sie dieses ganze weggeworfene
Zeug sammeln. Sie antworteten mit einem listigen
Lächeln, insofern ein Nilpferd listig lächeln kann,
dass sie „das Leben in Wien studieren“. Daraufhin
nannte ich sie „ewige Studenten“, was ihnen sehr
gefiel.
Irgendwann ist der Bus so voll, dass sein
Hinterteil nach unten neigt und sein Vorderteil so
hoch wie das Vorderteil eines Motorboots. Man
kann nichts mehr reintun, da er bis oben voll ist.
In so einem Moment fragte mich Ion, ob ich ihm
vielleicht nicht eine Zahnbürste schenken kann.
Ich gab ihm eine. Ich glaube, genau sie fehlte, um
den Bus ganz voll zu machen. Danach setzen sich
Ion und Radu in den Bus und von ihrem Gewicht
steht er wieder gerade. Sie schnallen sich an. Von
draußen sehen sie aus wie ein Bild aus einem
Kinderbuch, wo zwei Nilpferde einen Bus fahren.
Sie fahren zurück zu ihrem Dorf in Rumänien.
Am Weg überlegen sie sich, was sie mit der alten
Schreibmaschine machen und wo die gebrauchte
Kloschüssel in Verwendung kommt. Bis sie
wieder nach Wien kommen und ihr Bus wieder
leer ist. Das letzte Mal kamen sie mit noch einem
Mann – einer Kopie von ihnen, der aber doch
kein Verwandter war. Anscheinend sehen alle in
diesem Dorf ähnlich aus. „Florentin!“, stellte er
sich vor. Ion und Radu lächelten mich an – das ist
ein weiterer Student, den wir bringen! Er wird das
Leben in Wien studieren!“. ●
echt.
großartig.
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