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BIBER 03_20

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„Die AfD ist der

geistige Wegbereiter

der Tat von Hanau.“

Der Journalist Hasnain Kazim hat

ein Buch darüber geschrieben, wie

man Pöblern und Rechtspopulisten

die Stirn bieten kann – er spricht

aus Erfahrung. Über die Kunst des

Streitens, Hass und die AfD.

Interview: Nada El-Azar, Fotos: Peter Rigaud

Autor und ehemaliger

Spiegel-Journalist Hasnain

Kazim kann ein Liedchen

von Hassmails singen

BIBER: Herr Kazim, in Hanau erschoss

ein Rechtsextremer in Shishalokalen

neun Menschen aus rassistischen

Motiven. Wie sehen Sie die Zukunft

Deutschlands im Umgang mit rechtem

Hass?

Diese Tat, dieser Terror ist keine Überraschung.

Sie ist kein unerwartetes

Ereignis, nichts, von dem man behaupten

könnte, man hätte es nicht wissen

können. Sondern es ist genau das, was

absehbar und erwartbar und von manchen

Kreisen auch gewünscht war. Die

AfD ist der geistige Wegbereiter der Tat

von Hanau. Wir müssen dieser Art von

hassvoller und menschenverachtender

Sprache wieder und wieder entgegentreten,

sonst sehe ich für Deutschland keine

gute Zukunft.

Sie sind durch Ihre ganze Karriere immer

wieder mit massiven Hassnachrichten

und Morddrohungen konfrontiert

gewesen. Gab es ein ausschlaggebendes

Ereignis, das zum Schreiben des jüngsten

Buches geführt hat? Eine ähnliche

Thematik hatte ja schon Ihr Buch „Post

von Karlheinz“.

Hasnain Kazim: „Post von Karlheinz“ ist

eine Sammlung von Dialogen, die ich

mit solchen Leuten geführt habe. Es ist

sachlich und komisch zugleich – manchmal

zynisch im Streit. Eigentlich wollte

ich nicht der Typ sein, der ständig zum

Thema Hassdialoge schreibt. Aber ich

bekam Zuspruch von Leuten, die es toll

fanden, endlich eine Vorlage dafür zu

haben, wie man mit Hatern umgeht. Das

sollte „Post von Karlheinz“ aber gar nicht

sein, denn ich bin manchmal durchaus

etwas böse. Deshalb habe ich das zum

Anlass genommen, eine richtige Streitanleitung

zu schreiben, und so ist „Auf sie

mit Gebrüll“ entstanden.

Ich habe sogar als

Kind verstanden,

dass jeder für

irgendein Merkmal

aufgezogen wurde..

Als Journalist ist man ja eine Person des

öffentlichen Lebens und daher leicht eine

Zielscheibe für Hassnachrichten – insbesondere

wenn es um politische oder

soziale Ansichten geht. Wie war das mit

dem Hass, bevor Sie Journalist wurden?

Ich bin in einem kleinen norddeutschen

3.000-Einwohner-Dorf namens Hollern-

Twielenfleth aufgewachsen. Während

meiner Kindheit habe ich keinen Hass

erfahren. Ein Spruch eines Mitschülers

hat sich jedoch in meinen Kopf

eingebrannt, und zwar „Du bist braun

wie Scheiße“. Das hat mich einerseits

verletzt, aber andererseits habe ich

sogar als Kind verstanden, dass jeder für

irgendein Merkmal aufgezogen wurde.

Das konnte Übergewicht, Segelohren

oder eben die Hautfarbe sein. Was ich

aber schon gemerkt habe – das wurde

mir wahrscheinlich unbewusst von

meinen Eltern mitgegeben – war, dass

wir 110 Prozent geben mussten. Ich

befürchte, wir Nichtweißen müssen

immer 110 Prozent oder mehr geben,

um dieselbe Anerkennung zu bekommen

wie Weiße. In der Schule habe ich mich

daher immer angestrengt und war ein

guter Schüler.

Wann erhielten Sie Ihre erste Drohung?

Das passierte erst, als ich als 17-Jähriger

meinen ersten Artikel veröffentlichte.

Diese Zeit, als in Deutschland Jagd auf

Flüchtlinge gemacht wurde, als der

Mordanschlag von Solingen verübt wurde

und als Flüchtlingsheime brannten,

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