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BIBER 03_20

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Jori, 16 Enya, 18

WHITE DAYS FOR FUTURE?

Bio-Fleisch kaufen oder vegan

leben, mit bedruckten Jutebeuteln

in den Zero-Waste-Laden

hineinspazieren und Schilder für

die kommende Demo basteln. Ist

die Klimabewegung Fridays for

Future nur für die weiße Elite?

Von Elena Bavandpoori, Fotos: Soza Jan

Das ist vielleicht ein Klischee,

aber auf der Demo habe ich

viel mehr typisch österreichische

Leute gesehen. Da

waren kaum migrantisch aussehende

Menschen“, sagt der 19-jährige Schüler

Mohammed. Mit Freundinnen entspannt

er auf buntbemalten Sitzgelegenheiten

vorm Lessinggymnasium. Es ist Freitag.

Zur geplanten Fridays for Future-Demo

geht er nicht.

Mohammed hat nicht unrecht: Laut

einer Studie des Instituts für Protestund

Bewegungsforschung (ipb) gaben

nur 17% der Demo-Teilnehmenden von

Fridays for Future an, einen Migrationshintergrund

zu haben. In Österreich hat

aber jede vierte Person einen Migrationshintergrund,

in Wien sogar jede

zweite. Wie kommt es zu dieser Kluft?

Nina Wienkoop ist Vorstandsmitglied

vom ipb und Mitarbeiterin beim Deutschen

Zentrum für Integrations- und

Migrationsforschung (DeZIM). Sie sieht

das Problem der Diversität generell bei

jungen Umweltorganisationen: „Es fängt

erst jetzt an, dass diverse Stimmen

hörbar gemacht werden, aber Klimabewegungen

gibt es schon sehr lange. Wir

sehen einen Anstieg an Berichterstattung

über das Verhältnis von Diversität und

Klima, seitdem Vanessa Nakate aus dem

Foto geschnitten wurde.“

BIST DU SCHWARZ, WIRST

DU RAUSGESCHNITTEN

Zur Erinnerung: Die ugandische Klimaaktivistin

Vanessa Nakate wurde von der

Fotoagentur Associated Press aus einem

Foto vom Weltwirtschaftsforum 2020 in

Davos rausgeschnitten. Das sorgte für

heftige Kritik, Rassismusvorwürfe standen

im Raum. Denn sie war die einzige

nicht-weiße Aktivistin auf dem Bild. Es

ist nicht das erste Mal, dass Rassismus

mit der Klimabewegung in Verbindung

gebracht wird: Berliner Rapper Chefket

bezeichnet die Fridays for Future-

Bewegung als „White Days for Future“,

nachdem er von einem geplanten

Benefizkonzert im Mai 2019 wieder ausgeladen

wurde. Grund: Auf dem Remix

„Nicht die Faust

heben, sondern den

Menschen die Hand

reichen.“

seines Songs „Rap & Soul“ ist Xatar

dabei, ein „Bad Boy“ des deutschen

Raps mit krimineller Vergangenheit. Für

die FFF Ortsgruppe Berlin sei das ethisch

nicht vertretbar gewesen.

Während Mohammed vor der Schule

sitzt, steht die Wiener Ortsgruppe von

Fridays for Future protestierend unter

dem Heldentor. An diesem regnerischen

Nachmittag können sich alle

Interessent*innen mit den „Scientists for

Future“ unterhalten und sich informieren.

Teil der Ortsgruppe Wien sind Jori, Anna,

Adrian und Simon.

Die 17-jährige Anna findet es nicht

verwunderlich, dass wenige Menschen

mit Migrationshintergrund bei den Demos

vertreten sind: „Wenn du mit akuten

Benachteiligungen wie Rassismus zu

kämpfen hast, dann ist es verständlich,

dass das Klima keine Priorität in deinem

Leben ist.“ Ihre Eltern kommen aus

Weißrussland, sie hat nicht die österreichische

Staatsbürgerschaft. Aus Angst

vor Polizeigewalt und um rechtlich nicht

negativ aufzufallen, bleibt Anna daher

den Protesten der „Extinction Rebellion“-

Gruppe fern. „Extinction Rebellion“ ist

bekannt für Aktionen des zivilen Ungehorsams,

Straßenblockaden und Konfrontation

mit der Polizei.

ZEIT, GELD UND WISSEN

ALS WICHTIGSTE

RESSOURCEN

Protestforscherin Nina Wienkoop betont

zudem, dass Ressourcen wichtig seien,

um an Klimademos teilzunehmen: „Zeit

und Geld spielen eine Rolle, wenn es

um klimafreundliches Leben, Teilnahme

an den Protesten und ehrenamtliches

Engagement allgemein geht. Auch die

Vertrautheit mit dem Thema ist wichtig,

zum Beispiel bei vorausgesetztem Vokabular

und Wissen.“ Fossile, Biodiversität,

Klimagerechtigkeit. Was heißt das alles

eigentlich? Anna weiß, dass schweres

Vokabular Menschen abschrecken

kann: „Sprache ist eines der größten

Probleme, die uns beschäftigen. Wir

machen uns immer Gedanken darüber,

welche Begriffe wir voraussetzen können

und welche Sprüche verständlich sind.“

Auch Adrian von der Ortsgruppe Wien,

25 Jahre alt, hat anfangs nicht alles

verstanden. Jedoch konnte er seinem

Interesse durch das kostenlose Angebot

im Internet nachgehen und sich ausgiebig

von den „Scientists for Future“

informieren lassen.

Allerdings kann sich Interesse nur

dann entwickeln, wenn es schon Zugang

zum Thema gibt. Um Brücken zu anderen

Gemeinden zu bauen, hat FFF Wien eine

Arbeitsgruppe namens „Religions for

Future“. Die Gruppe tritt mit Menschen

aus verschiedenen Glaubensrichtungen

in Kontakt, um den Zugang zur Klimabewegung

zu erleichtern. Simon, 18, leitet

die Arbeitsgruppe und sagt dazu: „Nicht

die Faust heben, sondern den Menschen

die Hand reichen. Wenn wir uns

abkapseln, lösen wir die Klimakrise nicht.

Heute habe ich mich mit einem serbisch-

Adrian, 25 Anna, 17

/ RAMBAZAMBA / 37

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