Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Jori, 16 Enya, 18
WHITE DAYS FOR FUTURE?
Bio-Fleisch kaufen oder vegan
leben, mit bedruckten Jutebeuteln
in den Zero-Waste-Laden
hineinspazieren und Schilder für
die kommende Demo basteln. Ist
die Klimabewegung Fridays for
Future nur für die weiße Elite?
Von Elena Bavandpoori, Fotos: Soza Jan
Das ist vielleicht ein Klischee,
aber auf der Demo habe ich
viel mehr typisch österreichische
Leute gesehen. Da
waren kaum migrantisch aussehende
Menschen“, sagt der 19-jährige Schüler
Mohammed. Mit Freundinnen entspannt
er auf buntbemalten Sitzgelegenheiten
vorm Lessinggymnasium. Es ist Freitag.
Zur geplanten Fridays for Future-Demo
geht er nicht.
Mohammed hat nicht unrecht: Laut
einer Studie des Instituts für Protestund
Bewegungsforschung (ipb) gaben
nur 17% der Demo-Teilnehmenden von
Fridays for Future an, einen Migrationshintergrund
zu haben. In Österreich hat
aber jede vierte Person einen Migrationshintergrund,
in Wien sogar jede
zweite. Wie kommt es zu dieser Kluft?
Nina Wienkoop ist Vorstandsmitglied
vom ipb und Mitarbeiterin beim Deutschen
Zentrum für Integrations- und
Migrationsforschung (DeZIM). Sie sieht
das Problem der Diversität generell bei
jungen Umweltorganisationen: „Es fängt
erst jetzt an, dass diverse Stimmen
hörbar gemacht werden, aber Klimabewegungen
gibt es schon sehr lange. Wir
sehen einen Anstieg an Berichterstattung
über das Verhältnis von Diversität und
Klima, seitdem Vanessa Nakate aus dem
Foto geschnitten wurde.“
BIST DU SCHWARZ, WIRST
DU RAUSGESCHNITTEN
Zur Erinnerung: Die ugandische Klimaaktivistin
Vanessa Nakate wurde von der
Fotoagentur Associated Press aus einem
Foto vom Weltwirtschaftsforum 2020 in
Davos rausgeschnitten. Das sorgte für
heftige Kritik, Rassismusvorwürfe standen
im Raum. Denn sie war die einzige
nicht-weiße Aktivistin auf dem Bild. Es
ist nicht das erste Mal, dass Rassismus
mit der Klimabewegung in Verbindung
gebracht wird: Berliner Rapper Chefket
bezeichnet die Fridays for Future-
Bewegung als „White Days for Future“,
nachdem er von einem geplanten
Benefizkonzert im Mai 2019 wieder ausgeladen
wurde. Grund: Auf dem Remix
„Nicht die Faust
heben, sondern den
Menschen die Hand
reichen.“
seines Songs „Rap & Soul“ ist Xatar
dabei, ein „Bad Boy“ des deutschen
Raps mit krimineller Vergangenheit. Für
die FFF Ortsgruppe Berlin sei das ethisch
nicht vertretbar gewesen.
Während Mohammed vor der Schule
sitzt, steht die Wiener Ortsgruppe von
Fridays for Future protestierend unter
dem Heldentor. An diesem regnerischen
Nachmittag können sich alle
Interessent*innen mit den „Scientists for
Future“ unterhalten und sich informieren.
Teil der Ortsgruppe Wien sind Jori, Anna,
Adrian und Simon.
Die 17-jährige Anna findet es nicht
verwunderlich, dass wenige Menschen
mit Migrationshintergrund bei den Demos
vertreten sind: „Wenn du mit akuten
Benachteiligungen wie Rassismus zu
kämpfen hast, dann ist es verständlich,
dass das Klima keine Priorität in deinem
Leben ist.“ Ihre Eltern kommen aus
Weißrussland, sie hat nicht die österreichische
Staatsbürgerschaft. Aus Angst
vor Polizeigewalt und um rechtlich nicht
negativ aufzufallen, bleibt Anna daher
den Protesten der „Extinction Rebellion“-
Gruppe fern. „Extinction Rebellion“ ist
bekannt für Aktionen des zivilen Ungehorsams,
Straßenblockaden und Konfrontation
mit der Polizei.
ZEIT, GELD UND WISSEN
ALS WICHTIGSTE
RESSOURCEN
Protestforscherin Nina Wienkoop betont
zudem, dass Ressourcen wichtig seien,
um an Klimademos teilzunehmen: „Zeit
und Geld spielen eine Rolle, wenn es
um klimafreundliches Leben, Teilnahme
an den Protesten und ehrenamtliches
Engagement allgemein geht. Auch die
Vertrautheit mit dem Thema ist wichtig,
zum Beispiel bei vorausgesetztem Vokabular
und Wissen.“ Fossile, Biodiversität,
Klimagerechtigkeit. Was heißt das alles
eigentlich? Anna weiß, dass schweres
Vokabular Menschen abschrecken
kann: „Sprache ist eines der größten
Probleme, die uns beschäftigen. Wir
machen uns immer Gedanken darüber,
welche Begriffe wir voraussetzen können
und welche Sprüche verständlich sind.“
Auch Adrian von der Ortsgruppe Wien,
25 Jahre alt, hat anfangs nicht alles
verstanden. Jedoch konnte er seinem
Interesse durch das kostenlose Angebot
im Internet nachgehen und sich ausgiebig
von den „Scientists for Future“
informieren lassen.
Allerdings kann sich Interesse nur
dann entwickeln, wenn es schon Zugang
zum Thema gibt. Um Brücken zu anderen
Gemeinden zu bauen, hat FFF Wien eine
Arbeitsgruppe namens „Religions for
Future“. Die Gruppe tritt mit Menschen
aus verschiedenen Glaubensrichtungen
in Kontakt, um den Zugang zur Klimabewegung
zu erleichtern. Simon, 18, leitet
die Arbeitsgruppe und sagt dazu: „Nicht
die Faust heben, sondern den Menschen
die Hand reichen. Wenn wir uns
abkapseln, lösen wir die Klimakrise nicht.
Heute habe ich mich mit einem serbisch-
Adrian, 25 Anna, 17
/ RAMBAZAMBA / 37