WOLL Magazin MBO 2020.1 Frühling
WOLL Magazin für Meschede, Bestwig und Olsberg Frühling 2020. Schwerpunkt: Wald und Holz im Sauerland!
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„Das ist ja das Schöne, dass sich die Natur an<br />
Umweltveränderungen anpassen kann.<br />
Das muss sie ja, sie kann ja nicht weglaufen.“<br />
Martin Rogge<br />
Doch auch andere Baumarten leiden unter der extremen<br />
Trockenheit der vergangenen Sommer; der Bodenvorrat an<br />
Wasser ist noch immer nicht wieder aufgefüllt. Und hier<br />
kommen die Gene ins Spiel: „Wie sich die Bäume jetzt<br />
verhalten, welche Taktiken sie zum Überleben benutzen,<br />
das hängt alles an den Erbinformationen ab.“ Auch wie<br />
der Baum mit erwünschten Pilzen kommuniziert oder<br />
Abwehrstoffe gegen Insekten, Bakterien und andere<br />
Schädlinge bildet, ist genetisch festgelegt. An dieser Stelle<br />
kommt den Pflanzen eine möglichst große, genetische<br />
Vielfalt zugute: „Ein Baum versucht zum Beispiel Taktik<br />
A der Mutter“, so der Forstwirt, „und wenn das nicht<br />
funktio niert, greift er auf die Taktik aus der anderen, der<br />
väterlichen Hälfte des Erbgutes zurück. Er hat also bei<br />
einer größeren genetischen Vielfalt eine größere Menge an<br />
Strategien zur Verfügung und dadurch größere Chancen,<br />
zu überleben.“ Aus diesem Grund wird bei der Auswahl<br />
des Saatgutes von vornherein eine strenge Auswahl getroffen.<br />
Das Forstvermehrungsgutgesetz regelt dabei etwa, dass<br />
das Saatgut bestimmter Arten von mindestens 20 Mutterbäumen<br />
stammen muss. Durch den Pollenflug kann sogar<br />
eine noch größere Menge an Vaterbäumen gewährleistet<br />
werden.<br />
Artenvielfalt stärkt den Wald<br />
Die Zukunft des Waldes sieht Martin Rogge ganz klar in<br />
Mischwäldern. „Je mehr Artenvielfalt wir haben, desto<br />
besser können sich die Bäume untereinander ergänzen und<br />
verschiedene Funktionen übernehmen.“ Hat ein Förster<br />
oder ein Waldbauer eine Schad- oder Freifläche neu<br />
aufzuforsten, wählt er dabei mindestens vier verschiedene<br />
Baumarten aus, je nach wirtschaftlichem Ziel. „Dafür<br />
muss zunächst der Boden auf seine Nährstoffe und die<br />
Wasserversorgung hin untersucht werden“, so Martin<br />
Rogge über das Vorgehen. „Außerdem muss der Förster<br />
die Z ukunft im Auge behalten. Derzeit plant man mit<br />
einer deutlich schlechteren Wasserversorgung über die<br />
nächsten Jahre.“ Entsprechend gilt es dann, die Baumarten<br />
auszuwählen. In dieser Hinsicht übt das Wald und Holz<br />
NRW auch eine Beratertätigkeit aus: „Wir können in<br />
keine Glaskugel schauen, aber wir versuchen, nach bestem<br />
Wissen und Gewissen zu handeln und unsere Wälder auf<br />
künftige Klimaveränderungen vorzubereiten. Da werden<br />
jetzt bald ganz andere Arten eine größere Rolle spielen.“<br />
Die als pflegeleicht geltende Fichte mag es eigentlich eher<br />
kühler und fühlt sich in Hochgebirgslandschaften wohl.<br />
Somit könnte ihre Blütezeit in unserer Region zu Ende<br />
sein. Bäume, die mehr Wärme und Trockenheit vertragen,<br />
wie etwa die Douglasie oder die Rotbuche, könnten nun<br />
dazu beitragen, den Wald zu sichern. Um zu verstehen, wie<br />
und wo verschiedene Baumarten am besten zusammenwirken,<br />
forschen Martin Rogge und seine Mitarbeiter in<br />
einem eigenen Gewächshaus.<br />
Mensch und Wald<br />
Was im Kleinen im Gewächshaus vonstattengeht, wird<br />
auch im Großen umgesetzt: Fünf Forstbetriebsbezirke<br />
verfügen gemeinsam über etwa 10.000 Hektar Staatswald<br />
südlich der Ruhr im Arnsberger Wald. Das Zentrum für<br />
Wald und Holz teilt sich diesen Wald mit dem Fachbereich<br />
für die Bewirtschaftung des Staatswaldes. Dorthin werden<br />
auch Bäume und Setzlinge aus dem Gewächshaus ausgepflanzt<br />
und in Versuchskulturen weiter beobachtet.<br />
Den Wald sich selbst zu überlassen, wie es in Bayern und<br />
aktuell auch im Harz geschieht, wäre laut Martin Rogge für<br />
NRW nicht sinnvoll: „Ohne das menschliche Eingrei fen<br />
wären unsere Wälder hier längst von der Buche dominiert.“<br />
Überhaupt sieht sich der Forstwirt als Schnitt stelle<br />
zwischen dem Naturschutz und den Ansprüchen, die die<br />
Menschen an den Wald stellen. „Der Wald dient nicht nur<br />
als Erholungsort, sondern auch dem Wasserschutz. Außerdem<br />
ist er natürlich Lebensraum zahlreicher Tier- und<br />
Pflanzenarten. Die Menschen können wir dabei aber auch<br />
nicht wegdiskutieren, wir brauchen ja den Rohstoff Holz“,<br />
äußert sich Martin Rogge zur Lage. Eine Vereinbarkeit<br />
zwischen ökonomischen und ökologischen Überlegungen<br />
sieht er in nachhaltiger Planung. „Wir sind auf sich selbst<br />
regulierende Waldsysteme angewiesen. Für die Erhaltung<br />
der Natur und für das Gemeinwohl des Menschen.“<br />
38 - <strong>WOLL</strong> <strong>Frühling</strong> 2020