Nr. 69 - Winter 2018-2019
Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise
Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland
Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue
Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen
Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier
Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise
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DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN <strong>Nr</strong>. <strong>69</strong> · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/19<br />
ELSASS · PROVENCE · JURA · BOURGOGNE-FRANCHE-COMTÉ<br />
Elsass<br />
Kaysersberg, eines der<br />
Lieblingsdörfer der Franzosen<br />
Provence<br />
Tanzende Flamingos in der Camargue<br />
Weihnachten im Jura<br />
Vom Rosenkranz zum Spielzeugland<br />
Bourgogne-Franche-Comté<br />
Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier<br />
Rezept Encornets à la Sétoise<br />
Gesellschaft Der Streit um das Erbe von Saint-Exupéry<br />
Wirtschaft Der Krieg der Gummibärchen ist erklärt!<br />
www.frankreicherleben.de<br />
Deutschland 5,90 €<br />
Österreich 6,50 €<br />
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EDITORIAL<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
als Leser unseres Magazins wissen<br />
Sie es nur zu gut: Worte sind wichtig,<br />
und Texte – egal ob Bücher,<br />
Magazine, Tageszeitungen oder<br />
digitale Informationen – sind unverzichtbar. Sie können<br />
berühren und trösten, manchmal auch verstören und<br />
ärgern. Sie können uns zum Lachen oder zum Weinen<br />
bringen, sie begleiten uns durchs Leben. Sie sind<br />
Bestandteil der Kultur, die aus unserem Leben<br />
ebenfalls nicht wegzudenken wäre.<br />
Ende Oktober trafen in Paris zwei mutige<br />
Frauen mit solidem Background (die eine war<br />
Abteilungsleiterin einer Filiale der bekannten<br />
Einzelhandelskette Virgin auf den<br />
Champs-Elysées gewesen, die andere<br />
hatte beim Verlag Flammarion und bei<br />
Amazon, dem Hauptkonkurrenten<br />
der Buchhandlungen, gearbeitet)<br />
eine riskante, aber faszinierende<br />
Entscheidung: In einer Stadt, die<br />
heute nur noch 715 Buchhandlung<br />
zählt (im Jahr 2000 waren es<br />
noch über 1000), eröffneten sie<br />
am Boulevard Poissonnière, nur<br />
zwei Schritte von den Grands Magasins<br />
entfernt, eine unabhängige Buchhandlung.*<br />
Und dann gleich mit 40 000 Artikeln<br />
auf einer Fläche von 500 m². Eine der<br />
größten in Paris! Den Kunden scheint es zu<br />
gefallen, denn sie sind zur Stelle. Wünschen<br />
wir den beiden Frauen viel Glück! Vielleicht<br />
ist es ja ein Zeichen, dass die der Buchhandlung<br />
nächstgelegene Metrostation den<br />
Namen Bonne nouvelle trägt …<br />
Während die<br />
Musikwelt um Charles<br />
Aznavour (1924-<strong>2018</strong>),<br />
einen der größten französischen<br />
Chansonniers und Liebhaber schöner<br />
Worte, trauerte und ihm eine sehr berührende<br />
Hommage national zuteilwerden ließ, verkaufte sich das<br />
posthum veröffentlichte Album von Johnny Hallyday<br />
(1943-2017), Mon pays c‘est l‘amour, in einer Woche<br />
800 000 Mal. Das war im Hexagon etwas noch nie<br />
Dagewesenes und zugleich ein schöner Impuls für die<br />
Schallplattenindustrie und das französische Chanson.<br />
In Frankreich verbindet man mit Kultur oft<br />
auch Museen. Ein interessantes Beispiel werden<br />
Sie in einem kleinen Dorf im Jura entdecken,<br />
wo man im Laufe der Geschichte mithilfe<br />
von Tradition und handwerklichem<br />
Geschick die wirtschaftliche und<br />
touristische Entwicklung vorangetrieben<br />
hat. René Martin wird<br />
Ihnen dagegen erläutern, dass die<br />
Weiterentwicklung der Kultur sein<br />
Lebenszweck ist. Andere Menschen wirken<br />
an der Kultur durch ihre Bauten mit, manchmal<br />
sogar an sehr zurückgezogenen Orten, wie eine<br />
von Le Corbusier errichtete Kapelle zeigt.<br />
Glücklicherweise ist Kultur heute omnipräsent.<br />
Manchmal löst sie zwar ernste Zwietracht aus<br />
– lesen Sie dazu unseren Artikel über das Erbe<br />
von Saint-Exupéry –, aber trotz allem kann sie<br />
uns glücklich und vor allem neugierig machen.<br />
Profitieren wir davon! Viel Spaß beim Lesen!<br />
Titelbild: Blick ins Zentrum von Kaysersberg (Haut-Rhin) von der befestigten Brücke aus.<br />
* Librairie Ici, 25 Boulevard Poissonnière, 75002 Paris<br />
Jean-Charles Albert<br />
Chefredakteur<br />
jc.albert@frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 3
INHALT<br />
Normandie · 78<br />
Provence · 36<br />
Quand on aime<br />
la France · 74<br />
Rezept · 86<br />
Elsass · 54<br />
Hotel · 64<br />
Bourgogne-Franche-Comté · 46<br />
4 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Lille<br />
78 · Bricqueville-sur-Mer<br />
PARIS<br />
Nantes<br />
Tours<br />
54 · Kaysersberg<br />
46 · Ronchamp<br />
Dijon<br />
28 · Moirans-en-<br />
Montagne<br />
Lyon<br />
Strasbourg<br />
Frankreich heute<br />
68 Wirtschaft<br />
Frankreich-Deutschland: Der Krieg der Gummibärchen ist erklärt!<br />
Die Nummer zwei im Süßwarenmarkt des Hexagons, Carambar & Co,<br />
hat beschlossen, das mit einem Marktanteil von knapp 40 % in Frankreich<br />
in diesem Markt führende deutsche Großunternehmen Haribo zu<br />
entthronen. Carambar gegen Goldbären: Der Krieg hat begonnen!<br />
Bordeaux<br />
Toulouse<br />
36 · Saintes-Mariesde-la-Mer<br />
Marseille<br />
70 Gesellschaft<br />
Der unglaubliche Streit um das Erbe von Saint-Exupéry<br />
« Die großen Leute sind entschieden ganz ungewöhnlich. » Diese<br />
Worte des Petit Prince, sind nach wie vor aktuell: Denn während das<br />
Geheimnis um den Tod des Schriftstellers allmählich gelüftet wird,<br />
machen die Erben mit Streitigkeiten vor Gericht von sich reden.<br />
Unterwegs in Frankreich<br />
28 Jura<br />
Weihnachten im Jura:<br />
vom Rosenkranz zum Spielzeugland<br />
Im Herzen des Regionalen Naturparks Haut-Jura stellen<br />
die Bewohner seit dem Mittelalter Holzspielzeuge her.<br />
Die dort ansässige Spielzeugindustrie, die sich auf<br />
diese altüberlieferten handwerklichen Fertigkeiten<br />
stützt, ist heute nach wie vor ein wichtiger Akteur im<br />
Wirtschaftsleben einer Gegend, die sich zu einem<br />
wahren Pays du Jouet et de l’Enfant entwickelt hat.<br />
36 Provence<br />
Tanzende Flamingos in der Camargue<br />
Der Parc ornithologique du Pont de Gau ist der ideale<br />
Ort, um die wilde Fauna und Flora der Camargue zu<br />
entdecken. Auf Wegen in einer Länge von insgesamt<br />
sieben Kilometern und von mehreren Beobachtungsstationen<br />
aus können die Besucher die Vogelwelt<br />
dieser Region beobachten. Der « Star » dabei, der viele<br />
Naturfreunde in den Park zieht, ist der Rosaflamingo.<br />
46 Bourgogne-Franche-Comté<br />
Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine<br />
Rechenaufgabe für Le Corbusier<br />
« Betonhaufen », « Pantoffel », « Bunker », « geistliche<br />
Garage » … Was konnte man Anfang der 50er-Jahre<br />
während des Baus der Chapelle de Ronchamp nicht alles<br />
über sie in der Presse lesen. Heute ist sie weltweit eines<br />
der meistbesuchten Werke des genialen Schweizer Architekten<br />
und hat sich vom « einfachen » spirituellen Pilgerort<br />
in eine architektonische Pilgerstätte verwandelt.<br />
54 Elsass<br />
Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer<br />
der Franzosen<br />
Seit sieben Jahren wählen die Franzosen im Juni im<br />
Rahmen einer Fernsehsendung ihr « Lieblingsdorf ».<br />
2017 landete das elsässische Dorf Kaysersberg auf<br />
dem ersten Platz. War diese Wahl nur ein «Marketinggag»<br />
oder steckt mehr dahinter? Gut ein Jahr<br />
später haben wir untersucht, was sich hinter einem<br />
Village préféré des Français genau verbirgt.<br />
64 Hotel<br />
Le Chambard, Kaysersberg<br />
74 Quand on aime la France:<br />
René Martin, der französische Steve Jobs der Musik<br />
René Martin ist einer der berühmtesten Organisatoren und künstlerischen<br />
Leiter von Musikfestivals weltweit. Von ihm stammt<br />
neben vielen anderen Events das Konzept für das Klassikfestival<br />
La Folle Journée in Nantes. Wir haben uns mit ihm unterhalten.<br />
Art de vivre<br />
78 Genuss<br />
Bouchot-Muscheln: der Rolls-Royce unter den<br />
französischen Muscheln<br />
An der französischen Atlantikküste und am Ärmelkanal dienen Pfähle,<br />
sogenannte Bouchots, als Zuchtbänke für die berühmten « Bouchot-<br />
Muscheln », die zu den besten Muscheln Frankreichs zählen. Besuch<br />
bei einem Produzenten dieser Muscheln in der Normandie.<br />
86 Chantals Rezept<br />
Encornets à la Sétoise<br />
92 Produkt<br />
Le Livre de Poche: eine kulturelle Revolution<br />
In den 60er-Jahren befand sich im Warenkorb, auf dessen Basis der<br />
fran zö si sche Staat den Verbraucherpreisindex berechnet, neben<br />
Zucker, Milch, Ba guet te und Metroticket auch ein Buch. Aber nicht<br />
irgendein Buch, sondern ein es aus der Reihe Le Livre de Poche.<br />
Die Geschichte einer einfachen, aber revolutionären Idee.<br />
3 Editorial<br />
6 On en parle<br />
12 Kulturprogramm<br />
14 On lit<br />
16 On lit en France<br />
22 On écoute<br />
24 On regarde<br />
26 On surfe<br />
67 Abonnement<br />
88 Nachbestellungen<br />
94 Kulturschock<br />
96 Guéwen a testé<br />
98 Impressum<br />
98 Vorschau<br />
Frankreich erleben im Internet:<br />
www.frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 5
ON EN PARLE<br />
TOURISMUS<br />
Verjüngungskur für den Weintourismus in Saône-et-Loire<br />
Das Departement Saône-et-Loire ist das wichtigste<br />
Departement in der Weinregion Burgund. Nun wurde<br />
beschlossen, den Weintourismus dort zu einem<br />
der prioritären Segmente der Tourismusförderung<br />
zu machen. Es gibt zwar in der Region zahlreiche<br />
bekannte Weinstraßen, doch die Ausschilderung ist<br />
in die Jahre gekommen, und teilweise gibt<br />
es Widersprüchlichkeiten zwischen den<br />
verschiedenen Routen. Deshalb soll das<br />
Konzept nun komplett überarbeitet und<br />
modernisiert werden. Dabei will man Schluss<br />
machen mit den klassischen Schildern der<br />
Routes des Vins und der Trennung zwischen Weintourismus und<br />
traditionellem Tourismus. Geplant ist daher die Entwicklung<br />
einer innovativen App für Mobiltelefone namens Route71<br />
Bourgogne du Sud, in der alle Informationen über den<br />
Wein und die touristischen Sehenswürdigkeiten des<br />
Departements zusammengefasst sind. Man setzt<br />
darauf, dass alle Beteiligten dafür zusammenarbeiten.<br />
Parallel dazu sollen in den wichtigsten Orten<br />
der Appellation interaktive Terminals<br />
installiert werden, an denen die Besucher auf<br />
diese Informationen zugreifen können. Die<br />
Besonderheit: Diese digitale Weinstraße schlägt<br />
keine feststehenden Routen vor. Jeder kann<br />
seine Strecke à la carte und nach Lust und Laune<br />
zusammenstellen. Die Umsetzung des Konzepts ist für Mai <strong>2019</strong><br />
geplant.<br />
VERKEHR<br />
Bald keine Schranken mehr an Autobahnzahlstellen?<br />
Die französische Regierung will die Schranken an den Péages auf den Autobahnen<br />
abschaffen. Man ist bestrebt, « den Verkehr flüssiger zu gestalten » und « die Verschmutzung<br />
zu reduzieren ». Daher sind die Autobahnbetreiber aufgefordert, nach und nach ein<br />
System mit offenen Zahlstellen umzusetzen, bei denen ein Sensor eine<br />
Vignette auf der Windschutzscheibe, das Kennzeichen oder eine im<br />
Fahrzeug befindliche Box (ähnlich den derzeit genutzten elektronischen<br />
Badges für die Télépéage) erkennt.<br />
6 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
FLIEGEN<br />
Größe des Kabinengepäcks per Smartphone<br />
überprüfen<br />
Die niederländische Fluggesellschaft KLM bietet ihren Fluggästen<br />
seit Kurzem die Möglichkeit, mit dem Mobiltelefon zu überprüfen,<br />
ob das Handgepäck den gültigen Größenvorschriften entspricht.<br />
Die Applikation des Unternehmens nutzt dazu die Technik der<br />
erweiterten Realität (engl. Augmented Reality, AR), indem sie<br />
virtuell einen transparenten Koffer in der maximalen Größe<br />
über das Foto des zu überprüfenden Koffers legt. Momentan<br />
funktioniert die App allerdings nur auf iPhone SE, 6S und höher.<br />
Bei Erfolg wird Air France das Konzept vermutlich schnell<br />
übernehmen.<br />
FLIEGEN<br />
Air France lanciert neues WLAN-Angebot<br />
ATOMENERGIE<br />
Betriebsende des Atomkraftwerks<br />
Fessenheim definitiv<br />
festgelegt<br />
Air France hat nun Details über das sehnlichst erwartete Angebot für<br />
den Internetzugang an Bord der Flugzeuge bekannt gegeben. Geplant<br />
sind drei verschiedene WLAN-Pässe, mit denen die Passagiere sich von<br />
ihrem Smartphone, Tablet oder Computer aus ins Internet einloggen<br />
können: Das innovativste Angebot – da kostenlos – ist dabei der Pass<br />
« Message »: Damit kann man Nachrichten via WhatsApp, Facebook<br />
Messenger, iMessage oder WeChat senden und empfangen. Mit<br />
dem Pass « Surf » kann ein Passagier im Internet surfen sowie Mails<br />
empfangen und versenden; er kostet bei einem Kurzstreckenflug 3 €,<br />
bei einem Mittelstreckenflug ab 5 € und bei einem Langstreckenflug 8 €<br />
für eine Stunde beziehungsweise 18 € für die gesamte Reisezeit. Den<br />
dritten Pass « Stream » gibt es ausschließlich auf Langstreckenflügen;<br />
er kostet 30 € und ermöglicht einen schnellen Internetzugang während<br />
des gesamten Flugs. Laut Air France wird der Service Ende <strong>2018</strong> in 22<br />
Langstreckenflugzeugen und 8 Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen<br />
der Gesellschaft verfügbar sein, bis 2020 sollen alle Flugzeuge mit dem<br />
WLAN-Zugang ausgerüstet sein.<br />
Die französische Regierung, die Autorité<br />
de sûreté nucléaire (ASN) und der<br />
Strombetreiber EDF haben gemeinsam<br />
den offiziellen Zeitplan für die Stilllegung<br />
des Kernkraftwerks Fessenheim (Haut-<br />
Rhin) verabschiedet. Der erste Reaktor<br />
wird spätestens im September 2020<br />
abgeschaltet, der zweite im August<br />
2022. EDF verzichtet insbesondere<br />
darauf, weitere Studien<br />
zu veranlassen oder<br />
Verlängerungs anträge<br />
zu stellen. Das Werk<br />
war 1978 in Betrieb<br />
genommen worden.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 7
ON EN PARLE<br />
AUTOMATISIERUNG<br />
ARCHITEKTUR<br />
Ältester Plan der<br />
Kathedrale von<br />
Straßburg zu<br />
verkaufen<br />
Man wusste von der<br />
Existenz dieses alten<br />
Pergamentplans, doch<br />
seit der Französischen<br />
Revolution war er<br />
verschwunden: Nun ist<br />
der älteste bekannte<br />
Plan der Kathedrale von<br />
Straßburg (Bas-Rhin) aus<br />
dem Jahr 1419 wieder<br />
aufgetaucht und soll vom<br />
Auktionshaus Sotheby‘s in<br />
Paris versteigert werden.<br />
Die Besonderheit: Die<br />
im 15. Jahrhundert<br />
konstruierte Turmspitze<br />
stimmt nicht mit der auf<br />
dem Plan gezeichneten<br />
überein. Das wirft natürlich<br />
spannende Fragen für<br />
Historiker und Architekten<br />
auf! Die Stadt Straßburg<br />
hat inzwischen mitgeteilt,<br />
dass sie über die Stiftung<br />
Œuvre de Notre-Dame,<br />
die das Kulturerbe der<br />
Kathedrale verwaltet, den<br />
Plan kaufen möchte. Der<br />
französische Staat hat<br />
seinerseits den Plan zum<br />
Nationalschatz erklärt,<br />
was ihn 30 Monate lang<br />
vor einem Verkauf ins<br />
Ausland schützt. Die<br />
Stiftung muss nun « nur »<br />
noch bei Mäzenen die<br />
notwendigen 2 Millionen<br />
Euro auftreiben, um den<br />
Kauf zu finanzieren …<br />
Reinigungsroboter in SNCF-Bahnhöfen<br />
Sie werden «B.A.R.Y.L. » genannt. Diese seltsamen<br />
Maschinen, die ihre Arbeit autonom und relativ diskret<br />
verrichten, sind Bodenreinigungsroboter. Sie wurden<br />
zunächst in vier Bahnhöfen eingeführt: Paris Gare du<br />
Nord, Paris Gare de Lyon, Aix-en-Provence und<br />
Bordeaux. Sowohl die Mitarbeiter der SNCF<br />
als auch die Reisenden beurteilen sie als<br />
effizient und haben sie voll und ganz<br />
akzeptiert. Nun wurde beschlossen,<br />
sie nach und nach auch in anderen<br />
französischen Bahnhöfen<br />
einzuführen.<br />
UMWELT<br />
Wassertransport mit Zug statt mit Lkw<br />
Nestlé Waters, eine Tochtergesellschaft des<br />
Schweizer Nestlé-Konzerns, zu der unter anderem die<br />
Mineralwassermarken Perrier, Vittel und San Pellegrino<br />
gehören, hat nach eigenen Aussagen 2 Millionen Euro<br />
in die Wiederinbetriebnahme einer bereits stillgelegten<br />
Eisenbahnlinie zwischen dem Abfüllbetrieb von Perrier<br />
in Vergèze (Departement Gard, zwischen Nîmes und<br />
Montpellier) und dem 100 km entfernten Hafen in<br />
Fos-sur-Mer investiert. Seither werden auf dieser<br />
Strecke täglich 54 Container mit Flaschen auf einem<br />
750 m langen Zug, der zu 80 % elektrisch betrieben<br />
wird, transportiert. Dadurch werden pro Jahr 27 000<br />
Hin- und Herfahrten mit Lastkraftwagen vermieden.<br />
Auch die für den deutschen Markt bestimmten<br />
Mineralwasserflaschen der italienischen Marke San<br />
Pellegrino überqueren die Alpen bereits mit dem Zug.<br />
8 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
MUSEUM<br />
Kunst im Wasser<br />
Das Musée Marc Petit befindet sich im<br />
wunderschönen Kulturzentrum Lazaret Ollandini<br />
in Ajaccio (Südkorsika). In dessen Gärten und<br />
Alleen stehen rund dreißig Bronzeskulpturen<br />
und monumentale Werke des zeitgenössischen<br />
Bildhauers Marc Petit. Nun hat das Museum im<br />
Golf von Ajaccio ein « Unterwassermuseum »<br />
eingeweiht. Auf einem Felsen, 40 Meter vom<br />
Strand entfernt, wurde bereits die Skulptur<br />
« Gaia » installiert, sieben weitere sollen in den<br />
kommenden Monaten im Wasser aufgestellt<br />
werden. Die Werke werden ausschließlich von<br />
Booten aus oder bei Tauchgängen zu besichtigen<br />
sein.<br />
WEIHNACHTEN<br />
Der große Weihnachtsbaum<br />
von Straßburg ist bereit<br />
SCHNAPPSCHÜSSE<br />
Mieten in Paris ++ LocService.fr, ein auf die Vermietung<br />
zwischen Privatpersonen spezialisiertes Unternehmen,<br />
veröffentlichte kürzlich eine Studie, laut der die Miete für<br />
ein 12 m² großes Zimmer in der französischen Hauptstadt<br />
durchschnittlich 572 €/Monat beträgt. Für ein 21 m² großes<br />
Studio bezahlt man 855 € und ein Standardappartement (61 m²)<br />
kostet 1815 €. Durchschnittlich zahlt ein Mieter pro Monat 992 €.<br />
Wie erwartet ist der Preisunterschied zur Provinz beträchtlich.<br />
Die Studie geht davon aus, dass die Mieten in der Hauptstadt im<br />
Durchschnitt 88 % über denen in anderen Gebieten liegen.<br />
Papier oder digital? ++ Was das Lesen angeht,<br />
so ziehen die Franzosen mehrheitlich weiterhin Papier vor.<br />
Zu diesem Ergebnis kommt eine von der auf Printmedien<br />
spezialisierten Agentur TwoSides veröffentlichte Studie. 85 %<br />
der Franzosen bevorzugen ein Buch in der Printausgabe, bei<br />
Magazinen sind es 80 %, bei Tageszeitungen 59 %. 74 % der<br />
befragten Franzosen äußerten sich besorgt, sollten Printmedien<br />
ganz verschwinden, 62 % vertrauen Nachrichten in gedruckten<br />
Medien mehr als in digitalen Medien.<br />
Die heikle Wahl des Vornamens ++ Laut der im<br />
Oktober <strong>2018</strong> veröffentlichten Studie Vivavoice scheinen die<br />
Franzosen mit ihrem Vornamen überwiegend (90 %) zufrieden zu<br />
sein. Wenn man sie fragt, wer oder was ihrer Meinung nach die<br />
Entscheidung der Namensgebung beeinflusst, so nennen 53 %<br />
spontan die Familie, 49 % die geografische Herkunft und 40 %<br />
die kulturellen Wurzeln ihrer Eltern. 8 von 10 Elternpaaren geben<br />
an, den Vornamen für das Baby gemeinsam auszusuchen.<br />
Der große Tannenbaum auf dem Weihnachtsmarkt<br />
in Straßburg ist am Ende jedes Jahres der « Star » der<br />
elsässischen Hauptstadt. Sogar über deren Grenzen<br />
hinaus, denn Medien im ganzen Land führen ihn oft als<br />
Beispiel für die Weihnachtsdekoration an. Er steht auf<br />
dem Kléberplatz und hat immer ein sehr majestätisches<br />
Aussehen. In diesem Jahr ist eine sieben Tonnen<br />
schwere 90-jährige Fichte mit einer Höhe von 30 Metern<br />
vorgesehen, die bereits in der Gemeinde Wangenbourg-<br />
Engenthal (Bas-Rhin) gefällt wurde. Im letzten Jahr war<br />
die Aktion besonders heikel: Der erste Baum brach beim<br />
Fällen in den Wäldern der Vogesen ab. Der zweite bekam<br />
beim Aufstellen Risse, sodass eiligst ein dritter Baum auf<br />
den Weg gebracht werden musste.<br />
Frauen und Männer in der Bezahlung immer<br />
noch nicht gleichberechtigt ++ Nach der<br />
aktuellsten Studie der Regierung gibt es in Frankreich nach<br />
wie vor deutliche Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und<br />
Männern: Im Bereich Finanzen und Versicherungen verdienen<br />
Frauen 38,3 % weniger, in juristischen Berufen sowie in den<br />
Bereichen Buchhaltung und Architektur sind es 29,4 %, im<br />
Bereich Kunst und Veranstaltungen 28,3 %, im Schulwesen<br />
21,6 %, in Gesundheitsberufen 18,8 % und in der Gastronomie<br />
11,4 %. Genug also, um « die neuen Maßnahmen zu rechtfertigen,<br />
die darauf abzielen, diese Ungerechtigkeiten zu vermeiden », hat<br />
die Regierung angekündigt. Das sollte man im Auge behalten …<br />
Kronenbourg investiert im Elsass ++ Das<br />
Tochterunternehmen der dänischen Brauerei Carlsberg<br />
will vom Auftrieb des Biermarktes in Frankreich profitieren:<br />
Es hat angekündigt, 100 Millionen Euro in den einzigen<br />
Produktionsstandort im Hexagon zu investieren. Die Brauerei<br />
liegt im elsässischen Obernai (Haut-Rhin) und zählt mit einer<br />
Jahresproduktion von 7 Millionen Hektolitern zu den größten<br />
Brauereien Europas.<br />
Frankreich Frankreich erleben erleben · <strong>Winter</strong> · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 9 · 9
ON EN PARLE<br />
SKIGEBIET<br />
Nagelneue Zahnradbahn mit Panoramablick für Les Arcs<br />
Die Zahnradbahn, die Bourg-Saint-Maurice (Savoyen) mit dem Skigebiet Les Arcs verbindet, ist seit 30<br />
Jahren ein Symbol für die ganze Region. Nun ist sie allerdings in die Jahre gekommen. Ab <strong>2019</strong> soll sie<br />
durch eine neue Bahn mit großen Panoramascheiben ersetzt werden, sodass die Fahrgäste den Blick über<br />
das Tal und die umliegenden Berge genießen können. Sie wird 100 % elektrisch<br />
betrieben werden und mit LED-Lampen ausgestattet sein, die<br />
hochwertig aussehen und umweltverträglicher sind.<br />
BÜCHER<br />
FLUGHAFEN<br />
Zukünftiger Terminal 4<br />
Roissy-Charles-de-Gaulle vorgestellt<br />
Das Unternehmen Aéroport de Paris (ADP) hat das Geheimnis um<br />
die Architektur des zukünftigen Terminals 4 am Pariser Flughafen<br />
Roissy-Charles-de-Gaulle gelüftet. Der Bau soll im Juli 2020<br />
beginnen, die Einweihung eines ersten Teils ist 2024 vorgesehen.<br />
Der Terminal, dessen Kapazität vergleichbar mit dem Flughafen<br />
Orly sein soll, wird zurzeit « Space Invader » genannt. Das<br />
Gebäude soll u-förmig werden und laut Aussagen von ADP nach<br />
der definitiven Fertigstellung (vermutlich 2037) bis zu 40 Millionen<br />
Passagiere abfertigen können. Die Luftfahrtgesellschaften<br />
haben in einer Pressemitteilung allerdings ihr Missfallen an<br />
der gewählten Form geäußert, da diese ihrer Meinung nach<br />
zu längeren Rollzeiten (und höheren Kosten) führen wird. Das<br />
geplante Abfertigungsgebäude sei « eine Sackgasse und die<br />
Flugzeuge könnten daher nur von einer Seite an- und abfahren ».<br />
Hinter den Kulissen der Privatbibliothek von<br />
François Mitterrand<br />
Der geplante Verkauf der Privatbibliothek des ehemaligen<br />
Staatspräsidenten François Mitterrand (1916-1996) mit Werken<br />
des 20. Jahrhunderts hat einige Überraschungen zutage<br />
gefördert. Beispielsweise findet man in jedem Buch nach der<br />
letzten Seite ein kleines Stück Papier. Alle diese Papierstücke<br />
haben dieselbe Form (schmal und länglich), sind sorgfältig<br />
zugeschnitten und enthalten dieselben Informationen: Ort des<br />
Kaufs und Preis. Unter den Tausenden von Werken, die verkauft<br />
werden sollen, befinden sich auch einige, die Mitterrand<br />
geschenkt bekam und die interessante, teilweise auch lustige<br />
Widmungen tragen. So enthält beispielsweise die Widmung<br />
in einem Geschenk von Margaret Thatcher (1925-2013) – ihr<br />
Buch Downing Street, in dem sie über ihre Erfahrungen als<br />
Premierministerin berichtet – einen Rechtschreibfehler im<br />
Namen des Empfängers: Mitterand, mit nur einem « r »!<br />
10 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
PARIS<br />
Fußgängerzone am Seine-Ufer: ein juristischer Fortsetzungsroman!<br />
Die Umwandlung des Pariser Seine-Ufers in eine<br />
Fußgängerzone war eine der wichtigsten – und<br />
umstrittensten – Maßnahmen der Bürgermeisterin Anne<br />
Hidalgo. Seit sie im Oktober 2016 per Erlass verfügte, den<br />
3,3 km langen Abschnitt mitten im Zentrum der Hauptstadt<br />
in eine verkehrsfreie Zone zu verwandeln, wurden nicht<br />
weniger als neun Anträge gestellt, um die Entscheidung<br />
rückgängig zu machen: von der Automobillobby, von<br />
politischen Gegnern, von Anwohnern der nahegelegenen<br />
Straßen, auf die die Autos nun ausweichen, von<br />
Geschäftsleuten. Am 22. Oktober <strong>2018</strong> schien das Pariser<br />
Verwaltungsgericht der Rückkehr der Autos in diesen<br />
Bereich zuzustimmen, indem es in der Berufung den<br />
Erlass aus dem Jahr 2016 aufhob. Das Gericht warf der<br />
Stadtverwaltung insbesondere vor, diesen Erlass auf eine<br />
Beurteilung der Luftqualität zu stützen und dabei « die<br />
Analyse […] der Luftverschmutzung auf einen schmalen<br />
Uferbereich » begrenzt und nicht auf die Hauptachsen<br />
ausgeweitet zu haben. Die Stadtverwaltung hatte diese<br />
Entscheidung jedoch bereits vorhergesehen und im Bestreben,<br />
die Verkehrsberuhigung aufrechtzuerhalten, am 6. März <strong>2018</strong><br />
einen zweiten Erlass verabschiedet, der sich nicht auf die<br />
Beurteilung der Luftqualität bezieht, sondern sich ausschließlich<br />
auf Argumente stützt, die das Kulturerbe und den Tourismus<br />
betreffen. Auch diese Verordnung war unverzüglich von Gegnern<br />
der Fußgängerzone vor dem Verwaltungsgericht der Hauptstadt<br />
angefochten worden. Am 25. Oktober <strong>2018</strong>, also nur drei Tage<br />
nach der Aufhebung des ersten Erlasses, hat das Gericht nun<br />
entschieden, diesen neuen Einspruch zurückzuweisen, da « die<br />
Notwendigkeit, eine als UNESCO-Kulturerbe klassifizierte Stätte<br />
zu schützen, das von der Pariser Stadtverwaltung erlassene<br />
Fahrverbot für Autos rechtfertigt ». Es ergänzte sogar, dass<br />
« die Unannehmlichkeiten, die durch den Erlass hinsichtlich<br />
längerer Transportwege, Luftqualität und Lärmbelästigung auf<br />
den oberen Quais entstehen, eingeschränkt sind ». Das Gericht<br />
erklärte damit im Prinzip die Verkehrsberuhigung für zulässig.<br />
Die Gegner der Fußgängerzone geben sich jedoch noch nicht<br />
geschlagen: Ein Automobilverband hat bereits angekündigt,<br />
Berufung gegen diese Entscheidung einzulegen. Die zahlreichen<br />
Pariser und Touristen, die sich inzwischen daran gewöhnt<br />
haben, dass diese Zone Spaziergängern, Radfahrern und<br />
Inlineskatern vorbehalten ist, können also nach wie vor nicht<br />
davon ausgehen, dass dies auch zukünftig so sein wird …<br />
STRASSENBELAG<br />
Paris testet Antilärm- und<br />
Antihitzebelag<br />
ANZEIGE<br />
In drei Straßen der Hauptstadt<br />
(Frémicourt, Lecourbe und de<br />
Courcelles) wurde auf einer Länge<br />
von jeweils 200 Metern ein neuartiger<br />
Belag mit besonderen thermischen<br />
und akustischen Eigenschaften<br />
aufgebracht. Ziele sollen eine<br />
Reduzierung des Verkehrslärms<br />
um 50 % und eine Senkung der<br />
Lufttemperatur um zwei Grad sein.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 11
KULTURPROGRAMM<br />
Auf keinen Fall verpassen<br />
Wiedereröffnung des Museums La Piscine in Roubaix<br />
Treue Leser von Frankreich erleben wissen, dass das Musée d’Art et d’Industrie<br />
André Diligent in Roubaix, genannt La Piscine, eines unserer Lieblingsmuseen ist.<br />
Abgesehen von seinen großartigen Kollektionen ist das Gebäude, in dem es sich<br />
befindet, eines der schönsten und originellsten Frankreichs: Es handelt sich dabei<br />
nämlich um das ehemalige Schwimmbad der Stadt, ein Gebäude im Art-déco-<br />
Stil. Seit Herbst 2016 wurden umfangreiche Umbauarbeiten durchgeführt, um die<br />
Fläche um 2000 m² zu erweitern und dadurch vor allem Platz für Sonderausstellungen<br />
zu schaffen. Von den ersten Ausstellungen, die nach der Wiedereröffnung<br />
gezeigt werden, ist besonders L‘Homme au mouton interessant: Es geht dabei um<br />
den Ursprung und die genaue Bedeutung der berühmten Skulptur von Picasso,<br />
die 1950 im Stadtzentrum von Vallauris (Alpes-Maritimes) installiert wurde.<br />
Roubaix (Nord), La Piscine, bis 20. Januar <strong>2019</strong><br />
www.roubaix-lapiscine.com<br />
La Folle Journée in Nantes<br />
Seit 1995 warten zahlreiche Fans in Nantes jedes Jahr<br />
ungeduldig auf ein Musikereignis, das zweifellos als<br />
DAS populäre Fest der klassischen Musik in Frankreich<br />
gilt: La Folle Journée (siehe unser Interview mit dem<br />
Gründer und Organisator René Martin auf Seite 74).<br />
Dieses mehrtägige Festival verwandelt die Stadt in<br />
einen einzigen riesengroßen Konzertsaal. Insgesamt finden<br />
in dieser Zeit rund 250 Konzerte statt, alle zu sehr<br />
moderaten Preisen, manche sind sogar kostenlos. Das<br />
Thema der kommenden Veranstaltung lautet « Carnets<br />
de voyage » (Reisetagebücher). Bei dieser Gelegenheit<br />
kann das Publikum entdecken, dass Mozart, Haydn,<br />
Liszt, Berlioz, Mendelssohn, Tschaikowsky, Ravel,<br />
Gershwin … Elemente aus anderen Kulturen in ihre<br />
Werke integriert haben,<br />
zu denen sie bei<br />
Reisen ins Ausland<br />
inspiriert wurden.<br />
Nantes (Loire-Atlantique),<br />
30. Januar<br />
bis 3. Februar <strong>2019</strong><br />
www.follejournee.fr<br />
86. Fête du<br />
Citron<br />
200 000<br />
Besucher,<br />
145 Tonnen<br />
Zitrusfrüchte,<br />
500 000<br />
Gummibänder<br />
um sie zu<br />
befestigen,<br />
15 Tonnen<br />
Metall zur<br />
Konstruktion wunderschöner Dekorationen:<br />
Die Zahlen sprechen für sich, denn das<br />
Fête du Citron ist eine weltweit einzigartige<br />
Veranstaltung. Das unvergleichliche<br />
mehrtägige Fest mit Umzügen, bei denen<br />
alle Wagen aus Zitrusfrüchten bestehen,<br />
gleicht einem riesigen Karneval, der die<br />
kleine, charmante Stadt Menton für einige<br />
Tage in eine Art « Rio » – wenngleich in<br />
einer überschaubaren Größe – verwandelt.<br />
Und es gehört jährlich zu den ersten Veranstaltungen,<br />
die einen Vorgeschmack auf<br />
milderes Wetter und den Frühling geben …<br />
Menton (Alpes-Maritimes),<br />
16. Februar bis 3. März <strong>2019</strong><br />
www.fete-du-citron.com<br />
12 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Außerdem lohnenswert<br />
Kunst fürs Volk<br />
Der tschechische Künstler<br />
Alphonse Mucha ist<br />
untrennbar mit dem<br />
Bild von Paris um 1900<br />
verbunden. Er zählt zu den<br />
Meistern des Jugendstils,<br />
und seine legendären<br />
Plakate sind international<br />
bekannt. Weniger bekannt<br />
ist dagegen, dass er<br />
auch zahlreiche Bilder,<br />
Skulpturen und sogar einige<br />
Kunstobjekte kreierte. Die<br />
Ausstellung Un Art pour le<br />
Peuple lässt den Besucher<br />
dies nachvollziehen.<br />
Paris, Musée du Luxembourg, bis 27. Januar <strong>2019</strong><br />
www.museeduluxembourg.fr<br />
Wie malt man die Nacht?<br />
Das Centre Pompidou-Metz widmet einem originellen Thema<br />
eine umfangreiche Ausstellung: Wie stellt die moderne,<br />
zeitgenössische Malerei die<br />
Nacht dar? Der Besuch der<br />
Ausstellung Peindre la nuit ist<br />
bereits eine Nachterfahrung:<br />
Man bewegt sich durch die<br />
Ausstellung, wie man sich<br />
durch die Nacht bewegt,<br />
begleitet von Darstellungen<br />
dieses besonderen<br />
Universums, dem wir jeden<br />
Abend begegnen.<br />
Metz (Moselle),<br />
Centre Pompidou-Metz,<br />
bis 15. April <strong>2019</strong><br />
www.centrepompidoumetz.fr<br />
Der Kubismus<br />
Braque, Delaunay,<br />
Derain, Léger, Picabia,<br />
Picasso, Duchamp …<br />
Im Rahmen der<br />
außergewöhnlichen<br />
Ausstellung, die die<br />
wichtigsten Etappen<br />
des Kubismus<br />
untersucht, geben sich<br />
die größten Namen<br />
dieser bedeutenden<br />
künstlerischen<br />
Strömung ein<br />
Stelldichein im Centre<br />
Pompidou. Erstmals<br />
sind 300 Kunstwerke in<br />
einer einzigen Ausstellung versammelt.<br />
Paris, Centre Pompidou, bis 25. Februar <strong>2019</strong><br />
www.centrepompidou.fr<br />
Nach Maß:<br />
die sieben<br />
Einheiten,<br />
die die Welt<br />
quantifizieren<br />
Die un gewöhnliche<br />
Ausstellung Sur<br />
mesure - Les sept<br />
unités du monde<br />
untersucht das Thema der Maßeinheiten bis ins Detail. Und<br />
dies zu einem Zeitpunkt, an dem ein wichtiges – wenn auch<br />
unbekanntes – Ereignis stattfindet: Im Herbst <strong>2018</strong> werden<br />
vier der sieben Basismaßeinheiten des Internationalen<br />
Einheitensystems (SI, System international d‘unités) neu<br />
definiert: Kilogramm, Ampere, Kelvin und Mol. Bei dieser<br />
Gelegenheit kann man ermessen, wie wichtig die internationale<br />
Zusammenarbeit in diesem Bereich ist und wie Maßeinheiten<br />
Teil unseres Alltagslebens sind.<br />
Paris, Musée des Arts et Métiers, bis 5. Mai <strong>2019</strong><br />
www.arts-et-metiers.net<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 13
ON LIT<br />
KRIMI<br />
Madame Bertin steht früh auf<br />
An einem herrlichen Tag im Mai genießt Madame Bertin eine Ruhepause im Hinterhof<br />
ihrer Pariser Boulangerie. Dabei beobachtet sie, wie sich eine blutige Hand<br />
an die Fensterscheibe des angrenzenden Hauses presst. Schnell alarmiert die alte<br />
Dame die Polizei, doch die findet keinerlei Hinweis auf ein Verbrechen. Haben Madame<br />
Bertins Sinne ihr einen Streich gespielt? Die rüstige Pariserin ist nicht dieser Meinung<br />
und beschließt, den unfähigen Gesetzeshütern zu helfen. Als Putzfrau verkleidet verschafft<br />
sie sich Zugang zum Tatort im Nachbarhaus. Dort entdeckt sie nach eingehender<br />
Untersuchung tatsächlich Blutspuren. Aber Alter schützt vor Torheit nicht, und so kommt<br />
Madame Bertin dem Täter schnell näher, als ihr lieb ist. Julie Masson, geboren 1975 in<br />
einem kleinen Dorf an der französischen Atlantikküste, studierte Germanistik und Literatur<br />
an der Sorbonne in Paris. Heute lebt sie in der Nähe von Frankfurt.<br />
Julie Masson, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 302 Seiten, ISBN 978-3499274718<br />
KRIMI<br />
Brennende Cevennen<br />
Der Himmel über dem kleinen Ort<br />
Belleville am Fuße der Cevennen leuchtet<br />
in schmutzigem Rot, als die ehemalige<br />
Anwältin Tori Godon mitten in der<br />
Nacht aus dem Schlaf gerissen wird.<br />
Feuer – seit Jahrhunderten prägt es die<br />
wilde Landschaft und die Menschen des<br />
Vivarais. Dort, wo einst zur goldenen<br />
Zeit der Seidenraupenzucht unzählige<br />
Maulbeerbäume standen, jagt der Wind die Flammen über<br />
Berge und Ebenen. Neben den verkohlten Überresten eines<br />
Wohnwagens auf einer Hochebene findet Tori die Leiche eines<br />
Hundes. Sein Besitzer, der Schweizer Franco Jeger, ist spurlos<br />
verschwunden. Tori begibt sich auf die Suche. An ihrer Seite: der<br />
ehemalige Drogenfahnder Nico und ihr Hund July. Als sie einen<br />
anonymen Drohbrief erhält, auf sie geschossen wird und ein<br />
weiteres Feuer Todesopfer fordert, ahnt Tori, dass das Paradies<br />
Risse bekommen hat. Dieser Krimi weist ein interessantes Plus<br />
auf: Auf den letzten Seiten findet man die Adressen der in der<br />
Handlung erwähnten Orte wie Bars, Restaurants, Weingüter …<br />
Der Leser kann daher, sofern ihm der Sinn danach steht, auf den<br />
Spuren der Akteure wandeln und die Atmosphäre an diesen<br />
Orten nachempfinden. Im Übrigen wird das Buch auch durch<br />
die für die Promotion des Tourismus in diesem Departement<br />
zuständige Organisation Ardèche Tourisme unterstützt. Unserer<br />
Meinung nach eine intelligente Art der Kommunikation! Anne<br />
Chaplet ist das Pseudonym von Cora Stephan, unter dem diese<br />
ihre mehrfach preisgekrönten Kriminalromane veröffentlicht.<br />
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin.<br />
ROMAN<br />
Das Leben des Vernon Subutex 3<br />
Im dritten und letzten Teil ihrer Vernon-Subutex-Trilogie führt<br />
Virginie Despentes ihre Figuren und die Leser in das Frankreich<br />
der Attentate vom 13. November 2015 – und damit ins Herz<br />
eines gesellschaftlichen Traumas. Zunächst sieht eigentlich<br />
alles geradezu idyllisch aus. Die Gruppe um Vernon hat Paris<br />
verlassen und lebt an wechselnden Orten auf dem Land. Dort<br />
werden sogenannte Convergences abgehalten, total angesagte<br />
Raves, zu denen man aber nur mit persönlicher Empfehlung<br />
zugelassen wird. Klar, dass jeder dorthin will und dass tout<br />
Paris versucht, eine Einladung zu ergattern. Doch auch dies ist<br />
nicht das Paradies, es gibt Misstrauen und Eifersüchteleien,<br />
die Gruppe zerfällt. Dann kommt der 13. November 2015<br />
– die Attentate von Paris – und die Stimmung ändert sich<br />
vollkommen. Als der dritte und letzte Teil der Subutex-Trilogie<br />
2017 in Frankreich erschien – lang ersehnt und mit Spannung<br />
erwartet –, stürmte er sofort alle Bestsellerlisten. Die Presse<br />
überschlug sich, die Kritiker waren begeistert, denn es gab<br />
keinen anderen Roman, der den Stimmungswandel innerhalb<br />
der französischen Gesellschaft nach den Pariser Attentaten<br />
so eindrucksvoll und überzeugend beschrieb. Mit enormem<br />
Einfühlungsvermögen und einer persönlichen Betroffenheit,<br />
die aus jeder Zeile spricht, erweist<br />
sich Virginie Despentes einmal mehr<br />
als brillante, scharf analysierende<br />
Chronistin unserer Zeit und als<br />
begnadete Erzählerin. Sie gilt zu<br />
Recht als eine der wichtigsten<br />
literarischen Stimmen Frankreichs.<br />
Anne Chaplet, Kiepenheuer & Witsch, 300 Seiten, ISBN 978-3462050752<br />
Virginie Despentes, Kiepenheuer & Witsch,<br />
432 Seiten, ISBN 978-3462051537<br />
14 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
REISE<br />
Geheimtipps Nordvogesen<br />
- Krummes Elsass<br />
Sie können sich vorstellen, dass wir als Herausgeber von<br />
Frankreich erleben regelmäßig französische Reiseführer erhalten,<br />
in der Hoffnung, dass wir für sie in unserem Magazin<br />
(kostenlos) Werbung machen.<br />
Ehrlich gesagt sind wir nur<br />
ganz selten von der Neuartigkeit<br />
eines Reiseführers so überzeugt<br />
wie in diesem Fall. Das<br />
Werk von Volker Knopf sticht<br />
ganz eindeutig aus der Masse<br />
hervor. Das Layout könnte zwar<br />
etwas moderner sein, doch die<br />
Qualität der 46 enthaltenen<br />
Vorschläge ist unbestritten. Der<br />
Autor kennt offensichtlich die<br />
Region wie seine Westentasche,<br />
vielleicht sogar besser als viele<br />
Franzosen. Es ist ihm gelungen,<br />
weitgehend unbekannte Orte,<br />
Kunsthandwerker, Gärten und<br />
vieles mehr ausfindig zu machen,<br />
die wirklich einen Besuch<br />
wert sind. Ein Buch, das man<br />
bei einer Reise in die Nordvogesen<br />
unbedingt im Koffer haben sollte.<br />
ROMAN<br />
Happy End<br />
Wenn eine<br />
Liebesgeschichte<br />
ein<br />
Happy End<br />
hat, läuft sie<br />
Gefahr, als<br />
Groschenroman<br />
zu gelten. Doch<br />
Amélie Nothomb<br />
will mit diesem<br />
Märchen aus<br />
dem heutigen Paris beweisen, dass dies ein Vorurteil<br />
ist. Happy End ist eine frische Coverversion von Charles<br />
Perraults Märchen Riquet mit der Locke und handelt<br />
von der Frage, was eigentlich Schönheit ist – und<br />
was Intelligenz. Déodat und Trémière, die beiden<br />
Hauptfiguren dieser Geschichte, haben als Außenseiter<br />
einen geschärften Blick für die Ungerechtigkeiten und<br />
Zwänge der Gesellschaft und überwinden diese ohne<br />
Bitterkeit, indem sie offen und heiter durch die ihnen<br />
feindlich gesinnte Welt gehen – bis sie sich treffen und<br />
eine wundersame Geschichte ihren Lauf nimmt.<br />
Amélie Nothomb, Originaltitel: Riquet à la houppe,<br />
Diogenes, 192 Seiten, ISBN 978-3257070422<br />
Volker Knopf, Geistkirch-Verlag, 208 Seiten, ISBN 978-3946036791<br />
KRIMI<br />
Der Zorn der Einsiedlerin<br />
Im Süden Frankreichs sterben mehrere Männer – angeblich sind sie dem Biss der Einsiedlerspinne zum<br />
Opfer gefallen. Allerdings reicht das Gift einer einzigen Spinne nicht aus, um einen Menschen zu töten.<br />
Adamsberg und sein Team von der Brigade criminelle des 13. Pariser<br />
Arrondissements ermitteln. Die Nachforschungen führen den eigenwilligen<br />
Kommissar zu einem Waisenhaus bei Nîmes und zu mehreren Jungen, die<br />
dort in den 40er-Jahren lebten. Und plötzlich erscheinen die Todesfälle, die<br />
bislang nicht als Morde betrachtet wurden, in einem anderen Licht … Fred<br />
Vargas, geboren 1957, ist ausgebildete Archäologin und hat Geschichte<br />
studiert. Sie ist heute die bedeutendste französische Kriminalautorin<br />
mit internationalem Renommee. 2004 erhielt sie für Fliehe weit und<br />
schnell den Deutschen Krimipreis, 2012 den Europäischen Krimipreis<br />
für ihr Gesamtwerk und 2016 den Deutschen Krimipreis in der Kategorie<br />
« International » für Das barmherzige Fallbeil.<br />
Fred Vargas, Originaltitel: Quand sort la recluse, Limes Verlag, 512 Seiten, ISBN 978-380902<strong>69</strong>38<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 15
ON LIT EN FRANCE<br />
Sage mir, was du liest,<br />
und ich sage dir, wer du bist …<br />
Unsere Auswahl an Büchern, über die man zurzeit in Frankreich spricht<br />
ROISSY<br />
Tiffany Tavernier, Sabine Wespieser Éditeur,<br />
280 Seiten, ISBN 978-2848053035<br />
Tiffany Tavernier, die Tochter des berühmten<br />
französischen Regisseurs Bertrand Tavernier,<br />
veröffentlichte 1999 ihren ersten Roman mit dem<br />
Titel Dans la nuit aussi le ciel. Darin schildert sie die<br />
Erfahrungen, die sie mit 18 Jahren in den Sterbeanstalten<br />
von Kalkutta machte. Seitdem hat sie<br />
unzählige Reisen unternommen. Eines Tages sah<br />
sie in einer Zeitung das Foto einer gut aussehenden<br />
und gut gekleideten Frau im Alter von 35-40 Jahren.<br />
Im begleitenden Text erfuhr sie mit Erstaunen,<br />
dass es sich dabei um eine Obdachlose handelte,<br />
die auf dem Londoner Flughafen<br />
Heathrow lebte. Tiffany<br />
ermittelte daraufhin vier Jahre<br />
lang am Pariser Flughafen<br />
Roissy über das Leben von<br />
alleinstehenden Frauen und<br />
Männern, die sich für ein<br />
Leben auf einem Flughafen,<br />
für ein Leben zwischen zwei<br />
Welten entschieden haben.<br />
Dabei stellte sie fest, dass es<br />
so viele Menschen mit diesem<br />
Schicksal gibt, dass man ihnen<br />
sogar eine offizielle Bezeichnung<br />
geben hat: les indécelables<br />
(die Nichterkennbaren), weil<br />
sie alles daransetzen, in der<br />
Masse der Passagiere und<br />
Mitarbeiter nicht erkannt zu<br />
werden. Roissy erzählt vom Werdegang einer Frau<br />
in dieser Situation, von ihrem Leben auf dem<br />
Flughafen, ihren Begegnungen, ihren Ängsten,<br />
ihren Fragen und ihren zahlreichen Ritualen.<br />
Man blickt hinter die Kulissen des Flughafens und<br />
entdeckt dabei eine Welt, die uns dazu bewegt,<br />
unser eigenes Verhalten zu hinterfragen. Ein<br />
wunderschönes Buch, äußerst sensibel geschrieben.<br />
LA MER<br />
EN FACE<br />
Vladimir de Gmeline,<br />
Éditions du Rocher,<br />
422 Seiten, ISBN<br />
978-2268096506<br />
Der Autor<br />
dieses Buches ist<br />
Journalist bei der<br />
Wochenzeitschrift<br />
Marianne und<br />
nimmt uns auf eine<br />
erstaunliche Reise<br />
mit. Oder vielmehr<br />
auf mehrere Reisen,<br />
denn während<br />
des Lesens entdeckt<br />
man, wie bei der russischen Matroschka, der<br />
Puppe in der Puppe, eine Folge von « Romanen im<br />
Roman ». Die Hauptperson, Philippe, ein Mann in<br />
den Fünfzigern, beschließt nach Norddeutschland<br />
zu reisen, auf den Spuren seines Onkels, einem<br />
ehemaligen Mitglied der Waffen-SS, bei dem er<br />
als Kind zu Besuch war. Im Verlauf der außergewöhnlich<br />
sensibel erzählten Handlung spürt man<br />
auf der einen Seite bei ihm das legitime Bedürfnis,<br />
die Vergangenheit seiner Familie zu verstehen, auf<br />
der anderen Seite jedoch auch die Furcht davor, zu<br />
viel zu entdecken. Die Suche nach der wahren Vergangenheit<br />
von Philippe wird jedoch urplötzlich<br />
durch einen Anruf seiner Tochter unterbrochen,<br />
die ihm mitteilt, dass sein Sohn, ein in Kanada<br />
lebender Profihockeyspieler, gesundheitliche<br />
Probleme hat. Philippe fliegt nach Montreal.<br />
Dort beginnen Nachforschungen über Doping im<br />
Sport. Man könnte meinen, dass zwischen diesen<br />
Nachforschungen kein Zusammenhang besteht.<br />
Doch das täuscht. Vielleicht gehört gerade das<br />
auch zum Leben: von einer Welt in die andere<br />
zu wechseln und jeder einen Sinn zu verleihen.<br />
Ein schöner Roman, der nicht gleichgültig lässt.<br />
16 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
277492_Schmitz_Anzeige_1 19.06.<strong>2018</strong> 16:19<br />
HARRY ET FRANZ<br />
Alexandre Najjar, Éditions Plon, 208 Seiten, ISBN 978-2259264990<br />
Das Buch zeichnet die zu unrecht in Vergessenheit<br />
geratene Geschichte von der unerwarteten Begegnung<br />
zweier Männer nach: Harry Baur (1880-1943), einer<br />
der größten französischen Schauspieler in der Zeit zwischen<br />
den zwei Weltkriegen, der in Paris von den Nazis<br />
inhaftiert und gefoltert wurde, und der Priester Franz<br />
Stock (1904-1948), ein deutscher Gefängnisseelsorger,<br />
der sich in Frankreich um Gefangene kümmerte. Nach<br />
langen und ausführlichen Recherchen wird nun endlich<br />
die Geschichte dieser beiden außergewöhnlichen<br />
Menschen erzählt, die zwar sehr verschieden waren, aber<br />
doch viel gemeinsam hatten. Es ist eine echte Hymne auf Frieden und Brüderlichkeit,<br />
die deutlich macht, welche wunderbaren Dinge aus der deutschfranzösischen<br />
Freundschaft zwischen zwei Personen entstehen können.<br />
ANZEIGE<br />
Ulrich Robin<br />
Das Vermächtnis<br />
oder<br />
Von Lilien lernen<br />
AU GRAND LAVOIR<br />
Sophie Daull, Éditions Philippe Rey, 160<br />
Seiten, ISBN 978-2848766812<br />
Zwei Menschen, die im Grunde<br />
genommen vollkommen verschieden sind,<br />
begegnen sich zufällig: eine Romanschriftstellerin<br />
und ein Vorbestrafter. Und<br />
doch sind ihre Leben auf schreckliche<br />
Weise miteinander verknüpft: Sie muss<br />
sich in die Haut des Mörders ihrer eigenen<br />
Mutter hineinversetzen, in seine<br />
Haut … Ein sehr poetisches Buch über<br />
das Verzeihen, das den Leser berührt.<br />
LE FOU DE HIND<br />
Bertille Dutheil, Belfond, 398 Seiten, ISBN 978-2714479709<br />
Die junge Autorin dieses Erstlingsromans ist Geschichtsstudentin; sie<br />
wurde 1991 in Paris geboren, wo sie nach wie vor lebt. Die Hauptperson,<br />
Lydia, will mehr über die Vergangenheit ihres<br />
soeben verstorbenen Vaters, den algerischen<br />
Einwanderer Moshin, herausfinden. Dafür<br />
befragt sie Menschen, die ihn gut kannten, als<br />
er in den 70er-Jahren in der Pariser Vorstadt<br />
Créteil lebte. Das Buch gibt Gelegenheit,<br />
einen sehr menschlichen Blick auf eine bis<br />
dato in der Literatur nur selten so konkret<br />
und treffend behandelte Thematik zu werfen:<br />
auf die gesellschaftliche Frage der Immigration<br />
in Frankreich und besonders auf die<br />
Frage der Integration in einem Pariser Vorort.<br />
Ein Buch, das zum Nachdenken anregt.<br />
„Das Vermächtnis oder Von Lilien lernen“<br />
ist ein vielschichtiger Roman<br />
über die Wunden der Nachkriegszeit,<br />
über Schuld, über den Beginn des<br />
Massentourismus und der Eventkultur<br />
und die deutsch-französischen Beziehungen.<br />
Im Mittelpunkt des Geschehens:<br />
Alman, deutscher Aussteiger in<br />
Chartres und Françoise, seine Geliebte.<br />
Der Autor erzählt mit souveräner<br />
Sprachkraft und feinem, untergründigem<br />
Witz die Ge schichte eines Fremden<br />
und Außen seiters, und seiner<br />
Beziehungsprobleme. Eingebettet in<br />
die Beschreibungen französischer Lebensart,<br />
des Geschehens in und um<br />
Chartres und eines, wenn auch nur virtuellen<br />
Ausflugs in die nahe gelegene<br />
französische Metropole. Auf subtile<br />
Weise verflicht er Gegenwart und Vergangenheit.<br />
Sie treffen sich schließlich<br />
auf überraschende Weise im Symbol<br />
der Lilie.<br />
Ulrich Robin<br />
Das Vermächtnis<br />
oder<br />
Von Lilien lernen<br />
1. Auflage 2017<br />
Taschenbuch, 251 Seiten<br />
ISBN: 978-3-86460-<strong>69</strong>5-3<br />
14,90 EUR<br />
www.book-on-demand.de
ON LIT EN FRANCE<br />
LÀ OÙ LES CHIENS ABOIENT PAR LA QUEUE<br />
Estelle-Sarah Bulle, Éditions Liana Levi, 286 Seiten, ISBN 979-1034900459<br />
Bereits der Titel wirft Fragen auf … Es handelt sich dabei um<br />
eine kreolische Redensart, die besagt, dass man « in einem entlegenen<br />
Nest lebt », so entlegen, dass sich selbst die Hunde anders<br />
als üblich verhalten. Mit Vergnügen entdeckt man solche und<br />
andere Perlen bei der Lektüre dieses Buches, das uns ins Leben<br />
einer Familie aus Guadeloupe eintauchen lässt. Ein Leben, das<br />
zunächst in den 40er-Jahren mitten in den Zuckerrohrplantagen<br />
von Guadeloupe spielt, dann in der « Großstadt » Pointe-à-Pitre<br />
und schließlich, ab Beginn der 60er-Jahre, in Frankreich. Ein<br />
Buch über die Reise zu seinen Wurzeln, das Lust darauf macht,<br />
mehr über Guadeloupe und seine Bewohner zu erfahren.<br />
LEURS ENFANTS APRÈS EUX<br />
Nicolas Mathieu, Actes Sud, 425 Seiten, ISBN 978-2330108717<br />
Das sehr berührende Porträt einer Clique<br />
Jugendlicher, die sich von 1992 bis 1998 jedes Jahr<br />
im Sommer treffen. Mit Genuss liest man hier<br />
über die Leichtigkeit des Lebens in den Ferien,<br />
das « erste Mal », das Bedürfnis, die Welt zu<br />
verändern oder sie ganz einfach zu erobern. Am<br />
Ende sagt man sich, dass dieses Buch letztendlich<br />
auch das Bild eines Landes zeichnet, das locker<br />
oder begeisternd ist, das sich manchmal den Kopf<br />
zerbricht und<br />
manchmal<br />
ganz sorglos<br />
ist, ein<br />
Frankreich<br />
eben, ganz<br />
wie junge<br />
Menschen.<br />
Bei Drucklegung<br />
dieser<br />
Ausgabe<br />
wurde das<br />
Werk für den<br />
Prix Goncourt<br />
<strong>2018</strong><br />
nominiert.<br />
CHIEN-LOUP<br />
Serge Joncour,<br />
Flammarion, 480 Seiten,<br />
ISBN 978-2081421110<br />
Die Geschichte<br />
eines Paares<br />
aus Paris, das der<br />
Verschmutzung<br />
der Großstadt<br />
entfliehen will<br />
und sich in einem<br />
Haus am Ende<br />
der Welt im<br />
Departement<br />
Lot niederlässt.<br />
Nach und nach<br />
bekommen die beiden jedoch Zweifel, dann<br />
sogar Angst. Die Vergangenheit des Gebäudes<br />
und des Dorfes schleicht sich immer<br />
mehr in das kleine Haus mit den blauen<br />
Fensterläden ein. Es geht vor allem um einen<br />
deutschen Raubtierdompteur, der während<br />
des Krieges hier Zuflucht fand … Großes<br />
Lesevergnügen voller Zweifel und Spannung.<br />
18 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Anlässlich des 40. Todestages des belgischen Sängers<br />
Jacques Brel (1929-1978) wurden in Frankreich zahlreiche<br />
Bücher veröffentlicht. Jacques Brel liebte die französische<br />
Gesellschaft sehr und hat das französische<br />
Chanson zutiefst geprägt. Vor diesem<br />
Hintergrund haben uns vor allem<br />
drei dieser Neuerscheinungen<br />
neugierig gemacht:<br />
BREL, LA<br />
VA L SE À<br />
MILLE RÊVES<br />
Eddy Przybylski, Les<br />
Éditions de l’Archipel,<br />
770 Seiten, ISBN<br />
978-2809824889<br />
Unbestritten<br />
das umfassendste<br />
Werk, das Brel je<br />
gewidmet wurde. Es ist das Ergebnis einer<br />
dreijährigen Nachforschung an den Orten,<br />
an denen er lebte: Brüssel, Paris, Côte d’Azur<br />
und Marquesainseln. Eine regelrechte<br />
Bibel, die unter anderem nicht weniger als<br />
150 Aussagen von Zeitzeugen enthält.<br />
JACQUES BREL, LE VOYAGE AU BOUT DE LA VIE<br />
Fred Hidalgo, Les Éditions de l’Archipel, 464 Seiten, ISBN 978-2809824872<br />
Der Autor rekonstruiert<br />
in diesem Buch die letzten<br />
Jahre im Leben von Jacques<br />
Brel. Nachdem der Sänger<br />
dem Ruhm den Rücken<br />
gekehrt hatte, zog er sich<br />
ans andere Ende der Welt,<br />
auf die Marquesainseln,<br />
zurück, wo er wieder in der<br />
Anonymität untertauchen<br />
und sich mehr auf sich selbst<br />
konzentrieren konnte. Man<br />
entdeckt eine sehr persönliche<br />
und zum großen Teil<br />
unbekannte Seite von Brel.<br />
MOURIR N’EST PAS DE MISE<br />
David Hennebelle, Éditions Autrement, 150 Seiten, ISBN 978-2746747739<br />
Auch dieses Werk beschäftigt sich mit Brels Zeit auf den Marquesainseln.<br />
Mehr als alle anderen macht der Autor dies auf eine sehr elegante<br />
Art, in einem gewählten und schönen Stil. Man hält eher ein literarisches<br />
als ein dokumentarisches Werk in Händen. Beim Lesen verspürt man echte<br />
Freude und kann auf emotionale Art die drei letzten Jahre des großen Sängers<br />
nachvollziehen, in denen er quasi vollkommen zurückgezogen lebte.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 19
ON LIT EN FRANCE<br />
Geschenkideen für Weihnachten<br />
CHRISTIAN LACROIX ILLUSTRE LA<br />
PRINCESSE DE CLÈVES<br />
Texte: Madame de Lafayette, Illustrationen: Christian Lacroix, Gallimard,<br />
208 Seiten, Großformat (250 x 352 mm), ISBN 978-2072738494<br />
Auf Einladung des Verlags Gallimard hat sich<br />
der französische Modeschöpfer Christian Lacroix der<br />
Herausforderung gestellt, einen der berühmtesten Texte<br />
der französischen Literatur, das 1678 erschienene Werk<br />
La Princesse de Clèves, mit Zeichnungen, Skizzen und<br />
Bildern zu illustrieren.<br />
Der Text stammt aus der<br />
Feder von Madame de<br />
Lafayette (1634-1<strong>69</strong>3),<br />
Ehrendame von Königin<br />
Anne von Österreich<br />
und für einen der besten<br />
Salons littéraires ihrer Zeit<br />
verantwortlich. Beim<br />
Lesen dieser wunderschön<br />
illustrierten Ausgabe<br />
wird man sich bewusst,<br />
dass der Text auch<br />
heute nichts von seiner<br />
Aktualität verloren hat!<br />
SOUS LES TOITS DE PARIS<br />
Inès de la Fressange und Marin Montagut, Flammarion,<br />
258 Seiten, ISBN 978-2081427457<br />
Mit diesem Buch hat man die Möglichkeit, hinter<br />
die Türen von 15 Appartements und Häusern in<br />
Paris zu schauen. Man bekommt Einblicke in die<br />
Gestaltung dieser Wohnräume,<br />
wie man sie sonst nur<br />
ganz selten erhält, es sei<br />
denn, man hat viele Freunde<br />
in Paris. Man begegnet<br />
Welten, deren Charme auf<br />
ganz unterschiedlichen<br />
Dingen beruht, und kann<br />
sich – warum auch nicht –<br />
davon inspirieren lassen.<br />
MES CHEMINS EN<br />
BRETAGNE<br />
Texte: Pierre Dubois, Fotos: Hervé<br />
Glot, Éditions Ouest-France, 174<br />
Seiten, ISBN 978-2737377761<br />
Pierre Dubois ist eine<br />
echte Persönlichkeit. Er<br />
ist Schriftsteller, hält Vorträge<br />
und kann vor allem<br />
unglaublich gut von Feen,<br />
Elfen und Kobolden erzählen. In Frankreich gilt<br />
er sogar als DER Spezialist für diese mystische<br />
Welt. In diesem Buch, das durch Fotos von<br />
Hervé Glot prachtvoll illustriert wurde, erzählt<br />
er uns von der Bretagne, so wie er sie kennt:<br />
eine Bretagne voller Geheimnisse und Poesie.<br />
ROMY<br />
Jean-Pierre Lavoignat,<br />
Flammarion, 320 Seiten,<br />
ISBN 978-2081429543<br />
Diese schöne<br />
Hommage von<br />
Sarah Biasini<br />
an ihre Mutter<br />
Romy Schneider<br />
(1938-1982)<br />
präsentiert eine<br />
Reihe seltener<br />
Dokumente und<br />
bisher unveröffentlichter<br />
Fotos,<br />
die Romys Lebensweg beschreiben. Durch<br />
die bewegende und sehr interessante Unterhaltung<br />
mit Sarah Biasini entsteht, trotz der<br />
vielen Dramen, die das Leben der überaus<br />
talentierten deutsch-französischen Schauspielerin<br />
prägten, ein lebendiges Porträt.<br />
20 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
LES FEMMES ARTISTES<br />
SONT DANGEREUSES<br />
Laure Adler und Camille Viéville,<br />
Flammarion, 180 Seiten,<br />
ISBN 978-2081416284<br />
Anhand von 50 Porträts<br />
von Frauen mit künstlerischen<br />
Berufen – von der Renaissance<br />
bis heute (Niki de Saint-<br />
Phalle, Yoko Ono, Annette<br />
Messager, Rosa Bonheur,<br />
Berthe Morisot, Frida Kahlo<br />
…) – untersuchen die Journalistin, Historikerin<br />
und Schriftstellerin Laure Adler sowie die<br />
Spezialistin für moderne und zeitgenössische<br />
Kunst Camille Viéville, wie sich Frauen durch<br />
ihre Kunstwerke und die Anerkennung ihrer<br />
kreativen Arbeit langsam eine künstlerische<br />
Autonomie erarbeitet haben. Eine willkommen<br />
neue Sichtweise und eine originelle<br />
Art, sich der Kunstwelt anzunähern.<br />
RUE DES QUATRE-VENTS,<br />
AU FIL DES MIGRATIONS<br />
Jessie Magana und Magali Attiogbé, Les Éditions des<br />
Éléphants, 32 Seiten, ISBN 978-2372730518<br />
Ein schönes Buch für Kinder – aber nicht nur: Einfach,<br />
konkret und treffend wird die Geschichte einer Pariser<br />
Straße erzählt: der Rue des quatre-vents im Viertel Odéon<br />
(5. Arrondissement). Seite für Seite, Jahr für Jahr, erzählen<br />
Zeichnungen und kurze Texte<br />
kindgerecht vom Leben in dieser<br />
Straße und von den Veränderungen<br />
im « Verlauf der Migrationen ».<br />
Im Laufe eines Jahrhunderts<br />
erlebt die Straße, wie Menschen<br />
aus der ganzen Welt ankommen<br />
und gehen, geboren werden und<br />
altern und auf diese Weise zu ihrer<br />
Identität beitragen. An einem<br />
ganz konkreten Beispiel erfahren<br />
Kinder, was Immigration bedeutet.<br />
ARMISTICE<br />
Gemeinschaftswerk, Collection Blanche, Grand Format, Gallimard, 304 Seiten, ISBN 978-2072779602<br />
Der Verlag Gallimard und die gemeinnützige Interessengemeinschaft Mission du centenaire de<br />
la Première Guerre mondiale haben ein wirklich außergewöhnliches Werk veröffentlicht: Rund 30<br />
Schriftsteller aus der ganzen Welt äußern sich darüber, was der Waffenstillstand von 1918 für sie<br />
bedeutet. « In Tokio, Istanbul, London, Brüssel, Sarajevo, Algier, Peking, München, Saigon und<br />
Kingali hat der Waffenstillstand sicherlich eine andere Bedeutung als in Paris, Aubervilliers, Saumur<br />
und Lyon », schreibt Antoine Gallimard in seinem Vorwort. Das Buch wird durch rund 50 Stiche<br />
und Drucke von Künstlern wie Fernand Léger, Otto Dix, Frans Masereel wunderschön illustriert.<br />
Beim Lesen dieser Texte – die alle eine zum einen sehr persönliche und gleichzeitig allgemeingültige<br />
Sichtweise vermitteln – wird deutlich, welche Beziehung wir zum Ersten Weltkrieg haben und wie<br />
wir die Erinnerung an ihn pflegen können. Ein nützliches und wunderschön gestaltetes Werk.<br />
Wir servieren Ihnen den 2. Band!<br />
Nach dem erfolgreichen „À table“<br />
ist jetzt endlich „À table 2“ erschienen.<br />
Man nehme: acht französische Regionen,<br />
das Savoir-faire unserer Rezeptautorin<br />
Madame Seidel-Guinebretière, garniere es<br />
mit viel französischem Flair und schmecke<br />
das Ganze mit wohldosierten deutschen<br />
Wort übersetzungen ab.<br />
Nicole Seidel-Guinebretière<br />
€ 9,90 Print, DIN A4, 64 Seiten<br />
www.sprachzeitungen.de
ON ECOUTE<br />
ROCK<br />
Johnny Hallyday:<br />
Mon pays c’est l’amour<br />
Johnny Hallyday, der am 5. Dezember 2017 im Alter von 74 Jahren<br />
starb, hatte zu Lebzeiten 50 Alben veröffentlicht, von denen 110<br />
Millionen Exemplare verkauft wurden. Er war nicht nur ein international<br />
bekannter Star, er war viel mehr. Ein unumgänglicher Mosaikstein<br />
im französischen Kulturerbe. Davon zeugt die große Ergriffenheit,<br />
die das Land anlässlich seines Todes und der folgenden Trauerfeierlichkeiten<br />
überkam. Dieses posthum veröffentlichte 51. Album hatte er nur wenige Monate vor seinem Tod<br />
aufgenommen; seit Mitte Oktober lässt es erneut die Herzen der Franzosen höher schlagen. Es ist ein<br />
seltsames Gefühl, dem Rocker auf diesem Album wieder zu begegnen und die Worte zu hören, die er mit<br />
kräftiger Stimme singt, als sei er sich bei den Aufnahmen bereits darüber im Klaren gewesen, dass dies<br />
sein Abschied sein würde: « Wenn die Stunde gekommen ist, werde ich mit dem Teufel sprechen / Mich<br />
an seinen Tisch setzen und die Wahrheit sagen / Alleine werde ich ihm meine Geschichten erzählen /<br />
Und ich werde zu meinen Entscheidungen stehen. » Ob man die Musik von Johnny mag oder nicht, man<br />
kann nicht anders, als bewegt zu sein …<br />
CHANSON<br />
Miossec: Les rescapés<br />
Auf diesem elften Album verabschiedet sich der aus Brest stammende Miossec, der zu<br />
seinen 50 Jahren steht, vom schlichten Stil, den man auf seiner letzten CD aus dem<br />
Jahr 2016 hörte. Diesmal verbindet sich seine heisere tiefe Stimme mal mit Klängen<br />
von Tasteninstrumenten, mal mit Saitenklängen oder Rhythmusinstrumenten. Doch<br />
er bleibt dem treu, was schon immer seine Handschrift war: Chansons mit schönen<br />
Texten, eine ausgeprägte Liebe zu Worten. Bereits mit dem ersten Titel spricht er<br />
uns an: Nous sommes ist ein ökologischer Warnschrei: « Wir haben keine Zeit mehr,<br />
einfach zuzusehen, wie das Meer steigt … Wir haben keine Zeit mehr, denn wir sind bereits<br />
nassgespritzt … ». Mit dem sehr rhythmischen Song La mer, quand elle mord, c‘est méchant<br />
erweist er seinem Großvater die Ehre, der im Meer verschollen ist. Wie immer präsentiert uns Miossec eine sehr<br />
persönliche CD, auf der er sich zwischen Chanson und Erzählung bewegt und so seine Geschichte mit uns teilt.<br />
POP<br />
Christine and the Queens: Chris<br />
Nennen Sie sie nicht mehr Christine and the Queens, sondern einfach<br />
Chris. Mit diesem neuen Album macht die verführerische Christine, die<br />
sowohl von Madonna als auch von Elton John hochgelobt wird, Platz für<br />
Chris, eine neue « Persönlichkeit », die offensichtlich viel maskuliner und<br />
viel mehr eins mit ihrem Körper und ihrem Wesen ist. Die CD Chaleur<br />
humaine (2014) erschien melancholisch, Chris dagegen ist lebendig und<br />
energisch. Als ob der Schmetterling nun endgültig seine Flügel entfaltet<br />
hätte und flügge geworden sei. Und zweifellos wird es ein schöner und<br />
langer Flug zur Eroberung der internationalen Popszene.<br />
22 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
SOUL-POP<br />
Adam Naas: The Love Album<br />
Bis jetzt haben wir Ihnen in der Rubrik On écoute bewusst<br />
ausschließlich Interpreten vorgestellt, die in französischer<br />
Sprache singen. Heute machen wir eine Ausnahme, denn<br />
Stimme und Talent des 25-jährigen Parisers Adam Naas sind<br />
wirklich außergewöhnlich, und das, obwohl er ohne Unterricht<br />
und Gesangsstunden, nur über seine Gitarre zur Musik kam. Ein<br />
absoluter Coup de cœur für eine hervorragende Stimme, die man<br />
unbedingt entdecken sollte. Am Beginn seiner Karriere wollte sich<br />
der junge Mann, als Hommage an Barbara (1930 – 1997) « L‘Aigle<br />
noir » nennen. Man sagt sich,<br />
dass die Grande Dame<br />
des französischen<br />
Chansons ihn<br />
sicherlich<br />
gerne unter<br />
ihre Fittiche<br />
genommen<br />
hätte!<br />
CHANSON<br />
Cali: Cali chante Léo Ferré<br />
Wenn ein so engagierter Musiker wie Cali beschließt,<br />
seine Leidenschaft für Léo Ferré (1916-1993), einen<br />
der größten französischen Sänger und Poeten, durch<br />
die Interpretation von 15 seiner Chansons mit uns zu<br />
teilen, kann man davon ausgehen, dass das Ergebnis<br />
herausragend sein wird. Und das ist es auch! Der Accent<br />
des aus Perpignan stammenden Cali passt ausgesprochen<br />
gut zu den Texten von Ferré! Und seine Art, jedes Wort zu<br />
artikulieren, verleiht dem Text seine ganze Ausdruckskraft.<br />
Eine Verbindung von zwei extrem guten Kennern der<br />
französischen Sprache und der Musik!<br />
DER PAY-TV-SENDER FÜR<br />
HERAUSRAGENDE<br />
EUROPÄISCHE SERIEN<br />
sonychannel.de<br />
© KWAÏ – CANAL+ – PICTANOVO – BED – 2017<br />
„Noch besser als ‚House of Cards‘“<br />
SRF<br />
„Politisch herrlich unkorrekte Politserie“<br />
DER SPIEGEL<br />
IMMER DONNERSTAGS 21:15 UHR & AUF ABRUF<br />
Hochgelobtes Polit-Drama mit Frankreichs großem Kinostar Kad Merad<br />
Empfangbar<br />
u.a. bei:
ON REGARDE<br />
DRAMA<br />
Fesselnde Ermittlungen im Vatikan<br />
Kommen Sie bitte in den Vatikan. Wir möchten dringend<br />
mit Ihnen sprechen! » Dieser geheimnisvolle Anruf<br />
verändert das Leben des renommierten Journalisten<br />
Jacques Mayano (Vincent Lindon) maßgeblich. Im offiziellen<br />
Auftrag der Kirche soll er in Erfahrung bringen, was es mit<br />
der Marienerscheinung auf sich hat, die sich in einem Dorf im<br />
Südosten Frankreichs zugetragen haben soll. Der 18-jährigen<br />
Anna (Galatéa Bellugi) ist dort angeblich die Jungfrau Maria<br />
begegnet. Die Pilger strömen bereits in Massen dorthin. Ein<br />
deutscher Priester (Anatole Taubman) plant die weltweite<br />
Vermarktung, und den lokalen Pfarrer scheint ein ganz besonderes<br />
Verhältnis mit dem streng gläubigen Teenager zu verbinden.<br />
Bei seinen Recherchen macht der hartnäckige Reporter<br />
zunehmend verstörende Entdeckungen. Immer mehr<br />
kommt er der Wahrheit auf die Spur und setzt die Puzzleteile<br />
langsam zu einem Bild zusammen. Als Jacques schließlich<br />
seinen versiegelten Bericht an den Vatikan sendet, hat sich<br />
sein Leben nachhaltig verändert. Er<br />
hat eine Welt entdeckt, in der ein<br />
Beweis nichts wert ist und in der das<br />
Unsichtbare seine Geheimnisse behält.<br />
Es sind spannende und oft verwirrende<br />
Ermittlungen über die sehr<br />
persönliche Frage des Glaubens, welcher manchmal auch<br />
Zweifel hervorrufen kann. Indem Xavier Giannoli eine kirchenrechtliche<br />
Untersuchung von einem investigativen Journalisten<br />
durchführen lässt, zieht er uns mit dem Thema des<br />
Geheimnisses um den Glauben in den Bann, egal welcher<br />
Religion wir angehören, ob wir gläubig sind oder nicht. Hierin<br />
liegt die Stärke des Films. Unerbittlich beschäftigt er sich mit<br />
Verhaltensweisen und zutiefst menschlichen und weitverbreiteten<br />
Fragestellungen. Eine Art, diskret und wirkungsvoll zugleich<br />
Fragen über das Übernatürliche aufzuwerfen, mit<br />
einem exzellenten Vincent Lindon. Ein großer Film!<br />
Die Erscheinung • Frankreich 2017, 137 min • Originaltitel: L’apparition • Ein Film von Xavier Giannoli, mit Vincent Lindon, Galatéa<br />
Bellugi, Patrick d’Assumçao, Anatole Taubman, u. a. • Ab 13. Dezember <strong>2018</strong> im Kino.<br />
ROMANTISCHE KOMÖDIE<br />
Der Roman eines Lebens voller Liebe<br />
Sarah und Victor lernen sich Anfang der<br />
Siebzigerjahre in einem Pariser Nachtclub kennen.<br />
Für Sarah ist es Liebe auf den ersten Blick, während<br />
Victor sich anfangs noch nicht festlegen will. Bald<br />
trennen sich ihre Wege wieder, und es deutet<br />
zunächst nichts darauf hin, dass sie am Ende<br />
beinahe ein halbes Jahrhundert zusammen durchs Leben gehen werden.<br />
Sie heiraten schließlich und gründen eine Familie. Gemeinsam durchleben<br />
sie Jahrzehnte voller Leidenschaft, Geheimnisse, Nähe und Distanz.<br />
Victor steigt schnell zum gefeierten Schriftsteller auf, während Sarah in<br />
seinem Schatten ein scheinbar unspektakuläres Leben führt. Dank Victors<br />
Erfolg führt die Familie ein sorgenfreies Leben mit gesellschaftlicher<br />
Anerkennung. Doch nach und nach stellt sich heraus, wer tatsächlich<br />
hinter dem raketenhaften Aufstieg des Schriftstellers Adelman steht. Um<br />
50 Jahre im Leben eines Paares zu erzählen, entfernt sich Nicolas Bedos<br />
bewusst vom traditionell intimistischen französischen Film. Stattdessen<br />
setzt er auf aus amerikanischen Filmen bekannte Techniken und versetzt<br />
beispielsweise die Personen plötzlich in eine andere Epoche und lässt sie<br />
mithilfe eines gekonnten Make-ups altern. Ein dynamischer, oft lustiger<br />
und anziehender Film. Dass er auch sehr treffend ist, liegt daran, dass<br />
Doria Tillier und Nicolas Bedos auch im Leben ein Paar sind.<br />
Die Poesie der Liebe • Frankreich 2017, 115 min • Originaltitel: Monsieur<br />
et Madame Adelman • Ein Film von Nicolas Bedos, mit Doria Tillier, Nicolas<br />
Bedos, Denis Podalydes, u. a. • Ab 20. Dezember <strong>2018</strong> im Kino.<br />
DOKUMENTARFILM<br />
Einer unserer Lieblingsfilme <strong>2018</strong>!<br />
In Frankreich erleben <strong>Nr</strong>. 67 (Sommer <strong>2018</strong>)<br />
haben wir über den Kinostart dieses originellen<br />
Dokumentarfilms berichtet, der von der<br />
berührenden Freundschaft zwischen der betagten<br />
Filmemacherin Agnès Varda (89 Jahre, eine lebende<br />
Legende im französischen Kino und in der Nouvelle<br />
Vague) und dem jungen französischen Künstler<br />
JR (35 Jahre) berichtet. Der Film erzählt, wie sie<br />
zusammen mit ihrem « Fotomobil », einem mobilen<br />
Fotostudio, Frankreich durchqueren und welche<br />
Eindrücke sie dabei gewinnen. Nun erscheint er<br />
auf DVD, eine gute Gelegenheit, ihn immer wieder<br />
anzusehen. Ein Zeugnis<br />
von Menschlichkeit,<br />
das glücklich macht!<br />
Augenblicke: Gesichter<br />
einer Reise • Frankreich<br />
2017, 93 min • Originaltitel:<br />
Visages, Villages • Ein<br />
Film von Agnès Varda<br />
und JR, mit Agnès Varda,<br />
JR, Jean-Luc Godard, u.<br />
a. • Bonus: Interview mit<br />
Agnès Varta und JR • Ton:<br />
Deutsch, Französisch •<br />
Untertitel: Deutsch • Ab<br />
7. Dezember im Handel.<br />
24 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
SCHWERPUNKT<br />
Claude Chabrol<br />
Claude Chabrol war Mitbegründer der « Nouvelle Vague » und ist vor<br />
allem für seine Filme über die französische Bourgeoisie bekannt, die er<br />
mit kritischem Blick betrachtete. ARTE widmet dem Cineasten einen<br />
Schwerpunkt im März und zeigt « Biester » (Isabelle Huppert, Jean-Pierre<br />
Cassel u. a., Frankreich 1995, 106 Min.), « Der Schlachter » (Jean Yanne,<br />
Stéphane Audran u. a., Italien/Frankreich 19<strong>69</strong>, 89 Min.), « Vor Einbruch<br />
der Nacht » (Stéphane Audran, Michel Bouquet u. a., Italien/Frankreich<br />
1970, 106 Min.) und « Blutige Hochzeit » (Stéphane Audran, Michel Piccoli<br />
u. a., Italien/Frankreich 1970, 92 Min.). Weiteres Highlight der Filmreihe ist<br />
die Dokumentation « Claude Chabrol, Filmemacher des stillen Skandals »<br />
(ARTE F, Plan B et compagnie, Frankreich <strong>2018</strong>, 52 Min.) von Pascal<br />
Lahmani und Cécile Maistre Chabrol in Erstausstrahlung.<br />
Sonntag, 3. März <strong>2019</strong>, « Biester », um 20.15 Uhr; « Claude Chabrol,<br />
Filmemacher des stillen Skandals », um 22.00 Uhr · Montag, 4. März<br />
<strong>2019</strong>, « Der Schlachter », um 20.15 Uhr « Vor Einbruch der Nacht »; um 21.45<br />
Uhr · Sonntag, 10. März <strong>2019</strong>, « Blutige Hochzeit », um 20.15 Uhr<br />
DOKUMENTATION<br />
GEBURTSTAG<br />
500. Sendung Karambolage<br />
Die deutsch-französische Kultsendung « Karambolage »<br />
feiert ihre 500. Folge!<br />
Am Ende der Sendung ist ein kleiner Unfall passiert:<br />
ein Passant ist über unser Indiz gestolpert und hat sein<br />
Gedächtnis verloren. Ist er Deutscher oder Franzose ?<br />
Ein typischer Fall für unseren Spezialisten in deutschfranzösischen<br />
Fragen, Kommissar Karambo! Dieser wird<br />
nun zwischen Paris und<br />
Berlin ermitteln, à la<br />
Karambolage natürlich!<br />
Coco Chanel,<br />
die Revolution<br />
der Eleganz<br />
Der Weg war lang und<br />
steinig, den die in<br />
Armut aufgewachsene<br />
Gabrielle Chanel ging,<br />
um schließlich Coco<br />
Chanel, die weltberühmte<br />
Modeschöpferin, zu<br />
werden. Romanhaftes<br />
Porträt über eine Ikone des<br />
20. Jahrhunderts.<br />
Sonntag, 3. Februar<br />
<strong>2019</strong>, um 18.55 Uhr<br />
Ein Dokumentation von Jean<br />
Lauritano, Frankreich <strong>2018</strong>,<br />
52 Min. Austrahlung im April,<br />
Sendetermin steht noch nicht fest.<br />
Das komplette tägliche ARTE TV-Programm finden Sie im ARTE Magazin.<br />
Jeden Monat neu am Kiosk oder im Abonnement. Jetzt bestellen unter: www.arte-magazin.de.<br />
Weitere Informationen und Angebote von ARTE : www.arte.tv<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 25
ON SURFE<br />
SKIFAHREN<br />
Skiurlaub von A-Z<br />
auf einer Website reservieren<br />
Jeder, der<br />
bereits einmal<br />
einen Skiurlaub<br />
organisiert hat,<br />
weiß, dass dies<br />
nicht immer<br />
einfach ist. Noch<br />
weniger, wenn<br />
man mit der<br />
ganzen Familie<br />
wegfahren<br />
möchte:<br />
Unterkunft, Skiverleih, Liftkarten, Skikurse … Bis man<br />
die verschiedenen Ansprechpartner kontaktiert und die<br />
Preise verglichen hat, können Stunden vergehen. Der<br />
Zusammenschluss der französischen Skischulen und der<br />
französische Skilehrerverband kamen auf die hilfreiche Idee,<br />
eine Plattform einzurichten, auf der man seinen Skiurlaub<br />
von A bis Z buchen kann. Noch besser: Dabei gibt es weder<br />
irgendwelche Vermittler noch fallen Bearbeitungsgebühren<br />
oder sonstige Zuschläge an. Auch das Schlange stehen vor<br />
diversen Schaltern, um Liftkarten, Karten für Skikurse usw.<br />
abzuholen, entfällt, denn alle Dokumente werden nach<br />
der Reservierung direkt zugeschickt. Zurzeit (Stand Ende<br />
November <strong>2018</strong>) sind 80 Skigebiete (am Ende sollen es 160<br />
sein), 20 500 Betten (in Hotels und Ferienwohnungen), 50<br />
Betreiber von Skiliften sowie 170 Skischulen in Frankreich<br />
angeschlossen. In Kürze soll es eine englische Version der<br />
Website geben. Eine gute Idee, die sich sicherlich schnell<br />
weiterentwickeln wird.<br />
www.mon-sejour-en-montagne.com<br />
KUNST<br />
Ausstellungen für alle<br />
Ein junges französisches Start-up kam auf die Idee,<br />
das erste virtuelle Museum im Internet zu kreieren.<br />
Es nennt sich UMA (Universal Museum of<br />
Art) und soll die Kunst dank des World Wide Web allen<br />
Menschen zugänglich machen. Das Prinzip ist einfach:<br />
In Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Museen konzipiert<br />
das kleine Unternehmen einzigartige Ausstellungen<br />
und stellt diese auf moderne und angenehme Art online.<br />
Die meisten dieser Ausstellungen könnte man physisch<br />
gar nicht umsetzen, da sich beispielsweise die diversen<br />
Werke an weit voneinander entfernten Orten befinden.<br />
Die Kunstwerke, die ausschließlich virtuell besichtigt<br />
werden, sind durch umfassende und klare Beschreibungen<br />
ergänzt, die zurzeit allerdings ausschließlich in<br />
englischer Sprache verfügbar sind. Bereits umgesetzt<br />
wurden Ausstellungen wie « Katzen in der Geschichte<br />
der Kunst », « A walk into Street Art » oder « Leben in<br />
der italienischen Renaissance ». Im Rahmen eines seiner<br />
innovativen Projekte plant das UMA mit Unterstützung<br />
des Holocaust Art<br />
Restitution Project<br />
eine noch nie dagewesene<br />
Ausstellung<br />
von Meisterwerken,<br />
die einst<br />
von den Nazis gestohlen<br />
wurden.<br />
www.the-uma.org<br />
FERNSEHEN<br />
Die französischen Archive<br />
Das Institut National de l’Audiovisuel (INA) ist die offizielle Institution in<br />
Frankreich, die mit der Archivierung aller Fernsehsendungen beauftragt<br />
ist. Der Zugang zu diesem Archiv war lange Zeit Forschern und Fachleuten<br />
vorbehalten, doch dank Internet ist dies seit mehreren Jahren für jedermann<br />
möglich. Auf der Website steht inzwischen ein großer Teil der Archive zur<br />
Verfügung: Mehr als 400 000 Videos sind kostenlos zugänglich und bieten die<br />
Möglichkeit, von zu Hause aus die Geschichte der französischen Gesellschaft<br />
nachzuvollziehen.<br />
www.ina.fr<br />
26 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Das Beste von ARTE<br />
Interviews + Reportagen + das komplette ARTE-Programm<br />
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2 Hefte<br />
gratis<br />
Highlights auf einen Blick<br />
Reportagen<br />
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040 – 3007 3013<br />
www.arte-magazin.de/gratis<br />
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Jura<br />
WEIHNACHTEN IM JURA<br />
Vom Rosenkranz<br />
zum Spielzeugland<br />
28 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Die ersten Spielzeuge<br />
wurden in<br />
Moirans-en-Montagne<br />
bereits<br />
im Mittelalter<br />
ge fer tigt. Ab dem<br />
19. Jahrhundert<br />
gründeten Handwerker<br />
dann<br />
eigene Werkstät<br />
ten (wie die<br />
von Louis Duvoy<br />
auf der linken<br />
Sei te), aus denen<br />
in der Folge ein<br />
rich tig gehender<br />
In dus trie zweig<br />
entstand, der<br />
vielen Frauen und<br />
Män nern in dieser<br />
Region Arbeit bot.<br />
Im Herzen des Regionalen Naturparks Haut-Jura stellen die Bewohner seit dem<br />
Mittelalter Holzspielzeuge her. Diese altüberlieferten handwerklichen Fertigkeiten<br />
– die sich zwar technologisch weiterentwickelt haben – wurden im Laufe<br />
der Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben. So wurde aus<br />
der kleinen Gemeinde Moirans-en-Montagne nicht nur in Frankreich eine Hochburg<br />
der Spielzeugherstellung, sondern sogar in ganz Europa. Dank der für einen<br />
ländlichen Raum äußerst ambitionierten Wirtschafts- und Kulturpolitik ist dort<br />
ein Spielzeugmuseum entstanden, das eine der schönsten und umfangreichsten<br />
Sammlungen Europas präsentiert. Die auf dem Know-how der dort ansässigen<br />
Kunsthandwerker basierende Spielzeugindustrie ist heute nach wie vor ein wichtiger<br />
Akteur im Wirtschaftsleben dieser in Frankreich einzigartigen Gegend, die<br />
sich zu einem wahren Pays du Jouet et de l’Enfant, einem Spielzeug- und Kinderland,<br />
entwickelt hat.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 29
UNTERWEGS IN FRANKREICH Jura<br />
Um die Fêtes de fin d’année – wie man in Frankreich<br />
zu Weihnachten und Neujahr üblicherweise sagt –<br />
gebührend zu begehen und eine « magische Weihnachtsatmosphäre<br />
» zu kreieren, putzen sich viele Orte<br />
entsprechend heraus: Zur Freude von Klein und Groß animieren<br />
Beleuchtungen, Dekorationen und Märkte die<br />
Plätze und Straßen. Dabei hat jede Region ihre eigenen<br />
Traditionen und Spezialitäten: Santons (Krippenfiguren),<br />
am Barbaratag ausgesäter Weizen und die 13 Desserts in<br />
der Provence; Adventskränze mit Kerzen, Pinienzapfen,<br />
Äpfeln und getrockneten Orangenscheiben im Elsass;<br />
Schnecken mit Petersilie und der Père janvier in Burgund;<br />
das Fest des Heiligen Nikolaus in Lothringen; Papillotes<br />
aus Schokolade und andere Süßigkeiten in Lyon; der<br />
Weihnachtsscheiterhaufen im korsischen Rocchiu … Über<br />
all diesen Bräuchen und Festivitäten könnte man nahezu<br />
das Wichtigste vergessen, das, worauf alle Kinder ungeduldig<br />
warten: Spielzeuge. Selbst in Frankreich ist es zwar<br />
weitgehend unbekannt, aber es gibt eine kleine französische<br />
Gemeinde, die sich zurecht als der « Star » der Fêtes<br />
de fin d’année rühmen könnte: Moirans-en-Montagne. In<br />
diesem Dorf vor den Toren des Hochjura werden die Häuser<br />
am Ende des Jahres ebenfalls mit Lichtern geschmückt,<br />
und in den Straßen erschallen weihnachtliche Klänge. Man<br />
wärmt sich auch hier mit einem guten Glühwein und lässt<br />
sich die weihnachtlichen Düfte des Marktes um die Nase<br />
wehen. Darüber hinaus aber bekommt Weihnachten an<br />
diesem Ort noch eine ganz andere Bedeutung: Moirans<br />
liegt nämlich im Herzen des Pays du Jouet et de l’Enfant<br />
und ist die französische Hochburg der<br />
Spielzeugherstellung.<br />
Die Verbindung zwischen dieser Gegend<br />
im äußersten Süden des Jura und<br />
dem Spielzeug ist eine lange, eine sehr<br />
lange Geschichte. Es scheint, als habe alles<br />
– wie so oft zu jener Zeit – mit der Religion<br />
begonnen, nämlich damit, dass im 13. Jahrhundert<br />
die Abtei Saint-Claude entstand<br />
und sich schnell vergrößerte. Im Mittelalter<br />
wurde sie zu einem wichtigen Pilgerort, der<br />
sehr viele Menschen anzog. Diese äußerten<br />
bald den Wunsch, bei ihrem Aufbruch<br />
ein Souvenir aus der Abtei mitnehmen zu<br />
können, idealerweise etwas, das der Frömmigkeit<br />
Ausdruck verleiht. Die Mönche<br />
von Saint-Claude stellten diesbezüglich<br />
Überlegungen an und kamen zu der<br />
Erkenntnis, dass es in den Wäldern der<br />
Umgebung eine Vielzahl an Baumarten<br />
und folglich an Hölzern gab, aus denen<br />
man sinnvolle Dinge herstellen<br />
könnte. So begannen sie damit,<br />
aus Holz und etwas Elfenbein<br />
– dessen Handel zu jener Zeit<br />
gerade aufkam – Vorläufer der<br />
heutigen Rosenkränze zu fertigen<br />
und diese an die Pilger<br />
zu verkaufen.<br />
30 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Angesichts des Pilgerstroms und des sich entwickelnden<br />
« kleinen Handels » begannen die Bauern der umliegenden<br />
Höfe, die schließlich auch von etwas leben mussten<br />
und von dieser Situation profitieren wollten, damit, sich<br />
auf ihre Fertigkeiten zu besinnen. Auf einigen Höfen<br />
drechselten die Männer damals bereits Holz mithilfe einer<br />
Technik, die auf das Ägypten um 1300 v. Chr. zurückgeht:<br />
mit einer einfachen Drechselbank, die mit einem Pedal<br />
angetrieben wurde. Damit fertigten sie Werkzeuge und<br />
Gegenstände wie Tischfüße, Becher und Schalen, also<br />
Gegenstände, die man in der Regel im alltäglichen Leben<br />
benötigte. Einer dieser Bauern kam dann – wann das genau<br />
war, ist nicht bekannt – auf die Idee, kleine Devotionalien<br />
anzufertigen, und diese ebenfalls den Pilgern zum<br />
Kauf anzubieten. In der Folge kamen andere, etwas spielerischere<br />
Gegenstände für die Kinder der Pilger hinzu …<br />
Damit waren die ersten Holzspielzeuge im Jura geboren.<br />
Im Laufe der Jahrhunderte breitete sich diese Art der<br />
Holzbearbeitung, das Drechseln, im ganzen Tal aus, und<br />
die Technik entwickelte sich weiter: Angesichts der wachsenden<br />
Nachfrage durch die Pilger – und natürlich deren<br />
Kinder! – war klar, dass man schneller und größere Mengen<br />
produzieren musste. Zunächst begannen einfach mehr<br />
Mitglieder der Bauernfamilien, neben ihrer Arbeit auf<br />
dem Feld Holz zu drechseln. Im Laufe der Zeit nahmen<br />
die Fertigkeiten zu, die Produktion weitete sich mehr und<br />
mehr aus, und diese Handwerkskunst entwickelte sich zu<br />
einer regionalen Besonderheit.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 31
UNTERWEGS IN FRANKREICH Jura<br />
Vorhergehende Seiten und<br />
rechts: Das Spielzeugmuseum<br />
in Moirans-en-Montagne wurde<br />
1989 eröffnet und besitzt eine<br />
der größten Sammlungen<br />
an Spielzeugen, in der man<br />
neben Klassikern wie Sophie<br />
la girafe auch Unikate findet.<br />
Ende des Mittelalters begann – wie bei so vielen anderen<br />
Abteien – der Einfluss der Abbaye Saint-Claude<br />
allmählich zu sinken. Es kamen immer weniger Pilger,<br />
folglich ging die Nachfrage nach Devotionalien zurück.<br />
Der Niedergang, so spürten alle, schien unvermeidlich zu<br />
sein. 1789 läutete die Französische Revolution dann das<br />
Ende des Pilgerstroms und damit dieses Handels ein. In<br />
der Region schloss sich ein Kapitel der Geschichte. Doch<br />
für die Bauern, von denen die meisten inzwischen offiziell<br />
das Drechselhandwerk betrieben, kam es gar nicht<br />
infrage, diese handwerkliche Tätigkeit so einfach wieder<br />
aufzugeben. Wenn die Nachfrage durch die Pilger nicht<br />
mehr gegeben war, so war das eine Sache. Ihrem traditionellen<br />
Handwerk, davon waren sie überzeugt, hatte das<br />
letzte Stündlein noch nicht geschlagen. Bereits seit einiger<br />
Zeit hatten sie bemerkt, dass der Wind sich zu drehen<br />
begann: Die Devotionalien für die Pilger hatten für sie<br />
damals bereits nur noch einen marginalen Stellenwert.<br />
Die Nachfrage aber nach Alltagsgegenständen und Spielzeugen<br />
aus Holz – mochten diese auch noch so einfach<br />
sein – war nach wie vor vorhanden.<br />
Die Drechsler taten gut daran, hartnäckig zu bleiben,<br />
denn durch die sukzessive Verbesserung der Produktionstechnik<br />
entwickelte sich die handwerkliche Fertigung in<br />
diesem Tal im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer richtigen<br />
Holzspielzeugindustrie. Und wieder waren es die natürlichen<br />
Gegebenheiten, die einen großen Sprung nach<br />
vorn ermöglichten: Die zahlreichen Sturzbäche, Flüsse<br />
und Wasserfälle in der Umgebung wurden um 1830 in<br />
den Dienst dieses Industriezweigs gestellt. Mit der durch<br />
sie erzeugten Wasserkraft konnten die Drechselbänke in<br />
den zahlreichen Mühlen angetrieben werden, die eigens<br />
zu diesem Zweck im Tal und darüber hinaus – ungefähr<br />
in einem Dreieck, das sich im Norden bis Lons-le-Saunier,<br />
im Osten bis Morez und im Süden bis Nantua erstreckte<br />
– errichtet wurden.<br />
Obwohl sich die Technik verbessert hatte, waren die<br />
in Moirans hergestellten Spielzeuge Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
immer noch relativ einfach. Es handelte sich im<br />
Wesentlichen um Kegel, Flöten und Pfeifen. Dennoch<br />
wurde die Gemeinde mit der Zeit immer bekannter.<br />
Dazu beigetragen hat ein kleines Produkt namens<br />
« Bibi »: eine Pfeife, auf deren Ende man<br />
einen Luftballon stecken konnte. Sie<br />
wurde so beliebt und in so großer<br />
Zahl verkauft, dass Moirans sogar<br />
den Spitznamen « Bibiville » bekam!<br />
Es war das erste große « Erfolgsprodukt<br />
», das über die Ortsgrenzen<br />
hinaus « exportiert » wurde<br />
und dazu beitrug, den<br />
Bekanntheitsgrad<br />
von Moirans zu<br />
steigern.<br />
Mit der Zeit<br />
begannen die<br />
32 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Handwerker über den Tellerrand ihrer Region hinauszuschauen,<br />
um sich zu informieren, was anderswo<br />
produziert wurde, und auf dieser Basis ihre eigenen<br />
Erzeugnisse weiterzuentwickeln. Man berichtete ihnen<br />
beispielsweise, dass es in Deutschland Spielzeuge gab,<br />
die nicht nur zum Spielen gedacht waren, sondern<br />
auch die Kreativität förderten. Also begann man in<br />
Moirans, Würfel- und Konstruktionsspiele herzustellen,<br />
später sogar Gesellschaftsspiele. Für die<br />
Franzosen war dies eine echte Neuheit! Die Produkte<br />
waren darüber hinaus mehrheitlich sehr farbig<br />
gestaltet, ein Merkmal, das sich schnell zu ihrem<br />
Markenzeichen entwickelte. Der Erfolg stellte sich<br />
unverzüglich ein und hielt bis in die 80er-Jahre an, da<br />
sich die Produzenten den Entwicklungen des Marktes –<br />
vor allem der Ausbreitung des Materials Kunststoff – anzupassen<br />
wussten. Anfang der 60er-Jahre lag Frankreich<br />
auf Platz fünf der weltweiten Spielzeugproduktion. Um<br />
ihre Kräfte zu bündeln, schlossen sich die größten Hersteller<br />
von Kunststoffspielzeugen im Jura 1967 zusammen<br />
und gründeten den Verbund « Superjouet », der zehn Jahre<br />
später der größte Spielzeugexporteur des Landes war. Ein<br />
schöner Erfolg!<br />
Doch einige Hersteller in Moirans blieben nach wie<br />
vor dem natürlichen Material Holz verbunden. Firmen<br />
wie Educalux, Vilac, Jeujura<br />
und Lorge haben ihr Knowhow<br />
in Sachen Holzspielzeug<br />
stets weiterentwickelt. Und sie<br />
taten gut daran, denn angesichts<br />
der ab den 80er-Jahren<br />
durch die Globalisierung<br />
entstandenen Konkurrenz –<br />
vor allem der unglaubliche<br />
Druck aus China – und des<br />
Aufkommens von elektronischen<br />
Spielen gerieten die<br />
Hersteller, die ausschließlich<br />
auf Kunststoff gesetzt hatten,<br />
in große Bedrängnis. Diejenigen,<br />
die dagegen die Tradition<br />
des Holzes gepflegt hatten,<br />
konnten sich auf dem Markt<br />
behaupten und deutlich von<br />
der Masse abheben. So wurde<br />
Moirans erneut eine Hochburg<br />
des Spielzeugs, wobei es<br />
sich dabei um Produkte handelt,<br />
die mehr denn je einen<br />
echten Sinn ergeben, da sie<br />
handwerklich und 100 % lokal gefertigt sind.<br />
Kennen Sie die Datenbank<br />
« Joconde »?<br />
Ende der 80er-Jahre schlossen sich rund 30 Unternehmen<br />
aus Moirans zusammen, um auf der Basis dieser<br />
altüberlieferten Handwerkskunst ein gemeinsames Projekt<br />
umzusetzen: Der Gedanke war, « das Gestern wieder<br />
aufleben zu lassen, um heute das Spielzeug von morgen zu<br />
Die Mona Lisa, das berühmte Gemälde von Leonardo da<br />
Vinci im Louvre, heißt in Frankreich La Joconde. In diesem<br />
Fall geht es jedoch nicht um das Gemälde als solches,<br />
sondern vielmehr um eine Initiative des französischen<br />
Kulturministeriums, welches 1995 eine Datenbank dieses<br />
Namens initiierte, in der die Sammlungen wichtiger Museen<br />
in Frankreich erfasst und per Internet einsehbar sind.<br />
Der riesige Katalog mit den Beschreibungen vieler Werke<br />
und Objekte, meist inklusive Abbildungen, ist kostenlos<br />
zugänglich. Inzwischen sind etwas mehr als 500 000<br />
Objektbeschreibungen erfasst, darunter gut 300 Spiele<br />
und Spielzeuge aus der Sammlung des Musée du Jouet in<br />
Moirans-en-Montagne, von denen die meisten gar nicht<br />
ausgestellt, sondern in den Depots aufbewahrt werden.<br />
Mit dem Link http://www2.culture.gouv.fr/documentation/<br />
joconde/fr/recherche/rech_libre.htm gelangen Sie zur<br />
Datenbank. Geben Sie anschließend « musee du jouet »<br />
(ohne Accent) in das Suchfenster « Recherche simple » ein.<br />
kreieren ». Dazu wurde das Maison du Jouet gegründet, das<br />
neben seiner Funktion als Museum ein Zentrum zur Aufwertung<br />
von Spielzeug sein soll und sich sowohl an Fachleute<br />
als auch an die breite Öffentlichkeit wendet. Das<br />
architektonisch bewusst modern und in kräftigen Farben<br />
gestaltete Gebäude – eine Reminiszenz an die traditionell<br />
bunten Spielzeuge der Region – wurde 1989 eingeweiht.<br />
Seitdem hat sich das Museum zu einer internationalen<br />
Referenz entwickelt, und die<br />
Fachwelt ist sich darin einig,<br />
dass es eine der schönsten<br />
Spiele- und Spielzeugsammlungen<br />
Europas besitzt. Das<br />
Gebäude wurde inzwischen<br />
sogar erweitert und modernisiert,<br />
um einen zeitgemäßen<br />
Ort mit einer gut durchdachten<br />
Museografie daraus zu<br />
machen. Es hat in der Tat alles<br />
von einem großen Museum.<br />
In einer derart abgelegenen<br />
Gegend ist man auf so etwas<br />
gar nicht gefasst.<br />
Die Sammlungen präsentieren<br />
sowohl die Geschichte<br />
von Moirans und das klassische<br />
Drechselhandwerk der<br />
Region als auch das Aufkommen<br />
des Materials Kunststoff<br />
und die Umbrüche, zu denen<br />
dies führte. Am eindrucksvollsten<br />
aber ist die unglaubliche<br />
Anzahl von Spielen und<br />
Spielzeugen aus der ganzen Welt: Im Bestand des Museums<br />
befinden sich mehr als 20 000 Objekte, von denen<br />
jeweils 2000 abwechselnd ausgestellt werden. Und man<br />
muss absolut kein Experte in diesem Bereich sein, um sich<br />
unweigerlich in seine Kindheit zurückversetzt zu fühlen,<br />
sobald man die Schwelle des Museums übertritt.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 33
l<br />
7<br />
et<br />
lle<br />
E5/A10<br />
837<br />
ce<br />
E5/A10<br />
A52/E72<br />
Pau<br />
Angers<br />
int-Sigismond<br />
Niort<br />
A28/E402<br />
Dreux<br />
UNTERWEGS IN FRANKREICH Jura<br />
Alençon<br />
Chartres<br />
A11/E50<br />
Neben dem Vergnügen, dort<br />
« seinen alten Spielzeugen » wieder<br />
zu begegnen, macht man<br />
unglaubliche Le Mans Entdeckungen: zum<br />
A11/E501<br />
Beispiel « Eddie », einen um 1902<br />
A28/E502<br />
Tours Chenonceau<br />
A85<br />
in Deutschland produzierten<br />
Plüschbären, der gleichzeitig Blois unter<br />
A10/E5-E60<br />
dem berühmt gewordenen Namen<br />
« Teddy‘s A86/E60 Bear » in den Vereinigten<br />
Staaten hergestellt wurde (als Anspielung<br />
Monts auf Präsident A10/E5 Theodore<br />
« Teddy » Roosevelt, der bei einer<br />
Jagdpartie einen kleinen Bären<br />
verschont haben soll). Angesichts<br />
der vielen Kinder, die ihn gerührt<br />
ansehen, sagt man sich, dass sein<br />
Angoulême<br />
Poitiers<br />
Charme selbst im Zeitalter von<br />
Videospielen und Elektronikspielzeugen<br />
noch wirkt. Als ob die Zeit<br />
letztendlich keinen Einfluss auf<br />
die Attraktivität eines Spielzeugs<br />
hätte … Gleiches gilt für die zahlreichen<br />
Feuerwehrautos, die sich<br />
zwar je nach Ursprungsland und<br />
Limoges<br />
Alter im Stil sehr unterscheiden,<br />
die aber heute ebenfalls nichts von<br />
ihrer Anziehungskraft verloren<br />
haben.<br />
So kurz vor Weihnachten<br />
A20/E9<br />
Tulle<br />
animiert<br />
Périgueux<br />
der Besuch in Moirans Brive-la-Gaillarde<br />
und im Museum A89/E70 – das <strong>2019</strong> Le Pescher sein<br />
Andorra<br />
Versailles<br />
A10/E5<br />
Chambord<br />
Cheverny<br />
30-jähriges Bestehen Souillac sur Saillac<br />
Dordogne feiern wird<br />
– dazu, in die rund 20 Kilometer<br />
nördlich liegende Gemeinde Payrac Rocamadour<br />
Sarlat-le-Canéda<br />
Clairvaux-les-Lacs zu fahren.<br />
A20/E9<br />
Dort liegt das Village du bois,<br />
ein in Frankreich einzigartiges<br />
Einkaufszentrum, ein « Concept<br />
Store », in dem sich 12 Geschäfte<br />
befinden, die ausschließlich von<br />
Handwerkern der Region gefertigte<br />
Spielzeuge und Objekte<br />
aus Holz anbieten. Das ist eine<br />
hervorragende Gelegenheit sich<br />
bewusst zu werden, dass diese<br />
handwerklichen Fertigkeiten<br />
nach wie vor aktuell und authentische<br />
Produkte wieder « modern<br />
» sind. Eine Möglichkeit,<br />
sich und anderen eine Freude zu<br />
bereiten und dem Weihnachtsmann<br />
ein paar Geschenke in den<br />
Sack zu stecken, die gleichzeitig<br />
dem Fest einen tieferen Sinn verleihen.<br />
Toulouse<br />
A6/E15<br />
A5/E54<br />
Lesetipps & Reiseinfos<br />
Sens<br />
Saint-Guilhemle-Désert<br />
Orléans Ausgabe <strong>Nr</strong>. 43: Arbois, ein Dorf<br />
im Fokus der Wissenschaft -<br />
Maison de Louis Pasteur - Châtillon-sur-Seine<br />
(65 km entfernt) Auxerre<br />
Arbois ist mit knapp<br />
4 000 Einwohnern, A6/E15<br />
einem regionaltypischen<br />
Vézelay Avallon<br />
A71/E9<br />
Kirchturm, Dächern mit<br />
braunen Ziegeln, einem<br />
A38<br />
schönen Marktplatz<br />
Bourges<br />
mit Arkaden und<br />
Weinbergen im Umland<br />
Beaune<br />
auf den ersten Blick ein ruhiges unscheinbares<br />
Dorf im Jura. Doch dieser Eindruck täuscht. Denn<br />
Arbois hat A71/E11 einen Forscher hervorgebracht, dem<br />
Frankreich und die Welt viel verdanken: Louis<br />
Pasteur, der berühmteste französische Biologe<br />
A6/E15<br />
und Chemiker, der einen Großteil seines Lebens<br />
in dem Ort verbrachte und dort abseits des<br />
hauptstädtischen Wissenschaftsbetriebs sein<br />
Cluny<br />
privates Labor einrichtete. In Arbois gewann Pasteur<br />
entscheidende MontluçonErkenntnisse über Gärungsprozesse<br />
und entwickelte seine Keimtheorie sowie einen<br />
Impfstoff gegen Tollwut, eine seiner wichtigsten<br />
A71/E11<br />
Leistungen. Die Maison de Louis Pasteur erinnert<br />
heute an diesen großen Wissenschaftler, der Arbois<br />
vor dem Schicksal bewahrt Clermont- hat, ein Dorf wie jedes A72/E70<br />
andere zu sein. Ferrand<br />
Lyon<br />
A89/E70 Puy de Dôme<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 67: Salins-les-Bains,<br />
A75/E11<br />
das weiße Gold prägt eine ganze<br />
le Mont-Dore<br />
Region (76 km entfernt)<br />
St.-Etienne<br />
Salz war schon immer ein wichtiges<br />
Lebensmittel. Im Laufe<br />
der Jahrhunderte<br />
wurde es auch zu<br />
einer politischen und<br />
ökonomischen Ware,<br />
die der Besteuerung<br />
Valence<br />
Aurillac<br />
unterworfen war.<br />
Salinen stellen heute<br />
ein historisches und kulturelles Erbe erster Güte dar,<br />
sind oft sogar als Weltkulturerbe klassifiziert und<br />
werden zudem immer mehr zu einem touristischen<br />
Anziehungspunkt.<br />
Troyes<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 66: Tournus, ein<br />
Zwischenstopp für Neugierige<br />
auf dem Weg in den Süden<br />
(92 km entfernt)<br />
Tournus A75/E11 ist eine sehr<br />
diskrete Stadt. Sie liegt<br />
zwischen Dijon und Lyon<br />
und zieht sich an den<br />
Lodève<br />
Ufern der Saône entlang.<br />
Seit Jahrhunderten Montpellier<br />
ist sie für die meisten A9/E15<br />
Reisenden<br />
Bézier<br />
auf dem<br />
Weg nach Süden lediglich ein Durchgangsort. Man<br />
passiert die Stadt, Narbonne ohne sie genauer zu beachten,<br />
und übersieht A81/E80 dabei völlig, dass die Architektur<br />
ihr in gewisser Limoux Weise bereits ein südliches Flair<br />
verleiht. Deshalb sollte man Tournus nicht einfach<br />
links liegen lassen, sondern A9/E15 unbedingt einen Halt<br />
einlegen, France<br />
denn ein Besuch wartet mit einigen<br />
Überraschungen auf!<br />
Perpignan<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG<br />
DIESER UND ANDERER AUSGABEN Collioure<br />
Céret<br />
FINDEN<br />
SIE AUF SEITE 88.<br />
A26/E17<br />
A5/E17-E54<br />
A31/E17-E21<br />
Dijon<br />
Chalon-sur-Saône<br />
A43/E70<br />
A31/E21-E23<br />
Moirans-en-<br />
Montagne<br />
Grenoble<br />
Moirans-en-Montagne A49/E713 …<br />
… Berlin 1128 km … Hamburg 1078 km<br />
… Köln 656 km … Frankfurt 591 km<br />
… München 633 km … Wien 1185 km<br />
… Zürich 321 km … Paris 449 km<br />
Crest<br />
Die<br />
… Besançon 154 km … Saint-Claude 21 km<br />
A7/E15 Saillans<br />
Gap<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der aus dem<br />
deutschsprachigen Raum direkt angeflogen<br />
wird, ist Genf (112 km).<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof befindet<br />
sich in Bourg-en-Bresse Orange (80 km).<br />
A51/E712<br />
Jura Sud, A9/E15 Pays de l’enfant<br />
3 bis, rue du Murgin Avignon Apt<br />
39260 Nîmes Moirans-en-Montagne<br />
Telefon: A54/E805 +33 (0)3 84 42 31 57<br />
A7/E15<br />
Aix-en-<br />
www.jurasud.net Arles<br />
Provence<br />
Musée du Jouet<br />
A8/E80<br />
A55<br />
5, rue du Murgin<br />
A52<br />
39260 Moirans-en-Montagne<br />
Marseille<br />
Telefon: +33 (0)3 84 42 38 64<br />
A50<br />
Toulon<br />
www.musee-du-jouet.com<br />
Eintritt: 7,50 €, ermäßigt 5,50 €, Kinder unter 7<br />
Jahren haben freien Eintritt.<br />
Le Village du Bois<br />
Place du 8 mai 1945<br />
39130 Clairvaux-les-Lacs<br />
Telefon: +33 (0)3 84 47 22 06<br />
www.facebook.com/villagedubois<br />
Besançon<br />
A31/E21-E23<br />
Genève<br />
Annecy<br />
Nancy<br />
A36/E60<br />
Chambéry<br />
France<br />
A57<br />
M<br />
B<br />
Lausann<br />
Briançon<br />
Fra<br />
I<br />
34 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong><br />
Spanien<br />
AP7/E15
ADVERTORIAL<br />
Links: der Rathausplatz. Foto:<br />
OT Dijon, Atelier Demoulin.<br />
Oben: Die ins Straßenpflaster<br />
eingelassene Eule markiert den<br />
Parcours de la Chouette – ein beliebter<br />
Rundgang zu den Sehenswürdigkeiten<br />
Dijons. Foto: OT, Alain Doire.<br />
Reiseziel Dijon<br />
Unten: Ein Blick auf das<br />
Weltkulturerbe – die Weinberge<br />
vor der Stadt. Foto: J. L. Bernuy.<br />
Die Stadt der burgundischen Herzöge ist das Herz des<br />
Großraums Dijon und nun auch das Zentrum der neuen<br />
Großregion Bourgogne-Franche-Comté. Eine echte Hauptstadt.<br />
Nicht nur in puncto Verwaltung, sondern auch in Bezug auf<br />
Gastronomie und Lebensart.<br />
Lassen Sie den Blick schweifen in Straßen, auf Plätzen<br />
und durch schmiedeeiserne Gitter. Überall in der<br />
Stadt finden sich lebendige Spuren einer reichen und<br />
glanzvollen Geschichte. Mit dem Herzogspalast, Fachwerkhäusern,<br />
Stadtpalais, prächtigen Fassaden, verborgenen<br />
Gärten, Wasserspeiern und Kirchtürmen verbindet<br />
Dijon prunkvolle und elegante Architektur mit dem<br />
Charme des Schlichten. Das außergewöhnliche Kulturerbe<br />
formiert sich zum harmonischen Bild einer Stadt mit<br />
Wohlfühlatmosphäre, in der immer etwas los ist. Dijon ist<br />
immer am Puls der Zeit.<br />
Vor ihren Toren liegt eines der prestigeträchtigsten<br />
Weinbaugebiete der Welt, dessen kleinparzelligen Climats<br />
de Bourgogne vor kurzem zum UNESCO-Welterbe gekürt<br />
wurden. Weinbau und Gastronomie prägen die Identität<br />
und das Lebensgefühl der gesamten Stadt. Ganz ungeniert<br />
säumt die Straßen und Gassen ein fröhlich-bunter<br />
Mix aus einfachen Bistrots, traditionellen Wirtshäusern,<br />
viel besuchten Restaurants und Gourmet-Tempeln. Von<br />
der Markthalle bis zum Weinkeller wird die typisch<br />
burgundische Lebensart in Perfektion praktiziert. In den<br />
Weingläsern kommt der Charakter der namhaften AOC-<br />
Weine aus der Gegend in allen Facetten zum Ausdruck.<br />
Neben traditionellen burgundischen Köstlichkeiten wie<br />
pochierten Eiern in Rotweinsauce, Kochschinken in<br />
Peter siliengelee, Weinbergschnecken, burgundischen<br />
Trüffeln, Cîteaux-, Epoisses- und Soumaintrain-Käse,<br />
Senf und Schokotrauben mit Marc de Bourgogne existiert<br />
eine überaus moderne Küche. Kühne Küchenchefs lassen<br />
sich von der Esskultur ferner Länder inspirieren, ohne<br />
dabei die gastronomischen Wurzeln Burgunds zu verleugnen.<br />
Der Sinn für Leckeres und Unverfälschtes ist bis in<br />
die Straßencafés der verkehrsbefreiten denkmalgeschützten<br />
Altstadt spürbar. Besucher fühlen sich hier unweigerlich<br />
dazu animiert, bei einem Bummel in die Kulisse und<br />
Stimmung der Stadt einzutauchen. Konzerte, Ausstellungen<br />
und Festivals im kleinen und großen Rahmen erfüllen<br />
Dijon heute mehr denn je mit Leben.<br />
Internationale Cite de la gastronomie et du vin<br />
Im Herzen von Dijon, unweit des Canal de Bourgogne,<br />
wurden in einem denkmalgeschützten Gebäudeensemble<br />
aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert auf einer Fläche von<br />
6,5 Hektar ein Kultur- und Ausbildungszentrum, Feinkost-<br />
und Spezialitätenläden, ein Kino mit 13 Sälen und<br />
ein 5-Sterne-Hotel untergebracht. Mit dieser Zone soll<br />
die festliche französische Ess- und Tischkultur, die seit<br />
2010 zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe gehört,<br />
gewürdigt werden. Es ist ein Ort mit Symbolkraft, denn<br />
die internationale Cité de la Gastronomie et du Vin liegt<br />
auf dem ersten Kilometer der Route des Grands Crus. Die<br />
seit kurzem zum UNESCO-Welterbe zählenden Climats-<br />
Weinlagen sind also ganz nah.<br />
Texte : Anne CHAUVEAU<br />
Weitere Infos unter: kulturerbe.bourgognefranchecomte.com
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte-d’Azur<br />
36 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Der Parc ornithologique du Pont de Gau liegt rund vier Kilometer<br />
vor Saintes-Maries-de-la-Mer an der Departementsstraße 570. Es<br />
ist der ideale Ort, um die wilde Fauna und Flora der Camargue zu<br />
entdecken. Auf Wegen in einer Länge von insgesamt sieben Kilometern<br />
und von mehreren Beobachtungsstationen aus haben die<br />
Besucher die Möglichkeit, heimische Vögel und Zugvögel beim<br />
Überwintern oder « auf der Durchreise » zu beobachten. Manche<br />
sogar ganz aus der Nähe. Der « Star » dabei, der viele Naturfreunde<br />
in den Park zieht, ist der Rosaflamingo.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 37
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte-d’Azur<br />
Oben und links unten:<br />
Kurz vor Sonnenuntergang<br />
herrscht<br />
eine schöne Stimmung<br />
im Vogel park.<br />
Unten rechts: ein junger<br />
Flamin go, dessen<br />
Gefie der noch nicht<br />
die ty pi sche Farbe ausgewachsener<br />
Tiere hat.<br />
Rechte Seite: Nach<br />
mehreren Frostnächten<br />
kann es sein, dass<br />
ein Großteil der<br />
Wasserflächen<br />
zugefroren ist. In<br />
diesem Fall sind die<br />
Flamingos sehr gestresst<br />
und versammeln<br />
sich an einem Ort.<br />
Es ist ein Höllenlärm, den man bereits hört, sobald man das Fahrzeug verlässt. Und doch<br />
zieht es mich an diesem eisigkalten, aber wunderschön sonnigen Januartag hierher. Bepackt<br />
mit Fotoapparat und Stativ löse ich mein Ticket am Eingang des Parc ornithologique du<br />
Pont de Gau in der Camargue und betrete das Gelände. Auf den Plan, den man mir aushändigen<br />
will, verzichte ich, denn mittlerweile kenne ich mich hier aus. Bei jedem Schritt wird das « Geschnatter<br />
» lauter, wobei Geschnatter nicht der richtige Ausdruck ist: Im Grunde genommen sind<br />
es eher raue, krächzende Laute, die man am ehesten mit Gänsegeschrei vergleichen kann. Und<br />
dann stehe ich vor der Wasserfläche und sehe sie « tanzen »: die Rosaflamingos bei ihrem Hochzeitstanz,<br />
genannt Parade nuptiale oder Danse amoureuse. Es ist so faszinierend anzusehen, dass ich<br />
im ersten Moment meinen Fotoapparat ganz vergesse und einfach nur zusehe. Obwohl ich das<br />
Spektakel nun schon oft gesehen habe, ist es immer wieder aufs Neue faszinierend: Unzählige<br />
Rosaflamingos stehen im Wasser, viele machen fast im Takt dieselben Bewegungen mit ihren<br />
Köpfen, gehen gleichzeitig erst in die eine, dann in die andere Richtung, stoßen dabei krächzende<br />
Laute aus und dann … plötzlich … kommt das, worauf die Besucher – vor allem aber Fotografen<br />
– warten: Einige Tiere breiten für einen kurzen Moment – nicht länger als ein bis zwei Sekunden<br />
– ihre Flügel mit den charakteristischen karminroten und schwarzen Federn aus, klappen sie dann<br />
aber auch sofort wieder ein. Bei meinem ersten Besuch war es fast unmöglich, im richtigen Moment<br />
ein Foto zu schießen, mittlerweile kenne ich den Ablauf jedoch genauer und kann daher die<br />
Bewegungen besser einschätzen, was auch die « fotografische Ausbeute » erhöht.<br />
Bei den Flamingos ist es der Tanz, der die Magie der Verführung ausmacht, im Gegensatz<br />
zu anderen Tierarten, wo es ein bestimmter Körperschmuck, ein bestimmter « Gesang » oder<br />
ein Nahrungsangebot sein kann. Im Übrigen balzen bei diesen Vögeln nicht nur die Männchen,<br />
sondern auch die Weibchen. Die Tiere führen dabei mit dem Kopf in einem gleichmäßigen<br />
Rhythmus schnelle Bewegungen nach rechts und links aus und bewegen sich dabei vorwärts. Auf<br />
das plötzliche Öffnen der Flügel, genannt Salut des ailes, folgt meist eine Art von Verbeugung.<br />
Dann scheint es, als würden sie mit dem Schnabel ihre Federn an der Flügelunterseite oder auf<br />
dem Rücken glätten. Diese Bewegungen, die zu anderen Zeiten einen ganz bestimmten Zweck<br />
haben (dehnen, Beweglichkeit fördern, Federn pflegen), erfüllen während des Hochzeitstanzes<br />
jedoch keine dieser Funktionen, sondern sind Teil des Rituals. Forscher der vom Schweizer<br />
Luc Hoffmann (1923-2016) 1954 gegründeten biologischen Station Tour du Valat haben herausgefunden,<br />
dass Flamingos bis zu acht verschiedene Körperhaltungen einnehmen und diese
mit 17 verschiedenen Übergängen verbinden können: Das ergibt bis zu 136<br />
verschiedene Kombinationsmöglichkeiten! Je komplexer ein Flamingo den<br />
Hochzeitstanz ausführen kann, desto größer sind seine Chancen, eine<br />
Partnerin für die Reproduktion zu finden. Ein Weibchen und ein<br />
Männchen, deren Tanz dasselbe Niveau an Komplexität aufweist,<br />
haben höhere Chancen, sich zu paaren. Ebenfalls bessere Erfolgschancen<br />
haben Männchen, die kräftig gefärbt sind: Die<br />
Weibchen stehen nämlich auf « intensive Farben ». Die Paare<br />
bilden sich diskret inmitten dieser Paraden. Im Übrigen sind<br />
Flamingos während einer Fortpflanzungsperiode monogam,<br />
das heißt, sie bleiben von der Paarung bis zum Flüggewerden<br />
der Jungen mit demselben Partner zusammen.<br />
Ich erinnere mich noch gut an meinen Besuch im letzten<br />
Jahr. Es war ebenfalls Anfang Januar, allerdings war es<br />
bereits ein paar Tage außergewöhnlich kalt gewesen. In den<br />
zwei, drei Nächten zuvor waren die Temperaturen sogar unter<br />
null Grad gefallen. Doch an jenem Tag herrschte das für diese<br />
Region so typische « <strong>Winter</strong>wetter »: Sonnenschein und strahlend<br />
blauer Himmel. Beim Betreten des Parks kam mir der Lärm noch<br />
lauter, das Gekrächze noch aufgeregter vor als sonst. Und kaum<br />
näherte ich mich der ersten Wasserfläche, erblickte ich eine riesige<br />
Anzahl an Rosaflamingos, die dichtgedrängt nebeneinanderstanden.<br />
Flamingos sind zwar Herdentiere und man sieht sie daher<br />
meist in mehr oder weniger großen Gruppen (30-300 Tiere), aber<br />
so viele Seite an Seite hatte ich noch niemals gesehen! Der Lärm<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 39
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte-d’Azur<br />
Oben: Während des<br />
Hochzeitstanzes kann es<br />
durchaus zu aggressivem<br />
Verhalten zwischen<br />
« Rivalen » kommen. Dies<br />
äußert sich vor allem<br />
durch entsprechende<br />
Bewegungen mit<br />
Kopf und Schnabel.<br />
Unten: Junge Flamingos<br />
haben zunächst weiße<br />
und dann graue Federn.<br />
Die typische Färbung<br />
erfolgt erst während<br />
des Reifeprozesses.<br />
Während der Parade<br />
nuptiale ist der Farbton<br />
am intensivsten.<br />
war ohrenbetäubend. Da ich nicht wusste, was das Spektakel zu bedeuten hatte, erkundigte ich<br />
mich bei einem Mitarbeiter des Parks und erfuhr, dass in der Nacht zuvor aufgrund der Kälte<br />
80 % der Wasserflächen zugefroren waren. Nicht nur die Flamingos, sondern auch viele andere<br />
Wasservögel waren durch die Situation extrem gestresst und hatten Mühe, Nahrung zu finden.<br />
In einer derartigen Situation müssen sie ihre « Fettreserven » angreifen, und es besteht das Risiko,<br />
dass sie davonfliegen … oder sich beim Landen auf dem Eis die Beine brechen.<br />
Um die Tiere nicht noch mehr zu stressen, wurde der Park im Übrigen dann<br />
am folgenden Tag geschlossen. Obwohl bei meinem Besuch im letzten Jahr<br />
aus diesem Grund keine Parade nuptiale stattfand, konnte ich als Entschädigung<br />
einige schöne « Porträtaufnahmen » machen.<br />
Aber heute ist es anders. In den letzten Tagen gab es keinen<br />
Frost, und der « Liebestanz » ist in vollem Gange. Ich beobachte das<br />
Spektakel einige Minuten und mache mich dann daran, den Fotoapparat<br />
auszupacken. Plötzlich kommt Bewegung in eine Gruppe von<br />
Flamingos, die sich etwas weiter weg, am linken Rand der Wasserfläche<br />
befinden. Die Tiere setzen sich in Bewegung und marschieren<br />
gleichzeitig im Wasser in dieselbe Richtung. Einige versuchen, die<br />
anderen im Flug « zu überholen ». Ich stelle fest, dass auch von anderen<br />
Orten Flamingos ganz unvermittelt auf denselben Punkt<br />
zuzustreben scheinen. Und dann höre ich Geräusche über mir,<br />
hebe den Kopf und sehe ein gutes Dutzend Flamingos über<br />
mich hinwegfliegen. Es scheint, dass fast alle Tiere dasselbe<br />
Ziel haben. Aber welches? Und warum? Nach einigen Minuten<br />
hektischen « Verkehrs » dann die Erklärung: Inzwischen ist ein<br />
kleines Elektrofahrzeug aufgetaucht, aus dem ein junger Mann<br />
mit hohen Gummistiefeln aussteigt, ins Wasser stapft und sich<br />
auf die « wartende Gruppe » zubewegt. Er hat einen Eimer<br />
bei sich, dessen Inhalt er schaufelweise im Wasser verstreut.<br />
Aufgeregt picken die Flamingos nach diesen Körnern. Viele<br />
haben den Kopf im Wasser, einige, die anscheinend nicht so<br />
gut platziert sind, versuchen, sich nach vorne zu drängen. Mit<br />
ausgebreiteten Flügeln, teils watend, teils fliegend, scheinen sie<br />
eine bessere Position erreichen zu wollen. Konkurrenten werden<br />
da schon einmal mit angriffslustigen Kopfbewegungen zum Platzmachen<br />
« aufgefordert ». Als der Eimer leer ist, geht der junge Mann wieder<br />
zu seinem Elektrofahrzeug zurück. Plötzlich setzt sich die Gruppe wieder<br />
in Bewegung. Ich sehe, dass der junge Mann mit seinem Fahrzeug auf dem<br />
Weg weiterfährt und dass sich die Flamingos in dieselbe Richtung bewegen.<br />
Wieder scheinen alle einen bestimmten Punkt anzusteuern, nämlich<br />
genau den Ort, an dem der Mitarbeiter des Vogelparks erneut<br />
anhält, aussteigt und die nächste Körnerration<br />
verteilt. Dort spielt sich dasselbe Szenario ab:<br />
Teils im Wasser, teils in der Luft eilen Rosaflamingos<br />
heran, um bei der « Essensausgabe »<br />
möglichst gut positioniert zu sein. Insgesamt<br />
fünf bis sechs Mal wiederholt sich dasselbe Spektakel.<br />
Später erfahre ich, dass es sich bei den « Körnern »<br />
um Bruchreis handelt, der nicht einmal speziell für die<br />
Flamingos verteilt wird, sondern für die Wasservögel allgemein.<br />
Für die Flamingos stellt dies lediglich eine Ergänzung<br />
ihrer Ernährung (10-20 % des Bedarfs) dar. Man muss auch<br />
wissen, dass 80 % ihrer Population täglich wechseln, sodass fast immer<br />
andere Tiere in den Genuss dieser « Leckerei » kommen.<br />
Das Faszinierende bei einem Besuch im Parc ornithologique du Pont de<br />
Gau ist, dass man hier die Tiere in ihrem natürlichen Umfeld beobachten<br />
kann und trotzdem ganz nah dran ist, was besonders für die Flamingos<br />
40 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte-d’Azur<br />
Der Rosaflamingo (Phoenicopterus roseus) gehört zur Familie der Flamingos und kann<br />
durch sein typisches Aussehen mit keiner anderen Vogelart verwechselt werden. Das<br />
Auffälligste an seinem Aussehen sind die Größe und die Farbe. Männchen erreichen eine<br />
Größe von bis zu 1,80 Meter, Weibchen sind etwas kleiner, das ist jedoch das einzige<br />
Merkmal, durch das sich die beiden Geschlechter unterscheiden. Der Flamingo hat 17<br />
längliche Halswirbel, was die teilweise sehr « abstrakten » Bewegungen erklärt, die er mit<br />
dem Hals ausführen kann. So schläft er beispielsweise mit dem Kopf auf dem Rücken, den<br />
Schnabel in den Federn versteckt. Dabei steht er auf nur einem Bein, das andere ist unter<br />
dem Bauch angezogen. Flamingos sind Herdentiere und leben in Kolonien, in denen ein<br />
echter sozialer Zusammenhalt herrscht.<br />
Ihre Farbe erhalten Rosaflamingos durch die Nahrung, die sie aufnehmen. Verantwortlich<br />
dafür sind bestimmte Karotinoide, die sich in Algen und kleinen Krebstieren befinden.<br />
Diese Farbstoffe lagern sich in den Federn ab. Bei der Geburt sind die Federn zunächst<br />
weiß und werden nach ca. einer Woche grau; die rosa Färbung erfolgt erst nach und nach<br />
im Zuge des Reifeprozesses. Mit Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von vier bis sieben<br />
Jahren ist die Färbung abgeschlossen. Während des Hochzeitstanzes ist die Farbe im<br />
Übrigen am intensivsten, während der Reproduktionszeit verblasst sie dann etwas.<br />
Rosaflamingos sind keine Zugvögel im eigentlichen Sinn. Die klassische Migration<br />
machen nur Tiere in den nördlichsten Verbreitungsgebieten (Kasachstan, anatolische<br />
Hochebene), wo die Klimabedingungen sie im <strong>Winter</strong> dazu zwingen, mildere Gegenden<br />
aufzusuchen. Die Flamingos in der Camargue führen nur kleinere Wanderungen rund<br />
um das Mittelmeer durch. Einige von ihnen überwintern alljährlich in Nordafrika, andere<br />
bleiben an der französischen Mittelmeerküste. Umgekehrt findet man in der Camargue<br />
auch Rosaflamingos aus anderen Regionen (z. B. Sardinien, Tunesien, Algerien, Spanien).<br />
Die Population in der Camargue ist in den letzten Jahren relativ stabil (40 000-50 000 Tiere)<br />
geblieben. Im Parc ornithologique du Pont de Gau schwankt die Zahl der Rosaflamingos im<br />
Jahresverlauf stark. Während sich in der Zeit von Oktober bis März dort 1500 bis 3000 Tiere<br />
aufhalten, sind es von April bis September nur rund 500 bis 1500. Nach der Parade nuptiale<br />
verstreuen sich die Flamingos zum Nisten im ganzen Mittelmeerraum, während Tiere aus<br />
anderen Mittelmeerländern für die Reproduktion in die Camargue kommen, die im Übrigen<br />
der einzige Reproduktionsort für Rosaflamingos in Frankreich ist.<br />
Graureiher (ganz oben) und Kuhreiher (oben)<br />
gehören ebenfalls zu den Vögeln, die man im Parc<br />
ornithologique du Pont de Gau beobachten kann.<br />
gilt. Bei einer Fahrt durch die Camargue sieht man diese Tiere auch<br />
immer wieder auf anderen Wasserflächen. Aber sie sind meist so weit<br />
entfernt, dass es schon eines sehr leistungsfähigen Teleobjektivs oder<br />
Fernglases bedarf, um sie gut beobachten zu können. Das Bestreben<br />
des Vogelparks besteht darin, den Besuchern die Beobachtung der<br />
Vögel in ihrem natürlichen Milieu so einfach wie möglich zu machen<br />
und sie auf diese Weise zu sensibilisieren: Menschen die Natur erleben<br />
lassen, damit sie sie besser verstehen und mehr schätzen, ist neben dem<br />
Erhalt der Natur und dem Schutz der Tiere eine der wichtigsten Missionen<br />
des Parks.<br />
Besonders viele Rosaflamingos sieht man im Allgemeinen im Marais<br />
A. Lamouroux. Es wurde nach André Lamouroux (1912-1974)<br />
benannt, der 1949 hier einen « zoologischen Park » gründete. 1974<br />
übernahm sein Sohn René die Leitung und gab dem Ort eine neue<br />
Ausrichtung. Die alten Käfige wurden durch große Volieren ersetzt,<br />
in denen man die Lebensräume verschiedener Vogelarten rekonstruierte.<br />
Die Fläche wurde durch angrenzende Sumpfgebiete erweitert und<br />
durch Wege begehbar gemacht. Heute erstreckt sich der Park über 60<br />
Hektar Sumpfgebiet, Seen, Inseln, Röhricht, Bäume, Salzwiesen …<br />
die ein natürliches Biotop für viele heimische Arten und Zugvögel<br />
42 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
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A89/E70 Le Pescher<br />
der E5/A10 wesentlichen Bestimmungen<br />
Souillac sur<br />
des Vogelparks bei, nämlich Dordogne zur<br />
Sensibilisierung für den Schutz der<br />
Sarlat-le-Canéda<br />
Natur im Allgemeinen und in der Payrac<br />
Camargue im Besonderen. René Lamouroux<br />
richtete darüber hinaus vor<br />
mehr als 30 Jahren eine Pflegestation<br />
für verletzte Vögel ein. In dieser im<br />
Departement Bouches-du-Rhône<br />
einzigartigen Einrichtung werden<br />
verletzte Tiere ehrenamtlich versorgt:<br />
pro Jahr rund 600 Vögel, von<br />
denen 40 % nach der Versorgung<br />
wieder in die freie Natur entlassen<br />
werden können. Das Centre de Soins<br />
de la Faune Sauvage de Pont de Gau<br />
wird<br />
Pauheute von einem Verein (Association<br />
des Amis du Parc) geleitet.<br />
Seit Anfang der 90er-Jahre wird<br />
René im Übrigen durch seine drei<br />
Söhne Frédéric, Vincent und Jérôme<br />
unterstützt, die sich zusammen mit<br />
weiteren passionierten Mitarbeitern<br />
und ehrenamtlichen Helfern dafür<br />
einsetzen, die natürlichen Lebensräume<br />
der Tiere zu erhalten.<br />
Inzwischen ist es später Nachmittag<br />
geworden und die untergehende<br />
Sonne beginnt bereits, alles<br />
in ein orangerotes Licht zu tauchen.<br />
Dies ist vielleicht der schönste Moment<br />
hier. Das Gekrächze scheint<br />
sich langsam zu beruhigen, Stille<br />
kehrt ein. Ab und zu schwingen<br />
sich ein paar Flamingos in die Luft,<br />
um an einer anderen Stelle wieder<br />
zu landen. Es wird zwar langsam<br />
Zeit, den Heimweg anzutreten,<br />
trotzdem setze ich mich noch ein<br />
paar Minuten auf eine Bank direkt<br />
am Marais A. Lamouroux und<br />
lasse Landschaft und Tiere einfach<br />
auf mich wirken. Es ist wirklich<br />
erstaunlich: Jeder Besuch hier ist<br />
anders, jedes Mal bekommt man<br />
andere Eindrücke von der Natur<br />
und den hier lebenden Tieren. Aber<br />
immer sind es einzigartige Momente,<br />
nach denen ich mich ruhig,<br />
erholt und total entspannt fühle.<br />
Welch ein Glück, diesen Ort quasi<br />
vor der Haustür zu haben!<br />
Lesetipps für Ausflüge in die Umgebung & Reiseinfos<br />
Tulle Ausgabe <strong>Nr</strong>. 50: La Grande-<br />
Brive-la-Gaillarde Motte, Retrochic am<br />
Mittelmeer (41 km entfernt)<br />
Saillac<br />
Von vielen als Bausünde<br />
verschrien, ist La Grande-Motte<br />
Aurillac<br />
südöstlich von<br />
Montpellier einer<br />
Rocamadour<br />
der wichtigsten<br />
A20/E9<br />
Ferienorte entlang<br />
der Mittelmeerküste<br />
von Languedoc-<br />
Roussillon. Auf<br />
einer schmalen<br />
Landzunge zwischen Lagune und Meer gelegen,<br />
wurde der Urlaubsort auf dem Reißbrett geplant<br />
und ab Ende der 1960er-Jahre verwirklicht. Ist<br />
A75/E11<br />
die Betonarchitektur aus der Epoche wirklich so<br />
hässlich, wie einige meinen? Ein Besuch vor Ort.<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 47: Montpellier, ein<br />
Synonym für Dynamik<br />
Toulouse<br />
(61 km entfernt)<br />
Jahr für Jahr erreicht<br />
Montpellier in Umfragen über<br />
die beliebtesten Bézier<br />
Städte<br />
Narbonne<br />
der Franzosen<br />
Spitzen positionen.<br />
A81/E80<br />
Mit mehr als 300<br />
Limoux<br />
Sonnentagen<br />
im Jahr, einem A9/E15<br />
France<br />
Fahrradweg, der<br />
vom Zentrum bis<br />
zum Meer führt,<br />
Perpignan<br />
einem TGV, mit dem man in knapp dreieinhalb<br />
Stunden trotz der großen Entfernung in Paris Collioure<br />
Céret<br />
ist, und einer sehr belebten Innenstadt kann die<br />
Hauptstadt der Region Languedoc-Roussillon<br />
mit guten Argumenten punkten. Aber andere AP7/E15<br />
Städte haben ebenfalls vielfältige Spanien Reize. Warum<br />
gilt Montpellier trotzdem in den Augen vieler<br />
als vorbildlich, extrem dynamisch oder gar<br />
avantgardistisch? Warum macht die Stadt so viel<br />
von sich reden? Eine Spurensuche.<br />
Andorra<br />
A89/E70<br />
Saintes-<br />
Mariesde-la-Mer<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
A75/E11<br />
le Mont-Dore<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 41: Pont du Gard,<br />
altes Aquädukt erfrischend<br />
jung (72 km entfernt)<br />
Um Nîmes mit Trinkwasser<br />
zu versorgen, scheuten die<br />
Römer im Jahre 50<br />
nach Christi Geburt<br />
keine Mühen und<br />
Kosten. Über ein<br />
ausgetüfteltes<br />
System leiteten<br />
sie Wasser aus<br />
50 Kilometer<br />
entfernten Quellen<br />
in die Stadt. Teil dieser Leitung war der Pont du<br />
Gard, das höchste Aquädukt im ganzen Reich. 2 000<br />
Jahre später steht das 1985 zum Weltkulturerbe<br />
der UNESCO ernannte Bauwerk immer noch und ist<br />
mit 1,25 Millionen Besuchern pro Jahr eine beliebte<br />
Sehenswürdigkeit. Um diesen Touristenansturm<br />
verträglich zu gestalten, setzt man seit einigen<br />
Jahren auf ein sehr innovatives und erfolgreiches<br />
Besucherkonzept. Der Pont du Gard ist damit alles<br />
andere als ein verstaubtes Monument.<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG<br />
DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN<br />
SIE AUF SEITE 88.<br />
Puy de Dôme<br />
A72/E70<br />
A9/E15<br />
Nîmes<br />
Montpellier<br />
Lyon<br />
St.-Etienne<br />
A7/E15<br />
A9/E15<br />
A54/E805<br />
Arles<br />
Saintes-Maries-de-la-Mer …<br />
… Berlin 1520 km … Hamburg 14<strong>69</strong> km<br />
… Köln 1006 km … Frankfurt 983 km<br />
… München 991 km … Wien 1414 km<br />
… Zürich 689 km … Paris 758 km<br />
… Montpellier 61 km … Arles 33 km<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der aus dem<br />
deutschsprachigen Raum direkt angeflogen<br />
wird, ist Montpellier-Méditerranée (49 km).<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof liegt in<br />
Nîmes (48 km).<br />
Parc ornithologique du Pont de Gau<br />
Route Départementale (RD) 570<br />
13460 Saintes-Maries-de-la-Mer<br />
Telefon: +33 (0)4 90 97 82 62<br />
www.parcornithologique.com<br />
Der Park ist ganzjährig bis Sonnenuntergang<br />
geöffnet.<br />
Der Eintritt ist zu folgenden Zeiten möglich:<br />
1. April bis 30. September: 9 Uhr bis 19 Uhr<br />
1. Oktober bis 31. März: 10 Uhr bis 18 Uhr<br />
Erwachsene 7,50 €, Kinder (4 – 12 Jahre) 4 €<br />
A43/E70<br />
A49/E713<br />
Valence<br />
Orange<br />
Avignon<br />
A7/E15<br />
Aix-en-<br />
Provence<br />
A55<br />
Marseille<br />
Achtung: Sollte es im <strong>Winter</strong> mehrere<br />
Frostnächte in Folge geben, kann es sein,<br />
dass die Wasserflächen zufrieren. Da die Tiere<br />
in diesem Fall sehr gestresst sind, bleibt der<br />
Park dann unter Umständen geschlossen.<br />
Daher sollte man sich gegebenenfalls vor<br />
einem Besuch telefonisch oder auf der<br />
Facebook-Seite des Parks (www.facebook.<br />
com/parcornithologiquedepontdegau/)<br />
informieren. Höhepunkt der Parade nuptiale<br />
ist in den Monaten Dezember, Januar und<br />
Februar.<br />
Grenoble<br />
Cham<br />
A52<br />
A50<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 45
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bourgogne-Franche-Comté<br />
46 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
« Betonhaufen », « Pantoffel », « Bunker », « geistliche Garage » … Was konnte<br />
man Anfang der 50er-Jahre während des Baus der Chapelle de Ronchamp<br />
nicht alles über sie in der Presse lesen. Dabei war diese Zeit unmittelbar nach<br />
dem Krieg in Frankreich gerade eine Zeit der Rekonstruktion und der Urbanisierung.<br />
Allein im Bereich religiöser Gebäude war im Hexagon der<br />
Wiederaufbau von 4000 Kirchen geplant, da kann man sich gut<br />
vorstellen, dass nicht alle das Glück hatten, vom Talent eines<br />
international renommierten Architekten wie Le Corbusier<br />
(1887-1965) zu profitieren. Bei der Chapelle de Ronchamp<br />
war dies der Fall, und es war eine unglaubliche Fügung<br />
des Schicksals! Doch sie war noch nicht einmal vollständig<br />
wiederaufgebaut, da stand sie auch bereits<br />
im Zentrum der Polemik. Heute ist sie dagegen mit<br />
knapp 70 000 Besuchern pro Jahr eines der meistbesuchten<br />
Werke des genialen Schweizer Architekten<br />
weltweit: Vom « einfachen » spirituellen<br />
Pilgerort hat sie sich in eine architektonische<br />
Pilgerstätte verwandelt, die auf der ganzen<br />
Welt bekannt ist.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 47
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bourgogne-Franche-Comté<br />
Ein historisch begehrter Ort<br />
Wir befinden uns rund 20 Kilometer westlich von<br />
Belfort, im Departement Haute-Saône. Das kleine Dorf<br />
Ronchamp wird von einem Hügel überragt, der bereits vor<br />
langer Zeit Begehrlichkeiten hervorrief. Von dieser circa<br />
500 Meter hoch gelegenen Anhöhe sieht man nämlich<br />
sowohl die letzten Ausläufer der Vogesen als auch die<br />
ersten Hochebenen des Jura und, ein besonders wichtiger<br />
Aspekt, die sogenannte « Burgundische Pforte » im Osten.<br />
Die Römer lagen bereits richtig, als sie für die Eroberung<br />
Galliens eine Route wählten, die heute noch eine strategische<br />
Verbindung zwischen Paris und Basel darstellt.<br />
Man geht davon aus, dass sich der Ursprung des Ortes<br />
Ronchamp sehr wahrscheinlich von Romanorum campus,<br />
dem « Camp der Römer » ableitet, das Letztere auf dem<br />
Hügel errichtet hatten … Ab dem 13. Jahrhundert finden<br />
sich Hinweise darauf, dass auf dieser « natürlichen Festung<br />
» eine Kapelle stand, die sich im Laufe der Zeit zu<br />
einer Pilgerstätte entwickelte. Im Laufe ihrer bewegten<br />
Geschichte wurde sie während der Revolution verkauft,<br />
1913 brannte sie nach einem Blitzeinschlag nieder, in der<br />
Folge wurde sie wieder aufgebaut, bevor die deutsche Armee<br />
beim Angriff auf die französischen Truppen, die sich<br />
auf den Hügel zurückgezogen hatten, sie im Herbst 1944<br />
erneut zum großen Teil zerstörte.<br />
Nach Kriegsende wollten die Mitglieder der Gemeinde<br />
Ronchamp zunächst das ursprüngliche Gebäude wieder<br />
aufbauen. Sehr schnell wurde ihnen jedoch klar, dass die<br />
Kosten für diese Arbeiten die Kosten für eine Neukonstruktion<br />
übersteigen würden. Dann hatte ein Kirchenmann,<br />
der Domherr Ledeur, der auch Sekretär der Commission<br />
d’Art sacré von Besançon war, die ausgefallene Idee,<br />
Le Corbusier zu kontaktieren. Es ging ihm dabei darum,<br />
der französischen Kirche, wie seinerzeit üblich, im Rahmen<br />
der Wiederaufbauphase einen neuen, moderneren<br />
Anstrich zu verleihen. Um den Architekten, der bis dato<br />
noch kein religiöses Gebäude errichtet hatte, zu überzeugen,<br />
sicherte er ihm absolute Freiheit in der Ausführung<br />
zu: « Wir können Ihnen nicht viel bieten, aber dies können<br />
wir Ihnen bieten: eine wunderbare Landschaft und die<br />
Möglichkeit konsequenter Umsetzung. Ich weiß nicht, ob<br />
Sie Kirchen bauen wollen, aber wenn Sie nur eine bauen<br />
wollen, dann erlauben die Gegebenheiten hier die Annahme,<br />
dass die Sache nicht von vornherein verloren ist und<br />
dass uneingeschränkte schöpferische Freiheit zum Zuge<br />
kommen wird. »* Obwohl Le Corbusier vom Widerstand<br />
enttäuscht war, den die geistlichen Obrigkeiten ihm im<br />
Rahmen eines Projektes für die unterirdische Basilika<br />
Sainte-Baume entgegengebracht hatten – die er im Übrigen<br />
niemals fertigstellen konnte – erklärte er sich nicht<br />
nur bereit, sich mit der Aufgabenstellung auseinanderzusetzen,<br />
sondern betrachtete sie sofort als eine verlockende<br />
Herausforderung, über die er humorvoll<br />
sagte: « Eine Wallfahrtskapelle? Das<br />
interessiert mich, das ist eine Rechen-<br />
« Es handelt sich um eine Rechenaufgabe »<br />
48 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Le Corbusier ist es<br />
ge lungen, durch<br />
un ge wöhn liche<br />
For m en und eine<br />
be son dere Anordnung<br />
der Fas saden die<br />
Neu gier der Besucher<br />
zu wecken und sie<br />
so zu animieren, die<br />
Ka pel le zunächst zu<br />
um run den. Genau das<br />
ver stand der Architekt<br />
un ter dem Begriff<br />
« architektonischer<br />
Spaziergang ».<br />
aufgabe mit Volumen<br />
und Mengen! » Der<br />
Bau einer Kapelle eine<br />
simple Rechenaufgabe?<br />
Um das Pflichtenheft<br />
zu erfüllen, musste in der Tat ein architektonisches<br />
Wunder vollbracht werden: Es galt eine Kapelle zu bauen,<br />
die einerseits Platz für ungefähr 200 Gläubige bot, sich<br />
aber andererseits zweimal pro Jahr (an<br />
den Marienfesten am 15. August und<br />
8. September) in eine Wallfahrtsstätte zu<br />
verwandeln hatte, an der man einen Gottesdienst<br />
vor mehreren Tausend Pilgern<br />
halten konnte … Eine Herausforderung,<br />
der sich Le Corbusier sogleich annehmen<br />
wollte!<br />
Am 4. Juni 1950 besuchte Le Corbusier<br />
die Stätte zum ersten Mal. Mehrere<br />
Stunden ging er auf dem Hügel hin und<br />
her, machte einige Skizzen. In der Folge sagte er mehrfach,<br />
dass er sofort « eine Beziehung » zu dem Ort hatte.<br />
Seine Entscheidung war getroffen: Er nahm den Auftrag<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 49
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bourgogne-Franche-Comté<br />
an. Der Architekt stellte schnell fest, dass die Zufahrtsstraße<br />
zum Hügel nicht besonders gut ausgebaut war. Er<br />
wusste, dass dies die Bauarbeiten verkomplizieren würde,<br />
und beschloss daher, sein Projekt an die Gegebenheiten<br />
anzupassen: Die Kapelle sollte aus Beton errichtet werden,<br />
einem Material, für das man nur Zement- und Sandsäcke<br />
transportieren musste, darüber hinaus war nur Wasser<br />
notwendig. Le Corbusier kannte dieses Material gut und<br />
schätzte es. Für ihn war « Beton ein Material, das nicht<br />
betrügt; er ersetzt, er schafft den verräterischen Putz ab. »<br />
Nachdem das Material bestimmt und die ersten Pläne<br />
gezeichnet waren, konnte der Bau im September 1953 beginnen;<br />
die Arbeiten dauerten bis Juni 1955.<br />
Die Offenbarung eines<br />
« architektonischen Spaziergangs »<br />
Erblickt man heute, mehr als 63 Jahre später, Notre-<br />
Dame-du-Haut ist man noch immer überrascht. Abgesehen<br />
von der Polemik,<br />
welche das Äußere der<br />
Kapelle in der Bauphase<br />
hervorrief, lässt<br />
dieses beim Besucher<br />
zwangsläufig das Gefühl<br />
entstehen, sie zunächst<br />
umrunden zu müssen,<br />
um sie zu « verstehen ».<br />
Von wo aus man das<br />
Gebäude auch angeht, es<br />
wirft Fragen auf, macht<br />
Lust, es von allen Seiten<br />
anzusehen. Überall wird<br />
der Blick von einer Kurve,<br />
einer Besonderheit,<br />
einem Detail angezogen.<br />
Le Corbusier nannte dies einen « architektonischen<br />
Spaziergang ». Die für die damalige Zeit ganz neuartige<br />
Idee, nämlich beim Besucher eines Bauwerks die Lust<br />
zum Herumschlendern zu wecken, bei ihm den Wunsch<br />
50 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
entstehen zu lassen, es sich « zu<br />
erlaufen », ist in der Welt der<br />
Architektur nach wie vor noch<br />
aktuell. Um sich darüber klar<br />
zu werden, in welchem Ausmaß<br />
das Konzept von Le Corbusier<br />
immer noch funktioniert, muss<br />
man nur beobachten, wie sich<br />
die Besucher verhalten, die Notre-Dame-du-Haut<br />
zum ersten<br />
Mal entdecken. Alle gehen zunächst<br />
um das Gebäude herum,<br />
betrachten es, fotografieren es,<br />
entfernen sich manchmal, um<br />
es besser erfassen zu können,<br />
oder gehen ganz nahe heran, um<br />
Details zu erkennen. Obwohl<br />
die Kapelle nicht sehr groß ist,<br />
gelang es dem Architekten, sie in dieser Beziehung auf<br />
dasselbe Niveau wie eine große Kirche zu stellen, bei der<br />
man einen gebührenden Abstand haben muss, um sie zu<br />
verstehen. Wenn das Bauwerk beim ersten Anblick durch<br />
sein Ausmaß erstaunen mag, stellt man beim näheren<br />
Hinsehen beruhigt fest, dass es im Grunde genommen<br />
eine überschaubare Größe hat. Der Wasserspeier und das<br />
Auffangbecken an der westlichen Fassade in Verbindung<br />
mit der Wölbung der Mauer, die Platz für den dahinterliegenden<br />
Beichtstuhl bietet, lassen durch ihren Wagemut<br />
nahezu schmunzeln. Das Dach der östlichen Fassade, das<br />
einem vom Wind geblähten Schiffssegel gleicht, beeindruckt<br />
und besänftigt zugleich. Der äußere Chor darunter,<br />
der für Gottesdienste unter freiem Himmel gedacht<br />
ist, wirkt mit Altar, Kanzel und Empore fast erheiternd.<br />
Solche Einrichtungen sind außerhalb von Kirchen nicht<br />
üblich. Kein Zweifel also, der « architektonische Spaziergang<br />
» hält einige Überraschungen bereit.<br />
Licht – ein wichtiger Verbündeter der Architektur<br />
Am meisten beeindruckt Notre-Dame-du-Haut jedoch<br />
mit Sicherheit im Inneren. Der Kontrast zur Welt draußen<br />
ist frappierend. Während man draußen mit einer ausladenden<br />
Architektur konfrontiert ist, die zum Abstandnehmen<br />
auffordert, lässt uns Le Corbusier beim Übertreten<br />
der Schwelle in eine viel intimere Welt eintauchen,<br />
Das Innere der Kapelle, das<br />
ebenfalls die Handschrift<br />
von Le Corbusier trägt, ist<br />
sehr schlicht. Der Architekt<br />
verstand den Ort als eine<br />
« Maschine, die bewegen,<br />
die rühren soll »; er fertigte<br />
sogar selbst Glasmalereien<br />
an und kreierte einen<br />
Beichtstuhl aus seinem<br />
Lieblingsmaterial Beton.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 51
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bourgogne-Franche-Comté<br />
in der Licht und Farben einen besänftigenden Eindruck<br />
vermitteln und das Gefühl entstehen lassen, man befände<br />
sich in einem warmen und schützenden Kokon. Dafür<br />
bediente sich der Architekt einer bei religiösen Gebäuden<br />
klassischen Technik, die er gleichzeitig neu interpretierte:<br />
Ein im Vergleich zur Außenwelt dunklerer Innenraum<br />
soll zu Andacht und Besinnung anregen. Und doch ist<br />
der Ansatz von Le Corbusier hier anders: Die Kapelle hat<br />
keine riesigen Ausmaße, sie ist weder sehr breit noch sehr<br />
tief, die Decke nicht sehr hoch. Und doch strahlt sie ein<br />
intensives – aber gleichzeitig sanftes und harmonisches –<br />
Raumgefühl aus, als ob die Wände für den Besucher eine<br />
schützende Hülle darstellen würden. Man spürt, dass der<br />
Raum konzipiert wurde, um dem Ort eine überschaubare<br />
Größe zu verleihen. Das sorgt eher für Ruhe, als dass es<br />
beeindruckt. Ein wichtiger Faktor ist dabei das Licht. Vor<br />
allem auf der Südseite hat Le Corbusier transparente und<br />
farbige Scheiben eingesetzt, die mit Landschaftsmotiven<br />
aus der Umgebung bemalt sind – einige davon sogar von<br />
ihm selbst – oder Inschriften mit Huldigungen der Heiligen<br />
Jungfrau tragen. Blau, gelb, rot, grün, violett … Sobald<br />
die Sonne scheint, werden diese Farben in den Raum<br />
projiziert und erzeugen eine gedämpfte und poetische<br />
Atmosphäre, die zu innerer Andacht einlädt. Im Idealfall<br />
sollte man eine Zeit lang in der Kapelle verharren, um sich<br />
darüber bewusst zu werden, wie der Sonnenverlauf die Intensität<br />
des Lichts beeinflusst. Nicht nur die Atmosphäre<br />
wird grundsätzlich anders, auch das Aussehen der Wände<br />
scheint sich zu verändern. Durch präzise Berechnungen<br />
gelang es Le Corbusier, mit der natürlichen Beleuchtung<br />
im Tagesverlauf zu spielen.<br />
Der Hügel der drei Architekten<br />
Der Ort zeichnet sich auch durch die bemerkenswerte<br />
Tatsache aus, dass Le Corbusier nicht der einzige renommierte<br />
Architekt war, der an diesem einmaligen Ort gearbeitet<br />
hat. Direkt neben dem Eingang der Kapelle errichtete<br />
der Architekt und Designer Jean Prouvé (1901-1984)<br />
einen freistehenden Glockenturm – einen Campanile. Le<br />
Corbusier wollte keine herkömmlichen Glocken und sah<br />
stattdessen eine elektronische Beschallung vor, die jedoch<br />
niemals umgesetzt wurde. Eine weitere Besonderheit: Neben<br />
den beiden Glocken aus dem 19. Jahrhundert hängt<br />
eine dritte: Sie ist die kleinste und wurde in Erinnerung<br />
an die Mutter und die Ehefrau von Le Corbusier auf<br />
den Namen Charlotte-Amélie-Yvonne-Marie getauft. In<br />
52 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Le A29/E44 Havre<br />
A131<br />
nfleur<br />
Jumièges<br />
Rouen<br />
A26/E17<br />
A34/E46<br />
Saarbrücken<br />
A13/E46<br />
on<br />
Mans<br />
A28/E402<br />
501<br />
A28/E502<br />
/E60<br />
onts<br />
oitiers<br />
Périgueux<br />
A89/E70<br />
Sarlat-le-Canéda<br />
A13/E5<br />
A16<br />
einiger Entfernung, etwas zurückgesetzt,<br />
liegen das<br />
Evreux<br />
Kloster<br />
Reims<br />
Lesetipps<br />
A4/E50<br />
& Reiseinfos<br />
A4/E50<br />
Epernay Châlons-en-<br />
Sainte-Claire und das Torhaus,<br />
Champagne<br />
PARIS<br />
die beide im Jahr 2011 Versailles von einem<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 68:<br />
Ostfrankreich, Vorreiter<br />
der berühmtesten Dreux Architekten<br />
bei der Abschaffung der<br />
der Welt, Renzo Piano, realisiert<br />
Sklaverei (Champagney:<br />
A6/E15<br />
wurden. A5/E54<br />
A26/E17<br />
Chartres<br />
Im Eingangsbereich des<br />
6 km entfernt)<br />
Meist werden die Französische<br />
Torhauses brennt in der kalten<br />
Troyes<br />
Jahreszeit A11/E50 in einem Kamineinsatz<br />
Revolution und<br />
aus Rohbeton ein riesiges Feuer.<br />
die Erklärung<br />
A10/E5<br />
Sens<br />
A5/E17-E54<br />
der Menschen-<br />
und<br />
Le Corbusier hätte dieses ultramoderne<br />
Design mit Orléans Sicherheit<br />
Bürger rechte<br />
geschätzt. Ein Hügel, drei Architekten<br />
von Weltruf: Diesem<br />
Auxerre<br />
von 1789 so<br />
Châtillon-sur-Seine präsentiert,<br />
als hätte sich<br />
Ort ist eindeutig Blois<br />
Chambord ein besonderes<br />
das Volk spontan und solidarisch im ganzen Land A31/E17-E21<br />
A10/E5-E60<br />
gleichzeitig erhoben, um<br />
A6/E15<br />
Schicksal widerfahren!<br />
diese Rechte für die<br />
Cheverny<br />
Menschen zu erwirken. Dass<br />
Vézelay Avallon bestimmte Flavigny Gebiete<br />
Tours Chenonceau<br />
A71/E9<br />
dabei eine Vorreiterrolle gespielt haben, vergisst Dijon<br />
* Alle Zitate stammen A85 aus dem<br />
man meist. Sieht man sich den Fall der Abschaffung A38<br />
hervorragenden Werk von Danièle Pauly Le<br />
der Sklaverei in Frankreich genauer an, dann stellt<br />
A10/E5 Corbusier. La Chapelle de Ronchamp, das Bourges von<br />
man fest, dass einige Regionen diese Tragödie der<br />
der Stiftung Le Corbusier zusammen mit dem<br />
Menschheitsgeschichte viel früher anprangerten<br />
Birkhäuser-Verlag herausgegeben wurde und<br />
Beaune<br />
als andere.<br />
vor Ort erworben werden kann. Das Buch gibt<br />
A20/E9<br />
es neben der englisch/französischen auch A71/E11<br />
Chalon-sur-Saône<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 64: Belfort, die<br />
in einer deutsch/italienischen Ausgabe.<br />
wiederentdeckte Genialität<br />
eines Künstlers<br />
A6/E15<br />
(22 km entfernt)<br />
Besucht man die Stadt<br />
Belfort im Nordosten<br />
Cluny<br />
der Region<br />
Montluçon<br />
Bourgogne-<br />
Franche-Comté,<br />
A71/E11<br />
so fällt einem<br />
unweigerlich<br />
der imposante<br />
Clermont-<br />
A72/E70 Löwe zu<br />
Limoges<br />
Ferrand<br />
Füßen der<br />
Lyon<br />
A89/E70 Puy de Dôme<br />
Zitadelle auf.<br />
Die A75/E11 Skulptur aus rotem Sandstein aus den<br />
le Mont-Dore Vogesen macht nicht nur durch ihre Größe auf sich<br />
aufmerksam – sie ist 22 Meter lang und 11 Meter<br />
St.-Etienne<br />
hoch –, sondern auch durch ihr würdevolles und<br />
wohlwollendes Aussehen. Der König der Tiere<br />
Tulle<br />
symbolisiert den Widerstand der in den Jahren<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
1870/71 von den Preußen belagerten Stadt.<br />
Le Pescher<br />
Weniger bekannt ist, dass diese monumentale<br />
Souillac sur Saillac<br />
Skulptur das Werk von Frédéric-Auguste Bartholdi<br />
Dordogne<br />
Valence<br />
Aurillac(1834-1904) ist, der ebenfalls die Freiheitsstatue<br />
in New York kreierte. Dieser Künstler ist relativ<br />
Payrac Rocamadour<br />
unbekannt geblieben, obwohl er eine sehr<br />
A20/E9<br />
interessante Persönlichkeit war, über die man A7/E15<br />
heute in Belfort mehr erfahren kann.<br />
A31/E21-E23<br />
A4<br />
Metz Sarreguemines<br />
A31/E21-E23<br />
Nancy<br />
France<br />
Ronchamp<br />
Besançon<br />
Genève<br />
Lausanne<br />
Ronchamp …<br />
… Berlin 915 km<br />
Annecy<br />
… Hamburg 865 km<br />
… Köln 468 km … Frankfurt 378 km<br />
… München 462 km … Wien 877 km<br />
… Zürich 183 km … Paris 403 km<br />
A43/E70<br />
… Belfort Chambéry 22 km<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der aus dem<br />
deutschsprachigen Raum direkt angeflogen<br />
wird, ist Basel-Mühlhausen (93 km).<br />
Grenoble<br />
A49/E713<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof ist Belfort-<br />
Montbéliard (30 km).<br />
Briançon<br />
Porterie de Notre-Dame-du-Haut<br />
Crest<br />
Die<br />
13, rue de la Chapelle<br />
70250 Ronchamp<br />
Saillans<br />
Telefon: +33 (0)3 Gap 84 20 65 13<br />
A4/E25<br />
Colmar<br />
Bitche<br />
Strasbourg<br />
A35<br />
A35/E25<br />
Mulhouse<br />
A36/E60<br />
Belfort<br />
Basel<br />
Bern<br />
Schweiz<br />
Italien<br />
A5/E35<br />
Freiburg<br />
De<br />
Torino<br />
Toulouse<br />
Narbonne<br />
A81/E80<br />
Limoux<br />
France<br />
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A9/E15<br />
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Avignon<br />
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Le Corbusier: Saint-Guilhemle-Désert<br />
die Kapelle<br />
Nîmes<br />
von Ronchamp,<br />
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Danièle<br />
A54/E805<br />
Pauly, 143 A7/E15 Eintritt.<br />
Lodève Seiten,<br />
Arles<br />
Aix-en-<br />
Cannes<br />
Birkhäuser Basel Verlag,<br />
Montpellier<br />
Provence<br />
A8/E80<br />
ISBN: 978-3764357603<br />
A9/E15<br />
A8/E80<br />
A55<br />
Bézier<br />
A52<br />
A57<br />
A9/E15<br />
Marseille<br />
A50<br />
Toulon<br />
Rayol-<br />
Canadelsur-Mer<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 53<br />
Nice
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est<br />
Kaysersberg<br />
Eines der Lieblingsdörfer der Franzosen<br />
54 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 55
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est<br />
Vorhergehende Doppelseite: Blick<br />
von der befestigten Brücke zur Rue du<br />
Général de Gaulle (links im Bild) und<br />
zur Uferstraße entlang der Weiss.<br />
Oben: Kaysersberg wurde 2017 nicht<br />
zuletzt deshalb zum « Lieblingsdorf<br />
der Franzosen » gewählt, weil man<br />
dort all die Details bewahrt hat, die<br />
den Charme eines elsässischen Dorfes<br />
ausmachen: farbige Fachwerkfassaden,<br />
Dekorationen, Geranien vor den<br />
Fenstern ... Dadurch strahlt der Ort eine<br />
echte Authentizität aus. Im Übrigen<br />
scheint dies auch den Störchen zu<br />
gefallen, denn sie haben sich auf<br />
einigen Häuserdächern eingenistet.<br />
Seit sieben Jahren wählen die Franzosen im Juni im Rahmen einer<br />
auf dem öffentlich-rechtlichen Sender France 2 ausgestrahlten Sendung<br />
ihr « Lieblingsdorf ». Bei diesem « Wettbewerb » treten 13 Dörfer<br />
aus den 13 Regionen des französischen Mutterlandes sowie ein Dorf<br />
aus den Überseegebieten gegeneinander an. 2017 wurde das elsässische<br />
Dorf Kaysersberg auf den ersten Platz gewählt. War diese<br />
Wahl nur ein «Marketinggag» oder steckt mehr dahinter? Gut ein<br />
Jahr später, im Juli <strong>2018</strong>, wollen wir dieser Frage auf den Grund gehen<br />
und untersuchen vor Ort, wie ein Village préféré des Français<br />
eigentlich aussieht und ob hinter dieser Auszeichnung tatsächlich<br />
ein Sinn steht oder nicht.<br />
56 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Mein Lieblingsdorf? Kaysersberg natürlich! » Annie ist eine<br />
muntere Frau in den Fünfzigern, die eine ungeheure Lebensfreude<br />
ausstrahlt. Sie verbringt gerade das Wochenende zusammen<br />
mit vier Freundinnen im Elsass. Gestern sind sie mit dem Auto<br />
aus dem Norden Frankreichs – genauer gesagt aus Dünkirchen – hierher<br />
gefahren und spätabends angekommen. Für die nicht gerade kurze Strecke<br />
von gut 600 Kilometern haben sie sich am Steuer abgewechselt.<br />
« Etwas weniger als acht Fahrtstunden, aber mit einigen Pausen », präzisiert<br />
Annie. « Wir haben ein nettes kleines Hotel gefunden, haben gut<br />
geschlafen und wollen nun den heutigen Tag genießen. »<br />
Im Gespräch wird schnell offensichtlich, dass Annie und ihre<br />
Freundinnen nicht zufällig nach Kaysersberg gekommen sind, sondern<br />
von der jedes Jahr im Juni ausgestrahlten Fernsehsendung Le Village
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est<br />
préféré des Français dazu inspiriert wurden. Im Laufe des Tages wird<br />
uns zudem bewusst, dass sie nicht die Einzigen sind, sondern dass viele<br />
Touristen den Ort genau aus diesem Grund besuchen. Bei der beliebten<br />
Sendung können Millionen von Fernsehzuschauern « ihr » Lieblingsdorf<br />
in Frankreich wählen. Seit der ersten Ausgabe im Jahr 2012 haben<br />
sieben Orte diese begehrte Auszeichnung erhalten: Saint-Cirq-Lapopie,<br />
Departement Lot (2012), Eguisheim, Departement Haut-Rhin<br />
(2013), Cordes-sur-Ciel, Departement Tarn (2014), Ploumanac’h, Departement<br />
Côtes-d’Armor (2015), Rochefort-en-Terre, Departement<br />
Morbihan (2016), Kaysersberg, Departement Haut-Rhin (2017) und<br />
Cassel, Departement Nord (<strong>2018</strong>).<br />
Inzwischen ist es also ein gutes Jahr her, dass das Dorf mit diesem<br />
Titel ausgezeichnet wurde. Und offensichtlich spürt man die « verkaufsfördernde<br />
Wirkung » noch immer, was uns im Office de Tourisme<br />
bestätigt wird. Wir erfahren, dass sich die Besucherzahl nach der Sendung<br />
erhöht hat, und zwar deutlich: Im Vergleich zum Vorjahr kamen<br />
40 % mehr Touristen! Vielen Dank France 2!<br />
Im Gespräch mit den Verantwortlichen des Fremdenverkehrsamtes<br />
erfahren wir darüber hinaus, dass diese Bekanntheit ganz unterwartete<br />
Folgen nach sich zog. Angesichts der zahlreichen Fragen von Touristen<br />
nach dem genauen Ort der offiziellen Tafel Le village préféré des Français<br />
2017 musste der Stadtplan aktualisiert und neu gedruckt werden. Inzwischen<br />
ist dieses beliebte Fotomotiv, das sich in unmittelbarer Nähe<br />
einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten befindet, nämlich<br />
der befestigten Brücke über die Weiss (konstruiert<br />
1514 aus Buntsandstein<br />
aus den<br />
58 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Vogesen), ebenso wie alle anderen touristischen Sehenswürdigkeiten<br />
auf dem Plan verzeichnet … Aber es kommt noch besser: Anfang<br />
August letzten Jahres wurde die besagte Tafel sogar gestohlen! Wie<br />
Christophe Bergamini, der Direktor des Fremdenverkehrsamts vermutet,<br />
war das sicher das Ergebnis eines « dummen und unnützen<br />
Streichs ». Inzwischen wurde die Tafel selbstverständlich ersetzt und<br />
von den Mitarbeitern der Stadt noch besser befestigt.<br />
Wir müssen zugeben, dass der Spaziergang an diesem Vormittag<br />
durch die Straßen von Kaysersberg wirklich angenehm ist. Entgegen<br />
unseren Vorstellungen ist der Ort bei Weitem nicht von einem unendlichen<br />
Touristenstrom überlaufen. Vielleicht liegt das aber auch daran,<br />
dass es erst 8.30 Uhr ist … Während wir langsam durch die wichtige<br />
Hauptachse, die Rue du Général de Gaulle, schlendern, gehen nach<br />
und nach die Läden der Geschäfte hoch. Man gewinnt schnell den<br />
Eindruck, dass man in diesem Ort großen Wert auf Genuss legt: Die<br />
Bäckereien, Konditoreien und Feinkostläden, die an jeder Ecke zu finden<br />
sind, sehen alle sehr einladend aus. Und als habe man sich abgesprochen,<br />
sind die Produkte in den Schaufenstern überall ansprechend<br />
präsentiert und wirken äußerst appetitlich und authentisch. Eines der<br />
verführerischsten Geschäfte ist vermutlich das der Lebkuchenfabrik<br />
Fortwenger. Dass wir förmlich dorthin gezogen werden, liegt nicht<br />
zuletzt an dem köstlichen Duft, der durch die offene Tür nach draußen<br />
strömt. An der Fassade dieser regionalen Institution – das Mutterhaus<br />
befindet sich rund 50 Kilometer weiter nördlich, in Gertwiller<br />
– weist eine üppig dekorierte Aufschrift stolz auf « Die Tradition der<br />
Lebkuchen seit 1768 » hin. Es ist schwer, den vielen<br />
Verlockungen zu widerstehen:<br />
Oben: Die offizielle Tafel direkt bei der Brücke<br />
über die Weiss ist nun noch besser befestigt.<br />
Kaysersberg liegt an der Route des Vins d‘Alsace, am Eingang<br />
in die Täler von Lapoutroie und Orbey. Es gibt dort zahlreiche<br />
Winzer, deren Weine man verkosten kann und in deren Reben<br />
ausgeschilderte Wege zu schönen Spaziergängen einladen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 59
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est<br />
Lebkuchen-Mannele, Lebkuchen mit elsässischem Waldhonig und die<br />
berühmten Anisplätzchen begleiten uns daher auf unserem Bummel<br />
durch Kaysersberg …<br />
Genuss und genießen scheinen also offensichtlich in diesem Ort<br />
großgeschrieben zu werden. Vielleicht ist dies ja einer der Gründe,<br />
warum ihn die Franzosen zu ihrem Lieblingsdorf gekürt haben. Unser<br />
Eindruck, dass die Freude am guten Essen offensichtlich von vielen<br />
Einwohnern geteilt wird, bestätigt sich, während wir weiter durch die<br />
Straßen von Kaysersberg schlendern: Die Auslagen der Metzgereien und<br />
Gemüsehändler sind üppig bestückt, die Marktstände nicht minder, und<br />
an Restaurants mangelt es ebenso wenig. Was Letztere angeht, so kann<br />
der Ort Kaysersberg mit seinen nicht einmal 5000 Einwohnern stolz<br />
mit drei herausragenden Adressen aufwarten, die von außergewöhnlichen<br />
Küchenmeistern geführt werden, von denen zwei sogar vom Guide<br />
Michelin mit Sternen ausgezeichnet wurden: L’Alchémille von Jérôme<br />
Jaegle (ein Michelin-Stern) und La Table d‘Olivier Nasti (zwei Michelin-<br />
Sterne). Olivier Nasti ist einer der größten französischen Küchenchefs,<br />
Sie werden ihn in unserer Rubrik « Hotel » näher kennenlernen.<br />
Aber das ist noch lange nicht alles, denn zu einem guten Essen<br />
gehört natürlich auch ein guter Wein. In dieser Beziehung hat Kaysersberg<br />
ebenfalls viel zu bieten: Der Ort liegt an der Route des Vins<br />
d ’Alsace, und es gibt hier mehrere Weingüter, auf denen man ausgezeichnete<br />
Weine verkosten und kaufen kann, die unter anderem aus für<br />
diese Region so typischen Rebsorten wie Riesling oder Gewürztraminer<br />
erzeugt wurden. Was diese kulinarische Seite angeht, kann man<br />
also leicht nachvollziehen, dass die Franzosen das Dorf in ihr Herz<br />
geschlossen haben. Es scheint wirklich alles zu geben, um selbst die<br />
größten Feinschmecker und Leckermäuler zufriedenzustellen.<br />
Doch Kaysersberg hat nicht nur etwas für die Geschmacksnerven<br />
zu bieten, sondern die Umgebung ist ebenfalls ein Augenschmaus.<br />
Man hat den Eindruck, sich mitten in einer<br />
Bilderbuchlandschaft zu befinden. Nähert man sich<br />
dem Dorf mit dem Auto, sieht man die Häuser<br />
inmitten von Reben liegen, deren Blätter jetzt,<br />
Anfang Juli, einen ganz besonders intensiven<br />
Grünton haben. Der Kontrast zwischen dem<br />
Buntsandstein der Gebäude und dem Grün der<br />
Natur ist frappierend. Steigt man auf den Turm der<br />
Ruinen des ehemaligen Schlosses und genießt den großartigen Panoramablick<br />
über das Dorf, verstärkt sich dieses Gefühl noch.<br />
Im Zentrum von Kaysersberg erwartet den Besucher dann ein<br />
richtiggehendes Farbfeuerwerk: Die Fassaden der schön renovierten<br />
Häuser – die meisten stammen aus dem Mittelalter oder der Renaissance<br />
– strahlen mit dem blauen Himmel um die Wette. Eine Palette<br />
an Rot-, Blau-, Gelb-, Braun- und Grüntönen scheint einer in ihrer<br />
Art einzigartigen schöpferischen Fantasie entsprungen zu sein und verleiht<br />
dem Dorf einen ganz eigenen Charme. Im Osten Frankreichs gibt<br />
es viele farbenprächtige Orte, beispielsweise Montbéliard, doch es gibt<br />
nur sehr wenige, die ein derartiges Farbspektrum aufweisen können<br />
und trotzdem so ausgewogen wirken.<br />
Inmitten dieser Farbenpracht erscheint die Heilig-Kreuz-Kirche<br />
erstaunlich schlicht. Sie wurde vom 12. bis 15. Jahrhundert erbaut<br />
und ist vor allem für ihre riesige Christusskulptur (4,10 Meter), die<br />
an einem « Ruhmbalken » hängt, sowie einen Altaraufsatz in Form<br />
eines Triptychons, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts gefertigt wurde,<br />
bekannt. Die kleine Michaelskapelle hinter der Kirche und der<br />
60 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Ehrenfriedhof der Ersten Armee sind ebenfalls einen Besuch wert. Auf<br />
dem mit Blumen übersäten Friedhof befinden sich Grabstätten der drei<br />
monotheistischen Religionen: Die christlichen Kreuze, die jüdischen<br />
und moslemischen Grabstellen strahlen eine berührende und sehr harmonische<br />
Atmosphäre der Andacht aus.<br />
Diese Harmonie findet man in Kaysersberg generell in vielen architektonischen<br />
und dekorativen Elementen. Die Fensterläden der<br />
Häuser sind beispielsweise alle sehr sorgfältig gearbeitet. In manchen<br />
befindet sich ein herzförmiges Loch, das man einfach als schmückendes<br />
Element einstufen könnte. Doch von einem älteren Mann erfahren<br />
wir, dass es sich dabei um einen alten Brauch handelt: Wenn in einem<br />
Haushalt eine junge Frau einen Mann suchte – wenn sie also « ihr Herz<br />
zu verschenken » hatte, wie er sich poetisch ausdrückte –, dann bohrte<br />
man solche Herzen in das Holz der Fensterläden, damit mögliche<br />
Freier dies von der Straße aus sehen und sich melden konnten … Offensichtlich<br />
hat später niemand die Löcher wieder verschlossen; ganz<br />
im Gegenteil, man hat dieses Element vielfach kopiert … Ebenfalls sehenswert<br />
sind die Balkongeländer aus Holz, von denen viele mit einer<br />
derartigen Liebe zum Detail gearbeitet sind, dass sie wie Spitze aussehen.<br />
Man kann sich mühelos vorstellen, welche Arbeit dahintersteckt!<br />
Da Franzosen im Allgemeinen Museen sehr schätzen, erscheint es<br />
uns nur zu logisch, dass Kaysersberg ebenfalls eines haben muss, um<br />
zum « Lieblingsdorf » gewählt zu werden. Das ist tatsächlich der Fall,<br />
wobei der Ort nicht nur eines, sondern sogar zwei besitzt. Das relativ<br />
kleine Historische Museum präsentiert religiöse Kunstwerke aus der<br />
Zeit vom 14. bis 18. Jahrhundert. Es befindet sich im ersten Stock eines<br />
schönen Patrizierhauses aus dem Jahr 1521. Beeindruckt hat uns aber<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 61
Vorhergehende Seiten und oben:<br />
Die Kirche Sainte-Croix mit dem<br />
berühmten Christus am Kreuz und<br />
das Albert-Schweitzer-Museum,<br />
in dem man mehr über den<br />
berühmtesten Sohn<br />
dieser Stadt erfährt,<br />
sind Dinge, die man<br />
bei einem Besuch<br />
in Kaysersberg<br />
unbedingt<br />
besichtigen sollte.<br />
Direkt hinter dem<br />
Museum sind die<br />
Kirchtürme der<br />
protes tan tischen<br />
Kirche, in<br />
der Albert<br />
Schweitzers<br />
Vater die<br />
Messe<br />
hielt, zu<br />
sehen.<br />
vor allem das zweite Museum, das nach Albert Schweitzer (1875-<br />
1965) benannt wurde. Es befindet sich im äußersten Norden der<br />
Stadt und ist dem in Kaysersberg geborenen berühmten Mann<br />
gewidmet, der 1952 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet<br />
wurde. Das Museum entspricht dem Charakter von Albert<br />
Schweitzer: bescheiden und sehr diskret. Aber der Besuch<br />
ist ein unwahrscheinlich emotionales Erlebnis. Man sieht<br />
dort zum Beispiel die berühmte Fliege, von der sich Albert<br />
Schweitzer niemals trennte, nicht einmal, als er im<br />
hintersten Winkel von Gabun Leprakranke pflegte. Der<br />
Philosoph, Musiker (er war ein sehr guter Organist),<br />
Pastor und Arzt gab sein komfortables Leben in Europa<br />
auf, um in Lambarene, in Gabun, eine Krankenstation<br />
aufzubauen.<br />
Während wir durch die Räume des Museums<br />
gehen, drängt sich der Gedanke auf,<br />
dass der 1875 in Kaysersberg geborene Albert<br />
Schweitzer im Grunde zwischen zwei Kulturen<br />
– nämlich der französischen und der<br />
deutschen – lebte, zumal er fließend Deutsch,<br />
Französisch und Elsässisch sprach. Wir erfahren,<br />
dass bereits seine Abstammung von den<br />
beiden Ländern geprägt war: Als Sohn französischer<br />
Eltern, die 1871, nach der Angliederung<br />
von Elsass-Lothringen an das Deutsche<br />
Reich, Deutsche wurden, hatte er bei der<br />
Geburt zunächst die deutsche Nationalität,<br />
bevor er durch die Umsetzung des Vertrags<br />
von Versailles nach dem Ersten Weltkrieg<br />
Franzose wurde. Man kann somit nachvollziehen,<br />
warum er sich selbst als regelrechten
A4/E25<br />
e A29/E44 Havre<br />
A131<br />
ur<br />
Jumièges<br />
Rouen<br />
A26/E17<br />
A34/E46<br />
Saarbrücken<br />
E46<br />
28/E402<br />
ns<br />
s<br />
s<br />
28/E502<br />
Périgueux<br />
A89/E70<br />
at-le-Canéda<br />
A10/E5<br />
A13/E5<br />
Evreux<br />
Dreux<br />
Chartres<br />
A11/E50<br />
Blois<br />
A10/E5-E60<br />
Tours Chenonceau<br />
A85<br />
A20/E9<br />
A10/E5<br />
Chambord<br />
Cheverny<br />
A16<br />
PARIS<br />
Versailles<br />
Orléans<br />
A71/E9<br />
A6/E15<br />
Bourges<br />
A71/E11<br />
France<br />
A5/E54<br />
Reims<br />
Lesetipps & Reiseinfos<br />
Kaysersberg … Châtillon-sur-Seine<br />
Auxerre<br />
… Berlin 824 km … Hamburg 775 km<br />
… Köln 431 km … Frankfurt 288 km<br />
A6/E15<br />
… München 430 km … Wien 836 A31/E17-E21<br />
km<br />
… Vézelay Zürich 163 Avallon km Flavigny … Paris 436 km<br />
… Straßburg 78 km … Colmar 12 km<br />
Dijon<br />
A38<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der aus dem<br />
deutschsprachigen Raum direkt angeflogen<br />
wird, ist Basel-Mühlhausen (71 Beaune km).<br />
A31/E21-E23<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof liegt in<br />
Chalon-sur-Saône<br />
Colmar (11 km).<br />
A31/E21-E23<br />
A4<br />
Sarreguemines<br />
Mulhouse<br />
A36/E60<br />
Schloss Kaysersberg<br />
Belfort<br />
Telefon: +33 (0)3 89 78 22 78<br />
Basel<br />
Eintritt frei.<br />
Eine Treppe mit rund hundert Stufen führt auf<br />
den Turm, von wo man einen Panoramablick<br />
über den Ort Besançon<br />
hat.<br />
Historisches Museum<br />
62, rue du Général de Gaulle<br />
68240 Kaysersberg Vignoble<br />
Telefon: +33 (0)3 89 78 11 11<br />
Eintritt: 2 €, ermäßigt 1 €<br />
A4/E25<br />
France<br />
Kaysersberg<br />
A35<br />
A35/E25<br />
Schweiz<br />
A4/E50<br />
A4/E50<br />
Epernay Châlons-en-<br />
Seit dem 1. Januar 2016 Champagne werden die ehe mali<br />
gen Gemeinden Kaysersberg, Kientzheim<br />
und Sigolsheim unter dem neuen Namen<br />
« Kaysers berg Vignoble » zusammengefasst.<br />
In ak tuellen Karten und GPS-Systemen<br />
er scheint bereits A26/E17 diese neue Bezeichnung.<br />
Ab ge sehen von der verwaltungstechnischen<br />
Än der ung existiert Troyes aber in den Herzen und<br />
Köp fen der Menschen in dieser Gegend weiter<br />
hin der ursprüngliche Name und die Men-<br />
Sens<br />
A5/E17-E54<br />
schen sprechen daher in der Regel nur von<br />
Kaysersberg. Deshalb beschränken wir uns in<br />
diesem Artikel ebenfalls auf diesen Begriff.<br />
A6/E15<br />
Office de Tourisme de la Vallée de<br />
Albert-Schweitzer-Museum<br />
Lausanne<br />
Kaysersberg<br />
126, rue du Général de Gaulle<br />
39, rue du Général de Gaulle<br />
68240 Kaysersberg Vignoble<br />
Cluny<br />
68240 Kaysersberg Vignoble<br />
Telefon: +33 (0)3 89 47 36 55<br />
Telefon: +33 (0)3 89 78 22 78<br />
Eintritt: 2,50 €, ermäßigt 1,50 €<br />
Montluçon<br />
Genève<br />
www.kaysersberg.com<br />
Achtung: Die Öffnungszeiten dieser<br />
A71/E11<br />
Sehens würdigkeiten schwanken im Jahresverlauf<br />
sehr. Wir empfehlen Ihnen, sich<br />
vor einem Besuch<br />
Annecy<br />
auf der Website des<br />
Clermont-<br />
A72/E70<br />
Fremdenverkehrsamts zu informieren.<br />
Limoges<br />
Ferrand<br />
Lyon<br />
A89/E70 Puy de Dôme<br />
A75/E11<br />
A43/E70<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 40: Haut-Kœnigsbourg, Vogesen, es wartet Chambéry auch mit einem kleinen<br />
le Mont-Dore<br />
ein wahrhaft deutsch-französisches Schmuckstück auf, der Abtei von Murbach. Im<br />
Kulturerbe (23 km entfernt) St.-Etienne<br />
Mittelalter war das Kloster eines der mächtigsten und<br />
Im Herzen des Elsass an<br />
wohlhabendsten im Rhein-Tal. Eine Art Elitekloster<br />
Tulle<br />
der Grenze der beiden<br />
für reiche und adlige Ordensbrüder. Heute wirkt die<br />
Grenoble<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
Departements Haut-Rhin und A49/E713 malerisch in die Wälder der Vogesen eingebettete<br />
Bas-Rhin dominiert die Haut- Anlage wie ein verwunschener Ort. Die Umgebung<br />
Italien<br />
Saillac<br />
Kœnigsbourg die Rheinebene. bietet sich zudem für Wanderungen an.<br />
Briançon<br />
Valence<br />
Aurillac<br />
Die auf einer Höhe von 757<br />
Metern gelegene Burg zeugt<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 35: Mont Sainte-Odile,<br />
Crest<br />
Die<br />
von einer 900-jährigen Geschichte, die an der<br />
Berg der Hoffnung und der Tragödie<br />
Rocamadour<br />
Schnittstelle zweier großer Nationen nicht immer<br />
A20/E9<br />
A7/E15 Saillans (53 km entfernt)<br />
ganz einfach war. Heute ist die Festung für Elsässer<br />
Gap Er ist gerade einmal 763 Meter<br />
und Deutsche gleichermaßen identitätsstiftend.<br />
hoch. 763 Meter ist eigentlich<br />
Mit mehr als einer halben Millionen Besucher<br />
keine Zahl, die aus einer<br />
pro Jahr ist sie zudem eine der bestbesuchten<br />
Erhebung einen wirklich<br />
Sehenswürdigkeiten Frankreichs.<br />
beeindruckenden Berg macht.<br />
Orange<br />
Und doch ist der Mont Sainte-<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 47: Abbaye de Murbach,<br />
France<br />
A51/E712 Odile von einer besonderen<br />
es steht ein Kloster im Walde<br />
A9/E15<br />
(40 km Erhabenheit. Es ist ein Berg, der sich mit seinem<br />
A75/E11<br />
entfernt)<br />
Avignon schon von Apt Weitem sichtbaren Kloster von den<br />
Das Tal von Guebwiller zwischen anderen Gipfeln der Vogesen unterscheidet. Ein Berg,<br />
Saint-Guilhemle-Désert<br />
A54/E805<br />
dem Petit Ballon<br />
Nîmes<br />
im Norden und der die Menschen über die Jahrhunderte hinweg<br />
dem Grand Ballon im Süden A7/E15 anzog, sie faszinierte, ihnen Schutz bot, aber auch<br />
Lodève<br />
ist nicht nur das kürzeste Arles und Aix-en-<br />
Cannes<br />
Toulouse<br />
Unheil über sie brachte. Ein Berg, der aus dem Elsass<br />
Montpellierengste Tal der elsässischen<br />
nicht<br />
Provence<br />
wegzudenken ist.<br />
A8/E80<br />
A9/E15<br />
A8/E80<br />
A55<br />
Bézier<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND A52ANDERER AUSGABEN<br />
A57<br />
FINDEN SIE AUF SEITE 88.<br />
Marseille<br />
Narbonne<br />
A50<br />
Toulon<br />
A81/E80<br />
Limoux<br />
Rayol-<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> Canadelsur-Mer<br />
· 63<br />
A9/E15<br />
« Weltbürger » bezeichnete. Vielleicht<br />
trägt gerade auch das zum Charme<br />
von Kaysersberg bei: in der Lage zu<br />
sein, Kulturen zu vermischen und am<br />
Ende die Herzen aller zu erreichen,<br />
ohne sich wirklich nach Grenzen zu<br />
richten …<br />
Dieses kleine Dorf konnte die<br />
Stimmen vieler Franzosen auf sich<br />
vereinen, die es zu ihrem « Lieblingsdorf<br />
» gewählt haben. Es war<br />
also in der Lage, diese Menschen<br />
anzusprechen, sie zu berühren.<br />
Und Le zwar Pescher Menschen aus vielen<br />
Souillac verschiedenen sur Regionen. Über den<br />
Dordogne sichtbaren Charme von Kaysersberg<br />
hinaus, dem wir in gewisser Weise<br />
Payrac<br />
erlegen sind und über den wir in<br />
diesem Artikel berichten, gefällt<br />
uns der Gedanke, dass der von<br />
Albert Schweitzer benutzte Begriff<br />
des « Weltbürgers » in Kaysersberg<br />
vielleicht heute noch aktuell und<br />
real ist: Dieser historisch und kulturell<br />
deutsch-französisch geprägte<br />
Ort hat seinen eigenen Charme<br />
entwickelt. Und eine besondere<br />
Aufgeschlossenheit. Genug also,<br />
um zurecht zu einem der Villages<br />
préférés der Franzosen gewählt zu<br />
werden.<br />
Metz<br />
Nancy<br />
Colmar<br />
Bitche<br />
Strasbourg<br />
Bern<br />
A35<br />
A5/E35<br />
Freiburg<br />
Deut<br />
Torino<br />
Nice
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hotel<br />
le Chambard<br />
ELSÄSSISCHE AUTHENTIZITÄT IN IHRER REINSTEN FORM<br />
Es gibt mehrere Arten, sich dem Hotel-Restaurant Le<br />
Chambard in Kaysersberg zu nähern. Zum einen<br />
könnte man davor zurückschrecken, es überhaupt zu<br />
betreten. Denn die zahlreichen Auszeichnungen, die am<br />
Eingang zur Schau gestellt werden, sind beeindruckend.<br />
Was das Hotel angeht, so kann es fünf Sterne sein Eigen<br />
nennen, ist seit 2002 Mitglied des Zusammenschlusses<br />
Etoiles d’Alsace und gehört seit 2015 zu den Relais & Châteaux.<br />
Die Auflistung für den Restaurantbereich ist nicht<br />
minder beachtlich: Der Küchenchef Olivier Nasti – dem<br />
das Haus gemeinsam mit seiner Frau Patricia gehört – ist<br />
seit 2007 Meilleur Ouvrier de France, das Feinschmeckerrestaurant<br />
La Table d’Olivier Nasti besitzt seit 2014 zwei<br />
Michelin-Sterne und das traditionell elsässische Bistro<br />
Winstub ebenfalls seit 2014 einen Bib Gourmand … Diese<br />
anspruchsvollen Anerkennungen sind alle nicht einfach zu<br />
erhalten, daher ist nachvollziehbar, dass sie manche Menschen<br />
eher abschrecken, das Hotel-Restaurant zu betreten,<br />
da sie befürchten, es sich nicht leisten zu können oder sich<br />
dort nicht wohlzufühlen. Alternativ könnte man jedoch<br />
das Le Chambard erst einmal auf sich wirken lassen, in<br />
Ruhe die Speisekarten studieren und sich vielleicht sogar<br />
ein bisschen umhören, um schließlich den Schritt über die<br />
Schwelle zu wagen. Und dann ist man mit Sicherheit sehr<br />
angenehm überrascht. Wenn man sich bereits etwas über<br />
das Hotel erkundigt hat, dann wird man die Information<br />
bestätigt sehen, dass es nicht eines dieser zwar luxuriösen,<br />
aber seelenlosen 5-Sterne-Hotels ist, die schön und teuer<br />
sind. Davon ist man hier weit entfernt.<br />
Le Chambard, das ist zunächst einmal ein Gebäude.<br />
Auf den ersten Blick könnte man es einfach als schönes<br />
Haus im typisch elsässischen Stil einstufen, wie es in dieser<br />
Gegend so viele gibt. Schließlich ist man in einem der<br />
Villages préférés der Franzosen. Ein prächtiges Gebäude<br />
also, stattlich, mit leuchtenden, warmen Farben und dicken<br />
Mauern, die im Sommer die Kühle und im <strong>Winter</strong><br />
die Wärme im Inneren bewahren … Aber das Hotel<br />
Chambard ist viel mehr als « nur » ein Gebäude: Die Besitzer,<br />
Olivier und Patricia Nasti, haben es 2000 erworben<br />
und wollten ihm eine Seele verleihen, damit man sich<br />
nicht wie in einem Hotel, sondern wie zu Hause – ihrem<br />
Zuhause – fühlt.<br />
64 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Dafür haben sie – vor allem Patricia, die Maîtresse de<br />
Maison mit einer Leidenschaft für Dekoration – im Inneren<br />
beispielsweise viele kleine Salons eingerichtet, in<br />
denen einmal ein Kamin, ein andermal ein Bücherschrank<br />
für eine anheimelnde Atmosphäre sorgen. Überall gibt<br />
es Orte, an denen man sich einfach gemütlich hinsetzen<br />
und vielleicht in einem der zahlreichen Bücher schmökern<br />
kann, die man da und dort vorfindet. Daneben stößt man<br />
überall im Haus auf Sammlungen persönlicher Objekte,<br />
wie zum Beispiel auf die vollständige Reihe aller Ausgaben<br />
des Guide Michelin, auf die Olivier ganz besonders<br />
stolz ist. Die Seele des Hauses drückt sich zudem nicht<br />
durch bestimmte, in gewisser Weise überholte Regeln aus,<br />
sondern ausschließlich durch Qualität und einige Besonderheiten.<br />
So hat Patricia beispielsweise beim Personal des<br />
Restaurants Krawatten und Fliegen abgeschafft, damit<br />
kein zu « hochtrabendes » Ambiente entsteht, in dem sich<br />
die Gäste vielleicht nicht wohlfühlen. Sie ist ebenfalls für<br />
die leichten, bunten Kleider verantwortlich, die die Mitarbeiterinnen<br />
an der Rezeption, das Personal in der Winstub<br />
und die Zimmermädchen tragen. All diese Details sorgen<br />
unbestritten für einen frischen Wind in diesem Haus.<br />
Kurz: Wenn man das Hotel-Restaurant Le Chambard<br />
betritt, fühlt man sich einfach rundum wohl und behaglich.<br />
Der Empfang erfüllt alle Erwartungen, es ist offensichtlich,<br />
dass hier Professionalität mit Herzlichkeit und Aufrichtigkeit<br />
einhergeht. Dafür gibt es untrügliche Zeichen:<br />
So versteckt sich beispielsweise Olivier Nasti nicht hinter<br />
seinem Herd, wie so viele andere große Küchenchefs, sondern<br />
er heißt – sofern er anwesend ist – seine Gäste gerne<br />
bei ihrer Ankunft persönlich willkommen. Besser noch:<br />
Rechts von der Rezeption, genau gegenüber vom Eingang,<br />
befindet sich eine große Glasfront, durch die man direkt<br />
in die Küche sieht. Für den Gast ist also alles transparent,<br />
er kann genau sehen, was dort vor sich geht. Damit soll er<br />
von Anfang an in eine Atmosphäre eintauchen, in der die<br />
Küche und der Tisch zentrale Elemente sind: genau wie<br />
im Leben einer elsässischen Familie.<br />
Die tragende Säule des Hauses aber ist das Restaurant<br />
La Table d’Olivier Nasti. Insofern ist ein Diner in diesem<br />
Feinschmeckerrestaurant bei einem Aufenthalt fast ein<br />
Muss. Natürlich hat das seinen Preis: Neben Gerichten<br />
à la carte gibt es zwei Menüs, von denen das exklusivere,<br />
« Expressions » (198 Euro), aus sechs Gerichten und<br />
zwei Desserts besteht, während den Gast beim zweiten<br />
Menü, « L’Histoire » (142 Euro), vier Gerichte und ein<br />
Dessert erwarten. Das ist eine optimale Gelegenheit,<br />
eine Vorstellung von der herausragenden Küche von<br />
Olivier Nasti zu bekommen und eines der bekanntesten<br />
Gerichte seiner kulinarischen Handschrift zu entdecken,<br />
das erstaunliche und überaus köstliche « Œuf onctueux »,<br />
das bei einer Temperatur von exakt 64 °C eine perfekte<br />
Konsistenz erhält. Welches Menü Sie auch wählen,<br />
Olivier Nasti und sein Sous-Chef Nicolas Carro verarbeiten<br />
die Produkte auf eine ultrapräzise Art und Weise.<br />
Dies gilt vor allem für die Garprozesse, sodass der Gast
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hotel<br />
immer wieder neue Texturen entdecken kann. Eine<br />
Spezialität des Küchenchefs ist unter anderem Wild, das<br />
er oft sogar selbst erlegt hat und das selbstverständlich<br />
aus der Umgebung stammt. Wie im Übrigen fast alle<br />
anderen Produkte auch, Käse eingeschlossen: Letzterer<br />
stammt ausschließlich aus dem Elsass (von rund 40<br />
Höfen in der Umgebung) und besteht ausnahmslos aus<br />
biologisch erzeugter Rohmilch. Die Clochettes alsaciennes<br />
(Käse in Form einer Glocke),<br />
die mit einer Reife von 6, 8<br />
oder 15 Monaten angeboten<br />
werden, oder der Tomme du<br />
randonneur à l’ail des ours et<br />
aux fleurs de sureau (Hartkäse<br />
mit Bärlauch und Holunderblüten)<br />
sind ein wahrer Genuss<br />
… Beim Käsegang fällt<br />
zudem ein besonderes Detail<br />
auf, eine Aufmerksamkeit,<br />
durch die sich hervorragende<br />
Restaurants auszeichnen:<br />
Die vom Gast ausgewählten<br />
Käsesorten werden in der für<br />
den Verzehr empfohlenen<br />
Reihenfolge auf dem Teller<br />
angerichtet: also vom mildesten<br />
bis zum kräftigsten.<br />
Das Dessert, zum Beispiel<br />
Coque meringuée au cacao,<br />
Le Chambard *****<br />
<br />
9-13 rue du Général de Gaulle<br />
68240 Kaysersberg Vignoble<br />
Telefon: +33 (0)3 89 47 10 17<br />
www.lechambard.fr<br />
34 Zimmer und Suiten ab 150 Euro.<br />
<br />
chocolat Guanaja en émulsion, caramel tendre à la fleur de<br />
sel (Kakaomeringue mit einer Emulsion aus Guanaja-<br />
Schokolade und zartem Karamell mit feinstem Salz), beweist<br />
ebenfalls, dass man hier die Kombination harmonischer<br />
Geschmacksnoten bis zur Perfektion beherrscht.<br />
Man ertappt sich dabei, herausfinden zu wollen, welche<br />
dieser Noten – Die Bitterkeit der Schokolade? Die Süße<br />
des Karamells? Der Hauch von Salz? – dominiert, um<br />
schließlich feststellen zu müssen, dass man dies unmöglich<br />
bestimmen kann, so ausgewogen ist alles …<br />
Feinschmeckerrestaurant La Table d’Olivier Nasti<br />
(2 Michelin-Sterne).<br />
Traditionelles Bistro im elsässischen Stil La Winstub.<br />
Flammkuchen-Restaurant Flamme & Co.<br />
Bar.<br />
Spa mit beheiztem Innenpool, Hamam und Sauna.<br />
<br />
Die Seele des Hauses zeigt sich auch darin, dass es<br />
Olivier Nasti und seiner Frau am Herzen liegt, dass so<br />
viele Menschen wie möglich in den Genuss ihrer Feinschmeckerküche<br />
kommen und diese exzeptionellen Gerichte<br />
genießen können. Deshalb kamen sie auf die lobenswerte<br />
Idee, Donnerstag- und Freitagmittag ein Menü<br />
« Composition du Midi » anzubieten, das für einen Preis<br />
von 62 Euro einen Gruß aus der Küche, ein Fischgericht,<br />
ein Fleischgericht, ein Dessert<br />
und einen Assiette gourmande<br />
umfasst. Eine ausgezeichnete<br />
Möglichkeit, eine Vorstellung<br />
vom Talent dieses Küchenchefs<br />
zu bekommen.<br />
Darüber hinaus gibt es<br />
noch ein zweites Restaurant,<br />
die Winstub, das im typisch<br />
elsässischen Stil dekoriert<br />
ist: rot-weiß karierte Stoffe,<br />
Tische aus hellem Holz,<br />
Gugelhupf-Formen als Brotkorb<br />
… Dort kann man lokale<br />
Spezialitäten wie Schnecken,<br />
Gänseleberpastete, Zwiebelkuchen,<br />
Sauerkraut oder auch<br />
den berühmten elsässischen<br />
Baeckeoffe (ein Gericht, bei<br />
dem drei Fleischsorten sehr<br />
lange im Ofen geschmort<br />
werden) genießen. Die Preise sind absolut erschwinglich<br />
(Menü « Stub » 27 Euro, Menü « Terroir » 32 Euro). Direkt<br />
gegenüber vom Chambard, auf der anderen Straßenseite,<br />
hat Olivier Nasti Flamme & Co eröffnet, wo man den traditionellen<br />
Flammkuchen in neuer Form entdecken kann.<br />
Ob herzhaft oder süß, auch hier tragen die klassisch elsässischen<br />
Gerichte die Handschrift des mit zwei Sternen<br />
gekrönten Kochs. Und dieser Genuss ist noch erschwinglicher,<br />
die Gerichte kosten ab 11 Euro. Genug Gründe<br />
also, das Haus der Familie Nasti zu betreten!<br />
66 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
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Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 67
FRANKREICH HEUTE Wirtschaft<br />
FRANKREICH-DEUTSCHLAND:<br />
Der Krieg der Gummibärchen ist erklärt!<br />
Der französische Konzern Carambar &<br />
Co, die Nummer zwei im Süßwarenmarkt<br />
des Hexagons und Inhaber von<br />
Kultmarken wie Carambar, Malabar,<br />
Suchard, Kaba, La Pie qui Chante, Krema<br />
oder Poulain, hat beschlossen, das<br />
mit einem Marktanteil von knapp 40 %<br />
in Frankreich in diesem Markt führende<br />
deutsche Großunternehmen Haribo<br />
zu entthronen. Carambar gegen Goldbären:<br />
Der Krieg hat begonnen!<br />
Die kleine Welt der französischen Süßwarenindustrie<br />
lag lange Zeit in einem Dornröschenschlaf.<br />
Obwohl die Franzosen Süßigkeiten<br />
durchaus lieben, haben sie sich jahrzehntelang<br />
darauf beschränkt, dieselben Marken zu naschen:<br />
nämlich die, die sie aus ihrer Kindheit kannten. Sie<br />
haben ihren Kaubonbons und Pralinen aus der heimischen<br />
Erzeugung die absolute Treue gehalten –<br />
sofern es nicht einfach mangelnde Neugier<br />
ausländischen Süßwaren gegenüber war. So<br />
sind im Laufe der Zeit einige dieser Produkte<br />
in Frankreich zu regelrechten Kultmarken<br />
avanciert, was im Übrigen nichts Ungewöhnliches<br />
ist: Was die europäische Naschkultur<br />
angeht, so schwören die Deutschen auf ihre<br />
Goldbären und Color-Rado von Haribo und<br />
die Franzosen eben auf ihre legendären Carambar-Riegel<br />
und Malabar-Kaugummis.<br />
Auf beiden Seiten des Rheins herrschen über<br />
die Naschhaftigkeit hinaus echte Zuneigung<br />
und wahrhafter Stolz auf Gummibärchen, Kaubonbons<br />
& Co., die fast als Teil des jeweiligen<br />
Kulturerbes gelten.<br />
Der gute Geschmack<br />
mit Vergangenheit<br />
Das « echte Bonbon » in Frankreich, das alle<br />
kennen und lieben, ist ein Bonbon mit Tradition,<br />
ein « Bonbon mit Geschichte ». So gut wie jeder<br />
kennt die Pastille Vichy: Sie wurde 1825 erfunden,<br />
damit Kurgäste der Stadt Vichy zu Hause die<br />
Wirkung der Kur verlängern können. Neben Zucker<br />
besteht sie aus den Mineralsalzen des Quellwassers,<br />
und sie verkauft sich auch heute trotz ihres<br />
etwas altmodischen Auftritts noch recht gut, vor allem<br />
in Supermärkten und an Autobahntankstellen.<br />
Im Regal der französischen Süßigkeiten, die man<br />
unbedingt kennen sollte, findet man natürlich auch<br />
Carambar, das 1954 kreierte « Kaubonbon, das an<br />
den Zähnen klebt ». Der klassische Carambar-Riegel<br />
besteht aus einer Mischung aus<br />
Karamell und Schokolade, inzwischen existieren<br />
aber auch Varianten ohne Karamell,<br />
dafür mit Fruchtgeschmack. In Marcq-en-<br />
Baroeul, einem Vorort von Lille, werden<br />
täglich immer noch 7 Millionen Carambar<br />
produziert. Ein Merkmal, das mit zur<br />
Berühmtheit von Carambar beigetragen<br />
hat, sind die Witze auf der Innenseite des<br />
Verpackungspapiers. Viele machen sich<br />
einen Spaß daraus, vor dem Verspeisen des<br />
Kaubonbons zuerst Freunden den Witz vorzulesen.<br />
Dies ist in Frankreich so verbreitet,<br />
dass es im alltäglichen Sprachgebrauch sogar<br />
den Ausdruck gibt « einen Carambar-Witz<br />
machen », was ein Synonym für eine Art von<br />
einfachem Pausenhofwitz ist. Weitere französische<br />
Süßigkeiten mit Kultstatus sind der<br />
Kaugummi Malabar, der 1958 erfunden wurde,<br />
das Schokobonbon Mi-Cho-Ko der Marke La Pie qui<br />
Chante, das bereits 1921 in Marseille « das Licht der<br />
Welt erblickte », das fruchtige Kaubonbon Krema<br />
(1923) oder die Schokoladenpraline Rocher Suchard<br />
(1948), die zur Freude mancher Schokoliebhaber<br />
nach wie vor im Werk in Straßburg hergestellt<br />
wird.<br />
Beliebte, aber vernachlässigte Süßigkeiten<br />
Die Franzosen hängen also sehr an ihren<br />
kleinen nationalen Süßigkeiten. Betrachtet man<br />
die Angelegenheit objektiv, stellt man allerdings<br />
fest, dass sie sie lange Jahre nicht sehr beachtet<br />
haben. Fast niemand hat bemerkt, dass<br />
diese Marken ganz allmählich in einen Dornröschenschlaf<br />
gefallen sind. Manche waren<br />
sogar vom Verschwinden bedroht, da sich der<br />
Geschmack veränderte und die internationale<br />
Konkurrenz immer präsenter wurde. Heute<br />
wollen junge Menschen « prickelnd saure »<br />
Fruchtgummis, Bonbons in knalligen Farben<br />
68 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
und originellen Formen, Süßigkeiten,<br />
die an die Helden ihrer Filme,<br />
Serien und Comics erinnern. Das<br />
hat also nichts mehr mit dem Auftritt<br />
einer Vichy-Pastille oder eines<br />
Carambar-Riegels zu tun.<br />
Die Franzosen, ihre politischen Vertreter<br />
eingeschlossen, waren ihren ach so<br />
geliebten Süßigkeiten gegenüber manchmal<br />
sogar richtig undankbar: Im März 2017 wollte ein<br />
Politiker während der Wahlkampagne für Emmanuel<br />
Macron den Wählern der Stadt Toulouse mit einer<br />
süßen Aufmerksamkeit eine Freude machen. Er kaufte<br />
in einem Geschäft für 102,80 € insgesamt 17,8 Kilo<br />
Schaumzucker-Erdbeeren von Haribo und ließ damit<br />
die nationalen Süßwaren einfach links liegen.<br />
Das bekam ihm schlecht. Der – zudem erfahrene<br />
– Politiker versuchte, dies als Ausgabe für die<br />
Wahlkampagne des späteren Präsidenten der<br />
Republik abzurechnen, was von der Commission<br />
Nationale des Comptes de Campagne<br />
(CNCCFP), der Nationalen Kommission für<br />
Wahlkampfabrechnung, abgelehnt wurde …<br />
Diese Anekdote ist nur ein kleines Beispiel dafür,<br />
wie sich die Zukunft der französischen Süßwaren durch<br />
Nichtbeachtung verdüsterte. Es fehlte an vorausschauendem<br />
Denken, an Forschung, an Investitionen, und so<br />
gingen viele französische Marken dieser Branche langsam<br />
zugrunde oder wurden durch ausländische Unternehmen<br />
übernommen. 2010 kaufte beispielsweise der amerikanische<br />
Nahrungsmittelriese Mondelez mehrere legendäre<br />
französische Marken. Erstaunlicherweise nahm davon<br />
niemand Notiz: Malabar und Carambar in amerikanischem<br />
Besitz? Das schien sich in Frankreich nicht herumgesprochen<br />
zu haben. Schließlich waren diese Produkte<br />
im Handel immer noch präsent und schmeckten immer<br />
noch gleich. Worüber sollte man sich da Sorgen machen?<br />
Was Mondelez angeht, so wurde das Unternehmen der<br />
Produkte bald überdrüssig, da sie im Grunde genommen<br />
zu eng mit dem französischen Markt verknüpft waren,<br />
und stellte die Investitionen ein. In den Fabriken produzierten<br />
die Mitarbeiter zwar weiter die Süßigkeiten, doch<br />
niemand glaubte mehr so recht an die Marken. Für das<br />
deutsche Unternehmen Haribo war dies ein « gefundenes<br />
Fressen », denn aufgrund dieser Situation konnte es seinen<br />
Marktanteil auf 40 % ausbauen und die Nummer eins in<br />
dieser Branche im Hexagon werden.<br />
Eine bunte Süßwarenmischung<br />
wieder unter demselben Dach vereint<br />
Obwohl die Zukunft der französischen Süßwaren<br />
also höchst unsicher war, beschloss die Investmentgesellschaft<br />
Eurazeo (die Vermögenswerte im Wert von 15<br />
Milliarden Euro verwaltet) im Mai 2017, die legendären<br />
französischen Marken zu kaufen. Das zu diesem Zweck<br />
neu gegründete Unternehmen<br />
Carambar & Co sollte ihnen wieder<br />
neues Leben einhauchen. Seitdem<br />
sind unter dem Dach von Carambar<br />
& Co 12 Kultmarken – unter anderem<br />
Carambar, Malabar, Suchard, Kaba,<br />
Vichy – zusammengefasst: eine schöne<br />
Mischung der berühmtesten französischen<br />
Süßigkeiten. Vor allem aber<br />
hat Eurazeo dem Unternehmen durch<br />
Investitionen in Höhe von 220 Millionen<br />
Euro bedeutende Mittel an die Hand gegeben:<br />
Genug, um diese Marken aus ihrem<br />
Dornröschenschlaf zu wecken und ihnen<br />
wieder eine neue Dynamik zu verleihen, sie<br />
weiterzuentwickeln. Allein das Marketing-<br />
und Kommunikationsbudget wurde<br />
innerhalb weniger Monate verdreifacht.<br />
Es wurden Forschungszentren gegründet,<br />
um neue Produkte zu<br />
entwickeln, die den heutigen Konsumentenbedürfnissen<br />
entsprechen.<br />
Kurz: Die kleine Welt der französischen<br />
Süßwaren lebt wieder auf!<br />
Ziel: Haribo Kontra bieten und<br />
Marktanteile wegnehmen<br />
Das Unternehmen Carambar & Co hat heute einen<br />
Anteil von 17 % an diesem Markt in Frankreich. Damit<br />
will man sich aber nicht zufriedengeben. Das Ziel ist<br />
klar: investieren, sich mit anderen Herstellern zusammenschließen<br />
– diese im Notfall kaufen – und dem deutschen<br />
Großunternehmen Haribo Kontra bieten, indem man auf<br />
Made in France setzt. Eine ehrgeizige Zielsetzung!<br />
Diesen Herbst hat Carambar & Co darüber informiert,<br />
dass man in Verhandlungen mit Lutti ist, einer Tochtergesellschaft<br />
des deutschen Unternehmens Katjes. Das hat<br />
in der Welt der Süßwaren ein kleines Erdbeben ausgelöst.<br />
Lutti ist in Frankreich die Nummer drei in dieser Branche<br />
und besitzt beispielsweise die Marken Arlequin und<br />
Scoubidou. Die Annäherung dürfte bis Jahresende unter<br />
Dach und Fach sein. Durch die Bündelung der Marktanteile<br />
(17 % von Carambar & Co sowie 12 % von Lutti, also<br />
insgesamt 29 %) würde ein ernstzunehmender Konkurrent<br />
entstehen, der besser in der Lage wäre, Haribo (38,7 %)<br />
die Stirn zu bieten. 2016 hatte Haribo sein berühmtes<br />
Kaubonbon mit Fruchtgeschmack Maoam (d e r B e g r i ff<br />
steht für « Mundet allen ohne Ausnahme ») auf dem französischen<br />
Markt lanciert und damit Carambar den Krieg<br />
erklärt. Das deutsche Unternehmen wollte dadurch seine<br />
Führungsposition im Hexagon ausbauen. Heute geht nun<br />
Carambar & Co in die Offensive. Carambar gegen Haribo:<br />
Die Herausforderung ist riskant. Auf alle Fälle werden<br />
die deutschen und französischen Naschkatzen den Kampf<br />
aufmerksam verfolgen …<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · <strong>69</strong>
FRANKREICH HEUTE Gesellschaft<br />
Der unglaubliche Streit um<br />
« Die großen Leute sind entschieden ganz ungewöhnlich. » Diese Worte legte der Autor des Petit Prince,<br />
Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944), seinem Helden in den Mund. Mehr als 75 Jahre nach der ersten<br />
Veröffentlichung – das Buch erschien 1943 in New York, in Frankreich erst 1946 – könnte die von Saint-<br />
Exupéry erdachte Figur heute dieselben Worte benutzen, wenngleich mit einem ironischen Unterton:<br />
Denn während das Geheimnis um den Tod des Schriftstellers allmählich gelüftet wird, machen die Erben<br />
mit Streitigkeiten vor Gericht von sich reden.<br />
Am 5. April dieses Jahres fällte das französische Kassationsgericht,<br />
die höchste juristische Instanz des Landes, ein Urteil in<br />
der Sache « Saint-Exupéry ». Man sollte lieber sagen: « Eines<br />
mehr …» Dazu muss man wissen, dass sich die Erben des Autors des<br />
Kleinen Prinzen regelmäßig vor Gericht treffen – was vor allem außerhalb<br />
Frankreichs weitgehend unbekannt ist. Seit Jahrzehnten streiten sie<br />
sich dabei mit einer Verbohrtheit und Entschlossenheit, die durch nichts<br />
zu übertreffen ist, sieht man einmal von den Geldbeträgen ab, die auf<br />
dem Spiel stehen …<br />
Zugegebenermaßen geht es nicht gerade um wenig: Der Kleine<br />
Prinz stellt ein verlegerisches Phänomen mit einer globalen Reichweite<br />
dar, wie es nicht viele gibt. Mit mehr als 300 veröffentlichten<br />
Übersetzungen zählt es zu den meistübersetzten Büchern der Welt.<br />
Es scheint sogar, als liege es in diesem Punkt nach der<br />
Bibel auf Platz zwei. Diese Tatsache macht das Werk<br />
zweifellos zu einer Goldmine und generiert beeindruckende<br />
Zahlen: Seit der ersten Auflage wurden auf den<br />
fünf Kontinenten mehr als 145 Millionen Exemplare<br />
abgesetzt. Allein in Frankreich, wo das Buch auf dem<br />
vom Erziehungsministerium erstellten Lehrplan für die<br />
6. Klasse steht, verkaufen sich heute Jahr für Jahr immer<br />
noch 400 000 Exemplare. 2013, anlässlich des 70. Jahrestages<br />
der Ersterscheinung in den Vereinigten Staaten,<br />
präzisierte der glückliche Verleger, der angesehene französische<br />
Verlag Gallimard, gegenüber der französischen<br />
Presseagentur AFP: « Die Zahl bleibt stabil und geht<br />
nicht zurück. » Davon können die meisten Autoren und<br />
Verleger nur träumen, und das ruft natürlich Begehrlichkeiten<br />
hervor …<br />
Um die derzeitige Situation zu verstehen, muss man<br />
zunächst in die Vergangenheit eintauchen: Am 31. Juli<br />
1944 befand sich Kommandant Antoine de Saint-Exupéry<br />
auf einem Aufklärungsflug, um die Landung der Alliierten<br />
in der Provence vorzubereiten, als sein Flugzeug abstürzte. Die<br />
genaue Absturzstelle konnte nicht lokalisiert werden, von Saint-Exupéry<br />
gab es keine Spur. Von diversen Spekulationen über den Ort des<br />
70 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
das Erbe von Saint-Exupéry<br />
Absturzes, der beispielsweise auch in den Alpen vermutet<br />
wurde, war das Mittelmeer eine der bevorzugten.<br />
Trotz zahlreicher Hypothesen blieb diese Angelegenheit<br />
bis 1998 mysteriös. Dann machte jedoch ein Fischer<br />
einen ganz unwahrscheinlichen Fang: Mit seinem Netz<br />
fischte er ein Namensarmband mit der Gravur « Antoine<br />
de Saint-Exupéry » aus dem Mittelmeer. Die Familie des<br />
berühmten Schriftstellers, der nichts von der Existenz<br />
eines solchen Schmuckstückes bekannt war und die daher<br />
dessen Echtheit bezweifelte, veranlasste aufwändige<br />
Recherchen. Diese führten zu dem Ergebnis, dass Saint-<br />
Exupéry das Armband 1942 in New York von seiner Frau<br />
Consuelo erhalten hatte. « Damit wollten sie immer aneinander<br />
denken, denn er hatte ihr im Gegenzug ein Armband<br />
aus Gold geschenkt. Das Schicksal wollte es, dass er<br />
das Armband seiner Frau als Erinnerung bei sich trug, als<br />
er in den Krieg zog », gab Olivier d‘Agay, ein Großneffe von<br />
Saint-Exupéry an. Nach dem Fund dieses Armbands leitete<br />
man Nachforschungen ein, bei denen Teile eines Flugzeugs vom<br />
Typ « Lighting P38 » entdeckt und in der Folge als zum Flugzeug<br />
des Schriftstellers zugehörig identifiziert wurden.<br />
Weitere Forschungen ergaben, dass das Flugzeug von<br />
Saint-Exupéry offensichtlich von der deutschen Luftwaffe<br />
abgeschossen worden war. In einem 2008 veröffentlichten<br />
Buch (Saint Exupéry, l’ultime secret, Jacques Pradel und Luc<br />
Vanrell, Éditions du Rocher) erzählt Horst Rippert, wie er<br />
als Pilot einer Messerschmitt am 31. Juli 1944 gegen 14.30<br />
Uhr zwischen Toulon und Marseille das Flugzeug von Saint-<br />
Exupéry entdeckte und abschoss, natürlich ohne die Identität<br />
des Piloten zu kennen. « Hätte ich es gewusst, hätte ich niemals<br />
geschossen », gibt er an. Als er erfuhr, wer am Steuerknüppel des<br />
abgeschossenen Flugzeugs saß, habe er zu sich gesagt: « Welch eine<br />
Katastrophe! Was hast du da getan! » Er versucht, es zu erklären:<br />
« Aber ich habe ihn nicht gesehen. Ich habe nicht auf einen Menschen<br />
gezielt, den ich kannte. Ich habe auf ein feindliches Flugzeug<br />
geschossen, das abgestürzt ist, das ist alles … »<br />
Es scheint also, dass Saint-Exupéry mit seinem Flugzeug ins<br />
Meer stürzte und dabei ums Leben kam. Ein vor Kurzem erschienenes<br />
Buch (Saint-Exupéry, révélations sur sa disparition, Éditions<br />
Vtopo) hinterfragt allerdings die genauen Todesumstände. Überraschenderweise<br />
geben diese Enthüllungen zur Vermutung Anlass,<br />
dass der Schriftsteller das Unglück überlebt haben könnte.<br />
Das Gemeinschaftswerk von François d’Agay, Bruno Faurite –<br />
ein Nahestehender der Familie von Saint-Exupéry – sowie den<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 71
FRANKREICH HEUTE Gesellschaft<br />
Unterwasserarchäologen Lino von Gartzen und Luc Vanrell präsentiert<br />
vor allem die Aussage der Tochter eines deutschen Soldaten namens<br />
Karl Böhm. Dieser war damals auf einem Rettungsschiff der Luftwaffe<br />
im Mittelmeer unterwegs. Er hatte seiner Tochter von der Rettung<br />
eines schwerverletzten französischen Piloten erzählt, der gesagt haben<br />
soll, er sei ein berühmter Schriftsteller. Nach Aussage von Karl Böhm<br />
soll der Pilot zum Verhör auf einen Flugplatz nach Saint-Martin-de-<br />
Crau gebracht worden und dort seinen Verletzungen erlegen sein. Oder<br />
den Folgen einer zu « handfesten » Befragung … Die Umstände sind<br />
also nach wie vor noch nicht genau bekannt …<br />
Eines ist dagegen sicher: Antoine de Saint-Exupéry<br />
hatte bei seinem Tod im Jahr 1944 keine Kinder.<br />
Das Erbe – die Erlöse aus den Eigentumsrechten<br />
seiner Bücher – wurde demnach auf die Familienmitglieder<br />
und seine Witwe, Consuelo de Saint-Exupéry,<br />
aufgeteilt. Das Urheberpersönlichkeitsrecht<br />
für das Werk des Schriftstellers – also das Recht<br />
darüber zu entscheiden, was mit dem Werk gemacht<br />
werden darf – fiel dagegen ausschließlich den Blutsverwandten<br />
zu. Consuelo akzeptierte dies nicht und<br />
beging einen schwerwiegenden Fehler: Sie erstellte<br />
falsche Dokumente, laut denen sie ebenfalls einen<br />
Teil der Urheberpersönlichkeitsrechte erhielt. Die<br />
Witwe wurde jedoch entlarvt und musste nun den<br />
ursprünglichen – für sie trotz allem vorteilhaften –<br />
Kompromiss akzeptieren, den ihr die Mutter von<br />
Saint-Exupéry – im Bestreben, einen Skandal zu<br />
vermeiden – anbot: Die Witwe erhielt 50 % der<br />
Eigentumsrechte, die restlichen 50 % gingen an<br />
die blutsverwandten Erben (die Mutter<br />
und die beiden noch lebenden<br />
Schwestern). Das Urheberpersönlichkeitsrecht<br />
blieb wie vorgesehen<br />
der Familie vorbehalten, und Consuelo<br />
hatte demnach kein Recht,<br />
über die Verwendung des Werks zu<br />
entscheiden. Die diesbezügliche Vereinbarung<br />
wurde am 29. Mai 1947<br />
unterzeichnet.<br />
1979, nach dem Tod von Consuelo,<br />
wurde José Martínez Fructuoso,<br />
der Mann ihres Vertrauens – zunächst<br />
ihr Gärtner, dann ihr Sekretär<br />
und vielleicht ihre letzte Liebe – ihr<br />
Alleinerbe. Er erhielt die zahlreichen<br />
Notizen, Briefe, Papiere und Manuskripte<br />
von Saint-Exupéry, die sich im<br />
Besitz der Witwe befanden, sowie die<br />
Hälfte der Urheberrechte. Doch nach<br />
wie vor war nur die « Blutsverwandtschaft<br />
», die heute in der Erbengemeinschaft<br />
Succession Antoine de Saint-Exupéry-d’Agay zusammengefasst<br />
ist, berechtigt, neue Nutzungen<br />
72 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
des Werks von Saint-Exupéry sowie daraus abgeleitete Merchandisingprodukte zu<br />
genehmigen oder auch nicht.<br />
Die Beziehungen zwischen den beiden Lagern waren schnell angespannt. Anlässlich<br />
einer in der Pariser Bibliothèque nationale de France (BNF) organisierten Ausstellung<br />
wurde ein Katalog veröffentlicht, in dem unterschwellig angedeutet wurde,<br />
Consuelo sei eine Art « Irrtum » im Leben Saint-Exupérys gewesen. Es ist nachvollziehbar,<br />
dass dies José Martínez Fructuoso sehr verletzte. 2005 publizierte dieser auf<br />
der Basis des geerbten Materials ein Buch mit bis dato unveröffentlichten Briefen<br />
von Saint-Exupéry an Consuelo (Antoine et Consuelo de Saint-Exupéry, un amour de<br />
légende, Éditions Les Arènes). Er kümmerte sich nicht darum, dafür die Erlaubnis<br />
von der Erbengemeinschaft Succession Antoine de Saint-Exupéry-d’Agay einzuholen.<br />
Damit begann eine lange Serie von Familienstreitigkeiten. Die « blutsverwandten »<br />
Erben gingen vor Gericht und erwirkten die Verurteilung des Verlages Les Arènes zu<br />
einer Geldstrafe von 68 500 Euro wegen Verstoß gegen das Urheberpersönlichkeitsrecht.<br />
In der Folge begann die Erbengemeinschaft damit, « moderne » Nutzungen des<br />
Werks von Saint-Exupéry zu entwickeln und an die neuzeitlichen Anforderungen<br />
« des Marktes » anzupassen. So wurden zahlreiche Handelsgesellschaften gegründet,<br />
Merchandisingprodukte kreiert und audiovisuelle Bearbeitungen des Petit Prince<br />
lanciert. Dies alles verschärfte die Auseinandersetzungen zwischen den Erben, die<br />
sich bereits 20 Jahre lang unaufhörlich um die Rechte aus der Nutzung des Werkes<br />
von Saint-Exupéry stritten. Eine gerichtliche Auseinandersetzung folgte auf die<br />
andere, die Entscheidungen fielen einmal zugunsten der einen Seite, das nächste<br />
Mal zugunsten der anderen Seite aus. Bis vor Kurzem nun das Kassationsgericht auf<br />
höchster Ebene ein Urteil fällte, das die Vereinbarung aus dem Jahr 1947 bestätigt:<br />
Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist in der Tat auf die « blutsverwandten Erben »<br />
beschränkt.<br />
Eines ist sicher: Die Summen, die auf dem Spiel stehen, sind erheblich. Die genaue<br />
Höhe ist jedoch ein gut gehütetes Geheimnis. Der französische Herausgeber<br />
des Petit Prince, der Verlag Gallimard, hat zwar den Auftrag, die Vergütungen für<br />
die Rechte einzuziehen, die im Ausland für die zahlreichen Übersetzungen anfallen,<br />
und diese zu gleichen Teilen an die Erben auszuzahlen, doch dies läuft mit<br />
höchster Diskrektion ab, und es werden keinerlei Zahlen veröffentlicht. Aus dem<br />
« Lager » Martínez hört man, dass dort pro Jahr « rund 150 000 Euro von Gallimard<br />
und zwischen 30 000 und 100 000 Euro aus Merchandisingprodukten » eingehen.<br />
Schätzungen zufolge soll die Nutzung der Figur des Kleinen Prinzen rund « drei<br />
Millionen Euro pro Jahr » einbringen. Eine Information, die sich allerdings nicht<br />
überprüfen lässt.<br />
Allerdings ist verständlich, warum sich die gerichtlichen Auseinandersetzungen<br />
und die Streitigkeiten zwischen den beiden Lagern in den letzten Jahren häuften:<br />
Was die Einnahmen aus den Rechten am Werk von Saint-Exupéry angeht, so läuft<br />
der Countdown. In vielen Ländern erlosch bereits 2015 das Urheberrecht und das<br />
Werk wurde Gemeingut. In Frankreich wird dies zwar erst 2032 der Fall sein, dennoch<br />
war es höchste Zeit, alles daranzusetzen, Nutzungsrechte für sich zu beanspruchen<br />
beziehungsweise bereits erworbene Rechte zu bewahren. Die Ansprüche<br />
aus dem geistigen Eigentum werden sich dann nämlich deutlich reduzieren. Das<br />
Urheberpersönlichkeitsrecht kann dagegen immer geltend gemacht werden. Die<br />
Inhaber, also die « blutsverwandten Erben » haben demnach bei der Nutzung des<br />
Werks von Saint-Exupéry immer ein Wörtchen mitzureden und können beispielsweise<br />
für die Prüfung derartiger Nutzungsanfragen eine Vergütung verlangen. Eine<br />
Situation also, die zweifellos bei den Erben des Urheberpersönlichkeitsrechts weitere<br />
Begehrlichkeiten wecken könnte … Die großen Leute sind entschieden ganz<br />
ungewöhnlich …<br />
Die 4. Auflage der Kalender-Reihe<br />
„Bretagne“ der<br />
Sächsisch-Bretonischen<br />
Gesellschaft zeigt für das<br />
kommende Jahr 13 Fotos<br />
bretonischer Gärten des<br />
Fotografen Michel Ogier<br />
aus Rennes.<br />
A3-Hochformat: 42 x 30<br />
cm, Spiralbindung mit Aufhänger,<br />
14 Blatt auf Bilderdruckpapier,<br />
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© <strong>2018</strong><br />
Sächsisch-<br />
Bretonische<br />
Gesellschaft<br />
e.V. in Kooperation<br />
mit<br />
der Weltbuch<br />
Verlag GmbH,<br />
Dresden/<br />
Sargans<br />
S Ä C H S I S C H<br />
BRETONISCHE<br />
GESELLSCHAFT<br />
weltbuch<br />
verlag
FRANKREICH HEUTE Quand on aime la France …
Serie: Quand on aime la France (2)<br />
René Martin ist einer der berühmtesten Organisatoren und künstlerischen Leiter von Musikfestivals<br />
weltweit. Der heute 68-jährige Franzose mit internationalem Renommee hat sich bereits als<br />
Jugendlicher musikalisch betätigt: Er gründete zunächst eine Rockgruppe, wandte sich dann dem<br />
Jazz und schließlich der klassischen Musik zu. Mit seinem kleinen Team in Nantes organisiert er pro<br />
Jahr mehr als 1600 Konzerte auf der ganzen Welt. Von ihm stammt das Konzept für das Klassikfestival<br />
La Folle Journée in Nantes, das 1995 zum ersten Mal stattfand und mittlerweile sogar in Brasilien,<br />
Polen, Russland und Japan umgesetzt wird. In Frankreich erleben haben wir bereits über zwei<br />
Veranstaltungen berichtet, hinter denen René Martin steht: die Festivals in der Grange de Meslay<br />
(Ausgabe <strong>Nr</strong>. 60) und in La Roque d‘Anthéron (Ausgabe <strong>Nr</strong>. 67).<br />
René Martin, Sie organisieren heute mehr als 1600 Konzerte<br />
pro Jahr auf der ganzen Welt. Das ist eine beträchtliche Zahl,<br />
die Sie unbestritten zu einem der wichtigsten Organisatoren<br />
im musikalischen Bereich macht. Das bekannteste Musikfestival<br />
ist vermutlich La Folle Journée, das Sie 1995 in Nantes<br />
lancierten. Wie entstand diese Idee?<br />
Selbst wenn es Sie im Zusammenhang mit einem<br />
Klassikfestival vielleicht erstaunen mag, aber die Idee<br />
kam mir beim Besuch eines Konzertes von U2 im Stadion<br />
von Nantes. Als ich dort die 35 000 jungen Menschen<br />
versammelt sah, die – fast alle im Stehen – begeistert der<br />
Rockmusik zuhörten, dachte ich mir, dass man vielleicht<br />
das Image von Klassikkonzerten etwas verändern sollte,<br />
dass diese ebenfalls durch mehr Dynamik und Begeisterung<br />
geprägt sein sollten. Ich wollte etwas machen, das<br />
die Menschen anspricht, das sie verstehen, etwas Heiteres.<br />
Die Idee des Festivals La Folle Journée besteht<br />
darin, eine große Anzahl an Konzerten an verschiedenen<br />
Orten der Stadt zu organisieren. Um<br />
die Annäherung an die klassische Musik zu<br />
erleichtern, dauert jedes aber nur 45 Minuten.<br />
Die Besucher können ihren eigenen<br />
Musikparcours zusammenstellen<br />
oder sich einfach treiben lassen.<br />
Es ist wie ein musikalischer<br />
Strudel,<br />
der sich in der ganzen Stadt ausbreitet. Tatsächlich hat das<br />
Festival niemals nur einen Tag gedauert, bereits bei der<br />
ersten Auflage war es ein Wochenende.<br />
Auf jeden Fall kann man sagen, dass das Konzept ankam …<br />
Ja, bereits im ersten Jahr hat La Folle Journée regelrechte<br />
Begeisterung ausgelöst. Es wurden 24 000 Eintrittskarten<br />
verkauft, seitdem steigt die Zahl stetig an.<br />
Im Durchschnitt finden heute bei diesem Festival 250<br />
Konzerte statt, an denen 1500 Künstler aus der ganzen<br />
Welt beteiligt sind, und wir verkaufen 140 000 Tickets.<br />
Zugegebenermaßen steckt hinter dem Festival schon ein<br />
bisschen Wahnsinn.<br />
Frankreich hat eine besondere Beziehung zu Festivals: Es gibt<br />
ausgesprochen viele davon …<br />
Das ist nicht von der Hand zu weisen. In Frankreich<br />
kreiert jedes kleine Dorf, das einen eigenen Charme, eine<br />
historische Besonderheit und eine andere interessante<br />
touristische Attraktivität zu bieten hat, sein Festival. Das<br />
ist wirklich ein charakteristischer Zug, den ich in dieser<br />
Ausprägung aus Italien, Portugal, Spanien und selbst aus<br />
Deutschland nicht kenne. Im Hexagon begann die Entwicklung<br />
mit einigen großen Veranstaltungen – denken<br />
Sie an das Theaterfestival in Avignon oder das Klassikfestival<br />
in La Roque d‘Anthéron –, die die Menschen für<br />
sich eingenommen haben. Ihr Erfolg hat dann Bürgermeister<br />
und Akteure im Kulturbereich dazu animiert,<br />
andere Festivals ins Leben zu rufen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 75
FRANKREICH HEUTE Quand on aime la France …<br />
Woher kommt Ihrer Meinung nach diese französische Vorliebe<br />
dafür, Festivals zu organisieren?<br />
In Frankreich herrschen in dieser Beziehung echte<br />
Unternehmungslust und Risikofreude. Vor allem aber ist<br />
die Resonanz beim Publikum<br />
gut. Die Franzosen sind begeistert,<br />
wenn man in ihrem Dorf,<br />
in ihrer Stadt etwas organisiert,<br />
und unterstützen solche Veranstaltungen.<br />
Sie sind bereit,<br />
sich darauf einzulassen, selbst<br />
wenn sie ein Thema nicht kennen.<br />
Wenn in ihrer Nähe etwas<br />
organisiert wird, dann sind sie<br />
neugierig und kommen. Wenn<br />
es Ihnen als Veranstalter gelingt,<br />
sie einzubeziehen, dann<br />
stoßen Sie selbst in den entlegensten<br />
ländlichen Gebieten<br />
bei den Menschen auf Interesse.<br />
Allerdings dürfen Sie nicht überheblich auftreten.<br />
Es ist erstaunlich und oft berührend zu sehen, welches<br />
Ausmaß dies manchmal annehmen kann. Würde man alle<br />
Besucher zusammenzählen, die pro Jahr die französischen<br />
Festivals besuchen, dann käme eine enorme Zahl heraus,<br />
davon bin ich überzeugt. Allein das Festival in La Roque<br />
d‘Anthéron, das in einem kleinen provenzalischen Dorf<br />
stattfindet und ganz spezifisch der Klaviermusik gewidmet<br />
ist, zieht jedes Jahr 80 000 Menschen an.<br />
Bedeutet dies, dass die Festivals in Frankreich Neulingen gegenüber<br />
offener sind?<br />
Das ist eine sehr interessante Frage. Für einen Programmgestalter<br />
ist sie sogar ein zentraler Punkt. Ich stelle<br />
sie mir sehr oft, vor allem bei Reisen ins Ausland. In<br />
Deutschland beispielsweise gibt es zahlreiche Musikfestivals,<br />
die zudem qualitativ sehr hoch angesiedelt sind. Doch<br />
jedes Mal stelle ich fest, dass das Publikum zum Großteil<br />
aus regelmäßigen Festivalbesuchern, teilweise sogar aus<br />
Insidern besteht. Das künstlerische Niveau in Deutschland<br />
ist außergewöhnlich. Das musikalische Leben in<br />
Städten wie Köln, München oder Berlin ist sehr vielfältig<br />
und das Publikum zeigt sich präsent. Aber das Publikum<br />
der diversen Veranstaltungen besteht aus Kennern, die<br />
sich nur selten untereinander mischen: Man hört entweder<br />
regelmäßig Jazz oder Klassik oder Weltmusik, bleibt<br />
aber in der Regel bei seinem Lieblingsgenre. In Frankreich<br />
ist das anders. Jemand, der ein Jazzfestival besucht,<br />
hat oft auch Lust einen anderen Musikstil zu hören. Vor<br />
allem lässt er sich mitreißen. In gewisser Weise erscheint<br />
mir das Publikum in Frankreich anpassungsfähiger. Und<br />
das beginnt schon in jungen Jahren: Wenn ich mit einem<br />
Publikum in der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren arbeite,<br />
stelle ich oft fest, dass diese jungen Menschen zwar in<br />
der Regel einen ganz bestimmten Musikstil bevorzugen,<br />
es aber meist akzeptieren, wenn ich ihnen etwas ganz anderes<br />
vorschlage. Sie sind offen. Es gibt in Frankreich eine<br />
Neugierde, die vielleicht etwas anders ausgerichtet ist. Auf<br />
jeden Fall aber gibt es eine ausgeprägte Lust auf musikalische<br />
Entdeckungen – vielleicht<br />
sogar auf Abenteuer.<br />
Sind die Vorstellungen von der<br />
Rolle eines Konzert- und Festivalveranstalters<br />
in Frankreich<br />
und Deutschland unterschiedlich?<br />
Vermutlich. Selbstverständlich<br />
arbeite ich viel mit<br />
klassischen Musikensembles<br />
aus Deutschland. Das Land ist<br />
eine unumgängliche Referenz<br />
in diesem Bereich. Erst kürzlich<br />
war ich mit einem Verantwortlichen<br />
der Münchner<br />
Philharmoniker in Japan. Wir haben uns unter anderem<br />
über diesen Punkt unterhalten, und dabei wurde klar, dass<br />
seine Probleme in einem ganz anderen Bereich liegen als<br />
meine: Er hat ein sehr treues Publikum, und um sich diese<br />
Treue zu erhalten, muss er oft dieselbe Linie verfolgen.<br />
Anscheinend ist es für ihn schwierig, dieses Publikum<br />
in eine andere Richtung zu bewegen. Ich dagegen habe<br />
das Gefühl, dass ich mit « meinem » Publikum alles riskieren<br />
kann. Das Publikum vertraut mir nicht nur, sondern<br />
erwartet geradezu, dass ich es etwas aufrüttele, ihm<br />
Türen öffne, ihm ein musikalisches Abenteuer biete. In<br />
Deutschland ist das anders.<br />
Das deutsche Publikum ist demnach traditioneller oder es<br />
möchte auf jeden Fall die eingefahrenen Gleise nicht verlassen?<br />
Sehr wahrscheinlich ist das deutsche Publikum weniger<br />
anpassungsfähig als das französische. Ich glaube<br />
aber, dass das nicht nur eine Frage der Zuhörerschaft<br />
ist. Die großen Konzertveranstalter wagen es vielleicht<br />
einfach gar nicht, eine neue Richtung vorzuschlagen.<br />
Was die zeitgenössische Musik angeht, da bewegt sich<br />
natürlich in Deutschland vieles auf sehr hohem Niveau.<br />
Aber der Gedanke, ein neues Publikum anzusprechen, ist<br />
nicht sehr verbreitet. Die Besucher dieser Konzerte und<br />
Veranstaltungen sind Menschen, die man bereits erobert<br />
hat. In Frankreich versucht man dagegen – und das ist<br />
meine größte Herausforderung – Verbindungen zwischen<br />
den verschiedenen Zielgruppen zu finden: Die Zuhörer,<br />
die zeitgenössische Musik bevorzugen, könnten sich vielleicht<br />
auch für Klassik interessieren. Man darf nicht davor<br />
zurückschrecken, den Menschen musikalische Abenteuer<br />
anzubieten, die sie sich zunächst vielleicht nicht einmal<br />
vorstellen können. Dies ist für mich ein ständiger Antrieb.<br />
76 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Ist diese Art von « Querdenken » eine französische Eigenart?<br />
(Lacht) Vermutlich schon ein bisschen. In Frankreich<br />
haben wir zugegebenermaßen eine manchmal etwas verrückte,<br />
abenteuerliche Seite, selbst wenn wir gelegentlich<br />
im ersten Augenblick nicht wissen, wohin die Reise geht.<br />
Die Japaner sagen mir oft, der französische Esprit sei der<br />
Wagemut. Im Übrigen ist es genau das, was ich in Japan,<br />
in diesem hyperorganisierten Land, umsetze. Und man<br />
lässt mich machen, weil ich Franzose bin und weil die Japaner<br />
dieses « Abenteuer à la française » lieben. Sie wissen,<br />
dass wir sie aus ihrem gewohnten Trott herausreißen, und<br />
bringen mir volles Vertrauen entgegen. Aber um dieses<br />
Konzept des musikalischen Abenteuers zu verstehen,<br />
braucht es Zeit.<br />
Arbeiten Sie gerne mit Deutschen zusammen?<br />
Ja unwahrscheinlich gern. Ich liebe es, mit Deutschen<br />
zu arbeiten, und ich lerne viel von ihnen. Sie haben, das<br />
ist nicht zu leugnen, eine Disziplin in ihrer Arbeit und<br />
in Verhandlungen, die wir in Frankreich nicht oder nur<br />
in viel geringerem Ausmaß haben. Ist man mit Deutschen<br />
einmal zu einer Entscheidung gekommen, dann<br />
gibt es daran nichts mehr zu rütteln. Diese Arbeitsweise<br />
ist effizient und das Ergebnis außergewöhnlich. Ich mag<br />
diese Disziplin und diese Organisation. Vielleicht habe<br />
ich ja einen kleinen deutschen<br />
Zug in mir. Gleichzeitig besitze<br />
ich aber die französische<br />
Erfindungsgabe, die meine<br />
deutschen Kollegen anscheinend<br />
suchen; offensichtlich ist<br />
dies bei der Organisation von<br />
Festivals sehr hilfreich. Genau<br />
darin liegt das Interesse der<br />
Zusammenarbeit: Die Komplementarität<br />
ist ideal.<br />
Und wenn Sie vorschlagen würden,<br />
ein Pendant zu La Folle<br />
Journée in Berlin zu organisieren?<br />
Darum bittet man mich regelmäßig. Aber ich glaube<br />
nicht, dass dies sinnvoll wäre. Eine Veranstaltung wie La<br />
Folle Journée muss den Menschen etwas Neues bringen.<br />
Wenn ich die musikalischen Möglichkeiten in Berlin<br />
sehe, die Qualität und die Vielfalt an Konzerten, Opern,<br />
Orchestern, Chören usw., sage ich mir, dass es keinen<br />
Grund gibt, dort ein solches Festival zu organisieren. Dort<br />
gibt es bereits alles. Das brächte keine neuen Eindrücke,<br />
das wäre reines Marketing.<br />
Kommen wir zurück auf Frankreich. Man kennt das Land<br />
und seine sehr zentralistische Organisation von Paris aus. Der<br />
Erfolg der zahlreichen Festivals im ganzen Land beweist, dass<br />
die Provinz durchaus ihren Platz in der französischen Kulturlandschaft<br />
hat. Was meinen Sie dazu?<br />
Ich mag den ländlichen Raum in Frankreich, denn er<br />
ist eine sehr authentische Welt. Die Verhältnisse in Paris<br />
sind vollkommen anders. Sie sind meist intellektueller,<br />
werden oft überschätzt. Wenn man dagegen durch ländliche<br />
Gebiete reist, stellt man fest, dass die Lust auf Kultur<br />
omnipräsent ist. Ich würde sogar sagen, dass die Kultur<br />
überall in Frankreich auch eine politische Seite hat: Selbst<br />
im hintersten Winkel eines entlegenen Dorfes stuft man<br />
sie von offizieller Seite als wesentlich ein. Spricht man mit<br />
einem beliebigen politischen Vertreter eines beliebigen<br />
kleinen Dorfes über musikalische Animation in einem<br />
Kindergarten, einer Grundschule, einem Gymnasium,<br />
stößt man unmittelbar auf Interesse. Er sagt nicht als<br />
Erstes, dass er sich da nicht auskenne, dass er kein Geld<br />
habe oder dass dies nicht seine Priorität sei. Er zeigt sich<br />
neugierig und möchte mehr erfahren. Das bedeutet nicht,<br />
dass er nicht auch zurückhaltend sein kann, dass er nicht<br />
zögert – was durchaus gerechtfertigt ist –, aber er hat auf<br />
jeden Fall ein offenes Ohr, lässt sich darauf ein, sich über<br />
eine Welt Gedanken zu machen, die nicht zwangsläufig<br />
die seine ist. Was den Bereich der Musik angeht, so glaube<br />
ich, dass die Vielfalt kleiner Musikstrukturen, die es<br />
in allen Städten und vielen Dörfern gibt, einen großen<br />
Anteil daran hat. In Frankreich gibt es überall Musikschulen,<br />
seien es manchmal nur<br />
ganz kleine, meist muss man<br />
nur ein paar Kilometer fahren.<br />
Genauso ist es bei den Chören:<br />
In einem einzigen Dorf kann<br />
es sogar mehrere geben. Das<br />
ist wirklich auffallend. Meiner<br />
Meinung nach ist das eine echte<br />
französische Besonderheit.<br />
Was ist der Antrieb dafür? Neugier?<br />
Vermutlich. Ich glaube, dass<br />
jeder von uns eine bestimmte<br />
Neigung zur Kunst, zur Musik hat. Das Problem liegt<br />
darin, dass man sich darüber oft nicht bewusst ist und<br />
sie daher nicht pflegt. Um die Fähigkeit zu haben, sich<br />
anderen gegenüber, der Welt gegenüber zu öffnen, bedarf<br />
es manchmal nur einer kleinen Tür, die – egal auf welche<br />
Weise – geöffnet wird: Das kann bei einer Diskussion mit<br />
Freunden, beim Besuch eines Konzertes oder Festivals<br />
sein. Und wenn ich als Konzert- und Festivalveranstalter<br />
dazu beitragen kann, diese Tür bei anderen zu öffnen,<br />
umso besser. Dann bin ich der glücklichste Mensch auf<br />
Erden.<br />
Zur Information: Die nächste Ausgabe des Festivals La Folle Journée de Nantes<br />
findet vom 30. Januar bis 3. Februar <strong>2019</strong> statt (siehe Kulturprogramm).<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 77
ART DE VIVRE Genuss<br />
Der Rolls-Royce<br />
unter den französischen<br />
Muscheln:<br />
Vielleicht sind Ihnen an der französischen Atlantikküste<br />
oder am Ärmelkanal bei Ebbe bereits einmal lange<br />
Reihen mit Pfählen aufgefallen, die in den Sand gerammt<br />
sind. Sie sind geometrisch exakt ausgerichtet und geben daher<br />
schöne grafische Fotomotive ab. Diese Pfähle werden Bouchots<br />
genannt und dienen als Zuchtbänke für die berühmten « Bouchot-<br />
Muscheln », die in Deutschland auch Pfahlmuscheln genannt werden und<br />
zu den besten Muscheln Frankreichs zählen. Da wir wissen wollten, warum<br />
das so ist, haben wir einen Produzenten dieser Muscheln in Bricqueville-sur-Mer<br />
in der Normandie besucht.<br />
78 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 79
ART DE VIVRE Genuss<br />
Sylvain Legourgeois ist pünktlich. Das hat seinen<br />
Grund: Der Zeitplan des Muschelzüchters in Bricqueville-sur-Mer<br />
(Departement Manche), ca. 12 Kilometer<br />
nördlich von Granville, wird durch die Gezeiten<br />
bestimmt. Wenn Sie sich mit ihm um 13.45 Uhr verabreden,<br />
dann sollten Sie auch um 13.45 Uhr da sein und nicht um<br />
14.00 Uhr. Im Laufe des Gesprächs wird uns schnell klar,<br />
warum Pünktlichkeit in seinem Beruf äußerst wichtig ist …<br />
Einige Dutzend Kilometer weiter südlich, in der<br />
Bucht des Mont-Saint-Michel, sagt man landläufig, dass<br />
« die Flut so schnell steigt, wie ein Pferd im Galopp ».<br />
Diese poetischen Worte sollen angeblich von Victor Hugo<br />
(1802-1885) stammen, vielleicht aber auch von Théophile<br />
Gautier (1811-1872), einem anderen französischen<br />
Schriftsteller, man ist sich da nicht mehr so sicher … Auf<br />
jeden Fall steigt die Tide in dieser Region sehr schnell:<br />
Die Geschwindigkeit der Flut in der Bucht des Mont-<br />
Saint-Michel wird mit durchschnittlich 3,6 km/h, also<br />
1 m/s, angegeben. Lässt man den Vergleich mit dem<br />
galoppierenden Pferd beiseite, dann ist dies immerhin<br />
die Gehgeschwindigkeit des Menschen. Und bei außergewöhnlichen<br />
Fluten kann sich dieser Wert sogar auf bis zu<br />
6,1 km/h erhöhen!<br />
Wenn Sie also mit Sylvain Legourgeois verabredet<br />
sind, um mit ihm seine Muschelzucht zu besuchen, sollten<br />
Sie pünktlich und mit dichten, ausreichend hohen Stiefeln,<br />
am besten sogar mit Anglerstiefeln, ausgerüstet sein.<br />
Wir treffen ihn an seinem Haus in Bricqueville-sur-Mer,<br />
und schon geht es mit dem Schlepper los in Richtung<br />
des ein paar Kilometer entfernten Strandes, an dem zurzeit<br />
Ebbe herrscht. Es ist der einzige Zeitpunkt, an dem<br />
Sylvain einige Stunden lang Zugang zu seinem gesamten<br />
Zuchtbetrieb hat.<br />
Am Ziel angekommen bietet sich uns ein bewegtes<br />
Bild: Dafür sorgen zunächst die Angler, die an diesem<br />
mehrere Dutzend Kilometer langen Strand bei Ebbe – oft<br />
mit der ganzen Familie – Venusmuscheln, Strandschnecken,<br />
Taschenkrebse, Meeresspinnen und andere Schalentiere<br />
fangen. Offensichtlich ist der Ort dafür sehr beliebt.<br />
Für die Bewegung sorgt vor allem aber das schnelle<br />
Hin und Her der Kollegen von Sylvain. Die anderen<br />
Muschelzüchter nutzen wie er die Zeit,<br />
die das Meer ihnen lässt, um zu ihren<br />
Zuchtbänken zu gelangen. Daher konzentrieren<br />
sich alle auf ihre Arbeit und<br />
« sausen » so schnell es geht in Richtung<br />
ihrer Muschelgärten.<br />
Während wir uns dem Meer und damit<br />
den unzähligen « Alleen » aus Holzpfählen<br />
nähern, erklärt uns Sylvain, dass der Strand Eigentum<br />
des Staates ist. Dieser vermietet den Muschelzüchtern<br />
einen Teil davon und erlaubt ihnen,<br />
Holzpfähle – genannt Bouchots –, die allerdings den<br />
Züchtern gehören, in den Boden zu rammen. « Mir gehören<br />
Bouchots in einer Gesamtlänge von ungefähr drei Kilometern,<br />
aufgeteilt in 100 Meter lange Reihen<br />
mit je 125 Pfählen », erläutert er uns. In der<br />
Ferne kann man bereits einen gewaltigen<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
ART DE VIVRE Genuss<br />
« Pfahlwald » sehen. « Sie sind fast alle aus Pyrenäeneiche,<br />
einer Eichenart, die in der Charente wächst. Diese Pfähle<br />
halten mit sechs bis sieben Jahren nicht so lange wie die,<br />
die man aus brasilianischer Eiche herstellt und die rund<br />
zwanzig Jahre halten. Aber mir erscheint es wichtig, mit<br />
lokalem Holz zu arbeiten. » Sieh mal einer an, Sylvain hat<br />
also eine ökologische Seite … Genaugenommen zweifelten<br />
wir daran bei jemandem, der in so enger Verbindung<br />
mit der Natur arbeitet, auch gar nicht. Doch der erste Eindruck<br />
mit all diesen Schleppern, die sich mit dröhnenden<br />
Motoren dem Meer nähern, hat uns zugegebenermaßen<br />
etwas enttäuscht …<br />
Als wir Sylvain dies sagen, muss er lächeln: « Was<br />
haben Sie erwartet? Pferdewagen? Die gab es vielleicht<br />
zu Zeiten meines Großvaters …, wenn überhaupt. Zum<br />
großen Glück arbeiten wir heute mit Schleppern. Stellen<br />
Sie sich vor, dass wir alleine im Departement Manche pro<br />
Jahr knapp 17 000 Tonnen produzieren. Sie müssen doch<br />
zugeben, dass dies mit Pferden etwas schwierig wäre … »<br />
Da hat Sylvain natürlich recht. Im Übrigen spricht bereits<br />
die Zeit, die wir benötigt haben, um am Strand entlang<br />
bis zu seinen ersten Bouchots zu fahren, für den Schlepper.<br />
Es sind mindestens 1,5 Kilometer, und zu Fuß oder<br />
mit dem Pferd bräuchte man viel länger, somit<br />
bliebe wertvolle Zeit « auf der Strecke<br />
». Da das Zeitfenster durch<br />
Ebbe und Flut sowieso knapp<br />
bemessen ist, ginge dies sehr<br />
zulasten der eigentlichen Arbeit<br />
mit den Muscheln.<br />
Als wir an seinen<br />
ersten Pfählen<br />
a n k o m m e n ,<br />
zeigt mir<br />
Sylvain, wo sich sein « Lager » befindet: « Auf den dem<br />
Ufer nächstgelegenen Pfählen, die bei Flut die kürzeste<br />
Zeit unter Wasser sind, installiere ich einen Behälter.<br />
Dort lagere ich geerntete Muscheln, die ich nicht sofort<br />
benötige. » In der Tat sind die Behälter, die oben auf den<br />
Pfählen befestigt sind, mit Muscheln gefüllt: Es ist fast<br />
eine Art «Muscheltresor».<br />
Sylvain hält den Schlepper an. « Im Moment können<br />
wir noch nicht weiterfahren, anscheinend haben wir einige<br />
Minuten Vorsprung vor der Ebbe. Wir müssen also noch<br />
etwas warten, sonst wird der Schlepper überschwemmt. »<br />
Die Pfähle am Ende der Reihe schauen gerade mal aus<br />
dem Wasser, die vorderen werden jedoch in Kürze erreichbar<br />
sein. Wir nutzen diese kleine Pause, um auf die<br />
Besonderheit der Bouchot-Muscheln zurückzukommen.<br />
Im Prinzip handelt es sich nicht um eine besondere Muschelart,<br />
denn Bouchot-Muscheln können aus zwei Arten<br />
gezüchtet werden: Mytilus edulis und Mytilus galloprovincialis.<br />
Was sie so besonders macht, ist die Zuchtmethode<br />
an Holzpfählen, den Bouchots. Dank dieser Technik<br />
ist sichergestellt, dass sie keinen Sand enthalten, ein<br />
Merkmal, das Muschelliebhaber sehr schätzen. Durch die<br />
vertikale Zucht « fangen » sie die Strömung besser ein, ihre<br />
Schale ist schwarzglänzend und das Fleisch gelblich oder<br />
orange, aber viel farbintensiver als bei anderen Muscheln.<br />
Als Sylvain den Motor des Schleppers wieder anlässt<br />
und langsam Richtung Meer fährt, erklärt er uns<br />
gleichzeitig, dass diese Art der Muschelzucht 1235 ganz<br />
per Zufall von einem irischen Reisenden namens Patrick<br />
Walton erfunden wurde. Er wurde Opfer eines Schiffbruchs<br />
vor der Küste der Charente, rettete sich an Land,<br />
wagte aber nicht, das Sumpfgebiet zu durchqueren, wo er<br />
Hilfe gefunden hätte. Im Glauben, allein auf der Welt zu<br />
sein, ließ er sich am Strand nieder und verbrachte seine<br />
Die Muschellarven (links) – also die<br />
« Muschelbabys » – werden im Mai geliefert.<br />
Sie befinden sich auf Seilen, die Sylvain<br />
Legourgeois horizontal auf Gestelle hängt<br />
(rechts), bis die Muscheln größer sind. Ab<br />
Juni werden die Seile dann um die Pfähle<br />
gewickelt (oben), wo die Muscheln zu ihrer<br />
endgültigen Größe heranwachsen.<br />
82 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 83
ART DE VIVRE Genuss<br />
Das Ernten der Muscheln ist ein Wettlauf gegen die einsetzende Flut. Sylvain überprüft bei jedem Bouchot, ob die Muscheln ausgewachsen sind; ist<br />
dies der Fall, bringt er den mechanischen Arm in die richtige Position. Dieser schabt dann die Muscheln vom Pfahl ab und legt sie in die Boxen.<br />
Zeit damit, Nahrung zu suchen. Dazu rammte er Pfosten<br />
im Wasser in den Boden und befestigte daran Fischernetze,<br />
um auf diese Weise Vögel zu fangen. Als er bemerkte, dass<br />
sich an den Pfosten im Laufe der Zeit Muscheln festsetzten,<br />
kam er auf die Idee, mehr Pfosten einzuschlagen und<br />
hatte damit die Technik der Pfahlmuschelzucht erfunden,<br />
die sich seit dieser Zeit quasi nicht geändert hat.<br />
Sylvain hält seinen Schlepper nun vor den Muschelpfählen<br />
an, die inzwischen ganz aus dem Wasser ragen,<br />
sodass man die schönen Muscheln, die an ihnen hängen,<br />
sehen kann. Er fährt einen mechanischen Arm an der Seite<br />
seines Fahrzeugs aus, mit dem sie eingesammelt werden.<br />
Währenddessen erzählt er uns, dass sich der Prozess zwar<br />
im Laufe der Zeit nicht sehr verändert hat, dass er jedoch<br />
auf einer regionalen Kooperation basiert: « Hier in der Normandie<br />
ist das Wasser zu kalt und die Strömung zu stark,<br />
als dass die weiblichen Muscheln das von den männlichen<br />
Muscheln abgegebene Sperma auf natürlichem Weg auffangen<br />
könnten. Da die Bedingungen dafür in der Charente<br />
viel besser sind, kaufen wir dort Muschellarven ein.<br />
Diese werden im April im Meer mit 50 Meter langen, horizontal<br />
gespannten Seilen « gefangen », im Mai erhalten wir<br />
die Seile, die mit « Muschelbabys » – mit bloßem Auge betrachtet,<br />
sehen sie wie Sandkörner aus – übersät sind. Diese<br />
Seile werden so schnell wie möglich horizontal auf Gestelle<br />
gehängt, nach und nach in Abschnitte geschnitten, spiralförmig<br />
um die Pfähle gewickelt und mit Netzen umgeben,<br />
damit die Muscheln beim Wachsen nicht abfallen. Ich benötige<br />
ungefähr 12 Kilometer solcher Seile, um meine drei<br />
Laufkilometer an Pfählen zu bestücken. Geerntet wird im<br />
Folgejahr, ab Juni/Juli; gegessen werden die Muscheln von<br />
Juli bis Januar.<br />
Plötzlich wird Sylvain schweigsam. Er konzentriert sich<br />
auf die Hebel, mit denen er den mechanischen Greifarm<br />
steuert und ihn mit einer einstudierten Bewegung über dem<br />
Muschelpfahl positioniert. Der Arm öffnet sich – dabei<br />
werden drei Klingen sichtbar –, wird über den Pfahl nach<br />
unten gefahren und dort so positioniert, dass die Klingen<br />
den Pfahl umschließen. Der Arm fährt dann wieder<br />
nach oben, streift dabei die Bouchot-Muscheln vom Holz<br />
und erntet sie so. Anschließend werden die Muscheln auf<br />
dem Anhänger abgeladen, und schon geht es zum nächsten<br />
Pfahl. Im Grunde genommen geht das Ernten relativ<br />
schnell. Die Bewegungen sind präzise und gleichmäßig.<br />
Von Zeit zu Zeit verliert der Arm eine Muschel und diese<br />
fällt ins Wasser. Auf diese Weise bleibt sie vom Verzehr<br />
verschont und überlebt. Sylvain schmunzelt: « … sofern<br />
sie einen Untergrund findet, an dem sie sich festklammern<br />
kann … »<br />
Nach gut 20 abgeernteten Pfählen schaut Sylvain immer<br />
häufiger auf die Uhr und beobachtet den Wasserstand.<br />
« Es wird Zeit, dass wir zurückfahren, die Flut kommt. Wir<br />
müssen uns beeilen. » Das sollte man nicht auf die leichte<br />
Schulter nehmen, denn, « wenn das Wasser erst einmal<br />
steigt, ist es selbst mit einem Schlepper unmöglich, jemanden<br />
herauszuholen. Das Ertrinken ist dann so gut wie<br />
vorprogrammiert … Damit ist wirklich nicht zu spaßen! »<br />
Insofern sind wir eher erleichtert, dass wir uns nun vom<br />
Meer entfernen und den Dünen nähern. Erneut sind wieder<br />
alle in Bewegung: Von überallher kommen Schlepper<br />
und fahren in die entgegengesetzte Richtung als zuvor, die<br />
letzten Angler vom Strand machen sich ebenfalls in aller<br />
Eile auf den Rückweg. Bevor er vom Strand in den kleinen<br />
Feldweg einbiegt, dreht sich Sylvain wie alle seine Kollegen<br />
noch einmal um und wirft einen letzten Blick in Richtung<br />
Meer: « Alles in Ordnung, es ist niemand mehr zu sehen,<br />
wir können zurückfahren … » Er gibt Gas, und wir haben<br />
nun richtig Appetit auf Bouchot-Muscheln bekommen,<br />
nachdem wir so viel über sie erfahren haben!<br />
Sylvain Legourgeois verkauft seine Bouchot-Muscheln nach<br />
<br />
Terminvereinbarung direkt vor Ort: 106 bis, route de la Vanlée, Bricquevillesur-Mer.<br />
Telefon: +33 (0)6 42 24 05 93<br />
84 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 85
ART DE VIVRE Chantals Rezept<br />
Dieses Kalmarrezept bringt im <strong>Winter</strong> die Sonne auf<br />
den Teller: Das originelle und einfach zuzubereitende<br />
Hauptgericht stammt aus der Stadt Sète (Hérault),<br />
die auch das « Venedig des Languedoc » genannt<br />
wird. Durch das lange Schmoren in einer aromatischen<br />
Tomatensauce werden diese kleinen Tintenfische<br />
köstlich zart und schmackhaft. Ein Genuss!<br />
Encornets à la Sétoise<br />
Für 6 Personen • Zubereitung: 20 Minuten • Kochzeit: 1 – 1,5 Stunden<br />
86 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Zutaten:<br />
1,2 kg Kalmar (eine kleine längliche<br />
Tintenfischart; im Idealfall<br />
frisch, ansonsten tiefgefroren),<br />
in Ringe geschnitten<br />
3 reife Tomaten<br />
1 Eigelb<br />
1 Dose (70 g) Tomatenmark<br />
1 Stück Orangenschale<br />
2 Knoblauchzehen<br />
2 Zwiebeln<br />
1 Kräutersträußchen aus<br />
zwei Lorbeerblättern und<br />
zwei Thymianzweigen<br />
1/2 l trockener Weißwein<br />
2 getrocknete Chilischoten<br />
Olivenöl<br />
Salz<br />
Tipp: Überprüfen Sie, ob bei den<br />
Kalmaren die feine weiße<br />
Haut entfernt wurde. Ist<br />
dies nicht der Fall, kann es<br />
sein, dass sie zäh werden.<br />
Zubereitung:<br />
•<br />
Zwiebeln in Scheiben schneiden.<br />
Knoblauch hacken.<br />
Tomaten enthäuten, entkernen<br />
und das Fleisch grob hacken.<br />
• 2 EL Olivenöl in einen Topf mit<br />
dickem Boden (idealerweise ein<br />
Schmortopf aus Gusseisen) geben<br />
und erhitzen. Die mit einem<br />
trockenen Tuch gut abgetupften<br />
Kalmarringe ins heiße Öl geben<br />
und unter ständigem Rühren bei<br />
großer Hitze anbraten, damit<br />
sie ihre Flüssigkeit abgeben.<br />
• Sobald die Flüssigkeit verdunstet<br />
und nur noch das Öl<br />
übrig ist, Zwiebelscheiben und<br />
gehackten Knoblauch sowie<br />
die Orangenschale zugeben.<br />
• Einige Minuten anbraten, dann<br />
Tomatenstücke, Tomatenmark,<br />
Weißwein, Kräutersträußchen, Salz<br />
und zerdrückte Chilischoten zugeben.<br />
Zugedeckt bei kleiner Hitze<br />
1 – 1,5 Stunden schmoren lassen.<br />
Die Zeit hängt von der Größe der<br />
Kalmare ab. Bei dieser Zubereitungsart<br />
werden sie schön zart.<br />
Sollte die Sauce zu sehr einkochen,<br />
eventuell etwas Wasser zugeben.<br />
• Am Ende der Garzeit Topf vom<br />
Herd nehmen. Vor dem Servieren<br />
Eigelb in eine Schüssel geben, drei<br />
Esslöffel Olivenöl in einem dünnen<br />
Strahl einfließen lassen und wie<br />
eine Mayonnaise aufschlagen. Mit<br />
etwas Sauce verdünnen und langsam<br />
in das Kalmargericht einrühren.<br />
• Mit Reis servieren.<br />
•<br />
Der Rest des Weißweins (beispielsweise<br />
ein guter Chablis) ist die optimale<br />
Begleitung zu diesem Gericht.<br />
Bon appétit!<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 87
RESTEXEMPLARE<br />
RESTEXEMPLARE<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 22<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 23<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 28<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 30<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 31<br />
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Ausgabe <strong>Nr</strong>. 36<br />
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RESTEXEMPLARE<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 42<br />
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Per Brief: Frankreich erleben – Leserbriefe · Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux · Frankreich<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 67 Ausgabe <strong>Nr</strong>. 68<br />
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Fassung zu veröffentlichen.
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Reisethemen,<br />
nach Regionen geordnet:<br />
8<br />
9<br />
7<br />
12<br />
6<br />
11<br />
Landesweite Themen<br />
1 2<br />
3<br />
10<br />
13<br />
5<br />
14<br />
16<br />
4<br />
15<br />
17<br />
18<br />
Die schönsten Küstenwege 67<br />
Fahrradrouten – Die schönsten Strecken entlang der Küsten 59<br />
Weihnachtsmärkte – Wo geht es noch authentisch zu? 57<br />
<strong>Winter</strong>urlaub – Romantische Skistationen anstatt<br />
57<br />
Bettenburgen<br />
Künstlerdörfer – 10 Künstlerdörfer zum Verlieben 54<br />
Kultur – Museumseröffnungen wie am Fließband 54<br />
Brücken – Frankreichs bemerkenswerteste Brücken 53<br />
Dörfer – Frankreichs spektakulärste Dörfer 50<br />
Traumstraßen – Frankreichs spektakulärste Traumstraßen 48<br />
Wellness in den Bergen – Nach dem Sport die Erholung 43<br />
10 Ideen… – …für Ferien am Meer 40<br />
Naturwunder – Die 10 schönsten Naturwunder Frankreichs 33<br />
1 Paris <strong>Nr</strong>.<br />
Coup de cœur – Die Straßenbuchhändler an den Seine-Quais 65<br />
in Paris<br />
Saint-Germain-des-Prés: Mehr als ein Viertel, die Seele 60<br />
von Paris?<br />
Le Train Bleu – Ist das legendäre Restaurant noch immer 58<br />
einen Besuch wert ?<br />
Musée d‘Histoire de la Médecine – ein ungewöhnliches 57<br />
Museum im Herzen der Hauptstadt<br />
Pariser Rathaus – Ein Palast für die Hauptstädter 53<br />
Louvre – Wie Mona Lisa & Co. den Krieg überlebten 50<br />
Oscar Niemeyer – Mit Frankreich auf Du und Du 48<br />
Monnaie de Paris – MétaLmorphoses, die Geburt eines 48<br />
neuen Stadtteils<br />
Monnaie de Paris – Eine Fabrik hinter königlicher Fassade 46<br />
Paris mit Kindern – Tipps für einen Städtebesuch mit dem 42<br />
Nachwuchs<br />
Le Bon Marché – Eine Pariser Institution feiert ihren 160. 41<br />
Geburtstag<br />
Hôtel des Invalides – Ein kleines Militär-Versailles mitten 38<br />
in Paris<br />
Les Arènes de Lutèce – Die unerwartete Entdeckung eines 37<br />
römischen Amphitheaters<br />
Lido – Carien, Porträt einer Startänzerin 37<br />
Avenue des Champs-Elysées – Wie steht es um den Glanz 36<br />
des Prachtboulevards?<br />
Butte-aux-Cailles – Aus der Mitte entsprang ein Fluss 31<br />
Serie: Restaurants und Brasserien der französischen 31<br />
Hauptstadt (6): Designrestaurants<br />
Batobus – Mit dem Linienschiff über die Seine 28<br />
Stadtentwicklung – Seine-Ufer: Neugestaltung der Ufer der 28<br />
Seine<br />
Serie: Restaurants und Brasserien der französischen 28<br />
Hauptstadt (3) – Ungewöhnliche Restaurants<br />
Mehr als nur Kino – Legendäre Lichtspielhäuser der 23<br />
französischen Hauptstadt<br />
Hotels<br />
Le Narcisse Blanc – Paris 62<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
La Belle Juliette – Paris 54<br />
Hotel Lutetia – Paris 32<br />
2 Pariser Umland <strong>Nr</strong>.<br />
Ecouen – Ein Museum für die Renaissance 50<br />
Saint-Denis – Ruhestätte der Könige 33<br />
3 Norden & Champagne <strong>Nr</strong>.<br />
Hauts-de-France – Familistère de Guise,von «Versailles für 64<br />
Arbeiter» zum bewohnten Museum<br />
Baie de Somme – Eine beeindruckende Reise (Teil 2): 63<br />
Le parc du Marquenterre<br />
Baie de Somme – Eine beeindruckende Reise (Teil 1): die 62<br />
Abbaye de Saint-Riquier<br />
Nordfrankreich – Auf den Spuren eines großen französischen 59<br />
Architekten<br />
Marais Audomarois – Ein Sumpfgebiet für Kenner 58<br />
Lille – Die unterschätzte Metropole 54<br />
Calais – Eine Stadt mit Spitze 48<br />
Musée Matisse – Kunstgenuss auf dem platten Land 47<br />
Pays de Condé – Eine Bergbaugegend erfindet sich neu 43<br />
Maison de Robert Schuman – Zu Besuch bei einem der Väter 42<br />
des vereinten Europas<br />
Marne – In der Heimat des Champagners 40<br />
10 Ideen… für Nord-Pas-de-Calais 38<br />
Arras & Douai – Riesen für den Kleinen 36<br />
Jardin Mosaic – Ein Spaziergang wird zur Reise 33<br />
Hotels<br />
Le Domaine de la Chartreuse – Gosnay 57<br />
Pasino – Saint-Amand-les-Eaux 43<br />
4 Elsass & Lothringen <strong>Nr</strong>.<br />
Vogesen – Eine Fotoausstellung unter freiem Himmel im 68<br />
Herzen der Vogesen<br />
Grand-Est – Mondial Air Ballons, der poetische Aufstieg von 65<br />
456 Heißluftballons<br />
Grand-Est – Graufthal,das Elsass zur Zeit der Streichhölzer 64<br />
Kirrwiller – 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall 62<br />
Frankreichs<br />
Weihnachtskugeln aus Meisenthal – nicht nur Kugeln, 61<br />
sondern Objekte voller Sinn<br />
Château de Lunéville – Wie Phoenix aus der Asche 52<br />
Abbaye de Murbach – Es steht ein Kloster im Walde 47<br />
Musée Lalique – Eine Hommage an die Glasmacherkunst 43<br />
Genuss – Die AOC des Elsass 42<br />
10 Ideen… für ein Wochenende im Elsass 41<br />
Haut-Koenigsbourg – Ein wahrhaft deutsch-französisches 40<br />
Kulturerbe<br />
Bitche – Das zweite Leben einer Zitadelle 38<br />
Grand Ballon – Eine Wanderung auf die Spitze der Vogesen 37<br />
Neufchef & Aumetz – Das stolze Erbe der lothringischen 36<br />
Kumpel<br />
Hotels<br />
Grand Hôtel & Spa Gérardmer – Gérardmer 68<br />
La Cheneaudière – Colroy-la-Roche 61<br />
La Clairière Bio- & Spa-Hotel – La Petite-Pierre 38<br />
5 Burgund & Jura <strong>Nr</strong>.<br />
Ostfrankreich – Vorreiter bei der Abschaffung der Sklaverei 68<br />
Jura – Salins-les-Bains: Salz, das weiße Gold prägt eine 67<br />
ganze Region<br />
Saône-et-Loire – Tournus, ein Zwischenstopp für Neugierige 66<br />
auf dem Weg in den Süden<br />
Côte d’Or – Vill’Art, das zweite Leben eines Steinbruchs 66<br />
Belfort – Die wiederentdeckte Genialität eines Künstlers 64<br />
Bourgogne-Franche-Comté – Alésia, Auf den Spuren der 63<br />
Gallier<br />
Route des Grands Crus – Die Champs-Elysées von Burgund 61<br />
Montbéliard – 30 Jahre Lumières de Noël 61<br />
Dijon – Mehr als nur Senf 53<br />
Genuss – Die AOC der Franche-Comté 47<br />
Genuss – Die AOC Burgunds 48<br />
Maison de Louis Pasteur – Ein Dorf im Fokus der<br />
43<br />
Wissenschaft<br />
Hospices de Beaune – Ein Krankenhaus mit Weinbergen 41<br />
Lac de Pannecière – Spaziergang durch die Ruinen eines 41<br />
untergegangenen Dorfes<br />
Montbéliard – Die Farben einer Stadt 41<br />
Peugeot-Museum – Mehr als ein Automobilmuseum 39<br />
Wein – Saint-Véran aus Burgund 35<br />
6 Loire-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Loire-Tal – Eine faszinierende Reise ins Land der Troglodyten 68<br />
Mayenne – Mit dem Hausboot auf der Mayenne 66<br />
Chédigny – ein Dorf wird zum Garten 65<br />
La grange de Meslay: Von der Holzkathedrale zum<br />
60<br />
Musiktempel<br />
Tours – Frischer Wind im Loiretal 59<br />
Chambord – Mehr als nur ein beeindruckendes Schloss 58<br />
Cheverny – Das Schloss von Tim und Struppi 43<br />
Ballonfahrt übers Loire-Tal – Bitte zeichne mir ein Schloss 38<br />
Blois – Ein Schloss der Geheimnisse und Intrigen 36<br />
Le Mans – Unerwartet anders 33<br />
Angers – Einfach l(i)ebenswert 30<br />
Hotels<br />
Troglododo – Azay-le-Rideau 31<br />
7 Normandie <strong>Nr</strong>.<br />
Le Havre – 500 Jahre, das will gefeiert werden ! 62<br />
Cherbourg – Dem Meer zugewandt 53<br />
Oscar Niemeyer – Mit Frankreich auf Du und Du 48<br />
Mont-Saint-Michel – Der Wunsch, eine Insel zu werden 48<br />
Genuss – Die AOC der Normandie 39<br />
10 Ideen… für die Normandie 37<br />
Mémorial Caen – Ein Museum für den Frieden 31<br />
Ile de Tatihou – Eine fantastische Reise 28<br />
Jumièges – Die Ruinenreste der Abtei von Jumièges 23<br />
Hotels<br />
Domaine de la Corniche – Rolleboise 36<br />
8 Bretagne <strong>Nr</strong>.<br />
Finistère – Locronan, die bretonische Seele par excellence 66<br />
Côtes d’Armor – La Vallée des Saints, die bretonische 63<br />
Osterinsel<br />
Brest und Roscoff – Mehr als nur zwei Gärten 62<br />
Bretagne – Umfriedete Pfarrbezirke 61<br />
Ile d’Ouessant – Eine Insel voller Leben 58<br />
Montagnes Noires – Wo die Bretagne in die Höhe wächst 54<br />
Ploumanac’h – Die Magie der bretonischen Nordküste 48<br />
Vitré, Fougères, Combourg, Château des Rochers-Sévigné 47<br />
– Mittelalterliche Festungen und literarische Vermächtnisse<br />
Brest – Die unterschätzte Hafenstadt am Ende der Welt 41<br />
Genuss – Die AOC der Bretagne 40<br />
Abbaye de Daoulas – Kloster der Kultur und der Heilpflanzen 39<br />
Pointe du Raz – Das Ende der Welt 31<br />
Hotels<br />
Château de Sable – Porspoder 58<br />
Castel Beau Site – Ploumanac’h 48<br />
9 Atlantikküste <strong>Nr</strong>.<br />
Atlantiküste – Ein Paradies für Naturismus 67<br />
Nouvelle-Aquitaine – Coup de cœur: Parc de Majolan 66<br />
Nouvelle-Aquitaine – Die Metamorphose von Bordeaux, 64<br />
Eine Zwischenbilanz<br />
Coup de cœur – Die Eiche im Taubenschlag von Pouzay 63<br />
Bordeaux 60<br />
Wein – Jurade de Saint-Emilion 47<br />
Bordeaux – Bordeaux 2.0 46<br />
Ile d’Oléron, Ile de Ré, Ile Madame, Ile d’Aix, Fort Boyard 46<br />
– Reif für die Insel(n)<br />
Wein – Ein asiatischer Winzer im Bordelais 46<br />
Cognac – Von betrunkenen Spinnen und verdächtig<br />
42<br />
schwarzen Fassaden<br />
Radfernweg – Velodyssey, immer am Atlantik entlang 41<br />
Klöster – Abteien, die sogar Kinder begeistern 40<br />
Marais Poitevin – Die grünen Kanäle des Marais Poitevin 38<br />
Likör – Angélique de Niort, Likor aus einer Heilpflanze 38<br />
Wein – Château Bardins 37<br />
Futuroscope – Zukunftspark mit rosiger Zukunft 37<br />
Gironde – Wie Vauban eine Flussmündung abriegelte 36<br />
Bassin d’Arcachon – Auf den Spuren der Austernzüchter 28<br />
Hotels<br />
Hôtel de Sèze – Bordeaux 64<br />
Hôtel Napoléon – Ile d’Aix 46<br />
Logis Saint-Martin – Saint-Maixent-l’Ecole 37<br />
10 Auvergne & Limousin <strong>Nr</strong>.<br />
Corrèze – Das Gefühl, in der Inkastadt Machu Micchu zu sein 68<br />
Nouvelle-Aquitaine – Les Pans de Travassac, eine<br />
63<br />
Spektakuläre Reise in das Land des Schiefers<br />
Genuss – Die AOC des Limousin 48
Clermont-Ferrand – Aufbruch aus schwieriger Position 47<br />
Genuss – Die AOC der Auvergne 38<br />
Viaduc de Garabit – Der horizontale Eiffelturm im<br />
37<br />
Zentralmassiv<br />
Hotels<br />
Domaine Saint Estève – Millau 53<br />
11 Périgord & Midi-Pyrénées <strong>Nr</strong>.<br />
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich 60<br />
lebt »<br />
Rodez – In der Heimat von Pierre Soulages 54<br />
Genuss – Die AOC von Midi-Pyrénées 50<br />
Tradition – Toulouse im Zeichen des Veilchens 47<br />
Airbus-Fabrik – Zu Besuch bei Airbus in Toulouse 46<br />
Gouffre de Padirac – Der Erdmitte ein Stückchen<br />
44<br />
näherkommen<br />
Pastell – Das blaue Gold 43<br />
Bastiden – Die neuen Städte des Mittelalters 42<br />
Genuss – Diskrete Früchtchen, Backpflaumen aus Agen 33<br />
Im Katharerland – Ein Wanderweg zwischen Mittelmeer und 30<br />
den Pyrenäen<br />
Hotels<br />
Chateau de la Treyne – Lacave, Vallée de la Dordogne 60<br />
Grand Hôtel Le Turenne – Beaulieu-sur-Dordogne 47<br />
Le Grand Balcon – Toulouse 42<br />
12 Pyrenäen <strong>Nr</strong>.<br />
Le Train Jaune – Ein Zug als Wahrzeichen 45<br />
13 Languedoc-Roussillon <strong>Nr</strong>.<br />
Aude – Die große Höhle von Cabrespine, ein unterirdisches 65<br />
Abenteuer<br />
Occitanie – Assignan,Das unglaubliche Schicksal eines 64<br />
französischen Dorfes<br />
Sigean: das Reservat der glücklichen Tiere 60<br />
Languedoc-Roussillon – Überraschende Mittelmeerregion 59<br />
Carcassonne – Imponierende Festungsstadt des Mittelalters 57<br />
Côte Vermeille – Paulilles, wenn die Hölle zum Paradies 57<br />
wird<br />
La Grande-Motte – Retrochic am Mittelmeer 50<br />
Sète – Authentisch und definitiv südländisch 48<br />
Saint-Guilhem-le-Désert – Wenn ein Krieger zum<br />
47<br />
Klosterbruder wird<br />
Stadtentwicklung – Montpellier, ein Synonym für Dynamik 47<br />
Pont du Gard – Altes Aquädukt erfrischend jung 41<br />
Céret & Collioure – Zwei Dörfer im Fokus der Kunst 37<br />
Wein – AOC Fitou, Qualitätsgarant aus dem Süden 33<br />
Nîmes – Römische Baudenkmäler und mediterrane<br />
23<br />
Lebensfreude<br />
14 Rhône-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Lyon – Rendezvous in der Rue du Premier-Film 64<br />
Drôme – Wandern auf den Spuren der Hugenotten 62<br />
Lyon – Die Metamorphose eines Arbeiterviertels in ein 61<br />
Freilichtmuseum<br />
Lyon – Eine Stadt gewinnt ihre Flussufer zurück 59<br />
Lyon-Confluence – 24 Stunden im Neubauviertel 48<br />
Montélimar & Umgebung – Eine Reise zwischen gestern 46<br />
und morgen<br />
Tradition – Guignol, kleine Helden aus Lyon 43<br />
Drôme-Tal – Ein Geheimtipp zwischen Provence und Alpen 42<br />
Wein – Clairette de Die 42<br />
Genuss – Die AOC von Rhône-Alpes 41<br />
Grignan – Im Land der schönen Briefe: eine Reise nach 40<br />
Grignan<br />
Wein – Lirac, das « mediterranste » Weinanbaugebiet im 40<br />
Rhône-Tal<br />
Jardin Zen d’Erik Borja – Auf der Suche nach dem<br />
39<br />
verlorenen Garten<br />
Gastronomie – Michel Chabran, der Luxus der Simplizität 39<br />
Genuss – L’O Provençale: Olivenöl aus Nyons 36<br />
Palais Idéal du Facteur Cheval – Die Kraft eines Traumes 33<br />
Hotels<br />
Manoir de la Roseraie – Grignan 40<br />
Helvie – Vals-les-Bains 23<br />
15 Alpen <strong>Nr</strong>.<br />
Chambéry – Die alte Hauptstadt Savoyens 50<br />
Montblanc – Alpine <strong>Winter</strong>freuden 31<br />
Val d’Isère – Internationale Skistation auf 1.850 Metern Höhe 30<br />
Vogelpark von Villars-les-Dombes – Gefiederte Freunde 28<br />
Hotels<br />
Petit Hôtel Confidentiel – Chambéry 50<br />
Avenue Lodge Hotel – Val d’Isère 28<br />
16 Provence <strong>Nr</strong>.<br />
Provence – Lavendel: eine überraschende deutschfranzösische<br />
67<br />
Geschichte.<br />
Provence – Mit Giono auf dem Berg der Schäfer 67<br />
Alpes-de-Haute-Provence – Salagon, ein einzigartiger Ort, 66<br />
um die Hochprovence zu verstehen<br />
Fontaine-de-Vaucluse – Die berühmteste Quelle Frankreichs 58<br />
Arles – Römische Pracht und prachtvolle Kunstvorlage 53<br />
Umwelt – Lavendel der Provence in Gefahr 46<br />
Orange – Eine Stadt spielt Theater 42<br />
10 Ideen… für die Provence 39<br />
Saint-Rémy-de-Provence – Die provenzalische Idylle von 33<br />
Saint-Rémy<br />
Avignon – Ein Tag in der Stadt der Päpste 31<br />
Hotels<br />
B Design & Spa – Le Paradou 39<br />
Attrap’Rêves – Allauch 33<br />
17 Côte d’Azur <strong>Nr</strong>.<br />
Provence-Alpes-Côte-d’Azur – Géoparc de Haute-Provence, 65<br />
eine erstaunliche Reise in die Vergangenheit der Erde<br />
Hyères – eine authentische Ecke am Mittelmeer 63<br />
Antibes – Die Überraschung an der französischen Riviera 54<br />
Monaco – Internationales Zirkusfestival von Monte Carlo 53<br />
Gonfaron – Ein Eldorado für Schildkröten 50<br />
Monaco – Die unglaubliche Saga eines kleines Fürstentums 47<br />
Bormes-les-Mimosas – Wo Blumen wie Königinnen verehrt 39<br />
werden<br />
Ile de Port-Cros – Kleine Trauminsel im Mittelmeer 38<br />
Domaine du Rayol – Die Geschichte eines ungewöhnlichen 36<br />
Parks<br />
Nizza – Frühlingsgefühle einer Diva 32<br />
Côte d’Azur – Jean Cocteau zwischen Nizza und Menton 28<br />
Hotels<br />
La Bonne Etape – Château-Arnoux-Saint-Auban 65<br />
Clarion Grand Hôtel Aston – Nizza 41<br />
Château de la Messardière – Saint-Tropez 35<br />
18 Korsika <strong>Nr</strong>.<br />
Genuss – Die AOC Korsikas 43<br />
Überseegebiete (DOM/TOM)<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Französisch-Guayana – Natur, Geschichte, Raumfahrt 37<br />
Martinique – Entdeckungen in einer Postkartenidylle 31<br />
Ti’Punch & Planteur – Der Charme der Antillen in zwei 31<br />
Cocktails<br />
Hotels<br />
Cap Est Lagoon Resort & Spa – Martinique 30<br />
Weitere Themen<br />
Chantals Rezepte<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Appetitanreger<br />
Gratin de légumes du jardin 47<br />
Suppen<br />
Soupe à l’oignon gratinée 48<br />
Gaspacho de tomates et fraises 46<br />
Gaspacho de tomate 40<br />
Velouté de laitue 38<br />
Salate<br />
Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln 66<br />
Quiches & Tartes<br />
Tarte d’automne aux champignons et à la farine de<br />
60<br />
châtaignes<br />
Tarte aux rillettes 37<br />
Quiche Lorraine 33<br />
Gratins, Aufläufe & Toasts<br />
Camembert rôti au four 57<br />
Croque Monsieur & Croque Madame 54<br />
Parmentier de canard 31<br />
Fleischgerichte<br />
Poulet fermier basse température à l’ail 62<br />
Rôti de porc aux pruneaux 59<br />
Coq au vin 43<br />
Fischgerichte<br />
Blanquette de saumon 65<br />
Millefeuille de crabe au saumon fumé 63<br />
Sole meunière 61<br />
Fondues und Saucen<br />
Die echte hausgemachte Mayonnaise 68<br />
Desserts<br />
Le Far Breton 64<br />
Profiteroles au chocolat chaud 58<br />
Poires safranées et ses tuiles à l’orange 42<br />
Crème brûlée à la fleur d’oranger 39<br />
Soupe de fraises 28<br />
Gebäck<br />
La Tarte Bourdaloue 67<br />
Les petits sablés de Noël 53<br />
Le Paris-Brest 50<br />
Cannelés 41<br />
Baba au rhum 23<br />
Getränke<br />
Liqueur d’estragon 36<br />
Weine & Alkoholika<br />
Spirituosen – Roderich Dühr, ein Deutscher, der Cognac im 65<br />
Blut hat<br />
Wein/Portrait – Glucklich wie Sabine und Jörg in Frankreich 64<br />
Wein – Crémant, ein kleiner Schaumwein mausert sich 63<br />
Wein – Der elsässische Winzer Jean-Paul Schmitt ist seinen 61<br />
Reben näher denn je<br />
Alkoholische Getränke – Frankreich, das neue Eldorado für 60<br />
Bierliebhaber<br />
Wein – Der neue Trend beim Aperitif à la française 59<br />
Wein – Warum wird Wein nicht grundsätzlich im Holzfass 58<br />
gelagert?<br />
Champagner – Was Sie schon immer über Champagner 57<br />
wissen wollten<br />
Produktpiraterie – Wenn Weinflaschen gefälscht sind 54<br />
Weltkulturerbe – Frankreichs Winzer greifen zum Welterbetitel:<br />
53<br />
Les coteaux, maisons et caves de Champagne (Teil 2)<br />
Châteauneuf-du-Pape – Ein Wein mit päpstlicher Aura 50<br />
Weinfarbe – Eine kleine Weinfarbenkunde 48<br />
Jurade de Saint-Emilion – Mehr als Folklore: eine Tradition, 47<br />
die lebt!<br />
Peter Kwok – Ein asiatischer Winzer im Bordelais 46<br />
Picon – « Un Picon-Bière, s’il vous plaît » 43<br />
Cognac – Von betrunkenen Spinnen und verdächtig<br />
42<br />
schwarzen Fassaden<br />
Clairette de Die – Der Schaumwein für glückliche Menschen 42<br />
Lagerung – Tipps zum Aufbewahren von Wein 41<br />
Bier – Schattendasein oder Geheimtipp? 40<br />
Lirac – Das « mediterranste » Weinanbaugebiet im Rhône-Tal 40<br />
Wein & Gesundheit – Vive le vin! Vive la santé! 39<br />
Angélique de Niort – Likor aus einer Heilpflanze 38<br />
Château Bardins – Ein kleines Familien-Weingut in Pessac- 37<br />
Léognan<br />
Cognac – Eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte 36<br />
AOC Fitou – Qualitätsgarant aus dem Süden 33<br />
Ti’Punch & Planteur – Der Charme der Antillen in zwei 31<br />
Cocktails<br />
Alpillen – Das Weingebiet Les Baux-de-Provence 28<br />
Rum – Hochprozentiges aus Übersee 23<br />
Genuss<br />
Gastronomie – Das beste aller Baguettes 66<br />
Gastronomie – Kaviar von der französischen Atlantikküste, 65<br />
der neue Star<br />
Gilles Choukroun – Ein Sternekoch, der die Pariser an den 62<br />
Flughafen zieht<br />
Gastronomie – Wenn ein junger Koch einen Michelin-Stern 61<br />
erhält<br />
Spitzengastronomie – Fabian Feldmann, ein deutscher 53<br />
Sternekoch im Land der Feinschmecker<br />
Produkte – Orangina 53<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC von Midi-Pyrénées 50<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC Aquitaniens 49<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC des Limousin 48<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Franche-Comté 47<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC Burgunds 46<br />
Trüffel – Schwarze Diamanten 44<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC Korsikas 43<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC des Elsass 42<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC von Rhône-Alpes 41<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Bretagne 40<br />
Gastronomie – Michel Chabran, der Luxus der Simplizität 39<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Normandie 39<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Auvergne 38<br />
Rillettes – Einfach, deftig, köstlich 37<br />
L’O Provençale – Olivenöl aus Nyons 36<br />
Backpflaumen aus Agen – Diskrete Früchtchen 33<br />
Ti’Punch & Planteur – Der Charme der Antillen in zwei 31<br />
Cocktails<br />
Politik & Wirtschaft<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Initiative – Die deutsch-französische Freundschaft: welch 65<br />
eine Energie!<br />
Politik – Präsidentschaftswahlen 2017, Präsidiale Orte 63<br />
Wirtschaft – Atomkraft in Frankreich: der Niedergang eines 59<br />
Systems, das sich zu sicher fühlte<br />
Regionen – Auf der Suche nach neuen Namen 54<br />
Kindergeld – Ist eine Reform überhaupt möglich? 53<br />
Pestizide – Marie-Lys Bibeyran, eine Frau kämpft gegen 53<br />
Pestizide<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
<strong>Nr</strong>.
Landesstruktur – Reform der Regionen und Departements 50<br />
Verkehrspolitik – Die Wiederentdeckung der Langsamkeit 47<br />
Monnaie de Paris – Pessac, hinter den Kulissen der Euro- 47<br />
Münzprägung<br />
Hochschulpolitik – Teaching in English? Oh mon Dieu! 46<br />
Umwelt – Lavendel der Provence in Gefahr 46<br />
Gregor Gysi – Der Linken-Politiker und Frankreich 43<br />
Machtverhältnisse – Alles nach links 41<br />
Medien – Die politische Ausrichtung französischer Medien 40<br />
Tourismus – Hauptsache außergewöhnlich 40<br />
Volksabstimmungen – Modethema im Wahlkampf 39<br />
Fünf Jahre Sarkozy – Zeit für eine Bilanz 38<br />
François Hollande – Der neue Präsident? 37<br />
Umweltschutz – Kettensägenmassaker am Welterbe Canal 36<br />
du Midi<br />
Bistrosterben – Naht das Ende des Bistros? 33<br />
Reiseziele der Politiker – Plages de gauche, plages de 28<br />
droite, Urlaub in politischen Farben<br />
Frankophonie – Eine Situationsanalyse 28<br />
Frédéric Mitterrand – Der neue französische Kulturminister 23<br />
Gesellschaft & Alltag<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Interview – Serie «Quand on aime la France»<br />
68<br />
Roger Diederen, Direktor der Kunsthalle München<br />
Ernährung – Vorsicht vor triploiden Austern! 67<br />
Gesellschaft – Le Mondial la Marseillaise à pétanque, der 63<br />
größte Boule-Wettkampf der Welt<br />
Geschichte – Tromelin, Die Insel der vergessenen Sklaven 63<br />
Yacine Aït Kaci – Der Vater von Elyx, des Botschafters der 62<br />
guten Laune<br />
David Ken – Der Fotograf, der das Glück fotografiert 62<br />
Verkehr – Paris: das Tauziehen um die Umwandlung des 61<br />
Seine-Ufers in eine Fußgängerzone geht weiter<br />
Geschichte: Die Johnnies, die Lieblingsfranzosen der 60<br />
Engländer<br />
Frauen und Männer, die sich für die deutsch-französische 60<br />
Freundschaft einsetzen: Barbara Barberon-Zimmermann,<br />
Mitbegründerin des deutsch-französischen Kulturfestivals<br />
arabesques<br />
Brexit: Wie denken Briten, die in Frankreich leben, darüber? 60<br />
Fußball – Euro 2016: 10 Stadien warten auf die Fussballfans 59<br />
Integration – die Schwächen des französischen Systems 58<br />
Erfolgsgeschichten aus Frankreich –<br />
58<br />
Denis Mollat, der Buchhändler 2.0<br />
Geschichte – 300. Todestag von Ludwig XIV. in Versailles: 57<br />
Begräbnisrituale leben länger als Könige<br />
Gesellschaft – Hinter den Kulissen des CROSS Corsen. 57<br />
Erinnerungskultur – Passen Gedenken und Tourismus 52<br />
zusammen?<br />
Fußball – Annike Krahn, eine deutsche Fußballerin in Paris 50<br />
Fußball-EM 2016 – Frankreich im Stadienbaurausch 48<br />
EU-Hauptstadtjahre: 2013 – Nantes und Marseille werden 43<br />
europäische Hauptstädte<br />
<strong>Winter</strong>schlussverkauf – Der andere <strong>Winter</strong>sport 43<br />
Michel Chevalet – Der Mann, der den Franzosen die 42<br />
Wissenschaft erklärt<br />
Kriminalität – Angst über der Stadt 42<br />
Bürgerbewegung – Libérez les menhirs 42<br />
Jean Viard – Der Mann, der Frankreich beobachtet 41<br />
Simone Hérault – Die Stimme Frankreichs 40<br />
Berühmtheiten – Die 100 bekanntesten Franzosen 39<br />
Frankreichbild – Frankreichs Image in der Welt 39<br />
Académie Française – Die Unsterblichen, die 40 Wächter der 39<br />
französischen Sprache<br />
Der Präfekt – Lebendes Symbol des Zentralismus 38<br />
Lido – Carien, Startänzerin im Lido 37<br />
Tourismus – Trends für den <strong>Winter</strong>urlaub 2011/12 36<br />
Gardienne – Félisa, Gardienne in Paris 36<br />
Ehrenlegion – Geht es noch um Verdienste? 33<br />
Mona Ozouf – Bretonin, Französin und Europäerin 31<br />
Fußball – Ist der Ball denn auch in Frankreich rund? 28<br />
Frankophonie – Eine Situationsanalyse 28<br />
Versailles – Traditionelle Berufe hinter historischen Mauern 23<br />
Kunst & Kultur<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Kultur – Amüsante Geschichten rund um die französische 68<br />
Nationalhymne «La Marseillaise»<br />
Kultur – Festival de Piano de La Roque d’Anthéron 67<br />
Geschichte – Der Neandertaler: Unser Urahn erhält ein neues 67<br />
Image<br />
Portrait – Auf den Spuren von Jacques Prévert 64<br />
Sprache – Aussprache, Kartografie eines Systems à la 64<br />
française<br />
Kultur – 1977-2017: Centre Pompidou, 40 Jahre und immer 61<br />
noch überraschend<br />
Musik: Das unglaubliche Vermächtnis von Maurice Ravel 60<br />
Neue Museen – Museumseröffnungen wie am Fließband 54<br />
Künstlerdörfer – 10 Künstlerdörfer zum Verlieben 54<br />
Musée Soulages Rodez – In der Heimat von Pierre Soulages 54<br />
Louvre – Wie Mona Lisa & Co. den Krieg überlebten 50<br />
Musée Matisse – Kunstgenuss auf dem platten Land 47<br />
Götz Alsmann – Götz Alsmann in Paris 46<br />
Museen – Frankreichs Museen auf der Überholspur 45<br />
ST-ART – Eine Kunstmesse zwischen den Welten 38<br />
Céret & Collioure – Zwei Dörfer im Fokus der Kunst 37<br />
Französisches Historisches Museum – Ein Projekt schlägt 31<br />
hohe Wellen<br />
Eine Übersicht aller jemals erschienenen<br />
Themen, also auch der ausverkauften<br />
Ausgaben, finden Sie im Internet:<br />
www.frankreicherleben.de<br />
Pariser Philharmonie – Wenn Politik von der Realität<br />
eingeholt wird<br />
Jean Cocteau an der Côte d’Azur – Jean Cocteau zwischen<br />
Nizza und Menton<br />
Lebensart<br />
Produkte – Châteldon: der Champagner unter den<br />
68<br />
französischen Mineralwässern<br />
Produkte – Revolution in Sachen Aperitif! 67<br />
Produkte – Les boules Quies 66<br />
Produkte – Die Zitronenpresse aus Glas von Luminarc 65<br />
Produkte – La Pléiade 64<br />
Produkte – Das Salz La Baleine 63<br />
Produkte – Das Papier d’Arménie 62<br />
Produkte – Der gelbe Briefkasten der Post 61<br />
Produkte – Der Bistrostuhl « Drucker »: zeitlos und pariserisch 60<br />
Produkte – Bol à prénom 59<br />
Produkte – Eau de Javel 58<br />
Produkte – Sophie la girafe 57<br />
Spiele – Ein Puzzle als Unikat 54<br />
Produkte – Duralex-Gläser 53<br />
Tradition – Toulouse im Zeichen des Veilchens 47<br />
Guignol – Kleine Helden aus Lyon 43<br />
Le Bon Marché – Eine Pariser Institution feiert ihren 160. 41<br />
Geburtstag<br />
Bunte Töpfe – Keramik aus Vallauris 28<br />
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noch heute !<br />
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Einfach Coupon ausfüllen und im<br />
frankierten Umschlag abschicken<br />
an:<br />
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Storkower Straße 127a<br />
10407 Berlin<br />
Per Telefon: +49 (0)30 / 42 80 40 40<br />
Per Fax: +49 (0)30 / 42 80 40 42<br />
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www.frankreicherleben.de<br />
31<br />
28<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Werbecode: <strong>69</strong>/18<br />
ich bestelle die folgende(n) Ausgabe(n) von Frankreich erleben<br />
für 5,90 € pro Heft zzgl. Ver sand kos ten pauschale. Diese beträgt<br />
innerhalb Deutschlands 1,30 € pro Heft, maximal jedoch 9,50 € pro<br />
Bestellung. Andere europäische Länder: 3,20 € pro Heft, maximal<br />
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Ausgabe<br />
<strong>Nr</strong>. 22<br />
<strong>Nr</strong>. 23<br />
<strong>Nr</strong>. 28<br />
<strong>Nr</strong>. 30<br />
<strong>Nr</strong>. 31<br />
<strong>Nr</strong>. 32<br />
<strong>Nr</strong>. 36<br />
<strong>Nr</strong>. 37<br />
<strong>Nr</strong>. 38<br />
<strong>Nr</strong>. 39<br />
<strong>Nr</strong>. 40<br />
<strong>Nr</strong>. 41<br />
<strong>Nr</strong>. 42<br />
<strong>Nr</strong>. 43<br />
<strong>Nr</strong>. 46<br />
<strong>Nr</strong>. 47<br />
<strong>Nr</strong>. 48<br />
<strong>Nr</strong>. 50<br />
<strong>Nr</strong>. 53<br />
<strong>Nr</strong>. 54<br />
<strong>Nr</strong>. 57<br />
<strong>Nr</strong>. 58<br />
<strong>Nr</strong>. 59<br />
<strong>Nr</strong>. 60<br />
<strong>Nr</strong>. 61<br />
<strong>Nr</strong>. 62<br />
<strong>Nr</strong>. 63<br />
<strong>Nr</strong>. 64<br />
<strong>Nr</strong>. 65<br />
<strong>Nr</strong>. 66<br />
<strong>Nr</strong>. 67<br />
<strong>Nr</strong>. 68<br />
Vorname / Name<br />
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Ich ermächtige die AVZ GmbH, Storkower Straße 127a, 10407 Berlin,<br />
Gläubiger-Identifikationsnummer DE39Z0200000080844 den Bestellpreis<br />
von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Die Mandatsreferenz<br />
wird mir gesondert mitgeteilt.<br />
Datum, Unterschrift<br />
Diese Bestellung kann innerhalb von 14 Tagen beim Aboservice<br />
schriftlich ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.
ART DE VIVRE Produkte<br />
Serie: Typisch französische Produkte (19)<br />
Le Livre de Poche<br />
eine kulturelle Revolution<br />
Es ist zwar nur ein Detail, aber ein aussagekräftiges:<br />
Um die Inflation im Land messen zu können,<br />
hat der französische Staat vor vielen Jahren<br />
ein Messinstrument kreiert, nämlich den<br />
Verbraucherpreisindex (VPI). Dieser basiert auf<br />
der jährlich beobachteten Preisentwicklung<br />
für einen durchschnittlichen Warenkorb, der<br />
sämtliche Waren und Dienstleistungen enthält,<br />
die ein Franzose zur Deckung seiner<br />
Grundbedürfnisse benötigt. Mit anderen Worten:<br />
alle Produkte und Dienstleistungen, die<br />
für den Alltag der Menschen wichtig und nützlich<br />
sind. In den 60er-Jahren bestand der Warenkorb<br />
aus 254 Produkten (heute sind es eine<br />
Million). Und was fand man da neben Zucker,<br />
Milch, Baguette und Metroticket? Ein Buch!<br />
Aber nicht irgendein Buch, sondern eines aus<br />
der Reihe Le Livre de Poche.<br />
Dabei war diese Buchreihe damals noch relativ<br />
jung: Es gab sie erst seit ein paar Jahrzehnten,<br />
was in der Verlagswelt quasi nichts ist. Sie wurde<br />
im Februar 1953 durch Henri Filipacchi (1900-1961)<br />
kreiert, einem bedeutenden Mann der französischen<br />
Verlagswelt, dem es nicht an Innovationsfreude mangelte.<br />
Zum damaligen Zeitpunkt arbeitete er in einer führenden<br />
Position beim Verlag Librairie Hachette und war<br />
bereits dafür bekannt, dass er eine entscheidende Rolle<br />
bei der Lancierung der Bibliothèque de la Pléiade (siehe<br />
Frankreich erleben <strong>Nr</strong>. 64, Typisch französische Produkte)<br />
gespielt hatte.<br />
Heute erscheint seine Idee zwar ganz simpel, damals<br />
war sie jedoch revolutionär. Es ging darum, dem Buch<br />
seinen elitären Charakter zu nehmen, es der breiten<br />
Masse zugänglich zu machen und die Förderung der<br />
Schulbildung in der Nachkriegszeit zu unterstützen.<br />
Nach Ansicht von Henri Filipacchi sollte jeder Mensch<br />
lesen können. Lesen musste eine Art von Grundrecht<br />
und das Buch vom luxuriösen und elitären Produkt<br />
zum alltäglichen Begleiter werden. Dabei durfte es keine<br />
Grenzen geben: Es war ganz egal, ob es sich dabei<br />
um Literatur, Poesie, Krimis, Kochbücher oder Bastelanleitungen<br />
handelte … Jeder sollte in die Lage versetzt<br />
werden, frei zu entscheiden, was er lesen wollte.<br />
Um das Buch als solches populär zu machen, griff<br />
Henri Filipacchi damals eine bereits bekannte Idee<br />
auf, nämlich die des Taschenformats. Als dessen Wegbereiter<br />
gilt der deutsche Verlag Tauchnitz, der schon<br />
vor 1900 die ersten Taschenbücher herausbrachte. 1905<br />
lancierte der französische Verlag Fayard mit dem Livre<br />
Populaire ebenfalls eine Buchreihe im kleinen Format.<br />
Henri Filipacchi ging aber noch weiter: Er bediente<br />
sich für sein Livre de Poche der seinerzeit neuesten<br />
Technik, um die Produktionskosten zu reduzieren und<br />
gleichzeitig ein modernes und attraktiv aussehendes<br />
Produkt anbieten zu können.<br />
In der Reihe Le Livre de Poche gab es ab 1953 also<br />
eine ganze Serie von Werken zu einem Preis von zwei<br />
Francs: kaum teurer als eine Tageszeitung und billiger<br />
als eine Zeitschrift! Dieses Angebot war in der Tat<br />
absolut revolutionär. Zunächst knirschten zwar einige<br />
92 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Nörgler unter den Verlegern<br />
und Buchhändlern mit den<br />
Zähnen und warfen Henri Filipacchi<br />
vor, « die Literatur zu verramschen<br />
», doch das Konzept wurde<br />
sehr schnell ein riesiger Erfolg (8 Millionen<br />
verkaufte Exemplare 1957/58,<br />
28 Millionen 19<strong>69</strong>). Angesichts dieser<br />
Tatsache wandelten sich die Ansichten<br />
und die Kritik wurde leiser.<br />
Niemals kauften die Franzosen so<br />
viele Bücher wie damals. Darunter<br />
waren nicht nur wichtige literarische<br />
Werke – klassische und moderne –,<br />
sondern auch leichtere Lektüre: Koenigsmark<br />
von Pierre Benoît (übrigens<br />
das erste Livre de Poche überhaupt),<br />
Geträumte Sünden von Colette, Wem<br />
die Stunde schlägt von Hemingway<br />
sowie Autoren wie Montaigne,<br />
Schopenhauer, Sagan, Descartes …<br />
Das Livre de Poche wurde sehr<br />
schnell ein regelrechtes gesellschaftliches<br />
Phänomen. Man konnte es<br />
überall kaufen, selbst in Supermärkten<br />
und in den Läden von Autobahntankstellen.<br />
Seit der Einführung<br />
1953 wurden mehr als eine Milliarde<br />
Exemplare davon verkauft! Keine andere<br />
Buchreihe konnte einen solchen<br />
Erfolg nachweisen, und der Verlag<br />
(der ebenfalls den Namen Le Livre de<br />
Poche trägt) liegt damit an der Spitze<br />
der Taschenbuchverlage in Frankreich.<br />
Kein Zweifel, das kleine Buch ist tatsächlich<br />
ein legendäres Konsumgut im<br />
Hexagon geworden. Und das soll als<br />
Kompliment verstanden werden!<br />
In dieser Serie werden Produkte vorgestellt, die sich<br />
in fast jedem französischen Haushalt befinden oder<br />
die für viele Franzosen kleine Nationalheiligtümer<br />
sind. In den letzten Ausgaben sind erschienen:<br />
Hollywood- und Malabar-Kaugummis (<strong>Nr</strong>. 51), Petit<br />
Suisse (<strong>Nr</strong>. 52), Orangina (<strong>Nr</strong>. 53), Duralex-Gläser (<strong>Nr</strong>.<br />
54), Messer (<strong>Nr</strong>. 55), l’école des loisirs (<strong>Nr</strong>. 56), Sophie la<br />
girafe (<strong>Nr</strong>. 57), Eau de Javel (<strong>Nr</strong>. 58), Bol à prénom (<strong>Nr</strong>. 59),<br />
Bistrostuhl « Drucker » (<strong>Nr</strong>. 60), der gelbe Briefkasten der<br />
Post (<strong>Nr</strong>. 61), Papier d’Arménie (<strong>Nr</strong>. 62), Salz La Baleine (<strong>Nr</strong>.<br />
63), Literatursammlung La Pléiade (<strong>Nr</strong>. 64), Zitronenpresse<br />
aus Glas von Luminarc (<strong>Nr</strong>. 65), Boules Quies (<strong>Nr</strong>. 66),<br />
Ricard aux plantes fraîches (<strong>Nr</strong>. 67) und Eau de Châteldon<br />
(<strong>Nr</strong>. 68).<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 93
KULTURSCHOCK<br />
Pas de problème!<br />
Kein Problem, ich kümmere mich darum …», « Kein<br />
Problem, du kriegst es rechtzeitig …», « Kein Problem,<br />
das wird erledigt …» Wie oft pro Tag mache<br />
ich eine solche Aussage? Auf jeden Fall war das bis vor<br />
Kurzem noch sehr häufig so. Ehrlich gesagt muss ich zugeben,<br />
dass ich mir gar nicht darüber bewusst war, wie oft ich<br />
den Ausdruck pas de problème gegenüber meinen Gesprächspartnern,<br />
vor allem im beruflichen Bereich, tatsächlich<br />
benutzte. Und nicht nur ich. Bis mich eines Tages<br />
meine Kollegin Sabine darauf hinwies, worauf ich mir sofort<br />
eine ganze Reihe von Fragen stellte, mich selbst hinterfragte:<br />
Bin ich ein uneingeschränkter Optimist? Gehe<br />
ich etwa schnell Verpflichtungen ein? Zu schnell womöglich?<br />
Ist das ein Fehler, etwas, das ich ändern müsste? So<br />
viele Fragen aufgrund einer so<br />
kleinen Bemerkung …<br />
Ich dachte immer<br />
noch über<br />
diesen Punkt<br />
nach, als mir<br />
plöt z l ic h<br />
aufging,<br />
94 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
dass Sabine gar nicht mich persönlich gemeint hatte,<br />
sondern dass ihre Bemerkung im Grunde viel pauschaler<br />
gemeint war: « Wenn ich in Frankreich den Ausspruch pas<br />
de problème höre, dann ist das für mich keine Beruhigung,<br />
sondern eher ein Grund zur Beunruhigung … Denn oft<br />
kommt es gerade dann in der Folge zu Problemen! », hatte<br />
Sabine nämlich gesagt – mit einem breiten Lächeln übrigens.<br />
Und plötzlich ging mir der wahre Sinn ihrer Äußerung<br />
auf: Abgesehen von meinem konkreten Fall, war<br />
dies eine interessante Feststellung über eine sprachliche<br />
Angewohnheit – womöglich sogar über einen Tick – die<br />
sie offensichtlich bei vielen ihrer Gesprächspartnern bemerkte.<br />
Eine typisch französische « Marotte », die ihr als<br />
Deutsche in diesem Ausmaß fremd war und sie daher<br />
stutzig machte. Ein echter Kulturschock also!<br />
Ich begann daher, auf meine eigenen Sprachgewohnheiten<br />
und auf die meiner Kollegen zu achten. Hat Sabine<br />
recht? Benutzen wir Franzosen leidenschaftlich gerne die<br />
Wendung pas de problème? Eine kleine Analyse meiner<br />
Mailbox gab<br />
mir relativ schnell<br />
eine ungefähre<br />
Vorstellung:<br />
Die Suche<br />
nach dem<br />
Begriff<br />
pas de problème brachte umgehend … 313 Ergebnisse! 313<br />
Mal war dieser Begriff in meinen Mails enthalten – und<br />
das nur in den letzten beiden Monaten! Äußerst erstaunt<br />
über das Resultat machte ich mich daran, die Suche zu<br />
verfeinern, indem ich sie auf Nachrichten einschränkte,<br />
die ich selbst verschickt hatte. Auch hier sprach das<br />
Ergebnis Bände: 134 Treffer! Rein rechnerisch hatte ich<br />
selbst also in den letzten beiden Monaten im Durchschnitt<br />
mehr als zweimal pro Tag meine Gesprächspartner<br />
mit « kein Problem » beschwichtigt. Und das war nur<br />
die Auswertung meiner Mails!<br />
Diese Entdeckung amüsierte mich in gewisser Weise<br />
und, ohne es Sabine zu gestehen, begann ich in der<br />
schriftlichen und mündlichen Konversation darauf zu<br />
achten. Wenn ich im Laufe des Tages die Entgegnung<br />
pas de problème hörte oder las, machte ich jedes Mal, ohne<br />
etwas zu sagen, in Gedanken ein kleines Kreuz in meinem<br />
Gedächtnis. Dabei kam ich um die Feststellung nicht<br />
umhin, dass es viele Kreuze waren: Ich begegnete einer<br />
wahren Flut an pas de problème und, wie mir sehr schnell<br />
bewusst wurde: Die Variante pas de souci ist ebenso verbreitet.<br />
Sabine hatte also die Situation richtig analysiert,<br />
es ist fast eine Art Sprachtick.<br />
So sehr ich mich dann auch bemühte, bei meinen<br />
deutschen Kollegen einen ebenso häufig benutzten äquivalenten<br />
Ausdruck auszumachen, es gelang mir nicht.<br />
Natürlich hört man da auch einmal « Mach dir keine<br />
Sorgen » oder « Kein Problem », aber nicht ständig, bei<br />
Weitem nicht im selben Ausmaß. Ich griff also das Thema<br />
Sabine gegenüber wieder auf und fragte sie, wie dies<br />
möglich sei: « Wie macht ihr das in Deutschland, wenn<br />
ihr mit einer Erwartung konfrontiert seid, auf welche<br />
Weise macht ihr Zusagen? » Die Antwort von Sabine<br />
machte mich erneut nachdenklich: « Vielleicht sind<br />
wir einfach pragmatischer oder auch nur realistischer. »<br />
Wollen also die Franzosen mit einer Aussage wie pas de<br />
problème im Grunde eine ungenaue Antwort geben, sich<br />
nicht verpflichten, vielleicht sogar – mehr oder weniger<br />
unbewusst – ein sich abzeichnendes Problem umgehen?<br />
Oder sind sie sich gar nicht darüber im Klaren, dass<br />
ein Problem auftauchen könnte? Vermutlich ist es einfach<br />
eine Art, sich von den Ereignissen « treiben » zu<br />
lassen, die Dinge mit einer gewissen « Gelassenheit » zu<br />
nehmen. Eine Art zu sagen: « Wir werden schon sehen,<br />
kein Grund zur Beunruhigung …! » Dass dies manchmal<br />
verwirren oder sogar auf die Nerven gehen kann, kann ich<br />
gut nachvollziehen!<br />
Eines ist auf jeden Fall sicher: Inzwischen achte<br />
ich ganz besonders darauf, ob und wann ich den<br />
Ausdruck pas de problème verwende, und versuche, in<br />
meinen Antworten präziser zu sein. Und dabei geht<br />
es mir nicht schlechter, ganz im Gegenteil. Merci<br />
Sabine!<br />
Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 95
GUÉWEN A TESTÉ<br />
… den Baguetteautomaten<br />
Vor einiger Zeit habe ich in einer französischen Regionalzeitung<br />
gelesen, dass die Franzosen von allen<br />
Geschäften, die sie regelmäßig besuchen, bei Weitem<br />
(64 %) ihre Bäckerei bevorzugen. Zum einen natürlich<br />
wegen des Brots, zum anderen aber auch, so sagten<br />
sie, wegen der Geselligkeit. Und doch erlebt man seit<br />
einigen Jahren, dass sich in ganz Frankreich neue<br />
Automaten ausbreiten. Automaten, an denen man<br />
täglich rund um die Uhr ein Baguette kaufen kann.<br />
Das erscheint paradox. Aber im Grunde ist es das gar<br />
nicht … Auf jeden Fall erschien es mir interessant,<br />
sie auszuprobieren und nachzuvollziehen, wie es zu<br />
dieser Entwicklung kam.<br />
Wie kam es zu dem Phänomen?<br />
Es gibt heute in Frankreich knapp zehn Hersteller von<br />
Baguetteautomaten. Mehrere davon rühmen sich, der<br />
Erfinder dieser Maschine zu sein. Dabei ist es im Grunde<br />
genommen gar keine Erfindung an sich, sondern nur die<br />
Umsetzung des bekannten Automatenprinzips auf Brot.<br />
Allerdings scheint vor den Franzosen niemand auf diese<br />
spezifische Idee gekommen zu sein. Der aus dem Departement<br />
Moselle stammende französische Bäcker Jean-<br />
Louis Hecht war auf jeden Fall der Erste, der in Frankreich<br />
offiziell für seinen Baguetteautomaten « Pani Vending<br />
» ausgezeichnet wurde. Das war 2014 in Paris anlässlich<br />
der französischen Erfindermesse Concours Lépine.<br />
Wo stehen diese Automaten?<br />
Vorwiegend im ländlichen Raum, in kleinen Dörfern,<br />
in denen es aufgrund der Landflucht keinen Bäcker<br />
mehr gibt. Sie werden meist auf Wunsch der Einwohner<br />
oder auf Anregung des Gemeindesrats installiert<br />
und stehen in der Regel auf dem Dorfplatz oder in<br />
der Nähe eines Parkplatzes, damit sie gut erreichbar<br />
sind. Manchmal findet man solche Automaten<br />
zwar auch in Städten, das ist jedoch eher selten. Sie<br />
benötigen nur eine kleine Fläche (1,5 m²), lediglich<br />
ein Stromanschluss (220 V) muss vorhanden sein.<br />
Wie funktionieren sie?<br />
Das Prinzip ist gut durchdacht, denn es respektiert die<br />
Arbeit des Bäckerhandwerks:<br />
Die<br />
Automaten werden<br />
ein- oder mehrmals<br />
am Tag direkt von<br />
einem Bäcker aus der<br />
Nähe mit Baguettes<br />
bestückt. Der<br />
Bäcker ist eindeutig<br />
identifizierbar, der<br />
Name ist auf dem<br />
Automaten angegeben.<br />
Egal ob Werktag<br />
oder Wochenende,<br />
ob frühmorgens,<br />
spätabends oder mitten in der Nacht: Der Kunde<br />
muss nur den entsprechenden Betrag einwerfen<br />
(die Automaten akzeptieren mittlerweile auch<br />
Kartenzahlung) und entnimmt sein Baguette.<br />
Wieviel kostet es?<br />
Der Kunde zahlt für ein Baguette in etwa denselben Preis<br />
wie in der Bäckerei, also zwischen 80 Cent und einem<br />
Euro. Ein Bäcker kann einen solchen Automaten beim<br />
Hersteller (der auch die Wartung übernimmt) kaufen<br />
oder mieten. Je nach Modell beträgt der Preis für einen<br />
Automaten 4000 – 8000 Euro. Manchmal übernimmt die<br />
Gemeinde den Kauf oder die Miete eines solchen Geräts.<br />
96 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
Schmeckt das<br />
Brot gut?<br />
Es handelt<br />
sich um genau<br />
dasselbe<br />
Brot, das der<br />
entsprechende<br />
Bäcker auch in<br />
seinem Laden<br />
anbietet. Die<br />
Qualität hängt<br />
demnach vom<br />
Bäcker ab …<br />
Die Baguettes,<br />
die ich getestet<br />
habe, waren<br />
gut. Der Automat<br />
ist mit<br />
einer Heizung<br />
und einem<br />
System zur<br />
Kontrolle der Feuchtigkeit ausgerüstet,<br />
sodass das Brot knusprig bleibt. Der Nachteil ist,<br />
dass man « sein » Baguette nicht auswählen kann,<br />
man kann sich also nicht aussuchen, ob es mehr<br />
oder lieber etwas weniger gebacken sein soll.<br />
Ist das System für den Bäcker rentabel?<br />
Was sagen die Kunden?<br />
Alle Bäcker, die einen solchen Automaten getestet haben,<br />
sind sehr zufrieden. Sie produzieren nach eigenen Aussagen<br />
dadurch mehr Baguettes: pro Tag bis zu 400 Stück<br />
zusätzlich zu den in der Bäckerei verkauften. Auch die<br />
Kunden sind zufrieden.<br />
Vor allem<br />
Einwohner in<br />
kleinen Dörfern<br />
mit einem Baguetteautomaten<br />
schätzen es, wenn<br />
sie wieder täglich<br />
ein frisches<br />
Baguette kaufen<br />
können. Es ist<br />
zwar weniger<br />
gesellig, als der<br />
Gang in die Bäckerei,<br />
aber es ist<br />
immer noch besser,<br />
als gar kein<br />
frisches Brot zu<br />
haben, räumen<br />
sie ein.<br />
Geschenke gesucht?<br />
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Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong> · 97
IMPRESSUM/VORSCHAU<br />
Impressum<br />
Frankreich erleben ist das Ergebnis von Teamarbeit. Neben den Autoren und<br />
Fotografen tragen auch die Lektoren, Grafiker und alle anderen Mitarbeiter<br />
zur Qualität der einzelnen Artikel bei. Daher sind keine einzelnen Personen<br />
am Ende eines Artikels hervorgehoben, sondern findet die Nennung im<br />
Impressum statt.<br />
Frankreich erleben erscheint im Verlag<br />
Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux<br />
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Herausgeber: Jean-Charles Albert<br />
Chefredakteur (V.i.S.d.P.): Jean-Charles Albert<br />
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Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />
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Gérard Rival, Serge Robin, Sabine Schmitt<br />
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Bezugspreise beinhalten, wo erforderlich, die gesetzliche Mehrwertsteuer.<br />
© <strong>2018</strong> Ajc Presse, Bordeaux<br />
Bildnachweise (nach Seiten, Anordnung von links nach rechts, oben nach<br />
unten): Titel: Serge Robin, Ajc Presse • S.3: Serge Robin, Ajc Presse • S.4:<br />
Serge Robin, Ajc Presse; DR; Sabine Schmitt, DR; Nicole Cobac, Ajc Presse;<br />
Serge Robin, Ajc Presse; Hôtel le Chambard, DR; Serge Robin, Ajc Presse<br />
• S.6-7: Serge Robin, Ajc Presse; Pixabay; Air France, DR • S.8-9: Mathieu<br />
Bertola, Musée de la ville de Strasbourg; Pixabay; Philippe de Rexel, Office<br />
de Tourisme de Strasbourg • S.10-11: Atelier 360, DR; Serge Robin, Ajc<br />
Presse • S.12-18: DR • S.19: DR; Pixabay • S.20-24: DR • S.25: Arte, DR •<br />
S.26: DR • S.28-29: Eric Weber, Musée du Jouet de Moirans-en-Montagne;<br />
Musée du Jouet de Moirans-en-Montagne, DR • S.30-31: Didier Lacroix;<br />
Musée du Jouet de Moirans-en-Montagne; Sophie la Girafe, DR; Musée<br />
du Jouet de Moirans-en-Montagne, DR • S.32-33: Audrey Denegnan,<br />
Juratourisme; Musée du Jouet de Moirans-en-Montagne, Julien David;<br />
Didier Lacroix, Musée du Jouet de Moirans-en-Montagne; Juratourisme,<br />
DR • S.35: DR • S.36-41: Sabine Schmitt, DR • S.42: Sabine Schmitt,<br />
DR: Parc ornithologique du Pont de Gau, DR • S.46-53: Serge Robin, Ajc<br />
Presse • S.54-63: Serge Robin, Ajc Presse • S.64-66: Hôtel le Chambard,<br />
DR; Serge Robin, Ajc Presse • S.68-<strong>69</strong>: Pixabay; Carambar & Co, DR •<br />
S.70-73: Fondation Saint-Exupéry, DR • S.74-77: René Martin, DR • S.78-<br />
85: Serge Robin, Ajc Presse • S.86-87: Nicole Cobac, Ajc Presse • S.93:<br />
Cédric Brown, Ajc Presse • S.94-95: Pixabay • S.96-97: Nicole Cobac, Ajc<br />
Prese • S.98: Serge Robin, Ajc Presse, Cédric Brown, Ajc Presse.<br />
Ende Februar, wenn die nächste Ausgabe von<br />
Frankreich erleben – bereits die 70.! – im Handel<br />
erhältlich sein beziehungsweise in Ihrem Briefkasten<br />
stecken wird, kündigt sich<br />
vielleicht bereits der Frühling an …<br />
Wir laden Sie dann unter anderem<br />
ein, einen Halt auf der<br />
« großen Schwester » und vermutlich<br />
einer der schönsten der<br />
bretonischen Inseln einzulegen:<br />
BELLE-ÎLE-EN-MER.<br />
Sie liegt rund 15 Kilometer von der<br />
Küste entfernt in der Baie de Quiberon,<br />
ist 20 Kilometer lang und misst<br />
an der breitesten Stelle 9 Kilometer.<br />
Vor allem im Frühjahr kann man<br />
dort schnell die Maßstäbe des Festlandes verlieren<br />
und ein gastfreundliches und erholsames<br />
Inselleben entdecken.<br />
Diejenigen, die lieber auf dem Kontinent bleiben,<br />
aber ebenfalls eine Vorliebe für (Süß)Wasser<br />
hegen, nehmen<br />
wir mit an das<br />
Ufer eines großen<br />
Sees zu Füßen<br />
der ALPEN, in<br />
eine Thermalstadt,<br />
deren Name in<br />
der ganzen Welt<br />
bekannt ist.<br />
Nachdem wir den Artikel über<br />
MARSEILLE zweimal verschieben<br />
mussten, lassen wir Sie nun<br />
definitiv mit den Augen eines der<br />
bekanntesten französischen Journalisten,<br />
Albert Londres (1884-1932),<br />
ein unerwartetes Bild von Marseille<br />
entdecken. Sie werden dort die<br />
zweitgrößte Stadt Frankreichs von<br />
einer ganz anderen Seite kennenlernen<br />
und feststellen, dass es zwischen<br />
den 30er-Jahren und heute einige<br />
Parallelen gibt.<br />
Natürlich ist dies nicht alles, die Frühlingsausgabe<br />
hält noch viele andere Ziele und Überraschungen<br />
für Sie bereit …<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 70 - Frühling <strong>2019</strong><br />
Erscheint am 19. Februar <strong>2019</strong><br />
98 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>
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mit 5 Saunen, Sonnenterrasse und Boddenblick, ein Fitnessstudio mit<br />
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vom Ostseestrand und den berühmten Seebädern der Insel entfernt.<br />
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finden werden.<br />
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