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Nr. 69 - Winter 2018-2019

Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise

Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland
Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue
Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen
Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier
Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte-d’Azur<br />

Oben: Während des<br />

Hochzeitstanzes kann es<br />

durchaus zu aggressivem<br />

Verhalten zwischen<br />

« Rivalen » kommen. Dies<br />

äußert sich vor allem<br />

durch entsprechende<br />

Bewegungen mit<br />

Kopf und Schnabel.<br />

Unten: Junge Flamingos<br />

haben zunächst weiße<br />

und dann graue Federn.<br />

Die typische Färbung<br />

erfolgt erst während<br />

des Reifeprozesses.<br />

Während der Parade<br />

nuptiale ist der Farbton<br />

am intensivsten.<br />

war ohrenbetäubend. Da ich nicht wusste, was das Spektakel zu bedeuten hatte, erkundigte ich<br />

mich bei einem Mitarbeiter des Parks und erfuhr, dass in der Nacht zuvor aufgrund der Kälte<br />

80 % der Wasserflächen zugefroren waren. Nicht nur die Flamingos, sondern auch viele andere<br />

Wasservögel waren durch die Situation extrem gestresst und hatten Mühe, Nahrung zu finden.<br />

In einer derartigen Situation müssen sie ihre « Fettreserven » angreifen, und es besteht das Risiko,<br />

dass sie davonfliegen … oder sich beim Landen auf dem Eis die Beine brechen.<br />

Um die Tiere nicht noch mehr zu stressen, wurde der Park im Übrigen dann<br />

am folgenden Tag geschlossen. Obwohl bei meinem Besuch im letzten Jahr<br />

aus diesem Grund keine Parade nuptiale stattfand, konnte ich als Entschädigung<br />

einige schöne « Porträtaufnahmen » machen.<br />

Aber heute ist es anders. In den letzten Tagen gab es keinen<br />

Frost, und der « Liebestanz » ist in vollem Gange. Ich beobachte das<br />

Spektakel einige Minuten und mache mich dann daran, den Fotoapparat<br />

auszupacken. Plötzlich kommt Bewegung in eine Gruppe von<br />

Flamingos, die sich etwas weiter weg, am linken Rand der Wasserfläche<br />

befinden. Die Tiere setzen sich in Bewegung und marschieren<br />

gleichzeitig im Wasser in dieselbe Richtung. Einige versuchen, die<br />

anderen im Flug « zu überholen ». Ich stelle fest, dass auch von anderen<br />

Orten Flamingos ganz unvermittelt auf denselben Punkt<br />

zuzustreben scheinen. Und dann höre ich Geräusche über mir,<br />

hebe den Kopf und sehe ein gutes Dutzend Flamingos über<br />

mich hinwegfliegen. Es scheint, dass fast alle Tiere dasselbe<br />

Ziel haben. Aber welches? Und warum? Nach einigen Minuten<br />

hektischen « Verkehrs » dann die Erklärung: Inzwischen ist ein<br />

kleines Elektrofahrzeug aufgetaucht, aus dem ein junger Mann<br />

mit hohen Gummistiefeln aussteigt, ins Wasser stapft und sich<br />

auf die « wartende Gruppe » zubewegt. Er hat einen Eimer<br />

bei sich, dessen Inhalt er schaufelweise im Wasser verstreut.<br />

Aufgeregt picken die Flamingos nach diesen Körnern. Viele<br />

haben den Kopf im Wasser, einige, die anscheinend nicht so<br />

gut platziert sind, versuchen, sich nach vorne zu drängen. Mit<br />

ausgebreiteten Flügeln, teils watend, teils fliegend, scheinen sie<br />

eine bessere Position erreichen zu wollen. Konkurrenten werden<br />

da schon einmal mit angriffslustigen Kopfbewegungen zum Platzmachen<br />

« aufgefordert ». Als der Eimer leer ist, geht der junge Mann wieder<br />

zu seinem Elektrofahrzeug zurück. Plötzlich setzt sich die Gruppe wieder<br />

in Bewegung. Ich sehe, dass der junge Mann mit seinem Fahrzeug auf dem<br />

Weg weiterfährt und dass sich die Flamingos in dieselbe Richtung bewegen.<br />

Wieder scheinen alle einen bestimmten Punkt anzusteuern, nämlich<br />

genau den Ort, an dem der Mitarbeiter des Vogelparks erneut<br />

anhält, aussteigt und die nächste Körnerration<br />

verteilt. Dort spielt sich dasselbe Szenario ab:<br />

Teils im Wasser, teils in der Luft eilen Rosaflamingos<br />

heran, um bei der « Essensausgabe »<br />

möglichst gut positioniert zu sein. Insgesamt<br />

fünf bis sechs Mal wiederholt sich dasselbe Spektakel.<br />

Später erfahre ich, dass es sich bei den « Körnern »<br />

um Bruchreis handelt, der nicht einmal speziell für die<br />

Flamingos verteilt wird, sondern für die Wasservögel allgemein.<br />

Für die Flamingos stellt dies lediglich eine Ergänzung<br />

ihrer Ernährung (10-20 % des Bedarfs) dar. Man muss auch<br />

wissen, dass 80 % ihrer Population täglich wechseln, sodass fast immer<br />

andere Tiere in den Genuss dieser « Leckerei » kommen.<br />

Das Faszinierende bei einem Besuch im Parc ornithologique du Pont de<br />

Gau ist, dass man hier die Tiere in ihrem natürlichen Umfeld beobachten<br />

kann und trotzdem ganz nah dran ist, was besonders für die Flamingos<br />

40 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>

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