Nr. 69 - Winter 2018-2019
Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise
Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland
Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue
Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen
Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier
Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise
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FRANKREICH HEUTE Wirtschaft<br />
FRANKREICH-DEUTSCHLAND:<br />
Der Krieg der Gummibärchen ist erklärt!<br />
Der französische Konzern Carambar &<br />
Co, die Nummer zwei im Süßwarenmarkt<br />
des Hexagons und Inhaber von<br />
Kultmarken wie Carambar, Malabar,<br />
Suchard, Kaba, La Pie qui Chante, Krema<br />
oder Poulain, hat beschlossen, das<br />
mit einem Marktanteil von knapp 40 %<br />
in Frankreich in diesem Markt führende<br />
deutsche Großunternehmen Haribo<br />
zu entthronen. Carambar gegen Goldbären:<br />
Der Krieg hat begonnen!<br />
Die kleine Welt der französischen Süßwarenindustrie<br />
lag lange Zeit in einem Dornröschenschlaf.<br />
Obwohl die Franzosen Süßigkeiten<br />
durchaus lieben, haben sie sich jahrzehntelang<br />
darauf beschränkt, dieselben Marken zu naschen:<br />
nämlich die, die sie aus ihrer Kindheit kannten. Sie<br />
haben ihren Kaubonbons und Pralinen aus der heimischen<br />
Erzeugung die absolute Treue gehalten –<br />
sofern es nicht einfach mangelnde Neugier<br />
ausländischen Süßwaren gegenüber war. So<br />
sind im Laufe der Zeit einige dieser Produkte<br />
in Frankreich zu regelrechten Kultmarken<br />
avanciert, was im Übrigen nichts Ungewöhnliches<br />
ist: Was die europäische Naschkultur<br />
angeht, so schwören die Deutschen auf ihre<br />
Goldbären und Color-Rado von Haribo und<br />
die Franzosen eben auf ihre legendären Carambar-Riegel<br />
und Malabar-Kaugummis.<br />
Auf beiden Seiten des Rheins herrschen über<br />
die Naschhaftigkeit hinaus echte Zuneigung<br />
und wahrhafter Stolz auf Gummibärchen, Kaubonbons<br />
& Co., die fast als Teil des jeweiligen<br />
Kulturerbes gelten.<br />
Der gute Geschmack<br />
mit Vergangenheit<br />
Das « echte Bonbon » in Frankreich, das alle<br />
kennen und lieben, ist ein Bonbon mit Tradition,<br />
ein « Bonbon mit Geschichte ». So gut wie jeder<br />
kennt die Pastille Vichy: Sie wurde 1825 erfunden,<br />
damit Kurgäste der Stadt Vichy zu Hause die<br />
Wirkung der Kur verlängern können. Neben Zucker<br />
besteht sie aus den Mineralsalzen des Quellwassers,<br />
und sie verkauft sich auch heute trotz ihres<br />
etwas altmodischen Auftritts noch recht gut, vor allem<br />
in Supermärkten und an Autobahntankstellen.<br />
Im Regal der französischen Süßigkeiten, die man<br />
unbedingt kennen sollte, findet man natürlich auch<br />
Carambar, das 1954 kreierte « Kaubonbon, das an<br />
den Zähnen klebt ». Der klassische Carambar-Riegel<br />
besteht aus einer Mischung aus<br />
Karamell und Schokolade, inzwischen existieren<br />
aber auch Varianten ohne Karamell,<br />
dafür mit Fruchtgeschmack. In Marcq-en-<br />
Baroeul, einem Vorort von Lille, werden<br />
täglich immer noch 7 Millionen Carambar<br />
produziert. Ein Merkmal, das mit zur<br />
Berühmtheit von Carambar beigetragen<br />
hat, sind die Witze auf der Innenseite des<br />
Verpackungspapiers. Viele machen sich<br />
einen Spaß daraus, vor dem Verspeisen des<br />
Kaubonbons zuerst Freunden den Witz vorzulesen.<br />
Dies ist in Frankreich so verbreitet,<br />
dass es im alltäglichen Sprachgebrauch sogar<br />
den Ausdruck gibt « einen Carambar-Witz<br />
machen », was ein Synonym für eine Art von<br />
einfachem Pausenhofwitz ist. Weitere französische<br />
Süßigkeiten mit Kultstatus sind der<br />
Kaugummi Malabar, der 1958 erfunden wurde,<br />
das Schokobonbon Mi-Cho-Ko der Marke La Pie qui<br />
Chante, das bereits 1921 in Marseille « das Licht der<br />
Welt erblickte », das fruchtige Kaubonbon Krema<br />
(1923) oder die Schokoladenpraline Rocher Suchard<br />
(1948), die zur Freude mancher Schokoliebhaber<br />
nach wie vor im Werk in Straßburg hergestellt<br />
wird.<br />
Beliebte, aber vernachlässigte Süßigkeiten<br />
Die Franzosen hängen also sehr an ihren<br />
kleinen nationalen Süßigkeiten. Betrachtet man<br />
die Angelegenheit objektiv, stellt man allerdings<br />
fest, dass sie sie lange Jahre nicht sehr beachtet<br />
haben. Fast niemand hat bemerkt, dass<br />
diese Marken ganz allmählich in einen Dornröschenschlaf<br />
gefallen sind. Manche waren<br />
sogar vom Verschwinden bedroht, da sich der<br />
Geschmack veränderte und die internationale<br />
Konkurrenz immer präsenter wurde. Heute<br />
wollen junge Menschen « prickelnd saure »<br />
Fruchtgummis, Bonbons in knalligen Farben<br />
68 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>