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Nr. 69 - Winter 2018-2019

Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise

Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland
Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue
Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen
Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier
Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise

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ART DE VIVRE Genuss<br />

« Pfahlwald » sehen. « Sie sind fast alle aus Pyrenäeneiche,<br />

einer Eichenart, die in der Charente wächst. Diese Pfähle<br />

halten mit sechs bis sieben Jahren nicht so lange wie die,<br />

die man aus brasilianischer Eiche herstellt und die rund<br />

zwanzig Jahre halten. Aber mir erscheint es wichtig, mit<br />

lokalem Holz zu arbeiten. » Sieh mal einer an, Sylvain hat<br />

also eine ökologische Seite … Genaugenommen zweifelten<br />

wir daran bei jemandem, der in so enger Verbindung<br />

mit der Natur arbeitet, auch gar nicht. Doch der erste Eindruck<br />

mit all diesen Schleppern, die sich mit dröhnenden<br />

Motoren dem Meer nähern, hat uns zugegebenermaßen<br />

etwas enttäuscht …<br />

Als wir Sylvain dies sagen, muss er lächeln: « Was<br />

haben Sie erwartet? Pferdewagen? Die gab es vielleicht<br />

zu Zeiten meines Großvaters …, wenn überhaupt. Zum<br />

großen Glück arbeiten wir heute mit Schleppern. Stellen<br />

Sie sich vor, dass wir alleine im Departement Manche pro<br />

Jahr knapp 17 000 Tonnen produzieren. Sie müssen doch<br />

zugeben, dass dies mit Pferden etwas schwierig wäre … »<br />

Da hat Sylvain natürlich recht. Im Übrigen spricht bereits<br />

die Zeit, die wir benötigt haben, um am Strand entlang<br />

bis zu seinen ersten Bouchots zu fahren, für den Schlepper.<br />

Es sind mindestens 1,5 Kilometer, und zu Fuß oder<br />

mit dem Pferd bräuchte man viel länger, somit<br />

bliebe wertvolle Zeit « auf der Strecke<br />

». Da das Zeitfenster durch<br />

Ebbe und Flut sowieso knapp<br />

bemessen ist, ginge dies sehr<br />

zulasten der eigentlichen Arbeit<br />

mit den Muscheln.<br />

Als wir an seinen<br />

ersten Pfählen<br />

a n k o m m e n ,<br />

zeigt mir<br />

Sylvain, wo sich sein « Lager » befindet: « Auf den dem<br />

Ufer nächstgelegenen Pfählen, die bei Flut die kürzeste<br />

Zeit unter Wasser sind, installiere ich einen Behälter.<br />

Dort lagere ich geerntete Muscheln, die ich nicht sofort<br />

benötige. » In der Tat sind die Behälter, die oben auf den<br />

Pfählen befestigt sind, mit Muscheln gefüllt: Es ist fast<br />

eine Art «Muscheltresor».<br />

Sylvain hält den Schlepper an. « Im Moment können<br />

wir noch nicht weiterfahren, anscheinend haben wir einige<br />

Minuten Vorsprung vor der Ebbe. Wir müssen also noch<br />

etwas warten, sonst wird der Schlepper überschwemmt. »<br />

Die Pfähle am Ende der Reihe schauen gerade mal aus<br />

dem Wasser, die vorderen werden jedoch in Kürze erreichbar<br />

sein. Wir nutzen diese kleine Pause, um auf die<br />

Besonderheit der Bouchot-Muscheln zurückzukommen.<br />

Im Prinzip handelt es sich nicht um eine besondere Muschelart,<br />

denn Bouchot-Muscheln können aus zwei Arten<br />

gezüchtet werden: Mytilus edulis und Mytilus galloprovincialis.<br />

Was sie so besonders macht, ist die Zuchtmethode<br />

an Holzpfählen, den Bouchots. Dank dieser Technik<br />

ist sichergestellt, dass sie keinen Sand enthalten, ein<br />

Merkmal, das Muschelliebhaber sehr schätzen. Durch die<br />

vertikale Zucht « fangen » sie die Strömung besser ein, ihre<br />

Schale ist schwarzglänzend und das Fleisch gelblich oder<br />

orange, aber viel farbintensiver als bei anderen Muscheln.<br />

Als Sylvain den Motor des Schleppers wieder anlässt<br />

und langsam Richtung Meer fährt, erklärt er uns<br />

gleichzeitig, dass diese Art der Muschelzucht 1235 ganz<br />

per Zufall von einem irischen Reisenden namens Patrick<br />

Walton erfunden wurde. Er wurde Opfer eines Schiffbruchs<br />

vor der Küste der Charente, rettete sich an Land,<br />

wagte aber nicht, das Sumpfgebiet zu durchqueren, wo er<br />

Hilfe gefunden hätte. Im Glauben, allein auf der Welt zu<br />

sein, ließ er sich am Strand nieder und verbrachte seine<br />

Die Muschellarven (links) – also die<br />

« Muschelbabys » – werden im Mai geliefert.<br />

Sie befinden sich auf Seilen, die Sylvain<br />

Legourgeois horizontal auf Gestelle hängt<br />

(rechts), bis die Muscheln größer sind. Ab<br />

Juni werden die Seile dann um die Pfähle<br />

gewickelt (oben), wo die Muscheln zu ihrer<br />

endgültigen Größe heranwachsen.<br />

82 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>

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