Nr. 69 - Winter 2018-2019
Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise
Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum Spielzeugland
Provence: Tanzende Flamingos in der Camargue
Elsass: Kaysersberg: eines der Lieblingsdörfer der Franzosen
Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: eine Rechenaufgabe für Le Corbusier
Chantals Rezept: les encornets à la Sétoise
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Bourgogne-Franche-Comté<br />
in der Licht und Farben einen besänftigenden Eindruck<br />
vermitteln und das Gefühl entstehen lassen, man befände<br />
sich in einem warmen und schützenden Kokon. Dafür<br />
bediente sich der Architekt einer bei religiösen Gebäuden<br />
klassischen Technik, die er gleichzeitig neu interpretierte:<br />
Ein im Vergleich zur Außenwelt dunklerer Innenraum<br />
soll zu Andacht und Besinnung anregen. Und doch ist<br />
der Ansatz von Le Corbusier hier anders: Die Kapelle hat<br />
keine riesigen Ausmaße, sie ist weder sehr breit noch sehr<br />
tief, die Decke nicht sehr hoch. Und doch strahlt sie ein<br />
intensives – aber gleichzeitig sanftes und harmonisches –<br />
Raumgefühl aus, als ob die Wände für den Besucher eine<br />
schützende Hülle darstellen würden. Man spürt, dass der<br />
Raum konzipiert wurde, um dem Ort eine überschaubare<br />
Größe zu verleihen. Das sorgt eher für Ruhe, als dass es<br />
beeindruckt. Ein wichtiger Faktor ist dabei das Licht. Vor<br />
allem auf der Südseite hat Le Corbusier transparente und<br />
farbige Scheiben eingesetzt, die mit Landschaftsmotiven<br />
aus der Umgebung bemalt sind – einige davon sogar von<br />
ihm selbst – oder Inschriften mit Huldigungen der Heiligen<br />
Jungfrau tragen. Blau, gelb, rot, grün, violett … Sobald<br />
die Sonne scheint, werden diese Farben in den Raum<br />
projiziert und erzeugen eine gedämpfte und poetische<br />
Atmosphäre, die zu innerer Andacht einlädt. Im Idealfall<br />
sollte man eine Zeit lang in der Kapelle verharren, um sich<br />
darüber bewusst zu werden, wie der Sonnenverlauf die Intensität<br />
des Lichts beeinflusst. Nicht nur die Atmosphäre<br />
wird grundsätzlich anders, auch das Aussehen der Wände<br />
scheint sich zu verändern. Durch präzise Berechnungen<br />
gelang es Le Corbusier, mit der natürlichen Beleuchtung<br />
im Tagesverlauf zu spielen.<br />
Der Hügel der drei Architekten<br />
Der Ort zeichnet sich auch durch die bemerkenswerte<br />
Tatsache aus, dass Le Corbusier nicht der einzige renommierte<br />
Architekt war, der an diesem einmaligen Ort gearbeitet<br />
hat. Direkt neben dem Eingang der Kapelle errichtete<br />
der Architekt und Designer Jean Prouvé (1901-1984)<br />
einen freistehenden Glockenturm – einen Campanile. Le<br />
Corbusier wollte keine herkömmlichen Glocken und sah<br />
stattdessen eine elektronische Beschallung vor, die jedoch<br />
niemals umgesetzt wurde. Eine weitere Besonderheit: Neben<br />
den beiden Glocken aus dem 19. Jahrhundert hängt<br />
eine dritte: Sie ist die kleinste und wurde in Erinnerung<br />
an die Mutter und die Ehefrau von Le Corbusier auf<br />
den Namen Charlotte-Amélie-Yvonne-Marie getauft. In<br />
52 · Frankreich erleben · <strong>Winter</strong> <strong>2018</strong>/<strong>2019</strong>