Nr. 69 - Winter 2018-2019

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KULTURSCHOCK Pas de problème! Kein Problem, ich kümmere mich darum …», « Kein Problem, du kriegst es rechtzeitig …», « Kein Problem, das wird erledigt …» Wie oft pro Tag mache ich eine solche Aussage? Auf jeden Fall war das bis vor Kurzem noch sehr häufig so. Ehrlich gesagt muss ich zugeben, dass ich mir gar nicht darüber bewusst war, wie oft ich den Ausdruck pas de problème gegenüber meinen Gesprächspartnern, vor allem im beruflichen Bereich, tatsächlich benutzte. Und nicht nur ich. Bis mich eines Tages meine Kollegin Sabine darauf hinwies, worauf ich mir sofort eine ganze Reihe von Fragen stellte, mich selbst hinterfragte: Bin ich ein uneingeschränkter Optimist? Gehe ich etwa schnell Verpflichtungen ein? Zu schnell womöglich? Ist das ein Fehler, etwas, das ich ändern müsste? So viele Fragen aufgrund einer so kleinen Bemerkung … Ich dachte immer noch über diesen Punkt nach, als mir plöt z l ic h aufging, 94 · Frankreich erleben · Winter 2018/2019
dass Sabine gar nicht mich persönlich gemeint hatte, sondern dass ihre Bemerkung im Grunde viel pauschaler gemeint war: « Wenn ich in Frankreich den Ausspruch pas de problème höre, dann ist das für mich keine Beruhigung, sondern eher ein Grund zur Beunruhigung … Denn oft kommt es gerade dann in der Folge zu Problemen! », hatte Sabine nämlich gesagt – mit einem breiten Lächeln übrigens. Und plötzlich ging mir der wahre Sinn ihrer Äußerung auf: Abgesehen von meinem konkreten Fall, war dies eine interessante Feststellung über eine sprachliche Angewohnheit – womöglich sogar über einen Tick – die sie offensichtlich bei vielen ihrer Gesprächspartnern bemerkte. Eine typisch französische « Marotte », die ihr als Deutsche in diesem Ausmaß fremd war und sie daher stutzig machte. Ein echter Kulturschock also! Ich begann daher, auf meine eigenen Sprachgewohnheiten und auf die meiner Kollegen zu achten. Hat Sabine recht? Benutzen wir Franzosen leidenschaftlich gerne die Wendung pas de problème? Eine kleine Analyse meiner Mailbox gab mir relativ schnell eine ungefähre Vorstellung: Die Suche nach dem Begriff pas de problème brachte umgehend … 313 Ergebnisse! 313 Mal war dieser Begriff in meinen Mails enthalten – und das nur in den letzten beiden Monaten! Äußerst erstaunt über das Resultat machte ich mich daran, die Suche zu verfeinern, indem ich sie auf Nachrichten einschränkte, die ich selbst verschickt hatte. Auch hier sprach das Ergebnis Bände: 134 Treffer! Rein rechnerisch hatte ich selbst also in den letzten beiden Monaten im Durchschnitt mehr als zweimal pro Tag meine Gesprächspartner mit « kein Problem » beschwichtigt. Und das war nur die Auswertung meiner Mails! Diese Entdeckung amüsierte mich in gewisser Weise und, ohne es Sabine zu gestehen, begann ich in der schriftlichen und mündlichen Konversation darauf zu achten. Wenn ich im Laufe des Tages die Entgegnung pas de problème hörte oder las, machte ich jedes Mal, ohne etwas zu sagen, in Gedanken ein kleines Kreuz in meinem Gedächtnis. Dabei kam ich um die Feststellung nicht umhin, dass es viele Kreuze waren: Ich begegnete einer wahren Flut an pas de problème und, wie mir sehr schnell bewusst wurde: Die Variante pas de souci ist ebenso verbreitet. Sabine hatte also die Situation richtig analysiert, es ist fast eine Art Sprachtick. So sehr ich mich dann auch bemühte, bei meinen deutschen Kollegen einen ebenso häufig benutzten äquivalenten Ausdruck auszumachen, es gelang mir nicht. Natürlich hört man da auch einmal « Mach dir keine Sorgen » oder « Kein Problem », aber nicht ständig, bei Weitem nicht im selben Ausmaß. Ich griff also das Thema Sabine gegenüber wieder auf und fragte sie, wie dies möglich sei: « Wie macht ihr das in Deutschland, wenn ihr mit einer Erwartung konfrontiert seid, auf welche Weise macht ihr Zusagen? » Die Antwort von Sabine machte mich erneut nachdenklich: « Vielleicht sind wir einfach pragmatischer oder auch nur realistischer. » Wollen also die Franzosen mit einer Aussage wie pas de problème im Grunde eine ungenaue Antwort geben, sich nicht verpflichten, vielleicht sogar – mehr oder weniger unbewusst – ein sich abzeichnendes Problem umgehen? Oder sind sie sich gar nicht darüber im Klaren, dass ein Problem auftauchen könnte? Vermutlich ist es einfach eine Art, sich von den Ereignissen « treiben » zu lassen, die Dinge mit einer gewissen « Gelassenheit » zu nehmen. Eine Art zu sagen: « Wir werden schon sehen, kein Grund zur Beunruhigung …! » Dass dies manchmal verwirren oder sogar auf die Nerven gehen kann, kann ich gut nachvollziehen! Eines ist auf jeden Fall sicher: Inzwischen achte ich ganz besonders darauf, ob und wann ich den Ausdruck pas de problème verwende, und versuche, in meinen Antworten präziser zu sein. Und dabei geht es mir nicht schlechter, ganz im Gegenteil. Merci Sabine! Frankreich erleben · Winter 2018/2019 · 95
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