Nr. 69 - Winter 2018-2019

UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte-d’Azur
Oben und links unten:
Kurz vor Sonnenuntergang
herrscht
eine schöne Stimmung
im Vogel park.
Unten rechts: ein junger
Flamin go, dessen
Gefie der noch nicht
die ty pi sche Farbe ausgewachsener
Tiere hat.
Rechte Seite: Nach
mehreren Frostnächten
kann es sein, dass
ein Großteil der
Wasserflächen
zugefroren ist. In
diesem Fall sind die
Flamingos sehr gestresst
und versammeln
sich an einem Ort.
Es ist ein Höllenlärm, den man bereits hört, sobald man das Fahrzeug verlässt. Und doch
zieht es mich an diesem eisigkalten, aber wunderschön sonnigen Januartag hierher. Bepackt
mit Fotoapparat und Stativ löse ich mein Ticket am Eingang des Parc ornithologique du
Pont de Gau in der Camargue und betrete das Gelände. Auf den Plan, den man mir aushändigen
will, verzichte ich, denn mittlerweile kenne ich mich hier aus. Bei jedem Schritt wird das « Geschnatter
» lauter, wobei Geschnatter nicht der richtige Ausdruck ist: Im Grunde genommen sind
es eher raue, krächzende Laute, die man am ehesten mit Gänsegeschrei vergleichen kann. Und
dann stehe ich vor der Wasserfläche und sehe sie « tanzen »: die Rosaflamingos bei ihrem Hochzeitstanz,
genannt Parade nuptiale oder Danse amoureuse. Es ist so faszinierend anzusehen, dass ich
im ersten Moment meinen Fotoapparat ganz vergesse und einfach nur zusehe. Obwohl ich das
Spektakel nun schon oft gesehen habe, ist es immer wieder aufs Neue faszinierend: Unzählige
Rosaflamingos stehen im Wasser, viele machen fast im Takt dieselben Bewegungen mit ihren
Köpfen, gehen gleichzeitig erst in die eine, dann in die andere Richtung, stoßen dabei krächzende
Laute aus und dann … plötzlich … kommt das, worauf die Besucher – vor allem aber Fotografen
– warten: Einige Tiere breiten für einen kurzen Moment – nicht länger als ein bis zwei Sekunden
– ihre Flügel mit den charakteristischen karminroten und schwarzen Federn aus, klappen sie dann
aber auch sofort wieder ein. Bei meinem ersten Besuch war es fast unmöglich, im richtigen Moment
ein Foto zu schießen, mittlerweile kenne ich den Ablauf jedoch genauer und kann daher die
Bewegungen besser einschätzen, was auch die « fotografische Ausbeute » erhöht.
Bei den Flamingos ist es der Tanz, der die Magie der Verführung ausmacht, im Gegensatz
zu anderen Tierarten, wo es ein bestimmter Körperschmuck, ein bestimmter « Gesang » oder
ein Nahrungsangebot sein kann. Im Übrigen balzen bei diesen Vögeln nicht nur die Männchen,
sondern auch die Weibchen. Die Tiere führen dabei mit dem Kopf in einem gleichmäßigen
Rhythmus schnelle Bewegungen nach rechts und links aus und bewegen sich dabei vorwärts. Auf
das plötzliche Öffnen der Flügel, genannt Salut des ailes, folgt meist eine Art von Verbeugung.
Dann scheint es, als würden sie mit dem Schnabel ihre Federn an der Flügelunterseite oder auf
dem Rücken glätten. Diese Bewegungen, die zu anderen Zeiten einen ganz bestimmten Zweck
haben (dehnen, Beweglichkeit fördern, Federn pflegen), erfüllen während des Hochzeitstanzes
jedoch keine dieser Funktionen, sondern sind Teil des Rituals. Forscher der vom Schweizer
Luc Hoffmann (1923-2016) 1954 gegründeten biologischen Station Tour du Valat haben herausgefunden,
dass Flamingos bis zu acht verschiedene Körperhaltungen einnehmen und diese