29.04.2020 Aufrufe

Hinz&Kunzt 327: Ich leb jetzt im Hotel

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Stadtgespräch<br />

Caterer „mammas canteen“ kocht<br />

eigentlich für Hamburger Schulen,<br />

<strong>im</strong> April für die Mittagsrakete.<br />

Raketenstart<br />

für Kinder<br />

Etwa jedes fünfte Kind in Hamburg wächst in Armut auf.<br />

Das ist schl<strong>im</strong>m. Schl<strong>im</strong>mer noch ist allerdings, wenn auch noch<br />

die Essensversorgung zum Problem wird. Deswegen hatten<br />

Familienrichter*innen den Verein Mittagsrakete gegründet.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER<br />

FOTO: MITTAGSRAKETE E. V.<br />

Die Kita- und Schulschließungen<br />

seit Mitte März<br />

rauben nicht nur Eltern<br />

Nerven, Kraft und Zeit.<br />

Auch Kinder leiden unter den Corona-<br />

Einschränkungen – vor allem diejenigen,<br />

deren Eltern es aufgrund finanzieller<br />

und auch persönlicher Schwierigkeiten<br />

nicht schaffen, die Kleinen regelmäßig<br />

mit gesundem Essen zu versorgen.<br />

In dieser Situation sprang die Mittagsrakete<br />

seit Anfang April den Eltern zur<br />

Seite. Das ehrenamtliche Hilfsprojekt<br />

versorgte täglich mehr als 2000 Kinder<br />

aus belasteten Familien mit frisch gekochtem<br />

Essen, erzählt Esther Rosenboom<br />

<strong>im</strong> Gespräch mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Die Familienrichterin kennt die Schwierigkeiten<br />

der Familien. „Praktische<br />

Hilfe gehörte allerdings bislang nicht zu<br />

meinem Arbeitsalltag“, sagt die 40-Jährige<br />

schmunzelnd.<br />

Als Kitas und Schulen schlossen,<br />

war Rosenboom sofort klar, welche<br />

fatalen Auswirkungen diese Maßnahme<br />

auf sowieso schon belastete Familien<br />

haben würden. Neben Unterricht und<br />

Betreuung fällt durch die Coronaeinschränkungen<br />

eben auch das Mittagessen<br />

weg – ein normalerweise kostenloses<br />

Angebot für Menschen <strong>im</strong><br />

Hilfebezug. Und wer eh schon knapp bei<br />

Kasse ist, für den kann die zusätzliche<br />

Versorgungsaufgabe zum finanziellen<br />

Problem werden.<br />

Zusammen mit einem Notar, weiteren<br />

Kolleg*innen, einer Rechtsanwältin<br />

und zwei Geschäftsleuten stampfte<br />

Rosenboom kurzerhand die Mittagsrakete<br />

aus dem Boden. Das Essen<br />

wurde vom professionellen Schulcaterer<br />

„mammas canteen“ zubereitet<br />

und durch Spenden finanziert. Mithilfe<br />

von Freiwilligen belieferte der Caterer<br />

die Kinder direkt an der Wohnungstür.<br />

Ein perfektes Zusammenspiel aus professionellen<br />

Köch*innen, ehrenamtlich<br />

Helfenden und Richter*innen, die den<br />

Kontakt zu hilfebedürftigen Familien<br />

aufbauen konnten. Innerhalb weniger<br />

Tage waren schon mehr als 500 Familien<br />

angemeldet.<br />

„Der Ansturm auf unser Angebot<br />

ist auf eine traurige Art überwältigend“,<br />

sagte Rosenboom. Angemeldet<br />

wurden die Kinder von Jugendämtern<br />

aber auch freien Trägern. Ein aufwendiges<br />

Verfahren, an dessen Ende die<br />

Hilfe aber auch tatsächlich diejenigen<br />

erreichte, die darauf angewiesen sind.<br />

Gekocht wurde in ungenutzten<br />

Schulkantinen. Die Lieferung erfolgte<br />

„kontaktlos“, um Infektionsrisiken zu<br />

vermeiden. Ein gigantischer Lieferservice<br />

für mehr als 800 Haushalte.<br />

Vier Wochen und 42.000 Raketenmahlzeiten<br />

später übern<strong>im</strong>mt ab Mai<br />

die Stadt wieder die Versorgung der<br />

Kids. „Unsere ,Raketenmission‘ ist erfüllt“,<br />

freut sich Rosenboom. •<br />

Kontakt: jonas.fuellner@hinzundkunzt.de<br />

34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!