19.05.2020 Aufrufe

LA KW 21

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Ich werde als Bürgermeister aufhören“<br />

Landecks Stadtoberhaupt Wolfgang Jörg erklärt seinen Rücktritt<br />

Diese Gemeinderatssitzung<br />

wird in die Geschichte der Landecker<br />

Stadtpolitik eingehen.<br />

Sichtlich von seinen Emotionen<br />

mitgenommen, erklärte<br />

Bgm. Wolfgang Jörg am vergangenen<br />

Donnerstag seinen Rücktritt<br />

per 31. Mai. Als Grund<br />

führte er die Verurteilung vor<br />

dem Landesverwaltungsgericht<br />

im Jahr 2019 an, da bei den<br />

Venetbahnen, deren Vorstand<br />

Jörg war, 24 Asylwerber illegal<br />

beschäftigt wurden. Jetzt zieht<br />

Jörg einen politischen Schlussstrich.<br />

Von Albert Unterpirker<br />

Viel wurde in den letzten Monaten<br />

im Talkessel hinter vorgehaltener<br />

Hand gemunkelt, wie lange<br />

Bgm. Dr. Wolfgang Jörg sein Amt<br />

noch ausüben wird. Seit Donnerstag<br />

ist die Zeit den Munkelns vorüber:<br />

„Ich werde mit 31. Mai 2020<br />

als Bürgermeister aufhören“, sagte<br />

Wolfgang Jörg vor versammeltem<br />

Gemeinderat. In diesem Moment<br />

hätte man im Stadtsaal – die Sitzung<br />

fand aufgrund von Corona-<br />

Sicherheitsmaßnahmen dort statt –<br />

eine Vogelfeder fallen hören, so still<br />

war es nach dieser Ankündigung.<br />

„Ich habe mir das lange überlegt“,<br />

so Jörg, „und ich habe in der Quarantäne<br />

viel Zeit gehabt, nachzudenken.<br />

Ich habe immer versucht, das<br />

Beste zu machen.“ Es habe damals<br />

drei Anzeigen gegeben. „Beim Arbeitsrechtsanpassungsgesetz<br />

wurde<br />

es eingestellt, beim ASVG hat es<br />

eine Ermahnung gegeben und beim<br />

Ausländer-Beschäftigungsgesetz<br />

wurde ich zu einer Stellungnahme<br />

aufgefordert“, erzählt Jörg. „Dann<br />

hat die BH Landeck zuerst eine Ermahnung<br />

an mich ausgesprochen.“<br />

In weiterer Folge habe die Finanzpolizei<br />

eine Beschwerde an das<br />

Landesverwaltungsgericht gemacht.<br />

„Ich habe nie mit einem Flüchtling<br />

etwas zu tun gehabt und ich habe<br />

weder vorsätzlich, noch grobfahrlässig<br />

noch irgendetwas gemacht“,<br />

so der Bürgermeister weiter. „Ich<br />

muss jetzt 19.800 Euro zahlen. Es<br />

geht irgendwo und irgendwann zu<br />

weit. Es gibt Situationen im Leben,<br />

wo man werten muss: Zahle ich für<br />

meinen Job hinein, ist mir das wert?<br />

Es stellt sich für mich einfach eine<br />

Frage des Sinns – irgendwann ist genug.“<br />

Und weiter erklärt Jörg: „Was<br />

mich am meisten stört: Ich hab<br />

Bgm. Wolfgang Jörg, flankiert von seinen beiden Vizebürgermeistern Peter Vöhl (l.) und Thomas Hittler.<br />

nichts Falsches gemacht. Ich muss<br />

ganz ehrlich sagen: Da ist man hineingetunkt<br />

worden! Es ist eine moralische<br />

Geschichte, die juristische<br />

heißt: Mitgehangen, mitgefangen.“<br />

Er habe mit keinem darüber geredet,<br />

dass er aufhöre. „Ich habe es meiner<br />

Mama gesagt. Das ist eine Situation,<br />

zu der man auch stehen muss – und<br />

ich habe mir das so vorgenommen.<br />

Ich muss mich bei manchen Leuten<br />

bedanken, beim Thomas (Hittler,<br />

Anm.), bei der Familie und bei der<br />

Gemeinde St. Anton. Ich möchte<br />

mich auch bei den Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern bedanken, und<br />

vor allem bei den Bürgerinnen und<br />

Bürgern. Ich wünsche euch und der<br />

Stadt alles Gute!“<br />

ENTSCHEIDUNG. Anschließend<br />

erklärte Thomas Hittler (erster<br />

Vize-Bürgermeister) zu Jörg unter<br />

Tränen: „Ich möchte mich bei dir<br />

bedanken für die Jahre und für die<br />

Freundschaft. Ich bin absolut dagegen,<br />

dass Wolfgang das macht, aber<br />

ich respektiere und verstehe seine<br />

Entscheidung. Wolfgang, es war eine<br />

schöne Zeit mit dir. Wir haben viel<br />

Erfolg gehabt, wir haben auch ein<br />

paar Misserfolge gehabt – das gehört<br />

dazu. Es geht nicht der Bürgermeister,<br />

es geht ein Freund. Ich finde es<br />

schade für die Stadt, aber ich glaube,<br />

dass es für dich persönlich eine<br />

gute Entscheidung ist. Das, was da<br />

passiert ist, ist solch eine Frechheit.<br />

Normalerweise müsste es jeder verstehen,<br />

wenn sich keiner mehr für<br />

ein politisches Amt zur Verfügung<br />

stellt. Ich muss ehrlich sagen: Ich<br />

habe es auch überlegt, es mit Wolfgang<br />

zu machen. Ich habe es nicht<br />

getan, aber der Grund wäre da. Für<br />

so etwas Strafe zu zahlen, ist es eine<br />

absolute Frechheit und da läuft im<br />

RS-Foto: Unterpirker<br />

Staat etwas falsch. Das muss ich<br />

ganz offen sagen. Wolfgang, ich<br />

kann dich jetzt nicht umarmen, aber<br />

ich täte es gern!“<br />

Drei Favoriten<br />

Neuwahl in Landeck – Urteil gegen „Venet-Vorstände“<br />

(dgh) Vier Venetbahn-Vorstände<br />

waren von der illegalen Asylwerberbeschäftigung<br />

betroffen. Sie<br />

haben es gut gemeint, wollten<br />

Asylwerbern, die nur äußerst eingeschränkt<br />

arbeiten dürfen, ein wenig<br />

Abwechslung und einen kleinen<br />

Verdienst bieten. Zusatznutzen<br />

aus Politiker-Sicht: Ein möglichst<br />

harmonisches Zusammenleben im<br />

Asylwerberheim, wenn 60 Männer<br />

zumindest nicht den ganzen Tag<br />

lang in einem Gebäude „aufeinanderkleben“.<br />

Aber diese Beschäftigung<br />

war illegal, auch wenn es sich<br />

bei der Venetbahn quasi um einen<br />

gemeindeeigenen Betrieb (Landeck<br />

und Zams) handelt. Finanziell am<br />

härtesten trifft es Bgm. Siegmund<br />

Geiger aus Zams – er musste in<br />

etwa das Doppelte von Wolfgang<br />

Jörg bezahlen. Auch der Gang<br />

zum Höchstgericht (Verwaltungsgerichtshof)<br />

brachte keine Änderung<br />

mehr: „Die außerordentliche Revision<br />

wurde abgelehnt“, sagt Geiger.<br />

Das sei zur Kenntnis zu nehmen,<br />

erklärt er. „Wir haben es menschlich<br />

gut gemeint, aber rechtlich<br />

sind wir falsch gelegen“, sagt der<br />

Zammer Bürgermeister, der diese<br />

„bittere Pille“ schlucken muss –<br />

Geiger wie seine Vorstandskollegen<br />

waren ehrenamtlich für die Venetbahn<br />

tätig und mussten die Strafe<br />

aus der eigenen Tasche bezahlen.<br />

HITTLER, VÖHL, MAYER. In<br />

Landeck sind nun Bürgermeisterneuwahlen<br />

durchzuführen. Klar ist,<br />

dass er von den Gemeinderäten aus<br />

ihrer Mitte gewählt wird, da es weniger<br />

als zwei Jahre bis zur nächsten<br />

regulären Wahl sind. Für Wolfgang<br />

Jörg rückt ein Ersatzgemeinderat<br />

nach, laut VBgm. Thomas Hittler<br />

ist‘s Florian Stubenböck. Fristen,<br />

wann die Wahl spätestens stattzufinden<br />

hat, gibt‘s keine. Nachdem die<br />

ÖVP mit zwölf Mandaten die absolute<br />

Mehrheit hat, wird Landeck<br />

sicherlich wieder einen „schwarzen“<br />

Stadtchef bekommen. Laut VBgm.<br />

Thomas Hittler wird‘s wohl VBgm.<br />

Peter Vöhl, StR Herbert Mayer oder<br />

er selbst – entsprechende Abklärungen<br />

(mit Familie, Arbeitgeber<br />

etc.) folgen. Herbert Mayer war<br />

schon einmal Stadtchef: Zwischen<br />

dem Tod Bgm. Engelbert Stenicos<br />

im Herbst 2012 und der Angelobung<br />

Bgm. Wolfgang Jörgs im Frühjahr<br />

2013 lenkte der frühere Vizebürgermeister<br />

die Geschicke der Bezirkshauptstadt.<br />

Auch Thomas Hittler<br />

war es schon einige Wochen – während<br />

der Corona-Maßnahmen-bedingten<br />

Isolation Wolfgang Jörgs.<br />

RUNDSCHAU Seite 8 20./22. Mai 2020

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!