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Magazin download - Theater Bonn

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den Lessing-Verehrer Gustav Friedrich Wilhelm Grossmann als Direktor<br />

gewonnen. Der Kurfürst zahlte einen Zuschuss und stellte das Orchester;<br />

der Eintritt für die <strong>Bonn</strong>er Bürger war frei.<br />

In der ersten Saison kamen 52 verschiedene Stücke (darunter allein sechs<br />

von Lessing) auf die Bühne, allerdings jeweils nur ein Mal. Molière, Marivaux,<br />

Goldoni, Gozzi, Calderón und ab 1780 auch Shakespeare standen<br />

auf dem Spielplan, Goethe merkwürdigerweise selten. Daneben auch<br />

Singspiele, Melodramen und schlichte Unterhaltungsstücke, um den melancholischen<br />

Kurfürsten aufzuheitern. Der legte übrigens großen Wert<br />

auf sorgfältige Arbeit und pflegte während der Vorstellungen in seiner<br />

Loge den Text mitzulesen und Improvisationen zu tadeln. Grossmann<br />

engagierte seine Schauspieler selbst. Seine Truppe eroberte sich schnell<br />

einen solch guten Ruf, dass sie in den Sommermonaten in diverse andere<br />

Städte verpflichtet wurde. 1783 übernahm er zusätzlich die Leitung des<br />

Mainzer Hoftheaters und gastierte regelmäßig in Frankfurt. Ziemlich sicher<br />

fand 1783 die Uraufführung von Schillers FIESCO in <strong>Bonn</strong> statt.<br />

1784 starben sowohl Belderbusch als auch der Kurfürst. Dessen Nachfolger<br />

Maximilian Franz, ein Sohn der Kaiserin Maria Theresia, verlängerte<br />

Grossmanns Vertrag nicht und förderte wieder stärker die Musik und das<br />

Musiktheater. Hofkapellmeister und damit Nachfolger von Ludwig van<br />

Beethoven (Großvater des 1770 in <strong>Bonn</strong> geborenen großen Komponisten),<br />

der die Stelle seit 1761 innehatte, wurde 1785 allerdings nicht Wolfgang<br />

Amadeus Mozart, der auf die Position gehofft hatte, sondern der<br />

Komponist Joseph Reicha. Grossmanns Truppe löste sich wegen interner<br />

Querelen auf. Der Kurfürst kaufte den Fundus und die Manuskripte und<br />

engagierte einen Teil der Darsteller, die übrigens – wie damals üblich – sowohl<br />

dem Schauspiel als auch der Oper zur Verfügung stehen mussten.<br />

Zwischen 1789 und 1794 kamen etliche Mozart-Opern zur Aufführung.<br />

Außerdem wurde auch im neuen Komödienhaus (1810 für 10.000 Francs<br />

an eine wohlhabende Familie versteigert) neben der Godesberger Redoute<br />

gespielt. Sehr wahrscheinlich wurde 1793 in der Redoute zum ersten<br />

Mal in Kurköln Mozarts ZAUBERFLÖTE präsentiert. 1794 war die Zeit des<br />

kurfürstlichen Glanzes vorbei. Maximilian Franz floh vor den anrückenden<br />

französischen Revolutionstruppen und starb 1801 in der Nähe seiner<br />

Heimatstadt Wien. <strong>Bonn</strong> wurde 20 Jahre lang Teil der Grande Nation.<br />

Die französischen Behörden zeigten sich angesichts der schlechten wirtschaftlichen<br />

Lage der Stadt, die nach dem Verlust der Residenzstadt-Würde<br />

und der Schließung ihrer 1786 im ehemaligen Jesuitengymnasium gegründeten<br />

Universität verarmte, dem <strong>Theater</strong> nicht gänzlich abhold. <strong>Bonn</strong><br />

gehörte zu den wenigen privilegierten Orten, die aus Paris die Erlaubnis<br />

erhielten, ein stehendes <strong>Theater</strong> zu unterhalten, wo leider nur noch wenig<br />

stattfand. Französische Stücke wurden vom Publikum boykottiert, reine<br />

Unterhaltung zu hohen Preisen nicht goutiert.<br />

WISSENSCHAFTSSTADT UND<br />

BÜRGERINITIATIVEN<br />

Bereits in den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts hatte sich in der <strong>Bonn</strong>er<br />

Bürgerschaft eine Gruppe theaterbegeisterter Amateure gebildet, zu<br />

der u.a. auch Mitglieder der Hofkapelle gehörten, darunter Ludwig van<br />

Beethoven sen. und der Sänger Johann van Beethoven, Vater des größten<br />

Sohnes der Stadt. Die Liebhabertruppe spielte zumeist auf Deutsch, durfte<br />

in einem Saal des Rathauses auftreten (gelegentlich auch im kurfürstlichen<br />

Schloss) und bildete neben dem Schultheater und dem Hoftheater<br />

die dritte Säule im <strong>Bonn</strong>er <strong>Theater</strong>leben, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

freilich fast ganz zum Erliegen kam. Nachdem die Rheinlande unter<br />

preußischer Herrschaft standen und das liberale <strong>Bonn</strong> den Kampf um eine<br />

Rheinische Universität gegen das katholische Köln gewonnen hatte, wurde<br />

das Hoftheater zugeschüttet und in eine Reitbahn verwandelt. Denn<br />

die neue Alma Mater residierte im ehemaligen kurfürstlichen Schloss,<br />

und mit der akademischen Würde war ein <strong>Theater</strong> nicht zu vereinbaren.<br />

„Montag, den 19ten dieses lauffenden Monats Februar Morgens 10 Uhr<br />

sollen im hiesigen am Kölnthor rechts gelegenen Stadtgraben, die Effekten<br />

aus dem Kurfürstlichen Hoftheater, bestehend aus vielen Coulissen,<br />

Vorhängen und zu allen Vorstellungen geeigneten Dekorationen, vorzüglich<br />

jenen eines ausgezeichneten Saales, die allenfalls auch zum tapezieren<br />

brauchbar sind, meistens noch in gutem Zustande zusammen oder<br />

auch theilweise, gegen bare Zahlung verkauft werden.“ hieß es am 10.<br />

Februar 1821 im „<strong>Bonn</strong>er Wochenblatt“.<br />

Die Leitung der <strong>Bonn</strong>er Universität, deren Etat zu Beginn etwa das Dreifache<br />

des gesamten städtischen Haushalts betrug, war gegenüber dem<br />

<strong>Theater</strong> äußerst skeptisch, weil es die Studenten zu unnützen Geldausgaben<br />

und Schlimmerem verleiten könnte. Zumal Friedrich der Große schon<br />

1771 „aus landesväterlicher Fürsorge für das wahre Beste der studentischen<br />

Jugend“ alle <strong>Theater</strong>aufführungen in Universitätsstädten verboten<br />

hatte – was für Berlin selbstverständlich nicht galt. In <strong>Bonn</strong> herrschte zwar<br />

wegen der Anziehungskraft der Universität und Persönlichkeiten wie z.B.<br />

Ernst Moritz Arndt, August Wilhelm Schlegel, Sibylle Mertens-Schaffhausen,<br />

Johanna Schopenhauer und dem Ehepaar Kinkel ein reges geistiges<br />

und kulturelles Leben. Lesungen mit verteilten Rollen, Liebhaberaufführungen,<br />

Hauskonzerte etc. sind bezeugt. Die „Lese- und Erholungsgesellschaft“<br />

erlebte eine neue Blüte, bürgerliche Geselligkeit war in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts an der Tagesordnung. Nur das hauptberufliche<br />

<strong>Theater</strong> genoss in akademischen Kreisen geringes Ansehen.<br />

Nachdem die Stadt wirtschaftlich wieder Fuß gefasst hatte, griffen einige<br />

vermögende Bürger (ihre Namen sind leider nicht bekannt) 1826 zur<br />

Selbsthilfe und erbauten in wenigen Wochen für 7.000 Taler am Vierecksplatz,<br />

dem heutigen Bertha-von-Suttner-Platz, ein nicht eben prächtiges,<br />

aber taugliches <strong>Theater</strong>. Die preußische Verwaltung unternahm nichts<br />

dagegen; die Universitätsleitung wollte die Zahl der Vorstellungen auf<br />

wöchentlich eine beschränkt wissen. Die Stadtspitze zeigte sich desinteressiert,<br />

eine festliche Eröffnung fand nicht statt. Als Leiter wurde von den<br />

<strong>Theater</strong>eigentümern der Direktor des Kölner <strong>Theater</strong>s, Friedrich Sebald<br />

Ringelhard, engagiert, der nach zähen Verhandlungen mit der Universität<br />

vier Vorstellungen von Opern und Schauspielen pro Woche anbieten durfte.<br />

Er holte überregional prominente Künstler nach <strong>Bonn</strong>. Giacomo Meyerbeers<br />

Bruder Michel Beer z.B. sang den Max in Webers FREISCHÜTZ,<br />

Albert Lortzing war kurze Zeit als jugendlicher Liebhaber und zweiter<br />

Tenor engagiert (seine Eltern und seine Frau gehörten ebenfalls zum Ensemble).<br />

Als Kassierer fungierte Robert Blum, der später als Führer der<br />

Linken eine wichtige Rolle in der Frankfurter Nationalversammlung 1848<br />

spielte und im selben Jahr in Wien standrechtlich erschossen wurde. Ringelhard<br />

eroberte sich die Gunst des Publikums und sogar einen städtischen<br />

Zuschuss, zog aber 1832 nach Leipzig. Am Vierecksplatz gab es<br />

wieder Gastspiele unterschiedlicher Qualität, Akrobaten, Zauberkünstler,<br />

Fechtakademien etc., bis 1840 der Immermann-Schüler Friedrich Spielberger<br />

in Kooperation mit Köln für einen anspruchsvollen, geregelten<br />

Spielplan und die Verpflichtung namhafter Darsteller sorgte. Als er das<br />

gebildete <strong>Bonn</strong>er Publikum für seine Arbeit eingenommen und das <strong>Theater</strong><br />

soeben in die Gewinnzone geführt hatte, beschloss die Stadt, das<br />

Haus abzureißen. Gründe sind nicht bekannt, die Bürger protestierten<br />

mit Flugblättern und Leserbriefen vergeblich. Und gründeten sofort einen<br />

<strong>Theater</strong>verein, dem schließlich der Neubau am Kölntor gelang. Der Standort<br />

lag ein wenig abseits, nach dem vielversprechenden Beginn sank das<br />

künstlerische Niveau. Ein <strong>Bonn</strong>er Kaffeehausbesitzer versuchte 1856 nach<br />

dem Vorbild seines Kölner Kollegen Franz Stollwerck, ein „Tivoli-<strong>Theater</strong>“<br />

zu etablieren. Es half alles nichts: Das <strong>Theater</strong> ging in Konkurs und wurde<br />

städtisch, womit wir wieder im Jahr 1859 angekommen sind. ▼<br />

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