VdS_Journal für Astronomie_Nr 74
Die Vereinigung der Sternfreunde e.V. ist der größte überregionale Verein von Amateur-Astronomen im deutschsprachigen Raum. Wir informieren Sie über aktuelle astronomische Ereignisse sowie Neuigkeiten aus der Amateurastronomie-Szene und aus dem Verein.
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Geschichte
Geschichte
dieser Experimente veröffentlichte er 1919 und 1920 [8, 9]. Außerdem
fasste er seine Thesen zur Entstehung der Mondkrater in einer
Monografie mit dem Titel „Die Entstehung der Mondkrater“ zusammen,
die 1921 vom Verlag Vieweg herausgegeben wurde. Wegener
setzt sich hier ausführlich mit den vier damals hauptsächlich
diskutierten Hypothesen zur Entstehung der Mondkrater auseinander.
Sie sind im zweiten Kasten beschrieben.
Gegen die Blasen- und Gezeitenhypothese, die teilweise durch Laborexperimente
gestützt wurden, argumentiert er, dass man die
Laborverhältnisse nicht auf einen Himmelskörper wie den Mond
übertragen könne, da im Labor Adhäsionskräfte dominieren, wohingegen
bei Himmelskörpern Massenkräfte ausschlaggebend
sind. Gegen die Vulkanhypothese, die damals von vielen Wissenschaftlern
akzeptiert wurde, argumentiert er mit einem Bild, in
dem er die Querschnittsprofile von Mondkratern und irdischen
Vulkanen maßstabsgerecht einzeichnet (Abb. 2). Man sieht, dass
sich die Querschnittsprofile von Vulkanen und Mondkratern deutlich
unterscheiden. Die von ihm bevorzugte Aufsturzhypothese
untermauert er mit der Beschreibung und Bildern von den Versuchen,
die er im Winter 1918/1919 in Marburg durchgeführt hatte
[8, 9]. Er beschäftigt sich dann noch mit dem Barringer-Krater in
Arizona, der auch damals schon von vielen als Impaktkrater betrachtet
wird und fragt sich, ob weitere auf der Erde zu finden seien.
Einen Hinweis darauf, dass es weitere Krater geben müsste, sieht er
z. B. in den Moldaviten ([9], Seite 39). Heute weiß man, dass diese
beim Nördlinger-Ries-Impakt entstanden sind. 1928 untersuchte
Wegener einen Krater in Estland [11], der heute als Kaali-Meteoritenkrater
bekannt ist (Abb. 3), und stufte ihn als Impaktkrater ein,
was sich aus heutiger Sicht als richtig erwies. Mit diesen Hypothesen
zur Entstehung von Impaktkratern auf dem Mond und der Erde
ist Wegener seiner Zeit weit voraus, denn erst nach 1960 wurde die
Theorie der Entstehung der Mondkrater durch Impakt allgemein
anerkannt und es wurden auch viele geologische Strukturen auf der
Erde mit großer Sicherheit als Impaktkrater identifiziert, z. B. das
Nördlinger Ries und das Steinheimer Becken.
Hypothesen zur Entstehung der Mondkrater
Aufsturzhypothese:
Der Großteil der Krater auf dem Mond ist durch Impakt von
kosmischen Körpern entstanden.
Blasenhypothese:
Die Krater sind in der Frühzeit des Mondes durch aufsteigende
Gasblasen im flüssigen Inneren entstanden, die an der Mondoberfläche
explodierten.
Gezeitenhypothese:
Die Krater sind in der Frühzeit des Mondes, als die starre
Oberfläche noch sehr dünn war, durch Gezeitenkräfte auf das
flüssige Innere entstanden. Diese Kräfte verursachten teilweise
einen Durchbruch des flüssigen Magmas durch die dünne,
starre Mondoberfläche. Durch Erstarrung bildeten sich dann
ringförmige Strukturen.
Vulkanhypothese:
Der Großteil der Krater auf dem Mond ist vulkanischen
Ursprungs.
Literaturhinweise:
[1] A. Wegener, 1905: „Die Alfonsinischen Tafeln für den Gebrauch
eines modernen Rechners“, Inaugural-Dissertation
Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, Druck E. Ebering
[2] A. Wegener, 1905: „Die astronomischen Werke Alfons X“,
Bibliotheca Mathematica, Zeitschrift für Geschichte der
Mathematischen Wissenschaften, Teubner, Leipzig, 3. Folge,
6. Band, 2. Heft, S. 129-185
[3] A. Wegener, 1906: „Über die Entwicklung der kosmischen
Vorstellungen in der Philosophie“, Mathematisch-Naturwissenschaftliche
Blätter, Band 3, S. 61-64, u. S. 78-82
[4] A. Wegener, 1915: „Ueber den Farbwechsel der Meteore“, in:
„Das Wetter“, Sonderheft zum 13. April 1915, S. 62-66
[5] A. Wegener, 1917: „Das detonierende Meteor vom 3. April
1916, 3½ Uhr nachmittags in Kurhessen“, Sitzungsberichte
der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften
zu Marburg 1917, 14 (1)
[6] A. Wegener, 1918: „Der Farbwechsel Großer Meteore“, Abh.
Kaiserl. Leop.-Carol. Deutsch. Akademie Naturforscher
(= Nova Acta 104) 1, S. 1-34
[7] A. Wegner, 1918: „Über die planmäßige Auffindung des
Meteoriten von Treysa“, Astronomische Nachrichten 207,
S. 185-190
[8] A. Wegener,1919: „Versuche zur Aufsturztheorie der Mondkrater“,
Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung
3 Kaali-Meteoritenkrater: https://de.wikipedia.org/wiki/
Kaali_(Saaremaa)
der gesamten Naturwissenschaften
zu Marburg 1919 (2), 7-10
[9] A. Wegener, 1921: „Die Entstehung
der Mondkrater“, Friedrich Vieweg
und Sohn, Braunschweig
[10] A. Wegener, 1927: „Die Geschwindigkeit
großer Meteore“, Die Naturwissenschaften
15, Heft 12, Berlin,
S. 286-288
[11] E. Kraus, R. Meyer, A. Wegener,
1928: „Untersuchungen über den
Krater von Sall auf Ösel“, Kurlands
Beiträge zur Geophysik 20,
Der Wolfsche Sechszöller
– Der Lebenslauf eines historischen Teleskops
von Klaus Wenzel
Beim „Wolfschen 6-Zöller“ handelte es sich
um einen 6-Zoll-Refraktor mit einem Objektiv
von Reinfelder und Hertel auf einer
deutschen Montierung der Firma Sendtner,
der ab 1885 in einer 5-m-Kuppel im Hinterhof
des Wohnhauses der Familie Wolf in der
Heidelberger Märzgasse 16 aufgestellt war.
Dieses Teleskop war sozusagen das erste
Mosaiksteinchen der Heidelberger Astronomie
vom Königsstuhl bis zum 3,5-m-Teleskop
auf dem Calar Alto. Eine besondere
historische Bedeutung muss man ihm zugestehen,
da mit ihm der erste Kleinplanet
((323) Brucia) auf fotografischem Wege
entdeckt wurde, was eine Revolution in der
Kleinplanetenforschung bedeutete.
Zunächst benutzte Max Wolf dieses Instrument
für visuelle Beobachtungen. Doch
schon frühzeitig setzte er auf die Fotografie.
Erstes fotografisches Objekt war der Stern
Zeta Ursae Majoris am 24. September 1887
mit einer Belichtungszeit von 40 s durch das
Hauptrohr. Ab 1889 begann Max Wolf kleinere
Objektive (Kranz 5 Zoll und Steinheil
61 mm) an den Refraktor zu montieren, um
damit größere Sternfelder aufzunehmen.
Der Refraktor selbst wurde bei diesen Aufnahmen
als Leitrohr verwendet. Der große
Erfolg folgte dann am 22. Dezember 1891,
als er auf der Platte A358 mit Brucia (323)
seinen ersten Kleinplaneten entdecken
S. 312-378
[12] E. Wegener, Alfred Wegener, 1960:
„Tagebücher, Briefe, Erinnerungen“,
F. A. Brockhaus, Wiesbaden 1960
[13] G. Ehmke, 1980: „Alfred Wegener
und die Himmelskunde. Ein Beitrag
zum 100. Geburtstag des bedeutenden
Naturforschers“, Die Sterne 56,
Heft 6, S. 331-340
[14] Mott T. Greene, 1998: „Alfred Wegener
an the Origin of Lunar Craters“,
Earth Sciences History 17, No. 2,
Impacts Issue: Rocks from Space?
konnte. Dies war die erste fotografische
Entdeckung eines Kleinplaneten
überhaupt.
Wenige Wochen zuvor (9.-10.
September 1891) belichtete Max
Wolf die Region um Deneb über
zwei Nächte insgesamt 13 Stunden
und 5 Minuten. Auf dieser
kontrastreichen Aufnahme entdeckte
er die gesamte Form des
Nebels NGC 7000, den Wilhelm
Herschel bereits am 24. Oktober
1786 als schwache, extrem große,
sehr diffuse Nebelregion entdeckt
hatte. Die Form des Nebels erinnerte
Max Wolf an Nordamerika,
damit war der Eigenname „Nordamerikanebel“
geboren.
(1998), pp. 111-138
[15] Mott T. Greene, 2015: „Alfred Wegener:
science, exploration, and the
theory of continental drift“, Johns
Hopkins University Press
[16] Roland u. Ute Wielen, 2017: „Alfred
Wegener und das Astronomische
Rechen-Institut“, Astronomisches
Rechen-Institut, Zentrum für Astronomie,
Universität Heidelberg,
Heidelberg: https://archiv.ub.uniheidelberg.de/volltextserver/24001
(Stand: Januar 2020)
1 Die historische Kuppel mit dem Wolfschen
6-Zöller in der Heidelberger Märzgasse um 1890
Ende Januar/Anfang Februar
1892 wurde das Teleskop mit einer
6-Zoll-Portraitlinse (f/5) von
Voigtländer (I) aus Braunschweig
aufgerüstet. Ab Januar 1893 kam
eine weitere 6-Zoll-Voigtländerlinse
(II) hinzu, damit war der
Astrograf fertig. Es konnten nun
2 Der 6-Zöller mit den Voigtländer-
Kameras in der alten Kuppel um 1892
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