VdS_Journal für Astronomie_Nr 74
Die Vereinigung der Sternfreunde e.V. ist der größte überregionale Verein von Amateur-Astronomen im deutschsprachigen Raum. Wir informieren Sie über aktuelle astronomische Ereignisse sowie Neuigkeiten aus der Amateurastronomie-Szene und aus dem Verein.
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Geschichte
Geschichte
3 Ausschnitt aus der Entdeckungsaufnahme A358 mit dem Kleinplaneten Brucia (323)
vom 22. Dezember 1891. Brucia ist die kleine Strichspur an der Spitze des Pfeiles. Bei dem
hellen Stern südwestlich von Brucia handelt es sich um SAO 78858. Bei dem dunklen Strich
in der linken unteren Ecke handelt es sich leider um eine Beschädigung der Platte.
gleichzeitig identische Sternfelder aufgenommen
werden, um etwaige Plattenfehler
zu erkennen. Eine der Hauptaufgaben
des Astrografen war die Suche nach neuen
Kleinplaneten. Kleinplaneten verrieten
sich auf den belichteten Platten durch
kleine Strichspuren, aufgrund der Eigenbewegung
während der relativ langen Belichtungszeit,
die durchaus einige Stunden
betragen konnte.
Die letzten Aufnahmen in der Heidelberger
Altstadt wurden am 29. Juni 1897 belichtet,
danach wurde das Instrument abgebaut und
in einer extra hierfür errichteten Kuppel
(weiße Kuppel) auf dem Gelände des neu
gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums
der Badischen Landessternwarte
auf dem Königstuhl wieder aufgebaut.
Der reguläre Beobachtungsbetrieb auf dem
Königsstuhl startete am 28. Juni 1898, Ziel
war der Stern Deneb (Alpha Cygni) mit Belichtungszeiten
von 30 bzw. 45 Minuten.
Der 6-Zöller war nun bis zur Inbetriebnahme
des Bruce-Astrografen am 16. August
1900 das Hauptinstrument der Sternwarte
und wurde danach weiterhin, meist durch
die Assistenten, hauptsächlich zur Suche,
Überwachung und Bahnbestimmung von
Kleinplaneten, Kometen und veränderlichen
Sternen genutzt. Aber auch Max Wolf
ließ es sich nicht nehmen, von Zeit zu Zeit
mit seinem alten 6-Zöller zu beobachten.
Im September 1915 trat dann ein Defekt an
der Kuppel auf. Deshalb wurde das Instrument
demontiert und erst nach Installation
einer neuen Kuppel (schwarze Kuppel) im
5 Die „weiße“ Kuppel des 6-Zöllers auf
dem Königsstuhl (rechts). Bei der Kuppel
am linken Bildrand auf dem kleinen Turm
handelt es sich um die Kuppel des Bruce-
Teleskops. Aufnahme um 1900.
Juni 1919 wieder in Betrieb genommen.
Die letzte Platte wurde mit diesem Instrument
am 16. Juni 1939 4 min lang belichtet.
Das Ziel war der Veränderliche P Cygni. Es
war die Platte mit der laufenden Nummer
A8393.
Der Wolfsche 6-Zöller verblieb dann vermutlich
ungenutzt die nächsten beiden
Jahrzehnte in seiner Kuppel. Er wurde erst
1960 abgebaut und als Museumsstück im
heutigen Ostinstitut aufgestellt.
Bis heute verließ das Instrument noch zweimal
den Königsstuhl. Einmal 1961 zu einer
Ausstellung anlässlich der 575-Jahr-Feier
der Universität Heidelberg im Heidelberger
Schloss. Den zweiten Ausflug machte der
Refraktor vom November 2009 bis September
2010 in die Universitätsbibliothek nach
Heidelberg, anlässlich des Internationalen
Jahres der Astronomie.
Heute steht er wieder an seinem Platz im
Heidelberger Ostinstitut und kann dort
besichtigt werden. Die alte Kuppel in der
6 Der Wolfsche 6-Zöller in seiner Kuppel
auf dem Königsstuhl um 1900, Bild von
M. Wolf
4 Ausschnitt der historischen Aufnahme
des Nordamerikanebels vom 9.
und 10. September 1891
7 Die Sternwarte um 1930. Links im
Vordergrund die „schwarze“ Kuppel des
6-Zöllers. Im Hintergrund die Kuppel des
Waltz-Reflektors und am rechten Bildrand
die Kuppel des Bruce-Teleskops.
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