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POPMUSIK<br />
«die mittelschicht kennt keine loyalität»<br />
Interview von Sarah Elena Schwerzmann mit Rapper Sido (Bild: zVg.)<br />
Das «Superintelligente Drogenopfer», kurz SIDO<br />
fällt durch grosse Klappe, eiserne Maske und frauenfeindliche<br />
Texte auf. Trotzdem, oder gerade deswegen<br />
schwimmt der Berliner auf der Erfolgswelle:<br />
Das aktuelles Album «Ich» des Rappers hatte<br />
bereits nach zwei Tagen Goldstatus erreicht.<br />
Sido, hasst Du Frauen?<br />
Sido: Nö. Ich hab nur viel mit Frauen zu tun, für<br />
die ich keinen Respekt habe. Die lassen an Konzerten<br />
einfach ihre Jungs stehen, um mit mir rumzumachen.<br />
Und das stört Dich?<br />
In einer Beziehung ist Treue angesagt. Es geht<br />
aber nicht nur darum. Diese Frauen verhalten sich<br />
nicht wie Frauen.<br />
Und wie verhält sich eine Frau?<br />
Frauen sollen sich ihrer Rolle bewusst sein und<br />
sich nicht wie Männer benehmen. Sie müssen Männer<br />
respektieren und Mann sein lassen.<br />
Moderne Rollenverteilung ist also nicht dein<br />
Ding?<br />
Nö, gar nicht. Der Mann geht arbeiten, und die<br />
Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder.<br />
Du hast einen Track mit Kitty Kat, einer Rapperin,<br />
aufgenommen. Wann hast Du gemerkt,<br />
dass Frauen mehr draufhaben, als sich für Dich<br />
auszuziehen?<br />
Das habe ich gecheckt, als ich sie gehört habe.<br />
Kitty Kat macht gute Texte, und das ist wichtig. Sie<br />
hat eine geile Stimme. Was will man mehr?<br />
Du bist in einem der härtesten Viertel Berlins<br />
aufgewachsen, das haben wir auf der letzten<br />
CD schon gehört. Nun geht es aber auf «Ich» in<br />
demselben Ton weiter. Gefällst Du Dir in der Rolle<br />
des armen Opfers?<br />
Ich fühle mich schon wohl so. Und ich schäme<br />
mich halt nicht, dass ich von der Strasse komme.<br />
Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf. Immerhin habe<br />
ich dort viel fürs Leben gelernt.<br />
Und das wäre?<br />
Loyalität. Im Viertel haben wir zusammengehalten,<br />
egal wie tief wir in der Scheisse sassen.<br />
Weil du irgendwann die Scheisse, in der du steckst<br />
gar nicht mehr riechst. Nun bin ich aufgestiegen,<br />
bin – sagen wir mal – so ein bisschen über dem Mittelstand<br />
und merke, dass in der Schicht alle total<br />
verklemmt sind. Die Mittelschicht ist eine Ellbogengesellschaft,<br />
sie kennt keine Loyalität<br />
Auf Deinem letzten Album «Die Maske» hast<br />
Du Dir viel Geld gewünscht, jetzt hast Du auf<br />
einen Schlag viel verdient, und nun heisst es<br />
«Geld bringt nur Probleme»?<br />
Ich hab zwar dort gesagt, dass ich Geld haben<br />
will. Aber ich habe nicht von so viel gesprochen.<br />
Zum Zeitpunkt, als ich die Platte gemacht habe,<br />
rechnete ich nicht damit, so erfolgreich zu sein.<br />
Ich hätte mir so 20‘000 Euro gewünscht, als St<strong>art</strong>kapital,<br />
und dann hätte ich in einem Jahr 100‘000<br />
mit Drogengeschäften gemacht.<br />
In dem Geschäft bist Du also auch heute<br />
noch ab und zu tätig. Wie vertickt man denn als<br />
Prominenter Drogen, ohne in den Knast zu wandern?<br />
Och, ich hab denselben Anwalt wie Stefan Raab.<br />
Der regelt das für mich. Was die Anzahl Klagen pro<br />
Tag angeht, liege ich aber im Moment noch hinter<br />
Stefan auf Platz zwei.<br />
Du hast mit dem Bündner Rapper Gimma zu-<br />
musik<br />
sammengearbeitet. Warum hältst Du trotzdem<br />
nicht viel von Schweizer Hip-Hop?<br />
Gimma macht schon gute Sachen, aber um ehrlich<br />
zu sein, hat da einfach das Geld gestimmt. Das<br />
Problem bei Euch Schweizern ist, dass Eure Rapper<br />
ihren eigenen Stil noch nicht gefunden haben.<br />
Dieses ewige Abkopieren von deutschen Hip-Hop-<br />
Acts nervt einfach. Das fi nd ich nicht gut.<br />
Dafür bist Du aber ein grosser DJ-Bobo-<br />
Fan?<br />
Aber klar, DJ Bobo war mal einer von uns! Im<br />
Ernst: Durch ihn bin ich zum Hip-Hop gekommen.<br />
Meine Mutter hat mich auf seine Musik aufmerksam<br />
gemacht und gemeint: Hör mal, der singt ja<br />
gar nicht, der macht so was anderes. Das wollte ich<br />
auch.<br />
Kannst Du Dir vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten?<br />
Nein, gar nicht. Ich meine, diese Zeiten sind<br />
vorbei. Er ist jetzt der «Pirate of Dance», Mann,<br />
das ist was anderes.<br />
CD: Sido, «Ich» (Aggro Berlin); weitere Infos, Videos<br />
und Downloads unter www. sido.de<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 17