Industrieanzeiger 18.2020
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18.20<br />
01.09.2020 | 142. Jahrgang<br />
www.industrieanzeiger.de<br />
Mikrobearbeitung Fräsen, feiner als ein Haar Seite 36<br />
Umati Lasst Maschinen miteinander reden Seite 28<br />
Leichtbau Werkstoff mit Rekorddämpfung Seite 60<br />
Messechef Bleinroth<br />
über die Premiere des<br />
AMB-Forums Seite 32
NEU<br />
Centco4<br />
INNOVATIVES 4-BACKENFUTTER<br />
2+2 ZENTRISCH AUSGLEICHENDES SPANNEN<br />
– Automatische Zentrierung des Werkstücks<br />
– Geeignet für runde, eckige und geometrisch<br />
unförmige Werkstücke<br />
– Fliehkraftausgleich für höchste Drehzahlen<br />
– Präzise Bearbeitungsqualität durch<br />
hochgenaue Backenantriebe<br />
– Standard Backenschnittstelle<br />
– Ideal für deformationsempfindliche<br />
Werkstücke<br />
Centco4<br />
Kraftspannfutter mit Durchgang<br />
Centco4-MLW<br />
gewichtsoptimiertes Handspannfutter<br />
Universelle Spannmöglichkeiten mit Standardbacken:<br />
Spannen von quadratischen /<br />
rechteckigen Werkstücken<br />
mit Standardbacken<br />
Spannen von runden<br />
Werkstücken<br />
mit Standardbacken<br />
Spannen von geometrisch<br />
unförmigen Werkstücken<br />
mit Standardbacken<br />
Spannen von dünnwandigen<br />
Werkstücken<br />
mit Standardbacken<br />
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2 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
meinung<br />
Zurück ins<br />
wahre Leben<br />
Endlich! Das erste reale Treffen der Fertigungsbranche in diesem<br />
Jahr steht vor der Tür. Auch wenn das AMB Forum mit seinen 20<br />
Referenten/Ausstellern und maximal 500 Besuchern im Vergleich<br />
zur großen Schwester, der Internationalen Messe für Metallbearbeitung<br />
– mit mehr als 1500 Ausstellern und über 90.000 Besuchern –<br />
kein Ersatz ist, so ist es doch ein Signal: Das Leben geht weiter!<br />
In den letzten Monaten erlebten digitale Formate einen noch nie<br />
gesehen Boom. Zoom-Konferenzen und virtuelle Hausausstellungen<br />
waren vielfach die einzige Chance, Kunden, Lieferanten oder<br />
Partner zu „treffen“, sich mit ihnen auszutauschen, Neuheiten zu<br />
präsentieren... Viele erkannten den Nutzen dieser Formate und sind<br />
begeistert von ihrer Effizienz. Wir sollten<br />
aber auch nicht vergessen, dass bei diesen<br />
virtuellen Meetings viele Signale und Informationen<br />
auf der Strecke bleiben. Sie funktionieren<br />
dann besonders gut, wenn sich die<br />
Beteiligten bereits gut kennen.<br />
Allenthalben werden digitale Kanäle als<br />
die Zukunft propagiert. Sie werden Präsenzveranstaltungen<br />
und analoge Medien aber<br />
genauso wenig ersetzen, wie das Fernsehen<br />
das Kino ersetzt hat. Je mehr Informationen<br />
ins Netz wandern, umso schwieriger wird<br />
es, die wirklich relevanten herauszufiltern –<br />
Google und Wikipedia helfen dabei nur sehr<br />
bedingt. Deshalb werden Fachjournalisten<br />
künftig noch wichtiger sein. Sie sammeln,<br />
sichten und bewerten Informationen und<br />
bereiten sie – leicht verdaulich – auf.<br />
Wir sollten die digitale Welt als das<br />
sehen, was sie ist: ein Werkzeug und ein<br />
Hilfsmittel – keinesfalls ein Ersatz für die<br />
reale Welt! Selbst wenn das einige Nerds<br />
anders sehen mögen. Und: Bei allem was<br />
wir tun, sollten wir die Sache in den<br />
Dienst des Menschen stellen, nicht umgekehrt.<br />
•<br />
Themen 18.20<br />
06 Technik-Augenblicke<br />
08 Tipps der Redaktion<br />
10 News<br />
20 Forschung<br />
22 Technologietransfer<br />
24 Werkzeugmaschinen<br />
26 Präzisionswerkzeuge<br />
28 Umati-Neuheiten<br />
36 Mikrobearbeitung<br />
48 Hartmetallfräser<br />
52 Dreh-Fräs-Bearbeitung<br />
60 Werkstoffverbund<br />
64 Automatisierung<br />
66 Steuerungstechnik<br />
70 Produkte<br />
74 Glosse<br />
Mona Willrett<br />
Redakteurin <strong>Industrieanzeiger</strong><br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 3
inhalt 18.20<br />
36 | Mikrobearbeitung<br />
Was moderne Fertigungs -<br />
technik leisten kann, zeigte<br />
die Gravur eines Haares.<br />
Inzwischen fließen die Erkenntnisse<br />
aus dem Projekt<br />
in prak tische Anwendungen.<br />
20 | Qualifizierung<br />
Um Facharbeiter für Industrie<br />
4.0-Lösungen zu qualifi -<br />
zieren, entwickeln Aachener<br />
Forscher im Projekt Werker-<br />
Lab ein modulares, mittelstandsorientiertes<br />
Schulungskonzept.<br />
32 | Interview<br />
Für Stuttgarts Messechef<br />
Roland Bleinroth können<br />
digitale Formate eine<br />
starke Messe wie die AMB<br />
noch attraktiver und<br />
länger erlebbar machen.<br />
4 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Exklusiv.<br />
ERP für Losgröße 1+<br />
News & Management<br />
03 Meinung<br />
Die digitale Welt ist ein Werkzeug –<br />
aber kein Ersatz für die reale Welt<br />
10 Werkzeugmaschinenbranche<br />
Herstellern brechen in der Coronakrise<br />
massiv die Aufträge weg<br />
12 Exporte<br />
Coronakrise bremst Ausfuhren von<br />
Maschinen spürbar<br />
14 Automatisierung<br />
Die Nachfrage nach qualifizierten<br />
Fachkräften in der Robotik steigt<br />
20 Qualifizierung<br />
Schulungskonzept macht Werker für<br />
neue Produktionsweisen fit<br />
22 Technologietransfer<br />
So meistern mittelständische Produk -<br />
tionsbetriebe den digitalen Wandel<br />
24 Interview<br />
VDW-Chef Dr. Wilfried Schäfer über<br />
die Lage der Werkzeugmaschinenbauer<br />
26 Interview<br />
ECTA-Präsident Markus Horn über<br />
Europas Präzisionswerkzeugbranche<br />
●28 Vernetzung<br />
Kommunikationsstandard für Werkzeugmaschinen<br />
ist im Oktober in Kraft<br />
50 Bohren<br />
Schneidplattentool pusht Standzeit<br />
beim Bohren von Stahlträgern<br />
51 Spanntechnik<br />
Modular aufgebauter Schraubstock<br />
stützt auch große Werkstücke<br />
52 Komplettbearbeitung<br />
5-Achsen-Zentren verschaffen Jung -<br />
unternehmer anspruchsvolle Aufträge<br />
55 Automation<br />
Software, Online-Angebote und ein<br />
Cobot als dritter Arm des Werkers<br />
56 Bearbeitungszentren<br />
Solider Maschinenbau und digitale<br />
Module sorgen für Zukunftssicherheit<br />
58 Komplettbearbeitung<br />
Dreh-Fräs-Zentrum liefert Späne und<br />
Daten für die Werkzeugentwicklung<br />
●60 Maschinen-Leichtbau<br />
Neuer Werkstoff mit Rekorddämpfung<br />
für leichte Maschinenschlitten<br />
63 3D-Druck<br />
Porsche hat leichte, 3D-gedruckte<br />
Kolben im 911er-Topmodell getestet<br />
64 Automatisierung<br />
Delta-Roboter von Igus hilft bei der<br />
Herstellung von Brandschutzgläsern<br />
66 Automatisierung<br />
Die Kleinsteuerung kann in vielen<br />
Fällen eine Alternative zur SPS sein<br />
Genialität<br />
verpflichtet<br />
Messen<br />
●32 Interview<br />
Stuttgarts Messechef Bleinroth zu<br />
Entwicklungen der Fachschau AMB<br />
34 AMB-Technologieforum<br />
Erste Präsenzveranstaltung für<br />
Fertigungstechniker in diesem Jahr<br />
Technik & Wissen<br />
●36 Mikrobearbeitung<br />
Ultrapräzises Mikrozerspanen gelingt<br />
heute in einer Produktionsumgebung<br />
42 Präzisionswerkzeuge<br />
Mikroproduktion mit vielen Facetten<br />
45 Beschichtungstechnik<br />
Vom Mikrobohrer bis zum großen<br />
Wälzfräser flexibel beschichten<br />
46 Mikrodrehen<br />
Wo das Zerspanen an Grenzen stößt,<br />
setzt die Hybridmaschine auf den Laser<br />
48 Hartmetallfräser<br />
Verkürzt Fertigungszeit, senkt Kosten<br />
Produkte & Service<br />
06 Augenblicke der Technik<br />
08 Tipps der Redaktion<br />
18 Menschen<br />
70 Produkte<br />
72 Impressum<br />
72 Vorschau<br />
73 Wir berichten über<br />
74 Zuletzt<br />
Zum Titelbild<br />
Werkzeuge, Maschinen und die virtuelle<br />
Welt wachsen zusammen. Die Kommunikation<br />
zwischen Anlagen und Systemen spielt<br />
dabei eine wesentliche Rolle.<br />
Bild: INDUSTRIAL ARTS/stock.adobe.com<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 5<br />
www.ams-erp.com/webinare
augenblicke der technik<br />
Niemals wird der Mensch seinen Heimatplaneten<br />
verlassen können, um draußen im<br />
All ein neues Zuhause zu finden, weil er sein<br />
altes zerstört hat. Es gibt keinen Planeten B.<br />
Trotzdem wird intensiv nach erdähnlichen<br />
Gebilden gesucht, warum auch immer. Der<br />
Transiting Exoplanet Survey Satellite<br />
(TESS), ein Projekt der NASA, ist der<br />
nächste Schritt bei der Suche nach sogenannten<br />
Exoplaneten, sprich Planeten außerhalb<br />
unseres Sonnensystems. Die Himmelskörper<br />
leuchten<br />
nicht und sind daher<br />
optisch nicht zu erkennen.<br />
Aber sie verraten<br />
sich, wenn sie sich auf ihrer Bahn vor ihre<br />
Sonne schieben und dabei einen Teil des<br />
Lichts periodisch blockieren. Dieses Ereignis<br />
nennt man Transit.<br />
Auf diese Weise kamen die Himmelskundler<br />
auch diesem düsteren Kameraden auf die<br />
Schliche. Der Felsenplanet mit dem nicht gerade<br />
einladenden Namen LHS 3844b befindet<br />
sich 48,6 Lichtjahre von uns entfernt,<br />
hat einen 1,3-fachen Erdradius und umkreist<br />
einen kleinen, eher kühlen Sternentyp.<br />
Die trostlose Kugel besitzt wahrscheinlich<br />
so gut wie keine Atmosphäre und die Oberfläche<br />
ähnelt der unseres Mondes oder des<br />
Merkur. Bild: JPL-Caltech<br />
6 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 7
tipps der redaktion<br />
Smarter 3D-Scanner<br />
Filmen im Auto<br />
Die 4K-Dashcam von Nextbase<br />
bietet Features wie 4K-Aufnahmen,<br />
verbesserte Nachtsicht,<br />
Schlechtwetter-Modus, Bildstabilisierung<br />
und what3words-<br />
Funktionen. Sie zeichnet während<br />
der Autofahrt mit einer<br />
Framerate von 30 Bildern pro<br />
Sekunde auf, in der Super-<br />
Slowmotion-Funktion sind es<br />
sogar 120 Bilder pro Sekunde.<br />
So kann die Dashcam Details<br />
wie Kennzeichen oder Verkehrsschilder<br />
aufzeichnen, auch bei<br />
hoher Geschwindigkeit.<br />
Bild: Scoobe3D<br />
Beim Scoobe3D handelt es sich um einen<br />
handlichen und einfach zu bedienenden<br />
3D-Scanner. Das mobile Gerät im<br />
Smartphone-Format erstellt professionelle<br />
3D-Scans von Gegenständen. Der Scanner<br />
soll nach Abschluss der momentan noch<br />
laufenden Finanzierungsrunde vor allem im<br />
Maschinenbau zum Einsatz kommen. Er<br />
lässt sich intuitiv bedienen und gibt genaue<br />
Anweisungen, wie ein Scan durchzuführen<br />
ist. Mittels einer neuen, vom Entwickler,<br />
ein Augsburger Start-up, patentierten Technologie<br />
lassen sich auch glänzende oder reflektierende<br />
Oberflächen (wie Metalle oder<br />
Plastik) erfassen und bei geringem Aufwand<br />
3D-Scans mit einer Genauigkeit von<br />
bis zu 0,1 mm erstellen.<br />
@<br />
Eine<br />
Bild: Nextbase<br />
Elektro-Flitzer<br />
für Zwei<br />
Mit Triggo kann man zukünftig<br />
jeden Stau umfahren – so das Versprechen<br />
des Hersteller. Das vollelektrische<br />
Mikroauto ist 260 cm<br />
lang, 148 cm breit und 168 cm<br />
hoch und kann während der Fahrt<br />
durch die beweglichen Vorderräder<br />
auf eine Breite von 86 cm reguliert<br />
werden. Der Elektro-Kleinstwagen<br />
passt so auch in jede Parklücke.<br />
Triggo kann zwei Personen befördern,<br />
ist mit zwei batteriegetriebenen<br />
(12 KhW) Motoren von je<br />
10 kW ausgestattet und bietet eine<br />
Reichweite von rund 100 km.<br />
Übersicht sowie weitere Informationen zu<br />
den einzelnen Tipps erhalten Sie hier:<br />
www.industrieanzeiger.de/tipps<br />
Bild: Triggo<br />
Freiluft-Kino in Köln<br />
Bild: Bay GmbH<br />
Mit Blick auf den Kölner Dom können Gäste des<br />
Sion-Sommerkinos am Rheinauhafen spannende Filme,<br />
Filmklassiker und Kultmovies genießen. Zudem werden<br />
auch Film-Festivals veranstaltet und alle Fernwehgeplagten<br />
kommen bei Beiträgen über das Reisen<br />
auf ihre Kosten. Auch ein kleines Gastronomiezelt<br />
und ein Biergarten erwartet die Besucher.<br />
8 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Virtuelle Messe – Echte Neuheiten.<br />
Entdecken Sie 8 Highlights:<br />
live.heidenhain.com<br />
TNC 640 und Extended Workspace Compact<br />
Das digitale Auftragsmanagement im Blick<br />
In einer durchgängig digital vernetzten Fertigung hat der Anwender an der Maschine direkten Zugriff auf nützliche<br />
und relevante Informationen. Und er kann sein Fachwissen unmittelbar in die Prozesskette einbringen. Die TNC 640 mit<br />
Extended Workspace Compact und 24” Widescreen bietet dafür einen besonders benutzerfreundlichen Arbeitsplatz.<br />
Der Anwender kann sich parallel zum Steuerungsbildschirm weitere Applikationen anzeigen lassen und seine Aufträge<br />
vollständig digital direkt an der Steuerung organisieren.<br />
DR. JOHANNES HEIDENHAIN GmbH 83292 Traunreut, Deutschland Tel. +49 8669 31-0 www.heidenhain.de<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 9
nachrichten<br />
Die volle Wucht des<br />
Corona-Lockdowns<br />
Werkzeugmaschinen | Erhebliche Bestellrückgänge<br />
belasten die WZM-Industrie. Es gibt aber<br />
auch ermutigende Zeichen: Der Ordereingang<br />
hat offenbar seinen Tiefpunkt durchschritten.<br />
Die Coronakrise setzt der zuvor<br />
schon von unsicherer Konjunkturlage<br />
und Protektionismus getroffenen<br />
deutschen Werkzeugmaschinenindustrie<br />
erheblich<br />
zu. Auch bei den Orders kommt<br />
der Einbruch deshalb nicht<br />
überraschend. So vermeldet die<br />
Branche im zweiten Quartal einen<br />
um 46 % gesunkenen Auftragseingang.<br />
Aus dem Inland<br />
gingen die Bestellungen laut<br />
dem Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken<br />
(VDW)<br />
um 36 % zurück, aus dem Ausland<br />
sogar um 51 %.<br />
Mit Blick auf das erste Halbjahr<br />
verzeichnete die Branche einen<br />
Bestellrückgang von 35 %.<br />
Von den Kunden im Inland gingen<br />
28 % weniger Aufträge ein,<br />
die Bestellungen aus dem Ausland<br />
waren um 39 % rückläufig.<br />
„An diesen Zahlen lässt sich<br />
die Wucht des Corona-Lockdowns<br />
ablesen“, kommentierte<br />
VDW-Geschäftsführer Dr. Wilfried<br />
Schäfer (siehe Interview<br />
auf S. 24). Angesichts der Zahlen<br />
sei klar, dass alle wichtigen<br />
Kundenbranchen mehr oder weniger<br />
stark betroffen wären, insbesondere<br />
die Automobil- und<br />
die Luftfahrtindustrie, sagte<br />
Schäfer weiter. Deren starke<br />
Umsatzeinbrüche hätten Kurzarbeit,<br />
temporäre Produktionsschließungen<br />
und Liquiditätsengpässe<br />
zur Folge. Zudem sei<br />
die weltweite Investitionstätigkeit<br />
in der Phase des harten<br />
Lockdowns fast zum Erliegen<br />
gekommen. Der VDW-Geschäftsführer<br />
kann aber auch ermutigende<br />
Zeichen ausmachen:<br />
„Der Auftragseingang hat seinen<br />
Tiefpunkt offenbar durchschritten.<br />
Im Juni konnten die<br />
Orders gegenüber den beiden<br />
Vormonaten spürbar zulegen“,<br />
betonte Schäfer.<br />
Die Unternehmen setzten<br />
jetzt alles daran, durch die Krise<br />
zu kommen. Sie würden ihre<br />
Entwicklungen vorantreiben<br />
und versuchen, zumindest die<br />
Stammbelegschaft mithilfe von<br />
Kurzarbeit zu halten. Die Zahl<br />
der Beschäftigten lag im Mai<br />
dieses Jahres laut Angaben um<br />
3,7 % unter Vorjahr. •<br />
35 % weniger Bestellungen<br />
verzeichneten die<br />
Hersteller von Werkzeugmaschinen<br />
im ersten<br />
Halbjahr. Bild: Kadmy/<br />
stock.adobe.com<br />
Kaufprämie pusht E-Auto-Markt<br />
Die Kaufprämie hat die Nachfrage nach<br />
E-Autos im Juli kräftig angekurbelt.<br />
Bild: Peter Atkins/stock.adobe.com<br />
Automobilmarkt | Die Kaufprämie der Bundesregierung<br />
für Elektroautos befeuert die<br />
Nachfrage. Allein im Juli erreichten die<br />
Neuzulassungen von Elektro-Pkws laut<br />
Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) durch einen<br />
Zuwachs um 288 % auf 35.955 Fahrzeuge<br />
einen neuen Rekord. Erstmals wurde mit<br />
11,4 % die 10-%-Marke beim Marktanteil<br />
an allen Pkw-Neuzulassungen durchbrochen.<br />
Im ersten Halbjahr sind 129.936 neue<br />
Stromer (+128 %) in Deutschland angemeldet<br />
worden. Vor allem bei Plug-In-Hybriden<br />
wirkt die Kaufprämie. Im Juli kamen<br />
19.119 neu auf den Markt. Damit haben<br />
sich die Erstzulassungen mit 485 % nahezu<br />
versechsfacht. Die Neuzulassungen rein batterieelektrischer<br />
Pkw (BEV) stiegen im Juli<br />
um 182 % auf 16.798 Einheiten, ebenfalls<br />
ein neuer Höchstwert. Im Juli konnten die<br />
deutschen Autohersteller ihren Marktanteil<br />
bei E-Pkw auf 70 % (Vorjahresmonat:<br />
57 %) weiter ausbauen. Zwei von drei in<br />
Deutschland neu zugelassene E-Autos entfielen<br />
damit auf deutsche Unternehmen. •<br />
10 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
WAS WIR UNTER WERKZEUGSPANNSYSTEMEN<br />
VERSTEHEN, MERKEN UNSERE KUNDEN ERST<br />
NACH MILLIONEN VON HÜBEN.<br />
Wir geben uns nicht mit einer guten Lösung zufrieden,<br />
sondern suchen stets die allerbeste. Kein Wunder, dass wir<br />
in den letzten Jahrzehnten mit immer neuen Innovationen<br />
Meilensteine in der Werkzeugspanntechnik gesetzt haben<br />
– ob manuell oder automatisch. Unser umfassendes<br />
Anwender-Know-how und unsere hohe Entwicklungs- und<br />
Fertigungskompetenz ermöglichen es uns, Spannsysteme<br />
für Werkzeugmaschinen zu liefern, die mit Sicherheit<br />
langfristig funktionieren.<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 11
nachrichten<br />
Ticker<br />
+++ Neuausrichtung | Sämtliche<br />
Geschäftsstellen von Weltec und<br />
Nordmethan werden ab sofort<br />
unter der Marke Weltec Biopower<br />
geführt. Dadurch rücken<br />
laut Unternehmensaussage<br />
Energieanlagenbau und Betriebsführung<br />
enger zusammen.<br />
+++<br />
Maschinenexporte weiter<br />
im Sog der Coronakrise<br />
❧<br />
+++ Steckverbinder | Bereits seit<br />
einigen Jahren bietet Lapp Single-Pair-Ethernet<br />
(SPE)-Leitungen<br />
an. Da über deren Norm<br />
Uneinigkeit herrscht, hat sich<br />
der Hersteller von Kabel -und<br />
Verbindungstechnik dazu entschieden,<br />
dem SPE Industrial<br />
Partner Network beizutreten.<br />
+++<br />
❧<br />
+++ Übernahme | Die Ingenics<br />
Group hat die Pixel Group mit<br />
Hauptsitz in Gräfelfing als Teil<br />
des strategischen Wachstumskurses<br />
übernommen. Das Softwareunternehmen<br />
wird weiterhin<br />
eigenständig am Markt agieren<br />
und auch die Standorte Gräfelfing<br />
und Regensburg bleiben<br />
erhalten. +++<br />
❧<br />
+++ Sensorik | Leuze gründet eine<br />
eigene Vertriebs- und Servicegesellschaft<br />
in Kattowitz, Südpolen.<br />
Das Unternehmen konzentriert<br />
sich auf Fokusindustrien,<br />
in denen es über Jahre ein<br />
tiefgreifendes, spezifisches<br />
Applikations-Know-How aufgebaut<br />
hat. Hierzu gehört auch<br />
der Wachstumsmarkt Polen, so<br />
das Unternehmen. +++<br />
Deutsche Exporteure<br />
lieferten im zweiten<br />
Quartal 23 % weniger<br />
Maschinen in die USA<br />
als noch vor einem Jahr.<br />
Bild: Industrieblick/<br />
stock.adobe.com<br />
Exportstatistik | Im ersten Halbjahr sind die Ausfuhren der<br />
deutsche Maschinenbauer um 14 % eingebrochen. Nun<br />
scheint sich die Lage etwas zu entspannen.<br />
Mit einem Minus von 28 %<br />
brachen die Exporte der deutschen<br />
Maschinenbauer besonders<br />
heftig im April und Mai ein<br />
– zwei Monate, die massiv vom<br />
Corona-Lockdown geprägt waren.<br />
Bezogen auf das zweite Jahresquartal<br />
sanken die Ausfuhren<br />
im Vergleich zum Vorjahr um<br />
22,9 % auf 35,2 Mrd. Euro. Für<br />
das erste Halbjahr 2020 ergibt<br />
sich laut VDMA ein kumuliertes<br />
Exportminus von 14,1 %. Die<br />
Zahl fällt weniger drastisch aus,<br />
als zu Beginn der letzten Welt -<br />
finanzkrise: In den ersten sechs<br />
Monaten des Jahres 2009 verzeichneten<br />
die deutschen Maschinenbauer<br />
einen Rückgang<br />
von knapp 23 %.<br />
„Zuletzt konnten die Unternehmen<br />
im Exportgeschäft ein<br />
klein wenig aufatmen“ skizziert<br />
der VDMA-Chefvolkswirt Dr.<br />
Ralph Wiechers die aktuelle Lage.<br />
So sanken die Exporte diesen<br />
Juni im Zuge zurückgenommener<br />
Reise- und Transportbeschränkungen<br />
weniger drastisch,<br />
gleichwohl noch um<br />
12 %. Deshalb wird es laut Wiechers<br />
„ein holpriger Weg zurück<br />
zur Normalität“. Für eine Normalisierung<br />
des Exportgeschäfts<br />
müssten viele Abnehmerländer<br />
des Maschinenbaus die Folgen<br />
der Pandemie erst noch besser in<br />
den Griff bekommen und wieder<br />
mehr Zuversicht für neue<br />
Investitionen entwickeln.<br />
Aus den beiden wichtigsten<br />
Einzelmärkten USA und China<br />
vermeldet der Verband eine sehr<br />
unterschiedliche Nachfrage. Das<br />
US-Geschäft verlor im zweiten<br />
Quartal 23 %. Das China-<br />
Geschäft hingegen nahm nur<br />
um 7,9 % ab. „In China beobachten<br />
wir eine äußerst robuste<br />
wirtschaftliche Erholung vor<br />
allem in der Industrie“, sagte<br />
Wiechers. •<br />
12 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Bosch startet 5G-Tests in Reutlingen<br />
Forschungsprojekt | Bosch ist<br />
nach eigenen Angaben Vorreiter<br />
bei Industrie 4.0 und setzt auf<br />
5G als wichtigen Baustein für<br />
die Digitalisierung und Vernetzung<br />
in der Produktion und Logistik.<br />
Das Unternehmen be-<br />
ginnt jetzt mit Verträglichkeitstests<br />
und Kanalmessungen für<br />
den Aufbau eines 5G-Netzes im<br />
Halbleiterwerk in Reutlingenund<br />
beteiligt sich daher aktiv<br />
am internationalen Forschungsprojekt<br />
5G-Smart mit dem Ziel,<br />
das Potenzial des neuen Kommunikationsstandards<br />
in realen<br />
Produktionsumgebungen zu erproben<br />
und zu bewerten. •<br />
Ein internationales Forschungsprojekt<br />
untersucht<br />
den Einsatz von 5G in der<br />
Produktion. Bild: Bosch<br />
Gehring startet<br />
Gespräche mit<br />
Investoren<br />
© ARNO-2020-08<br />
Insolvenzen | Die deutschen<br />
Gehring Gesellschaften haben<br />
mit ihrem vorläufigen Insolvenzverwalter<br />
Dr. Tibor Braun<br />
die notwendigen Anpassungen<br />
im Geschäftsbetrieb umgesetzt.<br />
Strategisch wichtige Kunden<br />
und Lieferanten haben ihr Vertrauen<br />
bekundet und die weitere<br />
Zusammenarbeit bestätigt. Vor<br />
diesem Hintergrund starten nun<br />
die Gespräche mit mög lichen Investoren.<br />
Als führender Anbieter<br />
von Hontechnologie setzt Gehring<br />
auf Technologieoffenheit,<br />
die vor allem im Bereich der<br />
Mobilität am Markt gefragt ist.<br />
Geschäftsführung und Verwalter<br />
haben sich zum Ziel gesetzt,<br />
zügig eine nachhaltige Neuaufstellung<br />
mit neuer Gesellschafterstruktur<br />
zu finden und umzusetzen.<br />
•<br />
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nachrichten<br />
Robotik-Profis<br />
dringend gesucht<br />
Automatisierung | Bis 2022 werden weltweit rund vier Millionen<br />
Industrieroboter im Einsatz sein. Damit steigt auch<br />
die Nachfrage nach qualifizierte Arbeitskräften.<br />
Bei der weiteren Automatisierung der Fertigung, die für<br />
eine schnelle wirtschaftliche Erholung in der Zeit nach<br />
Corona dringend nötig ist, spielen diese Maschinen eine<br />
wichtige Schlüsselrolle. Mit den stählernen Werkern<br />
steigt aber auch die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften.<br />
Die Aus- und Weiterbildungsangebote<br />
müssen entsprechend angepasst werden, fordert der<br />
Weltroboterverband International Federation of Robotics<br />
(IFR). „Regierungen und Unternehmen weltweit<br />
sollten sich darauf konzentrieren, die nötigen Kompetenzen<br />
für den Umgang mit Robotern und smarten Automatisierungssystemen<br />
zu vermitteln“, sagt IFR-Präsident<br />
Milton Guerry. „Das ist nötig, um das Potenzial<br />
dieser Technik voll auszuschöpfen.“<br />
Bei der Bildungspolitik für eine automatisierte Wirtschaft ist Südkorea<br />
weltweit führend. Bild: Poobest/stock.adobe.com<br />
Laut des „Automation Readiness Index” der „The<br />
Economist Intelligence Unit (EIU)“ betreiben nur vier<br />
Länder eine ausgereifte Bildungspolitik, die den Herausforderungen<br />
einer automatisierten Wirtschaft bereits gerecht<br />
wird. Südkorea führt dieses Ranking an, gefolgt<br />
von Estland, Singapur und Deutschland. Länder wie Japan,<br />
die USA und Frankreich werden als „entwickelt“<br />
eingestuft. China rangiert hier noch als Schwellenland.<br />
Roboterhersteller unterstützen die Aus- und Weiterbildung<br />
für Robotik bereits mit praxisorientierten Schulungen.<br />
Die Umschulung der bestehenden Belegschaft<br />
sei allerdings nur eine kurzfristig angelegte Maßnahme,<br />
so Dr. Susanne Bieller, Generalsekretärin der IFR. •<br />
KI braucht personenbezogene Daten<br />
Künstliche Intelligenz | Laut einer Bitkom-<br />
Umfrage geben 34 % der Unternehmen an,<br />
Künstliche Intelligenz einzusetzen, den Einsatz<br />
zu planen oder zumindest darüber zu<br />
diskutieren. Für fast zwei Drittel aber ist das<br />
kein Thema. Eine zunehmende Bedeutung<br />
gewinnt vor allem das sogenannte maschinelle<br />
Lernen. Dabei werden KI-Systeme<br />
nicht lediglich programmiert, sondern auch<br />
mit geeigneten Daten trainiert. Die in den<br />
Trainingsdaten erkannten Muster und Informationen<br />
können die Systeme nach Abschluss<br />
des Trainingsprozesses auf bisher<br />
unbekannte Datenbestände übertragen.<br />
Fast alle der befragten Unternehmen<br />
(94 %), die sich mit KI auseinandersetzen,<br />
gehen davon aus, dass der Bedarf an Trainingsdaten<br />
steigen wird. Zwei Drittel<br />
(66 %) sagen zudem, dass personenbezogene<br />
Daten genutzt werden müssen, damit die<br />
KI verwertbare Analyseergebnisse liefert.<br />
„Daten sind der Treibstoff für Künstliche<br />
Intelligenz“, sagt Bitkom-Präsident Achim<br />
Berg. „Unternehmen, die KI entwickeln<br />
oder einsetzen, kommen daher schnell an<br />
den Punkt, dass sie auch auf Datensätze zurückgreifen<br />
müssen, die personenbezogene<br />
Daten enthalten.“ Für die Studie wurden<br />
503 Unternehmen ab 50 Mitarbeitern befragt.<br />
•<br />
Der Bedarf an Trainingsdaten für KI<br />
wird laut Erwartungen steigen. Bild:<br />
Alexander Limbach/stock.adobe.com<br />
Umbau in<br />
Eigenregie<br />
Werkzeuge | Im Juli kündigte Mikron<br />
den Verkauf der Standorte Mikron<br />
Berlin und Mikron Kaunas an Callista<br />
Private Equity an. Beide Standorte mit<br />
insgesamt rund 70 Mitarbeitenden<br />
sind ausschließlich für die Automobilindustrie<br />
tätig. Aufgrund unterschiedlicher<br />
Auffassungen bei der Umsetzung<br />
der geplanten Transaktion haben<br />
die beiden Unternehmen einvernehmlich<br />
beschlossen, auf diese zu verzichten.<br />
Mikron wird den Standort Berlin<br />
in eigener Regie redimensionieren und<br />
Kaunas weiterbetreiben. Die erwarteten<br />
Kosten der Restrukturierung sind<br />
in der Halbjahresrechnung 2020 vollständig<br />
erfasst. Das heißt, auch unter<br />
den neuen Vorzeichen wird das zweite<br />
Semester nicht mit Restrukturierungskosten<br />
belastet. •<br />
14 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
SPS Connect ergänzt die Live-Messe 2020<br />
Fachmesse | Der Automatisierungsbranchentreff,<br />
die SPS, soll<br />
auch 2020 als reale Messe in<br />
Nürnberg stattfinden. Zusätzlich<br />
zur Präsenzveranstaltung<br />
mit entsprechenden Schutz- und<br />
Hygienekonzept gemäß der Ver-<br />
ordnung der bayerischen Staatsregierung<br />
begleitet das digitale<br />
Format SPS Connect die Messe<br />
vom 24. bis 26. November. Damit<br />
wird Anwendern, die noch<br />
nicht reisen oder nur einen Tag<br />
vor Ort sein können, laut Veran-<br />
stalter Mesago Messe Frankfurt<br />
die Möglichkeit einer durchgehenden<br />
Teilnahme geboten. Neben<br />
einem abwechslungsreichen<br />
Vortragsprogramm steht dabei<br />
die Vernetzung aller Teilnehmer<br />
im Fokus. •<br />
Der Branchentreff der<br />
Automatisierung, die Messe<br />
SPS, soll auch 2020 real<br />
in Nürnberg stattfinden.<br />
Bild: Malte Kirchner/ Mesago<br />
Kongressmesse<br />
in Hannover<br />
Wenn zwischen Ihnen und uns mehr entsteht:<br />
Das ist der MAPAL Effekt.<br />
Vernetzung | Die internationale<br />
Kongressmesse Connected mobile<br />
Machines & Mobility<br />
(CMM) informiert am 1. und 2.<br />
Dezember rund um die Vernetzung<br />
mobiler Geräte. Die CMM<br />
2020 ist die Weiterentwicklung<br />
der 5G CMM Expo, die im Oktober<br />
2019 an den Start ging. In<br />
rund 100 Vorträgen, Gesprächsrunden,<br />
Interviews und Pitches<br />
sowie im begleitenden Ausstellungsteil<br />
diskutiert und präsentiert<br />
die Messe Technologien<br />
und Dienstleistungen, die mobile<br />
Maschinen und Fahrzeuge intelligent<br />
beziehungsweise autonom<br />
machen. Es geht dabei<br />
nicht nur um deren drahtlose<br />
Vernetzung, sondern auch um<br />
die Anbindung an stationäre<br />
Infrastrukturen. Themen sind<br />
unter anderem Automatisierung,<br />
Produktionssteuerung,<br />
Sicherheit, künstliche Intelligenz,<br />
5G, Videoüberwachung<br />
und Embedded Systems.<br />
Die CMM richtet sich an<br />
Fach- und Unternehmensverantwortliche<br />
sowie Entwickler und<br />
Forscher unterschiedlicher Industriebranchen.<br />
Die Konferenzen<br />
und der Ausstellungsteil<br />
sind als Präsenzveranstaltung<br />
vor Ort im Convention Center<br />
auf dem Hannoveraner Messegelände<br />
geplant. Teile der Veranstaltung<br />
können auch digital per<br />
Videoübertragung durchgeführt<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 15
nachrichten<br />
Innovationsturbo<br />
mit KI gezündet<br />
Wettbewerb | Mit Festo und Trumpf hat das Wirtschafts -<br />
ministerium Baden-Württembergs zwei von neun Preisträgern<br />
des Wettbewerbs „KI-Champions“ ausgezeichnet.<br />
Mit Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich beispielsweise<br />
Blechteile einfacher und schneller denn je sortieren<br />
und kommissionieren. KI-Algorithmen sind zudem in<br />
der Lage, tausende pneumatische Spannsysteme in Fertigungslinien<br />
der Automobilindustrie zu überprüfen, ob<br />
sie noch richtig funktionieren oder kurz vor ihrem<br />
Ausfall ausgetauscht werden müssen. Herausragende<br />
Lösungen wie die des Maschinenbauers Trumpf und des<br />
Automatisierungsspezialisten Festo überzeugten die<br />
Jury des Preises „KI-Champions Baden-Württemberg“.<br />
Bei dem erstmals von Wirtschaftsministerin Dr. Nicole<br />
Hoffmeister-Kraut vergebenen Preis ermittelten die<br />
Juroren aus 40 Bewerbungen neun Preisträger in drei<br />
Kategorien: Forschungseinrichtungen, kleine und mitt-<br />
Mit Künstlicher Intelligenz unterstützte Spannsysteme verhindern in der<br />
Autoproduktion teure Maschinenausfälle. Bild: Festo<br />
lere Unternehmen bis 500 Beschäftigte sowie große Unternehmen<br />
mit mehr als 500 Beschäftigten.<br />
Trumpf hat mit der KI-Lösung „Sorting Guide“ ein<br />
kamera basiertes Assistenzsystem so ertüchtigt, dass<br />
farblich markierte Blechteile einfach, schnell und fehlerfrei<br />
kommissioniert werden können. Festos Lösung „Intelligente<br />
pneumatische Laufzeitüberwachung“ hat der<br />
2018 übernommene KI-Spezialist Resolto auf den Weg<br />
gebracht. Die Algorithmen der Dresdener überwachen<br />
die pneumatischen Antriebe der Spannsysteme, die etwa<br />
einzelne Teile beim Schweißen im Karosserie-Rohbau<br />
fixieren. Auffälligkeiten deckt die Software unverzüglich<br />
auf. Dies soll Instandhaltungen besser planbar machen<br />
und unvorhergesehene Stillstände vermeiden. •<br />
Modernisierte Hebezeuge sind produktiver<br />
Webinar | Der Schutz und die bessere Ausschöpfung<br />
der Investition in eine Krananlage<br />
sind treibende Kräfte für eine Modernisierung.<br />
Dies kann bedeuten, dass dadurch<br />
die Geschwindigkeit und Hubkapazität<br />
gesteigert werden oder die Verfügbarkeit erhöht<br />
wird. Auch die Ergonomie und der<br />
Bedienungskomfort lassen sich verbessern<br />
oder Sicherheitsfunktionen integrieren.<br />
Oder es lassen sich wartungsintensive oder<br />
veraltete Bauteile gegen neuere Technologie<br />
austauschen. Wie diese und weitere Maßnahmen<br />
die Produktivität einer Anlage steigern<br />
können, erläutert Dipl.-Ing Marc Döttling<br />
im Webinar am 8. September. Der Produktmanager<br />
bei Stahl CraneSystems zeigt<br />
auf, dass das Nachrüsten und die Modernisierung<br />
von Brückenkrananlagen oftmals<br />
kostengünstiger als die Reparatur oder Generalüberholung<br />
von vorhandenen Krankomponenten<br />
sind. Döttling erklärt, wannsich<br />
eine Modernisierung lohnt und zeigt<br />
die unterschiedlichen Möglichkeiten auf.<br />
Zudem stellt er kundenspezifische Modernisierungsoptionen<br />
durch Engineering und deren<br />
Effizienzpotenziale vor. Für die kostenfreie<br />
Teilnahme am Webinar registrieren<br />
Sie sich einfach auf der <strong>Industrieanzeiger</strong>-<br />
Website.<br />
•<br />
Modernisierte Brückenkrananlagen bieten<br />
ihren Betreibern vielfache Vorteile.<br />
Bild: Stahl CraneSystems<br />
SLM wächst trotz<br />
Corona kräftig<br />
Fertigung | SLM Solutions, Anbieter<br />
metallbasierter additiver Fertigungstechnologie,<br />
sieht sich mit Turn -<br />
aroundmaßnahmen wie etwa einem<br />
verbesserten Materialkostenmanagement,<br />
aber auch Kurzarbeitsmaßnahmen<br />
in Deutschland, gut vorangekommen.<br />
Demnach hat sich der Umsatz im<br />
ersten Halbjahr auf 31,2 Mio. Euro<br />
nahezu verdoppelt, heißt es. Gegenüber<br />
dem Vorjahr erwartet der Vorstand<br />
des Lübecker Konzerns einen<br />
Umsatzanstieg um mindestens 20 %<br />
für das Geschäftsjahr 2020 gegenüber<br />
dem Vorjahr. SLM-Vorstandschef<br />
Meddah Hadjar kündigte an, am 9.<br />
November eine neue Maschine vorzustellen,<br />
die SLM wie auch die Branche<br />
der metallbasierenden additiven Fertigung<br />
nachhaltig verändern werde. •<br />
16 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Zuliefermesse FMB trotzt Corona<br />
Hygienekonzept | Das Konzept<br />
steht, betont Easyfairs, Veranstalter<br />
der für 4. bis 6. November<br />
in Bad Salzuflen geplanten<br />
16. FMB Zuliefermesse Maschinenbau<br />
– selbstverständlich<br />
konform mit den NRW-Vorga-<br />
ben. „Diese Anforderungen sind<br />
für uns technisch ohne Weiteres<br />
umsetzbar“, versichert Chris -<br />
tian Enßle von Easyfairs. Für die<br />
Schutzmaßnahmen der eher<br />
regionalen Messe haben sich die<br />
Macher einiges einfallen lassen.<br />
Dazu gehört die Online-Anmeldung<br />
für vor- oder nachmittags,<br />
sodass nie mehr als 3000 Personen<br />
auf dem Gelände sind. Ein<br />
„Smart Badge“ ermöglicht sogar<br />
den berührungslosen Austausch<br />
von Business Cards. •<br />
Berührungslos soll es<br />
zugehen auf der Messe FMB:<br />
Sowohl das Lesen der Tickets<br />
als auch der Visitenkarten-<br />
Austauch erfolgen elektronisch.<br />
Bild: Easyfairs<br />
Arno wird<br />
digital<br />
Digitalisierung | In der Corona-<br />
Krise startet Arno Werkzeuge<br />
mit einer dreifachen Digitaloffensive<br />
durch. Homepage,<br />
News-Portal und Webshop bilden<br />
das neue Dreigestirn der<br />
Kommunikation mit Kunden,<br />
Händlern, Mitarbeitern und Interessierten.<br />
Im Zentrum steht<br />
dabei das neue News-Portal<br />
Now.Arno. Ab September wird<br />
der neue Shop Bestellungen<br />
rund um die Uhr ermöglichen.<br />
Weil Planung und Umsetzung<br />
der offensiven Digitalisierungsstrategie<br />
schon Anfang 2018 begannen,<br />
komme der Start nun<br />
zur richtigen Zeit.<br />
„Hinter unserer Digitalisierungsoffensive<br />
steckt der Gedanke,<br />
Menschen untereinander<br />
aber auch mit Informationen<br />
und mit Wissen zu verbinden“,<br />
betont Marketingleiter Simon<br />
Storf des Werkzeugherstellers.<br />
In den letzten beiden Jahren hat<br />
das Unternehmen ein leistungsfähiges<br />
CRM-System aufgebaut<br />
und implementiert. Zusammen<br />
mit einem Produktinformationsmanagement-System<br />
(PIM),<br />
einer Kollaborationsplattform<br />
und einem Ausbau des PPS, sind<br />
im Hintergrund die notwendigen<br />
Voraussetzungen für die digitale<br />
Offensive geschaffen worden.<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 17
menschen<br />
Wechsel<br />
bei Bosch<br />
Thermotechnik<br />
Schluss nach zehn Monaten<br />
Nach nur zehn Monaten als Vorstandsvorsitzender<br />
der Knorr-Bremse AG, München, ist Bernd Eulitz aus<br />
dem Unternehmen ausgeschieden. Grund seien tiefgreifenden<br />
Meinungsverschiedenheiten zu Fragen der<br />
Führung und der Gestaltung unternehmerischer Belange<br />
gewesen, heißt es. Ein Nachfolger für Eulitz<br />
werde bereits gesucht. Für die Übergangszeit übernehmen<br />
die weiteren Vorstandsmitglieder seine Aufgaben.<br />
Jan Brockmann (Bild) tritt zum 1. November in die<br />
Bosch-Gruppe ein und übernimmt zum 1. Januar 2021<br />
die Leitung des Geschäftsbereichs Bosch Thermotechnik<br />
in Wetzlar. Brockmann ist derzeit COO und CTO<br />
bei der AB Electrolux in Stockholm. Er folgt in seiner<br />
neuen Position auf Uwe Glock, der in den Aufsichtsrat<br />
der Bosch Thermotechnik GmbH wechselt.<br />
Technotrans<br />
benennt CEO<br />
Standort<br />
Mainz unter<br />
neuer Leitung<br />
Das Laserunternehmen<br />
Coherent Inc., Santa Clara,<br />
USA, hat Dr. Markus Klein<br />
zum Geschäftsführer des<br />
Diodenlaser-Standorts in Mainz ernannt.<br />
Der Experte im Bereich Opto-<br />
Halbleiterindustrie soll die Reorganisation<br />
und die Umwandlung des Standorts,<br />
der früher als Dilas Diodenlaser<br />
GmbH bekannt war, in eine voll integrierte<br />
Geschäftseinheit von Coherent<br />
leiten, teilt das Unternehmen mit. Im<br />
Vordergrund stehe die Verbesserung<br />
des globalen Kundenservices, heißt es.<br />
Bei der Technotrans SE in Sassenberg<br />
hat Michael Finger (Bild) als<br />
Sprecher des Vorstands seine Arbeit<br />
aufgenommen. Er übernimmt mit<br />
sofortiger Wirkung die Gesamtverantwortung<br />
für alle Vertriebsbereiche, den Service,<br />
das Qualitätsmanagement sowie das Marketing.<br />
Dirk Engel, der diese Position interimsweise<br />
von 2018 bis 2020 innehatte, fokussiert<br />
sich künftig wieder stärker auf seine Aufgabe<br />
als CFO, teilt das Unternehmen mit.<br />
Neuer Präsident<br />
für Plastics Europe<br />
Dr. Markus Steilemann (Bild), Vorstandsvorsitzender<br />
der Covestro AG, Leverkusen, ist neuer Präsident<br />
von Plastics Europe in Brüssel, dem paneuropäischen<br />
Verband der Kunststofferzeuger. Er folgt<br />
auf Javier Constante, der unlängst zum Präsidenten<br />
von Dow Lateinamerika ernannt wurde.<br />
18 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Innovationsbonus für 3D-Druck<br />
3D-Metalldruck | Weil Nachfrage<br />
und Märkte sich in der Krise<br />
ändern, sei gerade jetzt eine<br />
anhaltende Innovations fähigkeit<br />
der Unternehmen wichtig,<br />
betont Carl Fruth, Gründer und<br />
Vorstandsvorsitzender der FIT<br />
Additive Manufacturing Group,<br />
Pionier und großer Dienstleister<br />
im Bereich des industriellen<br />
3D- Drucks. FIT bietet vor diesem<br />
Hintergrund einen Innovationsbonus<br />
von 80 % (maximal<br />
5000 Euro) für alle Unternehmen<br />
an, die erstmalig ein metallisches<br />
Bauteil additiv herstellen<br />
wollen.<br />
„Statt eines Innovations -<br />
mangels braucht es jetzt einen<br />
Innovationsbooster“, kommentiert<br />
Fruth die FIT-Maßnahme.<br />
„Deshalb möchten wir Unternehmen<br />
für kurze Zeit unter-<br />
SP3D-Prozess bei FIT: Mit 3- facher<br />
Schallgeschwindigkeit schießt Metall auf<br />
eine Trägerplatte. Bild: FIT / Lisa Kirk<br />
stützen, um neue Ideen umsetzbar<br />
zu machen“. Die FIT AG<br />
versteht sich selbst als Innovator<br />
und deckt viele additive und<br />
darüber hinaus konventionelle<br />
Technologien wie CNC-Fräsen<br />
oder den Spritzguss ab. •<br />
sales@expert-tuenkers.de<br />
www.expert-tuenkers.de<br />
Neue Sparten müssen her<br />
Staffelstabübergabe bei<br />
der Buschjost GmbH:<br />
Raymond Kamp (links)<br />
übernimmt die Leitung<br />
des Standorts Bad<br />
Oeynhausen von Andreas<br />
Pönnighaus (rechts).<br />
Bild: Norgren<br />
Fluidtechnik | Norgren hat sich<br />
im Rahmen einer strategischen<br />
Neuausrichtung in drei neue<br />
Geschäftsbereiche aufgeteilt:<br />
Fluid Technologies, Motion<br />
Control und Commercial Vehicles.<br />
Der Spezialist für Antriebsund<br />
Fluidtechnik hat zudem den<br />
Bereich Fluid Technologies in<br />
die drei Sparten Energy, Life<br />
Scence und Process Control<br />
unterteilt.<br />
Die drei Einheiten besitzen<br />
zudem eigene Entwicklungs-,<br />
Produktions- und Vertriebsteams.<br />
Raymond Kamp wurde<br />
zum neuen Geschäftsführer der<br />
Sparte berufen und wird auch<br />
die Geschäfte der Buschjost<br />
GmbH leiten. •<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 19
news & management<br />
Damit ihre Werker fit für<br />
neue Produktionsweisen<br />
„on demand“ und<br />
„just in time“ werden,<br />
brauchen kleine und<br />
mittlere Unternehmen<br />
ein passgenaues<br />
Qualifizierungsformat.<br />
Bild: WBA<br />
Schulungskonzept qualifiziert Werker für Industrie-4.0-Lösungen<br />
Fitness für neue<br />
Produktionsweisen<br />
Forschungsprojekt | Die Industrie 4.0 verändert die<br />
Anforderungen an Mitarbeiter in der produzierenden<br />
Industrie. Um Qualifikationslücken im Bereich von<br />
CAx-Prozessen zu schließen, entwickeln Forscher im<br />
Projekt „WerkerLab“ ein Schulungskonzept, das an<br />
den sozialen Hintergrund, Wissensstand und die zeitliche<br />
Verfügbarkeit von Facharbeitern angepasst ist.<br />
Die produzierende Industrie muss sich<br />
durch den Einfluss von Industrie 4.0 grundlegend<br />
wandeln. Wesentliche Treiber hierbei<br />
sind die Digitalisierung sowie die Vernetzung<br />
von Prozessen, Systemen und Maschinen.<br />
Im Mittelpunkt steht hierbei der<br />
Mensch, der im Unternehmensumfeld permanent<br />
mit neuen Herausforderungen konfrontiert<br />
wird. Mit der Komplexitätssteige-<br />
rung der Prozesse wächst der Anspruch an<br />
seine zu leistende Arbeit deutlich an. Dabei<br />
wird erwartet, dass Mitarbeiter die neuen<br />
Möglichkeiten der Digitalisierung und Vernetzung<br />
in ihrem Arbeitsalltag anwenden.<br />
Dies führt zu einem hohen und sich verändernden<br />
Qualifikationsbedarf.<br />
Besonders deutlich sind Defizite beim<br />
Bearbeiten von Fertigungsaufträgen in<br />
KMU. Die industrienahen Ausbildungsberufe<br />
vermitteln zwar grundlegende Fähigkeiten,<br />
diese reichen jedoch längst nicht mehr<br />
für die zu leistende Arbeit aus. Zudem scheiden<br />
zunehmend alte erfahrene Arbeitskräfte<br />
aus dem Berufsleben aus. Gleichzeitig ist der<br />
Arbeitsmarkt zunehmend durch heterogene<br />
Ausbildungsniveaus, etwa durch zugewanderte<br />
Arbeitskräfte, gekennzeichnet.<br />
Im Ergebnis ist eine deutliche Qualifikationslücke<br />
zu erkennen. Zwar gibt es vereinzelt<br />
Schulungsansätze von Maschinen- oder<br />
Softwareherstellern in Form von Programmiersteuerungs-<br />
oder Maschinenschulungen.<br />
Diese vermitteln jedoch nur punktuelles Wissen.<br />
Es fehlen generisch orientierte Schulungsangebote,<br />
die einzelfallübergreifend<br />
Wissen zum Zusammenspiel von Maschine,<br />
Material, Programm und Mensch vermitteln.<br />
KMU müssen wachsende Komplexität bei<br />
Prozessen und Produkten beherrschen<br />
Insbesondere KMU sind auf eine effiziente<br />
Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter<br />
angewiesen, um die wachsende Prozess- und<br />
Produktkomplexität zu beherrschen. Von<br />
deren Arbeit hängt maßgeblich die Sicherung<br />
hoher Maschinenlaufzeiten und hoher<br />
Profitabilität ab. Das Fitsein für die Herausforderungen<br />
neuer Produktionsweisen „on<br />
demand“ und „just in time“ erfordert daher<br />
ein passgenaues Qualifizierungsformat.<br />
20 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Das modulare Schulungskonzept<br />
soll Werker dazu<br />
befähigen, ein CAM-<br />
Programm in unterschiedlichen<br />
Ausmaßen<br />
autark bedienen zu<br />
können. Bild: WBA<br />
Im Forschungsprojekt WerkerLab wird<br />
für den Anwendungsfall CAM-Programmierung<br />
ein innovatives, interdisziplinäres sowie<br />
praxisnahes Schulungskonzept entwickelt<br />
und erprobt. Das Konzept ist an den<br />
individuellen Wissensstand und die zeitliche<br />
Verfügbarkeit des Mitarbeiters angepasst<br />
und schließt somit die Qualifikationslücken<br />
für Facharbeiter mit dem Schwerpunkt auf<br />
CAx-Prozesse. Die gezielte Weiterentwicklung<br />
des Qualifikationsniveaus wird dabei<br />
auch ohne die zwingende Notwendigkeit zur<br />
Teilnahme an Präsenzschulungen erreicht.<br />
Dies gelingt durch den Einsatz modular<br />
verfügbarer Lehrinhalte mit direktem Praxisbezug.<br />
Dazu werden verschiedene Lernformen<br />
kombiniert, die geeignetes Lehrmaterial<br />
in Abhängigkeit des Lernortes bereitstellen.<br />
Das Lehrmaterial erstreckt sich<br />
dabei von klassischen Folienbeiträgen zur<br />
Nachbereitung bis hin zu digitalen Medien,<br />
die ein „Hands-on“-Lernen am eigenen Arbeitsplatz<br />
ermöglichen. Die Zielgruppe des<br />
WerkerLab sind Facharbeiter mit einer<br />
Grundausbildung als Industrie-, Zerspanungsmechaniker,<br />
Meister oder Techniker,<br />
nachfolgend auch Werker genannt. Das<br />
Weiterbildungsangebot adressiert ausdrücklich<br />
auch Branchenquereinsteiger sowie<br />
Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
Vorgehen und bisherige Ergebnisse im<br />
Forschungsprojekt WerkerLab<br />
Um Schulungskonzepte zu erarbeiten, wurden<br />
in einem ersten Schritt idealtypische Arbeitsvorgänge<br />
definiert, die Werker in ihrem<br />
gewohnten Umfeld bereits beherrschen. Dabei<br />
ist aufgefallen, dass viele Werker zwar in<br />
der Lage sind, an der Maschine zu programmieren,<br />
nicht aber ein CAM-Programm zu<br />
bedienen. Selbst das Öffnen eines solchen<br />
Programms, um eine CAM-Simulation zu<br />
starten, bewältigen oftmals nicht alle Werker.<br />
Das liegt daran, dass ein CAM-Programm<br />
aufgrund seiner Komplexität in der<br />
Regel nur vom speziell ausgebildeten CAM-<br />
Programmierer selbst bedient werden kann.<br />
Besonders in der Lohnfertigung, in der<br />
die meisten zu fertigenden Teile hochkomplexe<br />
Einzelaufträge sind, ist eine Programmierung<br />
anspruchsvoller Mehrachsenbearbeitungen<br />
oder von Freiformflächen an der<br />
Maschine durch Werker kaum zu realisieren<br />
und macht die CAM-Programmierung<br />
infolgedessen unabdingbar. Daher liegt der<br />
Fokus beim Erarbeiten des Schulungskonzepts<br />
darauf, Werker in die Lage zu versetzen,<br />
ein CAM-Programm in unterschiedlichen<br />
Ausmaßen autark bedienen zu können.<br />
Drei aufeinander aufbauende Lernstufen<br />
samt Lernzielen wurden definiert<br />
Um einem Facharbeiter ein auf seine individuellen<br />
Vorkenntnisse angepasstes Schulungsformat<br />
anbieten zu können, wurden<br />
drei aufeinander aufbauende Lernstufen<br />
samt Lernzielen und erforderlicher Vor -<br />
qualifikation definiert: Der Werker ist in der<br />
Lage,<br />
• ein CAM-Programm zu öffnen, bestehende<br />
Informationen aus dem Programm<br />
abzurufen und eine CAM-Simulation ablaufen<br />
zu lassen,<br />
• bestehende CAM-Programme zu ändern,<br />
• Bearbeitungsreihenfolgen im CAM-System<br />
zu ändern und einfache CAM-Programme<br />
zu erstellen.<br />
Zur Einstufung des Werkers in eine der drei<br />
Lernstufen wurde ein Fragebogen entwickelt,<br />
der den Mitarbeiter anhand von Kompetenzprofilen<br />
für den prototypischen<br />
CAM-Nutzer bewertet. Dabei wird zwischen<br />
Kernkompetenzen (etwa mathematische<br />
Grundkenntnisse oder räumliches Vorstellungsvermögen)<br />
und Fachwissen (zum<br />
Beispiel Grundverständnis des Fräsprozesses<br />
oder Grundfähigkeiten in der CAM-Programmierung)<br />
differenziert.<br />
Das im Forschungsprojekt WerkerLab<br />
entwickelte Qualifizierungsformat soll nach<br />
dem Aufbau des Lernkonzepts bei einem<br />
Endanwender pilotiert und evaluiert werden.<br />
Zukünftig dient das Konzept exemplarisch<br />
dazu, weitere WerkerLabs zu erarbeiten<br />
– auch in themenübergreifenden und<br />
fachfremden Branchen. •<br />
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Boos,<br />
Dr.-Ing. Tobias Hensen,<br />
Natalie Heusch, Mike Brinkmann<br />
WBA Aachener Werkzeugbau Akademie<br />
Bündnis fürs Lernen<br />
Das Projektkonsortium bilden die WBA<br />
Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH,<br />
die Exapt Systemtechnik GmbH, die 3 Win<br />
Maschinenbau GmbH, die Camaix GmbH<br />
sowie das Human Computer Interaction<br />
Center (HCIC) der RWTH. Die WBA bringt<br />
dabei Experten- und Branchenwissen ein.<br />
Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung<br />
(EFRE) fördert das Vorhaben<br />
während des Projektzeitraums vom 1. Juli<br />
2019 bis zum 30. Juni 2022.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 21
Schritt für Schritt zu Industrie 4.0<br />
So meistern KMU<br />
den digitalen Wandel<br />
Technologietransfer | Ein am WZL der RWTH Aachen<br />
entwickeltes Leitkonzept befähigt Mitarbeiter und regt<br />
sie dazu an, die Implementierung von Industrie 4.0 in<br />
ihrem Unternehmen aktiv mitzugestalten.<br />
Die Innovationsfähigkeit jedes Einzelnen wird gezielt<br />
gesteigert, um die Ideenfindung für neue Digitali -<br />
sierungsprojekte im Unternehmen voranzutreiben.<br />
Bild: Monopoly919/stock.adobe.com<br />
Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sehen einen<br />
eingeschränkten Handlungsspielraum, um die digitale<br />
Transformation zu bewältigen. Dabei geht es hier nicht<br />
nur um vollautomatisierte Fabriken, sondern um eine<br />
Kollaboration zwischen Mensch und Maschine, die<br />
auch mit einfachen Mitteln umgesetzt werden kann.<br />
Mehr als drei Jahre forschten Wissenschaftler des<br />
WZL der RWTH Aachen intensiv und praxisnah im<br />
Projekt „Betriebe und Beschäftigte gestalten die digitale<br />
Transformation (KMU 4.0)“. In enger Kooperation mit<br />
dem MTM Association e. V. ist ein Leitkonzept für produzierende<br />
KMU entstanden, das dazu beitragen soll,<br />
deren Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern. Gefördert<br />
wurde das Projekt durch das Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der Initia -<br />
tive Neue Qualität der Arbeit (INQA). Das Konzept<br />
adressiert auf strategischer, taktischer und operativer<br />
Ebene mit unterschiedlichen Methoden die Herausforderung<br />
von KMU in der digitalen Transformation.<br />
Handlungsfeld betriebliche Lernprojekte<br />
Das erste zentrale Handlungsfeld des Leitkonzepts zielt<br />
darauf ab, betriebliche Lernprojekte durchzuführen. Als<br />
Leuchtturmprojekte bringen sie erste Erfahrungen in<br />
Bereichen der Digitalisierung hervor und identifizieren<br />
Potenziale. Der Hauptfokus liegt dabei nicht allein darauf,<br />
die Projektziele zu erreichen. Vielmehr sollen die<br />
Mitarbeitenden für digitale Veränderungsprozesse weiterentwickelt<br />
und sensibilisiert werden.<br />
Die Projekte resultieren aus einem konkreten Verbesserungsbedarf<br />
des Unternehmens – häufig direkt aus<br />
Vorschlägen der Belegschaft. Dies fördert die Verbundenheit<br />
zu dem Projekt und hilft, erste Hürden der<br />
Veränderung zu nehmen. Wichtig ist dabei, die Mitarbeitenden<br />
über alle Projektphasen hinweg einzubeziehen.<br />
Auftretende Ressourcenengpässe etwa hinsichtlich<br />
Technologien oder Wissen sollten dabei nicht nur temporär<br />
zugekauft, sondern vielmehr durch gezielte Qualifizierungen<br />
und Kooperationen im Betrieb aufgebaut<br />
werden, um einen nachhaltigen Mehrwert zu erzeugen.<br />
Handlungsfeld Qualifizierung<br />
Hier schließt das zweite Handlungsfeld nahtlos an.<br />
Mitarbeitende werden auf die kommenden Veränderungen<br />
vorbereitet und die Innovationsfähigkeit jedes Einzelnen<br />
wird gezielt gesteigert, um die Ideenfindung für<br />
neue Digitalisierungsprojekte in allen Bereichen des<br />
Unternehmens voranzutreiben. Qualifizierung lässt sich<br />
vielfältig realisieren.<br />
Unter dem Motto „Fit für die Digitalisierung“ wurden<br />
frühzeitig im Veränderungsprozess Basiskompetenzen<br />
vermittelt und die Auseinandersetzung mit den<br />
Möglichkeiten der Digitalisierung gefördert – ohne die<br />
Risiken auszuklammern. Dabei wurden konkrete Arbeitsprozesse<br />
der Beschäftigten analysiert und Vorschläge<br />
erarbeitet, inwieweit durch den Einsatz digitaler<br />
Technologien Arbeit erleichtert und Effizienz gesteigert<br />
werden kann.<br />
22 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
news & management<br />
Dass am Beispiel der neuen Technologien gelernt<br />
werden kann, zeigt ein im Forschungsprojekt entwickeltes<br />
Lernspiel. Dazu wurde die digitale Unterstützung<br />
der Auftragssteuerung in der manuellen Montage simuliert.<br />
Die Teilnehmer haben reale Montageaufgaben zu<br />
bewältigen und erfahren sozusagen am eigenen Leib,<br />
dass es bereits einen großen Unterschied macht, ob Informationen<br />
in Papierform zur Planung bereitliegen<br />
oder alternativ visualisiert und laufend aktualisiert in<br />
digitaler Form aufbereitet sind – die Wartezeiten an den<br />
einzelnen Montagestationen konnten über das digitale<br />
Medium deutlich reduziert werden.<br />
Handlungsfeld Kooperationen<br />
Neben betrieblichen Lernprojekten und Qualifizierungen<br />
sichert das dritte Handlungsfeld – Kooperationen –<br />
zusätzlich eine langfristige Innovationsfähigkeit für<br />
KMU. Das Forschungsprojekt an sich ist hierbei ein erfolgreiches<br />
Beispiel für eine fruchtbare Kooperation<br />
zwischen Wissenschaftseinrichtungen und KMU. Neben<br />
solchen gemeinsam durchgeführten Projekten gibt es<br />
etwa auch Möglichkeiten, Abschlussarbeiten im eigenen<br />
Unternehmen mit zu betreuen, was gleichzeitig ein Rekrutierungsfeld<br />
bietet. Möglich ist es auch, sich als Unternehmen<br />
an der Hochschule zu immatrikulieren und<br />
so eine institutionelle F&E-Kooperation einzugehen.<br />
Besichtigungen der an mehreren technischen Hochschulen<br />
aufgebauten Modellfabriken bieten weitere Anregungen.<br />
Erfolgreiche und langfristige Kooperationen<br />
zwischen Unternehmen und Wissenschaft sind absolut<br />
kein Privileg nur von Großunternehmen, sondern können<br />
auch für KMU ein ressourcenschonender Baustein<br />
für Innovation, Rekrutierung und Imagepflege sein.<br />
Nur ein Engagement in allen drei Handlungsfeldern<br />
bringt KMU zielgerichtet in der digitalen Transformation<br />
voran. Die Mitarbeitenden müssen zielgerichtet qualifiziert<br />
werden und dann in betrieblichen Lernprojekten<br />
erste Erfolge, aber auch Misserfolge für das Unternehmen<br />
erzielen und jeweils darauf aufbauend weiter<br />
lernen. Detaillierte Beschreibungen zu den Projekten<br />
und den Erfahrungen der Unternehmen finden sich auf<br />
der Projekt-Webseite www.kmu-4-0.rwth-aachen.de.<br />
Prof. Dr. Günther Schuh, Andreas Gützlaff, Julian Ays,<br />
Matthias Schmidhuber, Tino Schlosser<br />
Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen<br />
Prof. Dr. Thomas Mühlbradt, Dr. Helga Unger<br />
MTM Association e. V., Aachen<br />
Mitarbeiter werden zu 4.0-Mitgestaltern<br />
Handlungsfelder für die Digitale Transformation von kleinen und mittleren Unternehmen. Bild: WZL<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 23
interview<br />
VDW-Chef Dr. Wilfried Schäfer über die aktuelle Lage der Werkzeugmaschinen-Branche<br />
„Innovationen sind<br />
gerade jetzt wichtig!“<br />
Werkzeugmaschinen werden auch in Corona-Zeiten gebraucht.<br />
Dennoch leidet die Branche unter dem Lockdown,<br />
der die Absatzzahlen einbrechen ließ. Über die aktuelle Lage<br />
und wie die Erfahrungen aus der Krise das Geschäft verändern,<br />
spricht VDW-Chef Dr. Wilfried Schäfer. ❧ Mona Willrett<br />
„Die Juni-Zahlen haben<br />
sich besser entwickelt als<br />
erwartet. Führende<br />
Marktindizes zeigen<br />
ebenfalls eine positive<br />
Entwicklung in allen<br />
wichtigen Märkten. Das<br />
hat uns zugleich überrascht<br />
und gefreut“, sagt<br />
Dr. Wilfried Schäfer. Er<br />
ist Geschäftsführer des<br />
Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken<br />
e.V. (VDW) in Frankfurt/M.<br />
Bild: VDW<br />
Wie wirkt sich die Krise auf Forschungsund<br />
Entwicklungsaktivitäten aus?<br />
Das ist die Gretchenfrage: Wie verteile ich in<br />
diesen Zeiten meine Kapazitäten auf die einzelnen<br />
Bereiche und Projekte? Natürlich<br />
geht das nicht, ohne sich zu fokussieren,<br />
und dabei besteht immer auch die Gefahr,<br />
aufs falsche Pferd zu setzen. Trotz aller Bemühungen,<br />
die Kosten in den Griff zu bekommen,<br />
ist es wichtig, auch in diesen Zeiten<br />
neue, innovative Produkte zu entwickeln,<br />
die die Kunden begeistern und ihnen<br />
einen realen Nutzen bieten. Nur so wird<br />
man nach der Krise weiterhin erfolgreich<br />
sein. An dieser Stelle geht die Schere<br />
zwischen den guten und den nicht ganz so<br />
guten Unternehmen immer weiter auf.<br />
Herr Dr. Schäfer, wie werden die Erfahrungen<br />
aus der Corona-Krise die Werkzeug -<br />
maschinen-Branche verändern?<br />
Ich glaube nicht, dass die Ereignisse der vergangenen<br />
Monate unsere Branche grund -<br />
legend verändern werden. Der unmittelbare<br />
Effekt war ein dramatischer Einbruch beim<br />
Auftragseingang. Das aber allein an Corona<br />
festzumachen, ist zu kurz gegriffen. Unsere<br />
Mitglieder haben viel Erfahrung darin, mit<br />
konjunkturellen Schwankungen umzugehen.<br />
Trotzdem ist es jedes Mal aufs Neue<br />
eine Herausforderung, den jeweils besten<br />
Weg durch die Krise zu finden. Dazu gehört<br />
ja nicht nur, die aktuellen Schwierigkeiten<br />
zu bewältigen, sondern auch, sich für die<br />
Zeit danach optimal aufzustellen. Im Unterschied<br />
zur Krise von 2008/09 erschweren<br />
jetzt die Reisebeschränkungen das Geschäft<br />
zusätzlich. Um das in den Griff zu bekommen,<br />
werden künftig sicherlich vermehrt<br />
digitale und virtuelle Formate zum Einsatz<br />
kommen. Aber die werden das persönliche<br />
Gespräch auf keinen Fall ersetzen können.<br />
Was bedeutet das für die deutschen Anbieter<br />
im internationalen Wettbewerb?<br />
Von der aktuellen Situation sind alle Herstellernationen<br />
in gleicher Weise betroffen.<br />
Wir sprechen hier von einer Pandemie. Ich<br />
erwarte nicht, dass ein Land im Ranking<br />
wesentlich zurückfallen wird. Inwieweit die<br />
jeweiligen Rahmenbedingungen den Start<br />
aus der Krise heraus begünstigen werden,<br />
das wird sich noch zeigen müssen. Ich sehe<br />
an dieser Stelle aber keine signifikante Veränderung<br />
oder gar Gefahr für die deutschen<br />
Werkzeugmaschinenhersteller.<br />
Welche Maßnahmen sind jetzt gefordert,<br />
um den künftigen Erfolg zu sichern?<br />
Auf politischer Ebene sind die Maßnahmen<br />
durchdiskutiert und alle wesentlichen Instrumente<br />
aktiviert. Wir müssen jetzt schauen,<br />
wie die Unternehmen sie aufgreifen und<br />
welche Wirkungen daraus resultieren. Wir<br />
als Verband versuchen, unsere Mitglieder<br />
24 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
mit möglichst vielen Informationen zu versorgen<br />
und sie so auf neue Entwicklungen<br />
vorzubereiten. Wir unterstützen bei der<br />
Kommunikation und zeigen Wege auf, wie<br />
man selbst in diesen schwierigen Zeiten seine<br />
Kunden erreichen kann. Die Politik ist<br />
aktuell allerdings gefordert, die Menschen<br />
davon zu überzeugen, dass sie aufmerksam<br />
und vorsichtig bleiben, und Sensibilität zu<br />
schaffen, dass sich das Fehlverhalten Einzelner<br />
nicht ausweitet. Denn die Konsequenzen<br />
wären für die Wirtschaft und damit letztlich<br />
für unsere ganze Gesellschaft katastrophal.<br />
Wie war die Reaktion von Referenten und<br />
Teilnehmern auf die Web-Sessions, mit denen<br />
Sie die Zeit bis zum neuen Termin ihrer<br />
Messe Metav überbrücken wollen?<br />
Wir waren als einer der ersten Messeveranstalter<br />
von der Pandemie betroffen. Als klar<br />
war, dass wir handeln müssen, beschlossen<br />
wir, nicht nur um ein paar Monate, sondern<br />
gleich um ein Jahr zu verschieben. Deshalb<br />
wollten wir unseren Ausstellern ein Instrument<br />
bieten, mit dem sie ihre Kunden in der<br />
Zwischenzeit erreichen können. Dass sich<br />
knapp 1600 Menschen für rund 5000 Sessions<br />
angemeldet haben, sehen wir sehr positiv.<br />
Das eine oder andere Unternehmen hat<br />
dabei gelernt, dass man sich hier in einer<br />
gewissen Weise präsentieren muss, um die<br />
Zuhörer zu erreichen und zu begeistern.<br />
Denn dieses Format ist viel schnelllebiger<br />
als eine Live-Präsentation. Teilnehmer, die<br />
man nicht sofort begeistert, steigen schnell<br />
wieder aus. Weil das Konzept aber insgesamt<br />
gut angenommen wurde, werden wir<br />
es bis zur Metav im März 2021 durchfahren<br />
und weitere Sessions veranstalten.<br />
Wie werden die Erfahrungen mit solchen<br />
digitalen Angeboten künftige Aktivitäten<br />
des VDW und der Branche beeinflussen?<br />
Aufgrund diverser restriktiver Faktoren –<br />
insbesondere der Reisebeschränkungen –<br />
denken wir natürlich über digitale Formate<br />
nach und werden hier auch verschiedene<br />
Konzepte umsetzen. Neben den Metav-<br />
Web-Sessions veranstalten wir für die Branche<br />
beispielsweise auch Auslandssymposien,<br />
die ganz gezielt auf einzelne Märkte zugeschnitten<br />
sind, etwa auf China oder Russland.<br />
Das erste VDW-Technologie-Symposium,<br />
das wir im Web-Session-Format umsetzen,<br />
wird den indischen Markt adressieren,<br />
in englischer Sprache abgehalten und auch<br />
„Von der aktuellen<br />
Situation<br />
sind alle Herstellernationen<br />
gleichermaßen<br />
betroffen. Ich<br />
erwarte keine<br />
großen Verschiebungen<br />
im Ranking.“<br />
zeitlich an die Zone angepasst sein. Dieses<br />
Symposium ist zwar auf Kunden aus dem<br />
indischen Markt fokussiert, aber natürlich<br />
sind auch Teilnehmer aus anderen Regionen<br />
dazu herzlich eingeladen.<br />
Wie werden digitale Angebote die Messewelt<br />
künftig verändern?<br />
Das hängt von der Kreativität der einzelnen<br />
Veranstalter ab. Es gibt ja bereits viele Angebote.<br />
Man kann ja derzeit stundenlang an<br />
Webinaren teilnehmen. Es gibt sogenannte<br />
Hybridveranstaltungen, bei denen aber<br />
meist nicht viel mehr passiert, als dass vorhandenes<br />
Material zusätzlich über digitale<br />
Kanäle verbreitet wird. Inwieweit das Fachbesucher<br />
künftig noch überzeugt, bleibt abzuwarten.<br />
Wenn alle Messen ein ganzjährig<br />
bespielbares virtuelles Pendant hätten, dann<br />
würde daraus ein Überangebot resultieren,<br />
das weder für die Veranstalter noch für die<br />
Aussteller gut sein kann – und schon gar<br />
nicht für die Besucher, die angesichts der<br />
Informationsflut kaum noch das für sie<br />
Wesentliche herausfiltern könnten. Eine<br />
Präsenzveranstaltung bietet unvergleichliche<br />
Möglichkeiten, Fertigungsprobleme persönlich<br />
und direkt zu diskutieren. Hinzu<br />
kommt das Thema Lead-Generierung.<br />
Wenn ich auf einer Messe eine Visitenkarte<br />
bekomme, kann ich diese Person jederzeit<br />
ansprechen. Ein Kontakt aus einem virtuellen<br />
Treffen ist aufgrund des Datenschutzes<br />
noch lange kein verwertbarer Lead.<br />
Corona verschärfte die ohnehin schon angespannte<br />
konjunkturelle Situation nochmals<br />
drastisch. Wie geht´s der deutschen<br />
Werkzeugmaschinen-Branche aktuell?<br />
Im zweiten Quartal 2020 sank der Auftragseingang<br />
der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie<br />
im Vergleich zum Vorjahr um 46<br />
Prozent. Während aus dem Inland 36 Prozent<br />
weniger Bestellungen eingingen,<br />
schrumpften die Auslandsorders um 51 Prozent!<br />
Im ersten Quartal lag der Orderrückgang<br />
noch bei 25 Prozent und war im Wesentlichen<br />
konjunkturell bedingt. An diesen<br />
Zahlen kann man die Wucht des Corona-<br />
Lockdowns ablesen. Das Minus im ersten<br />
Halbjahr 2020 lag in Summe bei 35 Prozent.<br />
Ermutigend ist, dass der Auftragseingang<br />
seinen Tiefpunkt durchschritten zu<br />
haben scheint und im Juni gegenüber den<br />
Vormonaten spürbar zulegte. Die Inlandsorders<br />
lagen nur noch leicht unter dem Vorjahr.<br />
Das Ausland blieb allerdings noch<br />
deutlich hinter dem Vergleichszeitraum.<br />
Welche weitere Entwicklung erwarten Sie?<br />
Es hat uns alle überrascht und gefreut, dass<br />
der weltweite Einkaufsmanagerindex PMI<br />
durchaus eine positive Tendenz zeigt und im<br />
Juli erstmals wieder an der 50-Punkte-Marke<br />
kratzte, die für Wachstum steht. Besonders<br />
erfreulich ist, dass diese Entwicklung<br />
auf breiter Front zu erkennen ist, sowohl in<br />
China und den USA als auch in der Euro -<br />
zone. Wir müssen jetzt abwarten, wie sich<br />
das traditionelle Sommerloch auswirkt und<br />
ob sich der positive Trend stabilisiert –<br />
wenn auch auf einem niedrigen Niveau.<br />
Wie sieht‘s in den Kundenbranchen aus?<br />
Unsere Erhebungen berücksichtigen keine<br />
einzelnen Kundenbranchen. Bei einem<br />
Minus von 46 Prozent ist aber klar, dass alle<br />
wichtigen Branchen mehr oder weniger<br />
stark betroffen sind. Das gilt natürlich insbesondere<br />
für die Automobil- und die Luftfahrtindustrie.<br />
Welche Auswirkungen hat die Krise auf die<br />
Einführung des Maschinen-Kommunika -<br />
tionsstandards Umati?<br />
Inhaltlich hat das keine Auswirkungen. Alle<br />
Beteiligten haben kontinuierlich weiter am<br />
Projekt gearbeitet, wenn auch – aufgrund<br />
von Kurzarbeit und beschränkter Kapazitäten<br />
– mit leicht gebremstem Tempo. Unser<br />
größtes Problem ist derzeit, dass wir in unserer<br />
Außenkommunikation eingeschränkt<br />
sind, weil wir aufgrund der Messeabsagen<br />
die geplanten Show Cases nicht international<br />
präsentieren können. •<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 25
interview<br />
ECTA-Präsident Markus Horn über die Lage der europäischen Präzisionswerkzeugbranche<br />
„Eine funktionierende Wirtschaft<br />
sichert die Existenz der Menschen“<br />
Die Präzisionswerkzeug-Hersteller Europas leiden massiv<br />
unter den Corona-Folgen und weltweitem Protektionismus.<br />
Trotz aller Herausforderungen sieht ECTA-Präsident Markus<br />
Horn aber auch, dass die aktuelle Situation der Branche<br />
Chancen bietet, die es jetzt zu nutzen gilt. ❧ Mona Willrett<br />
Herr Horn, Anfang des Jahres sprachen wir<br />
über Konjunkturschwäche und Handelskriege.<br />
Inzwischen ist viel passiert. Wie geht<br />
es der Branche derzeit?<br />
Zu der sich bereits im letzten Jahr abzeichnenden<br />
Konjunkturschwäche sowie dem<br />
weltweit eskalierenden Protektionismus<br />
kam 2020 noch der Dampfhammer Corona.<br />
Die Branche der Zerspanwerkzeuge und<br />
der Spannmittel leidet – wie viele andere –<br />
sehr unter den Konsequenzen. In Europa<br />
hat die Corona-Krise je nach Land unterschiedliche<br />
Auswirkungen. Beim Auftragseingang<br />
reden wir hier von einem Minus<br />
„Die digitale Abwicklung<br />
verschiedener Prozesse<br />
wird auch in der<br />
Post-Corona-Zeit Bestand<br />
haben“, sagt Markus<br />
Horn. Der Präsident der<br />
European Cutting Tools<br />
Association (ECTA) ist<br />
aber auch sicher, dass<br />
digitale Abläufe den<br />
persönlichen Kontakt nie<br />
vollständig ersetzen<br />
können. Im Hauptberuf<br />
gehört Horn der<br />
Geschäftsleitung der<br />
Tübinger Paul Horn<br />
GmbH an. Bild:<br />
Horn/Sauermann<br />
zwischen 40 und 60 Prozent im zweiten<br />
Quartal. Laut Umfragen des VDMA lag der<br />
Tiefpunkt im Mai, als 85 Prozent der Mitglieder<br />
von gravierenden Nachfragestörungen<br />
berichteten. Trotz leichter Entspannung<br />
blieb die Situation zuletzt schlecht. Anfang<br />
Juli bewerteten noch 53 Prozent die Nachfragestörungen<br />
als gravierend und immerhin<br />
45 Prozent als nur noch merklich. Diese<br />
Nachfragerückgänge kommen im Wesent -<br />
lichen aus Europa. Aber auch die USA und<br />
Asien spielen dabei eine Rolle. Wobei hingegen<br />
China aktuell einen spürbaren Aufwärtstrend<br />
verzeichnet.<br />
Mit welchen Maßnahmen versuchten die<br />
Betriebe der Situation Herr zu werden?<br />
Die Unternehmen waren je nach Land und<br />
nach Eintrittszeitpunkt unterschiedlich hart<br />
betroffen. Zum Glück mussten aber die<br />
meisten Betriebe in der schlimmsten Phase<br />
nicht komplett schließen. Italien und Spanien<br />
waren jedoch von einem landesweiten<br />
Lockdown betroffen. Die Unternehmen, die<br />
dort zumindest einen Teilbetrieb aufrechterhalten<br />
konnten, haben alles dafür getan,<br />
ihre Mitarbeiter und Kunden vor einer Ansteckung<br />
mit Corona zu schützen. Neben<br />
einer breiten Palette von Hygienemaßnahmen<br />
setzten sie dazu unter anderem auf<br />
neue Schichtmodelle, räumliche Trennung<br />
und reduzierte Arbeitszeiten. Problematisch<br />
für Lieferanten war natürlich, dass sich die<br />
meisten Unternehmen vollständig abschotteten<br />
und Außendienstmitarbeiter gar nicht<br />
erst empfingen. Dementsprechend konnten<br />
viele Geschäfte nicht abgewickelt werden.<br />
Wie sieht die Lage in den Teilbranchen der<br />
Präzisionswerkzeuge aus?<br />
Unser europäischer Verband ECTA unterscheidet<br />
in die Teilbranchen Verbrauchsgüter,<br />
darunter fallen Zerspanwerkzeuge, und<br />
Investitionsgüter, also die Spannmittel. Bei<br />
den Zerspanwerkzeugen ist sowohl das Projektgeschäft<br />
als auch der generelle Verbrauch<br />
zurückgegangen, allerdings waren<br />
die Rückgänge nicht ganz so massiv wie bei<br />
den Spannmitteln. Es wurde weiterhin zerspant,<br />
wenn auch in einem deutlich geringeren<br />
Umfang als im Vorjahr. Im Hinblick auf<br />
die Spannzeuge muss man ganz klar sagen:<br />
Investitionen wurden aufgrund der unsicheren<br />
Situation oft so weit wie möglich zurückgefahren,<br />
verschoben oder ausgesetzt.<br />
26 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Welche weitere Entwicklung erwarten Sie?<br />
Blickt man in die USA und in Länder wie<br />
Brasilien, merkt man, dass uns das Thema<br />
Corona noch eine Weile beschäftigen wird.<br />
Folglich beeinflusst die Pandemie auch in<br />
den kommenden Monaten die Weltwirtschaft.<br />
Aufgrund der positiven Entwicklungen<br />
in einigen Ländern bleibt die Hoffnung,<br />
dass wir keine zweite Welle bekommen und<br />
die Pandemie generell weiter abflacht. Das<br />
würde zu einer wirtschaftlichen Stabilisierung<br />
Richtung Jahresende führen. Das Beispiel<br />
China lehrt uns, dass die Verantwort -<br />
lichen bei einem Wiederaufflammen der<br />
Pandemie die bisherigen Erfahrungen konsequent<br />
nutzen und vor allem schnell reagieren<br />
müssen, um die Wirtschaft vor weiterem<br />
Schaden so gut wie möglich zu bewahren.<br />
Denn im Endeffekt sichert nur eine funktionierende<br />
Wirtschaft mit erfolgreichen Unternehmen<br />
die Existenz der Menschen.<br />
Was sollten die Unternehmen in der aktuellen<br />
Situation tun?<br />
Jetzt ist die Zeit, seine Organisation zu<br />
straffen. Wir müssen zugleich sparen und in<br />
die Zukunft investieren. Das bedeutet auch,<br />
neue Prozesse zu implementieren. Indem wir<br />
verstärkt digitale Kanäle – etwa für Videokonferenzen<br />
– nutzen, lassen sich in gewissen<br />
Bereichen die Reisekosten senken und<br />
die Produktivität steigern. Die gewonnene<br />
Zeit sollten wir nutzen, um Prozesse und<br />
Abläufe zu optimieren – vor allem in der<br />
Produktion. Hier gab es in den letzten zehn<br />
Jahren aufgrund der guten Auftragslage<br />
kaum Zeit für größere Verbesserungen. Ein<br />
wesentlicher Aspekt ist dabei auch, die Mitarbeiter<br />
zu qualifizieren. Und last but not<br />
least ist es aus meiner Sicht notwendig, die<br />
Hygiene- und Abstandsmaßnahmen weiterhin<br />
aufrecht zu erhalten und die Unternehmen<br />
soweit wie möglich zu einem risiko -<br />
minimierten Arbeitsbereich zu entwickeln.<br />
Wie hat sich das Geschäft in den vergangenen<br />
Monaten verändert?<br />
Themen wie eCommerce und eMeetings haben<br />
starken Auftrieb erhalten. Aber auch<br />
das klassische Telefonat wird wieder vermehrt<br />
genutzt. Fachmessen, einer unserer<br />
wichtigsten Begegnungsorte mit Kunden,<br />
finden aktuell leider kaum statt. Ein erster<br />
Lichtblick ist hier das AMB Forum der Messe<br />
Stuttgart am 17. September. Dessen Konzept<br />
zeigt, dass Präsenz und Digital nicht<br />
„Jetzt ist die<br />
Zeit, seine<br />
Organisation<br />
zu straffen<br />
und neue<br />
Prozesse zu<br />
implemen -<br />
tieren.“<br />
zwingend in Konkurrenz stehen müssen,<br />
sich vielmehr sinnvoll ergänzen können.<br />
Grundsätzlich ist die Kundenkommunikation<br />
effektiver geworden. Es wird auf Unnötiges<br />
verzichtet und sich auf das Wesentliche<br />
konzentriert. Das ist eine positive Entwicklung<br />
der vergangenen Monate. Ein Kommunikationskanal,<br />
den in einer Krise oft der<br />
Rotstift trifft, sind die Fachmagazine. Doch<br />
sie werden trotz aller Digitalisierung nicht<br />
überflüssig. Sie erreichen wichtige Zielgruppen<br />
und bieten ihnen aufbereitete und gezielte<br />
Informationen. Onlinemedien glänzen<br />
hingegen oft mit einer Informationsflut,<br />
durch die man sich erst durcharbeiten muss.<br />
Ab wann und unter welchen Bedingungen<br />
halten Sie Messen wieder für wirtschaftlich<br />
interessant und sinnvoll durchführbar?<br />
Ein Großteil der Messen wurden verschoben<br />
oder abgesagt. Ich habe erhebliche<br />
Zweifel, ob größere und insbesondere internationale<br />
Messen in diesem Jahr überhaupt<br />
eine Chance haben. Weder Besucher noch<br />
Aussteller wollen ein gesundheitliches und<br />
wirtschaftliches Risiko eingehen. Durch den<br />
zwangsweisen Verzicht auf Messen sehen<br />
wir aber umso klarer, welch wichtige Rolle<br />
sie spielen. Sie bringen Menschen zusammen<br />
und ermöglichen den Informationsaustausch<br />
und die Beziehungspflege. Wir warten<br />
sehnlich auf die Zeit, in der wieder risikoarme,<br />
persönliche Begegnungen möglich<br />
sind. Wenn man sich den vollen Messekalender<br />
ansieht, habe ich die Hoffnung, dass<br />
2021 ein spannendes Jahr werden könnte.<br />
Wie werden die Erfahrungen aus dieser<br />
Krise die Post-Corona-Zeit beeinflussen?<br />
Das ist von der jeweiligen Branche abhängig.<br />
Ich denke, dass die veränderten Reisegewohnheiten<br />
und die digitale Abwicklung<br />
verschiedener Prozesse Bestand haben werden.<br />
Aber auch hier gilt – digitale Medien<br />
können den persönlichen Kontakt nie vollständig<br />
ersetzen. Wahrscheinlich wirken<br />
sich das gesteigerte Bewusstsein für Hygiene<br />
und eine veränderte Wohlfühldistanz längerfristig<br />
auf die Zusammenarbeit in den Unternehmen,<br />
die Planung von Messeständen<br />
und den Umgang mit Kunden aus. Und<br />
schließlich halte ich es für möglich und sinnvoll,<br />
dass in verschiedenen Branchen der<br />
Trend zu resilienteren Wertschöpfungsketten<br />
anhält und Lieferstrukturen verändert.<br />
Welchen Einfluss haben die letzten Monate<br />
auf technische Entwicklungen und Trends?<br />
In der Tat ist es eine ungewohnte Herausforderung,<br />
den Innovationsdrang und die Innovationsgeschwindigkeit<br />
ohne den Taktgeber<br />
Fachmesse beizubehalten. Normalerweise<br />
werden Innovationen unter dem Zeitdruck<br />
einer bevorstehenden Messe fertig entwickelt.<br />
Jetzt müssen wir ersatzweise auf anderen<br />
Wegen dafür sorgen, dass Innovationen<br />
dennoch zeitgerecht in den Markt kommen.<br />
Und das werden sie. In diesem Zusammenhang<br />
möchte ich auf ein wichtiges Branchen-Event<br />
hinweisen: Am 6. November findet<br />
das Innovationsforum Präzisionswerkzeuge<br />
– IFP 2020 der GFE Schmalkalden<br />
und des VDMA Präzisionswerkzeuge statt.<br />
Ein Ziel der ECTA besteht darin, die Standardisierung<br />
im technischen Bereich voranzutreiben.<br />
Wie ist der Stand hier?<br />
Die wirtschaftlich ruhigere Zeit gibt den<br />
Unternehmen auch in diesem Bereich die<br />
Gelegenheit, sich endlich intensiver mit den<br />
Themen auseinanderzusetzen. Jetzt ist die<br />
Zeit, um freie Kapazitäten zu nutzen und<br />
bereits vorhandene Standardisierungen im<br />
eigenen Unternehmen zu implementieren.<br />
Welche Auswirkungen haben die Corona-<br />
Folgen auf die angestrebte engere europaweite<br />
Zusammenarbeit?<br />
Corona gilt oft als Hemmfaktor – vor allem<br />
aufgrund der Reisebeschränkungen. Trotzdem<br />
bietet die aktuelle Situation auch eine<br />
Chance für gemeinsame Lösungsansätze.<br />
Das geht bereits beim Erfahrungsaustausch<br />
los. Er kann helfen, über den Tellerrand<br />
hinauszuschauen und wieder den notwendigen<br />
unternehmerischen Weitblick zu erhalten.<br />
Und der Austausch fördert zudem das<br />
Bewusstsein, dass der europäische Markt<br />
weltweit weiterhin einer der attraktivsten ist<br />
und dass wir in Europa technologisch und<br />
qualitativ führend sind. •<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 27
news & management<br />
Dank des modularen Normensystems der Umati<br />
Community lassen sich Maschinen, Anlagen und<br />
Systeme künftig einfach vernetzen. Bilder: VDW<br />
Kommunikationsstandard für Werkzeugmaschinen im Oktober öffentlich<br />
Lasst Maschinen<br />
miteinander reden<br />
Vernetzung | Umati soll das Vernetzen von Maschinen<br />
und Anlagen künftig beflügeln. Dadurch ergeben sich<br />
sowohl für die Anbieter als auch für die Nutzer eine<br />
Reihe von Vorteilen.<br />
❧ Mona Willrett<br />
„Unser Standard wird im Oktober veröffentlicht“, sagt<br />
Dr. Alexander Broos. Der Leiter Forschung und Technik<br />
beim Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken<br />
e.V. (VDW) spricht von der OPC UA Companion Specification<br />
for Machine Tools, dem Kommunikationsstandard<br />
für Werkzeugmaschinen, der in der Vergangenheit<br />
oft als Umati bezeichnet wurde. Broos betont an dieser<br />
Stelle: „Mir liegt daran, hier für mehr Trennschärfe zu<br />
sorgen.“ Umati sei kein Standard. Die Standardisierungswelt,<br />
in der man sich bewege, sei OPC UA. Und in<br />
deren Rahmen hat der VDMA die OPC UA Companion<br />
Specification for Machinery entwickelt. Sie definiert<br />
Aspekte, die sämtliche Maschinen und Anlagen gleichermaßen<br />
betreffen und bildet die Basis der modular aufgebauten<br />
Kommunikationswelt des Maschinen- und<br />
An lagenbaus. Darüber sind die Branchen-spezifischen<br />
Normen positioniert, etwa die OPC UA Companion<br />
Specification (CS) for Machine Tools, die CS for Ro -<br />
botics oder die CS for Machine Vision. In der dritten<br />
Ebene stehen die Technologie-spezifischen Regelungen<br />
wie die Companion Specification for Laser.<br />
„Angesichts der Vielfalt an Branchen und Technologien<br />
liegt die Herausforderung darin, eine übergreifende<br />
Kundenansprache zu gewährleisten“, gibt Broos zu bedenken.<br />
Denn: Jeder Anwender hat in der Regel nicht<br />
nur eine Werkzeugmaschine oder einen Roboter, sondern<br />
eine Vielzahl unterschiedlicher Anlagen und Systeme,<br />
die alle aufeinander abgestimmt funktionieren sollen.<br />
„Um die Verbreitung dieses modularen Konzepts<br />
und die Ansprache der Kunden zu vereinfachen, gibt´s<br />
Umati als Community des Maschinen- und Anlagenbaus.“<br />
Diese Community bildet quasi eine Klammer um<br />
alle OPC UA-Standards für den Maschinen- und Anlagenbau.<br />
Zu ihren Zielen gehört es, eine übergreifende<br />
Abstimmung herbeizuführen, mit einem gemeinsamen<br />
Marketing aufzutreten und das Leistungsversprechen<br />
mithilfe von Demonstratoren greifbar zu machen.<br />
Auch andere Branchen erkennen Mehrwert von Umati<br />
Broos gibt zu: „Obwohl wir schnell erkannten, dass wir<br />
die Marke Umati nicht sauber gebrauchten, nutzten wir<br />
sie eine Zeit lang in der internen und externen Kommunikation<br />
sowohl für die Community als auch für den<br />
Standard. So hieß beispielsweise die Arbeitsgruppe in<br />
der OPC Foundation ‚Umati-Arbeitsgruppe‘ und nicht –<br />
wie es richtig gewesen wäre – ‚Machine Tools-Arbeitsgruppe‘.<br />
Aber spätestens als der VDMA mit seiner Vielzahl<br />
an Fachverbänden und Technologien mit ins Boot<br />
kam, war klar, dass wir hier nachschärfen müssen.“<br />
Außer diesem Schärfen der Begrifflichkeiten habe<br />
sich durch den Schulterschluss mit dem Verband Deutscher<br />
Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) nicht viel<br />
verändert, sagt der Umati-Projektleiter des VDW. Die<br />
Ziel- und Stoßrichtung sei die gleiche geblieben. Neben<br />
dem zusätzlichen Abstimmungsaufwand liege die Herausforderung<br />
vor allem darin, den Mehrwert von<br />
Umati im VDMA und seinen Gliederungen gut zu kommunizieren.<br />
Letztlich sei die Kooperation vor allem deshalb<br />
gelungen, weil einige VDMA-Fachverbände selbst<br />
an OPC UA-Standards arbeiteten und ebenfalls die Notwendigkeit<br />
erkannten, das Thema übergreifend dem<br />
Markt und den Kunden näherzubringen.<br />
Um auch andere Branchen von der Idee „Umati“ zu<br />
überzeugen, sieht das Konzept vor, dass jeder seinen<br />
eigenen Standard definiert – entsprechend des jeweiligen<br />
Bedarfs, aber immer im Rahmen von OPC UA.<br />
„Wollte man alle Bereiche in das Korsett einer umfassenden<br />
Norm pressen, käme man nie zu einem Ergebnis“,<br />
ist Broos überzeugt. Der Kommunikations- und<br />
28 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Abstimmungsaufwand wäre gigantisch. Hinzu komme:<br />
Je breiter ein Standard angelegt ist, umso größer sind<br />
auch die Grauzonen, in denen keine eindeutige Begriffsklärung<br />
möglich ist. Und das wiederum hätte zur Folge,<br />
dass die Konnektivität trotz des Standards nicht zwingend<br />
gegeben wäre. Deshalb sei der gewählte Bottomup-Ansatz<br />
erheblich effizienter und zielführender.<br />
Die entscheidende Vereinbarung in der modular aufgebauten<br />
Umati Community lautet: Wir sprechen alle<br />
OPC UA. Broos vergleicht das mit der Einigung, dass<br />
nur noch Englisch gesprochen werde. OPC UA gibt eine<br />
feste Semantik der Daten vor. Der Empfänger – beispielsweise<br />
ein MES-System, das die Informationen verarbeiten<br />
soll – muss lediglich die Spezifikationen kennen,<br />
um zu wissen, zu welcher Art von Maschine der jeweilige<br />
Datensatz gehört und ihn entschlüsseln zu können.<br />
„Und damit ist es auch kein Problem mehr, in einer<br />
Produktion verschiedene Anlagen und Systeme zu vernetzen,<br />
solange sie den gleichen Kommunikationskanal<br />
nutzen“, erläutert der VDW-Technik-Chef.<br />
Doch das löse noch nicht das Problem, wie man ausgehend<br />
von dieser Situation übergreifend die Kunden<br />
„Unsere Live-Demonstrationen zeigen, dass das Nutzenversprechen ‚plug and<br />
play‘ eingehalten wird“, sagt VDW-Technik-Chef Dr. Alexander Broos.<br />
ansprechen und sicherstellen kann, dass die Werkzeugmaschine<br />
mit dem Roboter und SAP kommunizieren<br />
kann. Weil das über einen reinen Standard hinaus gehe –<br />
ein Stichwort sei hier das Schließen von Interpretationsspielräumen,<br />
die in jedem Standard enthalten sind –<br />
brauche man Umati als Klammer.<br />
Dieses modulare Konzept und die Community bieten<br />
sowohl den Maschinen- und Anlagenbauern, den Software-<br />
und Steuerungsherstellern als auch den Kunden<br />
eine Reihe von Vorteilen. Die Anbieter von Fertigungslösungen<br />
profitieren von reduzierten Kosten und einem<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 29
news & management<br />
Das modular aufgebaute<br />
System der Kommuni -<br />
kationsnormen für<br />
den Maschinen- und<br />
Anlagenbau.<br />
Virtueller Show Case<br />
Nachdem Corona-bedingt in diesem Jahr bislang alle relevanten<br />
Messen abgesagt werden mussten, fehlten den Initiatoren der Umati<br />
Community jene Plattformen, auf denen sie die neusten Entwicklungen<br />
hinsichtlich der Kommunikationsstandards OPC UA for<br />
Machinery und OPC UA for Machine Tools einem breiten Fach -<br />
publikum präsentieren wollten. Um möglichst viele Interessenten zu<br />
erreichen und über den aktuellen Stand zu informieren, plant die<br />
Umati Community nun einen virtuellen Show Case. Der Termin<br />
steht allerdings noch nicht endgültig fest, er wird aber rechtzeitig<br />
auf www.umati.org bekannt gegeben. Die webbasierte Präsentation<br />
soll voraussichtlich Ende September oder Anfang Oktober stattfinden.<br />
Im Oktober wird auch die erste Version der Kommunikationsnorm<br />
für Werkzeugmaschinen in Kraft treten.<br />
Produkten, die sich leicht vernetzen lassen und dem<br />
Kunden einen echten Mehrwert bieten, sowie von zuverlässigen,<br />
offenen Schnittstellen, die von Kunden und<br />
der Community anerkannt sind.<br />
Das Umati-Logo dokumentiert, dass ein Produkt die<br />
technischen Spezifikationen erfüllt und der Anbieter Teil<br />
einer von der Industrie initiierten globalen Gemeinschaft<br />
für die Industrie ist. „Dadurch haben die Unternehmen<br />
leichteren Zugang zu ihren Kunden und profitieren<br />
von einer Stimulierung des Marktes durch ein<br />
starkes, gemeinsames Marketing mit hoher Sichtbarkeit“,<br />
ergänzt Broos. „Und nicht zuletzt zeigen unsere<br />
Live-Demonstrationen, dass das Nutzenversprechen<br />
‚plug and play‘ eingehalten wird.“ Und genau dieser<br />
Branchen- und Produkt-übergreifende Nachweis der<br />
einfachen Vernetzbarkeit ist einer der entscheidenden<br />
Vorteile für die Anwender. Durch die Umati-Community<br />
erhalten sie zudem einen zentralen Ansprechpartner<br />
für den Austausch von Informationen, Best Practices sowie<br />
für Feedback. Einen Ansprechpartner, der übergreifend<br />
agiert und Rückmeldungen in die zahlreichen<br />
Arbeitsgruppen kanalisieren kann.<br />
Zweites Plugfest Ende August<br />
Die Vornorm, der so genannte Release Candidate von<br />
OPC UA for Machine Tools, wurde bereits vor einiger<br />
Zeit zur öffentlichen Diskussion gestellt und aufgrund<br />
der Kommentare überarbeitet und ergänzt. „Ende August<br />
findet unser zweites Plugfest statt“, erzählt Broos,<br />
„jene Veranstaltung, bei der die Entwickler zusammenfinden,<br />
um wechselseitig Musterimplementierungen zu<br />
testen und zu schauen, ob sich mithilfe des erarbeiteten<br />
Standards alle entsprechend ausgestatteten Maschinen<br />
und Systeme zuverlässig vernetzen lassen.“ Weil ein reales<br />
Treffen mit vielen Werkzeugmaschinen zu aufwändig<br />
ist, findet das Plugfest im virtuellen Raum statt.<br />
Durch die Absagen aller relevanten Messen in diesem<br />
Jahr fehlten der Community jene Plattformen, auf denen<br />
sie den Nutzen des Maschinen-Kommunikationsstandards<br />
einem breiten Fachpublikum präsentieren<br />
wollte. „Ursprünglich hatten wir auf der AMB eine große<br />
Live-Demonstration geplant. Nachdem auch diese<br />
Messe Corona-bedingt abgesagt wurde, wollen wir den<br />
geplanten Show Case nun virtuell präsentieren“, verrät<br />
Broos. „Viele der Beteiligten wollen allerdings zuerst<br />
das Plugfest abwarten, ehe sie ihre Teilnahme zusagen.“<br />
Hinzu komme, dass es durch Kapazitätsengpässe und<br />
den fehlenden Fixpunkt eines Messetermins an der<br />
einen oder anderen Stelle zu leichten Verzögerungen<br />
<br />
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30 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
kommen könne. Deshalb soll die webbasierte Präsentation<br />
voraussichtlich Ende September oder Anfang Oktober<br />
stattfinden.<br />
Aktuell haben sich 126 Unternehmen und Institute<br />
aus allen wichtigen Ländern der Initiative angeschlossen.<br />
„Weil wir bislang noch keinen Show Case präsentieren<br />
konnten, der auch branchenfremde Technologien<br />
berücksichtigt, kommen diese Partner bislang leider<br />
ausschließlich aus der Werkzeugmaschinenwelt“, gesteht<br />
Broos. Deren Interesse ist nach wie vor groß. Aber<br />
auch die internationale Wahrnehmung der Standardisierungsbestrebungen<br />
sei weiterhin hoch. Und das, obwohl<br />
Corona durch die Messeabsagen eine weitere Verbreitung<br />
des Kommunikationskonzepts für Maschinen und<br />
Anlagen stark behindert habe. „Der Nutzen des Gesamtkonzepts<br />
hätte sich leichter vermitteln lassen, wenn<br />
wir auch Kollegen aus anderen Branchen hätten ein -<br />
laden können, sich an einem Messedemonstrator zu<br />
beteiligen“, ist Broos überzeugt. Schließlich sind zwei<br />
alte Regeln auch in Zeiten der Digitalisierung noch gültig:<br />
„Handeln führt schneller ans Ziel als Reden“ und<br />
„Aus Taten lernt man mehr als aus Worten“. Entsprechend<br />
verwundere es nicht, dass eine Reihe vielversprechender<br />
Gespräche nach den Messeabsagen vorüber -<br />
gehend eingefroren wurden.<br />
Infrastruktur ausgebaut und optimiert<br />
„Als klar wurde, dass die geplanten Demonstrationen<br />
nicht stattfinden können, konzentrierten wir uns darauf,<br />
die Norm möglichst früh veröffentlichen zu können“,<br />
sagt der promovierte Ingenieur. „Außerdem<br />
haben wir unsere Infrastruktur, den Data Hub und das<br />
Dashboard, so optimiert, dass auch branchenfremde<br />
OPC UA Specifications leicht eingebunden werden können.“<br />
Ein weiteres Arbeitsfeld war, über die reinen<br />
Messe-Show Cases hinaus, künftig auch permanente<br />
Installationen präsentieren zu können.<br />
Broos betont, die Industrie sei weiterhin sehr interessiert,<br />
entsprechende Produkte im Markt einzuführen<br />
und die Kunden vom Mehrwert zu überzeugen. Aber<br />
auch hier beiße sich die Katze in den Schwanz: Ohne die<br />
Möglichkeit, diese Produkte dem Publikum zu präsentieren,<br />
sei es schwierig, deren Nutzen zu transportieren.<br />
Die Frage, welche Themen nach Veröffentlichung des<br />
Standards für die zweite Version aufzugreifen sind, wird<br />
laut Broos derzeit intensiv diskutiert. „Die OPC UA-<br />
Standardisierung ist ein Langläufer, und es gibt noch<br />
viele Aspekte, die in Folgeversionen diese Normen<br />
bereichern können.“ Dennoch äußert sich der VDW-<br />
Technik-Chef bezüglich der weiteren Entwicklung zurückhaltend:<br />
„Trotz der Corona-bedingten Einschränkungen<br />
haben wir unseren Zeitplan für Version 1 eingehalten.<br />
Damit sind wir sehr zufrieden. Nun müssen wir<br />
erst mal schauen, wie viele Kapazitäten und Ressourcen<br />
die beteiligten Unternehmen in absehbarer Zeit einbringen<br />
können und wollen.“<br />
•<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 31
interview<br />
Stuttgarts Messechef Roland Bleinroth über Entwicklungen bei der Metallermesse AMB<br />
„Das neue Forum grenzt sich<br />
klar von der Messe ab“<br />
Corona-bedingt haben sich die Aussteller der AMB 2020 für<br />
eine Verschiebung der Messe ins Jahr 2022 ausgesprochen.<br />
Dafür geht diesen September ein klar abgegrenztes AMB-<br />
Technologieforum an den Start. Wie der Veranstalter die aktuelle<br />
Lage, aber auch die künftige neue Normalität einschätzt,<br />
erläutert Roland Bleinroth, Geschäftsführer und Sprecher der<br />
Messe Stuttgart.<br />
❧ Dietmar Kieser<br />
Messegeschäftsführer Roland Bleinroth<br />
will mit der nächsten regulären AMB<br />
im Jahr 2022 wieder da anknüpfen,<br />
wo die diesjährige Messe gestanden<br />
hätte. Bilder: Messe Stuttgart<br />
Herr Bleinroth, die Aussteller der AMB<br />
haben sich wegen der Corona-Pandemie<br />
mehrheitlich für die Absage der AMB 2020<br />
und eine Veranstaltung im gewohnten Turnus<br />
im Jahr 2022 entschieden. Hätten Sie<br />
als Veranstalter eher einen Termin im<br />
nächsten Jahr bevorzugt?<br />
Wir bedauern die Verschiebung der AMB<br />
2020 natürlich sehr. Diese internationale<br />
Leitmesse hat eine ganz besondere Bedeutung<br />
für unsere Kunden, die Messe Stuttgart<br />
und Baden-Württemberg. Aber wir nehmen<br />
konsequente Kundenorientierung auch<br />
dann ernst, wenn es wehtut! Die Aussteller<br />
haben sich oft schweren Herzens, aber mit<br />
großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass<br />
die AMB in diesem Jahr nicht erfolgversprechend<br />
sein kann. Da war es dann für alle<br />
Beteiligten wichtig, möglichst schnell Planungssicherheit<br />
zu schaffen.<br />
Wie viele AMB-Aussteller haben sich für<br />
eine Veranstaltung in 2020 ausgesprochen?<br />
Eine immerhin signifikante Minderheit der<br />
über 1000 befragten Aussteller hat sich<br />
trotz der schwierigen Corona-Rahmen -<br />
bedingungen für eine AMB 2020 ausgesprochen.<br />
Dazu sind dann aber besondere Rahmenbedingungen<br />
erforderlich. Diese schaffen<br />
wir gerade mit dem „AMB Technologieforum“<br />
am 17. September 2020 im ICS.<br />
Eine Kombination aus Fachvorträgen der<br />
Aussteller und begleitender Table-Top-Ausstellung,<br />
mit digitalen Ergänzungen wie<br />
einem Matchmaking-Angebot über eine<br />
App und in der Matchmaking-Area und optionalen<br />
Websessions. Dieses Format trifft<br />
bislang auf erfreuliches Interesse. Das AMB<br />
Technologieforum positioniert sich klar als<br />
Forum und grenzt sich hierdurch von der<br />
Messe AMB, wie wir sie kennen, ab. Mit der<br />
nächsten regulären AMB im Jahr 2022 wollen<br />
wir dann wieder da anknüpfen, wo die<br />
diesjährige Messe gestanden hätte.<br />
Auch eine „AMB light“ in diesem Herbst<br />
hätte für den Standaufbau einen zeitlichen<br />
Vorlauf benötigt. Wäre das nach dem<br />
Mehrheitsbeschluss durch die Aussteller<br />
denn machbar gewesen?<br />
Grundsätzlich wäre sicher auch eine „AMB<br />
light“ mit den Ausstellern machbar gewesen,<br />
die sich diese Marketingplattform trotz<br />
der Corona-bedingten Einschränkungen<br />
gewünscht haben. Letztendlich ist aber auch<br />
32 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
eine kleinere Messe für die Aussteller mit<br />
erheblichen Kosten und Personaleinsatz<br />
verbunden. Dies macht nur dann Sinn,<br />
wenn eine wirtschaftliche Erfolgsaussicht<br />
auch realistisch ist. Dies war und ist auch<br />
heute noch für das Marktumfeld der AMB<br />
aber nicht der Fall. Vor dem Hintergrund ist<br />
es dann für alle Beteiligten sinnvoller, eine<br />
Verschiebung zu akzeptieren, als an Plänen<br />
festzuhalten, die unter den neuen Rahmenparametern<br />
keine hinreichende Erfolgsaussicht<br />
mehr haben können. Dies haben auch<br />
gerade die Aussteller respektiert, die eine<br />
Durchführung in 2020 unterstützt hätten.<br />
Uns war ein transparenter Entscheidungsprozess<br />
in ganz enger Abstimmung mit den<br />
AMB-Kunden und den Trägerverbänden in<br />
dieser Lage besonders wichtig.<br />
Wie sinnvoll wäre eine AMB im EMO-Jahr<br />
2021, zumal parallel etliche Metaller -<br />
messen in Deutschland stattfinden?<br />
Diese Frage wurde auch intensiv und durchaus<br />
mit unterschiedlichen Sichtweisen diskutiert.<br />
Letztendlich haben wir jedoch gemeinschaftlich<br />
entschieden, dass ein solches<br />
Szenario für die ohnehin stark belastete<br />
Branche nicht zielführend gewesen wäre.<br />
Mit der T4M – Technology for Medical<br />
Devices, Fachmesse für Medizintechnik im<br />
Mai 2021 und der Moulding Expo, internationale<br />
Fachmesse Werkzeug-, Modell- und<br />
Formenbau, im Juni 2021 haben wir zwei<br />
durchaus in Teilbereichen verwandte und<br />
starke Messen in Stuttgart, die für die AMB-<br />
Aussteller und -Besucher attraktive Optionen<br />
für eine Beteiligung auch in 2021 bieten<br />
können.<br />
„Digitale<br />
Formate können<br />
eine starke<br />
Messe wie die<br />
AMB noch<br />
attraktiver und<br />
länger erlebbar<br />
machen.“<br />
bleiben. Der „Markenkern“ von Messen<br />
besteht ganz sicher auch weiterhin in dem<br />
„Face-to-face“-Marketing. Die persönliche<br />
Begegnung und das haptische Erleben wird<br />
auch zukünftig nicht durch digitale Kanäle<br />
zu ersetzen sein – wohl aber werden neue<br />
digitale Foren die Präsenzveranstaltung verstärkt<br />
in virtuelle Welten verlängern. Dazu<br />
gibt es bereits einige Ideen in unserem Haus<br />
und wir sind dazu zweifellos nicht alleine<br />
unterwegs.<br />
Werden Sie ganzjährig Inhalte und Expertisen<br />
der Aussteller ins Netz ausspielen?<br />
Umfragen zeigen, dass sich Besucher auch<br />
über die Messelaufzeit hinaus mit den jeweiligen<br />
Messethemen auseinandersetzen<br />
möchten. Für uns ist das ein spannendes<br />
zusätzliches Betätigungsfeld, das wir auch<br />
noch stärker angehen werden, als dies in der<br />
Vergangenheit schon der Fall war. Ein<br />
jüngstes Beispiel bei der Messe Stuttgart ist<br />
das neue Format Kreativ@Home. Bastel-<br />
Workshops, die sonst auf unserer B2C-<br />
Messe Kreativ ein wesentlicher Teil des Programms<br />
ausmachen, wurden in der Corona-<br />
Krise in die digitale Welt übertragen. Aussteller<br />
können ihre Themen und Produkte in<br />
Online-Workshops den Besuchern präsentieren.<br />
Eine Idee, die auch über die Krise<br />
hinaus weitergeführt werden wird und die<br />
Wartezeit zwischen den Messelaufzeiten<br />
gefühlt verkürzt. Grundsätzlich ist dieser<br />
Ansatz zumindest in Teilbereichen auf<br />
Industrie- und B2B-Messen übertragbar.<br />
Virtuelle Messen haben sich bislang nicht<br />
durchgesetzt. Muss sich die Präsenzmesse<br />
diesem Thema jetzt verstärkt annehmen?<br />
Aktuell lässt sich feststellen, dass es eine<br />
Welle von digitalen Formaten und Veranstaltungen<br />
gibt. Wie lange und welche Formate<br />
sich dabei durchsetzen können, wird<br />
sich zeigen. Fest steht, dass die Corona-Krise<br />
die Digitalisierung (nicht nur) bei Messen<br />
und Events stark vorangetrieben hat. Die<br />
Erfahrung hat gezeigt, dass rein digitale Ansätze<br />
nicht das notwendige Nutzenversprechen<br />
leisten können. Ohne eine starke und<br />
etablierte Präsenzveranstaltung, auf die<br />
digitale Angebote aufbauen können, werden<br />
es neue Formate als „Stand-alone“-Lösung<br />
auch weiterhin schwer haben, die erforder -<br />
liche Akzeptanz bei den Kunden zu gewinnen.<br />
Ganz anders stellt sich da die Lage für<br />
digitale Modelle dar, die eine starke Messe,<br />
wie die AMB, noch attraktiver und länger<br />
erlebbar machen.<br />
•<br />
Mehr zu Inhalt und Programm des AMB-<br />
Technologieforums lesen Sie ab Seite 34.<br />
Wie sehr könnte die Coronakrise das Messewesen<br />
verändern? Werden Messen künftig<br />
digitaler und hybrider?<br />
Die Corona-Pandemie hat die Messewelt<br />
vor eine riesige Herausforderung gestellt.<br />
Die Messebranche war als einer der ersten<br />
Wirtschaftszweige von dem Shutdown betroffen<br />
und wird wohl eine der letzten Bereiche<br />
sein, die wieder zur Normalität zurückkehren<br />
kann. Und dies wird dann in mancher<br />
Hinsicht eine „neue Normalität“ sein.<br />
Das Reiseverhalten der Menschen wird zumindest<br />
mittelfristig nicht mehr in bisherigen<br />
Bahnen verlaufen. Messen werden<br />
schon deswegen ganz sicher digitaler und<br />
hybrider werden. Dabei wird aber der<br />
Nukleus weiterhin die Präsenzveranstaltung<br />
Am 17. September 2020 präsentieren im Congresscenter ICS die am Technologieforum teilnehmenden<br />
Unternehmen ihre Innovationen mit Vorträgen und in der begleitenden Table-Top-Ausstellung.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 33
Die nächste AMB findet erst vom 13. bis 17. September<br />
2022 statt. Mit dem AMB Technologieforum hat die<br />
Messe Stuttgart ein Format geschaffen, das es Anbietern<br />
von Fertigungslösungen erlaubt, ihre jüngsten<br />
Innovationen zu präsentiere. Bilder: Messe Stuttgart<br />
AMB Technologieforum bietet Möglichkeit zum persönlichen Austausch<br />
Endlich wieder im<br />
persönlichen Dialog<br />
Metallbearbeitung | Als erste Präsenzveranstaltung<br />
in diesem Jahr bietet das AMB Technologieforum der<br />
Fertigungsbranche eine Möglichkeit, aktuelle Themen<br />
im persönlich Dialog zu besprechen. ❧ Mona Willrett<br />
AMB-Forum<br />
Termin: 17. September 2020<br />
Ort: Congresscenter Messe Stuttgart (ICS)<br />
Programm und Zeitplan:<br />
• Eröffnung und Warm up (9:00)<br />
• Werkzeuge<br />
(9:35 bis 10:35)<br />
• Kaffeepause, Matchmaking<br />
(10:35 bis 11:00)<br />
• Werkzeugmaschinen<br />
(11:00 bis 12:20)<br />
• Mittagspause, Matchmaking<br />
(12:20 bis 13:00)<br />
• Rund um die Werkzeugmaschine<br />
(13:00 bis 14:20)<br />
• Kaffeepause, Matchmaking<br />
(14:20 bis 14:50)<br />
• Automatisierung & Software<br />
(14:50 bis 16:30)<br />
• Abschlussdiskussion<br />
(16:30 bis 17:00)<br />
Weitere Informationen und Anmeldung<br />
(zwingend erforderlich, keine Tageskasse):<br />
www.amb-messe.de/forum<br />
Aufgrund der Covid-19-Pandemie kann die<br />
Metallbearbeitungsmesse AMB in diesem<br />
Jahr nicht in der gewohnten Form stattfinden.<br />
Obwohl die von der Messe Stuttgart<br />
durchgeführte Ausstellerbefragung deutlich<br />
gezeigt hatte, dass es keine hinreichende Basis<br />
für eine klassische Präsenzmesse gibt,<br />
zeigten doch einige Aussteller Interesse an<br />
einem Format in diesem Herbst. Um der<br />
Branche die Möglichkeit zu geben, sich in<br />
Stuttgart zu treffen, hat die Landesmesse<br />
Stuttgart als Veranstalter das AMB Technologieforum<br />
ins Leben gerufen. Am Donnerstag<br />
den 17. September 2020 präsentieren im<br />
Internationalen Congresscenter Stuttgart<br />
(ICS) rund 20 AMB-Aussteller, darunter<br />
Ceratizit, Chiron, Emco, Fanuc, Index, Paul<br />
Horn und Siemens, in exklusiven Vorträgen<br />
und einer begleitenden Table-Top-Ausstellung<br />
ihre aktuellen Neuheiten und Innovationen.<br />
Eine Matchmaking Area bietet darüber<br />
hinaus die Chance zum persönlichen<br />
Austausch. Mithilfe einer Matchmaking-<br />
App können sich die Besucher auf der Veranstaltung<br />
verabreden.<br />
In vier Themenslots erfahren die Gäste<br />
Wissenswertes zu Neuheiten in den Bereichen<br />
„Werkzeuge“, „Werkzeugmaschinen“,<br />
„Rund um die Werkzeugmaschine“ sowie<br />
„Automatisierung & Software“. In jeweils<br />
20 Minuten geben die Aussteller ein Update<br />
und stellen ihr Portfolio vor. An den Table-<br />
Tops können dann individuelle Fragestellungen<br />
diskutiert und neue Kontakte geknüpft<br />
werden. Aufgrund der Corona-Auflagen<br />
sind maximal 500 Besucher zugelassen.<br />
Deshalb besteht für die Aussteller die<br />
Option, die Vorträge aufzuzeichnen und die<br />
Videos für alle, die nicht in Stuttgart dabei<br />
sein können, über verschiedene Online-<br />
Kanäle bereitzustellen.<br />
Messen in Zeiten von Corona<br />
Die Messebranche war als einer der ersten<br />
Wirtschaftszweige vom Corona-bedingten<br />
Shutdown betroffen und wird wohl einer<br />
der letzten Bereiche sein, der wieder zur<br />
Normalität zurückkehren kann. „Umso<br />
mehr freuen wir uns, dass es am 17. September<br />
gute Gründe gibt, auf das Stuttgarter<br />
Messegelände zu kommen“, erklärt Gunnar<br />
Mey. Der Abteilungsleiter Industrie bei der<br />
Messe Stuttgart betont: „Selbstverständlich<br />
können wir noch nicht ganz zur Normalität<br />
zurückkehren.“ Für die Sicherheit der Besucher<br />
wurde ein umfassendes Konzept aufge-<br />
Bernd Hilgarth, Geschäftsführer Vertrieb bei Chiron,<br />
freut sich, dass aktuelle Herausforderungen zu neuen<br />
Formaten führen. Bild: Chiron<br />
34 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
amb-forum<br />
setzt. Neben dem Einlassmanagement, um<br />
die Personendichte zu steuern, umfangreichen<br />
Hygienemaßnahmen wie erweiterten<br />
Reinigungszyklen oder zusätzlichen Handdesinfektionsmöglichkeiten,<br />
empfiehlt die<br />
Messe Stuttgart auch die Tracking-App der<br />
Bundesregierung. Besucher leisten ihren<br />
Beitrag durch das Einhalten des Sicherheitsabstands<br />
von 1,5 m oder das Tragen von<br />
Alltagsmasken bis sie ihren Platz am Stand,<br />
in der Matchmaking Area oder im Vortragsbereich<br />
eingenommen haben.<br />
Nach langer Zeit des Stillstandes will die<br />
Messe Stuttgart jetzt gemeinsam mit der<br />
Branche neue Impulse geben. Das AMB<br />
Technologieforum biete dafür eine attraktive<br />
Plattform. Stellvertretend für die Aussteller<br />
unterstreicht Bernd Hilgarth, Geschäftsführer<br />
Vertrieb bei Chiron, dass es gerade<br />
jetzt wichtig sei, Präsenz zu zeigen: „Die<br />
derzeitige konjunkturelle Situation gepaart<br />
mit der Corona-Pandemie stellt uns Werkzeugmaschinenbauer<br />
vor große Herausforderungen.<br />
Umso schöner, wenn uns die ak-<br />
tuelle Lage auch zu neuen Formaten treibt –<br />
etwa das AMB Technologieforum.“<br />
Interessierte Aussteller und Besucher finden<br />
alle Informationen zur Teilnahme unter<br />
www.amb-messe.de/forum. Dort können<br />
sich Interessierte auch zur Veranstaltung anmelden.<br />
Aufgrund der Auflagen und der beschränkten<br />
Besucherzahl wird es keine Tageskasse<br />
geben.<br />
Die nächste reguläre AMB findet dann<br />
turnusgemäß vom 13. bis 17. September<br />
2022 in Stuttgart statt. •<br />
„Eingeladen sind deutschsprachige AMB-Fachbesucher“<br />
Gunnar Mey, Abteilungsleiter<br />
Industrie,<br />
Landesmesse Stuttgart<br />
GmbH. Bild:<br />
Messe Stuttgart<br />
Herr Mey, welches Ziel verfolgen<br />
Sie mit dem AMB Forum?<br />
Nach der langen Zeit des Stillstandes<br />
wollen wir mit dem AMB Technologieforum<br />
gemeinsam mit der<br />
Branche neue Impulse geben.<br />
Wie ist die Resonanz seitens der<br />
Aussteller und der Besucher?<br />
Die Resonanz seitens der teilnehmenden<br />
Aussteller ist positiv. Die<br />
Registrierung für die Besucher ist<br />
Mitte August gestartet. Insgesamt<br />
lässt unser Hygienekonzept stand<br />
heute 500 Besucher zu, und wir blicken<br />
gespannt auf die Entwicklung<br />
bei den Anmeldezahlen.<br />
Werkzeugmaschinen lassen sich<br />
schlecht in einer Table-Top-Ausstellung<br />
präsentieren. Gibt´s digitale<br />
Ergänzungen?<br />
Wir haben uns ganz bewusst für<br />
eine Präsenzveranstaltung entschieden,<br />
für den persönlichen Austausch<br />
und das physische Erleben. Messen<br />
bieten eine einzigartige Effizienz<br />
und fördern den Community-Gedanken.<br />
Das AMB Technologieforum<br />
bietet dazu erstmals in diesem<br />
Jahr für die Branche einen Treffpunkt<br />
in Stuttgart. Reine Online-<br />
Konzepte können das nicht ersetzen,<br />
aber die Präsenzveranstaltung<br />
sinnvoll ergänzen. Für die Vorträge<br />
der Aussteller bieten wir die Möglichkeit<br />
der digitalen Verlängerung<br />
durch Videoaufzeichnung ihrer Vorträge.<br />
Wie viele Aussteller und Referenten<br />
werden dabei sein?<br />
Rund 20 AMB-Aussteller wie Ceratizit,<br />
Chiron, Emco, Fanuc, Index,<br />
Paul Horn, Siemens und weitere<br />
namhafte Unternehmen aus<br />
Deutschland präsentieren ihr Portfolio<br />
in exklusiven Vorträgen und<br />
der begleitenden Table-Top-Aus -<br />
stellung. Das aktuelle Aussteller -<br />
verzeichnis ist auf der Veranstaltungs-Seite<br />
des AMB Technologie -<br />
forums zu finden.<br />
Damit sich die Teilnahme der Referenten<br />
und Aussteller lohnt, müssen<br />
genügend Fachbesucher kommen.<br />
Wie stellen Sie das sicher und mit<br />
wie vielen Besuchern rechnen Sie?<br />
Unser Hygienekonzept lässt – wie<br />
gesagt – Stand heute 500 Besucher<br />
zu. Wir sind selbst gespannt, wie<br />
sich die Anmeldezahlen entwickeln.<br />
Aktiv eingeladen sind zunächst alle<br />
deutschsprachigen AMB-Fachbesucher<br />
über die Kanäle und Medien<br />
der AMB. Über die Online-Kanäle<br />
der Messe Stuttgart sprechen wir<br />
darüber hinaus gezielt Interessenten<br />
mit den geplanten Themen an. Ein<br />
weiterer ganz wichtiger Baustein im<br />
Konzept ist die redaktionelle Begleitung<br />
durch unseren Medienpartner<br />
Konradin und die allgemeine Pressearbeit.<br />
Müssen sich die Besucher vorab anmelden<br />
oder wird es auch eine<br />
Tageskasse geben?<br />
Aufgrund der limitierten Tickets<br />
und der aktuellen Hygieneauflagen<br />
ist eine Vorab-Registrierung zwingend<br />
notwendig, es wird keine<br />
Tageskasse geben.<br />
Wie können sich die Teilnehmer<br />
über Pandemie-bedingte Vorgaben<br />
und das Hygienekonzept informieren?<br />
Das Hygienekonzept der Messe<br />
Stuttgart ist sowohl auf der Homepage<br />
der Messe einsichtig als auch<br />
auf der Veranstaltungs-Seite des<br />
AMB Technologieforums aufgeführt.<br />
Sie haben das AMB Forum für dieses<br />
und nächstes Jahr angekündigt.<br />
Was passiert danach?<br />
Bisher ist die Resonanz auf das<br />
Technologieforum positiv. Nach der<br />
diesjährigen Premiere werden wir<br />
evaluieren, wie das Format künftig,<br />
etwa in Nicht-AMB-Jahren, statt -<br />
finden kann.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 35
technik & wissen<br />
In der Welt der Mikrozerspanung arbeiten Werk zeuge<br />
ab einem Durchmesser von 0,03 mm .<br />
Mikrozerspanen im Ultrapräzisionsbereich gelingt heute in einer Produktionsumgebung<br />
Fräsen, feiner als jedes Haar<br />
Mikrobearbeitung | Was moderne Fertigungstechnik leisten<br />
kann, zeigten Maschinenbauer Kern und Werkzeughersteller<br />
Zecha, indem sie ein menschliches Haar beschrifteten. Inzwischen<br />
finden die Erkenntnisse aus dem Leuchtturm-Projekt<br />
praktische Anwendung.<br />
❧ Mona Willrett<br />
36 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Mikrowerkzeuge erfordern sowohl in der Herstellung als<br />
auch im Einsatz viel Feingefühl. Damit sie das gewünschte<br />
Ergebnis liefern, muss die Prozesskette passen – von der<br />
Maschine übers Werkzeug und das Spannmittel bis zum<br />
Know-how des Anwenders. Bilder: Zecha<br />
„Ich habe das anfangs nicht für möglich gehalten“, gibt<br />
Stefan Zecha zu. Aber seine Mitarbeiter, in der<br />
Mikrowelt zuhause und sportlich ambitioniert, waren<br />
überzeugt, es zu schaffen. „Und mir war klar: Wenn das<br />
klappt, dann ist das ein Hammer“, begründet der<br />
Geschäftsführer der Zecha Hartmetall-Werkzeugfabrikation<br />
GmbH, weshalb er die erforderlichen Entwicklungs-<br />
und Produktionskapazitäten bewilligte.<br />
Die Idee für dieses Projekt hatte Stefan Filgertshofer<br />
von einem Kundentermin mitgebracht und damit seine<br />
Kollegen sofort infiziert. Der Mitarbeiter des Technischen<br />
Vertriebs beim Mikrowerkzeug-Spezialisten war<br />
gerade aus Eschenlohe zurückgekommen, wo er gemeinsam<br />
mit Spezialisten der Kern Microtechnik<br />
GmbH die passenden Werkzeuge für einige anspruchsvolle<br />
Fertigungsaufgaben definiert hatte. Diese Gelegenheit<br />
nutzten Kern-Geschäftsführer Simon Eickholt und<br />
sein leitender Anwendungstechniker Alexander Stauder,<br />
um Filgertshofer für ihren Plan zu begeistern. Sie wollten<br />
das Potenzial der jüngsten Kern-Maschine anhand<br />
einer spektakulären Bearbeitung demonstrieren. Eickholt<br />
erläutert den Hintergrund: „Bereits 1999 hatten<br />
wir auf einer unserer Maschinen ein menschliches Haar<br />
sauber durchbohrt. Nun wollten wir zeigen, dass unser<br />
neues Maschinenmodell Mikro HD die Grenzen nochmals<br />
verschiebt. So kamen wir auf die Idee, ein menschliches<br />
Haar von unserer Maschine mithilfe eines<br />
zweischnei digen Fräsers mit zehn Mikrometer Durchmesser<br />
beschriften zu lassen.“<br />
Die Detailaufnahme zeigt die in das Bauteil eingefrästen<br />
Mikrokanäle, die weniger als 120 μm breit sind. Zu den<br />
Herausforderungen gehörten dabei – neben der den<br />
Mikrokanal quer durchlaufenden Rinne – Bearbeitungen<br />
in Glanzqualität und absolute Gratfreiheit.<br />
Natürlich sei die Haar-Gravur ein Leuchtturm-Projekt<br />
gewesen, das vor allem zeigen sollte, was aktuell in<br />
der Mikrobearbeitung machbar ist. Alexander Stauder<br />
und Stefan Filgertshofer sind sich einig: Auch wenn<br />
Fräser mit 30 μm Durchmesser heute im Betriebsalltag<br />
durchaus schon gebräuchlich sind, im Vergleich dazu<br />
bedeutet der Einsatz eines 10 μm feinen Werkzeugs den<br />
Schritt in eine neue Welt. Vor allem, wenn man bedenkt,<br />
dass sich das Gros der Anwendungen noch immer zwischen<br />
0,1 und 1 mm bewegt.<br />
Stefan Zecha betont: „In der Mikrowerkzeugtechnik<br />
gelten eigene Regeln.“ Einen 10-mm-Fräser einfach<br />
maßstäblich zu verkleinern, funktioniere nicht. Etwa im<br />
Bereich von 3 bis 4 mm kippe die Technologie. „Ab da<br />
muss man alles an die Dimension anpassen und dazu<br />
die Tricks kennen.“ Auch die Reproduzierbarkeit zu gewährleisten<br />
sei bei Durchmessern unter 1 mm immer<br />
wieder eine Herausforderung.<br />
Hochpräzise gefräste<br />
Mikrokanäle mit<br />
perfekter Oberfläche<br />
sorgen für technischen<br />
Fortschritt. Beispiele<br />
dafür kommen aus<br />
der Hochfrequenz- oder<br />
der Mikrofluidtechnik.<br />
Bilder: Kern<br />
Grenzwertiges zuverlässig beherrschen<br />
Zu sehen, was im Mikrozerspanen heute geht, ist<br />
schon spannend. Es zeigt einem auch, wie viel<br />
Know-how und Herzblut hinter manchem Produkt<br />
steckt, das unser Leben komfortabler und<br />
sicherer macht. Was mich aber wirklich beeindruckt:<br />
Wie es Fertigungsspezialisten immer wieder<br />
gelingt, das Arbeiten an<br />
der Grenze des technisch<br />
Machbaren für den Anwender<br />
sicher und zuverlässig<br />
beherrschbar zu gestalten.<br />
„In der Mikrozerspanung gelten eigene<br />
Regeln, die Nutzer kennen und beachten<br />
sollten“, sagt Stefan Zecha. Bild: Zecha<br />
Mona Willrett<br />
Redakteurin <strong>Industrieanzeiger</strong><br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 37
technik & wissen<br />
Um die Fertigungsprozesse für jedes individuelle<br />
Werkzeug stets nachvollziehen und jederzeit die identischen<br />
Prozessparameter abrufen zu können, beschriften<br />
die Königsbach-Steiner ihre Werkzeuge individuell.<br />
Dass die winzige Schrift auf der Stirnseite des Schafts<br />
eingelasert wird, ist ebenfalls der nötigen Präzision geschuldet,<br />
die das Werkzeug im Einsatz liefern muss. Das<br />
Beschriften der Zylinderfläche des Schafts würde den<br />
Rundlauf des Werkzeugs zu sehr stören.<br />
Überhaupt werde der Einfluss des Rundlaufs auf das<br />
Arbeitsergebnis beim Mikrozerspanen häufig unterschätzt,<br />
gibt Filgertshofer zu bedenken. Hochwertige<br />
Mit einem zweischneidigen<br />
Hart -<br />
metall-Fräser mit<br />
0,01 mm Durchmesser<br />
hat ein standardmäßig<br />
ausgestattetes<br />
Fräszentrum ein<br />
menschliches Haar<br />
beschriftet.<br />
Bild: Zecha/Kern<br />
Spannzeuge seien eine zwingende Voraussetzung für den<br />
Erfolg. Auch die spezifischen Eigenschaften einzelner<br />
Maschinen spielten eine wichtige Rolle. „Selbst baugleiche<br />
Modelle haben ein unterschiedliches Eigenschwingverhalten“,<br />
sagt der Außendienstmitarbeiter. „Bei der<br />
einen Maschine mag der kritische Bereich bei 30.000<br />
Umdrehungen liegen, bei anderen bei 31.000 oder bei<br />
35.000. Deshalb müssen die idealen Parameter für jede<br />
Maschine neu ermittelt und eingestellt werden.“<br />
Fürs Beschriften des Haares bereiteten die Spezialisten<br />
von Kern eine Micro HD mit standardmäßiger Ausstattung<br />
vor, die in der hauseigenen Auftragsfertigung in<br />
Murnau steht. Sie hatte am Vortag noch Kundenteile<br />
bearbeitet. „Für uns war das ein Halbtagesprojekt“, erzählt<br />
Alexander Stauder. „Der größte Aufwand bestand<br />
darin, die Kameras zu installieren, die den Prozess dokumentieren<br />
sollten.“ Um das 90 μm dünne Haar<br />
zu „spannen“, frästen die Eschenloher eine feine Nut in<br />
einem Metallblock, legten das Haar hinein und fixierten<br />
es an beiden Enden mit einem Streifen Tesa.<br />
Fräser mit 4 μm breiten Spannuten<br />
Der Aufwand, das passende Werkzeug herzustellen, war<br />
für Zecha deutlich größer. Die ursprünglich geplanten<br />
vier Tage für Entwicklung, Fertigung und Tests reichten<br />
nicht ganz. Aus den Anforderungen, die Kern definiert<br />
hatte, leiteten die Experten in Königsbach-Stein ab, welche<br />
Geometrie das Werkzeug haben sollte und welche<br />
Körnung des Hartmetalls optimal geeignet wäre. Ob ein<br />
solches Werkzeug aus einem Substrat mit Korngrößen<br />
zwischen 2 und 3 μm oder aus 0,2 bis 0,3 μm winzigem<br />
Mikrofeinstkorn hergestellt werde, verändere die Eigenschaften<br />
des Werkzeugs entscheidend, unterstreicht Filgertshofer.<br />
Eine weitere Schwierigkeit beschreibt Stefan<br />
Zecha: Die Spannuten des 10-μm-Fräsers durften lediglich<br />
4 μm breit sein. „Um sie herzustellen, mussten wir<br />
die Schleifscheibe mit einer Schärfe von einem Mikrometer<br />
versehen. Die Hersteller unsere Maschinen woll-<br />
Um das zu beschriftende<br />
Haar zu fixieren, genügte<br />
eine feine Nut in einem<br />
Metallquader und zwei<br />
Streifen Tesa. Bild: Kern<br />
Die Spannuten des<br />
0,01 mm winzigen Fräsers<br />
für die Haargravur durften<br />
nur 4 μm breit sein –<br />
eine fertigungstechnische<br />
Herausforderung,<br />
Bild: Zecha<br />
38 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
ten zunächst nicht glauben, dass das möglich ist.“<br />
Zecha betont, an solche Aufgaben müsse man sich herantasten<br />
und – ausgehend von größeren Dimensionen –<br />
die Prozesse kontinuierlich anpassen. Er erzählt nicht<br />
ohne Stolz: „Wenn wir heute ein Bild dieses Fräsers<br />
ohne Maßangaben erfahrenen Mikrofertigern zeigen,<br />
dann glauben die meisten, es handle sich um einen<br />
0,1-Millimeter-Fräser.“<br />
Der 0,01-mm-Fräser rotierte während der Haargravur<br />
mit bis zu 10.000 min -1 . Der Vorschub pro Zahn lag<br />
bei 1 μm, die Schriftbreite bei 10,73 μm. „Solche Ergebnisse<br />
lassen sich nur unter einem Rasterelektronen -<br />
mikroskop begutachten“, verdeutlicht Stefan Zecha die<br />
Dimensionen. Überhaupt seien die Messtechnik und der<br />
Einsatz von Mikroskopen bis hin zum REM sowohl bei<br />
der Produktion der Werkzeuge als auch beim Beurteilen<br />
der Arbeitsergebnisse unerlässliche Hilfsmittel.<br />
Die Erkenntnisse aus dem Haar-Projekt – so extrem<br />
sie scheinen mögen – haben inzwischen in konkreten,<br />
neuen Anwendungsfällen für Fortschritte gesorgt. „Wir<br />
haben erste Bestellungen aus der Hochfrequenz- und<br />
der Mikrofluidtechnik, bei denen wir in Dimensionen<br />
vorstoßen, die wir uns mit dem Projekt Haargravur erschlossen<br />
haben“, sagt Stefan Zecha. Gerade in der<br />
Hochfrequenztechnik werde die Bedeutung des Mikrozerspanens<br />
häufig noch unterschätzt. Um die gewünschte<br />
Funktion der Bauteile zu gewährleisten, müssten die<br />
dort erforderlichen Mikrokanäle extrem gute Oberflächen<br />
ohne jegliche Gratbildung aufweisen. Ähnliche Anforderungen<br />
stellt die Mikrofluidtechnik, die beispielsweise<br />
in der Krebsforschung eine wichtige Rolle spielt.<br />
Lasergeschärfte Schneiden pushen Standzeiten<br />
Wer statt eines Haars schwer zerspanbare Werkstoffe<br />
wie bleifreies Messing oder hochabrasive und faserverstärkte<br />
Kunststoffe bearbeiten will, der kann die diamantbeschichteten<br />
Hartmetallwerkzeuge der Iguana-<br />
Linie von Zecha einsetzen. Zu ihren Spezialitäten gehören<br />
lasergeschärfte Schneidkanten mit einem Radius<br />
von 1 μm und eine geschlossene Hochleistungsdiamantschicht.<br />
Zusammen mit der optimierten Geometrie sorge<br />
das für deutlich reduzierte Schnittkräfte und eine verbesserte<br />
Spanabfuhr. Laut Zecha lässt sich fast kein<br />
Werkzeugverschleiß feststellen, was die Standzeit massiv<br />
erhöhe und eine Nacharbeit am Werkstück – etwa<br />
aufgrund von Gratbildung – überflüssig mache. Auch<br />
beim Bearbeiten so genannter Glares – Hybridwerkstoffen,<br />
die aus mehreren Lagen verschiedener Materialien<br />
bestehen, etwa glasfaserverstärktes Aluminium – können<br />
die Iguana-Werkzeuge ihre Stärken ausspielen.<br />
Speziell fürs Bearbeiten schwer zerspanbarer Materialien<br />
beispielsweise in der Medizintechnik hat Zecha<br />
die Kingfisher-Linie entwickelt. Zu den Merkmalen<br />
dieser Werkzeuge gehört das Zusammenwirken eines<br />
neuen Vollhartmetall-Substrats mit einer inneren Kühlmittelzufuhr<br />
oder einer Schaftkühlung, einer stabilen<br />
Grundgeometrie und neuester<br />
WAD-Beschichtungstechnologie,<br />
die für die Standfestigkeit der<br />
Tools sorgt.<br />
Standardwerkzeuge bietet Zecha<br />
im Durchmesserbereich zwischen<br />
0,03 und 12 mm an. 65 bis<br />
70 % ihres Geschäfts machen die<br />
Königsbach-Steiner mit Katalogware<br />
oder Tools, die dieser ähnlich<br />
sind. Den Rest steuern Sonderwerkzeuge<br />
bei.<br />
Neben den Werkzeugen ist moderne<br />
Maschinentechnik die zweite<br />
Voraussetzung für erfolgreiche Mikrobearbeitung.<br />
Deren Einsatzspektrum wird auch dadurch erweitert,<br />
dass Entwickler Bauteile immer weiter miniaturisieren<br />
und mehr Funktionen integrieren. Das führt dazu, dass<br />
die Bearbeitungszeiten pro Bauteil laut Alexander Stauder<br />
durchaus in die Gegend von 50 h reichen können.<br />
Herausfordernd für die Fertigungsspezialisten sind dabei<br />
nicht nur die Form- und Lagetoleranzen, die in der<br />
Regel maximal 2 μm betragen dürfen, sondern auch die<br />
geforderte Oberflächengüte und Gratfreiheit. Bearbeitet<br />
werden neben Bunt metallen auch Stähle mit einer Härte<br />
bis 65 HRC oder Keramiken.<br />
Auch in Produktionsumgebung thermisch stabil<br />
Der Fortschritt in der Maschinentechnik zeigt sich auch<br />
daran, dass Präzisionsmaschinen wie die Micro HD von<br />
Kern heute in einer Produktionsumgebung zuverlässig<br />
Ergebnisse liefern, die noch vor wenigen Jahren nur in<br />
einer Laborumgebung zu realisieren waren.<br />
Möglich macht das ein ausgeklügeltes Kühlkonzept.<br />
Spindel, Arbeitstisch und Achsen der Micro HD werden<br />
auf 0,05 K genau temperiert. Rund 200 l Kühlflüssigkeit<br />
fließen pro Minute durch alle relevanten Komponenten.<br />
Hinzu kommen überdimensionierte Linearantriebe.<br />
„Wir nutzen nur rund 25 Prozent der Leistung,<br />
was die Wärmeentwicklung signifikant reduziert“, sagt<br />
Stauder. Auch das trage zur thermischen Stabilität der<br />
Maschine bei.<br />
Wo man früher für hochpräzise Jobs auf große,<br />
schwere und thermisch träge Maschinen setzte, zwingt<br />
der Trend zur fünfachsigen Simultanbearbeitung über<br />
mehrere Stunden dazu, moderne Maschinen so zu gestalten,<br />
dass sie sowohl stabil als auch hochdynamisch,<br />
produktiv und möglichst unempfindlich gegenüber<br />
äußeren Einflüssen sind. Genau das sei die Domäne dieser<br />
Präzisionsmaschine, erklärt Stauder.<br />
Simon Eickholt ergänzt: „Aus unserer Sicht müssen<br />
Innovationen auch außerhalb von Nischen gut funktionieren.<br />
Sie sollten in Produktionsumgebungen zuverlässig<br />
arbeiten, deren wesentliche Anforderung eine konstante<br />
Temperierung auf ±0,5 K ist. Zudem sollten sie<br />
für den Kunden möglichst einfach zu handhaben sein.“<br />
Die neuen Fräser der<br />
Kingfisher-Linie sind mit<br />
Schaftkühlung oder innerer<br />
Kühlmittelzufuhr im<br />
Durchmesserbereich von<br />
0,2 bis 12 mm erhältlich.<br />
Bild: Zecha<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 39
technik & wissen<br />
„Wir arbeiten ständig daran, weiter in den Ultrapräzisionsbereich vorzudringen,<br />
ohne an Produktivität zu verlieren“, sagt Kern-Chef Eickholt.<br />
Was dazu nötig ist, erfahren die Eschenloher nicht<br />
nur im Austausch mit ihren Kunden, sondern tagtäglich<br />
auch in der hauseigenen Auftragsfertigung. Dort arbeitet<br />
die Micro HD bereits seit rund zwei Jahren. Im Oktober<br />
2019 ging die erste Maschine des Typs an einen<br />
Kunden. Bis Ende 2020 sollen rund 25 im Feld arbeiten.<br />
Etwa 75 % der Maschinen werden laut Stauder heute<br />
mit Automation geordert. Hinzu komme, dass zunehmend<br />
auch Werkstücke aus schwer zerspanbaren Materialien<br />
wie Hartmetall oder Keramiken in einem<br />
Arbeitsgang komplett fertigbearbeitet werden sollen.<br />
Um das zu ermöglichen,<br />
werden verschiedene Verfahren<br />
– vom Fräsen übers<br />
Bohren bis zum Schleifen –<br />
in einer Maschine eingesetzt.<br />
Für Flexibilität sorge<br />
außerdem, dass dieselbe<br />
Maschine in der Lage sei,<br />
im Wechsel mit einem<br />
10 μm- Fräser ein Haar zu<br />
beschriften oder mit einem<br />
40-mm-Messerkopf eine<br />
Fläche zu planen.<br />
Welche Genauigkeiten<br />
und Oberflächengüten zu<br />
erreichen sind, hängt laut<br />
Simon Eickholt nicht nur<br />
von der Maschine, dem zu<br />
bearbeitenden Material,<br />
den Werkzeugen und der<br />
Peripherie ab, sondern<br />
auch von der Infrastruktur<br />
und dem Know-how des<br />
Anwenders. Erfolgsvoraussetzungen<br />
wie die Temperierung der Umgebung oder ein<br />
genügend tragfähiger Boden seien für die meisten Kunden<br />
selbstverständlich. Wichtig sei zudem eine ausreichende<br />
Anschlussleistung und eine stabile Stromversorgung.<br />
Zu den Zielgruppen von Kern gehören neben Forschungseinrichtungen<br />
und großen Unternehmen auch<br />
kleine Teilefertiger. Gerade letzteren und Neueinsteigern<br />
hilft die in den Maschinen und Steuerungen integrierte<br />
Intelligenz schnell und sicher zu guten Ergebnissen.<br />
Automatisierte Prozesse werden auch in der Mikro -<br />
bearbeitung immer wichtiger. Bilder: Kern<br />
Einsteiger sollten spezifische Anforderungen kennen<br />
„Wer anspruchsvolle Teile – etwa für die Automobiloder<br />
Luftfahrtindustrie – fertigt und nun zusätzliche<br />
Geschäftsfelder sucht, der hat in der Regel die Kompetenz,<br />
sich in die Mikrofertigung einzuarbeiten“, sagt<br />
Stefan Zecha. Der Prozess des Fräsens oder Bohrens<br />
ändere sich zwar nicht grundsätzlich, aber es gelte<br />
zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen, wie den sorg -<br />
samen Umgang mit den Werkzeugen, Sauberkeit um<br />
und in der Maschine oder angepasste Prozessparameter.<br />
Für Neueinsteiger – oder jene, die Grenzen ausloten<br />
wollten – sei es wichtig, als kompetente Partner zumindest<br />
einen Maschinen- und einen Werkzeughersteller ins<br />
Boot zu holen. Um das nötige Know-how zu vermitteln,<br />
bieten sowohl Zecha als auch Kern Schulungen und<br />
Seminare an, mit denen sie Kunden auf den neusten<br />
Stand bringen.<br />
•<br />
Jede Minute fließen 200 l Kühlmittel durch alle wichtigen<br />
Komponenten des Präzisionszentrums Micro HD<br />
und sorgen so für hohe Thermostabilität.<br />
40 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Industrie<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 Das Stellenportal für Ihren Erfolg! 41
technik & wissen<br />
Spiegelsystem aus der Vakuumkammer: Geometrisch<br />
exakte Hochglanzoberflächen des planen und des<br />
konkaven Spiegels ermöglichen viele Reflexionen eines<br />
einmal eingebrachten Terahertz-Strahls. Sichtbar gemacht<br />
durch einen eingespiegelten grünen Laserstrahl und<br />
verdampfendes Kältemittel. Bilder: Horn/Sauermann<br />
Hochgenaue Oberflächen mit MKD<br />
Im Speziallabor der Fachgruppe Labor -<br />
astrophysik an der Universität Kassel werden<br />
in einer kleinen Vakuumkammer die<br />
Stoffe geschaffen, aus denen unsere Sterne<br />
entstanden sind. Die Wissenschaftler erzeugen<br />
Materie, die sonst nur im Weltraum vorkommt<br />
und sammeln so Erkenntnisse über<br />
das Werden und Vergehen von Sternen. Ausgeklügelte<br />
Lasertechnologie und präzise<br />
Spiegelsysteme helfen den Forschern bei der<br />
Umsetzung ihrer Ideen und Theorien. Die<br />
geometrisch hochpräzisen Spiegelsysteme<br />
mit hohem Reflexionsfaktor aus Aluminium<br />
werden mithilfe eines Kugelfräsers der Paul<br />
Horn GmbH in Tübingen hergestellt. Bestückt<br />
ist das Werkzeug mit einer Schneide<br />
aus monokristallinem Diamant (MKD).<br />
Auf die Anwendung zugeschnittene Werkzeuge sind die Basis für Erfolg<br />
Mikroproduktion<br />
mit vielen Facetten<br />
Präzisionswerkzeuge | Drei Beispiele aus der Mikrobearbeitung<br />
zeigen, welche Eigenschaften Zerspanwerkzeuge<br />
mitbringen müssen, um die hohen Anforderungen<br />
erfüllen zu können.<br />
Kleinstteilebearbeitung, Miniaturisierung<br />
und Mikroproduktion sind heutzutage in<br />
aller Munde. In den unterschiedlichsten<br />
Branchen und Bereichen kommen diese Begriffe<br />
vor. Wellen, Schrauben, Gravuren,<br />
Oberflächen und vieles mehr werden in kleinen<br />
und kleinsten Abmessungen hergestellt.<br />
Dazu benötigt es die entsprechenden Prä -<br />
zisionswerkzeuge. Drei Beispiele zeigen, was<br />
in diesem Bereich heute möglich ist.<br />
Hochglanzfräsen der konkaven Spiegeloberfläche mit<br />
schwingungsdämpfendem Hartmetallschaft aus der<br />
Typenreihe 117 und 10 mm Schneidplatte des Typs<br />
S117 mit monokristalliner Diamantschneide.<br />
42 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Alle bisher benutzten speziellen Terahertz-Optiken<br />
hatten Schwächen. Einzig<br />
metallische Spiegel führten die Forscher näher<br />
an ihr Ziel. Doch die bisherigen Fräsund<br />
Polierversuche brachten keine brauchbaren<br />
Oberflächenqualitäten. Die Fräserspuren<br />
waren zu tief und beim Herauspolieren<br />
erzeugte man zusätzlich geometrische<br />
Ungenauigkeiten. Die Folge waren zu wenige<br />
brauchbare Reflexionsdurchgänge im<br />
Spiegelsystem. Die ersten Versuche zeigten<br />
schon, dass man mit den MKD-Fräsern von<br />
Horn den richtigen Weg eingeschlagen hatte.<br />
Um das Ergebnis zu verbessern, verfeinerte<br />
man die Flächenauflösung im CAM-<br />
Programm auf 0,0005 mm.<br />
Die etwa 50 unterschiedlichen chirurgischen Pinzetten-<br />
Varianten mit Mauszahn sind in drei Größen unterteilt<br />
– mit Mauszahnprofilhöhen von 0,7 bis 4 mm.<br />
Ein konkaver Spiegel mit einem Durchmesser<br />
von 100 mm und einem Spiegelradius<br />
von ebenfalls 100 mm wird in mehreren<br />
Schritten aus dem Aluminium-Werkstoff<br />
AlMgSi05 hergestellt: Das Rohteil wird<br />
zu Beginn mit einem 8-mm-Hartmetall-<br />
Schruppfräser vorgeschruppt. Das Aufmaß<br />
beträgt 0,25 mm. Der zweite Schritt ist das<br />
Profil-Vorfräsen der Fläche mit 10 mm<br />
Hartmetall-Kugelfräser (mit 30° Anstellung<br />
des Schwenktischs, 0,5 mm Zeilenabstand,<br />
Aufmaß 0,1 mm). Als nächstes erfolgt das<br />
Profil-Vorschlichten der Fläche mit einem<br />
10-mm-Kugelfräser (30°, 0,1 mm Zeilenabstand,<br />
Aufmaß 0,03 mm). Anschließend<br />
wird der Spiegel hochglanzgefräst. Dazu<br />
dient ein Kugelfräser des Typs 117 von<br />
Horn mit schwingungsdämpfendem Rundschaft<br />
aus Hartmetall und einer Schneidplatte<br />
S117 für Durchmesser 10 mm mit<br />
MKD-Schneide und Aluminiumgeometrie.<br />
Gefräst wird mit folgenden Parametern:<br />
V c = 400 m/min, f z = 0,03 mm, a p = 0,03 mm<br />
und a e = 0,03 mm. Abschließend wird der<br />
Spiegel ohne Polierdruck nachpoliert.<br />
Grundsätzlich sind mit MKD-Werkzeugen<br />
in Kombination mit dem zum Einsatz<br />
kommenden Werkstoff Oberflächengüten<br />
von R z kleiner 0,02 μm realisierbar. Die<br />
Qualität der Schneide ist hierbei das Abbild<br />
der erreichbaren Oberflächengüte, welche<br />
die Oberflächenglanzoptik darstellt.<br />
Pinzetten für die Medizin<br />
Ein weiteres Beispiel für Bearbeitungen im<br />
Mikrobereich sind chirurgische Instrumente.<br />
Die Aesculap AG in Tuttlingen produziert<br />
allein im Bereich Pinzetten etwa 1000<br />
unterschiedliche Varianten – je nach Verwendungszweck<br />
und Größe. Eine dieser<br />
Varianten, die chirurgischen Pinzetten, unterscheidet<br />
sich von den anderen durch eine<br />
hochpräzise so genannte Mauszahn-Geometrie<br />
als Greifer. Der Renner unter den chirurgischen<br />
Pinzetten erreicht Stückzahlen von<br />
über 20.000 Exemplaren pro Monat. Andererseits<br />
werden einige Spezialpinzetten gerade<br />
mal mit 50 Stück pro anno nachgefragt.<br />
Doch fast alle Pinzetten haben eines gemeinsam:<br />
Die am häufigsten eingesetzten Werkstoffe<br />
1.4021 und 1.4024 mit den Laborierungen<br />
X20Cr13 oder X15Cr13 – Edelstähle<br />
der Zerspanungsklasse 5 – sind zäh, kaltverfestigend,<br />
gratbildend und haben eine<br />
Neigung, Aufbauschneiden zu bilden.<br />
Die Mauszahngeometrie wird in Formbacken<br />
gespannt und in einer Aufspannung<br />
mittels 5-Achsen-CNC-Fräsen fertigbearbeitet.<br />
Das Auslegen der Spannsituation und<br />
der Werkzeuge bedurfte einer längeren Prozessentwicklung.<br />
Die zu bearbeitenden Pinzettenspitzen<br />
sind labil, schwingungsempfindlich<br />
und weichen schon geringen<br />
Schnittdrücken aus. Für jede der etwa 50<br />
Pinzettenvarianten waren deshalb spezielle<br />
Formbacken nötig. Dann wurden die Werkzeugpaarungen<br />
fürs Bearbeiten der männ -<br />
lichen und weiblichen Pinzettenschenkel<br />
entwickelt. Die drei Mauszahngrößen unterscheiden<br />
sich in ihren Zahn- und Gegenzahnwinkeln<br />
– sie liegen bei 25°, 30° oder<br />
35°. Um ein Verwechseln der Werkzeuge zu<br />
vermeiden, sind diese in drei unterschied -<br />
lichen Durchmessern ausgelegt. Je nach<br />
Mauszahngröße und dazugehörigem Winkel<br />
paarte man „männliche“ und „weibliche“<br />
Werkzeuge der sechsschneidigen Fräser<br />
Schlitzen der „weiblichen“ Mauszahngeometrie einer<br />
chirurgischen Pinzette. Die Flankenwinkel des Profils<br />
mit 25°, 30° oder 35° richten sich nach der jeweiligen<br />
Profilhöhe.<br />
der Typen 613, 628 und 632 mit korrespondierenden<br />
Schneidkreisdurchmessern von<br />
21,7 mm, 27,7 mm und 31,7 mm.<br />
Extrem enge Vorgaben für die Verrundung<br />
der Basiskontur des männlichen<br />
Mauszahns von maximal 0,03 mm und<br />
0,05 mm für den Nutgrund der weiblichen<br />
Kontur stellten hohe Anforderungen an die<br />
Werkzeugschleifer bei Horn. Zumal sich die<br />
Vorgaben beim Schleifen des Grundkörpers<br />
infolge der zu berücksichtigenden Beschichtungsdicke<br />
nochmals verschärften. Diese<br />
sehr scharfe Schneideckenkontur musste<br />
aber neben der geometrischen Präzision<br />
auch noch hohe Standzeiten und hohe Prozesssicherheit<br />
beim Bearbeiten von 1.4021<br />
beziehungsweise 1.4024 gewährleisten. Unter<br />
Berücksichtigung der Feinstkontur an<br />
den Werkzeug-Schneidecken wählten die<br />
Entwickler eine besonders glatte und relativ<br />
dünne Beschichtung. Sie vereinfacht die<br />
Spanbildung, den Spanablauf und bietet geringen<br />
Reibungswiderstand. Wenig Reibung<br />
erzeugt einen geringen Wärmeeintrag ins<br />
Werkzeug. Ergebnis: hohe Standmenge und<br />
minimierter Schnittdruck. Die verwendete<br />
Sorte Ti25, mit ihrer TiCN-Beschichtung<br />
eignet sich zudem besonders zum Bearbeiten<br />
von martensitischen rostfreien Stählen.<br />
Die Werkzeugträger aus Schwermetall sorgen bei<br />
den μ-Finish-Werkzeugen von Horn für eine gute<br />
Schwingungsdämpfung.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 43
technik & wissen<br />
Das Handling kleinster Uhrenschrauben erfordert viel Fingerspitzengefühl.<br />
Schrauben für mechanische Uhren<br />
Auch Schrauben der Gewindegröße S 0,6<br />
(Schweizer Uhrengewinde) mit einer Gewindelänge<br />
0,55 mm und einem Kopfdurchmesser<br />
von 1,2 mm erfordern Fingerspitzengefühl.<br />
Die Laubscher Präzision AG aus<br />
dem schweizerischen Täuffelen setzt bei der<br />
Mikrobearbeitung ebenfalls auf Werkzeuge<br />
von Horn. Für Kleinstteile entwickelten die<br />
Tübinger das Werkzeugsystem μ-Finish. Hohe<br />
Schneidenqualität, Wechselgenauigkeiten<br />
im μm-Bereich und schwingungsarme Werkzeugträger<br />
zeichnen dieses System aus.<br />
Ein Schweizer Uhrwerk besteht je nach<br />
Kaliber aus vielen einzelnen Baugruppen:<br />
Darunter das Räderwerk, der Aufzug, der<br />
Antrieb, die Unruh oder das Zeigerwerk.<br />
Bei einem Uhrenkaliber mit vielen Komplikationen<br />
sind auf kleinstem Raum viele<br />
Bauteile zum Uhrwerk montiert. Für den<br />
Zusammenbau kommen Schrauben zum<br />
Einsatz, die mit bloßem Auge kaum von einem<br />
Span zu unterscheiden sind. Trotz ihrer<br />
kleinen Abmessungen, werden die Schrauben<br />
zum Teil mittels Spanzange/Gegenspindel<br />
an der Hauptspindel abgenommen, um<br />
an der Gegenseite bearbeitet zu werden. Die<br />
Maßkontrolle erfolgt nicht mit einer Bügelmessschraube,<br />
sondern unter einem Mikros -<br />
kop mit 50-facher Vergrößerung.<br />
Rund 30.000 Stück produzieren die<br />
Schweizer pro Jahr nur von diesem Schraubentyp.<br />
Als Werkstoff dient Automatenstahl,<br />
der von Stangen mit 3 mm Durchmesser<br />
bearbeitet wird. Die Bearbeitungsreihenfolge<br />
lautet: Plandrehen des Schraubenkopfes,<br />
Längsdrehen auf den Durchmesser des<br />
Schraubenkopfes, Stechen des Durchmessers<br />
für das Gewinde, Gewindedrehen und<br />
Abstechen. Bei allen Schritten kommen die<br />
μ-Finish-Werkzeuge zum Einsatz.<br />
Für das präzise Bearbeiten von Kleinstteilen<br />
ist es enorm wichtig, dass die Werkzeuge<br />
absolut scharf geschliffen und die<br />
Werkzeughalter schwingungsarm sind. Des<br />
Weiteren spielt die Schartigkeit beziehungsweise<br />
die Schnittigkeit der Schneidkanten<br />
eine entscheidende Rolle in der Mikrobe -<br />
arbeitung. Jede Unregelmäßigkeit auf der<br />
Schneidkante spiegelt sich am Werkstück<br />
wider.<br />
Anforderungen steigen permanent<br />
„Mikroproduktion ist auch in der Zerspanung<br />
weit verbreitet“, sagt Matthias Rommel,<br />
Geschäftsführer der Paul Horn GmbH.<br />
„Die Anforderungen an die Präzision, Ausbringungsmenge<br />
und Qualität sind hoch<br />
und entwickeln sich permanent weiter. Daher<br />
ist es auch im Bereich der Zerspanwerkzeuge<br />
zwingend notwendig, diese ständige<br />
weiter voranzubringen und bei Bedarf auch<br />
Sonderwerkzeuge und Neuentwicklung zu<br />
realisieren.“<br />
•<br />
Christian Thiele<br />
Pressesprecher, Paul Horn GmbH,<br />
Tübingen<br />
„Zerspanwerkzeuge für die Mikrobearbeitung müssen sich ständig weiterentwickeln, um mit den<br />
Anforderungen Schritt halten zu können“, sagt Matthias Rommel, Geschäftsführer bei Paul Horn.<br />
44 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Unterschiedlichste Werkzeuge in Premiumqualität flexibel beschichten<br />
Von klein bis groß im<br />
fliegenden Wechsel<br />
Beschichtungstechnik | Der Trend geht zu anwendungsspezifischen<br />
Werkzeugen. Mit einer CC800-<br />
Anlage von Cemecon beschichtet Protech unterschiedlichste<br />
Werkzeuge in einer Anlage flexibel.<br />
Die Bandbreite bei Protech reicht von Mikrowerkzeugen<br />
bis zu große Wälzfräsern und Räumwerkzeugen.<br />
Die flexible Beschichtungsanlage<br />
CC800<br />
HiPims hilft dem Werkzeug-Hersteller<br />
Protech,<br />
eine hohe Variantenvielfalt<br />
zu beherrschen.<br />
Bilder: Cemecon<br />
Sonderwerkzeuge, genau auf die Anforderungen anspruchsvoller<br />
Kunden zugeschnitten, sind die Spezialität<br />
von Protech im slowakischen Prešov. Die Protech Coatings<br />
Service, s.r.o. und die Protech Service, s.r.o. bieten<br />
– vom Beschichten über das Nachschleifen bis hin zur<br />
Herstellung – hochwertige Werkzeuglösungen an. Dabei<br />
beginnt das Materialspektrum bei HSS- sowie Hartmetall-Werkzeugen<br />
und endend mit superharten CBN-,<br />
PKD- und CVD-Tools.<br />
„Unsere Kunden sind kreativ und fordernd – jeden<br />
Tag stellen sie neue Anforderungen an die Werkzeuge<br />
und deren Beschichtung“, sagt Miroslav Palo, Inhaber<br />
des Familienunternehmens und Kopf hinter dem Protech<br />
Innovation Center. Die Slowaken schleifen sowohl<br />
Mikrowerkzeuge mit Durchmessern ab 0,1 mm als<br />
auch bis zu 3000 mm lange Wälzfräser und Räumwerkzeuge.<br />
Die Beschichtungstechnologie muss dieser Bandbreite<br />
gerecht werden, dabei höchste Qualität liefern<br />
und eine wirtschaftliche Fertigung ermöglichen.<br />
Für diese Anforderungen hat Protech in Cemecon<br />
den richtigen Partner gefunden. Die Beschichtungsan -<br />
lage CC800 HiPims der Experten aus Würselen ist vielfältig<br />
und flexibel. „Mit unserer HiPims- Anlage lassen<br />
sich die Schichten genau auf die Anforderungen abstimmen<br />
und innerhalb kurzer Zeit umsetzen“, betont Dirk<br />
Prinz, Customer Care Technology bei der Cemecon. So<br />
können morgens beispielsweise 12 μm dicke Schichten<br />
für Wendeplatten abgeschieden werden und mittags<br />
hauchdünne 1 μm-Schichten mit engen Toleranzen für<br />
Mikrowerkzeuge folgen.<br />
Für Premiumqualität über die gesamte Bandbreite<br />
besitzen die Schichten herausragende Eigenschaften: Sie<br />
sind extrem glatt und haftfest, hart und gleichzeitig zäh.<br />
Sie haben eine feinkörnige, sehr dichte Morphologie,<br />
niedrige Eigenspannungen und eine hohe thermische<br />
Stabilität. Neben der Flexibilität und der Qualität, die<br />
sie bietet, ist die Anlage auch noch schnell: Der Prozess<br />
einer 3 μm-Charge benötigt laut Cemecon zirka 4,5 h.<br />
In 30 Minuten ist die Anlage umgerüstet. Das ermögliche<br />
vier bis fünf unterschiedliche Chargen pro Tag.<br />
Auch für künftige Herausforderungen ist Protech mit<br />
dieser Beschichtungstechnologie gut gerüstet. Miroslav<br />
Palo ist sich sicher: „Die Vielfalt und Komplexität der<br />
Marktanforderungen werden immens wachsen. Variantenvielfalt<br />
aktiv zu managen – und das in Premium -<br />
qualität – ist der Kern des Protech Innovation Centers.<br />
Ich sehe die CC800 HiPims als einen Eckpfeiler in unserer<br />
Zukunftsstrategie.“ (mw)<br />
•<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 45
technik & wissen<br />
Den Drehmaschinen von Citizen liegt die in der<br />
Mikrobearbeitung nötige Genauigkeit und Repro -<br />
duzierbarkeit in den Genen. Bilder: Citizen<br />
Wo das Zerspanen an Grenzen stößt, nutzt die Hybridmaschine den Laser<br />
Groß in kleinen<br />
Dimensionen<br />
Mikrodrehen | Damit Kunden die hohen Anforderungen<br />
beim Mikrodrehen zuverlässig im Griff haben,<br />
kombiniert Citizen soliden Maschinenbau auf Wunsch<br />
mit seiner LFV-Technologie und Lasertechnik.<br />
Viele Produkte des täglichen Lebens unterliegen – sichtbar<br />
oder unter der Haube – einer permanenten<br />
Schrumpfkur. Damit die Produktionstechnik die Ideen<br />
der Entwickler realisieren kann, werden Werkzeuge auf<br />
Minimalradien verkleinert und Bearbeitungsmaschinen<br />
auf kürzeste Verfahrwege und höchste Präzision getrimmt.<br />
„Summiert man dazu noch die unterschied -<br />
lichen Werkstoffe und deren Anforderungen, kommen<br />
herkömmliche Herangehensweisen an die Zerspanung<br />
schnell an ihre Grenzen“, sagt Markus Reissig, Geschäftsführer<br />
der Citizen Machinery Europe GmbH.<br />
Die Drehmaschinenkonzepte des japanischen Herstellers<br />
mit Deutschland-Zentrale in Esslingen bieten ein<br />
gutes Maß an „Luft nach oben“ in Sachen Genauigkeit<br />
und Reproduzierbarkeit. Und wo das nicht ausreicht,<br />
hilft eine Hybridtechnologie, die Präzisionsdrehen und<br />
Lasertechnik verbindet.<br />
Von jeher Hochburg für Mikrozerspanungsspezialisten<br />
ist die Uhrenindustrie. Dort sind Zahnräder und<br />
Schräubchen essentielle Bauteile, bei deren Dimensio-<br />
nen sich nur Könner an die Maschine trauen. Doch<br />
auch in der Medizintechnik hält die Miniaturisierung<br />
stetig Einzug: Minimalinvasive Eingriffe gehören inzwischen<br />
zum Standard im OP, weshalb viele medizinische<br />
Werkzeuge immer weiter schrumpfen.<br />
Was nicht schrumpft, sind hingegen die Anforderungen<br />
durch strenge Standards bei der Entwicklung und<br />
Produktion der eingesetzten Arbeitsmittel. Beste Qualität<br />
in höchster Reproduzierbarkeit ist gefragt. „Dazu<br />
gehört zum Beispiel auch die Spankontrolle beim Drehen,<br />
die nirgendwo wichtiger ist als in der Mikrozerspanung“,<br />
betont Markus Reissig. Dies sei einer der Gründe,<br />
weshalb Citizen auch bei Hochpräzisionsmaschinen<br />
auf sein LFV-Verfahren setzt. Beim „Low frequency<br />
vibration cutting“ erzeugen die Antriebe der bearbeitenden<br />
Achsen oszillierende Bewegungen in X- oder<br />
Z-Richtung, die mit der Spindeldrehzahl synchronisiert<br />
werden. Während einer Spindelumdrehung gibt es Richtungsänderungen<br />
der bewegten Achse. Durch diese entstehen<br />
sogenannte Air-cuts, die die Späne definiert brechen.<br />
Wie lang die Späne sein sollen, lässt sich durch<br />
verändern der Frequenz einfach bestimmen.<br />
Drei Modi für kontrollierten Spanbruch<br />
In drei LFV-Modi kann der Anwender die Spanbildung<br />
entsprechend der jeweiligen Anforderungen beeinflussen.<br />
Sind besonders feine Späne gewünscht, greift Modus<br />
1. Er gibt die Anzahl der Vibrationen in einer Spindelumdrehung<br />
an. Bei Modus 2 wird die Anzahl der<br />
Spindelumdrehungen pro Vibration angegeben, etwa,<br />
wenn hohe Umfangsgeschwindigkeiten für die Feinoder<br />
Tiefenbearbeitung mit schmalem Durchmesser verlangt<br />
sind. Und Modus 3 bricht die Späne auch während<br />
des Gewindedrehens und konnte damit vermutlich<br />
schon manches Gewinde retten.<br />
Die erste Maschinengattung, die das LFV-Feature<br />
implantiert bekam, war die Miyano VC03. Sie ist speziell<br />
für hochpräzise Bearbeitung ausgelegt und hat sich<br />
beispielsweise in der Uhrenindustrie bewährt. Dort<br />
dreht sie mühelos kleinste Zeiger und Uhrwerksschrauben<br />
im Bereich von 0,1 mm. Wie alle Miyano- Modelle<br />
profitiert sie von einem Maschinenaufbau, der auf hohe<br />
Präzision getrimmt wurde. Extrem robuste, handgeschabte<br />
Führungsbahnen tragen ebenso dazu bei wie<br />
das steife Gussbett mit hohem Dämpfungsvermögen. In<br />
Sachen Aufstellfläche orientiert sie sich an den zu bearbeitenden<br />
Werkstücken: Sie ist so kompakt konstruiert<br />
und benötigt nur wenig Platz.<br />
Mit der Miyano BNA-42GTY – für Stangendurchmesser<br />
bis 42 mm – kombiniert Citizen die gewohnte<br />
Miyano-Präzision mit den Tugenden, für die Cincom-<br />
46 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Maschinen geschätzt werden: hohe Spindelleistung und<br />
rasante Arbeitszyklen. „Dank ihrer Konfiguration mit<br />
zwei Spindeln, einem Revolver, zwei Y-Achsen und<br />
X3-Achse für die Gegenspindel können bis zu 45 Werkzeuge<br />
in der Maschine eingesetzt werden – und zwar bis<br />
zu drei gleichzeitig“, erläutert Reissig.<br />
Die R-Serie der Langdrehautomaten ist ausgelegt auf<br />
die ultrapräzise Fertigung von Klein- und Kleinstteilen<br />
bei Stangendurchmessern bis maximal 4 mm. Für die<br />
passende Drehzahl sorgt die<br />
Hochgeschwindigkeitsspindel<br />
mit 20.000 min -1 . In Kombina -<br />
tion mit Linear- und Servomotoren<br />
ergibt sich ein Gesamtpaket,<br />
das höchste Präzision, maximale<br />
Kompaktheit und niedrigen<br />
Energieverbrauch gewährleistet.<br />
Dem Drehen und Fräsen,<br />
selbst mit Mikrowerkzeugen,<br />
sind irgendwann fertigungstechnische<br />
Grenzen gesetzt. Die<br />
allerdings können durch den<br />
Einsatz moderner Lasertechnik<br />
verschoben werden: Mit ihr lassen<br />
sich unter anderem ultrafeine<br />
Stege in höchster Präzision<br />
herstellen, was den Rahmen für<br />
kommende Innovationen erweitert.<br />
Um Präzisionsdrehen und<br />
Laserschneiden zu kombinieren,<br />
entwickelte Citizen eine Hybridmaschine.<br />
„Die passende Basis<br />
dafür war die Cincom L20, da<br />
sie für komplexe 3D-Fräsoperationen<br />
entworfen wurde. Sie bot<br />
sich an, mit der Lasertechnologie<br />
aufgerüstet zu werden.<br />
Feinste Stege, kleine Radien<br />
oder biegsame Wellen aus Rohren<br />
mit maximal 2 mm Wand -<br />
dicke sind ihre Spezialität. Präzision<br />
und Reproduzierbarkeit<br />
gehen dabei Hand in Hand, vor<br />
allem, weil sämtliche Teilprozesse<br />
auf einer Maschine stattfinden<br />
– ohne Umrüsten.<br />
Ob mit etablierter Lang- und<br />
Kurzdrehtechnologie oder mit<br />
Laser-Hybridlösungen: Das Maschinenportfolio<br />
von Citizen<br />
deckt ein breites Spektrum der<br />
Mikrobearbeitung in den unterschiedlichsten<br />
Industriezweigen<br />
ab. „Damit unsere Kunden den<br />
Miniaturisierungstrends min-<br />
Die Uhrenindustrie bietet ein weites Arbeitsfeld für die Mikro -<br />
bearbeitung. Dank moderner Hybridmaschinen wie der Cincom<br />
L20, die Präzisionsdrehen und Lasertechnologie kombiniert,<br />
verlieren solche Bauteile für den Zerspaner ihren Schrecken.<br />
destens eine Schrittlänge voraus sind, stehen innovative<br />
Konzepte bei uns an oberster Stelle. So schaffen wir es<br />
die Fertigungsgrenzen immer ein Stück weiter zu verschieben“,<br />
schließt Markus Reissig. (mw) •<br />
INNOVATION<br />
IN INDUSTRIE<br />
UND AUSBILDUNG<br />
WEILER und KUNZMANN stehen für zyklen gesteuerte<br />
Drehmaschinen und vollautomatisierbare Vertikal-<br />
Bearbeitungszentren – zugleich aber auch für handbediente<br />
Dreh- und Fräsmaschinen für Ausbildung und Handwerk.<br />
WEILER Condor VCPlus: Stufenlose<br />
Drehzahlregelung, mit Energiesparsystem<br />
und optionalem Ausbildungskonzept<br />
weiler.de<br />
kunzmann-fraesmaschinen.de<br />
KUNZMANN<br />
BA 1100: großer Arbeitsraum<br />
mit 750 mm Verfahrweg in<br />
der Y-Achse<br />
WEILER E50 HD: Geniale<br />
WEILER-Bedienoberfläche,<br />
bestens zugänglicher<br />
Arbeitsraum, bis zu<br />
2.000 mm Spitzenweite<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 47
technik & wissen<br />
Vollhartmetallfräser senkt Bearbeitungszeit um fast ein Drittel<br />
Mehr Schneiden für<br />
weichen Schnitt<br />
Hartmetallfräser | Der Vollhartmetallfräser Logiq<br />
MM Face von Iscar senkt bei Rotec die Produktionskosten<br />
von Antriebswellen deutlich. Möglich machen<br />
das die zusätzlichen Zähne des Werkzeugs.<br />
Hochwertige Drehteile aus allen zerspan -<br />
baren Materialien sind die Spezialität der<br />
Rotec GmbH im schwäbischen Hermaringen.<br />
135 Mitarbeiter fertigen auf einem umfangreichen<br />
und gut ausgestatteten Maschinenpark<br />
Serien zwischen 1000 und 10 Mio.<br />
Stück. Die Aufträge kommen hauptsächlich<br />
aus der Automobilindustrie und dem allgemeinen<br />
Maschinenbau, aber auch aus ande-<br />
In der Langdrehmaschine werden erst<br />
alle Konturen hergestellt und anschließend<br />
mit dem Logiq MM Face der<br />
15,3 mm lange Sechskant auf ein Ende<br />
der künftigen Antriebswelle gefräst.<br />
Bilder: Iscar<br />
ren Branchen wie etwa der Medizintechnik.<br />
„Unsere Kunden erwarten von uns hohe<br />
Termintreue und Bauteile in sehr hoher<br />
Qualität“, sagt Mathias Rieger, Produktmanager<br />
bei Rotec. Das waren auch die<br />
Anforderungen beim Bearbeiten eines Antriebswellenteils<br />
für die Automobilbranche.<br />
„Hier sind die geforderte Oberflächengüte<br />
sowie die Maßhaltigkeit der Komponenten<br />
die Herausforderungen“, erklärt Rieger.<br />
Die Komponente wird aus legiertem Einsatzstahl<br />
16MnCr5 von der Stange komplett<br />
gefertigt und mit einem Sechskant versehen.<br />
330.000 Stück davon produziert<br />
Rotec pro Jahr. Bisher setzte das Unter -<br />
nehmen einen Vollhartmetallfräser (VHM)<br />
48 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
eines Marktbegleiters ein. „Hier sahen wir<br />
Einsparpotenzial und wandten uns an unseren<br />
Technologiepartner Iscar, mit dem wir<br />
seit 25 Jahren eng und erfolgreich zusammenarbeiten“,<br />
erzählt Mathias Rieger.<br />
Florian Schöffler, Beratung und Verkauf,<br />
Michael Hesselschwerdt, Produktspezialist<br />
Modulare Frässysteme und Reiben, sowie<br />
Uli Köhler, Regional Sales Manager, schauten<br />
sich die Aufgabe an und hatten schnell<br />
das passende Werkzeug parat: Den modu -<br />
laren VHM-Planfräskopf Logiq MM Face<br />
mit Multi-Master Schnittstelle .<br />
Nur geringe Modifikationen notwendig<br />
Iscar hat den Logiq MM Face zum Plan-und<br />
Eckfräsen in engen und begrenzten Arbeitsräumen<br />
auf Fräsmaschinen sowie für angetriebene<br />
Einheiten auf Drehmaschinen entwickelt.<br />
Die Fräser sind extrem kurz und in<br />
den Durchmessern 12 bis 25 mm verfügbar.<br />
„Die kurze Bauform bringt mehrere Vorteile“,<br />
erklärt Michael Hesselschwerdt. „Zum<br />
einen sparen wir Hartmetall und damit Ressourcen,<br />
zum anderen läuft das Werkzeug<br />
dank der geringeren Auskraglänge und der<br />
speziell entwickelten Schneidengeometrie<br />
ruhiger. So erreichen wir über die gesamte<br />
Standzeit zuverlässig eine hohe Oberflächengüte<br />
und Prozesssicherheit.“<br />
Die Wechsel-Fräsköpfe sind in der<br />
verschleißfesten TiAIN-PVD-beschichteten<br />
Feinstkornsorte IC908 ausgeführt und verfügen<br />
über sechs Schneiden – zwei mehr als<br />
bei solchen Werkzeugen üblich. „Das macht<br />
sie sehr weichschneidend“, sagt Florian<br />
Schöffler. Wie bei den Systemen mit Wendeschneidplatten<br />
tauscht der Anwender nicht<br />
das ganze Werkzeug, sondern nur die<br />
Schneiden. Da die Fräsköpfe einfach in den<br />
Werkzeughalter eingeschraubt werden, entfällt<br />
das Einmessen nach dem Werkzeugwechsel,<br />
der dadurch nur noch eine statt der<br />
zehn Minuten zuvor dauert. „Das ist auch<br />
im Sinne von Automatisierung und Industrie<br />
4.0 interessant“, unterstreicht Uli Köhler.<br />
„Weil Einmessen und Nachschleifen entfallen,<br />
könnte der Fräskopf auch von einem<br />
Roboter gewechselt werden. Damit wäre ein<br />
mannloser Betrieb dieser Station möglich.“<br />
Nach einer Versuchsreihe auf den Maschinen<br />
bei Rotec stand fest: Der Logiq MM<br />
Face ist die richtige Wahl. Beim Drehteilehersteller<br />
kommt das Werkzeug mit 12 mm<br />
Durchmesser zum Einsatz. „Das ist eigentlich<br />
ein Standard-Werkzeug“, sagt Florian<br />
Schöffler. „Wir mussten nur den Eckenra -<br />
dius an die Anwendung anpassen.“<br />
Rüst- und Fertigungszeiten sinken<br />
Die 3 m langen und 17 mm dicken Stahlstangen<br />
laufen aus dem Vorrat in die Langdrehmaschine.<br />
Hier werden erst alle Konturen<br />
hergestellt, bevor der Logiq MM Face<br />
den 15,3 mm langen Sechskant auf ein Ende<br />
der künftigen Antriebswelle fräst. Anschließend<br />
bringt die Anlage die Zentrierbohrung<br />
ein, sticht die 107 mm lange Komponente<br />
ab und schleust sie über ein Förderband aus.<br />
Der VHM-Fräser Logiq MM Face mit<br />
12 mm Durchmesser und sechs Schneiden<br />
erzeugt den Sechskant in nur 11 s.<br />
„Wir brauchen für den Sechskant jetzt nur<br />
noch elf Sekunden“, sagt Mathias Rieger.<br />
„Das sind fünf Sekunden weniger als mit<br />
der vorherigen Lösung.“ Durch die kürzere<br />
Rüstzeit und die gesunkene Produktionszeit<br />
kann Rotec bei mehr als 300.000 gefertigten<br />
Teilen pro Jahr „eine bedeutende Einsparung<br />
erzielen“, wie Geschäftsführer Thomas<br />
Schneider erklärt.<br />
Der Service macht den Unterschied<br />
„Wir sind sehr zufrieden mit der Lösung,<br />
dem Ergebnis und mit der Zusammenarbeit<br />
mit Iscar im Allgemeinen“, sagt Mathias<br />
Rieger. Für die schwäbischen Zerspanungsspezialisten<br />
ist neben der hohen Qualität<br />
der Werkzeuge vor allem das „Drumherum“<br />
von großer Wichtigkeit. „Unsere Ansprechpartner<br />
sind jederzeit erreichbar. Die<br />
Ettlinger reagieren schnell, wenn Probleme<br />
auftreten, und unterstützen uns mit Rat und<br />
Tat“, so der Produktmanager weiter. „Fräser<br />
und Zubehör liefern viele, aber es geht<br />
um mehr. Hier stimmt die Prozesskette, und<br />
der Preis passt zum Werkzeug.“ •<br />
Erich Timons<br />
Technischer Direktor<br />
Iscar Germany GmbH, Ettlingen<br />
Der Logiq MM Face baut<br />
deutlich kürzer als ein<br />
herkömmlicher VHM-<br />
Fräser. Das verringert<br />
Vibrationen, verbessert<br />
die Oberflächengüte und<br />
spart Ressourcen.<br />
330.000 dieser Antriebswellen<br />
stellt Rotec<br />
pro Jahr für einen<br />
Kunden aus der Automobilbranche<br />
her.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 49
technik & wissen<br />
Labile Bearbeitungssituation,<br />
schwankende Materialdicken<br />
und variierende Werkstoff -<br />
eigenschaften erschweren das<br />
Leben des Schneidplatten -<br />
bohrers QTD beim Bearbeiten<br />
von Stahlträgern. Bild: Mapal<br />
Schneidplatten-Werkzeug bohrt Stahlträger prozesssicher<br />
Standzeit steigt um<br />
mehr als Faktor 10<br />
Bohren | Der QTD-Schneidplattenbohrer mit Pyramidenspitze<br />
von Mapal ist prädestiniert fürs Bohren von<br />
Stahlträgern. Neben der Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit<br />
steht die Bohrungsqualität im Fokus.<br />
Die Pyramidenspitze der<br />
Vollhartmetall-Schneidplatte<br />
sorgt für die bestmögliche<br />
Selbstzentrierung<br />
des Werkzeugs und<br />
damit einen sicheren<br />
Bohrungseintritt.<br />
Stahlträger und Profilstähle sind in vielen Bereichen unverzichtbar.<br />
Sowohl deren Abmessungen als auch die<br />
Position und Größe der einzubringenden Bohrungen<br />
sind genormt. Für die Hersteller von Stahlträgern steht<br />
deshalb – neben Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit<br />
– die erzeugte Bohrungsqualität beim Zerspanen im<br />
Fokus. Mapal bietet dafür mit dem QTD-Schneidplattenbohrer<br />
mit Pyramidenspitze eine perfekte Lösung.<br />
Stahlträger – vorwiegend aus Altmetall hergestellt und<br />
damit ein Paradebeispiel für gelungenes Recycling – kommen<br />
beim Bau von Hallen, Brücken oder Wohnungen, im<br />
Bergbau, im Transport- und Logistikbereich sowie beim<br />
Maschinen- und Fahrzeugbau zum Einsatz. So vielfältig<br />
ihre Verwendungsmöglichkeiten, so tragend ist ihre Rolle.<br />
Für die verschiedenen Profilformen ist deshalb genau<br />
festgelegt, welche statischen Werte sie bei vorgegebenen<br />
Abmessungen erfüllen müssen. Auch die Position der Bolzenbohrungen<br />
sowie deren Größe ist definiert. Aufgrund<br />
meist labiler Bearbeitungssituationen, schwankender Materialdicken<br />
und variierender Werkstoffeigenschaften der<br />
Träger, ist das Einbringen dieser Bohrungen oft eine fertigungstechnische<br />
Herausforderung.<br />
In einem konkreten Fall in Australien waren die Verantwortlichen<br />
bei einem Hersteller von Bauträgern aus<br />
Stahl mit der Performance des eingesetzten Werkzeugs<br />
nicht zufrieden. Der Standweg des Bohrers unterlag<br />
starken Schwankungen. Vor allem klemmende Späne<br />
sorgten dafür, dass der Zerspaner das Werkzeug oft bereits<br />
nach 150 Bohrungen austauschen musste.<br />
Die Verantwortlichen wandten sich an die Experten<br />
des Präzisionswerkzeugherstellers Mapal. Die Aalener<br />
legten einen QTD-Schneidplattenbohrer mit 18 mm<br />
Durchmesser speziell auf die Gegebenheiten vor Ort<br />
aus. Die Schneidplatte besteht aus beschichtetem Vollhartmetall<br />
und ist speziell fürs Bearbeiten von Stahl optimiert.<br />
Ihre Pyramidenspitze sorgt für die bestmögliche<br />
Selbstzentrierung und damit einen sicheren Bohrungseintritt.<br />
Damit ist der Bohrer fürs Bearbeiten von Stahlträgern<br />
prädestiniert. Die Rückenfreilegung sichert eine<br />
gute Spanabfuhr. Durch die eingebettete Schneidplatte<br />
wird die Schnittkraft sauber in den nach ISO 9766 gestalteten<br />
Schaft eingeleitet. Weitere Merkmale des Werkzeugs<br />
sind:<br />
• eine gehärtete Stahlaufnahme mit Zylinderschaft,<br />
• eine stabile Torx-Plus-Spannung,<br />
• der prismatische Plattensitz für eine optimale Zentrierung<br />
der Schneidplatte sowie<br />
• höchste Leistungsfähigkeit in Kombination mit<br />
Spannfuttern von Mapal.<br />
Der Kunde setzt den QTD-Bohrer mit Minimalmengenschmierung<br />
sowie den selben Schnittdaten ein, die er<br />
auch beim zuvor eingesetzten Werkzeug nutzte. Das<br />
Werkzeug rotiert mit 1115 min -1 . Die Schnittgeschwindigkeit<br />
beträgt 63 m/min, der Vorschub 0,3 mm. Doch<br />
statt der 150 Bohrungen, die das Werkzeug des Marktbegleiters<br />
aushielt, erzeugt der Mapal-Bohrer heute<br />
2000 Bohrungen – prozesssicher und wirtschaftlich.<br />
Neben der deutlich längeren Standzeit bietet der<br />
QTD-Schneidplattenbohrer dem Hersteller von Bauträgern<br />
weitere Vorteile:<br />
• die Späne werden besser gebrochen,<br />
• sie sind deutlich kürzer und<br />
• lassen sich so leichter abtransportieren.<br />
Damit gehören Schwierigkeiten mit klemmenden Spänen<br />
der Vergangenheit an. Auch bei schwankender Materialdicke<br />
– im konkreten Fall liegt sie zwischen 3 und<br />
12 mm – arbeitet der QTD zuverlässig mit gleichbleibender<br />
Performance. Er erzeugt eine hohe Bohrungsqualität<br />
mit einem gratarmen Bohrungsaustritt. Zudem<br />
ist der Schneidplattenwechsel ebenso einfach wie sicher.<br />
Das Werkzeug hat den Kunden nicht nur mit seiner<br />
Leistungsfähigkeit und dem einfachen Handling überzeugt.<br />
Sein Einsatz ist zudem überaus ressourcen -<br />
schonend und wirtschaftlich. Denn das kosteninten -<br />
sive Hartmetall ist auf die Schneidplatte begrenzt.<br />
Dennoch braucht der Nutzer keine Einbußen im Vergleich<br />
zum Pendant aus Vollhartmetall in Kauf zu nehmen.<br />
(mw)<br />
•<br />
50 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Der flexible, modular aufgebaute Schraubbock fixiert<br />
große und mittelgroße Bauteile in T-Nuten und<br />
Rasterplatten. Das Startset umfasst zehn Elemente<br />
des Baukastens. Bild: AMF<br />
Modularer Schraubstock lässt sich nach Bedarf aufbauen<br />
Module stützen<br />
schwere Brocken<br />
Spanntechnik | Mit einem modularen Schraubstocksystem<br />
hat AMF eine Möglichkeit entwickelt, große<br />
und schwere Bauteile komfortabel zu spannen. Das<br />
Startset deckt bereits viele Anwendungen ab.<br />
Manchmal sind es die einfachen Dinge, die den Anwendern<br />
echte Vorteile verschaffen. In diesem Sinne hat der<br />
Spanntechnikspezialist Andreas Maier GmbH & Co.<br />
KG in Fellbach (AMF) einen flexiblen, modular aufgebauten<br />
Schraubbock fürs Fixieren großer und mittelgroßer<br />
Bauteile in T-Nuten und Rasterplatten entwickelt.<br />
Die einzelnen Module werden montagesicher bis zur gewünschten<br />
Höhe zusammengesteckt. Maximal sind<br />
1620 mm möglich. Ein Startset aus zehn Teilen deckt<br />
bereits ein breites Anwendungsspektrum ab. Weiteres<br />
Zubehör bis hin zum passenden Werkstattwagen komplettiert<br />
die Basismodule. „Warum den modularen<br />
Schraubbock bisher niemand erfunden hat, können wir<br />
uns auch nicht erklären“, sagt Manuel Nau, Verkaufsleiter<br />
bei AMF.<br />
Die brünierten Module aus Vergütungsstahl<br />
werden mit einem Gewindering<br />
prozesssicher verbunden und lassen<br />
sich flexibel aufbauen. Über eingeschraubte<br />
Fußelemente werden die Module in T-Nuten<br />
und auf Rasterplatten eingesetzt. Oben<br />
am Schraubstock sorgt eine Spindel mit<br />
Trapezgewinde für die Anpassung an das<br />
Werkstück.<br />
Zum Startset gehören ein Schraubbockelement mit<br />
Fußelement, ein kleines und ein mittleres Zwischenelement,<br />
drei Gewindeadapter M16, M20 und M24, drei<br />
T-Nutensteine für Nute 18, 22 und 28 sowie ein Montagewerkzeug.<br />
Durch weitere Zwischenelemente erreicht<br />
der Anwender die maximale Höhe von 1620 mm. Die<br />
zulässige Stützkraft beträgt 60 kN.<br />
Praktisch und leicht zu handhaben<br />
Ergänzend dazu bietet AMF ein weiteres Abstützelement<br />
mit Feingewinde an. Dieses kann der Anwender<br />
bis zu einer Auflagenhöhe von maximal 330 mm feinfühlig<br />
unter Last einstellen. Optional aufsetzbare ballige,<br />
glatte oder punktuelle Auflagen gleichen Uneben -<br />
heiten des Werkstücks aus. Sie werden magnetisch gehalten,<br />
über einen Zylinderstift gesichert und können<br />
mit einem Winkel von ±3° verstellt werden. Das Ab -<br />
stütz element ist in horizontaler und vertikaler Aufspannung<br />
einsetzbar.<br />
Wenn T-Nuten oder Raster partout nicht passen wollen,<br />
schaffen zwei Fußelemente Abhilfe. Sie ermöglichen<br />
eine variable Positionierung auf dem Maschinentisch.<br />
Ein Werkstattwagen mit Aufnahmen für die Module<br />
sorgt für Ordnung und eine mobile, schnelle Bereitstellung<br />
am Einsatzort.<br />
Weitere Merkmale der neuen modularen Schraubböcke<br />
von AMF sind die hohe Fertigungsgüte, flexible Einsatzmöglichkeiten<br />
und ein verbessertes Handling gegenüber<br />
großen und schweren Elementen, für die in der<br />
Regel ein Kran benötigt wird. (mw) •<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 51
technik & wissen<br />
Die C 42 U MT ist für die kombinierte Fräs-Dreh-<br />
Bearbeitung ausgelegt, sehr dynamisch und arbeitet<br />
auf bis zu fünf Achsen simultan. Bilder: Hermle<br />
terstützen ihn heute drei Mitarbeiter. Auf die Frage, wie<br />
er auf den Firmennamen „Der Span“ gekommen sei,<br />
zeigt er auf eine große Fotografie eines einzelnen Spans.<br />
„Während der Namensfindung erinnerte ich mich, dieses<br />
Bild auf einer Hausausstellung bei Hermle gesehen<br />
zu haben, und fand es äußerst passend“, schmunzelt der<br />
Jungunternehmer.<br />
Anfangs halfen ihm die Kontakte zum ehemaligen<br />
Arbeitgeber. Für ihn fertigte er einfache Werkstücke wie<br />
Winkel. „08/15-Teile“, wie sie Matthias Reh bezeichnet.<br />
„Wir hatten ja nur ältere Maschinen, mit denen wir<br />
doch weit entfernt von einer Hochpräzisionsbearbeitung<br />
waren.“ Das änderte sich 2015, als sich Reh dazu<br />
entschied, das in die Jahre gekommene Fräszentrum des<br />
Typs C 1200 U durch eine C 42 U der Maschinenfabrik<br />
Berthold Hermle AG zu ersetzen.<br />
5-Achsen-Zentren verschaffen Jungunternehmer anspruchsvolle Aufträge<br />
Zugpferd für den<br />
hygienischen Schnitt<br />
Komplettbearbeitung | „Der Span“ fertigt Bauteile<br />
für lebensmittelverarbeitende Maschinen. Bearbeitungszentren<br />
von Hermle mit HS flex-Automation<br />
erzeugen rund um die Uhr perfekte Oberflächen.<br />
Hipster-Brille, Käppi und ausgewaschene Jeans – wer<br />
Matthias Reh sieht, vermutet erstmal nicht, vor einem<br />
erfolgreichen Unternehmensgründer zu sehen. Der<br />
32-Jährige begann seine Karriere bei einem international<br />
führenden Technologieunternehmen. Dort absolvierte<br />
er seine Lehre zum Industriemechaniker und arbeitete<br />
im Werkzeugbau. 2013 entschied sich Reh für<br />
den Schritt in die Selbstständigkeit. Er kaufte einen kleinen<br />
Maschinenpark für die zerspanende Metallbearbeitung<br />
und zog in eine leere Industriehalle in Waltenhofen<br />
bei Kempten. Ganz unbedarft war er nicht. „Mein Vater<br />
war lange im Sondermaschinenbau mit einem eigenen<br />
Betrieb tätig – ich kenne von klein auf das Leben mit der<br />
Selbstständigkeit“, erklärt Reh. Neben seinen Vater un-<br />
Der Erfolg überzeugt selbst die Bank<br />
„Wir haben uns natürlich im Vorfeld bei verschiedenen<br />
Herstellern umgeschaut. Was aber eindeutig für eine<br />
Hermle sprach, waren meine Erfahrungen sowie der<br />
Service“, erzählt Reh. Er arbeitete schon während seiner<br />
Lehre auf den Bearbeitungszentren des Gosheimer Maschinenbauers,<br />
und für die übernommene C 1200 U<br />
musste er immer öfter den Servicetechniker anrufen.<br />
„Sowohl das Engagement als auch die Ersatzteilverfügbarkeit<br />
waren stets top, obwohl unsere Maschine schon<br />
fast 20 Jahre alt war. Da fiel uns die Entscheidung<br />
leicht.“ Nicht ganz so einfach verliefen die Gespräche<br />
mit der Bank: „Für ein so kleines Unternehmen ist es<br />
eine sehr große Investition. Und dass wir erst zwei Jahre<br />
am Markt waren, sorgte für zusätzliche Vorsicht von<br />
Seiten der Bank“, gibt Reh zu.<br />
Diese Diskussion musste er künftig nicht mehr<br />
führen. Denn welchen Umschwung das neue 5-Achsen-<br />
Bearbeitungszentrum bewirkte, hatte selbst der Firmengründer<br />
nicht erwartet. Durch die Möglichkeit, verschiedene<br />
Materialien zu aufwändigen Formen fräsen<br />
zu können, änderte sich sowohl das Teilespektrum als<br />
auch der Kundenstamm. „Die Maschine kam im<br />
November 2015, und über Weihnachten fertigten wir<br />
schon die ersten komplexen Werkzeugträger für die<br />
Lebensmittelbranche“ erinnert sich Reh. „Damit war<br />
ich im High-End-Sektor drin.“<br />
Ecken und Kanten sind verboten<br />
Die Anforderungen unterschieden sich grundlegend von<br />
den einfachen Anfangsteilen. Damit Maschinen für die<br />
Lebensmittelbearbeitung eingesetzt werden können,<br />
müssen sie höchsten hygienischen Standards entspre-<br />
52 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Gebrauchte Erodiermaschinen und Fräsmaschinen<br />
chen. Die einzelnen Komponenten dürfen daher nach<br />
der Bearbeitung keine Rillen, scharfe Ecken oder versteckte<br />
Kanten aufweisen. Sie werden meist aus der austenitischen<br />
Edelstahlsorte 1.4301 hergestellt. Das auch<br />
VA-Stahl genannte Material lässt sich leicht reinigen,<br />
stellt jedoch hohe Anforderungen an die Fräsbearbeitung.<br />
„Es ist besonders zäh und verzieht sich recht<br />
schnell durch Spannungen im Rohmaterial“, erklärt<br />
Reh. „Muss auf einer Seite zum Beispiel viel Substanz<br />
abgetragen werden, gelingt es nur mit entsprechendem<br />
Know-how, dem spannungsbedingten Verzug entgegen<br />
zu wirken und am Ende ein ebenes Teil zu erhalten.“<br />
In den folgenden beiden Jahren etablierte sich Der<br />
Span zunehmend als Lieferant von Maschinenkomponenten<br />
ab Losgröße 1 für die Lebensmittelindustrie und<br />
erreichte ebenso schnell seine Kapazitätsgrenzen.<br />
Einstieg in die Automation<br />
Im April 2017 erweiterte Matthias Reh seinen Maschinenpark<br />
um eine C 400 U mit HS flex-System. „Wir waren<br />
gezielt auf der Suche nach einer Anlage mit Auto -<br />
mation, da wir Werkstücke mit sehr langen Laufzeiten<br />
zu fertigen hatten.“ Das Handlingsystem von Hermle<br />
überzeugte durch seine intuitive Anwendung und Logik.<br />
Zwei Speichermodule mit Platz für sechs 500 mm x<br />
400 mm sowie neun 400 mm x 400 mm große Paletten<br />
sorgen für ausreichend Pufferkapazität und ermög -<br />
lichen das hauptzeitparallele Rüsten.<br />
MAC-TEC e.K. Dahlienweg 8 D – 56281 Emmelshausen<br />
Telefon +49 (0) 67 47 80 01 Telefax +49 (0) 67 47 - 94 80 02<br />
E-Mail: info@mac-tec.de Internet: www.mac-tec.de<br />
DRAHTERODIERMASCHINE Charmilles ROBOFIL 440 SL<br />
Bj. 2005<br />
Verfahrwege X 550 x Y 350 x Z 400 mm<br />
max. Werkstückgröße X 1200 x Y 700 x Z 400 mm<br />
max. Werkstückgewicht 1500 kg<br />
Tischgröße X 900 x Y 600 mm<br />
mit automatischer Drahteinfädelung<br />
Schneiden im Wasserbad<br />
U- / V- Achse: 550 x 350 mm<br />
SENKERODIERMASCHINE Sodick AQ 55 L<br />
Bj. 2004<br />
Verfahrwege X 550 x Y 400 x Z 350 mm<br />
Arbeitstank: X 950 x Y 725 x Z 410 mm<br />
Max. Werkstückgewicht: 1.000 kg<br />
C-Achse, Pinole EROWA, WZW 32-fach, 64-Bit-CNC,<br />
Linearmotor auf X,Y,Z, Generator 40 A, SQ-Modus,<br />
Fernbedienung, Feuerlöschsystem, integr.<br />
Programmiersoftware, LAN-Schnittstelle<br />
DRAHTERODIERMASCHINE Sodick SL 600 Q<br />
Bj. 2014<br />
Verfahrwege: X 600 x Y 400 x Z 350 mm<br />
Arbeitsbecken: X 850 x Y 756 mm<br />
max. Werkstückgewicht: 1000 kg<br />
mit automatischer Drahteinfädelung<br />
Schneiden im Wasserbad, Kühler,<br />
L-CUT Drahtzerhacker, Jumbo Feeder<br />
U- / V- Achse: 120 x 120 mm<br />
Used EDM machines and machining centers<br />
Das Handlingsystem HS flex mit zwei Speichermodulen erhöht<br />
sowohl die Kapazität als auch die Flexibilität.<br />
Was sagte die Bank zu der neuen Investition nach nur<br />
zwei Jahren? „Die C 42 U hatte uns im Umsatz so hochgezogen,<br />
dass die Bank bei der C 400 U keine Einwände<br />
mehr hatte“, schmunzelt Reh. Mittlerweile ist das 2017<br />
gekaufte Bearbeitungszentrum zu 100 % ausgelastet:<br />
Während der bemannten Schicht findet die Schruppbearbeitung<br />
statt, da diese nur unter Aufsicht laufen soll.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 53
technik & wissen<br />
Über Nacht und am Wochenende erfolgt dann die<br />
Schlichtbearbeitung. „Allein diese Feinbearbeitung dauert<br />
pro Werkstück zehn bis 14 Stunden. Daher waren<br />
wir gezielt auf der Suche nach einer zuverlässigen Automationslösung“,<br />
erläutert der Jungunternehmer. Seine<br />
Erwartungen haben sich voll erfüllt. Reh bezeichnet die<br />
Maschine als Zugpferd des Unternehmens.<br />
Matthias Reh, Inhaber von „Der Span“ und seine Mitarbeiter (v.l.): Christian Kößler,<br />
Programmierer und Fräser, Pia Wachter, Fräserin, Matthias Reh, Guido Dornach, Fräser.<br />
Die Gewissheit, dass der Prozess störungsfrei läuft,<br />
gibt ihm das zentrale Überwachungstool HIMS (Hermle<br />
Information-Monitoring Software). Neben dem Live-<br />
Status und einer detaillierten Auswertung der Status -<br />
historie benachrichtigt ihn die Software per Mail, falls<br />
ein Fehler oder ein unerwartetes Ereignis auftritt. „Die<br />
Maschine ist produktiv und ich habe mein Wochenende<br />
frei“, sagt der Chef zufrieden.<br />
Reines Drehkonzept hat ausgedient<br />
Eine beachtliche Entwicklung bis hierher, die aber mit<br />
der Automationslösung noch nicht zu Ende war. Als<br />
Matthias Reh eine alte Drehmaschine aus der Gründungszeit<br />
ersetzen wollte, kontaktierte er direkt Hermle.<br />
„Unsere Drehteile mussten oft noch auf die Fräsmaschinen,<br />
da mindestens noch eine Bohrung oder eine<br />
Nut fehlte. Für uns war damit klar, dass wir eine Maschine<br />
brauchen, die beides kann.“ Damit fokussierte er<br />
sich auf die Bearbeitungszentren der High-Performance-<br />
Line mit Mill-Turn-Funktionalität (MT). Vom ersten<br />
Kontakt bis zum Kaufvertrag verging nur wenig Zeit:<br />
Anfang 2019 erhielt er das Angebot, nach der Hausausstellung,<br />
die zwei Wochen später stattfand, eine Vorführmaschine<br />
vom Typ C 42 U MT. „Wir klärten mit<br />
der Bank die Finanzierung, nahmen das Fräs-Dreh-Zentrum<br />
auf der Hausausstellung in Gosheim nochmal genau<br />
unter die Lupe und unterschrieben den Vertrag. Das<br />
ging so schnell, dass wir uns keine Gedanken über mögliche<br />
Alternativen machten“, erinnert sich Reh.<br />
Mit der neuen Fertigungsmöglichkeit kamen auch<br />
neue Kunden aus der Medizintechnik und der Energiebranche<br />
hinzu. Die Herausforderung hierbei ist die Materialvielfalt.<br />
So bearbeiten Reh und sein Team auf der<br />
C 42 U MT sowohl Stahlguss als auch Titan. Dabei sind<br />
die Formen etwa von Ventilen oft ähnlich oder gar identisch.<br />
Lediglich das Material ist dem Einsatzzweck angepasst.<br />
Die Geometrien seien dabei weniger problematisch:<br />
„Auf der Hermle-Maschine ist eigentlich nichts<br />
komplex, wenn man die richtige Bearbeitungsstrategie<br />
im Kopf hat“, meint der Industriemechaniker.<br />
Ganz so simpel ist es dann doch nicht. „Anfangs<br />
habe ich die Technologie unterschätzt“, gesteht Reh.<br />
„Zum Beispiel ist es sehr wichtig, wie das Bauteil gespannt<br />
wird. Sonst entstehen bei der drehenden Bearbeitung<br />
gefährliche Unwuchten.“ Zwei bis drei Wochen<br />
habe daher die Einarbeitungszeit länger gedauert als bei<br />
den reinen Fräszentren. „Jetzt läuft die MT ebenso zuverlässig<br />
und stabil wie die anderen Maschinen.“<br />
Maschinenpark dient als Verkaufsargument<br />
Auch wenn das Fräs-Dreh-Zentrum erst seit September<br />
2019 im Einsatz ist, hat sich für das junge Unter nehmen<br />
die Investition doch bereits gelohnt. „Die Tatsache, dass<br />
wir auf Hermle-Maschinen fertigen, erübrigt oft die<br />
Frage, ob wir einem Auftrag auch aus qualita tiver Sicht<br />
gewachsen sind“, berichtet Reh und wirkt fast etwas<br />
erstaunt dabei, dass Hermle durchaus ein Verkaufs -<br />
argument ist.<br />
Die drei Maschinen aus Gosheim sind alle voll ausgelastet.<br />
Natürlich hat sich die Produktivität gesteigert,<br />
wobei das differenziert zu betrachten ist: „Wir sind<br />
ja mit uralten Anlagen gestartet“, relativiert Reh und<br />
zieht ein durchweg positives Fazit: „Ich habe es nie<br />
bereut, die Hermle-Maschinen gekauft zu haben.<br />
Neben der Qualität und der Präzision überzeugte uns<br />
von Anfang an der Service, der für jedes Problem eine<br />
Lösung parat hatte.“<br />
•<br />
Udo Hipp<br />
Marketingleiter Berthold Hermle AG, Gosheim<br />
54 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Software und Online-Angebote helfen dem Fertiger zu mehr Effizienz<br />
Cobot als dritter<br />
Arm des Werkers<br />
Automation | Mit Software-Optionen und flexibler<br />
Automatisierung unterstützt Hurco seine mittelständischen<br />
Kunden. Zum anwendungstechnischen Support<br />
gehören Video-Tutorials und Online-Schulungen.<br />
Maximale Produktivität lässt sich nur im Zusammenspiel von Programmierung, Werkzeugauswahl,<br />
Spannsituation und Beladungstechnologie erreichen.<br />
„Wir wollen den Kunden zeigen, wie sie die Effizienz<br />
und das Leistungsspektrum von CNC-Bearbeitungszentren<br />
erweitern können“, sagt Sebastian Herr, Leiter Anwendungstechnik<br />
bei Hurco. Denn: Maximale Produktivität<br />
erfordere ein perfektes Zusammenspiel von Programmierung,<br />
Werkzeug, Spannsituation und Beladetechnologie.<br />
Um gesamtheitliche Lösungen bieten zu<br />
können, kooperiert der Maschinenbauer mit namhaften<br />
Werkzeug- und Robotik-Anbietern.<br />
Durch das auf Windows basierende Betriebssystem<br />
und ein Open-Source-Schnittstellenkonzept der Maschinen<br />
sind Automatisierungslösungen schnell und anwendungsorientiert<br />
umsetzbar. Flexibel einsetzbar ist etwa<br />
der Cobot „ProFeeder“ von ProCobot, einer Hurco-<br />
Tochter. Der Cobot agiert neben dem Maschinenführer<br />
Die bedienerfreundliche Steuerung WinMax ist eine Hurco-<br />
Entwicklung. Sie kann mit ergänzender Soft- und Hardware<br />
ausgestattet werden. Bilder: Hurco<br />
wie ein „dritter Arm“ und ist ohne lange Einrichtungsprozesse<br />
von angelernten Fachkräften problemlos zu<br />
bedienen.<br />
Wesentlich größere Stückzahlen pro Zeit schafft ein<br />
Beladesystem mit Knickarmrobotern. Der Teileroboter<br />
bedient dann beispielsweise zwei CNC-Bearbeitungszentren,<br />
die rechts und links an das Beladesystem angedockt<br />
sind. Die zu bearbeitenden Teile werden in der<br />
Roboterzelle auf Trays bereitgestellt. Über das DNC-<br />
Interface übermittelt die WinMax-Steuerung vordefinierte<br />
Befehle an den Roboter. Mithilfe der Option<br />
„Joblist“, die variierende Bearbeitungsprogramme ohne<br />
zusätzlichen Programmieraufwand bündelt und nacheinander<br />
ausführt, lassen sich Kleinserien mannlos in der<br />
Nacht produzieren.<br />
Steuerung lässt sich mit Zusatzmodulen erweitern<br />
Die bedienerfreundliche Steuerung WinMax – eine Hurco-Entwicklung<br />
– kann mit ergänzender Soft- und<br />
Hardware ausgestattet werden. Zwölf frei programmierbare<br />
M-Befehle mit den dazugehörenden Ein- und<br />
Ausgängen stehen für Systemerweiterungen zur Verfügung.<br />
Optional ist eine DNC-Schnittstelle erhältlich, die<br />
eine Kommunikation mit externen Systemen wie Robotern<br />
oder Produktions-Management-Systemen ermöglicht.<br />
Mit der Solid Model Import-Option werden<br />
3D-Modelle, die als STEP-Datei vorliegen, direkt importiert,<br />
was den Programmieraufwand reduziert. Auch<br />
die Option Ultimotion trägt durch ein größeres Span -<br />
volumen zur Effizienzsteigerung bei.<br />
„Trotz des derzeit nachlassenden Auftragsdrucks<br />
bleibt die Personalsituation für viele Betriebe angespannt“,<br />
sagt Sebastian Herr. Gleichzeitig würden die<br />
Bearbeitungsprozesse immer komplexer. Deshalb gelte<br />
es jetzt, bestehende Kapazitäten so effektiv wie möglich<br />
zu nutzen. Mit anwendungstechnischem Support vor<br />
Ort, Optimierungstipps und Personalschulungen in<br />
eigenen Schulungsräumen unterstützt Hurco seine Kunden<br />
dabei. Für zusätzliche Unterstützung sorgen digitale<br />
Angebote: Über 30 Videos und Tutorials stellt der Werkzeugmaschinenhersteller<br />
auf seinen Internetseiten kostenfrei<br />
zur Verfügung. Auch Online-Schulungen werden<br />
angeboten. So schaltet sich etwa ein Anwendungstechniker<br />
per Teamviewer direkt auf die WinMax-Steuerung<br />
des Kunden, um diesen beim Lernen Software-Anwendungen<br />
zu unterstützen. (mw)<br />
•<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 55
technik & wissen<br />
Mit 60 Werkzeugplätzen und einer inneren<br />
Kühlmittelzufuhr (IKZ) mit 80 bar war die<br />
DMU 95 Monoblock als Paketmaschine<br />
für Variovac der Einstieg in die 5-Achsen-<br />
Simultanbearbeitung anspruchsvoller<br />
Werkstücke. Bilder: DMG Mori<br />
Solider Maschinenbau und digitale Module sorgen für Zukunftssicherheit<br />
Fundament fürs<br />
sichere Zerspanen<br />
Bearbeitungszentren | Durchdachtes Maschinen -<br />
konzept, Qualität und breit gefächerte Ausstattungsoptionen<br />
– die Bearbeitungszentren der Monoblock-<br />
Baureihe von DMG Mori haben Variovac überzeugt, als<br />
es um den Aufbau von Maschinenkapazitäten ging.<br />
Die Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit der Monoblock-Baureihe<br />
waren für die Variovac PS System-<br />
Pack GmbH kaufentscheidende Kriterien. 1970 als<br />
Handelsunternehmen gegründet, produziert Variovac in<br />
Zarrentin seit 1995 eigene Verpackungsmaschinen für<br />
Kunden aus den Bereichen Food, Non-Food und Medizin.<br />
Um die Wertschöpfung zu erhöhen hat das Unternehmen<br />
Ende 2016 eine eigene Zerspanung aufgebaut.<br />
Zum Maschinenpark gehören heute sieben Bearbeitungszentren<br />
von DMG Mori, darunter zwei<br />
DMU 95 Monoblock, zwei DMC 65 Monoblock und<br />
eine DMU 65 Monoblock mit PH Cell.<br />
„Die DMU 95 Monoblock war damals der perfekte<br />
Einstieg, weil sie als Paketmaschine über ein Magazin<br />
mit 60 Werkzeugplätzen verfügt und eine innere Kühlmittelzufuhr<br />
mit 80 bar hat“, erinnert sich Michael<br />
Ruske, Leiter mechanische Teilefertigung und Programmierung<br />
bei Variovac. Auch in der Bearbeitungsvielfalt<br />
habe das 5-Achsen-Simultanbearbeitungszentrum über-<br />
zeugt: Ursprünglich habe man sogar über 4-achsige<br />
Maschinen nachgedacht. „Die Monoblock ist jedoch<br />
sehr stabil und arbeitet so vibrationsarm, dass wir auch<br />
lange Bohrer mühelos einsetzen können.“<br />
2017 und 2019 hat Variovac zwei kleinere<br />
DMC 65 Monoblock installiert, um die Fertigungskapazitäten<br />
nochmals zu erhöhen. „Beide Modelle sind für<br />
eine spätere Automation vorbereitet“, gibt Ruske einen<br />
Ausblick auf die weitere Entwicklung der Produktion.<br />
Das jüngste Modell – eine DMU 65 Monoblock – wurde<br />
bereits als automatisierte Fertigungslösung mit PH Cell<br />
angeschafft. Das Palettenhandlingsystem ist auf maximale<br />
Flexibilität ausgelegt. Dank seines modularen Aufbaus<br />
kann es mit einer individuellen Anzahl an unterschiedlich<br />
großen Paletten ausgestattet und bei Bedarf<br />
erweitert werden. Variovac nutzt insgesamt zwei Regalmodule<br />
mit jeweils vier Böden. Diese Konfiguration bietet<br />
für insgesamt 24 Paletten mit 500 mm x 500 mm<br />
Platz. „Mit den in Zukunft drei automatisierten Monoblock-Modellen<br />
sind wir in der Lage unsere Nebenzeiten<br />
drastisch zu reduzieren und die Maschinenauslastung<br />
spürbar zu erhöhen“, ist Ruske überzeugt. In der mannlosen<br />
Nachtschicht wolle man die Kapazitäten mit der<br />
Fertigung von Standardteilen ausbauen.<br />
Zuverlässig zum hochpräzisen Werkstück<br />
Das Geheimnis der Monoblock Maschinen liegt in ihrer<br />
Vielseitigkeit. Sie decken praktisches jedes Anwendungsspektrum<br />
ab – vom hochdynamischen Highspeed-<br />
Fräsen über das integrierte Fräs-Drehen bis hin zur<br />
drehmomentstarken Leistungszerspanung. Und das in<br />
den unterschiedlichsten Einsatzfeldern – von der Automobilindustrie<br />
über den Maschinenbau und den Werkzeug-<br />
und Formenbau bis hin zu den Branchen Aero -<br />
space, Medical oder Energy. Dabei ermöglichen die<br />
DMC-Monoblock-Varianten mit intelligenten Auto -<br />
mationslösungen eine zukunftsorientierte und wettbewerbsfähige<br />
Produktion.<br />
Eine zentrale Gemeinsamkeit anspruchsvoller Schlüsselindustrien<br />
sind die hohen Anforderungen in der Fertigung.<br />
„Das Ziel besteht immer darin, komplexe Werkstücke<br />
mit maximaler Präzision möglichst zuverlässig<br />
und effizient herzustellen“, sagt Cornelius Nöß. Der<br />
Geschäftsführer des DMG-Mori-Werks Deckel Maho<br />
Pfronten ergänzt: In einem harten Wettbewerbsumfeld<br />
bestehe man nur mit leistungsfähigen und produktiven<br />
Werkzeugmaschinen wie den Modellen der Monoblock-<br />
Baureihe. Deren Konzept basiert auf einer steifen Bau-<br />
56 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
weise mit hohen ruhenden Massen und breiten Rollenführungen.<br />
In Kombination mit den umfangreichen<br />
Kühlmaßnahmen erzielt DMG Mori auf den 5-Achsen-<br />
Simultanbearbeitungszentren höchste Bauteilgenauigkeiten<br />
im μm-Bereich. Hinzu kommt, dass diese Maschinen<br />
laut Nöß das Schruppen und Schlichten in einer<br />
Aufspannung ermöglichen. Diese Flexibilität spiegle sich<br />
in der Praxis wider. „Bei 5000 verkauften Maschinen<br />
können wir im Grunde von fast der gleichen Anzahl unterschiedlichen<br />
Anwendungen sprechen“, berichtet<br />
Nöß. Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen<br />
sei die Baureihe ideal. „Mit ihr lassen sich von<br />
Alu bis Stahl 80 Prozent aller Anwendungen abdecken.<br />
Deshalb eignen sich diese Modelle genau für jene Kunden,<br />
die täglich wechselnde Anforderungen haben.“<br />
Baukasten liefert die passende Lösung<br />
Aus technologischer Sicht lassen die Monoblock-Bearbeitungszentren<br />
kaum Wünsche offen: Schwenkrund -<br />
tische mit ein- oder beidseitigem Antrieb sowie der Fräs-<br />
Drehtisch für die Komplettbearbeitung mit Drehmomenten<br />
bis 5400 Nm stehen für die Vielseitigkeit der<br />
Baureihe. Ein großer Schwenkbereich von ±120° bietet<br />
viel Spielraum in der 5-achsigen Bearbeitung komplexer<br />
Werkstücke. Die Maschinen stehen mit ihrer großen<br />
Türöffnung und uneingeschränkter Kranbeladung,<br />
Werkzeugbeladung von vorne und gutem Zugang zum<br />
Arbeitsraum für hohe Ergonomie. „Die hervorragende<br />
Bedienbarkeit, selbst mit Automatisierung, ist für uns<br />
ein ganz entscheidendes Feature, da die besten Ergebnisse<br />
erzielt werden wenn sich die Bediener an den Maschinen<br />
wohl fühlen und sich mit ihrer Arbeitsumgebung<br />
identifizieren“, unterstreicht Cornelius Nöß.<br />
Die steife Konstruktion der Monoblock-Maschinen<br />
dient als Basis für die hohe Präzision: Der einteilige<br />
Ständer mit stabilem Schlitten, großen Rollenführungen<br />
und YRT-Lager im Schwenkrundtisch – er verfügt über<br />
eine Klemmung – kennzeichnen das Monoblock-Konzept.<br />
Ebenso gehören umfangreiche Kühlmaßnahmen in<br />
Achsen und Motoren dazu. „Das optionale Genauigkeitspaket<br />
erhöht die Präzision nochmals um 25 Prozent“,<br />
ergänzt Nöß. Dies erreiche man durch weitere gekühlte<br />
Komponenten und Kompensationsstützpunkte.<br />
„Zudem überprüft der DMG-Mori-Technologiezyklus<br />
VCS Complete jederzeit die volumetrische Genauigkeit<br />
und kompensiert eventuelle Abweichungen bedienerfreundlich<br />
über den Lebenszyklus der Maschine.“<br />
Maschinenverfügbarkeit liegt bei über 96 %<br />
Die Zuverlässigkeit der Baureihe kann der Hersteller im<br />
Service ablesen. „Über 96 Prozent Maschinenverfügbarkeit<br />
sprechen für sich“, urteilt Cornelius Nöß. Mit<br />
36 Monaten Gewährleistung – ohne Laufzeitbegrenzung<br />
– auf die Speedmaster-Spindel könne jeder Anwender<br />
sorgenfrei produzieren. „Darüber hinaus nutzen immer<br />
mehr Kunden unseren Full Service bereits beim<br />
Kauf einer Neumaschine, der für drei Jahre ein quasi<br />
‚Rundum-Sorglos- Paket‘ bietet.“ Über eine monatliche<br />
Pauschale deckt er alle Service- und Verschleißteilkosten<br />
ab und beinhaltet die jährliche Hersteller-Wartung sowie<br />
eine Maschinenbruch-Versicherung.<br />
Für künftige Anforderungen gerüstet<br />
Mit seinem Maschinenpark ist Variovac auch für künftige<br />
Anforderungen an die Produktion gerüstet. Denn<br />
neben den verfügbaren Automationsschnittstellen sind<br />
auch Celos, DMG Mori Connectivity mit dem<br />
standardmäßigen IoTconnector sowie die exklusiven<br />
DMG-Mori-Technologiezyklen fester Bestandteil des<br />
Ausstattungsumfangs. Sie erleichtern die digitale Ausrichtung<br />
der Fertigung und machen die Maschinen zukunftsfähig.“<br />
(mw)<br />
•<br />
Excellence Factory<br />
Die neue Excellence Factory Monoblock im Pfrontener Werk von DMG Mori<br />
basiert auf einem fahrerlosen AGV Transportsystem (Automated Guided Vehicle).<br />
Die AGVs bringen die Maschinen sicher durch die 34 Takte der Fließmontage<br />
– vom Grundaufbau über die Geometrie und die Kabine der Maschine bis<br />
hin zur Endabnahme. Die Durchlaufzeit pro Maschine beträgt nur noch sieben<br />
Tage, was die Kapazität von bisher 600 auf 1000 Einheiten pro Jahr erhöht.<br />
Insgesamt werden acht Varianten gebaut – mit und ohne Palettenwechsler sowie<br />
die Versionen mit Fräs-Dreh-Tisch. Eine Tulip App visualisiert Montage -<br />
informationen und dokumentiert den gesamten Prozess über interaktive Checklisten<br />
sowie Prüfpläne. Qualitätskontrollen nach jedem Takt stellen sicher, dass<br />
etwaige Fehler frühestmöglich entdeckt und behoben werden.<br />
Mit fahrerlosen Transportsystemen realisiert die neue Excellence Factory in Pfronten Durchlaufzeiten<br />
von sieben Tagen pro Monoblock-Maschine.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 57
technik & wissen<br />
Bei Hoffmann soll die Millturn in erster<br />
Linie Späne und Werkzeugdaten liefern,<br />
um mit diesen Erkenntnissen künftige<br />
Katalog werkzeuge zu optimieren.<br />
Bilder: WFL<br />
„Der Ablauf, wie ein Produkt in den Katalog kommt,<br />
ist typisch“, erläutert Rossaint. „Wir definieren, was<br />
das Werkzeug können soll und erstellen eine Spezifikation.<br />
Danach folgt eine Ausschreibung. Schließlich kommen<br />
einige Lieferanten in die engere Auswahl.“ Die Prototypen-Werkzeuge<br />
werden dann getestet und mit Wettbewerbsprodukten<br />
verglichen. Anschließend werden die<br />
Werkzeuge, die es so nur bei Hoffmann geben wird,<br />
beim Lieferanten kontinuierlich weiterentwickelt.<br />
Dreh-Fräs-Zentrum liefert Späne und Daten für die Werkzeugentwicklung<br />
Bis an die Grenze<br />
der Belastbarkeit<br />
Komplettbearbeitung | Statt komplexe Bauteile zu<br />
produzieren, liefert die Millturn bei Hoffmann den<br />
Entwicklern von Werkzeugen wichtige Daten und<br />
bringt die neuen Tools an ihre Leistungsgrenze.<br />
Das Dreh-Bohr-Fräszentrum M35-G von WFL Millturn<br />
erledigt bei der Hoffmann Group einen durchaus unüblichen<br />
Job. Nicht das Fertigen komplexer Bauteile steht<br />
hier im Fokus, sondern das Testen und Optimieren von<br />
Werkzeugen. Im Technologiezentrum des Münchener<br />
Systemanbieters werden Werkzeuge denn auch gnadenlos<br />
bis an ihre Grenzen belastet. Was am Ende bleibt,<br />
sind jede Menge Späne und wertvolle Daten. „Wir stellen<br />
in diesem Bereich keine Werkzeuge her, aber wir entwickeln<br />
sie gemeinsam mit unseren Lieferanten“, sagt<br />
Dr. Jens Rossaint. Der Director Engineering bei Hoffmann<br />
ist zuständig für den Bereich Technologie und damit<br />
für die Qualifizierung jener Produkte, die in den Katalog<br />
aufgenommen werden sollen.<br />
Seit 1978 erscheint die orangene „Werkzeug-Bibel“<br />
jährlich. In 18 Sprachen, mittlerweile in vier Bänden<br />
und mit einer Auflage von 900.000 Exemplaren. Seit<br />
2000 gibt es mit dem eShop auch eine Online-Version<br />
mit über 90.000 Artikeln zur Auswahl.<br />
Zielgerichtete Entwicklung im Technology Center<br />
Das im September 2019 neu eröffnete Technology Center<br />
in München wurde – neben vielfältigen Vorführ- und<br />
Schulungsmöglichkeiten – mit umfangreichen Messund<br />
Prüfeinrichtungen ausgestattet. Neben dem Messraum<br />
mit Koordinaten-Messmaschine gibt es vom Härteprüfer<br />
bis zum Raster-Elektronenmikroskop alle erdenklichen<br />
Analysegeräte, um den Eigenschaften des<br />
Gefüges wissenschaftlich auf den Grund zu gehen. Über<br />
das Gefüge erfolgt der Rückschluss auf die Performance<br />
und die Haltbarkeit eines Werkzeuges. „Wir wollen<br />
nicht nur blind Trial-and-Error betreiben, sondern zielgerichtet<br />
entwickeln und optimieren“, betont Rossaint.<br />
Aber nicht nur Laborgeräte gehören zum Equipment,<br />
sondern auch Betriebseinrichtungen aus dem eigenen<br />
Katalog, die anschaulich zeigen, wie man das Umfeld<br />
der Maschine optimal aufbauen kann.<br />
Wenn Kunden bestimmte Werkzeuge live sehen wollen,<br />
können sie sich über den Außendienst anmelden.<br />
„Wir stimmen dann gemeinsam einen Termin ab und<br />
definieren die Inhalte der Vorführung“ erklärt Thomas<br />
Grünberger, Experte für Zerspanung und Additive Fertigung<br />
bei Hoffmann. Eine Möglichkeit besteht darin,<br />
dass Kunden gemeinsam mit dem Außendienst das<br />
Technology Center individuell besuchen. Die größere<br />
Anzahl kommt aber über Schulungen und den regelmäßig<br />
stattfindenden „Stammtisch“. Bei letzterem geht es<br />
weniger um den Konsum von Gerstensaft als vielmehr<br />
um das Zusammentreffen mit Experten sowie Fachvorträge<br />
zum Thema Werkzeuge. Aber auch eigene Mitarbeiter<br />
werden hier häufig geschult und in die Katalogprodukte<br />
eingeführt. Von den Schulungsräumlichkeiten<br />
für die Theorie gelangt man schnell ins Technology Center,<br />
um das Gelernte an der Maschine zu vertiefen – die<br />
Schulungen beinhalten immer auch einen Praxisteil.<br />
Und hier steht die neue WFL Millturn im Zentrum.<br />
Die Gegenspindelmaschine ist neben der Dreh-Bohr-<br />
Fräseinheit mit B- und Y-Achse auch mit einem Revol-<br />
58 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
ver am unteren System ausgestattet. Damit kann sie an<br />
beiden Spindeln gleichzeitig oder an einer Spindel<br />
4-Achsig drehen. Mithilfe der Dreh-Bohr-Fräseinheit<br />
und der C-Achse ist auch eine 5-Achsen-Bearbeitung<br />
möglich. Dank einer Lünette am Revolver und einer<br />
Reitstockfunktion für Gegenspindel und Revolver können<br />
auch längere Wellenteile bearbeitet werden. Mittels<br />
Übergabe auf die Gegenspindel können Teile in einer<br />
Aufspannung komplett gefertigt werden. Dank eines<br />
Centrotex-Schnellspannsystems von Hainbuch ist es<br />
möglich unterschiedliche Spannmittel wie Futter oder<br />
Spanndorne sehr schnell zu wechseln und die Maschine<br />
auf die jeweilige Aufgabe flexibel anzupassen.<br />
Die Programmierung erfolgt über ein CAM-Programmiersystem.<br />
Einfachere Programmierjobs werden<br />
mittels MillturnPRO, einem hauseigenen Programmier -<br />
editor von WFL, direkt auf der Steuerung erledigt. „Das<br />
nutzen wir gerne für bestimme Aufgaben“, erzählt Thomas<br />
Grünberger. „Wir wollen damit noch richtig tolle<br />
Show-Teile machen – mit Revolver und Dreh-Bohr-<br />
Fräseinheit gleichzeitig im Einsatz. Und wir haben natürlich<br />
auch noch die angetriebenen Werkzeuge am<br />
Revolver. Wir wollen die Maschine an die Grenzen<br />
bringen.“ Bei sehr engen Toleranzen wird auch ein<br />
Renishaw-In-Prozess-Messtaster eingesetzt. Eine ganze<br />
Reihe von WFL-Messzyklen steht dafür bereit.<br />
Auch Tests mit großen Wendeplatten möglich<br />
Eine weitere Anforderung war, möglichst viele verschiedene<br />
Werkzeuge und Technologien testen zu können.<br />
Wichtig war Hoffmann zudem, dass neue Werkzeuge<br />
auch in der Maschine abgebildet werden können. Eigene<br />
Software-Entwicklungen – insbesondere für die<br />
Werkzeugverwaltung – in die Maschine integrieren und<br />
auf bestehende Software-Lösungen für künftige Entwicklungen<br />
aufbauen zu können, stellte eine weitere<br />
Anforderung dar. Hier ist der Wille zur Kooperation mit<br />
dem Maschinenhersteller Voraussetzung.<br />
„Ein Riesenvorteil ist, dass wir auch große Wendeplatten<br />
testen können, ohne dass die Maschine gleich in<br />
die Knie geht“, sagt Grünberger. Durch die flexiblen<br />
Spannmöglichkeiten könnten problemlos auch größere<br />
Durchmesser verwendet werden, um den Test noch länger<br />
auszudehnen, noch mehr Daten zu erfassen und entsprechend<br />
lang bei hoher Zerspanungsleistung durchzuführen.<br />
„Mit der WFL können wir HSK-63-Drehwerkzeuge<br />
nun perfekt testen und so unser Produktportfolio<br />
optimieren. Auch die B-Achse ist beim Drehen ein Riesenvorteil,<br />
da wir den Anstellwinkel sehr flexibel anpassen<br />
können.“ Wenn Außendienstmitarbeiter mit Anliegen<br />
von Kunden zurückkehren, sei es möglich, praktisch<br />
jede Situation nachzustellen – von VDI40 am Revolver<br />
bis zu beliebigen Werkzeugen in der Dreh-Bohr-Fräseinheit<br />
unter jedem möglichen Winkel. Die Frässpindel<br />
wurde mit 16.000 min -1 ausgeführt. Damit ist Hoffmann<br />
auch für künftige Anforderungen gut gerüstet.<br />
Seit Anfang des Jahres waren fast 400 Kunden an der<br />
Maschine. Auch der Außendienst nutzt häufig mit Kunden<br />
die praxisnahen Testmöglichkeiten.<br />
Zukunftsthema Schleifen<br />
Das Thema Schleifen wurde in der Maschine bislang<br />
noch nicht angegangen. Die Millturn ist dafür aber vorbereitet.<br />
Die entsprechende Erfahrung kann man sich jederzeit<br />
erarbeiten. „Unsere Aufgabe ist es, den Kunden<br />
entlang des gesamten Bearbeitungsprozesses zu beraten.<br />
Wenn sich der Trend in Richtung Integration des Schleifens<br />
in den Dreh-Fräs-Prozess verstärkt, dann sind wir<br />
jederzeit in der Lage, diesen Prozess durchgehend abzubilden.<br />
Mit der Maschine sind wir jedenfalls in der Lage,<br />
das gesamte Portfolio von unseren Werkzeugen aus<br />
dem Katalog zu testen“, erklärt Rossaint.<br />
Und auch beim Thema Konnektivität hat Rossaint<br />
viel vor. „Hier geht es ums Einbinden in unsere CM-<br />
Software, also Connected Manufacturing.“ Damit werden<br />
Spindeldaten in Echtzeit erfasst und ausgewertet.<br />
Das ist wiederum interessant für die Werkzeugstandzeit.<br />
Fürs Übertragen der Daten wurde die Maschine mit<br />
einer OPC UA-Schnittstelle ausgestattet. Somit steht<br />
weiteren IoT-Lösungen nichts mehr im Weg. „Zudem<br />
bietet die Maschine noch viele Funktionen, mit denen<br />
wir uns noch gar nicht beschäftigt haben.“ •<br />
Sabine Steinkellner<br />
Leitung Marketing, WFL Millturn Technologies GmbH<br />
& Co. KG, Linz/Österreich<br />
Praktisch, wenn man<br />
alle benötigen Werkzeuge<br />
und Einrichtungen im<br />
eigenen Hause hat.<br />
Die „orange Werkzeug -<br />
bibel“ von Hoffmann<br />
leistet auch dem Team<br />
um Jens Rossaint<br />
wertvolle Dienste.<br />
Die gute Zugänglichkeit<br />
zum Werkzeugmagazin<br />
erleichtert das Rüsten<br />
der Werkzeuge enorm.<br />
Die smarte Werkzeug -<br />
verwaltung von WFL<br />
führt den Bediener<br />
einfach und intuitiv<br />
durch den Rüstprozess.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 59
technik & wissen<br />
Partikelgefüllte Stahlhohlkugeln. Ihr großes Plus:<br />
Sie dämpfen, auch ohne verformt zu werden, und<br />
bilden mit Aluminiumschaum den neuartigen<br />
Werkstoff Hoverlight. Bild: Fraunhofer IFAM<br />
Neuartiger Werkstoffverbund Hoverlight schluckt die Schwingungen<br />
In der Dämpfung<br />
liegt die Kraft<br />
Werkzeugmaschinen | Leichter zu bauen genügt<br />
nicht, soll die Dynamik bewegter Teile erhöht werden:<br />
Große Probleme bereiten auftretende Schwingungen.<br />
Um sie wirkungsvoll zu dämpfen, verfolgen Ingenieure<br />
der Fraunhofer-Gesellschaft einen neuen werkstofflichen<br />
Ansatz mit Rekorddämpfung.<br />
Störende Schwingungen treten in allen Maschinen und<br />
Fahrzeugen auf. Quellen sind unter anderem Antriebe,<br />
gewollte und ungewollte Unwuchten sowie wiederkehrende<br />
Bewegungsabläufe. Im Werkzeugmaschinenbau<br />
kommt als bedeutendste Schwingungsquelle die span -<br />
abhebende Bearbeitung selbst hinzu. Die von ihr erzeugten<br />
Schwingungen begrenzen die Stabilität des Bearbeitungsvorgangs.<br />
Verschärft wird die Schwingungsthematik durch die<br />
stete Forderung, die Produktivität der Werkzeugmaschinen<br />
durch Erhöhen der Bearbeitungsdynamik zu steigern.<br />
Realisiert wird dies, indem die Masse bewegter<br />
Baugruppen reduziert und ihre Steifigkeit erhöht wird –<br />
das erlaubt höhere Beschleunigungen. Erfolgt die Massereduktion<br />
jedoch ohne Dämpfungsmaßnahmen, steigt<br />
die Ratterneigung bei gleicher Schwingungsenergie<br />
schnell über die zulässigen Toleranzen. Um den stabilen<br />
Bearbeitungsbereich zu erhalten oder zu erweitern, müs-<br />
sen also parallel zum Leichtbau zusätzlich Maßnahmen<br />
zur Schwingungsdämpfung ergriffen werden [1, 2].<br />
Ingenieure der Fraunhofer-Gesellschaft greifen einen<br />
neuen werkstofflichen Ansatz auf, um Leichtbau und<br />
Schwingungsdämpfung in Einklang zu bringen und<br />
Schwingungen in Werkzeugmaschinen bei verringerten<br />
Massen wirkungsvoll zu reduzieren.<br />
Schwingungsdämpfung kann aktiv und passiv erfolgen.<br />
Aktive Dämpfung wird durch Einleiten von Gegenschwingungen<br />
und die Auslöschung durch Interferenz<br />
erreicht. Passive Schwingungsdämpfung erfolgt durch<br />
Einbringen zusätzlicher Massen oder über das Verformen<br />
von Werkstoffen mit hoher Eigendämpfung. Für<br />
Leichtbauanwendungen steht die Option der Masse -<br />
erhöhung nicht zur Verfügung. Daher werden hier zur<br />
Schwingungsdämpfung vor allem Elastomere und in<br />
Kleinserien Aluminiumschäume eingesetzt. In Metallschäumen<br />
führen lokale mikroplastische Verformungen<br />
und Reibung von Rissufern zur Schwingungsdämpfung<br />
Schrifttum<br />
[1] R. Neugebauer (Hrsg.): Werkzeugmaschinen –<br />
Aufbau, Funktion und Anwendung von spanenden<br />
und abtragenden Werkzeugmaschinen, Springer-Verlag<br />
Berlin Heidelberg, 2012<br />
[2] T. Hipke, G. Lange, R. Poss: Taschenbuch für<br />
Aluminiumschäume. Düsseldorf, Aluminium Verlag,<br />
Aluminium-Verl., 2007.<br />
[3] O. Andersen et al.: Hochdämpfende Sandwiches<br />
mit zellularem Stahlkern für die Anwendung<br />
im Maschinenbau. In: R. Kasper et al. (Hrsg.):<br />
Forschung in Bewegung, 9. Magdeburger Maschinenbau-Tage,<br />
30.09.-01.10.2009, Tagungsband.<br />
Magdeburg, 2009, S. 533–544.<br />
[4] J. Hohlfeld, T. Hipke: Zellulare Metalle auch in<br />
Werkzeugmaschinen – Chemnitzer bauen weltgrößtes<br />
Metallschaumteil für Fräsmaschine. In:<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 127 (2005), Heft 30, S. 29–30.<br />
[5] U.-V. Jackisch, M. Neumann: Maschinen -<br />
gestelle für hochdynamische Produktionstechnik<br />
– Anforderungen, alternative Werkstoffe, Entwicklungs-<br />
und Fertigungsansätze, Anwendungen.<br />
Landsberg am Lech, Verlag Moderne Industrie,<br />
2014.<br />
60 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Sandwich mit Aluminiumschaumkern und Stahldeckblechen:<br />
bewährtes Leichtbaumaterial mit Dämpfungseigenschaften.<br />
Bild: Fraunhofer IWU<br />
[2–5], setzen aber – wie auch bei Elastomeren – für den<br />
Dämpfungseffekt eine Verformung voraus.<br />
Bisher Gegenspieler:<br />
Steifigkeit und Dämpfung<br />
Diese zur Schwingungsdämpfung notwendige Verformung<br />
läuft der Forderung nach hoher Steifigkeit zuwider.<br />
Das gilt zum Beispiel für Aluminiumsandwiches mit<br />
Stahldecklagen, wie sie die Abbildung zeigt: Die hochsteifen<br />
Decklagen schränken die Verformung des Aluminiumschaums<br />
ein, die erwünschte hohe Steifigkeit wirkt<br />
sich kontraproduktiv für eine gute Dämpfung aus.<br />
Dieses Dilemma löst nur ein Werkstoff, der Schwingungen<br />
als starrer Körper ohne eigene Verformung<br />
dämpft. Metallische Hohlkugeln, die mit jeweils einer<br />
kleinen Menge frei beweglicher keramischer Partikel<br />
gefüllt sind, erfüllen genau diese Bedingung. Werden die<br />
partikelgefüllten Hohlkugeln (pHK) in Schwingungen<br />
versetzt, übertragen sie die Schwingungsenergie auf die<br />
Partikel. Stöße und Reibung der Partikel untereinander<br />
und an der Innenwand der Hohlkugeln wandeln diese<br />
Energie in Wärme um.<br />
In einem Fraunhofer-internen Vorlaufforschungs -<br />
projekt haben die Autoren für Aluminiumschäume und<br />
partikelgefüllte Hohlkugeln jeweils einzeln den Nachweis<br />
erbracht, dass sie ein erhebliches Dämpfungsvermögen<br />
bei niedrigerem Gewicht aufweisen [3]. Hierauf<br />
baut die Idee auf, die Dämpfungs mechanismen beider<br />
zellulären Werkstoffe zu nutzen. Die Fraunhofer-<br />
Forscher tauften den Werkstoffverbund „Hoverlight“ –<br />
ein Synonym für „schwebend leicht“.<br />
Damit das Hoverlight-Material hohe Lasten aufnehmen<br />
kann, wird es mit hochfesten Decklagen wie Stahl<br />
zum Sandwich kombiniert, das sich dann als Leichtbau-<br />
Konstruktionshalbzeug verwenden lässt.<br />
Hergestellt werden Sandwiches mit Hoverlight-Kern,<br />
indem schäumbares Aluminium mit partikelgefüllten<br />
Hohlkugeln zwischen Stahldeckblechen positioniert<br />
und der Verbund einer Wärmebehandlung unterzogen<br />
wird. Das Aluminium schäumt dabei auf und schließt<br />
die Hohlkugeln ein. Der Schaum verbindet sich mit den<br />
Decklagen und den Metallhohlkugeln stoffschlüssig<br />
(Abbildung), ohne Klebstoffeinsatz.<br />
Mit Resonanzfrequenz-Dämpfungsanalysen (RFDA)<br />
wurde das Dämpfungsvermögen von Hoverlight-Sandwichriegeln<br />
ermittelt. Die Dämpfungswerte der reinen<br />
Alu-Schaumriegel und der Sandwiches aus Alu-Schaum<br />
und Stahldeckblechen liegen im beziehungsweise über<br />
dem Wertebereich von Grauguss – einem sehr gut<br />
dämpfenden und im Maschinenbau genutzten Werkstoff.<br />
Die Hoverlight-Materialien hingegen liegen in ihrer<br />
Dämpfung um ein bis zwei Größenordnungen über<br />
reinen Aluminiumschaumsandwiches (Abbildung)!<br />
So wird ein Sandwich mit Hoverlight-Kern hergestellt: Die wie in der<br />
linken Skizze angeordneten Halbzeuge verbacken im Schäumprozess,<br />
ausgelöst durch eine Wärmebehandlung. Rechts: geschäumtes<br />
Hoverlight-Sandwich. Bilder: Fraunhofer IWU + IFAM<br />
Hoverlight empfiehlt sich in Werkzeugmaschinen<br />
insbesondere dort,<br />
wo Maschinenschlitten starken<br />
Schwingungen ausgesetzt sind –<br />
also nahe den Bearbeitungsstellen.<br />
Schematischer Aufbau eines Sandwiches mit Hoverlight-Kern: Die starren, partikel gefüllten Metallhohlkugeln sind<br />
im Metallschaum zwischen den Deckblechen integriert.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 61
technik & wissen<br />
Mehr als die 10-fache Dämpfung mit Hoverlight<br />
Eine weitere Abbildung zeigt Dämpfungswerte von<br />
Hoverlight- und Vergleichsmaterialien in Abhängigkeit<br />
von der Steifigkeit (E-Modul) der Proben. Die Steifigkeit<br />
von Sandwiches wird weitgehend durch deren<br />
Geometrie bestimmt. Mit Hoverlight-Sandwiches lassen<br />
sich dieselben Steifigkeiten wie mit den bekannten Aluminiumschaumsandwiches<br />
erreichen. Im Vergleich zu<br />
diesen ist aber eine mehr als zehnfache Dämpfung möglich.<br />
Die Hoverlight-Sandwiches erreichen damit eine<br />
Kombination aus E-Modul und Dämpfung, wie sie<br />
noch kein konventioneller Werkstoff erreicht hat.<br />
Perspektiven für den Werkzeugmaschinenbau<br />
Die Ergebnisse demonstrieren, dass sich der Verbundwerkstoff<br />
Hoverlight im Labormaßstab herstellen lässt<br />
und wie prognostiziert ein sehr hohes Dämpfungs -<br />
vermögen bietet. In einem bereits in der Beantragung<br />
befindlichen AiF-Forschungsprojekt sollen nun der<br />
Aufbau des Hoverlight-Materials verbessert und die<br />
Abmessungen der Halbzeuge auf praxisrelevanten<br />
Größenordnungen von mindestens 500 x 500 x 10 mm³<br />
skaliert werden. Aus diesen Halbzeugen lassen sich<br />
komplette Baugruppen fertigen. Der Einsatz des neuen<br />
Werkstoffs erfolgt dann gezielt an den Stellen mit den<br />
größten Schwingungsamplituden, wie sie in der abgebildeten<br />
CAD-Darstellung angedeutet sind.<br />
Mit erreichter Skalierung der Halbzeuge wird den<br />
Werkzeugmaschinenherstellern ein hochdämpfender<br />
Verbundwerkstoff an die Hand gegeben, der sich im<br />
Zuge von Modernisierungsmaßnahmen problemlos in<br />
Die Dämpfung verschiedener Materialien im Vergleich, abhängig von der Dichte:<br />
Die Werte der Hoverlight-Materialien gleichen denen spezieller Kunststoffe.<br />
Bestandsanlagen nachrüsten lässt. Es ist jedoch zu<br />
erwarten, dass sich das höchste Potenzial bei neu entwickelten<br />
Werkzeugmaschinen ausschöpfen lässt. Aber<br />
auch das Austauschen einzelner Baugruppen verbessert<br />
die Bearbeitungsgenauigkeit signifikant. Das gilt insbesondere<br />
dann, wenn stark schwingende Segmente<br />
unkompliziert durch Hoverlight-Halbzeuge ersetzt<br />
werden können. Uneingeschränkt möglich ist dies für<br />
Schweißkonstruktionen.<br />
Wir bedanken uns bei der Zeidler-Forschungs-<br />
Stiftung für die finanzielle Förderung des Forschungsvorhabens<br />
ZFS-172 mit dem Titel „Hoverlight – Hochdämpfender<br />
Verbundwerkstoff für den Leichtbau“. •<br />
Dr. Jörg Hohlfeld, Dr. Steve Siebeck<br />
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und<br />
Umformtechnik IWU<br />
Dr. Ulrike Jehring, Dr. Peter Quadbeck<br />
Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte<br />
Materialforschung IFAM, Institutsteil Dresden<br />
Die Dämpfung verschiedener Materialien im Vergleich, abhängig vom E-Modul: Die<br />
Werte der Hoverlight-Materialien liegen weit über jenen reiner Aluschaum-Sandwiches.<br />
@<br />
Kontakt:<br />
Jörg Hohlfeld,<br />
Tel. +49 371 5397-1496,<br />
joerg.hohlfeld@iwu.fraunhofer.de<br />
62 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Die neuartig konstruierten<br />
Kolben entstehen Schicht<br />
für Schicht im Pulverbett<br />
mithilfe eines Lasers.<br />
Bild: Porsche<br />
Nach den Prüfstandstests in einem 911 GT2 RS-Motor werden die 3D-gedruckten<br />
Kolben ausgebaut zur weiteren Analyse. Bild: Porsche<br />
Porsche entwickelt mit Mahle und Trumpf innovative Kolben<br />
3D-gedruckte<br />
Kolben im Porsche<br />
3D-Druck | Porsche setzt einen neuen Meilenstein in<br />
der Anwendung additiver Fertigungsverfahren mit den<br />
Partnern Mahle und Trumpf: Erstmals wurden Kolben<br />
aus dem 3D-Drucker für den Hochleistungsmotor des<br />
911er-Topmodells GT2 RS erfolgreich eingesetzt und<br />
auf dem Prüfstand getestet.<br />
Der 3D-Druck ermöglicht es, die Kolben mit einer<br />
entsprechend der Belastung optimierten Struktur herzustellen.<br />
Dadurch wiegen die Kolben aus dem Vorentwicklungsprojekt<br />
10 % weniger als die geschmiedeten<br />
Serienkolben. Zudem verfügen sie über einen integrierten<br />
und geschlossenen Kühlkanal im Kolbenboden, der<br />
mit herkömmlichen Verfahren nicht herstellbar gewesen<br />
wäre. „Wir können durch die neuen, leichteren Kolben<br />
die Motordrehzahl steigern, die Temperaturbelastung<br />
der Kolben verringern und die Verbrennung optimieren“,<br />
erklärt Frank Ickinger aus der Antriebsvorentwicklung<br />
von Porsche. „Bis zu 30 PS mehr Leistung aus<br />
dem 700 PS starken Biturbo-Motor sind dadurch denkbar,<br />
und das bei höherer Effizienz.“<br />
Der Sportwagenbauer hat bereits Erfahrung mit der<br />
3D-Druck-Technologie. Im Prototypenbau, in der<br />
Ersatzteilfertigung für Sportwagen-Klassiker und in<br />
weiteren Bereichen kommt sie schon zum Einsatz. Alle<br />
verwendeten Verfahren basieren auf dem Prinzip, dass<br />
die Bauteile ohne ein Werkzeug oder eine Form entstehen,<br />
Schicht für Schicht nach den Konstruktionsdaten<br />
aus dem Computer. Dadurch sind Bauformen in nahezu<br />
beliebiger Geometrie möglich. Ideal, um mittels Künstlicher<br />
Intelligenz (KI) konstruierte und optimierte Strukturen<br />
herzustellen.<br />
Die Kolben des 911 GT2 RS entstanden im Laser-<br />
Metall-Fusion-Verfahren LMF aus hochreinem Metallpulver.<br />
Dabei erhitzt ein Laserstrahl entsprechend der<br />
Teilekontur die Pulveroberfläche und verschmelzt sie.<br />
Das Gemeinschaftsprojekt hat Porsche mit Mahle und<br />
Trumpf als Kooperationspartnern ins Leben gerufen.<br />
Qualität und Leistungsfähigkeit der Teile wurden mit<br />
Messtechnik von Projektpartner Zeiss abgesichert.<br />
Auch in anderen Projekten erschließt der Sport -<br />
wagenbauer das Potenzial additiver Fertigungsverfahren.<br />
Seit Mai ist ein 3D- gedruckter Bodyform-Voll -<br />
schalensitz für die Reihen 911 und 718 erhältlich. Die<br />
Mittelbahn des Sitzes, also Kissen- und Lehnenspiegel,<br />
stammt zum Teil aus dem 3D-Drucker. Kunden können<br />
bei der Komfortschicht zwischen drei Härten (hart,<br />
mittel, weich) wählen.<br />
Porsche Classic lässt außerdem nicht mehr lieferbare<br />
Ersatzteile aus Kunststoff, Stahl und Leichtmetall additiv<br />
nachfertigen. Ein Ausrückhebel für die Kupplung des<br />
Porsche 959 beispielsweise stammt heute aus dem<br />
3D-Drucker. Derzeit gibt es rund 20 nachgefertigte Teile<br />
für Porsche-Klassiker aus additiver Fertigung. (os) •<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 63
Der Delta Roboter von<br />
Igus setzt Füllecken in<br />
Form von Plastikpfeilen<br />
auf vordefinierte Paletten.<br />
Bilder: angelique-photo<br />
graphy.com<br />
Delta Roboter von Igus hilft bei der Herstellung von Brandschutzgläsern<br />
Beschleunigte<br />
Fertigung<br />
Automatisierung | Bei der Fertigung seiner Brandschutzgläser<br />
setzt Vetrotech Saint-Gobain auf Robotertechnik<br />
von Igus und konnte damit Mitarbeiter von<br />
einer ergonomisch ungünstigen und eintönigen Arbeit<br />
entlasten.<br />
Vetrotech Saint-Gobain ist ein Spezialist für Bauglas.<br />
Zum Portfolio gehören Brandschutz-, Wärmeschutz-,<br />
Schallschutz- und Sicherheitsschutzgläser. Brandschutzglas<br />
setzt dabei dem Feuer ein Hindernis entgegen und<br />
verhindert die weitere Ausbreitung für einen bestimmten<br />
Zeitraum. Herkömmliches Glas ist dafür nicht geeignet,<br />
da es durch die Hitze zerspringt. Bei der Produk-<br />
tion von Brandschutzgläsern sind spezielle Gläser mit<br />
Hohlräumen gefragt, die einen Isolationsschutz bei<br />
Bränden bieten. Das mehrschichtige Glas wird mit einer<br />
Masse ummantelt. Davor muss jedoch eine Flüssigkeit<br />
zwischen die Scheiben gefüllt werden, die für den<br />
Brandschutz des Glases sorgt.<br />
Zur Befüllung der Glasscheiben mit dieser Flüssigkeit<br />
setzen die Konstrukteure auf Füllecken in Form von<br />
Pfeilen als Platzhalter, durch die über einen Schlauch die<br />
Flüssigkeit in den Zwischenraum gelangt. Sie werden in<br />
den Abstandhalter eingesetzt, bevor die Scheiben verpresst<br />
werden. Für den Füllprozess werden die Ecken<br />
wieder herausgezogen. Dabei schneiden sie mit ihren<br />
Kanten auf der Unterseite den Abstandhalter sauber ab,<br />
sodass dort der Schlauch eingeführt werden kann.<br />
Durch diesen wird die Flüssigkeit in die Scheibe gefüllt,<br />
die nach einem Aushärteprozess klar wird. Unmittelbar<br />
nach dem Befüllen der Scheibe wird der Schlauch entfernt<br />
und die Öffnung verschlossen und versiegelt. Die<br />
ausgehärtete Masse sorgt im Brandfall für den Schutz.<br />
Im bisherigen Fertigungsprozess wurden die Plastikpfeile<br />
in vordefinierte Formen gelegt, anschließend<br />
durch einen Roboter aufgenommen und als Platzhalter<br />
64 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
technik & wissen<br />
positioniert, damit die Flüssigkeit in den Hohlraum gelangt.<br />
Das Bestücken der Pfeile in die Formen erfolgte<br />
vorher in Handarbeit. Die monotone Arbeit erledigte<br />
ein Mitarbeiter nebenbei und war eine zusätzliche Belastung.<br />
Daher musste eine neue kostengünstige Lösung<br />
her, die den Mitarbeiter entlastet und zuverlässige Ergebnisse<br />
erzielt. Diese Aufgabe übernahmen Daniel Fahnenstich,<br />
Niklas Kuhl und Daniel Voth im Rahmen ihrer<br />
Technikerausbildung bei Vetrotech Saint-Gobain.<br />
Auf der Suche nach einer passenden Lösung stieß<br />
Projektteam während der Hannover Messe 2019 auf<br />
dem Stand von Igus auf einen Delta Roboter. Im Fachgespräch<br />
wurde schnell klar, dass sich die Maschine mit<br />
einem Preis unter 5000 Euro für die einfache und kostengünstige<br />
Umsetzung des Projekts ideal eignet. Der<br />
Roboter basiert auf drei wartungsfreien Zahnriemenachsen,<br />
schmiermittelfreien Koppelstangen und passenden<br />
Adapterplatten. Schrittmotoren und Encoder sorgen<br />
für ein schnelles Handling von Gewichten bis zu 5<br />
kg bei einer Präzision von 0,5 mm. Das komplette System<br />
besitzt einen Arbeitsraumdurchmesser von 660<br />
mm. Die leichte Bauweise aus Aluminium und Kunststoff<br />
sorgt für hohe Geschwindigkeiten mit mindestens<br />
30 Picks pro Minute. Zusammen mit den Experten von<br />
Igus entwickelte das Team eine Pick-and-Place-Lösung<br />
für die automatisierte Platzierung der Pfeile auf vordefinierten<br />
Paletten. Danach wurde der Delta-Roboter installiert.<br />
Die neue Lösung entlastet nicht nur die Mitarbeiter,<br />
sondern beschleunigt zudem die Fertigungsabläufe. Außerdem<br />
können die Werker ihre freien Kapazitäten für<br />
anspruchsvollere Tätigkeiten nutzen. Doch nicht nur die<br />
verbesserte Arbeitsqualität war ein Anreiz für die Installation,<br />
denn der Roboter macht sich zudem schnell bezahlt.<br />
„Wenn in drei Schichten pro Tag jeweils ein Mitarbeiter<br />
für drei Stunden die Füllecken einsortiert,<br />
Kunststoff für bewegte<br />
Anwendungen<br />
Die Igus GmbH ist ein weltweit führender Hersteller<br />
von Energiekettensystemen und Polymergleitlagern.<br />
Das familiengeführte Unternehmen mit Sitz in Köln ist<br />
in 35 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit 4150<br />
Mitarbeiter. Im Jahr 2018 erwirtschaftete Igus mit<br />
Kunststoffkomponenten für bewegte Anwendungen einen<br />
Umsatz von 748 Mio. Euro. Igus betreibt die größten<br />
Fabriken und Testlabore in seiner Branche, um dem<br />
Anwender innovative und auf ihn zugeschnittene Produkte<br />
und Lösungen in kurzer Zeit anbieten zu können.<br />
Diese Pfeile sind Platzhalter<br />
für die Befüllung<br />
der Scheiben mit einer<br />
speziellen Flüssigkeit für<br />
den Brandschutz.<br />
amortisiert sich das Projekt bei<br />
den Kosten aktuell nach zwölf<br />
Monaten“, versichert Niklas<br />
Kuhl. Die Verantwortlichen bei<br />
Saint-Gobain Vetrotech schmieden<br />
bereits Zukunftspläne, wie<br />
der Herstellungsprozess in Zukunft<br />
weiter optimiert werden<br />
könnte, sodass die Füllecken-<br />
Sortieranlage von der Bestückung<br />
bis hin zur Entnahme<br />
vollautomatisch abläuft.<br />
Das Unternehmen besitzt fünf weitere Standorte mit<br />
der gleichen Anwendung. Auch dort soll auf Robotertechnik<br />
umgerüstet werden. „Wenn wir das jetzt noch<br />
mal bauen sollten, dann bestellen wir wieder den Delta-<br />
Roboter und werfen die Motoren einfach an“, so Kuhl.<br />
„Wir geben die bereits bekannten Werte ein und schon<br />
ist die Anlage lauffähig.“ Wenn alle Komponenten vorrätig<br />
sind, sei das System an einem Tag zusammengebaut.<br />
Dabei wurde der Delta-Roboter sogar teilweise<br />
auf Siemens Komponenten umgerüstet. Die Schrittmotoren<br />
und die Steuerung von Igus wurden durch Servomotoren<br />
und Servoregler von Siemens ersetzt, um die<br />
Anlage problemlos mit einer Siemens-Steuerung betreiben<br />
zu können.<br />
Lieferbar ist der Delta-Roboter innerhalb von 24<br />
Stunden als vormontierter Bausatz inklusive Montageanleitung<br />
in einer Box oder direkt einbaufertig in einem<br />
Transportrahmen. Optional kann der Anwender auf eine<br />
eigene Software und Steuerung zurückgreifen. Oder<br />
er nutzt die intuitive und leicht bedienbare Steuerung<br />
von Igus. Der Delta-Roboter eignet sich vor allem für<br />
einfache Montageaufgaben, Pick-and-Place-Anwendungen<br />
und Einsätzen in der Prüftechnik. Neben dem Delta-Roboter<br />
hat der Kölner Hersteller noch weitere preisgünstige<br />
Systeme in seinem Portfolio. (us) •<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 65
technik & wissen<br />
Beim Steuerrelais easyE4 hat der Anwender<br />
die Wahl zwischen vier Programmiersprachen:<br />
ST, FUP, KOP oder EDP. Bilder: Eaton<br />
Kleinsteuerung versus speicherprogrammierbare Steuerung (SPS)<br />
Kleinsteuerung<br />
auf dem Vormarsch<br />
Automatisierung | Kleinsteuerungen wie die easyE4<br />
von Eaton bieten den Einsatz mehrerer Programmiersprachen,<br />
modulare Softwarekonzepte und eine leistungsstarke<br />
Hardware. Damit stellt sie in vielen Fällen<br />
eine Alternative zur klassischen SPS dar. ❧ Nora Nuissl<br />
Steuerrelais – oder auch Kleinsteuerungen – werden oft<br />
für wenig komplexere Steuerungsaufgaben eingesetzt.<br />
Das liegt zum einen daran, dass die Rechenkapazität im<br />
Vergleich zu einer speicherprogrammierbaren Steuerung<br />
(SPS) begrenzt ist und zum anderen, dass die Relais selten<br />
flexibel programmiert werden können. Doch nicht<br />
für jede Steuerungsaufgabe bietet sich die zwar leistungsstärkere<br />
aber meist auch teurere SPS an.<br />
Ein Beispiel für eine solche Kleinsteuerung ist die<br />
easyE4 der Eaton Electric GmbH. Das jüngste Mitglied<br />
aus der Produktfamilie der Steurrelais des Bonner Her-<br />
stellers ist im Vergleich zu den Vorgängerreihen<br />
easy500, easy700 und easy800 kompakter aufgebaut:<br />
Mit bis zu 11 Modulen auf maximal 188 Ein-/Ausgängen<br />
sowie einer flexibel wählbaren Spannungsbreite eignet<br />
sich die Kleinsteuerung vor allem für Anwendungen<br />
in der Industrie und im Gebäudebereich.<br />
Als einen der größten Vorteile nennt Sascha Lindemann,<br />
Product Manager Product Line Machine Operation<br />
& Control bei Eaton, die Modularität des Systems.<br />
„Über eine Ethernet-Schnittstelle kann der Nutzer verschiedene<br />
Kommunikationsprotokolle, beispielsweise<br />
Modbus TCP IP, nutzen. Die hauseigene Software easy-<br />
Soft ermöglicht die Auswahl zwischen derzeit vier Programmierstandards:<br />
Strukturierter Text (ST), Kontaktplan<br />
(KOP), Funktionsplan (FUP) oder Easy Device Programming<br />
(EDP). Über einen integrierten Webserver im<br />
Gerät kann der Werker etwa über ein Problem per<br />
E-Mail informiert werden.“ Durch die ebenfalls integrierte<br />
zählergesteuerte, flankengesteuerte und zeitgesteuerte<br />
Interrupt-Fähigkeit der easyE4 kann die Anlage,<br />
ähnlich wie bei einer SPS, auf externe Signale oder<br />
Fehlermeldungen ohne Zeitverzögerung reagieren und<br />
die entsprechenden Reaktionen ausführen. „Mit dieser<br />
Vielzahl an Funktionen verschwimmen die Grenzen der<br />
SPS, also der Nano-, Mikro- und Kleinsteuerungen, zunehmend“,<br />
betont Lindemann.<br />
Simulation für eine sichere Inbetriebnahme<br />
Um einen fehlerfreien Ablauf schon bei der ersten Inbetriebnahme<br />
zu gewährleisten, bietet die Simulation eine<br />
immer häufiger eingesetzte Grundlage. Viele Fehler lassen<br />
sich so vor der realen Inbetriebnahme bereits ausschließen.<br />
Über die aktuelle Softwareversion easySoft 7<br />
kann der Anwender eine Simulation im Vorfeld der Inbetriebnahme<br />
durchführen. Dies beinhaltet die Simulation<br />
der Schaltungsfunktionen. Aber auch Fehler in Berechnungen<br />
oder fehlerhafte Zeigerzugriffe lassen sich<br />
durch das Setzen von Haltepunkten präzise lokalisieren.<br />
All die beschriebenen Funktionen inklusive der Einsatz<br />
von ST und die modulare Erweiterbarkeit verleihen<br />
Kleinsteuerungen wie der Eaton easyE4 eine Leistungsfähigkeit<br />
und Flexibilität, die sie auch für Anwendungen<br />
mittlerer Komplexität zu einer kostengünstigen und einfach<br />
in Betrieb zu nehmenden Alternative zur klassischen<br />
SPS machen. Vergleichsweise geringe Inbetriebnahmezeiten<br />
sind ein weiterer Vorteil, ebenso Funktionen<br />
wie Interrupt oder eine genaue Zeitsynchronisierung.<br />
Der mögliche Einsatz unterschiedlicher Sprachvarianten<br />
in einem System sowie die integrierte Visualisierung<br />
prädestinieren die Steuerrelais laut Anbieter für die<br />
Anwendung in der digitalen Produktion von heute.<br />
66 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
Ein Beispiel für den Einsatz der Kleinsteuerung<br />
easyE4 ist die automatisierte Steuerung von Pumpen in<br />
einem Wasserwerk. Hier hat der Hersteller für alle an<br />
Planung und Betrieb einer Wasserversorgung beteiligte<br />
Parteien folgende Vorteile erzielt: Planungsbüros haben<br />
durch die Modularisierung eine gute Grundlage für die<br />
Ausschreibungen, Installationsunternehmen können<br />
durch das dezentrale Konzept den Verdrahtungsaufwand<br />
reduzieren und Realisierungszeiten verkürzen.<br />
Durch den einfachen Aufbau und die leichte Programmierung<br />
beziehungsweise Parametrisierung der Steuerrelais<br />
kann die Wartung und eine spätere Erweiterung<br />
durch Elektro-Betriebe vor Ort durchgeführt werden.<br />
Für den Investor und Betreiber sei so langfristig die Flexibilität<br />
und Verfügbarkeit der Anlage gesichert.<br />
Für die Pumpensteuerung wurden individuelle Anwender-Funktions-Bausteine<br />
gemäß der Kundenanforderung<br />
entwickelt. So können Daten aus dem Relais<br />
oder Frequenzumrichtern geloggt und verschiedene<br />
Schieberzustände erfasst werden. Durch eine Verknüpfung<br />
mit der Cloud über ein entsprechendes Gateway<br />
lässt sich so frühzeitig ein Wartungs- oder Servicebedarf<br />
ableiten.<br />
•<br />
Eine Kleinsteuerung eignet sich im Vergleich zu einer klassischen SPS<br />
vor allem für kleinere Automatisierungsprojekte.<br />
„Der Vorteil liegt in der Modularität des Systems“<br />
Sascha Lindemann,<br />
Product Manager<br />
Product Line<br />
Machine Operation<br />
& Control bei Eaton.<br />
Herr Lindemann, Sie haben das<br />
Steuerrelais easyE4 im Vergleich zu<br />
den Vorgängerversionen um einige<br />
Funktionen erweitert. Worin sehen<br />
Sie die größten Vorteile?<br />
Durch den integrierten Webserver in<br />
der easyE4 kann der Werker beispielsweise<br />
über Probleme per<br />
E-Mail informiert werden. Außerdem<br />
verfügt das Steuerrelais über<br />
eine dezentrale Visualisierung.<br />
Derzeit verwenden wir standardisierte<br />
Kommunikationsprotokolle<br />
wie Modbus TCP IP in der Steuerung,<br />
also eine Ethernet-Schnittstelle.<br />
Wir planen aber die Kommunikationsfähigkeiten<br />
auszubauen, indem<br />
wir mehrere Protokolle sowie<br />
zusätz liche Visualisierungserweiterungen<br />
anbieten. Der größte Vorteil<br />
des Systems liegt aber in der Modularität:<br />
Der Anwender kann aus vier<br />
Programmiersprachen wählen oder<br />
einzelne kombinieren.<br />
Können Steuerrelais die eigentlich<br />
leistungsstärkere SPS als Automa -<br />
tisierungslösung ersetzen?<br />
Wir wollen mit der Kleinsteuerung<br />
keine SPS ersetzen, sondern bieten<br />
so eine kostengünstigere Möglichkeit<br />
für Anwendungen kleinerer und<br />
mittlerer Komplexität. In vielen<br />
Fällen macht diese Lösung mehr<br />
Sinn als eine SPS.<br />
In welchem Preisrahmen liegt die<br />
easyE4?<br />
Ein Basisgerät mit Display ohne weitere<br />
Funktionen kostet je nach Ausführung<br />
(Spannung) zwischen 112<br />
und 119 Euro gemäß Listenpreis.<br />
Wenn ich bereits ein Steuerrelais<br />
einer älteren Generation in der Produktion<br />
integriert hätte, muss ich<br />
dieses nun austauschen?<br />
Nein. easyE4 kann einfach in ältere<br />
Systeme eingebunden und mit Vorgängerversionen<br />
verknüpft werden.<br />
In welchen Bereichen wird die<br />
easyE4 schon eingesetzt?<br />
Die Bandbreite der Anwendungsfelder<br />
ist groß: Das kann vom Brotbackautomaten<br />
über Hochdruckreiniger<br />
in der Straßenreinigung bis hin<br />
zur Kühlung und Beheizung von<br />
Gebäuden reichen.<br />
Welche weiteren Funktionen für<br />
das Steuerrelais easyE4 sind in<br />
naher Zukunft geplant?<br />
Die Kommunikation über Ethernetbasierte<br />
Feldbusse wie Modbus-<br />
TCP soll künftig ausgebaut werden,<br />
hier wollen wir weitere Kommunikationsprotokolle<br />
einbinden. Damit<br />
planen wir, im ersten Halbjahr 2021<br />
auf den Markt zu gehen.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 67
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68 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
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Willi Hahn GmbH<br />
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Die Willi Hahn GmbH ist ein mittelständisches, familiengeführtes<br />
Unternehmen mit langjähriger Erfahrung<br />
in der Verbindungstechnik. Wir stehen für Qualität,<br />
Innovation und Zuverlässigkeit. Unsere Kompetenzen<br />
liegen im Bereich Dreh- und Frästeile, sowie Kaltfließpressteilen.<br />
Wir sind Ihr Partner für Sonderteile, hochpräzise<br />
Zeichnungsteile mit großer Fertigungstiefe,<br />
aus sämtlichen Werkstoffen, mit allen Bearbeitungsverfahren<br />
und Oberflächenbehandlungen. Sie erhalten<br />
von uns umfassende Lösungen und Unterstützung<br />
für Ihre Beschaffung: Rahmenverträge, Kanban,<br />
Abwicklung über Ihre Portale und Umsetzung Ihrer<br />
individuellen Anforderungen.<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 69
produkte<br />
Nur halb so viele<br />
Energieverluste<br />
Antriebe | Synchronreluktanzmotoren von ABB verfügen nun<br />
über die Energieeffizienz-Klassifizierung IE5 und weisen im<br />
Vergleich zu IE2-Motoren bis zu 50 % geringere Energieverluste<br />
auf.<br />
Synchronreluktanzmotoren<br />
(SynRM) von ABB erfüllen nun<br />
die Kriterien der neuen Ultra-<br />
Premium-Energieeffizienzklasse<br />
IE5, die von der Internationalen<br />
Elektrotechnischen Kommission<br />
(IEC) festgelegt wurden. Sie senken<br />
die Energieverluste etwa um<br />
die Hälfte und ermöglichen<br />
einen deutlich niedrigeren Energieverbrauch<br />
als Asynchronmotoren<br />
der Wirkungsklasse IE2.<br />
Weitere Vorteile der<br />
IE5-SynRM-Motoren sind laut<br />
Hersteller die niedrigeren Lager-<br />
und Wicklungstemperaturen,<br />
die für höhere Zuverlässigkeit<br />
und längere Lebensdauer sorgen.<br />
So werden auch die Motorengeräusche<br />
reduziert, wodurch<br />
ein angenehmeres Arbeitsumfeld<br />
geschaffen werde.<br />
Die Motoren eignen sich für<br />
den Einsatz in zahlreichen anspruchsvollen<br />
Industrieanwendungen<br />
und ermöglichen bei<br />
jeder Geschwindigkeit eine präzise<br />
Steuerung und hohe Effizienz<br />
– selbst bei Teillasten. Sie<br />
sind daher eine ideale Option zu<br />
herkömmlichen Asynchronmotoren<br />
in Pumpen, Lüftern und<br />
Kompressoren sowie für komplexere<br />
Anwendungen wie<br />
Strangpressen, Mischaggregate,<br />
Winden und Förderanlagen.<br />
Asynchronmotoren können<br />
problemlos durch IE5-SynRM-<br />
Motoren ausgetauscht werden,<br />
da sie dieselbe Größe und Ausgangsleistung<br />
aufweisen. Mechanische<br />
Änderungen sind somit<br />
nicht erforderlich. •<br />
Synchronreluktanz -<br />
motoren von ABB<br />
erfüllen nun die Kriterien<br />
der IE5-Effizienzklasse.<br />
Bild: ABB<br />
Feinfühliger<br />
Werkzeughalter<br />
Spanntechnik | Ab September liefert Schunk das sensorische<br />
Hydro-Dehnspannfutter iTendo aus. Es ermöglicht, Zerspanungsprozesse<br />
in hoher Auflösung unmittelbar am Werkzeug<br />
zu überwachen und Schnittparameter in Echtzeit zu regeln.<br />
Der iTendo ist in der Lage, den<br />
Zerspanungsprozess lückenlos<br />
zu erfassen, zuvor definierte<br />
Grenzwerte zu überwachen und<br />
bei Unregelmäßigkeiten beispielsweise<br />
adaptives Regeln<br />
von Drehzahl und Vorschub in<br />
Echtzeit zu ermöglichen.<br />
Im ersten Schritt standardisiert<br />
Schunk den iTendo für die<br />
gängige Schnittstelle HSK-A 63<br />
mit Spanndurchmessern von 6<br />
mm bis 32 mm und einer Länge<br />
von 130 mm. Der sensorische<br />
Werkzeughalter ist für den Einsatz<br />
von Kühlschmiermittel geeignet<br />
und bis 10.000 min -1 ausgelegt.<br />
Die Inbetriebnahme und<br />
Analyse der Daten erfolgen über<br />
ein browserbasiertes Dashboard<br />
auf handelsüblichen PCs, Tablet<br />
Computern oder Smartphones.<br />
In der einfachsten Ausbaustufe,<br />
die komplett ohne maschinenseitige<br />
Anpassungen realisiert<br />
werden kann, lassen sich die<br />
Live-Daten des Sensors über eine<br />
lokale Anbindung unmittelbar<br />
am Schunk-Dashboard anzeigen.<br />
In einer zweiten Ausbaustufe<br />
wird der Echtzeitcontroller<br />
von einem Servicetechniker mit<br />
der Maschinensteuerung verbunden,<br />
so dass Alarme ausgelöst<br />
oder Prozesse adaptiv geregelt<br />
werden können. Die höchste<br />
Ausbaustufe ermöglicht zusätzlich<br />
einen Informationsaustausch<br />
mit der Maschine. •<br />
Der smarte Werkzeug -<br />
halter iTendo ermöglicht<br />
eine Echtzeitprozess -<br />
überwachung und<br />
-regelung unmittelbar<br />
am Werkzeug.<br />
Bild: Schunk<br />
70 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
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in Bezug auf Handhabung, Qualität sowie<br />
Montage optimiert. Ab sofort stehen Produktversionen<br />
mit integrierter Sicherheitsfunktion zur Verfügung: Der<br />
Spanner GN 820.3 wird dank eines Sicherungshakens<br />
vor unbedachtem Öffnen und dadurch vor Fehlbedienung<br />
geschützt. Die Sicherungsverriegelung kann bei<br />
Bedarf einhändig geöffnet<br />
werden. Bei der Produktversion<br />
GN 810.3 lassen<br />
sich beide Endpositionen<br />
des Spanners durch die<br />
neue Verriegelungsfunktion<br />
sichern. Dies ermöglicht<br />
den Einsatz längerer<br />
Spann arme, ohne dass diese<br />
versehentlich schließen.<br />
Als neuen Service liefert<br />
der Hersteller die jeweils<br />
passende Andrückschraube<br />
und auf Wunsch den verlängerten<br />
Spannarm automatisch<br />
mit. •<br />
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Treppen und Rampen<br />
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im Innen- und Außenbereich.<br />
Anwender können wählen zwischen<br />
ein- und zweischaligen<br />
Schraubverbindern sowie bün-<br />
digen Innenspann-Verbindern in<br />
starren und beweglichen Varianten.<br />
Der Hersteller bietet<br />
auch die Wahlmöglichkeit zwischen<br />
drei Befestigungsprinzipien:<br />
Rohrverbinder der geschlossenen<br />
Bauart erlauben ein<br />
Durch- oder Einschieben der<br />
Rohre und eine Senkschrauben-<br />
Fixierung; bei der mehrschaligen<br />
Bauart umfassen zwei Aluminiumsegmente<br />
das<br />
Rohr von außen. Und<br />
bei der dritten Bauart<br />
handelt es sich um<br />
Rohrverbinder mit einer<br />
Innenspann-Mechanik,<br />
die einen bündigen<br />
Übergang von<br />
Rohr und Verbinder ermöglicht.<br />
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<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 71
vorschau 19.20<br />
Bild: Georgi Roshkov/stock.adobe.com<br />
C-Teile-Management<br />
Die Schrauben müssen drehen, sonst kann die<br />
ganze Produktion zum Erliegen kommen. In<br />
der letzten Zeit wurden die massiven Auswirkungen<br />
der Pandemie auf C-Teile-Anbieter<br />
sichtbar. Fünf Branchen kenner erklären, was<br />
die Änderungen bei ihnen bewirkt haben und<br />
wo die Zukunft der Branche liegt.<br />
Risikomanagement<br />
Ein besseres Risikomanagement macht Lieferketten<br />
stabiler und resilienter und schützt sie<br />
auch gegen neue Risiken. All dies ermöglicht<br />
die Blockchain-Technologie.<br />
Interview<br />
Markus Brandstetter, der neue CTO bei der<br />
Grundfos-Gruppe, erläutert im Interview, wie<br />
der Pumpenhersteller die Digitalisierung angeht<br />
und welche Produktstrategie er verfolgt.<br />
erscheint dienstags Impressum<br />
ISSN 0019–9036<br />
Organ des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung<br />
e.V. (WSM), Düsseldorf, Hagen. Die Mitglieder<br />
des Verbandes erhalten den <strong>Industrieanzeiger</strong> im Rahmen ihrer<br />
Mitgliedschaft. Zusammenarbeit im Fachbereich der Gießereitechnik<br />
mit der Zentrale für Gussverwendung, Düsseldorf.<br />
Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />
Mitherausgeber: Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher (Werkzeug-<br />
maschinen); Prof. Dr.-Ing. Thomas Bergs (Technologie der<br />
Fertigungsverfahren); Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt (Fertigungsmesstechnik<br />
und Qualitätsmanagement);<br />
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Günther Schuh (Produktions-<br />
systematik), WZL RWTH Aachen<br />
Verlag: Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />
Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />
Geschäftsführer: Peter Dilger<br />
Verlagsleiter: Peter Dilger<br />
Chefredakteur:<br />
Dipl.-Ing. (FH) Werner Götz (gö), Phone +49 711 7594–451<br />
Stellv. Chefredakteur:<br />
Dipl.-Betriebswirt (FH) Dietmar Kieser (dk),<br />
Phone +49 711 7594–454<br />
Redaktion:<br />
Dipl.-Inf. (FH) Uwe Schoppen (us), Phone +49 711 7594–458;<br />
M. Litt. Sanja Döttling (sd), Phone +49 711 7594–342;<br />
Kyra Kutter (kk), Phone +49 711 7594–475;<br />
B. A. (FH) Nora Nuissl (nu), Phone +49 711 7594–391;<br />
M. A. Nico Schröder (sc), Phone +49 170 6401879;<br />
Susanne Schwab (su), Phone +49 711 7594–444;<br />
Dipl.-Ing. Olaf Stauß (os), Phone +49 711 7594–495;<br />
Dipl.-Ing. (FH), Dipl.-Infowirtin (FH) MonaWillrett (mw),<br />
Phone +49 711 7594–285<br />
Ständige freie Mitarbeiter:<br />
Dipl.-Ing. Volker Albrecht, Karin Faulstroh (kf),<br />
Michael Grupp (mg), Sabine Koll (sk), Markus Strehlitz (ms),<br />
Henriette Steuer (hs)<br />
Redaktionsassistenz: Daniela Engel, Phone +49 711 7594–452,<br />
Fax –1452, E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />
Layout: Laura Gehring, Jonas Groshaupt, Michael Kienzle,<br />
Ana Turina<br />
ANZEIGEN<br />
Gesamtanzeigenleiter:<br />
Joachim Linckh, Phone +49 711 7594–565, Fax –1565<br />
Auftragsmanagement:<br />
Matthias Rath, Phone +49 711 7594–323, Fax –1323<br />
Zurzeit gilt Preisliste 79 vom 1.10.2019.<br />
Anzeigen-Annahmeschluss für Gelegenheits anzeigen mittwochs,<br />
15 Uhr.<br />
Leserservice: <strong>Industrieanzeiger</strong> +49 711 7252–209,<br />
konradinversand@zenit-presse.de<br />
Erscheinungsweise: dienstags (28 x jährlich)<br />
Bezugspreis: Inland jährlich 208,60 € inkl. Versandkosten und<br />
MwSt; Ausland 208,60 € inkl. Versandkosten. Einzelpreis 7,55 €<br />
(inkl. MwSt, zzgl. Versandkosten).<br />
Bestellungen erbitten wir an den Verlag.<br />
Sofern die Lieferung nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />
bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />
Bezugszeit: Das Abonnement kann erstmals vier Wochen zum<br />
Ende des ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach Ablauf<br />
des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils vier<br />
Wochen zum Quartalsende.<br />
Bei Nichterscheinen aus technischen Gründen oder höherer<br />
Gewalt entsteht kein Anspruch auf Ersatz.<br />
AUSLANDSVERTRETUNGEN<br />
Großbritannien/Irland: Jens Smith Partnership, The Court, Long<br />
Sutton, GB-Hook, Hampshire RG 29 1TA, Phone 01256<br />
862589, Fax 01256 862182, E-Mail: jsp@trademedia.info;<br />
USA: D.A. Fox Advertising Sales, Inc. Detlef Fox, 5 Penn Plaza,<br />
19th Floor, New York, NY 10001, Phone +1 212 8963881,<br />
Fax +1 212 6293988, detleffox@comcast.net<br />
Gekennzeichnete Artikel stellen die Meinung des Autors, nicht<br />
unbedingt die der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte keine Gewähr. Alle im <strong>Industrieanzeiger</strong> erscheinenden<br />
Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte,<br />
auch Übersetzungen, vorbehalten. Reproduktionen, gleich<br />
welcher Art, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart.<br />
Druck: Konradin Druck, Leinfelden-Echterdingen<br />
Printed in Germany<br />
© 2020 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />
Leinfelden-Echterdingen<br />
72 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
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Kraftfahrt-Bundesamt .......................... 10<br />
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Mesago Messe Frankfurt 15<br />
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Mikron .................................................... 14<br />
Nextbase .................................................. 8<br />
Nordmethan .......................................... 12<br />
Norgren .................................................. 19<br />
Pixel Group ............................................ 12<br />
Plastics Europe ..................................... 18<br />
Porsche .................................................. 63<br />
Scoobe3D ................................................ 8<br />
SLM Solutions ....................................... 16<br />
Technotrans ........................................... 18<br />
Triggo ........................................................ 8<br />
Trumpf ............................................... 16, 63<br />
VariovacPSSystemPack 56<br />
VDMA ............................................... 12, 28<br />
VDW..................................................<br />
10, 28<br />
Vetrotech Saint-Gobain 64<br />
WBA Aachener Werkzeugbau<br />
Akademie ............................................... 20<br />
Weltec Biopower..................................<br />
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WFL Millturn .......................................... 58<br />
WZL der RWTH Aachen 22<br />
Zecha ...................................................... 36<br />
Zeiss ....................................................... 63<br />
Der Span ................................................ 52<br />
Deutsche Messe .................................. 15<br />
Dilas Diodenlaser ................................. 18<br />
IFR ........................................................... 14<br />
Igus ......................................................... 64<br />
Ingenics Group ..................................... 12<br />
Rotec ...................................................... 48<br />
Schunk ................................................... 70<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 73
zuletzt ...<br />
(Nicht) zu schön,<br />
um wahr zu sein<br />
Spannend, andersartig, nicht immer<br />
verständlich für Laien, teilweise verstörend<br />
oder mit Aha-Effekt: So sehen<br />
viele – auch ich – Kunstprojekte.<br />
Eines im Museum für Kunst und<br />
Gewerbe in Hamburg ist mir jüngst<br />
ins Auge gestochen. Dort startet im<br />
November die „Schule der Folgenlosigkeit: Übungen für ein anderes Leben“.<br />
Darin stellt Friedrich von Borries Fragen, etwa: Wie sähe ein Leben aus, das –<br />
im ökologischen, aber auch im virologischen Sinne – möglichst folgenlos<br />
bleibt? Könnte Folgenlosigkeit ein neues regulatives Ideal werden?<br />
Welche Auswirkungen hätte ein solches Streben auf die materielle und<br />
immaterielle Gestaltung unseres Alltags, auf die Wirtschafts- und<br />
Sozialordnung oder auf die Art, wie wir miteinander umgehen? Der<br />
Künstler möchte in einem eigens eingerichteten „Selbstlernraum“ Besuchern<br />
die Möglichkeit geben, eine neue Perspektive auf Nachhaltigkeit zu erlangen,<br />
indem sie Entscheidungen abgeben, ihre Hände in Unschuld waschen oder sich<br />
im Nichts-Tun üben. Vorab können sich<br />
Interessierte bis zum 15. September 2020 für ein<br />
Stipen dium für besagtes Nichtstun bewerben. Drei<br />
Stück, jeweils mit 1.600 Euro dotiert, sind<br />
zu ver geben. Vorkenntnisse werden nicht gefordert.<br />
Nach der großräumigen Lockdown-Phase angesichts<br />
der Corona-Pandemie haben sich die Meisten<br />
ja bereits im ruhigen Darben üben können. Aber<br />
Moment mal, wenn ich nichts tue, kann ich ja<br />
auch keine Bewerbung abschicken...<br />
nu<br />
Bild: eyetronic/adobe.stock.com<br />
74 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20
<strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20 75
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76 <strong>Industrieanzeiger</strong> 18.20