Nr. 9 / September 2011 - Wirtschaftskrise (PDF, 2441 kb - KV Schweiz
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22<br />
Dossier Krise<br />
«Im beruflichen Alltag fühlt<br />
man Ärger in sich»<br />
context 9 – <strong>2011</strong><br />
Es braucht Selbstsicherheit, um eine Krise durchzustehen. Das Festhalten<br />
an Werten hilft ebenfalls, sagt Wirtschaftspsychologe Christian Fichter.<br />
Von Andrea Mašek<br />
Herr Fichter, wie reagieren Durchschnittsbürger<br />
auf eine <strong>Wirtschaftskrise</strong>?<br />
Christian Fichter: Alle Menschen reagieren<br />
ähnlich. Aus welcher Schicht sie<br />
kommen, welche Qualifikationen sie haben<br />
oder in welcher Funktion sie sind,<br />
spielt dabei keine Rolle. Ob Angestellter<br />
oder Manager, man ist in erster Linie verunsichert.<br />
Das Ganze heisst ja auch Krise,<br />
weil die Situation schlechter geworden ist<br />
und wir nicht wissen warum. Wüssten wir<br />
es, hätten wir die Krise vermeiden kön-<br />
nen. Viele Menschen leiden unter Existenzangst.<br />
Zudem macht sich negative<br />
Stimmung breit. Diese zieht sich über das<br />
Berufliche hinaus bis ins Private hinein.<br />
Angstzustände nehmen zu, wie verschiedene<br />
Studien belegen. Daraus können<br />
sich Depressionen entwickeln.<br />
Wie wirkt sich das auf die Arbeit aus?<br />
Man ist gestresst. Im beruflichen Alltag<br />
fühlt man Ärger in sich, der sich dann<br />
aber oft auch auf die Beziehungen im Betrieb<br />
entlädt. Und leider sind auch die privaten<br />
Beziehungen betroffen.<br />
Was kann man dagegen tun?<br />
Man muss sich bewusst werden, dass<br />
die Verunsicherung, die man empfindet,<br />
ganz normal ist. Dann muss man lernen,<br />
damit umzugehen. Alles andere lähmt<br />
und ist kontraproduktiv. Die Menschen<br />
müssen versuchen, die Krise als Motivation<br />
zu verstehen, und konstruktiv etwas<br />
zur Lösung beizutragen. Das ist nicht nur<br />
nötig, sondern tatsächlich möglich, wie<br />
Studien über Weisheit und Glück im ökonomischen<br />
Handeln zeigen.<br />
«Die Krise ein Stück weit zu verdrängen ist nicht nur<br />
falsch. Anschauen, reflektieren und beiseite legen –<br />
ich rate dazu, mit der Krise so umzugehen.»<br />
Wie soll das gehen?<br />
Dazu braucht es Selbstsicherheit. Wir<br />
dürfen den Glauben und die Hoffnung<br />
nicht aufgeben, dass wir die Krise in den<br />
Griff bekommen, dass die Krise bald einmal<br />
überwunden ist und es uns dann wieder<br />
gut geht – sowohl als Individuum wie<br />
als Gesellschaft.<br />
Wie wichtig sind Werte in einer Krise?<br />
Es hilft, wenn der Mensch die etablierten,<br />
sozialen Normen, die für eine gute<br />
Gemeinschaft sorgen, auch in einer Krise<br />
behält. Doch in einer Krise schaut man<br />
› Management und<br />
Führung<br />
Zum Beispiel: hkvaarau.ch/fuehrung<br />
gerne erst einmal zu sich selbst. Es ist deshalb<br />
wichtig, sich an die Werte zu erinnern<br />
und das heisst: anderen zu helfen.<br />
Zum Beispiel mit Krediten. Werte sind<br />
fundamental für die Wirtschaft und die<br />
Gesellschaft. Die Leute, die Werte leben<br />
und erhalten, sind gegenüber denen, die<br />
das Negative und Pessimistische zelebrieren,<br />
langfristig im Vorteil.<br />
Eine andere Strategie ist, die Krise zu<br />
verdrängen. Was sagen Sie dazu?<br />
Die Krise ein Stück weit zu verdrängen<br />
ist nicht nur falsch. Anschauen, reflektieren<br />
und beiseite legen – ich rate dazu, mit<br />
der Krise so umzugehen. Man soll sich auf<br />
die positiven Werte konzentrieren. Das<br />
Rückzugsgefecht, das in manchen produzierenden<br />
Betrieben oder von einzelnen<br />
Tourismusvertretern ausgetragen wird,<br />
ist kontraproduktiv. In schwierigen Zeiten<br />
gilt gerade erst recht weiterzumachen,<br />
sich weiterzuentwickeln und voller Initiative<br />
und Motivation den Grundstein für<br />
zukünftiges Wachstum zu legen. Damit<br />
ist die <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaft seit hundertfünfzig<br />
Jahren erfolgreich.<br />
Was geht eigentlich in jenen Menschen<br />
vor, die für die Krise verantwortlich<br />
gemacht werden?<br />
Es ist eine Tatsache, dass Menschen<br />
Erfolge gerne für sich verbuchen, Fehler<br />
jedoch nicht auf sich nehmen, sondern<br />
den Umständen die Schuld dafür zuwei-