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Inhalt AUFSÄTZE URTEILSANMERKUNGEN ... - ZIS

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Eine strafrechtswissenschaftliche Bußpredigt<br />

_____________________________________________________________________________________<br />

denen sie den Hintermann für den eigentlichen Übeltäter hält,<br />

diesen eben auch als Täter bestrafen kann.“ Sodann urteilt<br />

Rotsch über die Stellungnahme der Wissenschaft dazu wie<br />

folgt: „Der natürlich weiter geführte wissenschaftliche Streit,<br />

an dem ich zugegebenermaßen nicht ganz unbeteiligt bin, ist<br />

unter praktischen Gesichtspunkten um so unverständlicher,<br />

als die Strafrahmen von Anstiftung und Täterschaft identisch<br />

sind, vgl. das Gesetz! Das ist die Hypertrophie des Strafrechts“<br />

15 . Als wahrer Büßer bekennt sich also Rotsch hier<br />

auch zu seinen eigenen Sünden, womit er sich wohltuend von<br />

den meisten Bußpredigern unterscheidet, die es vorziehen,<br />

ausschließlich die Sünden anderer mit ihrem Spott zu geißeln.<br />

16<br />

Aber zur Sache: Ist es „unter praktischen Gesichtspunkten“<br />

unverständlich, wenn sich die Strafrechtswissenschaft<br />

und eben auch der BGH einige Gedanken über den Unterschied<br />

zwischen Anstifter und mittelbarem Täter machen?<br />

Dass unser StGB nicht den allgemeinen Urheberbegriff verwendet,<br />

sondern ausdrücklich zwischen Anstiftung und Täterschaft<br />

unterscheidet (vgl. das Gesetz!), bringt hinreichend<br />

deutlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber den Anstifter<br />

trotz der Identität der Strafrahmen in der Regel milder beurteilt<br />

und bestraft sehen will, als den Täter. Die Hypertrophie<br />

des Strafrechts besteht nach Auffassung von Rotsch aber<br />

wohl vor allem darin, dass die Strafrechtswissenschaft trotz<br />

der „ganz pragmatischen“ Lösung des BGH doch nicht aufhört,<br />

sich um eine gerechte und klare Unterscheidung zwischen<br />

Anstiftung und mittelbarer Täterschaft zu bemühen,<br />

und daran zu zweifeln, dass jeder Chef, z.B. ein Kleinunternehmer<br />

17 , ein Tierarzt 18 oder Rechtsanwalt 19 , als mittelbarer<br />

15 <strong>ZIS</strong> 2008, 1 (3, Spalte 2).<br />

16 Z.B. Naucke, ZStW 85 (1973), 399 (403 ff.), der zum Beleg<br />

für die praktische Unverbindlichkeit der Strafrechtswissenschaft<br />

u.a. anführt, dass sich in der Festschrift für Kohlrausch<br />

von 1944 kein Protest gegen die Todesstrafe im<br />

Kriegsstrafrecht findet (S. 406); vor allem aber Burkhardt, in:<br />

Eser/Hassemer/Burkhardt (Hrsg.), Die deutsche Strafrechtswissenschaft<br />

vor der Jahrtausendwende, 2000, S. 111 ff. (141 ff.),<br />

der als Beispiel für „das Elend“ der deutschen Strafrechtswissenschaft<br />

seinen Zuhörern eine amüsant zusammengestellte<br />

Zitatenparade von Diskussionsbeiträgen zur aberratio ictus<br />

vorführt, die er selbst (a.a.O., Fn. 114) als „katastrophal“<br />

bezeichnet, weil die praktische Bedeutung der Frage, ob der<br />

Täter, der auf A zielt aber B trifft, wegen versuchter oder<br />

vollendeter Körperverletzung strafbar sei, um die es doch<br />

ausschließlich gehe, in krassem Missverhältnis zu dem in<br />

dieser Diskussion getriebenen dogmatischen und auch philosophischen<br />

Aufwand stehe. Aber den kurz zuvor erschienenen<br />

Aufsatz von Burkhardt über „abweichende Kausalverläufe<br />

in der analytischen Handlungstheorie“ in der Festschrift<br />

für Nishihara von 1998, in dem die angloamerikanische philosophy<br />

of action bemüht wird, um die h.L. von der Maßgeblichkeit<br />

der aberratio ictus zu begründen, findet man in dieser<br />

Lachparade nicht.<br />

17 BGH NStZ 1998, 568; Nack, GA 2006, 342 (344).<br />

18 BGH JR 2004, 245, mit Anm. Rotsch.<br />

Täter zu bestrafen ist, wenn er aufgrund „regelhafter Abläufe“<br />

von seinen Untergebenen die Begehung einer Straftat<br />

erwartet. Praktisch und nicht hypertroph ist es, „mit Hilfe<br />

vieler Parameter“, stets denjenigen, den man „für den eigentlichen<br />

Übeltäter hält“, auch zum Täter zu machen. Um zu<br />

entscheiden, ob man den Chef für den „eigentlichen Übeltäter“<br />

halten will, unter welchen Voraussetzungen und aus<br />

welchen Gründen man dies tut, bedarf es offenbar keiner<br />

weiteren Vergenauerung der Entscheidungskriterien, erst<br />

recht keines weiteren strafrechtsdogmatischen oder gar<br />

rechtsphilosophischen Nachdenkens.<br />

Was soll also nun ein bußfertiger Strafrechtswissenschaftler<br />

tun? Rotschs Gewährsmann für nicht hypertrophes Strafrecht,<br />

Bundesrichter Nack, lobt die Reaktion der Gerichte auf<br />

die von seinem Senat ins Leben gerufene neue Rechtsfigur<br />

der mittelbaren Täterschaft mit den folgenden Worten: „Das<br />

Kriterium der regelhaften Abläufe hat sich seitdem in der<br />

Rechtsprechung insgesamt und auch beim BGH durchgesetzt.<br />

Die Gerichte haben das so definierte Institut der mittelbaren<br />

Täterschaft schlicht angewandt und nicht weiter hinterfragt,<br />

was sicher daran lag, dass es den Problemen der Praxis am<br />

besten Rechnung trägt.“ 20<br />

19 BGH – 5 StR 268/99, UA S. 16 f. (insoweit in NStZ 2000,<br />

596 nicht abgedruckt).<br />

20 GA 2006, 342 (344).<br />

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Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com<br />

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