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BGH, Urt. v. 22.5.2007 – 1 StR 582/06 Dietmeier<br />

_____________________________________________________________________________________<br />

sei möglich gewesen, weil er dabei auf die nahe gelegene<br />

Kirchturmuhr gesehen habe. Wäre diese Aussage zutreffend,<br />

dann hätte der Angeklagte die Bank in der Tat nicht vor dem<br />

Eintreffen der Eheleute um 13.55 Uhr betreten können. Der<br />

Bundesgerichtshof bemängelt, dass das landgerichtliche Urteil<br />

zur Entstehung dieser Aussage lediglich ausführt, dass<br />

„keine gravierenden Widersprüche“ zwischen den Angaben<br />

des Zeugen bei seinen polizeilichen Vernehmungen und im<br />

Rahmen der Hauptverhandlung bestanden hätten. Es sei ihm<br />

nicht möglich, die Beweiswürdigung anhand dieser Angaben<br />

zu überprüfen, zumal der Zeuge ausweislich der Akten erst in<br />

der Hauptverhandlung, nicht aber bei seinen früheren Vernehmungen<br />

die genaue Zeitangabe mit dem Blick auf die<br />

Kirchturmuhr begründet habe. Aufgrund dieses Erörterungsmangels<br />

befürchtet der Bundesgerichtshof, das Landgericht<br />

könnte die Zeitangaben des Zeugen vorschnell als feststehenden<br />

Zeitpunkt für das Beweisgebäude akzeptiert haben.<br />

Tatsächlich gilt die gleichbleibende Struktur einer Aussage,<br />

insbesondere auch im Hinblick auf ihren Detailreichtum,<br />

als bedeutender Indikator für ihre Glaubhaftigkeit. Demgegenüber<br />

kann eine Präzisierung der Einlassung eines Zeugen<br />

durch spätere Angaben, welche die Erstaussage stützen sollen,<br />

auf inhaltliche Mängel der Aussage hindeuten. 27 Daher<br />

ist die Konstanzanalyse, wie sie in der Aussagepsychologie<br />

genannt wird, eine der zentralen methodischen Elemente der<br />

Aussagebewertung. 28 Für die tatrichterliche Beweiswürdigung<br />

bedeutet dies, dass die Aussageentstehung im Urteil<br />

jedenfalls dann zu berücksichtigen ist, wenn bestimmte Details<br />

einer Aussage, die für ihre Glaubhaftigkeit maßgeblich<br />

sind, erst bei späteren Vernehmungen vom Zeugen vorgetragen<br />

werden. Gerade, wenn es für den Beweiswert einer Aussage<br />

– wie hier – auf eine minutengenaue Angabe des Zeugen<br />

ankommt, muss der Tatrichter präzise angeben, warum er es<br />

für die Bewertung der Aussage als glaubhaft nicht für maßgeblich<br />

hält, wenn wesentliche Bestandteile vom Zeugen erst<br />

in einer späteren Vernehmung nachgeschoben werden. Bloße<br />

allgemeine Hinweise auf das Fehlen durchgreifender Widersprüche<br />

zwischen den einzelnen Aussagen reichen nicht aus,<br />

da es dem Revisionsgericht in diesem Fall nicht möglich ist,<br />

die erforderliche tatrichterliche Beweiswürdigung der Aussage<br />

inhaltlich zu kontrollieren.<br />

IV. Die Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung<br />

durch die Revisionsgerichte war zwar durch den Gesetzgeber<br />

der RStPO von 1877 nicht vorgesehen. Sie stellt deshalb aber<br />

nicht ein „herausragendes Beispiel richterlichen Ungehorsams<br />

gegen das Gesetz“ 29 , sondern ganz im Gegenteil eine<br />

mit dem Gesetzestext vereinbare, rechtsstaatlich notwendige<br />

Weiterentwicklung des Strafprozessrechts dar, die konsequenterweise<br />

nicht nur für Verurteilungen, sondern auch für<br />

Freisprüche gelten muss. Wie wichtig die revisionsgerichtliche<br />

Kontrolle auch hier ist, zeigt der vorliegende Fall.<br />

Wiss. Mitarbeiter Dr. Frank Dietmeier, M.A., Düsseldorf<br />

27 Einzelheiten hierzu Bender/Nack/Treuer (Fn. 21), Rn. 388 ff.<br />

28 BGH NJW 1999, 2746 (2748 f.).<br />

29 Foth, DRiZ 1997, 202. Gegen ihn zu Recht Meyer-Goßner,<br />

DRiZ 1998, 471.<br />

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Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com<br />

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