BACKSPIN Magazin #116
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TEXT: DENNIS KRAUS
DIE RAPPER-FALLE
Eigentlich müssten sich derzeit alle die
Hände reiben, die in irgendeiner Form
in das hiesige Rapgeschäft involviert
sind. Wobei: Hört man den einen oder
anderen Produzenten, Beatmaker oder
wie man diejenigen auch immer nennen
möchte, die den Rappern die Mucke liefern,
so entsteht ab und an der Eindruck, dass es im
Rapgeschäft nicht so viel anders läuft als etwa
in der Textilbranche – von den Umsätzen bleibt
nicht bei jedem aus der Produktionskette ein fairer
Teil hängen. Viel zu oft müssen sich Produzenten
mit Sätzen wie „Du kriegst dein Geld ja von der
Gema“ abspeisen lassen, vom Künstler respektive
von dessen Label kassieren sie wenig bis gar kein
Honorar oder einen Lizenzvorschuss. Von Beteiligungen
an den Gagen für Auftritte, bei denen die
Rapper mit den Beats der Produzenten auftreten,
ganz zu schweigen.
Nun kann das Geld, das man als Produzent von
der Gema bekommt, durchaus glücklich machen.
Verkauft sich ein Album, auf dem 14 Songs sind,
zum Beispiel 20.000 Mal, fallen pro Song durch die
sogenannten Mechanischen Rechte allein schon
einige hundert Euro Gema-Geld an – sofern der
Produzent allein die Rechte an der Musik bekommen
hat, erhält er pro Song, den er produziert hat,
davon die Hälfte. Dieses Geld muss er natürlich
noch versteuern, aber immerhin. Allein: Als Wertschätzung
von Seiten des Rappers kann er dieses
Geld nicht sehen. Der Rapper nämlich muss hierfür
auf keinen Cent seines Geldes verzichten, es
sei denn, er finanziert die Pressung selbst. Würde
er dem Producer ein Honorar oder wenigstens
einen Lizenzvorschuss auf dessen Verkaufsbeteiligung
zahlen, wäre es eine tatsächliche Wertschätzung
der Arbeit des Producers. Doch viel zu oft
bleibt das aus. Und das ist traurig.
Um die Jahrtausendwende, zu Zeiten des ersten
Deutschrap-Booms, haben viele Producer den
vermeintlich ach so bösen Major-Labels Verkaufsbeteiligungen
abverhandeln können und erhielten
so, neben dem obligatorischen Honorar, auch
noch einen Lizenzvorschuss. Heute, wo nicht
selten Leute aus der Szene an den Schaltstellen
sitzen, sollte man dies eigentlich für eine Selbstverständlichkeit
halten. Aber nichts da.
Nun kann man freilich einwenden, dass der
Produzent im Grunde gar nicht so wichtig ist.
Dass jemand eine Deutschrap-Veröffentlichung
kauft, weil Produzent XY für die Beats gesorgt
hat, dürfte eher selten vorkommen. Dazu kommt,
dass sich viele Rapper längst losgelöst von jedem
musikalischen Bezug darstellen. Daraus folgt: Es
spielt überhaupt keine Rolle, wer zum Beispiel auf
den Alben einiger zuletzt sehr erfolgreicher Rapper
die Beats gemacht hat. Die Musik ist einfach
eine Dienstleistung, die man so billig wie möglich
einkauft. Der Beat ist nichts weiter als ein Hintergrund,
vor dem sich der Rapper darstellt.
All das darf am Ende aber nicht als Rechtfertigung
dienen, einem Produzenten weder Honorar
oder Lizenzvorschuss auf seine Verkaufsbeteiligung
zuzugestehen. Schließlich hat er ebenso
seine Investitionen getätigt und hart an der Musik
gearbeitet. Eventuell hat er dem Rapper mit seinen
Beats sogar erst zu dessen unverkennbarem
Stil verholfen.
Durch den Wankelmut einiger Rapper werden
Produzenten obendrein nicht selten in eine
weitere schwierige Lage versetzt. Sucht sich ein
Rapper von einem Produzenten einen Beat aus,
kann es passieren, dass der Producer für lange
Zeit nichts mehr von dem Rapper hört. Den Beat
jemandem anderen anbieten, kann er jedoch auch
DIE MUSIK IST EINFACH EINE
DIENSTLEISTUNG, DIE MAN SO BILLIG
WIE MÖGLICH EINKAUFT.
nicht, jedenfalls nicht, solange er sich korrekt verhalten
will. Er sitzt, wenn man so will, in der Rapper-Falle.
Und wenn er Pech hat, hört er nach zwei
Jahren, dass der Rapper den Beat nun doch nicht
mehr haben will. Was soll der Produzent nun mit
seinem mindestens zwei Jahre alten Instrumental
machen?
Man möge diese Zeilen nicht falsch verstehen.
Ich würde von einem Rapper nicht verlangen,
dass er den Produzenten mit 50 Prozent seiner
Einnahmen bedenkt. Das wäre unrealistisch. Zumal
der Rapper am Ende das Gesicht des Produkts,
ja, seiner Marke ist. Unter Umständen zahlt
er einen hohen Preis für seine Bekanntheit, für die
er kontinuierlich hart arbeitet. Und doch möchte
ich an die Rapper appellieren, mit den Produzenten
fairer umzugehen. Vielleicht könnte man
ja auch eine Art Siegel einführen, das Releases
kennzeichnet, für die die Produzenten fair bezahlt
wurden. Ein Fair Trade Beats-Gütesiegel wäre da
so eine Idee. Releases mit diesem Siegel würden
garantieren, dass die Produzenten fair behandelt
wurden. Ihnen wurden keine Beats geklaut, der
gefeaturte Sänger hat keine Urheberrechte an der
Musik eingefordert, weil er die vom Instrumental
vorgegebene Melodie nachgesungen hat, der
Producer hat ein Honorar, einen Lizenzvorschuss
auf seine Beteiligung am Verkauf des Releases eingeräumt
bekommen und er wurde stets auf dem
Laufenden gehalten, wie es um seine Beats und
deren Verwendung steht. Das wäre doch etwas.
14 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015