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BACKSPIN Magazin #116

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#116

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WINTER 2014/15


GUTE MUSIK FINDET MAN SELTEN IN DEN CHARTS

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aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa EDITORIAL

Editorial

#116

Jahreswechsel. Zeit, sich zu besinnen

und über das vergangene

Jahr nachzudenken. Und um endlich

ein neues BACKSPIN MAG auf

den Markt zu werfen. Die Gründe,

warum wir uns mit den Veröffentlichungen

immer ein wenig verzögern, sind vielseitig.

Wichtig ist am Ende aber immer, dass es

wieder eine BACKSPIN gibt. Und auch für diese

Ausgabe #116 haben wir uns ein paar schöne

Dinge einfallen lassen.

Der 25. September 2014 war ein Trauertag in

Hamburg, denn der Künstler und Sprayer Oz

kam bei einem seiner Streifzüge durch die Hansestadt

ums Leben. Ein Mann, dessen Schaffen

kontrovers diskutiert wurde und wird, der aber

zweifelsohne seinen Stempel auf das Bild unserer

Heimatstadt gedrückt hat wie kein Zweiter.

Darum widmen wir ihm dieses Cover, drucken

einen Nachruf und lassen ein paar Szene-Größen

ein paar Worte dazu verlieren, in Gedenken

an Walter Josef Fischer.

Einen großen Impact auf die hiesige Rap-Szene

hatten auch die beiden Gäste des neuen

Stammtisches der Ausgabe. Sowohl Curse als

auch der „King of Rap“, Kool Savas, beglückten

die Fangemeinde mit neuen Alben. Ein gelungener

Anlass, um die beiden zusammen an einen

Tisch zu bekommen und über „gute, alte

Zeiten“ zu reden und wie das eigentlich mit dem

Finanzamt läuft, wenn man zwar Rapper, aber

kein Business-Mensch ist.

Über „gute, alte Zeiten“ ging es auch in der Gesprächsrunde,

die unser Autor Sascha Weigelt

zusammengestellt bekommen hat. Mit seinen

Gästen Storm, Kai Eikermann, Marc Hype, Frank

Salewski, Poise aka Waffel und Runex entstand

so ein „Gespräch über die Hip-Hop-Szenen in

Ost und West zu Zeiten der Wende“. Nostalgisch

und informativ zugleich – und passend zum

25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls.

Auch wir sind nun schon 20 Jahre alt. Eine lange

Zeit. Und da wir es in 2014 nicht geschafft

haben, diesen Geburtstag zu zelebrieren (die

Gründe ähneln denen vom Anfang des Textes

hier), werden wir dies in 2015 nachholen. Wie,

wann und in welcher Form wird sich noch zeigen.

Aber: Wir werden weitermachen. Denn

die Regel gilt immer noch wie seit dem Tag des

Comebacks. „Wenn ihr denkt, wir waren weg,

heißt das nur, wir haben gearbeitet.“

In diesem Sinne: Alles Gute für 2015 und viel

Spaß beim Lesen!

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 3


HERAUSGEBER:

Niko Hüls / BACKSPIN Media

CHEFREDAKTEUR:

Niko Hüls

ART-DIREKTION:

Goran Tesanovic

LAYOUT:

Stephan „Gizmo“ Haramina

REDAKTION:

Benjamin Auch, Lara Borchers, Martin Fischer, Stephan „Gizmo“ Haramina,

Tim Kinkel (Textchef), Steffen Köster, Dennis Kraus (Chef vom Dienst),

Stella Kuklinski, Zdravko Misir, Daniel Sprauer, Mark Todt

AUTOREN DIESER AUSGABE:

Frederike Arns, Oliver Bartelds, Fume, Peter Hagen a.k.a. Phonk Ribery, Christian Luda,

Tim Kinkel, Shana Koch, Phil Kühn, Philipp Lembke, Zdravko Misir, Ralf Theil, Sascha Weigelt

FOTOS:

Eric Anders, Frederike Arns, Bums, Daniel Esswein, Jim Gramming, Kanzlei Dr. Gau,

James Minchin (Sony Music),Wilma Peters, Petra (HipHop Kemp) Juel Poulsen, Oliver Rath, Thomas Schermer,

Sleepwalker, Ole Westermann, Robert Winter

GRAFFITI-SEITEN:

Tobias Maier-Beck

GRAFFITI-KONTAKTE:

Tim Carstens & Tim Karger

E-Mail: Graffiti@backspin.de

REDAKTION TECHNICS:

Torben Bowm, Sleepwalker

E-Mail: Torben.Bowm@backspin.de

REDAKTION PERFORMANCE:

Benjamin Auch

E-Mail: Benjamin.Auch@backspin.de

ANZEIGENLEITUNG:

Benjamin Jäger

Fon: +49 (0)40 45 00 02 94

E-Mail: Benjamin.Jaeger@backspin.de

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BACKSPIN sieht sich als Magazin, das die Entwicklung der internationalen Hip-Hop-Szene dokumentiert. Unser Anliegen ist es nicht, mit unseren bildlichen sowie textlichen Inhalten

die Leser dazu aufzurufen, strafbare Handlungen zu begehen. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für eingesand

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Genehmigung des Herausgebers.

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BACKSPIN#116

62 78

06 ········································ Art: Hombre

08 ·········· Ohne Worte : MC Fitti, Curse, J-Ro, Rasco

12 ········································· BlogReport

14 ······················ Kommentar : Die Rapper-Falle

16 ··································· Hut ab! Kontra K

18 ············ Wie war das noch mal?: Pierre Sonality

20 ···················· Stammtisch: Kool Savas & Curse

28 ····························· Music: Den Sorte Skole

32 ··································· 50 Fragen an: T.I.

35 ················· Die hohe 5 mit: Eloquent & I.L.L. Will

36 ············································· Art: Oz

40 ········································ Art: Dr. Gau

44 ······································ Graffiti: Trains

48 ······································ Graffiti: Walls

54 ···················· Graffiti: Special - Caber ASC TA

56 ························ Tales From A Dirty Old Man

58 ········································· Art: Bums

62 ········ Performance: B-Boying zur Zeit der Wende

66 ····Technics: Sleepy´s World of Music @ BACKSPIN

68 ····················· Producer Spotlight: Just Blaze

70 ·· Technics: Review – Neues von Native Instruments

72 ································ Technics: Produkte

73 ··································· Promotion: BOLD

74 ·························Music: Champion Sound

78 ······················ Die LP meines Lebens: Vega

80 ································ Promotion: G-SHOCK

82 ·····························Die hohe 5 mit: B-Tight

84 ····················Die hohe 5 mit: Antilopen Gang

86 ···················· Back in the Days Tha Alkaloliks

88 ································ Album der Ausgabe

90 ······································· Soundcheck

94 ········································ Beatcorner

96 ······································· Verlosungen

98 ··············································· ABO

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Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 7


Foto: Ole Westermann

MC FITTI WANN NIMMST DU DEINEN BART AB?

8 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Foto: Ole Westermann

CURSE WIE HABEN SICH SECHS JAHRE PAUSE ANGEFÜHLT?

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 9


Foto: Eric Anders

J-RO ALS IHR ZUSAMMEN MIT ODB „HIP HOP DRUNKIES“

AUFGENOMMEN HABT, WIE HOCH WAR DA DEIN ALK-PEGEL?

10 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Foto: Eric Anders

RASCO EAST- UND WESTCOAST – IMMER NOCH RIVALEN?

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 11


TEXT: CHRISTIAN LUDA

Im Herbst feierten zwei Heimkehrer nach

langer Zwangspause ihre Comebacks. Nachdem

Lil Boosie im März aus dem Gefängnis

entlassen worden war und zunächst nur einzelne

Songs und Features ablieferte, erschien

Ende Oktober unter dem neuen Namen Boosie

Bad Azz endlich das mit Spannung erwartete

erste Mixtape. Auf „Life After Deathrow“ zeigt

Boosie, warum ihn seine Fans vermisst haben:

Nur wenige bieten solch ehrliche und emotionale

Raps wie der Mann aus Baton Rouge, der auf

vielen der insgesamt 18 Tracks tiefen Einblick in

seine Gefühlslage nach fünf Jahren hinter Gittern

gewährt.

Noch länger – beinahe sieben Jahre – weggesperrt

war Remy Ma. Zwei Monate nach ihrer

Entlassung meldete sich die ehemalige First Lady

der Terror Squad mit ihrem Mixtape „I’m Around“

zurück. Ehemann Papoose ist der einzige Gast,

neben Sean C & LV, Ron Browz und Buckwild

sorgt eine Reihe unbekannter Produzenten für die

Beats. Während diese nicht immer überzeugen,

beweist Remy Ma, dass sie noch immer zu den

besten Female MCs zählt.

Derweil gibt es auch neue Hoffnungsträger für

alle, die sich mehr weibliche Rapper wünschen.

Dej Loaf aus Detroit ist eine von ihnen. Nachdem

ihr die Single „Try Me“ ein Co-sign von Drake sowie

einen Deal bei Columbia bescherte, legt die

23-Jährige ihr Mixtape „$ell Sole“ vor, das sie weitestgehend

im Alleingang bestreitet und auf dem

sie nicht nur Rap-Skills, sondern auch Gesangstalent

beweist.

Und dann wäre da noch eine junge Dame namens

Tink. Die 19-jährige Rapperin und Sängerin aus

Chicago hat bereits mehrere Mixtapes auf ihrem

Konto und steht mittlerweile bei Timbaland unter

Vertrag. Dieser geriet bei einem „The Breakfast

Club“-Interview ins Schwärmen. Er verglich

seinen Schützling mit Lauryn Hill und packte als

ersten Beweis die Originalversion vom aktuellen

Rick-Ross-Song „Moving Bass“ aus, auf der Tink

eindrucksvoll an der Seite von Ricky Rozay und

Jay Z rappt. Mit ihrem Song „Tell the Children“

lieferten Tink und Timbaland zudem eine der wenigen

nennenswerten musikalischen Reaktionen

auf den umstrittenen Freispruch von Ferguson ab.

Ansonsten sorgte vor allem der auf einem Fanvideo

festgehaltene Gefühlsausbruch von Killer

Mike bei einem Konzert in St. Louis am Tag des

Urteils für Aufsehen. Angesichts der zahlreichen

Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze wünscht

man sich mehr politischen, wütenden Rap, wie ihn

Killer Mike und El-P auf ihrem großartigen „Run the

Jewels 2“-Album bieten, das die beiden auf ihrer

Website zum kostenlosen Download anbieten.

1988 nahmen N.W.A ihren Song „Fuck the Police“

auf, der leider nicht an Aktualität verloren

hat. Jenes goldene Hip-Hop-Jahr dient als Inspiration

für das aktuelle Mixtape von Grafh. Auf „88

Crack Era“ reproduziert DJ Ted Smooth die Beats

beliebter Klassiker der späten 1980er und frühen

1990er, während Grafh in Erinnerung ruft, warum

er einst zu den vielversprechendsten MCs aus

New York zählte. Ein Highlight ist das Update des

Onyx-Klassikers „Walk in New York“ mit Vado

und Raekwon. Letzterer hat unterdessen das

Mixtape „We Wanna Thank You“ veröffentlicht,

auf dem sämtliche Beiträge seiner #TBT-Serie

zu finden sind, in deren Rahmen sich der Chef 20

Wochen lang jeden Donnerstag einen bekannten

R&B- und Soul-Klassiker zur Brust genommen hatte.

Abschließend noch einige weitere empfehlenswerte

Releases: „Ferg Forever“ von Asap Ferg,

Roc-Marciano-Kumpel Hus Kingpin mit seiner

„NAHRIGHT Hype“-LP, The Lox mit dem im Gegensatz

zu den Vorgängern als freier Download

veröffentlichten dritten Teil ihrer „Trinity“-Serie

sowie drei starke Releases aus Atlanta – „Spaghetti

Junction“ von Geheimtipp Scotty ATL,

Future’s neues Mixtape „Monster“ und die fast

vollständig von Cardo produzierte EP „Live Life 2“

von Shootingstar OG Maco.

12 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


– OUT NOW –

05/02 – MÜNCHEN – BACKSTAGE

06/02 – WIEN – FLEX

07/02 – FULDA – KREUZ

LASS DIE AFFEN

AUS’M ZOO TOUR 2015

09/02 – NÜRNBERG – HIRSCH

10/02 – LEIPZIG – TÄUBCHENTAL

11/02 – BERLIN – ASTRA

13/02 – HAMBURG – MOJO

14/02 – MÜNSTER – SKATERS PALACE

15/02 – FRANKFURT – BATSCHKAPP

17/02 – ZÜRICH – EXIL

18/02 – STUTTGART – LKA

19/02 – KÖLN – UNDERGROUND


TEXT: DENNIS KRAUS

DIE RAPPER-FALLE

Eigentlich müssten sich derzeit alle die

Hände reiben, die in irgendeiner Form

in das hiesige Rapgeschäft involviert

sind. Wobei: Hört man den einen oder

anderen Produzenten, Beatmaker oder

wie man diejenigen auch immer nennen

möchte, die den Rappern die Mucke liefern,

so entsteht ab und an der Eindruck, dass es im

Rapgeschäft nicht so viel anders läuft als etwa

in der Textilbranche – von den Umsätzen bleibt

nicht bei jedem aus der Produktionskette ein fairer

Teil hängen. Viel zu oft müssen sich Produzenten

mit Sätzen wie „Du kriegst dein Geld ja von der

Gema“ abspeisen lassen, vom Künstler respektive

von dessen Label kassieren sie wenig bis gar kein

Honorar oder einen Lizenzvorschuss. Von Beteiligungen

an den Gagen für Auftritte, bei denen die

Rapper mit den Beats der Produzenten auftreten,

ganz zu schweigen.

Nun kann das Geld, das man als Produzent von

der Gema bekommt, durchaus glücklich machen.

Verkauft sich ein Album, auf dem 14 Songs sind,

zum Beispiel 20.000 Mal, fallen pro Song durch die

sogenannten Mechanischen Rechte allein schon

einige hundert Euro Gema-Geld an – sofern der

Produzent allein die Rechte an der Musik bekommen

hat, erhält er pro Song, den er produziert hat,

davon die Hälfte. Dieses Geld muss er natürlich

noch versteuern, aber immerhin. Allein: Als Wertschätzung

von Seiten des Rappers kann er dieses

Geld nicht sehen. Der Rapper nämlich muss hierfür

auf keinen Cent seines Geldes verzichten, es

sei denn, er finanziert die Pressung selbst. Würde

er dem Producer ein Honorar oder wenigstens

einen Lizenzvorschuss auf dessen Verkaufsbeteiligung

zahlen, wäre es eine tatsächliche Wertschätzung

der Arbeit des Producers. Doch viel zu oft

bleibt das aus. Und das ist traurig.

Um die Jahrtausendwende, zu Zeiten des ersten

Deutschrap-Booms, haben viele Producer den

vermeintlich ach so bösen Major-Labels Verkaufsbeteiligungen

abverhandeln können und erhielten

so, neben dem obligatorischen Honorar, auch

noch einen Lizenzvorschuss. Heute, wo nicht

selten Leute aus der Szene an den Schaltstellen

sitzen, sollte man dies eigentlich für eine Selbstverständlichkeit

halten. Aber nichts da.

Nun kann man freilich einwenden, dass der

Produzent im Grunde gar nicht so wichtig ist.

Dass jemand eine Deutschrap-Veröffentlichung

kauft, weil Produzent XY für die Beats gesorgt

hat, dürfte eher selten vorkommen. Dazu kommt,

dass sich viele Rapper längst losgelöst von jedem

musikalischen Bezug darstellen. Daraus folgt: Es

spielt überhaupt keine Rolle, wer zum Beispiel auf

den Alben einiger zuletzt sehr erfolgreicher Rapper

die Beats gemacht hat. Die Musik ist einfach

eine Dienstleistung, die man so billig wie möglich

einkauft. Der Beat ist nichts weiter als ein Hintergrund,

vor dem sich der Rapper darstellt.

All das darf am Ende aber nicht als Rechtfertigung

dienen, einem Produzenten weder Honorar

oder Lizenzvorschuss auf seine Verkaufsbeteiligung

zuzugestehen. Schließlich hat er ebenso

seine Investitionen getätigt und hart an der Musik

gearbeitet. Eventuell hat er dem Rapper mit seinen

Beats sogar erst zu dessen unverkennbarem

Stil verholfen.

Durch den Wankelmut einiger Rapper werden

Produzenten obendrein nicht selten in eine

weitere schwierige Lage versetzt. Sucht sich ein

Rapper von einem Produzenten einen Beat aus,

kann es passieren, dass der Producer für lange

Zeit nichts mehr von dem Rapper hört. Den Beat

jemandem anderen anbieten, kann er jedoch auch

DIE MUSIK IST EINFACH EINE

DIENSTLEISTUNG, DIE MAN SO BILLIG

WIE MÖGLICH EINKAUFT.

nicht, jedenfalls nicht, solange er sich korrekt verhalten

will. Er sitzt, wenn man so will, in der Rapper-Falle.

Und wenn er Pech hat, hört er nach zwei

Jahren, dass der Rapper den Beat nun doch nicht

mehr haben will. Was soll der Produzent nun mit

seinem mindestens zwei Jahre alten Instrumental

machen?

Man möge diese Zeilen nicht falsch verstehen.

Ich würde von einem Rapper nicht verlangen,

dass er den Produzenten mit 50 Prozent seiner

Einnahmen bedenkt. Das wäre unrealistisch. Zumal

der Rapper am Ende das Gesicht des Produkts,

ja, seiner Marke ist. Unter Umständen zahlt

er einen hohen Preis für seine Bekanntheit, für die

er kontinuierlich hart arbeitet. Und doch möchte

ich an die Rapper appellieren, mit den Produzenten

fairer umzugehen. Vielleicht könnte man

ja auch eine Art Siegel einführen, das Releases

kennzeichnet, für die die Produzenten fair bezahlt

wurden. Ein Fair Trade Beats-Gütesiegel wäre da

so eine Idee. Releases mit diesem Siegel würden

garantieren, dass die Produzenten fair behandelt

wurden. Ihnen wurden keine Beats geklaut, der

gefeaturte Sänger hat keine Urheberrechte an der

Musik eingefordert, weil er die vom Instrumental

vorgegebene Melodie nachgesungen hat, der

Producer hat ein Honorar, einen Lizenzvorschuss

auf seine Beteiligung am Verkauf des Releases eingeräumt

bekommen und er wurde stets auf dem

Laufenden gehalten, wie es um seine Beats und

deren Verwendung steht. Das wäre doch etwas.

14 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015



HUT AB,

du signst bei Four Music –

einem Label, das auf den

ersten Blick nichts mit

Straßenrap am Hut hat.

Warum diese Wahl?

INTERVIEW: NIKO HÜLS, STELLA KUKLINSKI

FOTOS: OLIVER RATH

KONTRA K

Das hatte nichts damit zu tun, ob die jetzt Straßenrap

machen oder nicht. Ich habe mich da am

wohlsten gefühlt. Ich hatte mehrere Angebote auf

dem Tisch, aber für mich war es einfach naheliegend.

Das Team, mit dem ich gearbeitet habe,

war cool. Deshalb habe ich das gemacht und jetzt

bin ich auch zufrieden. Es hat sich bisher nur positiv

ausgewirkt.

Warum war es naheliegend?

Es ist immer schwer für jemanden, der aus einer

Gegend kommt wie ich, diesen Schritt zu wagen

– aber man muss ihn ja irgendwann machen.

Es ist schwer zu erklären. Es war eine Bauchentscheidung.

Ich saß mit vielen Leuten zusammen.

Ich war mit vielen Leuten essen. Wir haben

über viele verschiedene Dinge gequatscht, und

ich habe vielen meine Musik gezeigt. Bei Four

Music war die Reaktion die beste und auch die

ehrlichste. Das war dann auch der Grund für die

Entscheidung.

Wie liefen die Gespräche ab? Hast du dich richtig

verstanden gefühlt?

Bei den Gesprächen mit Four Music hatte der A&R

von Anfang an Bock, das zu machen. Und dann

war der Rest nur noch Vertragssache, das hat mein

Manager gut geregelt. Das war auch eine wichtige

Entscheidung. Mit der Wahl von meinem Management

bin ich sehr zufrieden. Der freut sich hier

neben mir gerade. (lacht) Dir wird halt viel Honig

um den Mund geschmiert bei großen Labels, die

wollen ja auch alle Geld verdienen. Da muss jeder

für sich erkennen, was er will.

Aber es ist ja schon sehr wichtig, dass man das

Gefühl dafür bekommt, dass das, was man als

Künstler will, auch auf der anderen Seite verstanden

wird. Kannst du beschreiben, wie das

im Gespräch mit Four abgelaufen ist?

Grob kann ich dir sagen, dass es fett war. Überkrasse

Sachen, es war eigentlich mehr die Reaktion

der Leute. Wenn ich einen Song angemacht

habe und was die dazu gesagt haben und wie

wir uns unterhalten haben. Man merkt, ob das

jetzt eher so ein interner Hype war bei den Leuten

und die dann sagen: „Auf den müssen wir

mal ein Auge werfen.“ Oder ob die wirklich Interesse

zeigen. Ich habe halt gesehen, dass da

Leute sitzen, die sich wirklich für mich interessieren.

Gut, bei Warner Music waren auch coole

16 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Leute, aber letztendlich waren das Angebot und

die Perspektive bei Four Music besser.

Hattest du keine Angst, auf einem Label, das

Marteria und Casper in den Olymp begleitet

hat, unterzugehen?

Nein, ich glaube ja an meine Sachen. Das heißt

jetzt nicht, dass ich mich für den Größten halte,

aber ich glaube einfach an das, was ich mache.

Und da war es mir eigentlich egal, mit wem ich

auf einem Label bin. Solange die Leute, die dort

arbeiten, sagen, dass sie 100 Prozent geben

oder ich der Meinung bin, dass sie 100 Prozent

geben, dann passt es. Und deswegen hatte ich

keine Angst.

Was muss man über einen Typen wie dich

wissen, damit man dich richtig als Künstler betreuen

kann?

Das ist wirklich sehr schwer, da müsstest du eigentlich

die beiden Personen neben mir fragen.

Ich bin als Künstler sehr kompliziert. (Zu seinem

Manager) Sag’ mal du, Lachs. Was muss man

wissen über mich als Künstler?

David: Man braucht Geduld und viel Ruhe.

Genau. Man muss mit Paranoia und kurzen

Ausrastern klarkommen, aber die sind nie böse

gemeint.

Worin lassen die sich begründen? In deinem

Perfektionismus?

Einfach in allem. Ich traue Menschen nicht so

schnell. Deswegen ist es schwer für die Leute,

die mit mir zusammenarbeiten, Dritte an mich

ranzuführen, wenn der und der das macht. Ich

sehe da immer gleich wilde Verschwörungen.

Das haben wir aber auch sehr gut hinbekommen,

bis jetzt.

Bist du denn zufrieden mit den Leuten, die dich

umgeben? Fühlst du dich angekommen?

Ja, soweit schon. Es läuft alles. Ich fliege mit

irgendeinem Flugzeug irgendwohin und drehe

irgendwelche Videos. Ich habe mit „Wölfe“ dreimal

so viel verkauft wie mit „12 Runden“. Das

war schon ein guter Schritt. Die Leute haben

Bock, ich merke einfach, ich bin an der richtigen

Stelle. Ob ich jetzt Straße mache oder nicht,

oder ob das Label Straße macht, liegt immer

noch an mir.

Was bringt einem die Straße bei, was einem im

Major-Musikbusiness am ehesten weiterhilft?

Menschenkenntnis. Das merkt man, wenn jemand

lügt. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig.

Man muss Leute und Situationen einschätzen

können. Zwar bin ich in keiner Situation, wo es

jetzt irgendwie brenzlig wäre, aber es geht halt

auch um meine Zukunft und um Geld. Jeder

lacht in diesem Geschäft, aber nicht jedes Lachen

ist gleich ein Lachen. Das ist das Einzige,

was ich mitgenommen habe. Und ich weiß, wie

„ICH ZIEHE DIE LEUTE, DIE MIT

MIR GEHEN, EHER MIT HOCH

ALS RUNTER.“

ich mich zu verhalten habe. Ich traue nicht gleich

jedem, und das hat mir bisher immer geholfen.

Du hast gesagt: „Ich bin kein Schaf, das folgt

und Scheiße baut, sondern einer, der anführt.“

Wie kann man das auf deine Musik-Karriere

beziehen?

Oh, sehr gut sogar. Ich war in einer Gruppe von

Jungs, die alles zusammen gemacht haben –

wie Schafe kann man jetzt vielleicht nicht sagen,

eher wie ein blindes Rudel. Daraus bin ich auch

von einem jüngeren Kerl zu einem erwachsenen

Mann geworden, der auch selber Vater ist.

Ich ziehe die Leute, die mit mir gehen, eher mit

hoch als runter.

Wer ist denn dein schärfster Kritiker?

Meine Frau und mein Vater. Aber eigentlich ich

selber an erster Stelle, aber dann direkt mein

Vater.

Und wie gehst du mit Kritik um?

Meinem Vater widerspreche ich natürlich nicht,

aber Kritik von außen ist mir eigentlich relativ

egal. Meine Arbeit bestätigt sich ja immer wieder.

Wenn ich merke, es erreicht Menschen,

dann mache ich es gut. Und wenn ich die irgendwann

nicht mehr erreiche, dann merke ich,

dass ich irgendwas falsch gemacht oder mich

wiederholt habe. Bisher musste ich mit sehr wenig

Kritik kämpfen.

Das neue Album „Aus dem Schatten ins Licht“

klingt vielseitig, stellenweise fast poppig. Ist

das die logische Entwicklung deines Sounds

oder ein Tribut an das neue Umfeld?

Ein Großteil der Songs war ja schon fertig, bevor

ich zum Major gegangen bin. Und das war

jetzt einfach die Entwicklung meiner Musik. Musikalisch

verändert sich eigentlich nichts, nur

dass man mehr und besser arbeiten kann. Ich

kann im Radio stattfinden, aber den Song hätte

ich auch so gebracht. Also nichts, was mein

Umfeld großartig gemacht hat, sondern meine

Musik verändert sich ja mit mir.

Aber die Möglichkeiten, nun mehr machen zu

können, sind da, oder?

Es ist viel besser. Ich kann machen, was ich will.

Wenn ich Bock hätte, was mit XY zu machen,

dann muss ich nur kurz irgendwo anrufen und

der wird dann kontaktiert. Oder ich will das und

das Studio oder fliege jetzt erst mal nach Norwegen

und drehe ein Musikvideo. Meine Möglichkeiten

sind einfach um ein Hundertfaches

gestiegen, wenn nicht um ein Tausendfaches.

Das ist definitiv besser für meine Musik.

Trotzdem stehen in deinem Pressetext Dinge

von dir, die man so nicht erwartet hätte …

Naja, vielleicht würde das jemand nicht erwarten,

der hängengeblieben ist auf einem alten

Straßenfilm. Aber man verändert sich als

Mensch, und so verändert sich dann auch die

Musik. Ich glaube, die Leute, die sich wirklich

mit mir auseinandersetzen, die erwarten das.

Das ist einfach der logischste Schritt. Jemand,

der mich jetzt nur beiläufig mitbekommt, erwartet

das vielleicht nicht.

Du hast auch gesagt: „Erfolg ist kein Glück,

sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiß

und Tränen.“ Was sind deine Ziele?

Der wahrste Satz. Dazu stehe ich auch. Ich

möchte zufrieden sein, genug Geld verdienen,

um mich und mein Umfeld zu versorgen, dass

es uns gut geht und wir entspannt leben können.

Einfach Musik zu machen, wie ich es jetzt

machen kann und einfach nicht gestresst zu sein

mit Druck und Altlasten. Einfach nur entspannt

arbeiten, Musik machen, ein cooles Leben führen

und ein guter Vater sein und später vielleicht

noch ein Haus in der Toskana. Die Ziele wachsen

mit mir und es kommen immer wieder neue

Ziele.

Wenn man sich mit anderen über dich unterhält,

mutmaßt mancher, du könntest der nächste

große Rap-Künstler des Landes sein. In

dem Pressetext zu deinem neuen Album steht

auch so etwas. Spürst du eine Erwartungshaltung

von außen?

Nein. Ich bin niemandem zu Loyalität verpflichtet,

außer denen, die schon immer bei mir sind.

Wenn du hoch auf der Welle schwimmst, sind

ganz viele immer bei dir, aber wenn du wieder

auf den Felsen klatschst, dann zeigt sich,

wo der harte Kern ist. Es ist wichtiger, dass du

den Leuten, die schon immer bei dir waren, Rechenschaft

ablegst. Das ist so ein kurzlebiges

Geschäft, wer weiß, ob ich morgen überhaupt

noch da bin. Wer weiß, ob das nur ein kurzer

Hype ist. Ich bin wie ich bin, und das macht ja

auch meine Musik aus.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 17


Wie war das noch mal,

PIERRE SONALITY,

als die Mauer gefallen ist?

Kannst du dich daran erinnern?

Ich war neun Jahre alt, als die Mauer fiel. Für meinen Bruder und mich war das eine spannende Sache. Vieles hat sich mit

einem Mal geändert. Zum Beispiel mussten wir nicht mehr diese nervigen Fahnenappelle machen. Vor der Wende hatten wir

samstags immer noch Schule und mussten zum Fahnenappell antreten. Da banden wir uns unsere Jungpionier-Halsbänder

um, standen auf dem Schulhof und durch die Lautsprecher kamen Ansagen und die DDR-Hymne, um uns auf Kurs zu bringen.

Das zum Beispiel fiel dann weg und wir konnten die „Turtles“ im TV schauen, nachdem unsere Blöcke mit Kabel-TV

versorgt wurden. Auch waren aus Gründen der Staatssicherheit mit einem Mal einige Lehrer weg und neue, frische Lehrer

kamen zu uns an die Schule. Und als wir kurz nach dem Mauerfall mit unserem Trabant über den Grenzübergang Marienborn

bei Helmstedt gefahren sind, meinte unsere Mutter zu uns: Alles, was gleich durch die Fenster fliegt, müsst ihr in die Beutel

packen. Und als wir dann über die Grenze waren, kam tatsächlich immens viel Schokolade, Spielzeug etc. durch die Fenster

ins Auto geflogen. Da konnten wir uns unser Begrüßungsgeld sparen, so viele Geschenke haben wir bekommen.

An was kannst du dich außerdem erinnern?

Als ich älter wurde, habe ich auch die unschönen

Dinge realisiert. Magdeburg war ja eine riesige Industriestadt

für die Schwermetallindustrie. Nach

der Wende aber waren all die Werke von Investoren

aufgekauft und in die Pleite getrieben worden. So

wurde ein großer Schlag von Arbeitern plötzlich arbeitslos.

Bei fast all meinen Freunden in Magdeburg

waren plötzlich Eltern und Großeltern ohne Arbeit.

Und die fanden dann auch keine neuen Jobs mehr.

So war Mitte der 90er sehr viel Not am Mann.

Hat dich das geprägt?

Da war alles dann ziemlich abgefuckt, gerade finanziell.

Es gab wenig Lehrstellen, dazu Armut etc. So

etwas kannten die Leute ja vorher nicht, weil es das

während des Regimes nicht gab. Daher konnten die

Eltern ihren Kindern auch nicht so richtig erklären,

was da vor sich ging. Die wussten ja selber nicht,

wie es weitergeht. Vor dem Weggehen hatten viele

ebenfalls Angst. Würde man es schaffen? Alles war

sehr ungewiss.

Und wann kam Hip-Hop in dein Leben?

18 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Genau, das hatte sich Pierre von Helden dabei gedacht.

Lustigerweise heißt der auch Pierre und ist

dieses Mal keine „Aka“-Erfindung von mir. Ein Kumpel

zeigte mir im Netz seine Bilder und ich fand die

interessant. Eines seiner Bilder hat mich gleich an

mich absolut irrelevant ist, die liegt im Auge jedes

einzelnen Betrachters. Aber ab und an mal drüber zu

sprechen, das finde ich wichtig. Allerdings ist meine

„Magdeburg“-Trilogie nicht als ostalgische Rundreise

zu verstehen. Das soll sie nicht sein!

„ICH DENKE EINFACH, DASS ALLES SEINE

BERECHTIGUNG HAT UND EINE ABSOLUTE NOTWENDIG-

KEIT BESTEHT, DIE DINGE ZU KONSERVIEREN.“

INTERVIEW: NIKO HÜLS, LARA BORCHERS

FOTOS: JIM GRAMMING

Bei mir ging das erst so 1996/97 los. Aber dass das

so kam, habe ich wahrscheinlich auch der Wende zu

verdanken. Wobei: In der DDR gab es bereits eine

Breakdance-Kultur, die nicht nur geduldet, sondern

teilweise sogar gefördert wurde. Breakdance galt in

der DDR ja als antiimperialistischer Tanz.

Vor der Wende hast du selbst also von Hip-Hop

rein gar nichts mitbekommen?

Nein. Bei uns gab es damals Mofa-Gangs, die Electro-Musik

gehört haben. Kontakt mit denen hatte ich

aber keinen.

Du hast noch bis 2003 in Magdeburg gewohnt,

bist dann zuerst nach Leipzig und 2011 schließlich

nach Hamburg gezogen. Magdeburg ist

aber dennoch das große Thema deiner neuen

Trilogie. Die Bilder des Artworks sollen ja die Geschichte

der DDR darstellen …

„Peter im Park“, eines meiner Lieblingsbilder, erinnert.

Das ist auch im Stil des sozialistischen Realismus.

Diese Bilder erinnern mich an die, die bei uns

im Kindergarten und in der Schule hingen. Das ist

genau dieser Stil. Dass den heute jemand macht,

fand ich cool. Daher lag es für mich nah, ihn zu fragen,

ob wir für mein Album etwas zusammen machen

können.

Was genau verbindest du denn mit den Bildern

von Pierre von Helden, die nun auf deinen Covers

zu sehen sind?

Bei dem Cover-Bild zu „Fundament“ ist es recht einfach,

da siehst du Leute, die tatsächlich an einem

Fundament arbeiten. Und für mich ist es ja auch

das erste Album, oder die erste EP. Und diese Reise

hin zu meinem musikalischen Horizont. Es geht darum,

wo ich angefangen habe und was ich anfangs

halt so geil fand. Diesen Sound, diese Ruppigkeit,

dieses Da-wird-an-etwas-Gearbeitet – das ist mein

Fundament. Das zweite Cover zeigt diesen großen

Neubau-Block und ist ganz trivial erklärt: Das ist das

Neubaugebiet Olvenstedt, wo ich herkomme. Das

dritte Cover-Bild, auf dem ein Arbeiter mit einer Sichel

in der Hand zu sehen ist, der aus dem Fenster

schaut – mit dem will ich fragen: Was bringt mir der

Morgen?

Behandelst du auf deiner „Magdeburg“-Trilogie

denn vor allem ostdeutsche Themen?

Nein, auch wenn meine Mentalität selbstverständlich

die „Dunkeldeutsche“ ist.

Warum ist es dir wichtig, diese ostdeutsche Mentalität

hochzuhalten?

Es scheint ja ein Interesse zu geben, diese Zeit in

gewisser Weise zu konservieren. Ich denke einfach,

dass alles seine Berechtigung hat und eine absolute

Notwendigkeit besteht, die Dinge zu konservieren.

Wenn wir vergessen, was damals war, gehen uns

nun mal sehr, sehr viele Sachen flöten – und das

wäre schade. Wobei die Wertung dieser Dinge für

Sondern?

An meiner funky Lebenseinstellung, wenn ich das

mal so sagen kann, kann man doch merken, dass

es mir besser geht in diesem System. Mittlerweile

haben wir alle beziehungsweise fast alle aus meiner

Generation hier Fuß gefasst. In diesen 25 Jahren haben

wir das gelernt. Wie gesagt: Eine sentimentale

Verklärung ist das in jedem Fall nicht. Die war nie

mein Ziel.

Was steckt stattdessen inhaltlich in deiner

„Magdeburg“-Trilogie?

Ich möchte rüberbringen, dass da ein gereifter Ex-

Jugendlicher drinsteckt. Gut, geistig bin ich immer

noch ein Jugendlicher, aber vor allem bin ich ein

gereifter Musiker. Ich habe allmählich rausgefunden,

was ich machen und wie weit ich gehen kann. Auf

der Trilogie sind viele Sachen drauf, die ich vor fünf

Jahren vielleicht schon so ähnlich gemacht hätte.

Nur hätte ich mich da nicht getraut, die zu veröffentlichen.

Heute kann ich das, weil ich bemerkt habe,

dass das qualitativ gut genug ist und ich mich da

nicht in irgendeine Richtung verbiege, in die keiner

mitgehen kann.

Du hast eben von dir als gereiften Musiker gesprochen.

In die Rolle bist du mit der Zeit reingewachsen?

Ich bin nun auf jeden Fall viel mehr Pierre als Marcus.

Ich bin – und das soll nicht abgedroschen

klingen – der Fulltime-Musiker, der ab und zu mal

Pizza backen geht. Musik ist mein Job, und in den

bin ich reingewachsen. Das hat mich inzwischen

mehr eingenommen, als ich anfangs dachte. Und

die „Magdeburg“-Trilogie ist das Beste, was ich je

gemacht habe, das, womit ich am meisten zufrieden

bin und von dem ich sage, dass ich das nicht besser

hätte machen können.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 19


„Diese Werte haben wir beide“

Der eine hat die hiesige Rap-Landschaft geprägt wie

kaum ein anderer. Der andere hat ihr ebenfalls einen

unübersehbaren Stempel aufgedrückt. Beide veröffentlichten

Ende 2014 ihre neuen Alben. Wir baten Kool Savas

und Curse in Berlin an einen Tisch, um mit ihnen zusammen

über Vergangenes und Aktuelles zu sprechen.

INTERVIEW: NIKO HÜLSS

FOTOS: OLE WESTERMANN

EIN STAMMTISCH MIT

KOOL SAVAS & CURSE

20 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Savas, wenn du von heute aus zurückblickst auf

deine bisherige Karriere, wie ordenst du die dann

für dich ein?

Savas: Das Musik-Ding hat sich immer anders angefühlt

als das wahre Leben. Ich hatte zwei parallele

Sachen am Laufen. Besonders deutlich wurde

das im letzten Jahr. Da hatte ich eine ziemliche

Abfuck-Phase. Ich war erfolgreich, wir gingen gerade

Gold und mit Xavier zusammen Platin. Ich

war überall am Start, hatte mehr Cash als sonst.

Alles lief viel besser. Doch persönlich war ich richtig

abgefuckt. Burn-out war es nicht, aber ich habe

gemerkt, irgendwas stimmt da nicht. Das war

alles überhaupt nicht im Gleichgewicht. Deshalb

schaue ich meine Karriere, überhaupt eine Rap-

Karriere, immer wie ein Film an. Wie zum Beispiel

„8 Mile“ oder „Get Rich or Die Tryin‘“. Ich muss

im Nachhinein sagen, dass der Film bei mir aussah,

als ob alles richtig gewesen wäre. Ich habe

meine Ups, ich habe meine Downs, aber trotzdem

hat es sich in irgendeiner Form immer verbessert.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich künstlerisch

sehr viel Wert auf die Frage lege, was zu tun ich im

Stande bin. Wenn ich merke: Krass, ich komme

dem näher, was ich von mir selber will oder von

einem MC erwarte, dann fühlt es sich für mich

immer besser an. Ich habe Dinger wie „Freunde

der Sonne“, auf die ich nicht übertrieben stolz

bin, aber wo ich sage, das ist Teil meiner Karriere.

Und natürlich denke ich mir bei einigen alten

Musik meiner aktuellen Gefühlslage entspricht.

Natürlich gibt es auch die Trennung zwischen

der Privatperson und dem Rapper, aber trotzdem

habe ich immer versucht, ziemlich nah an dem zu

sein, was in meinem Kopf und meinem Herz vorgeht.

Ich glaube, ich bin wahrscheinlich nicht der

einzige Mensch, der auch mal sprunghaft ist und

sich verändert. Deswegen gibt es da auch manche

Momente, wo man denkt: „Boa, das ist jetzt aber

stilistisch weit von dem usw.“ Aber wenn man die

innere Entwicklung als Richtwert nimmt, dann ist

es sehr stringent. Betrachtet man es hingegen stilistisch,

dann sagt man vielleicht, dass „10 Rapgesetze“

und „Hand hoch“ nicht viel miteinander zu

tun haben. Das ist halt eine Sicht. Bei der inneren

Sicht kann man dann feststellen, dass in den fünf

Jahren zwischen diesen beiden Songs eine Menge

passiert ist. Und wenn du darauf blickst, dann ist

es die logisch nachvollziehbare und auch extrem

ehrliche Entwicklung.

Von außen betrachtet könnte man dir aber auch

eine etwas größere Experimentierfreudigkeit attestieren

als Savas. Einverstanden?

Savas: Am Anfang mit Sicherheit. Er war vielseitiger,

ich hingegen dogmatischer und immer auf

mein Rap-Ding bezogen. Ich war auch experimentierfreudig,

habe irgendwelche Homer-Simpson-

Dinger gesampelt oder irgendein behindertes Zeug

gemacht. Wenn ich ganz kurz diese Anekdote er-

Savas: Diese Werte haben wir alle. Ich denke,

Samy und Azad kannst du das Gleiche fragen. Die

werden auch diese Werteskala haben, auch wenn

die sich mit der Zeit verändert hat und man ein

bisschen loslässt. Das hängt auch mit der Zeit zusammen,

aus der wir kommen.

Formuliert diese Werte doch mal! Was bedeutet

für euch Rap?

Curse: Alter Schwede! Wir kommen ja aus einer

Zeit, in der das technische Handwerk krass großgeschrieben

wurde. Wir kommen aber auch aus

einer Zeit, wo es schon Leute gab wie Public Enemy

oder Big Daddy Kane oder Rakim. Leute, die

technisches Handwerk hatten und krasse Sachen

erzählt haben. Rap hat jedenfalls über Jahre mein

komplettes Leben definiert. Rap und Hip-Hop waren

der größte Lebensinhalt. Das ist auch nicht

weniger geworden, aber es sind mehr Dinge dazugekommen.

Und warum hast du angefangen, zu rappen?

Curse: Als ich das erste Mal Rap gehört habe, war

ich fünf. Da war ich im Kindergarten. Wir hatten

einen Zivi, der kam aus Berlin und war in einer

Breakdance-Crew. Er fing dann an, uns Breakdance

zu zeigen. Diese Musik und all das, was da

ablief, war wie eine Klatsche für mich. Dann kamen

die Fat Boys – und mein sechster Geburtstag

war ein Breakdance-Geburtstag. Alle hatten

„DAS MUSIK-DING HAT SICH IMMER ANDERS ANGEFÜHLT

ALS DAS WAHRE LEBEN.“ (SAVAS)

Fotos oder Videos: „Oh, Dicker, was hast du da

gemacht?“ Aber ich glaube, dass ich einer Linie

treu geblieben bin. Und das hat sich für mich immer

ausgezahlt. Das habe ich zum Beispiel bei

„Tot oder lebendig“ gemerkt. Obwohl es nicht so

erfolgreich war, hat sich das im Laufe der Jahre

gefestigt. Für mich fühlt es sich gut an.

Curse, würdest du sagen, dass du deinen Weg

ähnlich konsequent gegangen bist wie Savas?

Curse: Bis auf manche Momente eigentlich

schon. Von heute aus betrachtet gibt es, wie Savas

schon gesagt hat, natürlich Momente, wo

man denkt, das hätte ich anders machen können.

Aber ich hatte die ganze Zeit schon das Gefühl, es

geht konsequent in eine Richtung. Bei mir war die

Richtung halt nie so etwas Festes. Es gibt nicht nur

einen Style oder ein Ziel, auf das ich die nächsten

zehn, 20 Jahre hinarbeite. Mein Ziel war immer

ein sehr Persönliches. Ich versuche, dass meine

zählen darf? Ich war bei Curse in Minden und er hat

mir ein paar Songs von sich gezeigt, so Konzept-

Songs. Und ich habe nie Konzept-Songs gemacht.

Ich habe auch gebraucht, an so einen Punkt zu

kommen wie Curse, dass er zum Beispiel über seine

Ex gesprochen hat. Ich sage das extra so explizit,

weil er ja sehr gerne darauf festgenagelt wurde.

Bei dir hatte man immer den Eindruck, dass du

dein Ding schon recht früh gefunden hast. Die

Leute lieben dich ja auch genau dafür. Und diesen

Weg hast du dann sehr konsequent weiterverfolgt

Savas: Bis dann jemand wie Xavier mir geholfen

hat, auch mal was anderes zu machen. Das hat mir

sehr gutgetan. Für mich ist das Album mit Xavier

sehr wichtig.

Eure Werte in Bezug auf Rap sind aber dennoch

die gleichen, oder?

Schweißbänder und Adidas-Trainingsanzüge an.

Als ich dann neun war, habe ich meinen ersten

Rap-Song geschrieben. Ohne Scheiß, ich war

neun und ich kam mir damals vor wie 15. Für mich

war die Motivation dieser Selbstausdruck. Wie

Graffiti entstanden ist. In einer riesigen Stadt wie

New York. Irgendein Typ, der aus der Anonymität

raus ist, der seinen Namen an die Wand gesprüht

und gezeigt hat: „Hier, ich bin da!“ Bei mir war es

halt eine Kleinstadt in Ostwestfalen, aber trotzdem

war die Motivation die gleiche. Diese Energie, das

war ja Revolution und Aufstand in Musik. Und das

zu atmen, in so einem Alter, wo man sich selber

fragt: „Wer bin ich?“ Dieser Spirit, dieses komplett

Einnehmende, das hat mich geprägt. Ich habe damals

auf Englisch gerappt, aber mein Englisch war

einfach nicht so gut. Die Motivation war aber auch

nicht, dass man jetzt dick Geld machen will. Das

war völlig absurd. Man wollte halt der Erste sein,

sowie Rakim oder Nas.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 21


Savas: Bei mir kam das ein bisschen später. Um es

kurz zu sagen, Rap war das Erste, in dem ich gut

war. Ich habe direkt eine Akzeptanz bekommen.

Und ich spreche jetzt nicht von Rap-Rap, sondern

davon, LL Cool Js „I Need Love“ nachzuschreiben.

Ich habe das mit meiner Tante geschrieben

und einem Kumpel gezeigt. Und der fand, dass es

gut war. Ich habe zu dem Zeitpunkt auch getaggt.

Aber wenn es um Graffiti ging, hat nie jemand gesagt,

dass es gut sei. Rap war halt die erste Sache,

in der ich gut war und dann bin ich direkt nach

Kreuzberg. Rhyme Guns, meine erste Rap-Crew –

und alle anderen meinten, dass ich talentiert bin.

Da habe ich gemerkt, dass ich dafür ein Händchen

habe. Seit dem war für mich das Wichtigste, Bestätigung

zu bekommen und das, was ich mache,

so gut wie möglich zu machen. Ich hatte einen

Graffiti-Background, aber als ich dann auf Jams

gegangen bin, habe ich auch den Respekt für

Hip-Hop gelernt. Dass es eine Kultur ist, dass das

alles zusammengehört. Auch Dinge, wie einen

Ghostwriter zu haben, waren absolut undenkbar.

Das sind alles so Werte, die wir noch von früher

kennen. Deswegen gibt es ja Tracks wie „10 Rapgesetze“.

Und da sagen die Leute dann, dass es

dogmatisch ist, aber ich finde es nicht schlimm.

Curse: Was das Ghostwriting angeht: Es gab ein,

zwei Momente, wo Leute aus meinem Business-

Team meinten, dass sie da so eine Idee für eine

Chorus-Zeile hätten. Da dachte ich dann, der Teufel

kommt. Das ging gar nicht!

Was war noch verpönt?

Savas: Biten.

Curse: Biten.

Savas: Wobei das jeder gemacht hat – bis zu

einem gewissen Maß. Außerdem gab es ja auch

Rapper, die von der Community nie akzeptiert

wurden. Young MC zum Beispiel. Das ist heute

anders. Heute kannst du alles machen.

Curse hat die eine oder andere Grenze irgendwann

mal ein Stück weit überschritten. Wolltest

du damit anecken?

Curse: Ich habe nie diesen Film geschoben,

dass ich absichtlich eine Regel breche oder ein

ungeschriebenes Gesetz neu definiere. Für mich

hat sich das einfach richtig angefühlt. Ab einem

gewissen Punkt bin ich einfach ein bisschen aus

diesem sehr stark definierten Hip-Hop-Ding herausgekommen.

Im Jahr 2000 haben mir mehrere

Platten gut gefallen, darunter drei, die gar nicht

Rap waren und zwei Rap-Platten, die extrem von

diesem Neo-Soul-Sound geprägt waren. So merkte

ich, dass sich das, was mir persönlich gefällt, in

diese Richtungen entwickelte. In der Folge machte

ich dann auch Songs, die eher in diese Richtungen

gingen. Das war allerdings kein bewusster Prozess.

Meine Hörgewohnheiten hatten sich schlicht

dahingehend verändert. Und diese vorher so viel

beschworene Realness wäre für mich dann nicht

gegeben gewesen, wenn ich mich an den alten

Regeln festgehalten hätte, obwohl mich mein Herz

woanders hinführt. Real bist du ja nur, wenn es dir

selber als richtig erscheint.

Kannst du nachvollziehen, was Curse sagt?

Savas: Voll. Aus seiner Sicht natürlich. Ich habe

ihn auch nie in irgendeiner Form dafür verurteilt.

Außerdem: „He earned his stripes.“ Er war ja

schon ein General. Für mich ist jetzt „Wir brauchen

nur uns“ kein Rap-Song. Und er ist für mich auch

„WENN MAN AUS DEMSELBEN KERN KOMMT, MUSS MAN NICHT BEI

JEDEM ALBUM AUFS NEUE DIE FRAGE STELLEN, OB DER KÜNSTLER

GUT ODER SCHLECHT IST.“ (CURSE)

22 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


nicht der geilste Song, den ich von Curse gehört

habe. Aber Curse hat „Wahre Liebe“ gemacht, er

hat den Song „Rap“ gemacht. Ey, er kann machen,

was er will. Für mich wird er immer einer der Top

5 der deutschsprachigen MCs sein. Nichts, was er

jetzt ansatzweise tut, kann irgendwas davon wegmachen.

Curse: Wenn man aus demselben Kern kommt,

muss man nicht bei jedem Album aufs Neue die

Frage stellen, ob der Künstler gut oder schlecht

ist. An dem Kern der Sache ändert sich ja nichts.

Alles andere ist persönliche Entwicklung, persönlicher

Geschmack, Lebensweg, Umstände etc.

Wenn du im Kindergarten mit jemandem befreundet

warst und du weißt, dass du diesen Menschen

liebst, dann kannst du den auch jahrelang nicht

sprechen und dieser Mensch kann sich in irgendwelche

Richtungen entwickeln – wenn du den

wiedersiehst, dann sprichst du mit dem gleichen

Menschen. Du weißt, wo er herkommt und was

für Werte und Ideale er hat. Und dann ist es auch

egal, ob er heute Arzt ist oder Bäcker. Du liebst

diesen Menschen immer noch, auch wenn man

unterschiedliche Lebenswege gegangen ist. Diese

grundsätzliche Frage stellt man sich da einfach

nicht mehr.

In der Rap-Welt scheinen sich viele genau diese

Frage doch immer wieder zu stellen. Bei beinahe

jedem der letzten Samy-Deluxe-Releases hört

man hier und da, wer sich alles den alten Samy

zurückwünscht …

Savas: Das sage ich auch immer. (lacht)

Curse: Ich glaube, dass das, wenn Savas das

sagt, etwas anderes ist. Es ist, wie ich eben gesagt

habe: Die grundsätzliche Frage stellt er sich doch

über Samy nicht mehr. Sein Kommentar erfolgt

hier doch klar auf der Basis großer Anerkennung

und großen Respekts. Er sagt damit doch eigentlich,

dass die Platte nicht seinen persönlichen Geschmack

trifft. Das ist für mich etwas anderes, als

respektlos zu meckern, ohne Anerkennung und

Wertschätzung zu zeigen.

Savas: Das ist auch das Internetzeitalter. Die Leute

denken immer, man wäre empfindlich. Dabei ist

man nur realistisch. Für mich ist es einfach eine

Unverschämtheit, wenn ein 15- oder 16-Jähriger

sich rausnimmt, über einen gestandenen Artist

oder einen Menschen, der einfach was geleistet

hat, irgendetwas zu behaupten und das auf so einfache

Sachen zu reduzieren. Wir hatten noch eine

andere Art der Euphorie. Für mich war es ein Ziel,

in Oakland mit Leuten wie Shock G oder A-Plus

zu cyphern. Meine Songs wurden da im Radio

gespielt. Und Curse stand in New York mit Non

Phixion oder mit wem auch immer auf der Bühne,

und hat mit denen gerappt. Da haben wir uns

unsere Anerkennung geholt. Heute machen Leute

Tutorial-Videos und suchen damit nach Akzeptanz.

Das ist mir fremd. Aber das ist eben so. Heute holt

man sich die Akzeptanz über Likes. Unsere Euphorie

war meiner Meinung nach greifbarer, total

real. Für uns war es ein Ritterschlag, wenn KRS-

One nach der Show kam, einem auf die Schulter

klopfte und meinte, der Shit wäre dope. Joell Ortiz

hat sich mal eines meiner Konzerte angesehen

und später zu mir gesagt: „Real Hip-Hop in it’s flesh.“

Ich sehe ihn zwar in meinem Kopf nicht über

mir, aber er ist ein echter MC aus New York, aus

dem Mekka des Hip-Hop. Da habe ich mir gesagt:

Alles richtig gemacht!

Wundert es euch eigentlich, wenn beim splash!

bei einer Beginner-Show sehr viele junge Leute

vor der Bühne stehen und die „Bambule“-Songs

abfeiern, obwohl die vielleicht vier oder fünf Jahre

alt waren, als die Platte rauskam?

Curse: Auch da gibt es Unterschiede. Ich habe

letzten Sommer ein Konzert gespielt, und da waren

14- oder 15-Jährige in der ersten Reihe, die die

Texte von „Feuerwasser“ mitgerappt haben. Das

ist dann mal etwas Positives in puncto Internetzeitalter.

Die Information ist da. Wenn sich jemand für

die Art von Sachen interessiert, dann findet der

alles, lernt es auswendig und feiert es. Es ist dann

also egal, ob er zu der Zeit, als die Platte rauskam,

drei war oder 13.

Wenn ihr auf eure bisherigen Karrieren zurückblickt:

Welche herausragenden Eckpunkte seht

ihr dann?

Curse: Bei mir sind das natürlich mehrere – musikalische

wie persönliche. Um auf der musikalischen

Ebene zu bleiben, war zum Beispiel „Und

was ist jetzt?“ so ein Punkt. Das war 2003. Ruf

dir mal in Erinnerung, was damals im deutschen

Hip-Hop passierte. Und da habe ich mich dann

hingesetzt und hatte den Flash zu sagen, dass das

auch über die Performance-Dynamik funktionieren

„DAS MUSIK-DING HAT SICH IMMER ANDERS ANGEFÜHLT

ALS DAS WAHRE LEBEN.“ (SAVAS)

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 23


muss, über die emotionale Achterbahn und über

Inhalt, der einen berührt. Nicht zu vergessen das

Piano, das für diese Dynamik sorgt. Ich setzte

mich also mit Patrick Ahrend hin und machte diesen

Song. Aber kein Radiosender hat ihn gespielt,

kein Fernsehsender. Alle fragten sich bloß: Was

macht der da? Das Ding hatte aber eine emotionale

Durchschlagskraft, die die Leute, die sich

emotional darauf eingelassen haben, extrem berührt

hat. Wenn ich diesen Song heute noch live

performe, sprengt der die Frage, ob es real ist

oder nicht. Da entsteht etwas Echtes. Das war für

mich ein Turning Point. Auch „Wahre Liebe“ war

so einer. Dabei geht es auch nicht darum, dass

Leute sagen, ich sei der Krasseste oder Realste.

Mein Weg liegt darin, dass eine bestimmte Anzahl

von Menschen eine Verbindung zu meiner Musik

herstellen kann. Diese Eckpfeiler haben bestätigt,

dass dieser Weg der richtige sein wird. „Und was

ist jetzt?“, „Wahre Liebe“, „Heilung“, „Wüstenblume“,

„Herbstwind“ – diese Songs sind der Grund,

warum das neue Album so klingt, wie es klingt.

Savas: Ich glaube, bei mir waren das Sachen wie

„Haus & Boot“. Bei „Aura“ war es so, als ich „Und

dann kam Essah“ geschrieben habe, da war ich im

Auto und schrieb den Song sozusagen im Kopf. Ich

wusste ganz genau, wie ich den Song haben wollte,

damit er funktioniert. Im Studio sagte ich dann zu

Sergej, dass wir in einem Jahr auf der splash!-Bühne

stehen und die Leute diesen Song mitrappen

werden. Genau so kam es. Bei „Haus & Boot“ war

es auch so. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas mit

diesem absurden Beat von Mel machen kann, mit

den übertrieben harten Snares und diesem ganz

weichen Gesang von Valezka. Dabei stand ich nicht

für R&B oder Soul. Ich stand einfach fürs Auf-die-

Kacke-hauen. Und dann kam dieser übertrieben

harte Kontrast mit meinem Rap, Stakkato-Style, und

das hat dann auch genau so funktioniert. Bei „King

of Rap“ hatte ich das noch nicht. Ich habe davor immer

Musik gemacht, ohne über die Konsequenzen

nachzudenken. Sonst hätte ich „LMS“ bestimmt

„FÜR MICH IST ES EINFACH EINE UNVERSCHÄMTHEIT, WENN

EIN 15- ODER 16-JÄHRIGER SICH RAUSNIMMT, ÜBER EINEN GE-

STANDENEN ARTIST ODER EINEN MENSCHEN, DER EINFACH WAS

GELEISTET HAT, IRGENDETWAS ZU BEHAUPTEN UND DAS AUF SO

EINFACHE SACHEN ZU REDUZIEREN.“ (SAVAS)

24 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


anders geschrieben. Den habe ich im Jugendzentrum

geschrieben, in einer halben Stunde. Aber

als ich dann Tracks gemacht habe, wo ich mir über

legt hatte, wie die ankommen, und als ich gelernt

habe, Emotionen einzufangen, kam es genau so

an, wie ich es mir gedacht habe. In Songs wie „Futurama“,

„Rapfilm“, „Immer wenn ich rhyme“ oder

„Tribut“ ging es mir immer um die Stimmung. Cr7z

sagt, er sieht die Dinge in Farben. Für mich hätten

die dann auch eine bestimmte Farbe. Deswegen

war ich beim Graffiti so enttäuscht von mir, weil

ich im Kopf irgendwelche krassen Styles am Start

hatte, sie aber nicht umsetzen konnte. Ich liebe

Writer, die mit Silber, Schwarz und Weiß ein krasses

Piece malen können. Diese Dudes von der

Oldschool, das ist einfach straight.

Was war außerdem wichtig?

Savas: Für mich war wichtig, mit einem großen

Bruder, der noch mal viel krassere Sachen macht

– und ich spreche nicht von Verkäufen – mal etwas

zusammen zu machen. Wenn man Xavier sieht

und mitbekommt, wie 20.000 oder 30.000 Leute

seinen Song mitsingen, wenn die zwei Stunden

mitsingen und heulen – da habe ich gemerkt, dass

ich von ihm noch so viel lernen kann. Und dann

diese Konsequenz, wie er Musik macht. Er war

immer fair, wir haben alles 50/50 gemacht, von A

bis Z. Er schreibt einfach drauflos, das hat mich

voll aus meiner Komfortzone gerissen. Damit

musste ich erst mal klarkommen. Er war immer

schneller. Durch ihn habe ich auch gelernt, dass

ich über alles schreiben kann. Manchmal habe ich

nicht verstanden, was er will. Als er es dann erklärt

hat, meinte ich, die Leute werden das niemals peilen.

Aber er meinte nur, dass es seine Gedanken

sind und er damit machen kann, was er will und

es keiner wissen muss. Bei „Lass nicht los“ habe

ich viele Passagen aus einem Gespräch mit einer

Person übernommen. Ein Außenstehender kann

diesen Song niemals verstehen. Aber für mich

macht der total Sinn. Deswegen ist dieses Album

so wichtig. Ich habe gelernt, dass ich alles machen

kann, was ich will. Ich muss es keinem Recht

machen. Da habe ich auch das erste Mal über Beziehungen

und Liebe gerappt. Ich habe auf Beats

gerappt, die ich selber vielleicht gar nicht gewählt

hätte – und mit den Themen war es halt genauso.

Als eure Karrieren begannen, sah das Business

noch anders aus als heute. Wie seht ihr die Umbrüche

in der Rap- beziehungsweise Musikindustrie?

Curse: Als ich angefangen habe, in dieses

Deutschrap-Business einzutauchen, gab es MZEE

Records, Yo Mama und so. Majors haben sich

nicht für Rap interessiert. Das stand noch bevor.

Es war also auch eine krasse Pionierzeit, was das

Business-Ding angeht. Ich weiß noch, als Fast

Forward damals Put Da Needle To Da Records

gegründet hat, da wollte er mein Demo als erste

Maxi rausbringen und faxte mir einen Vertragsentwurf

zu. Ich sprach dann mit ihm und sagte,

dass ich schon Bock hätte, das zu machen. Aber

für mein Album wollte ich lieber einen Major-Deal.

Weil man aber mit Maxis nichts verdient, hätte

ich es nicht fair gefunden, die bei ihm zu machen.

Aber im Grunde hatte ich null Ahnung vom Business.

Andererseits hatte ich aber auch das Gefühl,

dass man was ganz Krasses machen muss. Rückblickend

war meine Anfangszeit aber cool. Mit der

Zeit habe ich mich dann als Künstler verändert,

die Szene hat sich verändert und der Marktwert

auch. Ich bin aber sehr, sehr lange Zeit, fast meine

ganze Karriere, in denselben Strukturen geblieben.

Und darüber bin ich echt froh, denn heutzutage

ist jeder Typ, der gerade sein erstes Mixtape

rausbringt, auch irgendwie International Business

Mastermind …

… das muss doch aber nicht gleich schlecht

sein …

Curse: Nein, das ist supergeil! Heute sind die

Strukturen aber eben auch anders. Ich habe mir

„HEUTE SCHEINEN EINIGE SCHON DEN BUSINESS- UND MARKE-

TING-PLAN ZU HABEN, BEVOR SIE ÜBERHAUPT MUSIK MACHEN.

KÜNSTLER BAUEN SICH HEUTE IHR IMAGE AUCH MAL NACH MARKT-

FORSCHUNGSKRITERIEN AUF.“ (CURSE)

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 25


früher überhaupt gar keinen Kopf über Marketing

gemacht, über Promotion, oder darüber, wie die

Fotos aussehen. Heute scheinen einige schon den

Business- und Marketing-Plan zu haben, bevor sie

überhaupt Musik machen. Künstler bauen sich

heute ihr Image auch mal nach Marktforschungskriterien

auf. Das wäre früher absurd und wahrscheinlich

auch unfassbar whack gewesen.

Savas: Fakt ist, damals gab es ein paar Institutionen,

es gab ein Major-Label, es gab einen Verlag,

es gab so etwas wie einen Manager, es gab Viva,

es gab MTV – und wenn du dich nicht innerhalb

dessen bewegt hast, dann hattest du theoretisch

keine Chance, dich auf breiterer Ebene präsentieren

zu können. Wenn du dein Video nicht mit einer

entsprechenden Produktion gemacht hast und

nicht den richtigen Dude hattest, der das bei MTV

einreicht, dann lief dein Video auch nicht. A&R-

Manager hingegen sind meiner Meinung nach

die überflüssigsten Menschen im Musikbusiness.

Die sind gekommen und haben einem irgendeine

Scheiße erzählt, von der sie selber keine Ahnung

hatten. Ich sage es jetzt ganz offiziell: Ich entschuldige

mich noch mal bei Peter Sreckovic (Fast Forward,

Anm. d. Red.) Ich war früher auch auf einem

anderen Film, aber meiner Meinung nach war er

noch die fairste Person, die ich im Musikbusiness

kennengelernt habe. Er war zwar verplant, aber er

hat das Business so gehandelt, wie ich es mir im

Nachhinein gewünscht hätte. Er hat mich immer

machen lassen. Das war für mich eine echte Art

und Weise, mit der Musik umzugehen. Götz Gottschalk

(mit dem neben vielen anderen Rappern

auch Curse lange zusammenarbeitete, Anm. d.

Red.) war da schon eine andere Persönlichkeit. Mit

dem saß ich mal im Auto und Ono (Rapper von

Walking Large, heute Data MC, Savas war früher

mal sein Back-up-Rapper, Anm. d. Red.) meinte,

ich solle ihm doch mal meine neuen Songs vorspielen.

Ich spielte ihm also meine Songs vor,

darunter, glaube ich, auch „LMS“. Und er meinte

nur, dass ich damit nirgends einen Deal kriegen

würde. Das waren die Songs, die mich hinterher

bekannt gemacht haben. Moses (Pelham, Anm.

d. Red.) ist damals auf die ausgerastet. Ich hätte

auch mit ihm arbeiten können. Aber was ich sagen

wollte: Man wurde im Musikbusiness sehr

schnell schlecht beraten. Und heute bin ich ein

ekliger Kontrollfreak. Man kann kein Foto, Video

oder irgendwas veröffentlichen, ohne dass ich das

nicht approved habe. Für mich sollte ein Manager

auch einfach nur dafür da sein, geile Deals an Land

zu ziehen und einem dabei zu helfen, seine musikalische

Vision umzusetzen und einen in gutes

Licht zu stellen. Niemand muss einem sagen, wie

man Mucke macht. Das feiere ich an dieser Zeit

auch so: Dass man tatsächlich einen Künstler hat,

der selber seine Videos schneidet. Bei mir hat das

alles zehn Jahre gedauert, ich hing in meinen Deals

fest. Ich habe mich damals wie eine Nutte gefühlt.

Aber heute kann ich machen, was ich will. Ich würde

jedem Künstler raten, independent zu sein. Seitdem

du nicht mehr bei MTV oder Viva oder Radiosendern

blasen musst, kannst du einfach alles machen.

Schau dir Cro an. Chimperator. Sebastian Schweizer

hat davor in meinem Büro gearbeitet und jetzt hat

er Cro rausgebracht und ist Millionär oder was weiß

ich. Es funktioniert alles, Alter.

Und wie war euer erster Kontakt mit dem Finanzamt?

Für viele bedeutete der ja ein böses

Erwachen …

Curse: Ich hatte damals mit meinem Steuerberater

gesprochen, der arbeitete für so eine riesige

Kanzlei in Berlin. Da war ich 21 und dachte mir:

Bei so einem Laden muss ich mir keine weiteren

Gedanken machen, zumal die meinten, dass sie

sich um alles kümmern würden. Irgendwann kam

dann ein Steuerbescheid vom Finanzamt, dass ich

180.000 Mark zahlen müsste. Ich konnte das nicht

glauben. Nicht mal einen Bruchteil davon hatte ich

auf meinem Konto. Ich bin dann erst mal zu einer

Freundin meiner Eltern, die so Basic-Finanzsachen

gemacht hat. Durch die kam heraus, dass diese

Kanzlei mich über Jahre ganz krass abgezogen hat.

Das war richtig kriminell! Für mich war das jedenfalls

eine Katastrophe. Also bin ich zum Finanzamt

und habe denen erzählt, dass ich 21 Jahre alt

bin und es niemanden in meinem Umfeld gibt,

der so etwas je schon mal gemacht hätte und ich

niemanden hätte, der mir einen Rat hätte geben

können und man mir nun keine bösartigen Dinge

unterstellen sollte. Zum Glück haben die das verstanden.

So etwas ist aber auch vielen anderen

passiert. Nach ein paar Jahren war ich dann wieder

zurück auf null.

Savas: Ich habe alles viel zu freundschaftlich

gesehen. Mein Anwalt musste mich erst überzeugen,

dass ich von den anderen ein paar Prozente

nehme. Ich bekam einen Vorschuss, habe

davon ein Auto gekauft, den anderen ihr Leben

bezahlt, mir ein gutes Leben gegönnt und auf

einmal meldet sich die Bank und sagt, dass das

Konto überzogen ist. Da war ich gerade in New

York und habe mir irgendwelchen Müll gekauft.

Inzwischen habe ich aber dazugelernt. Bei der

„John Bello Story 2“ hatte ich noch mal eine

harte Phase. Da sollte ich 200.000 Euro an das

Finanzamt zahlen. Da hatte ich tatsächlich auch

vier Autos, ein Haus gemietet, immer dick Essen

mit den Jungs. Daraufhin habe ich gemerkt, dass

ich das nicht mehr will. Ich leiste mir immer noch

Dinge, die ich mir leisten will, aber es muss in

einem gewissen Verhältnis stehen.

Curse, du hast mit Indie neue Welt nun dein eigenes

Label gegründet. Dort hast du auch dein

neues Album veröffentlicht. Nach all den Jahren

bei Subword/BMG machst du nun im Business

noch mal neue Erfahrungen, oder?

Curse: Am Ende des Tages ist das nicht mehr so

schwierig. Ich weiß, wie viel Geld man ausgeben

kann und wie viel man verkaufen muss, um es

wieder reinzubekommen. Wir werden sehen, ich

bin ja gerade mittendrin. Das Schwierige ist, wirklich

nicht zu übertreiben, sondern realistisch zu

bleiben. Was ich außerdem kurz sagen will, weil

der Name Götz Gottschalk gefallen ist: Ich habe

lange mit ihm zusammengearbeitet und überhaupt

kein Problem mit ihm. Ich habe sehr großen

Respekt vor Götz.

Savas: Ich wollte auch nicht respektlos sein.

Curse: Es ist mir einfach wichtig zu sagen, dass

ich zwölf Jahre mit ihm zusammengearbeitet

habe. Er ist ein sehr spezieller Mensch, aber bei

manchen Konstellationen ist das einfach perfekt.

Savas, du hast eben den A&R-Manager als die

überflüssigste Person im Musikgeschäft bezeichnet.

Du selbst warst für Optik Records doch sicherlich

auch der A&R. Wie hast du das denn zu

handhaben versucht?

Savas: Ich habe sehr viel über mich und das Business

gelernt. Ich weiß jetzt, ein Büro mit vier Leuten

zu betreiben, heißt noch lange nicht, dass das

Label automatisch Platten verkauft. Ich bin aber

auch nicht der typische Chef, der hingeht und

durchgreift. Da war Aggro mit Specter, Halil und

Spaiche deutlich besser beraten. Die konnten von

drei gleichberechtigten Seiten ganz anders mit

den Artists arbeiten. Die haben dieses A&R-Ding

sehr gut gemacht. Für mich war der freundschaftliche

Respekt viel zu groß. Auch wenn mir etwas

nicht gefallen hat – ich hatte immer viel zu großen

Respekt vor dem Menschen, um meinen Mund

aufzumachen. Wenn ich jetzt ein A&R wäre, würde

ich bei einem Label arbeiten, wo ich angestellt

bin und mit den Künstlern nicht auf einer freundschaftlichen

Ebene stehe.

Curse, würdest du deine bisherige Karriere als

erfolgreich bezeichnen?

Curse: Wenn du mich fragst, hätte ich es verdient

gehabt, von jedem Album und jeder

Single das Doppelte verkauft zu haben. (lacht)

Ernsthaft: Ich habe kein Gold-Album und keine

Nummer eins. Aber daran messe ich auch nicht

meinen Erfolg.

Wenn du siehst, wer heute alles in die Top 10 oder

gar in die Top 5 kommt – bereust du manchmal

diese sechsjährige Pause, die du gemacht hast?

26 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Curse: Null! No way! Diese sechs Jahre Pause

waren so schön. Jetzt ist es teilweise schon

wieder stressig und nervig. Jetzt gerade merke

ich wieder, warum ich aufgehört habe. Aber insgesamt

sehe ich es tatsächlich entspannter als

vorher – und humorvoller. Ich schaffe es auch,

mir das mal von außen anzusehen. Das amüsiert

mich sehr. An dem Punkt, an dem ich aufgehört

habe, war es ja so, dass ich einen Deal für das

nächste Album gehabt hätte. Ich hätte einen

Verlagsdeal gehabt und hätte gewusst, dass ich

für die nächsten drei Jahre finanziell abgesichert

gewesen wäre. Ich habe mich ja entschieden,

das nicht zu machen, weil ich einfach gemerkt

habe, wenn ich jetzt weiter Musik mache, dann

werde ich mich enttäuschen. Und jetzt habe ich

mich entschieden, wieder ein Album zu machen,

und wenn das Album erfolgreich wird, dann verdiene

ich gutes Geld. Aber wer sagt mir, dass es

so kommt? Keiner gibt mir eine Garantie. Und

keiner hat in dem Sinne darauf gewartet. Das ist

auch nicht meine Motivation. Ich musste mich

vielmehr überwinden, dieses Album zu machen.

Ich war mit meinem Leben auch ohne das Musikmachen

sehr zufrieden. Aber dann bekam ich

doch Bock darauf, wieder auf der Bühne zu stehen,

Texte zu schreiben und Musik zu machen.

Das ist einfach in mir drin. Ich spreche ja immer

vom Glücklichsein – und ohne das Musikmachen

fehlt mir dann doch ein Stück zum Glücklichsein.

Zum Abschluss: Wie würdet ihr den Status des

anderen bezeichnen?

Curse: King Kool Savas. Punkt.

Savas: Ich habe es auf dem splash! gesagt: King

Curse. Er ist ein Pionier. Er ist eine Ikone.

„HEUTE BIN ICH EIN EKLIGER KONTROLLFREAK.“ (SAVAS)

„MEIN ZIEL WAR IMMER EIN SEHR PERSÖNLICHES.“ (CURSE)

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 27


„Die Extreme sind sehr reizvoll“

INTERVIEW: RALF THEIL

FOTOS: JUEL POULSEN

Ein Interview mit

DEN SORTE SKOLE

Simon Dokkedal und Martin Højland von Den Sorte Skole im Gespräch über die Entstehung ihres Albums „Lektion III“, für

das sie Tausende von Soundschnipseln aus 51 Ursprungsländern verwendeten, über die Bedeutung von Urheberrechten,

moderne Sampling-Kultur und den Gig, der für sie alles veränderte.

2010 wurdet ihr gebeten, ein DJ-Set zum 40.

Jubiläum des Roskilde Festivals zu spielen, des

größten Musikfestivals Nordeuropas. Was bedeutete

das für euch?

Martin: Das war ein wahnsinnig interessanter Job,

weil wir uns mit allen Künstlern befassen mussten,

die jemals dort gespielt hatten. Wir haben sehr

lange recherchiert und ein riesiges Archiv von

Songs gesammelt. Wir hatten noch nicht einmal

in den großen Clubs in Kopenhagen gespielt, und

plötzlich standen wir vor 30.000 Menschen auf der

zweitgrößten Bühne Dänemarks. Der Hype und die

Energie waren unglaublich – ein völlig verrücktes,

zweistündiges Mitsing-Inferno.

Dabei konntet ihr zum ersten Mal nicht nur

Musik verwenden, die ihr schon kennt und

mögt. Ihr musstet einen Zugang zu Musik finden,

die ihr sonst nicht gehört hättet …

Martin: Das war das Beste, was uns passieren

konnte. Dadurch war unser Ansatz viel offener,

als wir mit der Arbeit an „Lektion III“ anfingen.

Ein Problem war aber auch, dass wir von heute

auf morgen wahnsinnig viele neue Fans hatten,

die ein völlig anderes Bild von uns hatten als

wir selbst. Als dann „Lektion III“ herauskam,

fanden sich einige Leute auf der ganz falschen

Party wieder. (lacht)

Ihr habt genau das Gegenteil dessen gemacht,

was man erwartet hätte. Ihr hattet all diese neuen

Fans, und euer nächstes Projekt war das Unzugänglichste,

was es je von euch zu hören gab.

Wie wurde daraus statt eines weiteren Mixtapes

dieses viel komplexere Album?

Simon: Wir wollten etwas machen, das wir verkaufen

könnten. Wir wollten tiefer ins Produzieren

einsteigen und obskure Samples finden, anstatt

wieder fremde Beats zu nehmen.

Martin: DJ Shadow und RJD2 waren große Vorbilder

für uns. Wir wollten etwas erschaffen, das

in der Tradition dieser Künstler steht. Ein komplett

samplebasiertes Album, das dieser Art von

28 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


„Wir hatten noch nicht einmal in den großen Clubs

in Kopenhagen gespielt, und plötzlich standen wir

vor 30.000 Menschen auf der zweitgrößten Bühne

Dänemarks.“ (Martin Højland)

Musik auch etwas Neues hinzufügen kann. Wir

wollten das Gefühl haben, diese Musik selbst gemacht

zu haben.

Simon: Auch wenn wir drei Jahre an einem Mixtape

gearbeitet hatten, wurde das immer anders

wahrgenommen, weil man die Musik anderer

Leute spielte. Jahrelang mussten wir uns fragen

lassen, wann wir denn etwas Eigenes machen

würden.

Martin: Das ist eben so ein Hip-Hop-Ding. Man will

es den Leuten dann beweisen.

Und wann wurde euch klar, dass ihr auch „Lektion

III“ nicht offiziell verkaufen können würdet?

Martin: Wir wollten mit der dänischen Vertretung

der IFPI einen Weg finden, pauschal alle Samples

zu klären. Erst, als wir buchstäblich am letzten Tag

des dreijährigen Produktionsprozesses im Mastering-Studio

saßen, wurde uns gesagt, wir müssten

das Album verwerfen, weil es keine Möglichkeit

zur Freigabe gäbe. Da stand aber schon fest, dass

wir es als freien Download herausbringen würden.

Es wäre nur schön gewesen, auch auf iTunes und

Spotify zu sein – eben dort, wo Leute Musik hören.

Simon: Jetzt gibt es den Download auf unserer

Website, wo man auch spenden kann. Erstaunlich

viele Leute haben das getan – wahrscheinlich, weil

sie so das Gefühl haben, näher an der Quelle zu

sein. Es ist eine persönlichere Verbindung.

Bisher hat euch niemand verklagt?

Martin: Nein. Man spendet auch nicht für das Album,

sondern allgemein für unsere Arbeit. Und

das Album wird über eine Gesellschaft veröffentlicht,

wir haften also nicht als Privatpersonen

dafür.

Der Fall zeigt aber, dass die Musikindustrie und

die Gesetzgebung immer noch nicht adäquat

mit samplebasierter Musik umgehen können.

Wie könnte denn ein System aussehen, auf dessen

Grundlage man eine Platte wie „Lektion III“

legal veröffentlichen kann?

Martin: Man bräuchte eine zentrale Einrichtung,

die sich um die Klärung von Samples kümmert.

Bei Coverversionen ist es ja so, dass jeder einen

Song nachspielen darf. Man muss die veraltete

Denkweise hinter sich lassen, dass man sich weigern

kann, gesamplet zu werden. Sampling passiert

ständig. Wenn du Architekt oder Designer

bist, hast du auch kaum Kontrolle darüber, wer

was aus deiner Arbeit macht. Man muss sich öffnen

und Sampling grundsätzlich zulassen, aber

dafür braucht man ein System, das die Einkünfte

gerecht aufteilt.

Simon: So, wie es jetzt ist, klären viele Leute ihre

Samples nicht, weil der offizielle Weg zu teuer

oder zu kompliziert wäre. Deswegen bekommen

viele Urheber gar nichts ab. In einem neuen System

könnte der Urheber eines Samples aber auch

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 29


INFOKASTEN // HISTORY

Ob Den Sorte Skole nun eine DJ-Crew oder ein Produzententeam ist, ob man „Lektion III“ als wahnsinniges Mixtape-Projekt

verbucht oder doch als Großtat der Sampling-Kunst neben „Endtroducing…..“ ins Regal sortiert – man sollte nicht zu viel

Zeit auf solche Defi nitionsfragen verschwenden. Die Fakten: 2003 als DJ-Trio in Kopenhagen gegründet, spielte Den Sorte

Skole (Dänisch: „Die schwarze Schule“) auf bis zu sechs Plattenspielern minutiös arrangierte Sets, in denen Hip-Hop-

Acapellas auf einen musikalischen Backdrop von Dr. Octagon über Afrika Bambaataa bis Neil Young montiert wurden. Das

Mixtape „Lektion #1“ erschien 2006 und sorgte für nationale Aufmerksamkeit, zwei Jahre später wurde es mit „Lektion

#2“ musikalisch noch vielfältiger und der Hype immer größer – bis der Verband der dänischen Musikindustrie mit rechtlichen

Schritten wegen der unerlaubt verwendeten Songs drohte. Den Sorte Skole konnten sich keinen Rechtsstreit leisten

und verschwanden für ein Jahr mitsamt ihren Mixtapes von der Bildfl äche – bis die Anfrage von Roskilde kam. „Lektion III“

ist seit 2013 als freier Download auf densorteskole.net und als aufwendig gestaltetes, limitiertes Dreifach-Vinyl erhältlich.

Rechte an der neuen Produktion haben.

Martin: Natürlich ist es interessant, wenn man

nicht weiß, welches Sample jemand benutzt hat.

Aber es ist unfair. Ich mag zum Beispiel die Sachen

von Gaslamp Killer, aber wer weiß da schon, was

er selbst gemacht hat, und ob der Urheber etwas

abbekommt? Kaum jemand sucht nach den Originalen,

die er verwendet. Deswegen gibt es zu unserem

Album ein Buch, in dem wir alle Samples

auflisten. Damit kann man losgehen und seinen

musikalischen Horizont erweitern.

Stimmt es, dass ihr die Samples nicht verändert

und die ursprüngliche Tonlage beibehalten habt?

Simon: Wir haben Filter und EQs benutzt, ein paar

Effekte, aber wir wollten den Originalsound behalten

und die Samples nicht kaputtbearbeiten. Es

sollte nicht nach Computer klingen

Martin: Es gibt eine Ausnahme, einen Track haben

wir um einen Halbton gepitcht. Die Leute dürfen

gern herausfinden, welcher das war. Als klar war,

dass wir ein samplebasiertes Album produzieren

wollten, sprachen wir viel darüber, wie es sich von

„Endtroducing…..“ oder „Since We Last Spoke“

unterscheiden könnte. Wir wollten zum Beispiel

keine Samples aus Nordamerika und Europa benutzen,

und über das Internet konnten wir an Vinyl

aus der ganzen Welt kommen. Außerdem sollte es

nicht so beatlastig sein. Wir wollten samplebasierte

Musik machen, der man nicht anhört, dass sie

aus Samples besteht.

Wenn man Musik aus der ganzen Welt hört, ist

es immer interessant, aus welchem sozialen und

politischen Kontext sie stammt, wer sie warum

gemacht hat. Beim Sampling setzt man ein Stück

in einen ganz neuen Kontext. Habt ihr darüber

nachgedacht?

Simon: Auf jeden Fall. Uns sind viele Verbindungen

klargeworden, von Blues zu westafrikanischer

Musik zum Beispiel, und es gibt Dinge, die

gleichzeitig in Indonesien und in Honduras passiert

sind, ohne dass die Musiker voneinander wussten.

Martin: Wir haben viel über die Geschichten hinter

den Samples nachgedacht, und das Album ist voller

solcher Geschichten. An manchen Stellen haben

wir auf Samples verzichtet, weil wir wussten,

dass die Aufnahme einen religiösen Hintergrund

hat, der nicht gepasst hätte. Und manchmal hatten

wir auch einfach keine Ahnung, was wir da gerade

kombinierten.

Ein anderer interessanter Aspekt an Roskilde

2010 war, dass ihr damals zum ersten Mal widerwillig

mit digitalen DJ-Systemen gearbeitet habt.

Heute benutzt ihr ein komplett digitales Setup …

Martin: Ja. Ich hasse es immer noch. Die MPD-

Controller sind natürlich sinnvoll, aber bei Serato

fehlt mir etwas. Wenn ich ein Bläsersample spiele,

fühlt es sich nicht so an, als wäre es wirklich unter

meinen Fingern. Mit dem Originalsample von

Platte wäre es viel eher so, als würde ich das Instrument

selbst spielen. Ich mochte die DJ-Shows

lieber, bei denen wir nur Vinyl gespielt haben, aber

„Lektion III“ könnten wir nie von den Originalplatten

spielen. Das wäre völlig unmöglich.

Wie funktioniert denn die Live-Umsetzung?

Martin: Es sind Tausende von kleinen Schnipseln,

die wir vorbereitet haben. Wie bei fast jeder Band,

die du heute siehst, gibt es einen Backing-Track,

30 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


über den wir verschiedene Spuren live spielen.

Über Serato und MIDI-Controller.

Simon: Auf großen Bühnen mit sehr viel Bass ist

es auch wegen der Rückkopplungen fast unmöglich,

Vinyl zu spielen – das haben wir oft genug

versucht.

Ihr spielt viel live und habt mit den unterschiedlichsten

Crowds zu tun. Wenn man es als DJ-Set

sieht, wie findet ihr die Balance zwischen „Entertainment“

und „Education“?

Simon: Es ist grundsätzlich eine Herausforderung

für das Publikum, wenn wir live spielen. Unsere

Musik ist oft sehr ruhig, und Gäste in Clubs unterhalten

sich lieber, als sich auf die Musik zu konzentrieren.

Besonders in Dänemark. Deswegen

haben wir auch energiereichere Tracks, die in unser

Universum passen. Wir selbst stellen uns nicht

so sehr in den Vordergrund. Man soll nicht Martin

und mich sehen, zwei bleiche Typen aus Kopenhagen.

Es geht um die Musik, das Licht und die

Stimmung.

In welche Richtung werdet ihr euch in Zukunft

bewegen?

Martin: In Dänemark haben wir im Juni mit einem

Kammerorchester unsere erste Symphonie uraufgeführt.

Das Orchester (des staatlichen Rundfunks,

Anm. d. Verf.) wurde leider inzwischen geschlossen,

aber wir haben noch zwei weitere Symphonien

geplant, die wir mit einem anderen Orchester

umsetzen wollen. Wir haben die komplette Musik

geschrieben und stehen mit auf der Bühne – es ist

also wie ein Konzert von Den Sorte Skole, nur viel

größer.

Simon: Die erste Symphonie wird im Oktober veröffentlicht.

Das war schon verrückt, da sucht man

jahrelang nach Samples auf irgendwelchen Platten,

arbeitet an nichts anderem, und dann spielt

plötzlich ein ganzes Orchester deinen Loop.

Martin: Ich glaube, in Zukunft werden wir einerseits

Sachen mit mehr Energie produzieren, andererseits

aber auch noch verkiffteres freaky Zeug.

Diese Extreme sind sehr reizvoll.

„Wir selbst stellen uns nicht so sehr in den Vordergrund.

Man soll nicht Martin und mich sehen, zwei bleiche Typen

aus Kopenhagen. Es geht um die Musik, das Licht und die

Stimmung.“(Simon Dokkedal)

DAS NEUE ALBUM VON

VEGA

AB DEM

16. JANUAR

IM HANDEL!

CHAP

one


INTERVIEW: TIM KINKEL

FOTOS: SONY/JAMES MINCHIN

„Wir hätten da mindestens 100

Millionen herausholen können“

50 FRAGEN AN

TI

Paris, Juli 2014. Das WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien steht kurz bevor. Sony hat die internationale

Fachpresse ins prunkvolle Le Royal Monceau-Raffles am Triumphbogen geladen, um das neue Album „Paperwork“

von T.I. vorzustellen. Im Anschluss an die Vorführung im hauseigenen Kinosaal werden dem BACKSPIN-Autor

15 Minuten Einzelinterview zugestanden. Und in der Liga sind 15 Minuten exakt 15 Minuten …

32 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


1. Wie gefällt dir Paris?

Paris ist phänomenal.

2. Interessierst du dich für Fußball?

Während der Weltmeisterschaft, ja.

3. Wer wird das Finale gewinnen?

Ich mag Argentinien.

4. Was ist das Gegenteil von Mittelmäßigkeit (in

Anlehnung an die Single „No Mediocre“, Anm. d.

Red.)?

Das Gegenteil von Mittelmäßigkeit ist Crème de la

Crème.

5. Warum DJ Mustard?

Er hatte den richtigen Vibe und den richtigen

Sound für diesen bestimmten Song.

6. Ein Wort, das Iggy Azalea am besten beschreibt?

Phänomenal.

7. Was steckt hinter dem Titel deines neuen Albums

„Paperwork“?

Authentizität. Die Zertifizierung von Authentizität.

8. Features?

Nicht viele, aber bedeutsame.

9. Produzenten?

Pharrell, DJ Toomp, DJ Mustard.

10. Was kann Pharrell, was andere Produzenten

nicht können?

Platten verkaufen und Songs machen. (lacht) Nein,

ich denke: Pharrell kann Glücklichsein hart aussehen

lassen.

11. Was denkst du über den Trap von heute?

Ich heiße ihn willkommen und weiß ihn zu schätzen.

12. Was war der Grund dafür, mit Grand Hustle

zu Columbia zu wechseln?

Ich sage es mal so: Wir haben T.I., der ein Künstler

von Grand Hustle ist, zu Columbia gebracht. Wir

haben noch immer Iggy bei Def Jam, B.o.B bei

Atlantic, Travis Scott bei Epic. Wir sind nirgendwo

exklusiv. Bis jetzt.

13. Wer hustlet härter: Grand Hustle oder Strange

Music?

Ich. Auf jeden Fall. (lacht)

14. Kennst oder benutzt du die Eisenhower-Matrix?

Kenne ich nicht. Was ist das?

Ein System, um Produktivität zu managen …

Okay, du meinst eine systematische Strategie, um

Aufgaben effizient fertigzustellen?

Exakt …

Verstehe. Nein, benutze ich nicht.

15. Warum hast du keinen eigenen Drink?

Ich arbeite daran. Ich befinde mich gerade in Verhandlungen,

um einen Deal für meinen eigenen

Tequila zu finalisieren.

16. Was ist wichtiger für den Erfolg: Talent oder

Arbeitsmoral?

Das geht Hand in Hand.

17. Wann stehst du morgens auf?

Wann immer der Anlass das von mir verlangt.

18. Was ist das Letzte, was du tust, bevor du

schlafen gehst?

Ich schließe meine Augen. (lacht)

19. Hast du irgendwelche Routinen im Studio

oder während des Schreibprozesses?

Das ist unterschiedlich und abhängig von der Session

und dem Song, der gemacht wird.

20. Was magst du lieber: live oder Studio?

Ich weiß beides auf seine Art zu schätzen.

21. Wie oft checkst du deinen Twitter-Account?

Täglich.

22. Welcher ist der wichtigste Song deiner Karriere?

Der nächste. (lacht)

23. Welcher ist dein Lieblingssong von dir selbst?

„About the Money“, „No Mediocre“ – beide.

24. Was ist dein Erfolgsrezept für Langlebigkeit?

Beständigkeit und Ausdauer.

25. Wer soll deine Klamotten tragen?

Coole Kids.

26. Kids?

(Überlegt) Ja, ich denke, coole Kids diktieren den

Markt. Wenn ich Kids sage, meine ich das nicht

auf das Alter bezogen. Mit coolen Kids meine ich

die Hipster der Gesellschaft.

27. Hast du je darüber nachgedacht, gebrandete

Gummibänder zu verkaufen?

Man, da sprichst du was an. Nein, habe ich nicht.

Ich habe meine eigene Modelinie gestartet und

andere Sachen gemacht, die zu der Zeit auf einem

sehr viel höheren Level stattfanden. Ich war so

erfolgreich und Geld kam von allen Seiten, dass

ich den hab auf dem Tisch liegen lassen. Ich habe

mich diesbezüglich von Lance Armstrong schlagen

lassen. Aber ich bin mir sicher, wir hätten da

mindestens 100 Millionen herausholen können.

28. Kaufst du noch Häuser in Bankhead?

Nein. Wobei, weißt du was, wir fangen wohl wieder

damit an. Wir haben eine Zeitlang aufgehört,

weil der Markt kollabiert ist. Für einen Moment

wurden die Preise für die Häuser von den Auslobenden

nicht unterstützt. Dann hat sich das

umgekehrt und die Häuser kosteten erheblich

weniger, als sie wert waren. Heute ist das ausgeglichen.

29. Was bedeutet Atlanta für dich?

Heimat.

30. Was denkst du über Young Thug? Wie groß

kann er werden?

So groß, wie er es sich selbst erlaubt. Er hat das

Talent. Bei ihm geht es nur noch um seine Arbeitsmoral

und Strategie.

31. Gleiche Frage zu Big K.R.I.T.?

Gleiche Antwort. Es geht um seine Strategie und

darum, wie er seine Skills ausliefert. Er ist definitiv

einer der Talentiertesten der neuen Generation.

32. Ist Kendrick Lamar der neue König des Westens?

„PHARRELL KANN GLÜCKLICHSEIN

HART AUSSEHEN LASSEN.“

Ja. Wobei, warte: Nein, ist er nicht. Dr. Dre ist immer

noch der König des Westens: Dr. „Billionaire“

Dre. (lacht)

33. Besteht die Chance, dich mal auf einer Produktion

von Dr. Dre zu hören?

Sicher. Wir reden immer mal wieder darüber. Ich

glaube, er startet „Detox“ erneut und will dafür mit

mir zusammenarbeiten. Und ich kann es kaum erwarten.

34. Gleiche Frage, anderer Produzent: DJ Premier?

Sicher. Weißt du was? Das werde ich machen.

35. Kannst du drei Rap-Künstler benennen, mit

denen du gerne arbeiten würdest?

Ich weiß nicht …

36. Snoop?

Mit Snoop habe ich schon diverse Male zusammengearbeitet.

Ich glaube, ich bin auf seinem

nächsten Album, was übrigens abgeht! Ansonsten,

ich weiß nicht – das hängt vom Song ab. Ich

möchte einen Song hören und dann darüber nachdenken,

welche Person am besten dazu passt und

auf diese Weise mit Leuten zusammenarbeiten. Ich

möchte nicht mit jemandem zusammenarbeiten,

nur weil er zurzeit angesagt ist. Wer auch immer

der Meinung ist, er ist der Beste in dem, was er

tut, und herausfinden möchte, ob das stimmt – der

sollte sich bei mir melden. Ich werde ihm zeigen,

was er hat.

37. Kannst du Künstler abseits des Rap nennen,

mit denen du gerne arbeiten würdest?

Stevie Wonder, Carrie Underwood, Lady Gaga.

38. Was gefällt dir an einem Mercedes Benz am

besten?

Die Technik und der Weg, wie die Vehikel sich von

Model zu Model entwickeln und wie integrative

Möglichkeiten gefunden werden, das Fahrerlebnis

zu verbessern.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 33


39. Kannst du dir vorstellen, mit einem Künstler

aus Deutschland zusammenzuarbeiten? Kennst

du Rapper aus Deutschland?

Ich kenne keine. Aber wenn sie dope sind, arbeite

ich gerne mit ihnen zusammen.

40. Was können sie tun, wenn sie mit dir zusammenarbeiten

wollen?

Scheiße, sie müssen mich finden. Dann können

wir versuchen, etwas zu arrangieren.

41. Dein Lieblingsrapper aller Zeiten?

2Pac.

42. Dein Lieblingsrapper aktuell?

(Überlegt) Das entscheidet sich zwischen Kendrick

Lamar, Drake, B.o.B. und Lil Wayne.

43. Dein Lieblingsproduzent aller Zeiten und aktuell?

Pharrell, DJ Toomp.

44. Pharrell aller Zeiten und DJ Toomp aktuell?

Ich denke, sie stehen beide auf einer Stufe. Wie

wär’s damit: Dr. Dre aller Zeiten, Pharrell und DJ

Toomp aktuell.

45. Wann können wir mit „Rodeo“ von Travis

Scott rechnen?

Alter, hör zu: Ich rede schon so lange auf ihn ein,

dass er sein Material verpackt und schön präsentiert

kriegt. Mein Mann, Alter, mein Mann. Er

hat eine Menge Inspiration um sich herum und

manchmal hält ihn das davon ab, die Sachen zu

tun, die er tun sollte. Aber die Musik ist immer herausragend.

Er wird nur manchmal so aufgeregt,

dass Dinge passieren, die fehl am Platz sind, was

die Uhr etwas zurücksetzt. Aber die Musik ist immer

herausragend.

46. Ist es möglich, echte Freunde im Musikgeschäft

zu finden?

Ja, sicher ist es das. Es ist schwierig, aber nicht

unmöglich.

47. In welchem Land außerhalb der USA hast du

die meisten Fans?

Keine Ahnung, hoffentlich Deutschland.

48. Was ist das Nervigste an Interviews?

Immer wieder die gleichen Fragen beantworten zu

müssen. (lacht)

49. Kannst du dir vorstellen, die Krone irgendwann

abzugeben?

Sicher, das kann ich mir auf jeden Fall vorstellen.

Da gibt es eine Menge Kandidaten, aber du musst

in ungefähr vier Bereichen ein bestimmtes Level

„DR. DRE IST IMMER NOCH DER

KÖNIG DES WESTENS.“

an Bedeutsamkeit halten, bevor du als König betrachtet

werden kannst …

An dieser Stelle unterbricht die nette Pressedame

von der US-amerikanischen Sony-Division

das Interview – die 15 Minuten sind um. Diskussionsspielraum

gibt es da keinen. Das macht aber

nichts, denn die letzte Frage lautete: Möchtest

du unseren deutschen Lesern noch irgendetwas

sagen?

34 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Interview: Dennis Kraus

Fotos: Robert Winter, privat

DIE HOHE FÜNF MIT

ELOQUENT & I.L.L. WILL

mit Eloquent und I.L.L. Will

Mit „Skizzen in Grau“ liefern der Wiesbadener Rapper Eloquent und der Hamburger

Produzent I.L.L. Will den Nachfolger ihrer EP „Skizzen in Blau“. In unserem

Kurzinterview sprechen die beiden über ihre Zusammenarbeit und ihre

Vorliebe für den Jazz. Zudem stellen sie klar, dass ihre „Skizzen“ eigentlich

weit mehr sind als, nun ja, Unfertiges.

Eloquent, I.L.L. Will, ihr habt im Herbst 2014 euer

Album „Skizzen in Grau“ veröffentlicht. Davor

gab es von euch bereits „Skizzen in Blau“. War

die Fortsetzung für euch zwangsläufig?

I.L.L. Will: Das kam eher aus der Lust heraus,

weil es mit „Skizzen in Blau“ schon so wunderbar

klappte. Und mit „Skizzen in Grau“ lief es noch

besser. Wir schickten uns die Songs hin und her

und nach dreieinhalb Wochen war das Album im

Kasten.

Eloquent: Dem kann ich noch hinzufügen, dass

wir eigentlich an einem anderen Projekt gearbeitet

haben. Das nennt sich „Jazz Knuckles“, da

arbeiten wir mit Julian Rogers aus Berlin zusammen.

Der hat allerdings parallel noch sein Soloalbum

fertig gemacht, sodass er seinen Teil für

unser Projekt nicht so schnell abliefern konnte.

Ich hatte meinen Part allerdings schon fertig und

war noch so im Modus, dass sich relativ schnell

herauskristallisierte, einen Nachfolger zu „Skizzen

in Blau“ aufzunehmen.

Dadurch, dass in dem Albumtitel das Wort „Skizzen“

steht, könnte, hat man die LP nicht gehört,

der Eindruck entstehen, es handele sich um etwas

Skizziertes, Unvollständiges. Warum habt

ihr nach „Skizzen in Blau“ weiter an dem Wort im

Titel festgehalten?

Eloquent: Die Titel beziehen sich unter anderem

auf meine Schreibweise. Die erste Demoversion

eines Songs steht bei uns jedenfalls meist ziemlich

schnell. Doch dann steckt Willy noch mal

eine Menge Arbeit in die Songs, sodass sie am

Ende nicht wie hingerotzt klingen. Ich finde aber

auch, dass ein Rapsong nicht notwendigerweise

einen Refrain, eine Brücke sowie einen A- und B-

Teil braucht. Es ist schön, wenn ein Song das hat,

aber es ist für mich nicht erforderlich, um schöne

Rapmusik zu machen.

I.L.L. Will: Vielleicht spielt da auch mit rein, dass

ich die unfertigen Demo-Stücke „Skizzen“ nenne.

Wenn ich ihn frage: „Was hältst du von dem

Beat?“, dann ist der natürlich nie ganz ausgearbeitet,

sondern nur eine Skizze. Ich hatte auch mal einen

Ordner mit ein paar Beats aus Jux „Skizzen in

Grau“ genannt – und ihm gefiel der Name.

Auf „Skizzen in Grau“ sind auf einigen Songs

auch Instrumente wie eine Bass-Klarinette oder

eine Querflöte live eingespielt worden. Inwiefern

ist euch das für eure Musik wichtig?

I.L.L. Will: Ich lade mir schon länger Musiker ein und

bitte sie, etwas zu meinen Tracks dazuzuspielen.

Für mich ist das sehr wichtig. Das Instrumental bekommt

so einen anderen Charakter. Das bringt einfach

mehr Dynamik rein, und darauf stehe ich total.

Eloquent: Das gibt dem Track eine neue Dimension.

Die ersten Sachen, die ich von Willy kenne,

waren von seiner „Nicht vollständig EP“ – und da

sind auch viele Gastbeiträge drauf. Deswegen war

es auch mir von Anfang an wichtig, Gastmusiker

dabeizuhaben. Allerdings ist das auch immer ein

Balanceakt. Wird es zu viel, finde ich das schwierig.

Ich liebe Livemusik. Und ich bin großer Rap-Fan –

und wenn ich ein Rap-Album mache, will ich am

Ende immer das Gefühl haben, dass es ein Rap-

Album ist.

Für die, die „Skizzen in Grau“ noch nicht gehört

haben: Wie klingt das Album?

I.L.L. Will: Es ist ein smoother, relaxter Sound. Ich

glaube, bei dieser LP ist es überwiegend Jazz gewesen.

Ich suche auch meistens in Jazz-Sachen.

Das ist irgendwie mein Ding. Ich liebe Jazz so sehr,

dass ich das auch bei meinen Hip-Hop-Sachen mit

einfließen lasse.

Eloquent: Das sehe ich ähnlich. Dass wir beide

Jazz sehr mögen, ist eine gute Basis der Zusammenarbeit.

Wir müssen nicht lange darüber reden,

in welcher Art von Musik wir nach Samples suchen.

Es gibt genug Künstler, die wir beide feiern

und von denen wir Platten zu Hause stehen haben.

Dadurch ist es alles recht einfach und deshalb geht

das auch alles so schnell.

In deinen Texten finden sich viele Battle-Rap-Passagen.

Hier und da streust du dann aber auch Persönliches

ein. Typische persönliche Songs sucht

man auf „Skizzen in Grau“ vergeblich. Warum

lässt du all das zusammenfließen, anstatt daraus

verschiedene Songs zu machen?

Eloquent: Das ist einfach meine Herangehensweise.

Ich habe das schon bei vielen Tracks gemacht

– auch welche, von denen man sagen kann, dass

sie einfach nur nachdenklich sind. Mit Seelenstriptease-Tracks

habe ich aber so meine Probleme.

Auch auf „Skizzen in Grau“ gibt es Momente, bei

denen ich Bedenken hatte, ob ich das so raushauen

kann. Denn das, was ich in meinem Zimmer

fabriziere und das, was ich mit den Leuten teile,

sind zwei verschiedene Dinge. Wenn ich ein Rap-

Album höre, dann will ich geilen Rap auf geilen

Beats hören. Wenn der Rapper dann noch etwas

zu erzählen hat, super – aber mir ist die Musik dann

doch manchmal wichtiger als der Inhalt. Ich persönlich

versuche da, eine Mischung zu finden, mit

der ich mich wohlfühle.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 35


TEXT: DENNIS KRAUS, ZDRAVKO MISIR

FOTOS: NIKO HÜLS

OZ

Der Hamburger Sprayer Oz

ist tot. Ein Nachruf.

36 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Oz ist tot. Er starb am Abend des 25. Septembers

2014. Offenbar war er gegen 22:30 Uhr von einer

S-Bahn der Linie S1 auf den Gleisen zwischen

den Stationen Hauptbahnhof und Berliner Tor erfasst

worden. Etwa eine Dreiviertelstunde später

hatte ein Bahn-Mitarbeiter die Leiche gefunden.

Neben ihr soll eine Sprühdose gelegen haben,

auf der Abdeckung einer Stromschiene am Fundort

befand sich zudem angeblich ein frischer Tag

von ihm. Warum Oz die herannahende S-Bahn

nicht hörte, die ihn erfasste, weiß man nicht.

Über einiges an Erfahrung dürfte er ja verfügt

haben. In den Medien ist von rund 120.000 Tags

die Rede, die Oz während seiner Sprayer-Karriere

auf den Wänden Hamburgs hinterlassen haben

soll. Subjektiv betrachtet sind es aber wohl mehr

als eine Million Zeichen wie die typischen Kringel,

Punkte, Smileys, Tags und Striche, die Oz

Mein Graffiti-Papa ist jetzt weg!!! Papa wurde

oft für seine freischaffenden Taten bestraft,

eingesperrt und verprügelt. Ich bin traurig.

Razor

in der ganzen Stadt, in jeder Straße, entlang der

Bahnstrecken und in den Tunnelanlagen hinterlassen

hat.

Seit 1977 soll Oz aktiv gewesen sein, schrieben

die Hamburger Tageszeitungen. Dem Autor

dieses Textes waren irgendwann Ende der

1980er-Jahre in Hamburg zum ersten Mal seine

Smileys aufgefallen, die er auf Verkehrsschilder

im gesamten Hamburger Stadtgebiet gesprüht

hatte – was jedoch nicht bedeuten soll, Oz wäre

nicht auch schon vorher aktiv gewesen.

Als Graffiti im klassischen Sinne wahrgenommen

hatte der Autor dieses Textes die Smileys

seinerzeit nicht. Mit den damals an vielen Wänden

zu findenden Parolen á la „Amis raus aus

Nicaragua“ waren sie aber ebenso wenig zusammenzubringen.

Dazu kam, dass die Smileys ob

Oz war für mich ein absolutes Phänomen, ich war

jedes Mal auf’s Neue fasziniert, wo er überall

seine Spuren hinterlassen hat. Der Einzige, der

den Titel Allcity verdient in Hamburg. Ein großer

Künstler ist von uns gegangen …

CanTwo

Das Erste Bild von Oz, das ich unglaublich fand, sah ich circa 1993 auf dem Weg zur Schule. Es war eine

etwa 30 oder 40 Meter lange Farbwurst, die so skurril war, dass mir fast die Augen rausgefallen sind. Ab

da war ich Fan. Danach wurde Oz visuell immer omnipotenter in Hamburg. Oz ist seit den letzten 20 Jahren

aus dem Hamburger Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Jeder kennt seine Bilder! Man stelle sich vor, man

ist das erste Mal als Tourist in Hamburg und fragt sich, wer das macht? Auf Dächern, Brücken, Wänden,

Stromkästen etc. – der reine Wahnsinn. Bei Wikipedia findet man ihn, in den Nachrichten ist er mehrfach

aufgetaucht, man kann Bücher kaufen und es gibt und gab immer Nachahmer. Mehr kann sich ein Sprüher

nicht wünschen. Im eigentlichen Sinne ist er ja kein klassischer Stylewriter, aber dennoch hat er wohl allen

gezeigt, was in ihm steckt. Wholecity zu sein, hat seit Oz wohl eine neue Bedeutung bekommen. Keiner ist

so allcity unterwegs gewesen wie Oz. Zu jeder Zeit, an jedem Ort in Hamburg sichtbar. Das bedarf wohl

keiner weiteren Erklärung. Der tragische, tödliche Unfall war fast zwangsläufig. Mit 64 Jahren kann ein

Graffitikünstler das Pensum und die damit verbundenen Anforderungen einfach nicht mehr bewältigen.

Sprühen ist gefährlich. Some people like him, most people hate him? Ist das so? Möge er in Frieden ruhen.

Cide

ihrer Omnipräsenz schon beinahe amtlich wirkten.

Dass hinter dieser unfassbaren Masse etwas

Illegales stecken konnte, war nicht vorstellbar.

Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre, als

der Autor dieses Textes dann etwas tiefer eingetaucht

war in die Graffiti-Welt, hörte er bald erste

Geschichten über diesen schon etwas älteren

Typen, der die Stadt mit seinen Smileys, seinem

Tag „Oz“ sowie seinen etwas surreal anmutenden

Farbflashes überzogen hatte.

Mit dem Graffiti, das einem Bücher wie „Subway

Art“ oder Filme wie „Style Wars“ zeigten,

waren diese Werke für viele damals allerdings

erst mal nicht in Einklang zu bringen. Oz hatte

irgendwie eine Sonderrolle in der Sprayer-Welt

der Hansestadt eingenommen.

Anfang der 1990er-Jahre hatte er außerdem

begonnen, diverse Wände von Gestrüpp und

Der freieste Künstler von allen, keiner hat ein

solch kompromissloses Werk geschaffen wie Oz.

Er hat Hamburg zu etwas Besonderem gemacht.

Tasek

Ästen zu befreien, um anschließend seine bunten

Farbflächen, die einige gerne Pizzateppiche

nannten, darauf zu sprühen. Er hatte sich einfach

neue Wände gesucht, um bestehende Pieces

nicht crossen zu müssen.

Auch suchte er den Kontakt zu den Writern.

Er betrachtete sich als deren Vorarbeiter, sagte er

immer. Damit meinte er, dass andere seine Bilder

gerne als Hintergrund für ihre nutzen könnten.

Auch geschah es manchmal, dass Oz an einigen

Bildern anderer Sprüher weitermalte und diese

mit einem Mal mit Hunderten von Punkten versehen

waren. Bei einigen Writern freilich hatte das

Wut ausgelöst.

Ende der 1990er-Jahre entstanden dann immer

abstraktere Formen, gemalt mit intensiven

Farbtönen, sodass Oz mehr und mehr Zuspruch

bekam – und zwar nicht allein aus der Graffiti-

Szene. Inzwischen bestand er dann auch darauf,

dass seine Bilder erhalten bleiben sollten.

Und auch als Mensch war er vollkommen anders

als die allermeisten Writer. Er war wohl immer

mindestens 20 Jahre älter als all die anderen

Sprayer der Stadt. Wenn man ihn traf, schimpfte

er manchmal über die „scheiß Bullen“ und die

„Sauberpolitik“. Was viele aber nicht wussten: Oz

war ein herzensguter Mensch, umweltbewusst,

Naturfreund mit Ornithologen-Ambitionen, sehr

hilfsbereit und ein guter Netzwerker. Er kannte

alle möglichen Leute in der ganzen Stadt aus

allen möglichen Bereichen. Auch nahm er jede

Veränderung der Stadt wahr. Immer wieder reinigte

er Wände von Moos, er säuberte von Writern

stark frequentierte Spots von leeren Dosen – und

war doch gleichzeitig der Sündenbock der gesamten

Stadt, wenn es um irgendeine Form des

Vandalismus ging.

Seinen Antrieb als Sprüher schöpfte er wohl

weniger aus dem Gedanken des Getting-up. Vielmehr

hatte Oz den grauen Flächen der Stadt seinen

ganz persönlichen Krieg erklärt. Eine graue

Wand schien etwas in ihm auszulösen. Das hieß

auch, dass er offenbar grundsätzlich keine Pieces

anderer Writer übermalte (seine waren dafür

öfter mal den Pieces anderer Writer zum Opfer

gefallen). Zudem war er in der Wahl seiner Spots

schlichtweg krasser als die meisten anderen. So

Ozozoz … Bis der letzte Kringel von der

Oberfläche getilgt ist, werden hoffentlich noch

Jahrzehnte ins Land gehen. Bleibt abzuwarten,

ob der Sell-out seiner Leinwände nicht früher

beginnt. Schützt seine Werke auf der Straße und

unterstützt nicht den Ausverkauf!

Regie, GMS

gut wie keine Wand war vor ihm sicher, egal, wie

unerreichbar sie auch schien. Und dafür, dass Oz

so gut wie nie Züge bemalte, sollte ihm der HVV

eigentlich auf ewig dankbar sein.

Mit der Zeit fanden sich in der Hamburger Writer-Szene

immer mehr Sprüher, die in irgendeiner

Form Kontakt zu Oz hatten. Einige Writer hatten

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 37


Kein Künstler zuvor hat jeweils sein Werk mit so

einer Ehrfurcht einflößenden Kompromisslosigkeit

betrieben. Jenseits jeder Norm führte hier ein

einzelner, zerbrechlicher Mann seinen Aufstand

der Zeichen. Hamburg hat nun einen seiner großen

Mahner verloren – und mit jedem Kringel, jedem

Tag oder Smiley, der entfernt wird, verliert sie ihr

unverwechselbares Antlitz.

Amit 2.OZ

den Kontakt wohl aus Neugier gesucht, andere

lernten ihn eher zufällig kennen. Entmystifiziert

hat ihn das nicht. Die Faszination, mit der man

auf das Phänomen Oz blickte, blieb auch nach

persönlichen Treffen. Und der Respekt vor seinem

Werk wuchs und wuchs. Writer, die aus dem

Ausland zu Besuch in Hamburg waren, hielten Oz

meist für eine Crew und fragten, wie viele Leute

das denn wären. Sagte man ihnen, dass das ein

etwas älterer Mann sei, glaubte einem das erst

mal niemand.

Trotzdem hatte er in der Graffiti-Szene nicht nur

Fans. Einigen Writern war wohl klargeworden,

Oz. Gelebter künstlerischer Widerstand in Reinform.

Fuck the Norm!

1010

dass sie selber vielleicht nicht mal fünf Prozent

von dem geschafft haben, was Oz geschafft hatte.

Er war einfach eine Malmaschine, die jeden

einzelnen Tag 100 Prozent gab.

Im Jahr 2009 erschien dann ein erstes, sozusagen

offizielles Buch über ihn. In dem Bildband

„Es lebe der Sprühling“, für das der Autor dieses

Textes die Redaktion

übernommen hatte, sind

etliche Oz-Bilder zu sehen,

dazu schildern einige

Prominente wie etwa Jan

Delay oder Peter Michalski

ihre Wahrnehmung

des Phänomens Oz. Zur

Releaseparty des Buches

fand in der Vicious Gallery

auf St. Pauli in Hamburg

eine Vernissage statt, bei

der zahlreiche von Oz gemalte

Leinwände zu sehen

waren. Im Gegensatz

zu Marina Abramovi war

der Künstler bei seiner

Vernissage allerdings nicht

zugegen. Wobei einige

Besucher beobachtet haben

wollen, wie ein dunkel

gekleideter älterer Mann

mit seinem Fahrrad das

Treiben in der Galerie aus sicherer Entfernung beobachtet

hat.

In der Aufmerksamkeit, die ihm nicht zuletzt,

wenn er wieder mal vor Gericht stand, zuteil

wurde, hat er sich jedenfalls nie gesonnt. Selbst

in kleiner Runde mochte er nur wenig über seine

Aktionen verraten. Für „Es lebe der Sprühling“

wurden mehrere Versuche unternommen,

Oz zu interviewen. Man saß zusammen, wählte

Fotos aus, die in dem Buch gezeigt werden

sollten, und unterhielt sich. Der etwas wirre

Eindruck, den Oz dann und wann bei flüchtigen

Graffiti ist nichts für die Ewigkeit: Das Leben ist

endlich. Aber Großes, wie Oz es schuf, bleibt in

den Köpfen der Menschen und in den Straßen

Hamburgs. Ein Lebenswerk. Ruhen Sie in Frieden,

Herr Fischer!

Caber One

Aufeinandertreffen machte, war verschwunden.

Er sprach deutlich und überlegt und fühlte sich

offensichtlich wohl. Sogar einige wenige Details

zu seinen Aktionen ließ er sich beim Fotosgucken

entlocken. Doch als dann das Diktiergerät auf dem

Tisch lag, passte er. Er sei müde und würde lieber

Ich kann mich noch genau erinnern, wie meine

Oma, die wirklich kein ausgewiesener Graffiti-Fan

ist, mir einmal sagte, wie schön sie es findet,

dass die Stadt überall die Smileys auftragen lässt,

damit alles etwas netter und bunter wird. Auf die

Anmerkung, dass die Stadt vielleicht gar nicht der

Auftraggeber sei, kam die Antwort, dass es anders

gar nicht möglich wäre, da die ja überall seien,

sogar mitten im Hauptbahnhof.

Thomas, UP

38 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


nach Hause gehen, sagte er und schwieg.

Stand er wegen seiner Sprüherei vor Gericht,

was nicht selten passierte, gab Oz gerne den Buhmann

der Gesellschaft, den Ausgestoßenen, den

Ungeliebten, die Randfigur. Die Autoritäten der

Stadt sollen zudem wenig zimperlich mit ihm umgegangen

sein, während Oz selbst Gewalt wohl

so fremd war wie die Idee, dass eine graue Wand

Waldi, alter Knaller, ich vermisse dich schon jetzt.

Du warst einfach ein geiler Typ. Wie habe ich

deinen gesamten Stuff und deine Art gefeiert, wie

feier’ ich es jetzt noch. Eigensinnig, entschlossen,

unbeugsam, wütend, dagegen. Meine Fresse, hast

du abgewaltert. Alles zugeknallt, was nicht nietund

nagelfest war. Du warst eine Ein-Mann-Armee.

Ein Nonstop-Bomber. Dabei so eigen und bescheiden.

Hast dich nicht unterkriegen lassen und mit

den ganzen Wichsern auf deine Art abgerechnet.

Geil!

Danke für alles! Fuck the Norm – es lebe der

Sprühling.

ZZTop

einfach grau bleiben sollte. Er kassierte mehrere

Haftstrafen für sein Treiben, was ihn nie davon abbringen

konnte, wieder zur Dose zu greifen, sowie

er in Freiheit war.

Auch soll es vorgekommen sein, dass zum Beispiel

die U-Bahn-Wachen ihm auflauerten und ihn

(vor den laufenden Überwachsungskameras in

den Bahnhöfen) misshandelten. 1999 soll er von

der Hamburger S-Bahn-Wache fast zu Tode geprügelt

worden sein.

Trotzdem blieb er unermüdlich. Eine der vielen

urbanen Legenden über ihn besagt, dass er

mal bei einer Aktion unweit des Hauptbahnhofs

geschnappt und von der Polizei mit auf die Wache

genommen worden sei. Und kaum hatten sie

ihn wieder gehen lassen, soll er sich neue Dosen

besorgt haben, zurück zu seinem unvollendeten

Bild geradelt sein, um es fertigzustellen.

Oz’ Werk ist sogar in einem Hollywood-Film zu

sehen. In „Unknown Identity“ mit Liam Neeson,

der größtenteils in Berlin spielt, sieht man an

den Wänden immer wieder Oz-Tags. Ob die von

ihm selbst in Berlin gesprüht wurden oder ob

sich einfach nur ein Requisiteur, der eine urban

wirkende Kulisse bauen sollte, ein bisschen ausgetobt

hat, ist hingegen nicht überliefert. Seine

Signatur jedenfalls ging so um die Welt.

In den Augen der breiten Öffentlichkeit war

Oz oft aber doch nur ein Schmierfink, ein Sachbeschädiger.

Gleichwohl, zu diesem Eindruck

konnte man in den letzten Jahren kommen,

immer mehr Menschen auch einen nicht selten

klammheimlichen Funken Bewunderung für diesen

nicht aufzuhaltenden Sprayer aufbrachten.

Der Ausstellung in der Vicious Gallery folgten

weitere, vor allem die OZM Art Space Gallery in

Hamburg widmete ihm einiges an Aufmerksamkeit.

Die Lokalpresse berichtete und ganz langsam

ergab sich für viele eine neue Perspektive

auf das Phänomen Oz – nämlich die, dass es vielleicht

doch (Protest)-Kunst ist, was dieser Typ da

Tag für Tag, Nacht für Nacht durchzog.

Anfang 2013 hatte Oz einen schweren Unfall.

Er war auf einen etwa vier Meter hohen Strommast

gestiegen, um da auf einem Schild seinen

Tag anzubringen. Dabei wurde er von einem

sogenannten Lichtbogen getroffen und fiel vier

Meter tief auf das Gleisbett. Der Stromschlag

ging durch seinen Körper und platzte aus seinen

Füßen wieder heraus. Laut Ärzten würden neun

von zehn Menschen, denen so etwas passiert,

sterben. Oz überlebte.

Eineinhalb Jahre später starb Oz dann doch.

Wie es aussieht, wohl bei der Ausübung seiner

Leidenschaft. Seine Arbeiten werden, genau wie

er selbst, hoffentlich nie vergessen werden. Denn

beides war einmalig, und zwar weltweit. Und so

Es gab, gibt oder wird nie wieder einen Bomber

wie Oz geben. Oz war einmalig und das nicht nur

im Graffitikontext. Oz war dermaßen konsequent

in seinem Tun, was aus meiner Sicht ein Resultat

der gesellschaftlichen Kälte war, mit der er

augenscheinlich tagtäglich konfrontiert wurde. Ich

hatte die Ehre, ihn kennenzulernen, und da wurde

mir sehr schnell klar, dass diese Tag-Maschine ein

Ergebnis der Ablehnung unserer Gesellschaft war.

Dennoch hielt ihn nichts auf. Zum einen war er ein

Held, denn eine Person mit einer solchen Standhaftigkeit

sucht man verzweifelt in der heutigen

Welt und zum anderen ein zu bedauernder Mensch,

dem viel zu wenig Liebe entgegengebracht wurde.

Ruhe er in Frieden. Und hoffentlich erfährt er auch

ein wenig Wärme und wahrhaftige Wertschätzung,

wo immer er jetzt sein mag!

Fume

wurde im Oktober auf dem Friedhof in Hamburg-

Ohlsdorf ein liebevoller Mann verabschiedet, der

Hamburg ein ganzes Stück farbenfroher gemacht

hat und der wohl einer der krassesten Straßen-

Tagger der Welt war.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 39


INTERVIEW: MARK TODT

FOTOS: KANZLEI DR. GAU

„Graffiti ist die Flamme

des Prometheus“

Ein Interview mit

DR. GAU

Writer bekommen schnell Probleme, sind sie illegal nachts unterwegs. Der Staat mit seinen Gesetzen ist ihnen stetig

auf den Fersen, meist in Form der Sonderkommissionen der Polizei. Kennt man sich mit dem Strafgesetzbuch

gut aus, gibt es oftmals keine Probleme. Die meisten von euch Writern können jedoch gerade mal bis drei zählen.

Für die Leuchten der Szene gibt es Anwälte wie Dr. Patrick Gau – für die, die einfach nur Pech hatten, natürlich

auch. Der Verteidiger aus Dortmund haut sie alle raus, glaubt man dem Gossip der Straße. Aber auch er hat seine

Grenzen, und seien sie nur gesetzlich. Mittlerweile gibt es in fast jeder größeren Stadt mit einer halbwegs großen

Szene einen solchen Anwalt. Grund genug, Herrn Doktor Gau nach seinen Beweggründen zu fragen, warum ausgerechnet

Graffiti den Großteil seiner Arbeit ausmacht.

40 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Seit wann bist du als Anwalt tätig?

Seit etwa zehn Jahren. Mit einer Anfangsunterbrechung

von sechs Wochen ausschließlich als

Strafverteidiger. In den sechs Wochen, in denen

ich planmäßig für eine große Wirtschaftskanzlei in

Düsseldorf die Filiale schmeißen sollte, habe ich

gemerkt, dass ich ohne Strafrecht nicht kann. Also

habe ich das Handtuch geworfen und angefangen,

die Welt zu retten.

Was war der Grund für die Wahl Strafrecht?

Jeder hat etwas, was ihn antreibt. Was mich antreibt,

ist die Liebe zum Strafrecht. Ich habe als

Student schon freiwillig an kriminologischen Studien

teilgenommen, habe nach meinem Examen

aus purem Spaß weiter Strafrechtsvorlesungen

besucht und kurz danach in einem Jahr den Doktor

in Strafprozessrecht gemacht. Ich kann nur

Strafrecht, aber manche sagen, das ziemlich gut.

Sind Graffiti-Straftaten dein Hauptaugenmerk,

oder ist es dir egal, wen und wofür du verteidigst?

Ich mache nicht nur Graffiti. Graffiti ist meine Leidenschaft,

aber nebenbei Weißrussen zu verteidigen,

die von der Ukraine aus Banküberfälle in

NRW durchziehen, hat auch seinen Charme. Ich

mache fast alles an Strafrecht. Gestern kam jemand,

dem gewerbsmäßiges Handeltreiben mit

Kokain vorgeworfen wird, kurz davor einer, der zu

Weihnachten mit dem Messer ein bisschen sein

Arbeitslosengeld aufbessern wollte, kurz danach

ein Ultra, dem Landfriedensbruch vorgeworfen

wird. Alles hat seinen Reiz. Meine Grenze liegt bei

Kindern. Der Teufel soll mich holen, wenn ich mal

einen Pädophilen verteidige. Auch wenn derjenige

vielleicht unschuldig ist, ich wäre der falsche

Verteidiger, und das sage ich in solchen Fällen

auch deutlich.

Was an Graffiti findest du faszinierend? Und was

eher störend?

Ich finde die Kreativität vieler Maler beeindruckend.

Und ich bin überzeugt, dass Kreativität

einer der Hauptmotoren jeder Kultur ist. Die Studie

des Sachverständigen Florida hat doch zum

Beispiel für Hamburg gezeigt, dass eine Stadt den

Bach runtergeht, wenn die Kreativen flüchten. Maler

sind genau die Kreativen, die die Städte brauchen,

die Thinktanks der Moderne. Die Toleranz,

denn in der Crew ist es egal, ob dein Kumpel Moslem

oder Jude ist, ob er aus Italien oder Deutschland

kommt. Den Ehrgeiz – denn derselbe Typ, der

morgens nicht den Arsch hochbekommt, um zur

Arge zu gehen, ist nachmittags unterwegs, um zu

checken, zu planen, zu bunkern, zu malen. Graffiti

zeigt doch, dass all diese Skills in den Jungs stecken,

und dass es der Staat einfach nicht schafft,

diese Fähigkeiten zu fördern. Graffiti gibt es schon

immer. In Pompeji, in der Hagia Sophia, überall zu

jeder Zeit gab es den Wunsch der Menschen, sich

zu verewigen. Graffiti ist die Flamme des Prometheus,

die von Malergeneration zu Malergeneration

weitergegeben wird. Auf der anderen Seite

stört mich an Graffiti nichts. Rein gar nichts.

„WENN ICH ANFANGE, WIE EINE

KRÄMERSEELE ZU DENKEN, HÄNGE

ICH MEINE ROBE AN DEN NAGEL.“

Können legale Wände illegales Graffiti deiner

Meinung nach stoppen, oder gibt es generell eine

Methode, um Graffiti zum Erliegen zu bringen?

Ich glaube nicht, dass legale Wände Graffiti stoppen

können. Was meinst du? An der Hall übst du

Skills, genießt das Bier und den Grill, aber nachts

im Schacht zu stecken, ist damit nicht vergleichbar.

Und das ist es ja, was die Jungs nachts suchen.

Eine harte Strafverfolgung, wie zum Beispiel

in Bayern, führt schon dazu, dass den Malern für

einen gewissen Zeitraum die Luft ausgeht. Aber

das ist ja, extrem gesagt, in totalitären Systemen

überall so. Ich bin trotzdem der Meinung, dass

Graffiti auch durch eine Nulltoleranzstrategie nicht

ausstirbt. So wie sich die Natur das Verlassene

Stück für Stück wiedererobert, bleibt die Idee bestehen.

Sobald die Strafverfolgung zurückgeht,

wird der Samen wieder keimen.

Gibt es ansonsten eine Methode, um Graffiti-

Sprüher zu entkriminalisieren?

Ja, eine Änderung des Strafgesetzbuches. Warum

darf jemand bis zu zwei Jahre ins Gefängnis

geschickt werden, wenn er das Aussehen eines

Gegenstandes verändert? Warum darf seine komplette

Zukunft verbaut werden? Das ist falsch.

Graffiti ist in der momentanen Gesellschaft nicht

en vogue, einverstanden. Aber mehr als eine Ordnungswidrigkeit

sehe ich da nicht.

Kannst du deine Klientel in ein paar Worten charakterisieren?

Eloquent. Kreativ. Gebildet. Neugierig.

Was rätst du einem frisch verhafteten Sprüher?

Wie sollte er sich verhalten, um strafrechtliche

Schadensbegrenzung zu erlangen?

Klappe halten. Nichts zustimmen. Mich anrufen.

Durchatmen, eine Kippe rauchen, einen Kaffee

trinken und zusammen nüchtern an die Sache

rangehen.

Was sind deiner Meinung nach die größten Fehler

bei den Ermittlungen der Polizei?

Es gibt so viele Fehler. Willkürliche Durchsuchungen

ohne Beschluss. Ungenauigkeit in der

Spurensicherung. Mangelnde Präzision in der

Auswertung. Der Wunsch nach Verurteilung, was

in den Aktenvermerken deutlich wird und mir

die Möglichkeit lässt, an der Objektivität zu zweifeln.

Sollte sich das ändern, nehme ich es, wie es

kommt. Wächst mein Gegner, wachse ich.

Hast du Spaß daran, deine Klienten rauszuhauen

oder ist dir der finanzielle Aspekt wichtiger?

Ich habe tierischen Spaß dabei. Es ist schon ein

Messen mit den Ermittlungsbehörden. Wer weiß

mehr, wer hat die besseren Argumente, den dickeren

Stiernacken. Finanziell sind andere Delikte,

zum Beispiel BtM-Verteidigungen, natürlich

viel lukrativer. Aber das ist okay.

Gibt es Fälle, bei denen du dir die Haare raufst

und denkst: „Man, wie dumm kann man sich erwischen

lassen!“?

Sich erwischen zu lassen, kann jedem passieren.

Ich habe Maler von 14 bis 40, die richtig

erfahrenen Oldschooler. Auch die haben mal

Probleme. Aber manchmal frage ich mich, warum

man so viele Indizien zu Hause aufbewahrt.

Wenn man Fotos runterlädt und sammelt oder

andere Namen skizziert, warum hat man das alles

zu Hause? Ist doch klar, dass die Jungs von der

Soko annehmen, man hätte all das gemalt. Und

wenn man davon auch noch eine ganze Masse

zu Hause hat – mein Highlight waren 15.000 Datensätze

einer einzigen Crew zu Hause bei einem

meiner Mandanten. Dann packe ich mir schon an

den Kopf. Dann sehe ich viel, sehr viel Arbeit auf

mich zukommen.

Bezüglich der Rechtsprechung, was war bisher

das deiner Meinung nach gerechteste Urteil, bei

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 41


dem du mitgewirkt hast? Recht hat ja bekanntlich

nicht unbedingt etwas mit Gerechtigkeit zu

tun …

Allgemein? Ein Mandant hat mal der Polizei in Hagen

geglaubt, dass es besser wäre, alles rauszulassen.

Also hat er 120 Ankaufshandlungen von ein

paar Gramm Gras zum Eigenkonsum zugegeben.

In der ersten Instanz vor dem Schöffengericht gab

das ein Jahr und vier Monate. Nach einer erfolgreichen

Revision vor dem OLG Hamm nur noch

eine Einstellung gegen 600 Euro. Oder meinst du

im Graffitibereich? Ein Mandant einer bekannten

Crew aus Osnabrück hatte eine Kiste bemalt, den

Schaden trotz Armut wiedergutgemacht und war

seitdem strafrechtlich clean. In der ersten Instanz

bekam er eine Geldstrafe, nach Urteilsaufhebung

eine etwas mildere und nach erneuter Urteilsaufhebung

durch das OLG Oldenburg wurde zwar

festgestellt, dass er sich grundsätzlich schuldig

gemacht hat, es wurde aber von einer Strafe abgesehen,

und die Revisionskosten musste er auch

nicht tragen. Das fand ich gerecht. Wenn jemand

für das, was passiert ist, geradesteht, sollte man

nicht noch auf den eintreten, der am Boden liegt.

Ärgerlich zwar, dass wir zwei Jahre vor Gericht

standen, aber letzten Endes gerecht.

Ist es dir wichtig, die „großen Fische“ der Szene

als Klienten zu haben, oder ist dir das völlig egal?

Das ist mir egal. Ich verteidige jeden so gut, wie

ich kann. Ganz ehrlich. Wenn mir die Mutti eines

„kleinen“ Malers aus Nürnberg Wein als Dankeschön

schickt, bin ich genauso überwältigt, wie

wenn ich plötzlich ein Foto eines Window-Downs

von einem „Großen“ bekomme, wo steht: „Dr.

Gau saved our lives“.

Da Graffiti und die Hip-Hop-Szene zum Teil ja

auch von rechten Gruppierungen instrumentalisiert

werden, gibt es da für dich Grenzen bei

dem, wen du vertrittst? Sprich: Würdest du Nazi-

Writer vertreten?

Ich hatte noch nie so einen Fall. Meistens verteidige

ich die Jungs vom Schwarzen Block oder

die, die mir von der Roten Hilfe geschickt werden.

Aber ich bin grundsätzlich ein großer Fan unserer

Demokratie. Wenn ich gegenüber solchen Leuten

intolerant wäre, weil ich deren Intoleranz kritisiere,

ist das dann nicht Etikettenschwindel?

In den frühen Jahren der Szene gab es ja keine

Graffitianwälte – bist du der Meinung, dass es

nötig war, Anwälte mit einem solchen Schwerpunkt

zu haben?

Ja. Die Spezialisierung auf bestimmte Gebiete

bringt extrem viel. Wenn der Soko-Beamte im

Zeugenstand schon sagt: „Na, Sie wissen das

doch alles eh am besten, Herr Dr. Gau.“ Und man

dann seine Meinung als die eines sachverständigen

Anwalts präsentieren kann, ist das Gold

wert.

Hast du manchmal das Gefühl, da es nun Graffitianwälte

gibt, dass manche Writer das als eine

Art Freifahrtschein sehen, noch mehr zu machen

und aufs Gesetz zu „scheißen“?

Nein, sehe ich nicht so. Vielleicht ist es so, dass

ich jemanden länger vor dem Bau bewahre, als

wenn er keinen Anwalt hätte, aber aufs Gesetz

scheißen tut er trotzdem nicht. Das klingt ein

bisschen wie eine Soko-Argumentation. Maler

haben die Idee, am Gemeinschaftseigentum teilzuhaben,

indem sie Gegenstände mitgestalten.

Wenn mir der Staat eine Werbung vor meine

Wohnung donnert, muss ich das hinnehmen,

denn es bringt ihm Geld. Wenn ich aber Werbung

dafür mache, dass ich existiere, dass man

mich gefälligst wahrzunehmen hat, dass ich nicht

anonym bin, keine Nummer, dann bekomme ich

eine Strafe. Die Frage ist also eher, ist so ein Gesetz

gerecht oder nicht, nicht: Scheißt ein Maler

darauf?

Siehst du einen Sinn in dem, was du tust?

Merkt man das nicht? Ich bin immer ehrlich. Ich

komme aus dem Ruhrpott, aus Dortmund, habe

mein Herz auf der Zunge und mache aus meinem

Herzen auch keine Mördergrube. Ich stamme aus

einer Malocherfamilie, durch und durch. Da, wo

ich herkomme, hat man eine bestimmte Weltsicht.

Und wenn eine Wand mich davon trennt,

sie zu verwirklichen, spanne ich meine Nackenmuskeln

an. Das tut vielleicht kurz weh, aber ich

drehe so die Welt ein kleines Stück in die richtige

Richtung. Das ist der Sinn.

Inwieweit versuchen die Soko-Beamten, dich zu

instrumentalisieren? Bist du schon mal beschattet

worden oder Ähnliches? Die Verhältnismäßigkeit

wird bei Graffiti-Straftaten ja leider oft

sehr gedehnt …

Nein, wer das versucht, würde merken, wie wenig

dehnbar das Gesetz bei Anwälten ist. Ein Vorsitzender

eines Gewerbeausschusses in einer Stadt

hat es allerdings mal versucht.

Welche Writer findest du persönlich besonders

gut?

Does, Bond, Royal, Sweet, Kochkurs.

Dein Auftreten in den Medien, insbesondere in der

Werbung, erinnert immer schnell an Mafiafilme.

Siehst du dich ein wenig in einer solchen Rolle?

Oder denkst du, dass du damit mehr Klientel ansprichst?

Wirke ich auf dich so? Wie der Pate? Vielleicht bin

ich eher ein bisschen Consigliere, ein Kriegsanwalt.

Insoweit stimmt das. Ich sage immer, zwischen

mir und meinen Mandanten passt kein Stück Papier.

Ich nehme sie und ihre Sorgen ernst, jeden

einzelnen. Als ich noch Glatze trug, meinten alle,

das kannst du nicht machen, das schreckt alle ab.

Es war mir so was von egal. Wenn ich anfange,

„WÄCHST MEIN GEGNER,

WACHSE ICH.“

wie eine Krämerseele zu denken, hänge ich meine

Robe an den Nagel.

Kannst du Writern, die im Ausland gebustet wurden,

auch Hilfe anbieten?

Nur psychische. Ich kann im Ausland nicht als Anwalt

tätig werden. Ich überlege, das zu ändern, zumindest

im Bereich Schweiz und Österreich. Aber

die Hürden sind hoch und im Moment fehlt mir die

Zeit, die dafür nötigen Prüfungen abzulegen.

Welche Musik hörst du?

Vor der Verhandlung Clawfinger, Metallica, Kategorie

C. Nach der Verhandlung oft AkteOne. Beim

Grillen Too Strong. Mit meinem Mädchen abends

bei einer Flasche Rotwein Rachmaninov. Mit meinen

Kids beim Pölen oder Malen Gentleman. Je

nach Stimmung eben.

Was meinst du, wohin die Reise bezüglich Graffiti

noch geht? Wage mal einen Ausblick in die Zukunft!

Graffiti geht mehr in anderen Subkulturen auf. Ultras,

Antifas usw. Die individuellen Namen verblassen

mehr und mehr. Crews sind auf dem Vormarsch,

weil die Zuordnung schwieriger wird und die Zusammengehörigkeit

in den Vordergrund tritt. Am

Ende wird Graffiti aus dem StGB gestrichen. Die

Sokos werden wegrationalisiert und bearbeiten

Fahrraddiebstähle. Graffiti an semi-legalen Walls wie

an Ruinen oder alten Militärkasernen wird offiziell

geduldet.

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HELDEN?

Revolution, Rebellion, Widerstand. Ja,

los, wir lehnen uns gegen die bestehende

Ordnung auf und kämpfen gegen

das System. Mit Farben ballern wir

die Welt zu! Gemeinsam bringen wir

die durch Kapitalismus ungerecht gewordene

Welt ins Wanken. Gegen den Status quo

ankämpfen hat etwas Ehrenvolles und ist meines

Erachtens nach eine Tätigkeit, die getan werden

muss. In der heutigen Zeit erlebe ich allerdings

eine Entwicklung, die kann und will ich nicht gutheißen

und ich hoffe, ihr auch nicht.

Religiös fehlgeleitete Menschen ziehen in den

Krieg gegen die Welt, die mir zum Teil auch

nicht gefällt. Ich dachte immer, wenn sich jemand

gegen das Establishment auflehnt und

rebelliert, dann mache ich mit und man kämpft

schon für eine gute Sache, aber das ist hier

nicht der Fall. Radikale Islamisten sind im Endeffekt

nicht mehr als Faschisten. Ich will Helden,

die sich gegen das System auflehnen und mit

denen ich mich identifizieren kann und keine

langbärtigen Lemminge, die sich aufgrund der

Tatsache, dass ihnen 72 Jungfrauen im Jenseits

versprochen wurden, in den Heiligen Krieg ziehen.

Für mich bekommt da die Bewertung „Die

ticken nicht richtig“ eine völlig neue Bedeutung,

denn die ticken schließlich wie Zeitbomben.

Ach ja, und seien wir doch mal ehrlich, scheiße

aussehen tun sie noch dazu. Ähnlich diesen

Hipstern mit ihren Bärtchen und Jutebeuteln,

nur dass die niemandem Leid zufügen, mal ganz

vom Optischen abgesehen. Nein, ich bin nicht

von der Rasiermesserindustrie angeheuert worden,

das nur so am Rande!

Ein wahrer Held war Oz, ruhe er in Frieden!

Er machte sich nichts aus dem, was andere von

ihm dachten und er geierte auch nicht nach

schnödem Mammon oder Versprechungen

aus irgendeinem religiösen Buch. Er machte

und das mit einer Vehemenz, die ihresgleichen

sucht. Unscheinbar und dennoch auffällig. Er

lebte sein Ideal und wurde stetig missverstanden

und missachtet, dennoch machte er weiter.

Da konnte selbst eine Stadt wie Hamburg, der

es in erster Linie nur darum geht, nach außen

hin zu scheinen und finanziell dem Mainstream

angepasst zu sein, nicht gegen an. Oz sollte ein

Idol und eine Leitfigur für all die jungen Menschen

sein, die keinen Sinn mehr in der modernen

Welt sehen. Sie sind doch schließlich alle

ständig auf der Suche nach einem Kick. Nun,

ich denke, Oz hatte diesen Kick jeden Tag und

fühlte sich dabei gut oder zumindest ausgeglichen,

denn er ließ sich nicht unterkriegen. War

bei einem seiner letzten Interviews folgendes Zitat

schließlich anscheinend sein Lebensmotto:

„Lieber tot, als vor denen den Schwanz einziehen!“

Dennoch – oder gerade deswegen – hat er

niemandem wehgetan, außer sich selbst. Er

ging an seine Grenzen. Grenzen, die die Jugend

heutzutage vergeblich versucht, sinnvoll zu erschließen.

Da gehen manche Vollpfosten doch

ernsthaft los und köpfen Menschen. Au! Allein

der Gedanke daran tut in meinem Kopf weh!

Viele werden sich jetzt denken, dass man mit

ein wenig Farbe doch die Welt nicht verändern

kann, aber da liegt ihr falsch. Bisher haben nur

die friedlichen Revolutionen nachhaltige Effekte

erzielt, siehe Gandhis Feldzug gegen die

Kolonisten in Indien oder die Montagsdemonstranten

im ehemaligen Osten unserer Republik

– DDR ade. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Bei

einem friedlichen Protest rennt die Gegenposition

nur offene Türen ein und wird später ganz

nebenbei vereinnahmt. Schaue ich mir die Terroristen

von heute an, dann sehe ich die Leichen

von morgen und es hat sich nichts geändert –

Lebensziel verpasst! Oz hat es geschafft, die

Stadt an der Elbe nachhaltig zu verändern, denn

seine Zeichen werden auch noch in 100 Jahren

zu sehen sein, so up war er. An einen einzelnen

Dschihadisten erinnert sich doch schon seit gestern

keiner mehr und erst recht nicht mehr an

das, wofür er eintrat. Da ist unsere durch Disney

geprägte Gesellschaft viel zu schnelllebig für.

Und gerade deswegen bin ich manchmal der

Moderne dankbar, dennoch trete ich ihr kritisch

entgegen! Denn im Endeffekt sind wir Writer

jetzt alle ein wenig Oz!

In diesem Sinne

Euer alter, dreckiger F….

„Oz sollte ein Idol und eine Leitfigur für

all die jungen Menschen sein, die keinen

Sinn mehr in der modernen Welt sehen.“

56 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015



„Leicht soll es aussehen“

Im beschaulichen Mannheim traf

sich BACKSPIN mit Bums One, einer

wahren Ein-Mann-Armee. Ein Name,

der im Gedächtnis bleibt wie ein

Schlag ins Gesicht – sozusagen eine

mit Fatcap gesprühte Punchline. Es

kursieren Gerüchte, Bums sei eine

Crew, zum Gespräch erscheint jedoch

ein einzelner freundlicher

junger Mann …

INTERVIEW: OLIVER BARTELDS

FOTOS: BUMS

Ein Interview mit

BUMS

58 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Bums, als ich das erste Mal Pieces von dir sah,

dachte ich: Was ist das nur für ein selten blöder

Sprühername? Jetzt, wo ich dich als durchaus intelligenten

Menschen kennengelernt habe, frage

ich mich umso mehr: Warum wählt so jemand

wie du ein solches Pseudonym?

Naja, nachdem die Behörden meinen möchtegern-kometenhaften

Aufstieg in der Graffiti-Szene

beendet hatten, spielte die reine Verbreitung eines

Namens keine große Rolle mehr für mich, sodass

ich Namen immer dann gewechselt habe, wenn

mir die Ideen ausgingen.

Bums war Jahre später

der erste Name, mit dessen

Gesamtkonzept ich

zufrieden war. Die Buchstaben

liegen mir, fordern

mich aber auch immer

wieder heraus und

sind mir bis heute nie

spröde geworden. Das

U geht mir bis heute am

meisten auf die Nerven.

Das M liebe ich am innigsten.

Außerdem mag

ich die – wenn auch etwas

prollige – Verbindung zur

nur mit Fatcaps, da mit Skinnies das Kraftvolle

und Besondere an einer Dose total flöten geht

und ich auf feine Details sowieso kaum Wert lege.

Mir ist wichtig, dass man meine Bilder sofort versteht,

und nicht erst 100 Pfeile und Verbindungen

optisch entknoten muss. Schließlich male ich einen

Namen, keine geometrische Gleichung, und

ich will, dass die Buchstaben wirken, weil sie geil

sind, nicht weil sie vor etlichen Farben strotzen

und vor einem Grand Canyon oder gepimpten

Auto stehen.

gemacht. Man muss ja aber auch fairerweise dazu

sagen, dass ich selten länger als zwei Stunden

für ein Bild aufwende. Häufig ist es weniger. Und

wenn es die Flächen hergeben, mache ich auch

gerne mehrere an einem Tag, denn wie gesagt:

Wenn ich könnte, würde ich am liebsten die ganze

Zeit nur Outlines ziehen.

Kannst du dich noch an jede einzelne Session

erinnern? Oder hast du manchmal das Gefühl

„Jetzt reicht es, wieder nur eins fürs Buch“? Oder

„DIE HALL-OF-FAME-REALITÄT KOMMT DOCH HÄUFIG IN FORM VON

BEREITS HUNDERTFACH HERGENOMMENEN FLÄCHEN DAHER, DENEN

MAN IHREN DURCHGENUDELTEN CHARAKTER SOFORT ANSIEHT!“

Sexgymnastik, und die mit dem Namen einhergehende

Verwandlung, die eine Fläche durchmacht,

wenn sie „gebumst“ wird. Letzten Endes blieb der

Name plötzlich auch bei Leuten hängen, die primär

nichts mit Graffiti zu tun hatten, sodass „Bums“

beispielsweise auch mal auf der Gästeliste eines

Clubs auftauchte, was die Entscheidung noch erleichterte.

Wenn ich mir deine Pieces ansehe, gefällt mir

diese Lockerheit im Strich, die immer gute

Farbcombo und eine gekonnte Mischung aus

Fade-Background und grafischen Elementen.

Beschreibe doch mal selbst deinen Style!

„… die Lockerheit im Strich …“ – das ist ein tolles

Kompliment, danke! Leicht soll es aussehen,

so simpel wie möglich – was mir viel zu selten

gelingt –, schwungvoll, kraftvoll und farbenfroh

mit möglichst viel Swing sowie sich möglichst nie

wiederholenden Outlines. Daher male ich auch

Mannheim – Stylestadt. Wer hat deinen Style

geprägt, denn nach Vorbildern fragt man Herren

in unserem Alter nicht mehr – oder doch?

Basco fand ich immer geil, Beast unglaublich

erfrischend, innovativ und beneidenswert. So

richtig ins Nirwana geschossen hat mich aber vor

allem Scare. Was er Mitte bis Ende der Neunziger

in Mannheim abgezogen hat, ist für mich bis heute

Champions League und hat mich sehr beeindruckt.

Stichwort Einfachheit ... Scare. Top!

Du bist ja dafür bekannt, viel zu malen. Ich kenne

da zum Beispiel dieses Special mit 300 Pieces in

einem Jahr! Wie viel hast du denn in 2014 schon

gemalt?

Das waren wirklich viele, stimmt. Allerdings frage

ich mich bis heute, wie ich das gemacht habe beziehungsweise

was ich momentan falsch mache,

denn so viel habe ich danach nie wieder gemalt.

Im ersten Viertel dieses Jahres habe ich etwa 50

noch schlimmer – wieder das Gleiche, nur in anderen

Farben?

Das geht mir ständig so. Dann stehe ich da und

denke mir: Meine Güte, was ‘ne Gurke! Andererseits

macht es mir nach wie vor viel mehr Spaß, zu

sprühen, als zu zeichnen, sodass ich mir kurz nach

einem solchen Moment denke, dass das besser

geht – und male noch eins. Das Jetzt-reicht-es-Gefühl

habe ich bislang nicht. So lange ich mich nach

wie vor abends beim Einschlafen und morgens

beim Aufwachen beim Gehirn-Sketching erwische,

mache ich mir da keine Sorgen. An jede einzelne

Session kann ich mich spontan zwar nicht

erinnern, wenn ich die Fotobücher durchschaue,

kommen die Erinnerungen jedoch alle zurück.

Hast du ein Lieblingsbild aus den letzten Jahren?

Wenn ja, wie ist die Story dazu?

Zum Glück gibt es einige, die da infrage kämen.

Spontan fällt mir aber vor allem dieses an dem

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 59


Betonpfeiler aus Rumänien ein. Er ist für mich die

Erinnerung an einen meiner besten Urlaube bisher.

Ich war auf einer VW-Bus-Tour mit Rey611

und Kaot durch Osteuropa. An unserem zweiten

Abend in Rumänien hatten wir eine sehr unangenehme,

schon fast gruselige Begegnung. Umso

erleichterter waren wir am nächsten Tag, als alles

gut gegangen war. An diesem Fluss machten wir

Mittagspause mit Bier, Wassermelone, Sonne und

Mittagsschlaf. Kurz bevor wir aufgebrochen sind,

habe ich noch dieses Schnelle gemacht. Ich mag

es sehr, weil ich wohl – wenn ich könnte – am

liebsten fast nur so und an solchen Spots malen

würde. Das steht für mich sinnbildlich für eine unschlagbare

Zeit mit den beiden Jungs, und zudem

hat es eine sehr gute Resturlaubszeit eingeläutet.

Die vielen Abandoned Places, gerade in Osteuropa,

kommen deiner Malweise auch ziemlich

entgegen, oder?

Auf jeden Fall! Ich mag verlassene Orte, die eine

Geschichte haben und selbst ohne Foto schon

sehr beeindrucken. Außerdem können diese Orte

wie ein großer, leerer Zeichenblock sein. Ich sketche

nicht ernsthaft, kritzel’ eher viel und ständig

rum. In einem sauberen Gelände rumzulaufen mit

einem Beutel voll Farbe, ist, wie viele leere, weiße

Seiten Papier vor sich zu haben. Ausprobieren und

los. Die Hall-of-Fame-Realität kommt doch häufig

in Form von bereits hundertfach hergenommenen

Flächen daher, denen man ihren durchgenudelten

Charakter sofort ansieht! Ich bin mittlerweile auch

zu alt und realistisch geworden, um nicht in jedes

danach schreiende Gelände reinzurennen. Denn

wenn sich jemand auf den Schlips getreten fühlt,

können die Konsequenzen ähnlich unangenehm

sein wie bei allen anderen Untergründen. Umso

dankbarer müssen wir hier über unseren Schlosspark

in Mannheim sein, der zahlreiche Flächen

bietet, die selbst auf den zweiten Blick noch nicht

unbedingt nach Hall aussehen.

Wie sehr vermisst du Streetfiles? Früher gingst

du ja regelmäßig auf die Startseite!

Es hält sich in Grenzen. Klar hat es Spaß gemacht,

sich durch die Seiten zu klicken. Allerdings war irgendwann

dermaßen viel Schrott online, dass der

Spaß rapide nachgelassen hat. Dazu kommt, dass

viele Leute mit dem Mitmachinternet 2.0 nicht

umgehen können und das behütete Moment der

eigenen vier Wände erstaunlich viel Bullshit hervorbringt.

Vor ein paar Jahren im Januar hatte ich

nachts im Suff Sawone gefragt, was wohl passieren

würde, wenn ich jeden Tag ein neues Piece

hochladen würde. Gesagt, getan. Innerhalb dieses

Jahres hatte ich zwar über eine Million Klicks, allerdings

zu 99,9 Prozent von Typen, die ich natürlich

nicht kannte und deren Feedback für mich

daher quasi wertlos war. Erschreckend war vor

allem die Missgunst und gegen Ende des Jahres

der blanke Hass, der mir aus Unverständnis, Neid

oder was weiß ich in Form von Drohungen sowie

Feindseligkeiten aller Art entgegengebracht wurde.

So gesehen kann ich ohne diese Plattform gut

leben. Es war jedoch eine interessante Erfahrung.

Mich hat vor allem immer geärgert, dass andere

miese Handyfotos von meinen Sachen hochgeladen

haben. Welche Bedeutung hat eine gute

Fotokomposition für dich?

Hoch! Wenn ich mir einen Spot zum Malen suche,

achte ich in der Regel mehr auf das Drumherum,

„VIELE LEUTE KÖNNEN MIT DEM MITMACHINTERNET 2.0 NICHT

UMGEHEN UND DAS BEHÜTETE MOMENT DER EIGENEN VIER WÄNDE

BRINGT ERSTAUNLICH VIEL BULLSHIT HERVOR.“

60 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


als auf eine Fläche selbst. Ein noch so geiles Piece

kann schließlich durch ein liebloses Frontalfoto

völlig kastriert werden, wohingegen die Einbeziehung

der Umgebung so geil sein kann, dass aus

einem vergleichsweise normalen Piece ein absoluter

Kracher wird.

Wenn es eine Graffiti-Hall-of-Fame gäbe, und du

würdest aufgenommen – wen wünschtest du dir

als Laudatoren? Und warum?

Ursprünglich waren derart Halls ja mal für diejenigen

gedacht, die sich ihren Fame in allen Disziplinen

zu Recht verdient hatten: mit Tags, Throwups,

Trains, WCs, Line-Dingern und, und, und …

was auf mich ja gar nicht zutrifft. Für legales Graffiti

gibt’s keinen Fame, daher stellt sich mir diese Frage

nicht beziehungsweise ich werde nie zu Recht

in diese Situation kommen. Würde es um eine

simplere Form der Anerkennung oder eine Hallof-legale-Flächen-Anmaler

gehen und ginge es

dabei wesentlich um den Style, dann könnte ein

Laudator gerne Otis sein. Seit Jahren treibt mich

der Typ an den Rand des Wahnsinns. 19 von 20

seiner Sachen finde ich so geil, dass mir die Worte

fehlen. Ich kenne ihn jedoch nicht persönlich. Und

der menschliche Aspekt wäre in diesem Fall dann

doch mitentscheidend. Daher würde hierfür nur

Sawone infrage kommen. Ich bewundere ihn für

seinen sehr eigenen Style, seine Beharrlichkeit, Individualität

und Kontinuität. Ich feiere seine Pieces

und noch mehr seine Lebensfreude, Gesellschaft,

Loyalität und Freundschaft. One Love, Sawone …

es könnte daher nur er sein.

Apropos Liebe: Wann gehst du eigentlich mit

Sper eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein?

Das ist längst überfällig, allerdings hat er immer

noch keine großen Brüste, auf die ich nun

mal stehe. Andererseits bringt er ansonsten alle

Qualitäten mit, die infinitiv für unsere Heirat sprechen.

Wir werden dann noch eben schnell Toxic,

Rey611, Clash, Super6, Amit2.0, Dekay, Arsen,

Clue, Supe, Druck, Sem, Riseko und Yazem adoptieren

müssen, denn ohne die geht es nicht.

Im Ernst, er hat mir tatsächlich die Tür in die nordische

Welt und zu Menschen geöffnet, die ich unheimlich

mag, und die ich alle gerne viel öfter sehen

möchte, als ich kann. Ich vermisse euch alle.

Ständig. SperOne – Wahnsinnstyp, Inspiration.

Dynamite-Dolphin – Idol, Freund, Liebe. Hdgdl.

Hier ist noch Platz, Dankeschöns, Street-knowledge

und Grüße anzubringen!

1995 saß ich als kleiner Nullchecker im Schulbus

und hab’ vor mir den damaligen Chief-Hipster

in seinen freshen Airwalks gesehen, wie er die

BACKSPIN durchgeblättert hat. Ich hab’ die Pieces

darin gesehen, hab’ Stromkästen mit Tags gesehen,

ab da ging’s los ... daher freut es mich sehr,

dass ich in diesem Mag diese Seiten bekomme.

Danke. Sprühen hat mich in die Arme so vieler

Leute getrieben, die ich sehr schätze: Soldat, Noogat,

Crek, Cose, Zack, Zoolo …

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 61


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

INTERVIEW: SASCHA WEIGELT

FOTOS: OLE WESTERMANN

„Die politisch gezogenen Grenzen

haben wir nie anerkannt“

EIN GESPRÄCH ÜBER DIE

HIP-HOP-SZENEN IN OST

UND WEST ZU ZEITEN DER

WENDE

Storm

Kai Eikermann

Frank Salewski

Am 9. November vor 25 Jahren fiel die Berliner Mauer. Infolgedessen wurde nicht nur Deutschland wiedervereint.

Es trafen auch zwei Hip-Hop-Szenen aufeinander, die vorher kaum etwas voneinander wussten. BACKSPIN wollte

wissen, wie weit diese beiden Schauplätze auseinander lagen. Oder kannte Hip-Hop die Mauer, die Grenze zwischen

Ost und West, gar nicht? Wir baten Frank Salewski von den Stralsunder Melodics, die gerade ihr 30-jähriges Jubiläum

feierten, zum Gespräch. Mit Storm von der Kieler Battle Squad brachte Frank direkt seinen Gegenpol mit.

Electric Buddha Kai Eikermann konnte mit seiner Geschichte am meisten Gänsehaut erzeugen. A Real Dope Thing

und Rock da Most verschmolzen 1989 sofort zu einer Einheit. Wie das passieren konnte, erzählen Poise alias Waffel

sowie Runex. Mit Marc Hype taucht zudem ein Joker auf. War er doch der Einzige, der den Tag vor wie auch den Tag

nach dem Mauerfall auf den Straßen Berlins miterlebte. Das entstandene Gespräch hätte das Zeug zum Bestseller.

Hier eine Kostprobe.

62 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

PERFORMANCE

Wie habt ihr den Mauerfall erlebt?

Storm: Ich lief morgens zum Supermarkt. Dort

standen lauter Trabis mit Bananen und Blumen auf

den Motorhauben. Da war mir klar, was passiert

ist. In den Nachrichten erfuhr ich, dass so etwas

anstehen könnte, aber niemand rechnete damit.

Als es so weit war, habe ich mich natürlich gefreut.

Wir konnten Anknüpfung finden, weshalb Swift

und ich im Dezember 1989 gleich eine Jam organisierten.

Die Zulu Boyz kamen, Kartoffel von Break

Connection mit seinem Manager, Dieter Klarholz,

und einige Dresdner. Das hat richtig Spaß gemacht!

Frank, stand bei den Melodics in Stralsund das

Tanzen auch gleich im Vordergrund?

Frank: Am Tag der Maueröffnung war ich bei meiner

Armee-Einheit. Eine Woche später fuhr ich

nach Stralsund, wo sich die Melodics trafen. Kontakt

in den Westen gab es nicht, auch nicht mehr

zu den Wolgaster Zulu Boyz und den Rostocker

Crazy 7. Das kam erst mit der Wende zurück. Mit

Jens Ströming verloren wir bereits im Sommer

1989 einen guten Tänzer. Wir überlegten, wie es

weitergeht. Bei der Armee gab es keinen Platz zum

Tanzen. Ich war zu diesem Zeitpunkt also auch

nicht mehr aktiv. Deshalb übernahm ich das Organisatorische.

Die Vorwende-Melodics tanzten

gut ein Jahr weiter, bevor sie durch Arbeit und

Ausbildung auseinandergingen. 1992 fanden sie

sich durch Jokestar und SMC, die Musik machten,

wieder zusammen: Es kamen neue Tänzer, die bereits

1989 beim großen Workshop in Leipzig dabei

waren. Sie integrierten sich und schrieben die Geschichte

der Melodics fort.

Weshalb hast du den Kontakt zu Storm gesucht,

obwohl du nicht mehr aktiv warst?

Frank: Ich las seine Biografie, „Von Swipe zu

Storm“, in der er die Melodics erwähnte. Also

wollte ich ihn näher kennenlernen. Erst 2006 liefen

wir uns über den Weg. Battle Squad fingen parallel

zu uns vor 30 Jahren mit dem Tanzen an. Sie

zogen wie wir 1989 in die gesamtdeutsche Szene.

Ich bringe die Melodics in Stralsund regelmäßig

zusammen, um das Gefühl der Gemeinschaft, das

wir vor dem Mauerfall hatten, zurückzuholen. Dieses

Jahr war Storm dabei.

Waffel, du hast 1983 mit Musik begonnen?

Waffel: Ja, mit East Side Attack. Der Name wurde

verboten, weshalb wir uns Downtown Lyrics

nannten. Electric B & The Full Electric Posse aus

Dresden organisierten viel für uns. In der DDR hatte

nicht jeder ein Telefon. Also lief viel postalisch.

Runex, das war vermutlich auch in Westberlin der

Fall, oder?

Runex: Wir hatten überhaupt keinen Kontakt, wie

auf einer Insel. Rock da Most waren die ersten, die

man auf Jams nach Westdeutschland holte.

„IN DER DDR ERLEBTEN WIR DEN

ANGEBLICH NICHT EXISTENTEN RASSIS-

MUS. MAN NANNTE MEINE MUTTER EINE

NEGERNUTTE.“ (KAI EIKERMANN)

Waffel, was hast du gemacht, als die Mauer fiel?

Waffel: Ich graste jeden Turnschuhladen der Stadt

ab. Im Vorfeld war ich auf den Demonstrationen

dabei, durfte alles hautnah miterleben und eine

Nacht im Knast verbringen.

Wie erfuhrst du von der Jam, auf der du zwei Monate

später Roskoe trafst?

Waffel: Downtown Lyrics traten zur Wende mit

den Stereo MCs und Snap im Palast der Republik

auf, und Blacky war vor Ort. Er musste sich verpissen,

hatte Stress mit den 36 Boys. Wir suchten

einen DJ. Blacky stellte uns DJ Pumi vor. Gleichzeitig

kam das Angebot, in Zürich zu spielen. Wir

standen bereits 1988 mit den Stereo MCs in der

Berliner Werner-Seelenbinder-Halle auf der Bühne.

Blacky fragte, ob er uns nach Zürich begleiten

dürfe. So lernten wir Roskoe, Empire und Runex

kennen. Musikalisch waren wir genauso weit wie

sie, weshalb es keine Berührungsängste gab. In

der Schweiz saßen wir als einzige Ostler im Backstage,

neben Advanced Chemistry und den Fantas.

Und was machten die Stereo MCs? Sie setzten

sich zu uns. Das war natürlich ein Erlebnis.

Storm: Battle Squad waren ebenfalls dort, und

Downtown Lyrics, keine Ausländer. Die DDR war

vorbei, und wir waren keine westdeutschen Breaker

mehr. Die politisch gezogenen Grenzen erkannten

wir als solche nie an. Hip-Hop war unser

Ding! Der einzige Unterschied lag darin, dass wir

vor dem Mauerfall keine Verbindung aufnehmen

konnten.

Kai, du hast als Kind die DDR-Erziehung genossen,

bevor du mit zehn Jahren nach Ghana ausgewandert

bist. Wie war das, als du 1981 nach

Westberlin kamst?

Kai: Du fängst gerade mittendrin an. Neun Jahre

lebte ich in Ghana. Das war schon eine andere

Welt. In dieser Zeit war ich einmal zu Besuch in

der DDR, 1978. Mir wurde klar, dass ich in dieses

Land nicht mehr zurückgehen kann. Man hat uns

15 Stunden an der Grenze festgehalten, weil ich als

15-Jähriger nicht den Unterschied zwischen BRDund

DDR-Bürgern kannte. Bei Staatsbürgerschaft

schrieb ich nämlich „Deutsch“ hin. 1978 hörte ich

bei einem hochrangigen Parteimitglied, dessen

Sohn dennoch Westradio hörte, Kraftwerk. 1981

kam ich nach Westberlin, wo ich mich, wie in der

DDR, nicht willkommen fühlte. Tanzen war meine

Rettung. Als beim Jazzfest Wiggles und Fable auftraten,

bin ich danach die Potsdamer heruntergelaufen,

hatte meinen Walkman mit Kraftwerk auf,

und war völlig breit von dem, was ich gesehen

hatte. Mir war klar: Ich tanze weiter! Berlin war ein

schwieriges Pflaster. Das Einzige, was mich hier

hielt, waren wirklich das Tanzen und die Künstlerszene.

Die Künstler waren genauso schräg wie ich,

kamen aus dem Ausland und hatten keine Grenzen

im Kopf.

Der Mauerfall war also ein Befreiungsschlag für

dich?

Kai: Das ist für mich bis heute eine sehr emotionale

Geschichte. Meine Familie war getrennt.

Meine Mutter zog mit mir nach Ghana, um dort

zu heiraten. In der DDR erlebten wir den angeblich

nicht existenten Rassismus. Man nannte meine

Mutter eine Negernutte. Dahingehend gab es keinen

Unterschied zwischen Ost und West. Als die

Mauer fiel, war ich mit meiner Frau im Kino. Wir

kamen heraus, und da fuhren Trabis herum. Alles

hupte! Zwei Tage war meine Familie aus der DDR

zu Besuch. Unter Millionen sind wir den Kudamm

entlanggelaufen. Das war ein Gefühl! Neulich war

ich in Dömitz, wo die Elbe die Grenze war. Meine

Freundin aus Hessen fragte, weshalb dort alles

verfallen sei. Menschen hatten dort früher nichts

zu suchen. Alles, was bis zu einem Kilometer an

der Elbe lag, war Sperrgebiet. Die Trennung meiner

Familie sah nicht anders aus. Mein Vater brach

den Kontakt zu uns nicht ab und trat auch nicht

der Partei bei. Dafür wurde er nicht befördert. Auf

dem Geburtstag meiner Oma in Ostberlin traf ich

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 63


Marc Hype MC Poise DJ Runex

eine Cousine. Sie meinte, eigentlich dürften wir

uns nicht begrüßen. Sie freue sich aber, dass ich

da wäre. Ihr Typ war bei der Stasi und notierte

sich alles. Wir waren im Friedrichstadtpalast, wo

wir Tommy aus Dresden trafen. Boogie Wave

machten diesen Schein, den man in der DDR zum

Tanzen haben musste. Da wurde mir klar: Dieses

System wird zusammenbrechen! Es herrschte

Aufbruchstimmung. Manche meinen, früher wäre

alles besser gewesen. Du hast keine Ahnung!

Hat der Mauerfall auch heute noch eine Bedeutung

für euch?

Kai: Die Geschichte des Mauerfalls wird im Nebel

verschwinden. Meinen Kindern kann ich heute

nicht einmal mehr zeigen, wo die Mauer stand. Das

waren zwei Mauern, nicht nur eine! Heute gehen

die Leute zur Eastside Galery und sagen, das wäre

die Mauer. Das Ding war früher weiß! Da wurde

jede Katze erschossen, die sich dorthin verirrte.

Vor ein paar Jahren war ich in Korea. Den Koreanern

macht unsere Geschichte Hoffnung. Das war

eine Revolution ohne einen Tropfen Blut! In der

Wendewoche brach ich mein Studium ab, wollte

nur noch tanzen, und beschloss, meine Freundin

zu heiraten. Mein ältester Sohn wurde gezeugt, die

Mauer fiel. Großes Kino!

Storm: In Korea erlebt man, was heute wäre, hätten

sie 1989 die Maßnahmen verschärft, anstelle

dieser friedlichen Lösung. Ich war 20 Jahre alt,

als die Mauer fiel. Mein ganzes Leben drehte sich

ums Tanzen. Es gab nichts anderes! Je mehr Zeit

verstreicht, desto bedeutungsvoller wird die Wende

für mich. Fahre ich heute nach Wannsee und

komme in Dreilinden an, bin ich glücklich, dass

der Grenzübergang so einfach ist. Ich bin froh, die

Zeit damals miterlebt zu haben. Dadurch wurde

mir bewusst, was Freiheit und ein anderes Leben

bedeuten.

Waffel: Der Mauerfall wird nicht aus unseren Köpfen

verschwinden. Was bei Storm das Tanzen war,

war bei mir die Musik. Der Übergang war nahtlos,

mit einem großen Peng! Wir sollten das Erlebte

bewahren, und die gesammelten Erfahrungen

weitergeben. Mir hat der Mauerfall unheimlich viel

gebracht. Ich konnte plötzlich ausleben, was ich in

mir trug, und mich frei entfalten. Das möchte ich

nicht mehr missen.

Frank: Weihnachten 1989 fuhr ich völlig unwissend

nach Berlin und suchte die Grenze. Meine

100 D-Mark Begrüßungsgeld trug ich zu WOM. Die

Platten legte ich an der Kasse aber wieder zurück.

Das hätten meine letzten 100 D-Mark sein können,

weil sie Anfang des Jahres die Grenze vielleicht

wieder geschlossen hätten! Die Wende erlebte ich

in meiner Einheit. Also war es schwierig für mich,

Emotionen aufzubauen. Um mich herum war niemand.

In Berlin sah ich immer ein Stück der Grenze,

den Todesstreifen, Stacheldraht, Panzersperren,

die schneeweiße Wand mit den Kübel-Trabis

dazwischen. Ich bin froh, dass dieser Mist weg ist.

Die Wende hat jedem von uns etwas gebracht.

Marc Hype: Wir hatten unsere hübsche Grenze,

und alles war geregelt. Man ist abgeprallt von der

Mauer und hat sich zum Kloppen auf dem Kudamm

getroffen. Zwar konnten wir immer über

die Mauer, aber der Zwangsumtausch fiel weg.

Wir fuhren auch nicht über die Grenze, um Urlaub

„DIE HÜTCHENSPIELER ZOGEN DEN

LEUTEN IHR BEGRÜSSUNGSGELD

AB.“ (MARC HYPE)

zu machen. Allemal sind wir dort rüber, um Verwandte

zu besuchen. Westberlin reichte uns völlig

aus! Auf einmal war Neuland da, eine Freifläche,

ein anderes Land. Klar war das Deutschland, aber

ein anderes Deutschland. Mich interessierte nie,

was hinter der Mauer passierte. Auf einmal war da

etwas, was eigentlich nie weg war. Man fuhr einfach

rüber und schaute sich um. Als am Montag

64 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


die Geschäfte öffneten, war der Kudamm voller

Menschen. Die Hütchenspieler zogen den Leuten

ihr Begrüßungsgeld ab. Davon lebten sie, und die

anderen mussten lernen, mit dieser neuen Welt

umzugehen.

Runex: Wir hatten keine Ahnung, was es bedeutet,

wenn unsere große Leinwand, die Mauer, wegfällt.

Wir freuten uns und lernten die PDM-Posse kennen.

Eine tolle Zeit! Waffel lud uns auf eine Party

ein, auf der alle ihre alten Sachen anzogen. Voll

witzig! Zum Anfang der 80er starteten wir mit Musik.

Dann kamen Stresser auf die Jams: Jeder Bezirk

hatte seine Gang und wollte zeigen, dass er der

Beste ist. Drüben im Osten hatte ich dann plötzlich

wieder dieses Anfangsgefühl. Hip-Hop war wie

neu geboren! Die Leute waren friedlich, und wir

hatten nur ein Ziel: zusammen etwas aufzubauen.

Ich fand das total klasse, wie man uns aufnahm.

WMF, Tresor, die Globus Bar, das war wie im Wilden

Westen! Es gab den U-Club, den besten Hip-

Hop-Laden, den wir jemals hatten, mit Hype und

Domain. Heute ist alles wieder wie früher: überall

schauten sich an. Mir war klar, dass etwas passiert

sein musste.

Und wie kamt ihr in den Stau?

„ICH BIN FROH, DIE ZEIT DAMALS

MITERLEBT ZU HABEN. DADURCH

WURDE MIR BEWUSST, WAS FREI-

HEIT UND EIN ANDERES LEBEN

BEDEUTEN.“ (STORM)

Die Wende führte dich also von West nach Ost?

Runex: Ich war in Westberlin sehr glücklich, bin

in unserer kleinen Hip-Hop-Gemeinde völlig aufgegangen.

Als wir hörten, die Mauer wäre offen,

sind wir aus Wannsee zur Glienicker Brücke gelaufen,

um zu schauen, was los ist. Dort kamen

die Massen rüber. Wir waren begeistert, dass alle

wieder zusammen sind. Allerdings war uns das

zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. Wir

sahen nur, dass sich etwas Aufregendes tat. Natürlich

war es schade, dass unsere coole Mauer

nun weg war. Aber die Zeit danach, die neue Insel

Niemandsland, auf der neue Clubs öffneten, der

verschlossene Parzellen, und man kann nicht mehr

hingehen, wo man will.

Marc, du warst vor dem Mauerfall auf der Straße

unterwegs. Was fiel dir auf?

Marc Hype: Ich war viel auf dem Kudamm, mit

Straßenhändlern und Hütchenspielern. Einer von

ihnen war Tray DM, der Manager von Rock da

Most. Am 9.11. erzählte uns eine ältere Frau, die

Mauer wäre gefallen. Wir lachten sie aus. Dann

war dieses Gefühl der Unruhe, wie ich es später an

9/11 noch einmal erlebte. Keiner sagte etwas, alle

Marc Hype: Tray DM lud mich am Tag vor dem

Mauerfall mit Rock da Most auf eine Jam nach

München ein. Am nächsten Tag fuhren wir los.

Die Mauer war gefallen, und da standen wir: 200

Kilometer vor und hinter uns nur Trabis. Nichts

ging mehr. Wir spazierten über die Autobahn und

trafen Kai Eikermann mit TDB, die auch nach München

unterwegs waren. Mit alledem hatte niemand

gerechnet!

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 65


TEXT: SLEEPWALKER

FOTOS: SLEEPWALKER, SOFTUBE

SLEEPY’S WORLD

OF MUSIC @ BACKSPIN Console 1

Moin Moin und herzlich willkommen zu meiner neuen Rubrik „Sleepy’s World of Music“. Der eine oder

andere kennt mich vielleicht unter dem Namen Sleepwalker, mit dem ich als Produzent einige Songs

zur deutschen Hip-Hop-Geschichte beigetragen habe. 1988 baute ich meine ersten Beats im Keller

meiner Eltern und zehn Jahre später fing ich an, von der Musik zu leben. Heute betreibe ich ein

kleines Studio mit dem Namen „twenty4seven“, ich produziere immer noch leidenschaftlich gerne

und doziere an der HipHop Academy Hamburg. Diese 25-jährige Erfahrung möchte ich ab jetzt mit

euch teilen und ich hoffe doch, dass wir uns regelmäßig hier lesen.

INFOKASTEN // SLEEPY‘S HISTORY

PRODUKTIONSCREDITS :

Samy Deluxe – „Weck mich auf“, Panjabi MC – „Jogi“, Xavas – „Die Zukunft trägt

meinen Namen“, Die Prinzen – „Ersatz“ u. v. a. m. // Mix-Credits: Bass Sultan

Hengzt – „Schmetterlingseffekt“, BOZ – „Ich brauch dich nicht“, Die Profis – „Boom

Bap“, Swiss – „Große Freiheit“ u. v. a. m.

MIX-CREDITS :

Bass Sultan Hengzt – „Schmetterlingseffekt“, BOZ – „Ich brauch dich nicht“, Die

Profis – „Boom Bap“, Swiss – „Große Freiheit“ u. v. a. m.

ch werde für euch aus einer alltäglichen

Studio-Perspektive heraus berichten und

versuchen, euch interessante Themen vorzustellen,

die uns nicht nur auf dem Papier mit

unserer Musik voranbringen werden, sondern sich

auch in der Praxis beweisen können. Diskutieren

können wir darüber dann auf meiner neuen Plattform

audio-praxis.de. Bitte teilt mir dort euer Feedback

mit und überschüttet mich mit Vorschlägen

und Anregungen, damit wir diese Rubrik für alle

nützlich gestalten können.

Bevor ich jetzt anfange, über die „Console 1“ zu

reden, möchte ich mich noch kurz bei Uwe und

Christian vom Audiowerk

bedanken, die mir

die Konsole zum Testen

bereitgestellt haben. Männers! Immer wieder ein

Traum mit euch!

WER SEID DAS IHR?!

Die „C1“ ist ein hochwertiger Hardware-Channelstrip-Controller,

der ausschließlich Software-

Plug-ins der Firma Softube kontrollieren kann.

Mitgeliefert wird ein von SSL zertifizierter Software-Channel-strip,

der den kompletten Umfang

des Controllers abdeckt. Da Softube mit zu den

Besten auf dem Plug-in-Markt gehören, muss es

nicht unbedingt schlecht sein, nur deren Software

benutzen zu können. Im Gegensatz zu anderen

Controllern haben alle Bedienelemente immer die

gleiche Funktion, was dem Workflow spürbar zugutekommt.

HARDWARE

Schon beim Auspacken wird klar, dass dieser Controller

auf keinen Fall in irgendeine Billig-Liga einzuordnen

ist. Softube umhüllt die „C1“ mit einem

knackigen Stahlmantel, spendiert mir 26 hochwertige

Drehregeler, 40 Tasten und sorgt mit mehreren

LEDs für ein 1A-Disco-Mix-Erlebnis. Alles ist

wunderbar beschriftet und schön übersichtlich angeordnet.

Optisch schon mal bombe, der Kasten.

SOFTWARE

Mit der Konsole zusammen erhält man den von

SSL zertifizierten legendären „SL 4000 E Channel

Strip“ (Low- und High-Cut-Filter, Gate/Expander,

66 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Black-Knob-EQ 242, Channel-Kompressor), der als

Hardware rund um den Globus in vielen Studios

zum Einsatz kommt. Ein Drive-Regler emuliert eine

harmonische Verzerrung, wie sie zum Beispiel

entsteht, wenn ein analoges SSL-Mischpult in den

roten Bereich gefahren wird. Zusätzlich kann noch

der Charakter der Verzerrung eingestellt werden.

Der „Transient Designer“ wurde von Softube emuliert

und vollendet für mich alles, was man für einen

kompletten Channel-strip benötigt.

DAS ERSTE DATE

Als ich die „Console 1“ bekam, steckte ich tief im

Album-Mix von Swiss’ „Große Freiheit“ und ich

mochte nicht gleich meinen Workflow komplett

umstellen, um – wie vom Hersteller gedacht – alle

Vorteile nutzen zu können. Für Experimente im

Studio war die Deadline einfach zu knapp bemessen.

Also insertierte ich ganz entspannt hier und

da mal die „C1“ und hantierte hier und da mal an

einigen Parametern umher. Und allein schon das

Gefühl, einen Software-EQ oder -Kompressor mit

Hardware-Reglern bedienen zu können, war von

Anfang an geil. Alles ging mit einem Mal schneller

und fühlte sich einfach nur gut an. Von Song zu

Song öffnete ich während des Album-Mischens

immer mehr Instanzen des Plug-ins und im Nu war

die „Console 1“ ein Hauptbestandteil meiner Mixe.

Hergeben wollte ich sie nun schon nicht mehr.

Vielmehr wollte ich sie, zusammen mit meinen

Avid-Mix-Controllern, als neue DAW-Steuerzentrale

nutzen.

PRAXISBEISPIEL

Am Beispiel einer Schlagzeug-Gruppe hier mal ein

Exempel, wie ich die „Console 1“ nutze und was

mir so gut an ihr gefällt. Ich beginne meine Mixe

eigentlich zu 99 Prozent mit den Drums. Als Hip-

Hop-Engineer empfehle ich das jedem von euch,

da der Beat nun mal extrem wichtig ist für unsere

Musik. Eine Drum-Gruppe bei dem Swiss-Album

sieht zum Beispiel so aus: Subkick, Kick, Snare,

Hi-Hats, Raum-Mikro 1, Raum-Mikro 2, Stereo-

Overheads. Ich insertiere das „C1“-Plug-in auf allen

Spuren, fange an, die Input-Level korrekt einzustellen

und mische mir die Verhältnisse mit meinen

Avid-Mix-Fadern ein wenig zurecht. Hier wäre kurz

zu erwähnen, dass bei mir die Software der „C1“

nicht die Cubase-DAW-Spurnamen automatisch

übernimmt, so wie es eigentlich sein sollte. Bockt

nicht, aber das ist nichts, was ein Update nicht

beheben könnte. Ich bearbeite also die Subkick

mit ein bisschen Low-Cut und einem extremen

High-Cut runter bis auf 100 Hertz. Die normale

Kick beschneide ich unten einen Hauch mehr und

ich fange an, damit das Gate einzustellen, um den

Rest vom Schlagzeug so weit wie möglich auszublenden.

Hier war einer der ersten Wow-Effekte

„ALLEIN SCHON DAS GEFÜHL, EINEN SOFTWARE-EQ ODER

-KOMPRESSOR MIT HARDWARE-REGLERN BEDIENEN ZU

KÖNNEN, WAR VON ANFANG AN GEIL.“

für mich, wie schnell ich da ans Ziel gelangte. Bei

dem SSL-Duende-Channel-strip-Gate, das ich davor

immer benutzt hatte, habe ich mich da einige

Male mies k. o. gefummelt. Bombe! An der Snare

mache ich ähnliche Einstellungen wie bei der Kick,

denn auch hier muss ich das Gate benutzen, um

die anderen Sounds etwas verschwinden zu lassen.

Die Hi-Hat beschneide ich unten herum extremer,

da ich dort eigentlich nichts an Frequenzen

brauche, und drehe zusätzlich gleich mal ein paar

Höhen bei zwölf bis 15 Kilohertz rein. Der SSL-EQ

klingt super und ich benutze ihn nicht nur, um störende

Frequenzen herauszufiltern, sondern auch,

um bestimmte Frequenzen hervorzuarbeiten (was

ich bei einigen anderen Software-EQs nicht empfehlen

würde). Bei dem Raum-Mikro 1 setze ich

das erste Mal den SSL-Channel-strip-Kompressor

an und stelle ihn so ein, dass er ordentlich zum

Rhythmus der Musik pumpt. Da ich das Glück

habe, mehrere Softube-Plug-ins zu besitzen, besteht

für mich die Möglichkeit, bei Raum-Mikro

2 den Kompressor individuell zu ersetzen. Hier

wähle ich meinen heiß geliebten FET-Kompressor

und fahr den Lachs bis an die Schmerzgrenze.

Bämm, Degga! Die Regler an der Hardware bleiben

dabei aber immer dieselben. An den EQs der

beiden Kanäle drehe ich nach Belieben, mit zum

Teil extremen Low- und High-Cut-Einstellungen.

Als Letztes bearbeite ich dann die Stereo-Overheads

mit einem Low-Cut zwischen 100 und 150

Hertz, komprimiere sie leicht und dämpfe am EQ

die Kick- und Snare-Frequenzen ein bisschen, um

meinen Solospuren mehr Präsenz zu verleihen.

Mit den Tastern an der Hardware schalte ich immer

wieder einzelne Kanäle auf solo, um hier und

da Feinheiten zu regeln. Den Drive-Regler betätige

ich immer wieder mal zwischendurch nach Lust

und Laune, um einzelnen Spuren mehr Charakter

zu verleihen. Die Drum-Gruppe steht jetzt erst mal,

und ich route alle Spuren in Cubase in eine neue

Audio-Gruppe, um dort wieder eine Instanz der

„C1“ auf die Summe legen zu können. Hier würde

ich dann wieder individuell einen Kompressor auswählen,

ihn zum Tempo der Musik einstellen und

mithilfe der Parallelkompression das Ganze ein

bisschen zusammenschweißen und druckvoller

gestalten. Der Rest ist Feintuning und verändert

sich sowieso im Laufe des Mixes noch.

FAZIT

Ich war lange nicht so begeistert von einem Gerät.

Durch die „Console 1“ kann ich meine Arbeit

übersichtlicher und entspannter erledigen, als

wenn ich nur mit der Maus umherklicken müsste.

Das kommt meinem ganzen Workflow zugute und

macht obendrein auch noch Spaß. Es gibt noch

Kleinigkeiten hier und da, die verbesserungswürdig

sind, aber die werden mit Updates sicherlich zu

beheben sein. Da bin ich mir sicher. Natürlich benutze

ich auch andere Plug-ins und werde es auch

weiterhin tun, doch ich kann sagen, dass Softube,

auch durch die „Console 1“, einen immer größer

werdenden Anteil an meinen Produktionen und

Mixen hat. Da noch weitere Channel-strips angekündigt

sind, freue ich mich schon auf interessante

Emulationen und andere Ideen dieser innovativen

Firma.

Ich möchte diese Kombination aus Hard- und

Software jedem empfehlen, der seine Musik auch

mischt. Für Mix-Engineers würde ich sogar so weit

gehen und sagen, dass sie sich das Teil unbedingt

zulegen müssen. Für diejenigen, die nur Beats basteln,

könnte es vielleicht zu viel des Guten sein,

und auch zu teuer. 800 Euro sind ja nicht gerade

wenig.

INFOS

Für mehr Details checkt: www.softube.com

Fragen und Feedback zu diesem Artikel hier:

www.audio-praxis.de

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 67


INTERVIEW: PHILIPP LEMBKE

Producer Spotlight

JUST BLAZE

Alter: 40

Wohnort: NEW YORK

Produziert seit: 1992

Favourite Break: Billy Squier: „The Big Beat“ – aber das kann sich morgen schon wieder ändern.

Favourite current Hip-Hop-Song: Ilovemakonnen: „I Don’t Sell Molly No More“.

Favourite Hip-Hop-Song you wish you had produced: Wu-Tang Clan: „Protect Ya Neck“.

Favourite Hip-Hop-Producer: Die Antwort auf all diese Fragen sollte

sein, dass ich keine Favourites habe. Ich bin ein Produkt von

all dem, was um mich herum war. Von Hip-Hop zu Soul,

Gospel, Pop bis hin zu Rap und Punk, New Wave. Es gibt

einfach zu viel gute Musik. Das kannst du so drucken.

Wenn mich Leute nach meinen Favoriten fragen, fragen

sie nach einer Person, die die absolut beste ist.

Ich kann das nicht machen, da ich nicht glaube, dass

es diese eine Person gibt. Sobald du denkst, du bist

der Beste, kommt jemand und ist besser als du. Meine

Einstellung ist: Vergiss den Besten, freue dich lieber

über jeden, der rauskam und was gemacht hat!

„MEINE PRODUKTIONEN MACHE ICH BESONDERS FÜR

DIE DJS. DARUM HABEN SIE IMMER EINEN GROSSEN

BUILD-UP UND DANN EINEN GROSSEN DROP.“

68 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Wie hast du mit dem Produzieren angefangen?

Hattest du einen Mentor?

Nein, meine Mentoren waren das Radio und die

Platten, die ich gehört habe. Seit meiner Kindheit

spiele ich schon Keyboards. Es gibt auch keinen

wirklichen Startzeitpunkt – Musik ist etwas, das ich

schon immer gemacht habe.

Du bist aber auch seit frühen Jahren immer

schon DJ gewesen. Inwieweit hat das dein Produzieren

beeinflusst?

Der Grund, warum ich auflege, ist: Ich liebe meine

Platten. Und meine Produktionen mache ich für

DJs. Also, natürlich auch für alle anderen, aber

besonders für DJs. Viele meiner Produktionen

haben einen großen Build-up und dann einen

großen Drop. Mit Absicht. Heute machen das ja

nicht mehr so viele, aber als ich ein Kind war und

Leuten wie Pete Rock oder Clark Kent auf 107.5

oder Chuck Chillout, Red Alert oder Marley Marl

– die ganze 80er-Jahre-Mixshow-Ära – zuhörte,

gab es immer Backspins mit den Anfängen der

Platten. Ich produziere in diesem Stil. Ich habe das

nicht bewusst gemacht, aber über die Jahre ist

mir klar geworden, dass ich schon so produziere,

dass DJs das cutten können. Deswegen platziere

ich ja auch meinen Namen an derselben Stelle auf

jedem Track direkt vor dem Drop, sodass man ihn

20-mal hören kann. (lacht) Das ist die Art, wie ich

mich zur Marke mache.

Und das machst du nach wie vor?

Ja, wenn es sich anbietet.

Wir befinden uns hier bei dir im Studio und hier

ist all dieses Equipment. Du hast ja auf einem

ASR-10 angefangen. Hast du noch ein Lieblingsgerät?

Mein Lieblingsgerät sind meine Ohren. Wenn du

die nicht hast, hast du gar nichts.

Hip-Hop war schon vor einer Dekade sehr produzentenorientiert.

Wie siehst du die Rolle des

Produzenten heutzutage?

Es ist noch mehr geprägt von Produzenten. Ich

denke, Leute wie Puff, Pharrell, Pete Rock – man

kann es wirklich zurückverfolgen. Leute wie Pete

Rock und Premier standen ganz vorne, da sie Teil

einer Gruppe waren. Jam Master Jay eher als DJ,

nicht so als Produzent, obwohl er viel kreative

Energie lieferte. Bei Gang Starr war es klar, dass

Premo die Platten produzierte, bei Pete Rock & CL

Smooth war es klar, dass Pete Rock produzierte.

Bis dahin wurde der Produzent ja nur als Beatmaker

angesehen. Dann kam Puff – er fasste keine

Drum Machines an oder programmierte, er war

mehr der Produzent im traditionellen Sinne. Er

übermittelte die Vision. Dr. Dre natürlich auch. Dre

ist wahrscheinlich der erste Superproduzent, der

auch von der breiten Masse wahrgenommen wurde.

Aber es hat wirklich bis zu der Ära von Pharrell,

Kanye und mir selbst gedauert, bis sie einen Produzenten

als eigenständigen Künstler angesehen

hat – mit der Ausnahme von Dre. Wir sind genauso

Künstler wie die Künstler, die wir produzieren.

In manchen Fällen wurde der Produzent sogar

größer als der Künstler. Man kann sich an eine

Tonne von Hits erinnern, die Pharrell für Künstler

produziert hat, die heute nicht mehr da sind.

Und er hatte gerade eines seiner größten Jahre.

Es gibt also definitiv eine Entwicklung in der Rolle

des Produzenten. Es ist großartig, und es gehört

weit mehr zu einer Platte als die Person, die auf

der Bühne steht.

Du hast mit den bekanntesten MCs in diesem

Game gearbeitet. Schaust du auch aktiv selbst

nach neuen Talenten?

Ich schaue nicht aktiv. Ich habe Leute, mit denen

ich arbeite, die das machen. Meine Einstellung ist

immer noch dieselbe und es ist egal, ob du ein

neuer Künstler bist oder etabliert, ob du Geld hast

oder nicht: Mag ich deine Musik? Das ist der entscheidende

Faktor.

Woran arbeitest du gerade?

An Auftritten. Die letzten zwei Jahre habe ich auf

vielen Festivals gespielt. Ich wollte eine Studiopause

machen, ich wollte raus. Es ist eine andere

Art, auf Menschen zu reagieren. Du siehst einfach,

was in den verschiedenen Teilen der Welt funktioniert,

und so kommst du frisch ins Studio zurück

und kannst die Musik auf ganz andere Weise wieder

angehen. Das einzige Projekt, was ich gerade

aktiv betreue, ist das neue Slaughterhouse-Album

für Eminem und Shady Records. Ansonsten toure

ich und habe eine gute Zeit.

Wie stehst du heutzutage zum Thema Sampling?

Wenn du ein gutes Sample findest, benutze es. Ich

sample nur in einem Fall nicht: wenn die Rechte

praktisch nicht zu klären sind. Man möchte einfach

nicht durch diesen Heartbreak gehen, wenn man

einen tollen Beat hat und dann feststellt: Oh, die

Rechte liegen bei den Beatles. Wobei, ich habe in

der letzten Zeit Songs gesamplet, die Paul McCartney

geschrieben hat, was ich normalerweise nicht

machen würde, da er so groß ist. Ich wusste es

aber nicht, bis der Song fertig war. Also haben wir

versucht, das Sample zu klären und er liebte es,

es war kein Problem. Man kann also nie wissen.

Gibt es noch jemanden, mit dem du unbedingt

arbeiten möchtest?

Nicht wirklich. Ich habe einfach Spaß gerade. Ich

liebe immer noch das, was ich da tue. Aber ich bin

jetzt an einem anderen Punkt in meiner Karriere,

ich habe meinen Beitrag geleistet, habe mein Geld

gemacht. Ich werde auch weiterhin beitragen und

Geld machen, aber ich muss es nicht erzwingen.

Für mich muss es einfach interessant sein und

Spaß machen. Es geht nicht darum, wie viel Geld

du hast.

Die Länge deiner Karriere ist beachtlich. Was ist

dein Schlüssel zur Langlebigkeit?

Es sind zwei Sachen. Zum einen: Höre auf das,

was gerade passiert. Sound verändert sich, da

die Zeit sich verändert. Aber du kannst immer die

Sounds nehmen und dein eigenes Ding daraus

machen. Viele Produzenten kommen mit ihrem

eigenen originalen Sound ins Spiel und dann passen

die meisten sich an. Manche kommen ohne

originalen Sound, aber finden ihren Sound. Wenn

du deinen Sound gefunden hast, finde Mittel und

Wege, deinen Sound im Jetzt zu behalten. Der andere

Punkt ist: Do good business! Es gibt Zeiten,

da habe ich drei Hits draußen, werde im Radio gespielt,

toure auf der ganzen Welt. Und dann gibt es

Zeiten, wo nichts geht. Aber dann kriege ich den

Anruf: Hey, möchtest du Musik für den „Ice Age“-

Film oder den neuen Sprite-Werbespot machen?

Diese Anrufe kommen natürlich wegen meinem

Talent und weil ich respektiert werde, aber ich

habe auch immer gutes Business gemacht. So

viele in diesem Geschäft haben ihr Ego als Antrieb

und sie treffen Entscheidungen darauf basierend.

Wenn man aber einigen Leuten falsch begegnet

ist, werden sie nach einer Weile nicht mehr mit

dir arbeiten wollen beziehungsweise es nur noch

tun, wenn sie es müssen. Ich bin lieber der Typ,

den du anrufst, weil du mit mir arbeiten willst. Wir

schaffen ein gutes Endprodukt und es gibt keine

Überheblichkeit. Ich werde dich nicht abziehen

oder dir den Arm verdrehen, damit ich mehr Geld

bekomme. Natürlich gibt es Situationen, wo es etwas

haarig wird, aber am Ende des Tages bleibe

ich dabei: Wenn du gutes Business machst, werden

sich dir immer Möglichkeiten bieten. Das ist

alles. Halte durch, verändere dich mit der Zeit und

mache gutes Business – und Leute werden immer

mit dir arbeiten wollen.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 69


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

INTERVIEW: TORBEN BOWM

FOTOS: NATIVE INSTRUMENTS

NEUES VON NATIVE

INSTRUMENTS

„Komplete 10 Ultimate“, „Komplete Kontrol“-Midi-Keyboard und „Kontrol S8“

Zum Weihnachtsgeschäft 2014 ließ Native Instruments sein neues Produktionsflaggschiff

vom Stapel. Und nicht nur das. Die Berliner Firma hat neben „Komplete 10 Ultimate“ nun

auch noch die passende Hardware im Angebot. Mit den „Komplete Kontrol“-Midi-Keyboards

lässt sich das umfangreiche „Komplete“-Bundle dann auch viel besser bedienen als mit herkömmlichen

Midi-Keyboards. Aber alles der Reihe nach.

omplete 10“ wiegt einiges, vor allem in

der „Ultimate“-Version, so viel gleich

vorab. Die reguläre Version beinhaltet

Software und Libraries in einem Umfang

von 130 Gigabyte. Verglichen mit

der „Ultimate“-Version scheint das aber plötzlich

schon wieder wenig. Sage und schreibe 440 Gigabyte

sind auf der Festplatte, die sich im Karton

der „Ultimate“-Version befindet, enthalten.

Darunter freilich eine Menge Altbewährtes, das

der vertraute Nutzer schon von vorherigen „Kompletes“

kennt – die „Reaktor“-Plattform mit ihren

wunderbaren Synthies, „Kontakt 5“ mit so wunderbaren

Libraries wie dem „Rickenbacker Bass“

oder den „Session Strings Pro“ und, und, und.

Selbstverständlich ist auch „Guitar Rig“ wieder

mit an Bord, hier nun sogar in der

5-Pro-Version.

Letzteres ist im Übrigen ein gutes

Testwerkzeug für all jene, die mal gucken

möchten, ob ihr Rechner noch

dem State of the Art entspricht. Kein

Sat-1-Ball oder eine endlose Sanduhr? Wunderbar.

Doch ein sich ewig drehender Sat-1-Ball oder

eine nicht weichen wollende Sanduhr? Dann ist es

Zeit für neue Hardware. So weit, so gut.

Kommen wir zu weiteren Neuheiten, die in

„Komplete 10 Ultimate“ zu finden sind. Da wären

nämlich zum Beispiel die auf der „Reaktor“-

Plattform basierenden Synthesizer „Kontour“ und

„Rounds“. Ersterer ist ein Phase-modulierender

Synthie, der organisch klingende Texturen genau

so erzeugen kann wie verzerrte Noise-Sounds.

Hervorzuheben ist hier die Performance-Ansicht.

Man hat direkten Zugriff auf vier Makro-Regler,

die jeweils mit mehreren Parametern verknüpfbar

sind. „Rounds“ wiederum basiert auf einer

analogen Sound-Engine und sorgt entsprechend

für eher warme und harmonische Wellen, die

eine FM-Engine sowie zweipolige Filter verbinden.

So erstreckt sich das Klangbild von glasklar

bis metallisch-verzerrt. Außerdem lassen sich mit

70 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa TECHNICS

dem Voice-Programmer acht Blöcke mit je vier

Zellen in 32 unabhängige Sound-Slots wandeln.

Individuelle Klangfolgen entstehen und fünf unterschiedliche

Voicing-Modi können auf die einzelnen

Slots verteilt werden. Auch hier wurde die

Performance-Funktion mit Makro-Reglern ausgestattet

und eine Verbindung zum Midi-Keyboard

über die Remote-Octave-Funktion geschaffen, die

das Arrangieren weiter vereinfacht. Und der eingebaute

LFO erlaubt die Integration der „Rounds“-

eigenen Effekte für jeden einzelnen Sound.

Ebenfalls neu ist der Drum-Synthesizer „Polyplex“.

Acht Stimmen und die Möglichkeiten

kreativen Layerings in Verbindung mit Randomize-Funktionen

führen zu unvorhersehbaren

Kreationen. Ist ein Sound gefunden, können alle

vier Layer jedes Sound-Slots weiter bearbeitet

werden. 18 Effekte können über einen Envelope-

Follower integriert werden und tun ihr Übriges

dazu.

„Drumlab“ ist ebenfalls neu in „Komplete 10“.

Hier besteht die Möglichkeit, über eine vergleichsweise

übersichtliche Oberfläche synthetische

Drums mit analogen Drum-Sounds zu kombinieren.

Zudem soll „Drumlab“ perfekt auf die Arbeit

mit „Maschine“ abgestimmt sein.

Die „Kontakt“-Plattform bietet in „Komplete 10

Ultimate“ nicht nur Bewährtes wie die gesamte

„Scarbee“-Bass-Palette, die „Abbey Road“-Drum-

Collection oder „Session Strings Pro“. Im Gegensatz

zu „Komplete 9 Ultimate“ kommen die

„Session Horns“ nun als „Session Horns Pro“ mit

deutlich mehr Artikulationsmöglichkeiten daher.

Neu für „Kontakt“ ist auch „Action Strikes“, dem

man „gewaltige orchestrale Drum-Sounds“ entlocken

kann. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch

das neue „Rise & Hit“-Instrument für die leichte

Kreation ausdrucksstarker Build-ups.

Die enthaltenen Studioeffekte kriegen den „Supercharger

GT“ als Röhrenkompressor an die Seite

gestellt. Neu ist auch der auf der „Reaktor“-Plattform

basierende „Molekular“ mit 35 verfügbaren

Effekten, die in ein eigenes, modulares System

integrierbar sind. Als Sahnehäubchen kann man

ein Morphing-Field definieren und vier Master-

Modulationen sowie eine Center-Position festlegen.

Das Verschieben Letzterer sowie das Blenden

zwischen den Koordinaten ist der Grundstein

für eine Vielzahl von Variationen des Klangbilds.

Ein neues Feld, auf dem sich Native Instruments

schon im Segment des DJ-Equipments mit Erfolg

fortbewegt, hält nun auch in Form der „Kontrol

Keyboard“-Serie Einzug in die Studios. Ausgestattet

mit wahlweise 25/49/61 Tasten kann man

Midi-Keyboards mit erweiterter nativer Steuerung

für die „Komplete“-Kollektion erwerben. Angefangen

bei den Browse-Möglichkeiten über die

„Komplete Kontrol“-Software, die auf der einen

Seite als übergeordnete Steuerungsmöglichkeit

für die einzelnen Instrumente und Plug-ins

fungiert, auf der anderen Seite selbst ein Plugin

in der DAW der Wahl darstellt. Tag-basierte

Suchfunktionen erleichtern das Browsen. Zuweisungen

für die meistgenutzten Parameter der

einzelnen Instrumente wurden über Native-Map-

Technologie bereits voreingestellt, können aber

auch den eigenen Wünschen angepasst werden.

Die bekannte Farbcodierung wird über die Light-

Guide-Funktion des Keyboards verwirklicht. Seien

es die einzelnen Drum-Zellen in „Battery 4“ oder

Tonleitern, Akkorde und Arpeggien – sie alle können

direkt oberhalb der Tasten als eine der bekannten

Farbabstufungen dargestellt werden. Die

True-Performer-Funktion eröffnet die Möglichkeit,

mit einer Taste ganze Akkorde zu spielen oder

Arpeggien zu triggern. Das ist über weitere Einstellungsmöglichkeiten

noch ausbaubar. Mit den

Touchstrips, die ebenfalls pre-mapped sind oder

sich individuell zuweisen lassen, hat man auch

hier Automationen, Warping oder Sound-Bending

per Fingerwisch verfügbar.

Für all diejenigen, die sich auf den verschwimmenden

Grenzen zwischen Produzent und DJ

befinden, sich jedoch eher letzterer Gruppe zugehörig

fühlen, ist der „Kontrol S8“ das neue Bollwerk

in Sachen Kontrolle über die DJ-Software

„Traktor“.

First things first: Native Instruments hat die Jogwheels

geopfert. An ihre Stelle treten mit ungleich

höherem Informationsgehalt zwei hochauflösende

Displays, die dafür sorgen sollen, dass der

angeschlossene Rechner nicht mehr die Augen

des DJs fesselt. Browsen, Effekt-Kontrolle, Remix-

Deck- oder Loop-Kontrolle sowie die Freeze-View

für den Freeze-Modus sorgen dafür, dass man den

großen Monitor nicht vermisst. Das auf den ersten

Blick erschlagend wirkende Design des „S8“ gehorcht

einer klaren Gliederung, die vor allem auf

Bedienbarkeit und Kreativität ausgelegt ist.

In der Mitte ist ein Vier-Kanal-Mixer vorhanden.

Neu ist die Möglichkeit, den Filter pro Kanal

an- oder auszuschalten. Das lästige Drücken von

Shift gefolgt von einem Drehen des Filter-Reglers

und folgendem Loslassen der Shift-Taste für eine

abrupte Änderung des Filter-Zustands kann nun

durch einfaches Drücken einer Taste erfolgen.

Der „S8“ kann durch seine Anschlüsse ebenfalls

als analoger Vier-Kanal-Mixer fungieren und Input-Signale

von Plattenspielern oder CD-Playern

aufnehmen, wie vom „Z2“ bekannt über die

„Traktor“-Mode-Buttons. Eingänge gibt es viermal

Cinch, zweimal Mikrofon sowie Midi-In und -Out.

An Ausgängen kommt mit Cinch, ¼“ Booth und

den Club-gängigen XLR-Anschlüssen alles zum

Einsatz, was gebraucht wird. Die Fader wurden

weiter verbessert und bieten nun mehr Schutz vor

den Gefahren eines langen Clubabends, wodurch

sie eine längere Lebensdauer gewährleisten. Zum

Austausch eines Faders muss angesichts der

Schrauben auf dem Front-Panel auch keine Seitenlange

ifixit.com-Anleitung gewälzt werden.

Beim Performen zeigt sich die Stärke des „S8“

ganz deutlich. Direkter Zugriff auf alle bekannten

und neuen Funktionen von „Traktor“. Die Remix-

Decks werden pro Deck zwar nur mit acht Zellen

repräsentiert, dafür fallen weitere Kontroller wie

ein „F1“ zum Beispiel weg. Die gleichen acht Pads

steuern in Track-Decks die Cue-Punkte an und

können für erweitertes Live-Rearrangieren auch

einzelne Slices im Freeze-Modus triggern.

Die Touchstrips ersetzen zahlreiche Funktionen

der weggefallenen Jogwheels suffizient,

indem sie die Möglichkeit zum Pitchbend geben

und Needle-Dropping/Track-Search sowie Vinyl-

Scratch-Emulation ermöglichen.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 71


Numark NV

Für Serato-User zeigt sich Numark mit dem „NV“ auf einem Weg, der Robustheit mit

Zugriff auf alle Funktionen vereint. Die Jogwheels sind vom Ansprechen und der

Bedienbarkeit her großartig. Die beiden gut lesbaren LCD-Displays bieten alle nötigen

Informationen, ohne auf den PC schauen zu müssen, und die Buttons ermöglichen ein

einfaches und ermüdungsfreies Mixen von bis zu vier Kanälen. Über die RGB-beleuchteten

Buttons kann man Samples, Cue-Punkte und Slices direkt ansteuern. Finger-Drumming ist

dank der Anschlagdynamik eine Freude. Bekannt sein könnten auch die berührungsempfindlichen

Regler für FX, EQs und Filter aus dem „NS7II“. Die Effekte von Serato werden

inklusive der zwölf exklusiven iZotope-FX mit dezidierten Reglern gesteuert. Die Jogwheels

sind aufgrund ihrer Bauweise in der Lage, sich an die äußeren Bedingungen hinsichtlich Temperatur

und Luftfeuchtigkeit anzupassen und stets mit adäquatem Ansprechen zu reagieren. So

kann das Jogwheel nicht nur zum Browsen und Scrollen, sondern auch zum präzisen Scratchen

genutzt werden. Passend zum (optionalen) Einsatz und Auftauchen des Sync-Buttons kann auch

dieser zum automatischen Beatmatching per Tastendruck verwendet werden. Oder man nutzt die

einfache BPM-Anzeige zur manuellen Anpassung von Songs. Als Ausgänge stehen Cinch und XLR

zur Verfügung, des Weiteren gibt es je einen 3,5/6,3 Millimeter Klinkenanschluss für Kopfhörer. Über

den AUX-Input oder Mic-Eingang können externe Signale eingeschleift werden.

Sugar Bytes Egoist

iZotope Ozone 6 Advanced

TECHNICS

PRODUKTE

Der „Egoist“ von Sugar Bytes ist ein Effekt-/Groove-Instrument und bietet die Möglichkeit, ein

Sample (bis hin zu einem ganzen Song) zu laden und es mit der eingebauten Drum-Maschine und

dem Bassline-Generator zusammen als eine Art simplifizierte DAW zu nutzen. Man nimmt sich

als Beispiel einen Song, den man gut findet, lädt ihn in den „Egoist“ und bestimmt die einzelnen

Slices wie Cue-Punkte. Dann kann entweder durch eine Randomize-Funktion eine unvorhergesehene

Abfolge generiert werden oder man programmiert seine eigene. Im Bass-/Beat-Tab fügt

man dem so erstellten Pattern eine Bassline und Drums hinzu, wobei hier das Augenmerk auf

Einfachheit und Bedienbarkeit liegt. Mit der nachgeschalteten Effects-Sektion können dann sieben

Effekte, die von „Effectrix“ oder „Turnado“ bekannt sein könnten, in wunderbar animierter Art und Weise den Spuren zugewiesen

werden. Hier und im Song-Sequencer kann die Random-Funktion erneut zu unerwarteten Ergebnissen führen. Mit dem Slice-Keys-

Feature können programmierte Patterns auf einem Keyboard live rearrangiert oder per Sequencer die erzeugten einzelnen Patterns

zu einem neuen Song verbunden werden. Als Performance-Oberfläche kann dann auf das „Egoist“-Tab zurückgegriffen werden,

der den Zugriff auf die wichtigsten Funktionen erleichtert.

Demo für 30 Tage unter: www.sugar-bytes.de/content/download/demo/index.php?lang=de

In einem vollkommen überarbeiteten Gewand stellt sich iZotopes Mastering-Tool „Ozone“

in der Version 6 vor. Die Gestaltung des eigenen, gewünschten Sounds soll damit verbessert

werden, ebenso wie der Workflow bei der Nutzung der einzelnen Funktionen. Neu sind

mehrere EQ-Filterkurven, die den Hardware-Baxandall-Tiefen- und Höhen-Filtern nachempfunden

wurden, ebenso wie die iZotope-typische, hochqualitative Neuauflage eines „Proportional-Q

Filters“ im API-Style. Die Bypass-Funktion wurde für den besseren Vorher/Nachher-Vergleich

optimiert, ebenfalls sind die Signalketten in der Standalone-Version ebenfalls

mit VST/AU-Plug-ins anderer Hersteller erweiterbar. Ein besserer Überblick über die Eingriffe

in das Signal wird über die Transient-Emphasis ermöglicht, wobei die klangliche Abrundung

des gewünschten Ergebnisses nun auch mit dem Exciter-Modus (Triode- und Dual-Triode-Modus), der Stereolize-Control und

verschiedenen Kompressionen über die variable Knee-Compression oder die Dynamics-Detection-Enhancements erfolgen kann.

Neue Presets in der Advanced-Version zeigen, wie all diese Features zusammenarbeiten. In der Advanced-Version kommt mit dem

Dynamic-EQ-Modul zudem ein EQ hinzu, der mehr oder minder eine Brücke schlägt zwischen der Präzision, die ein EQ bietet, und

dem Einfluss gepaart mit der Anpassungsfähigkeit eines Kompressors. Um sich annähernd ein Bild von den Möglichkeiten zu machen,

ist es ratsam, sich eine Demo-Version im Rahmen der Zehn-Tage-Trial-Version herunterzuladen.

72 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa PROMOTION

FARAH VINTAGE ist „Brit Chicì , den man mit Brands wie Fred Perry, Ben Sherman

oder Bench vergleichen kann und kommt aus dem Hause Perry Ellis, wozu auch

das bekannte Label Original Penguin gehört. Farah Vintage wurde bereits 1920

in den USA gegr¸ndet und besitzt seit den 1970er Jahren Kultstatus - insbesondere

in Groflbritannien. Dem UK ansässigen Brand gelingt eine Balance zwischen

Tradition und Zeitgeist. Durch die Verbindung von klarem Designs mit den

zeitlosen Traditions-Sportswear-Styles entsteht der für Farah Vintage typische

Look. www.farah.co.uk

Wie von PHILIPS FIDELIO zu erwarten, bietet

auch der neue M2L höchste Soundqualität

und ist zudem der erste Kopfhörer

mit Lightning-Anschluss. Mit leistungsstarken

40-mm-HD-Neodym- Magneten

als Lautsprechertreiber steht ein grofles

Dynamikspektrum zur Verfügung. Durch

das Design mit geschlossener Rückwand

wird aus gereifte Geräuschisolierung sowie

ein kontrollierter, dynamischer Bass

erreicht. www.philips.de

Absolute Präzision. Zuverlässigkeit in jedem Moment. Weltweit einsetzbar.

Attribute, die eine Uhr wie die neue GPW-1000RAF für die Piloten

der Royal Air Force unverzichtbar machen. So ist es kein Wunder, dass

für die erneute Zusammenarbeit zwischen G-SHOCK und der Air Force

auf die GPW-1000 zurückgegriffen wurde – dank Hybridtechnologie verarbeitet

sie sowohl GPS-Signale als auch Funkwellen und bleibt so an

jedem Punkt der Erde zuverlässig und exakt. Ihre Zugehörigkeit zeigt

die Limited Edition mit dem exakt gleichen Grauton des Gehäuses, den

die legendären Chinook Hubschrauber tragen.

www.g-shock.eu/de/uhren/premium/

Hervorgegangen aus der niederländischen

NGO Solidaridad, wollten die Gründer mit der

Etablierung von nachhaltig produzierter

Baumwolle den Denim-Markt einst revolutionieren.

Doch die groflen Player zeigten nur

wenig Interesse. Motivation genug für die

Macher von Solidaridad, um kurzerhand ihr

eigenes Label zu kreieren: KUYICHI. Seither

gilt die Marke als Pionier für nachhaltig produzierte,

hochwertige Denims.

www.kuyichi.com

Mit dem Military Blanket Pack widmet sich PALLADIUM diesen Winter speziell den Männern.

Inspiriert von klassischen Militärdecken erscheinen die Modelle Tactical Plus und

Pallabrouse Baggy Plus in einem spannenden Mix aus vegetarisch gefärbtem Glattleder

und gestreiftem Filz. Ebenfalls im Military Blanket Pack: Der Pampa Tactical WP für

Frauen und Männer aus hochwertigem, wasserfestem Leder. www.palladiumboots.de

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 73


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

INTERVIEW & TEXT: FREDERIKE ARNS

FOTOS: FREDERIKE ARNS, NIKO HÜLS, PETRA (HIP HOP KEMP)

Champion Sound:

„entas da Stage!“

Ein Interview mit

CHAMPION SOUND

Wie schaffen es fünf tschechische Jungs, mit ihrer Band Champion Sound 90er-Helden wie Diamond D oder Black

Moon dazu zu bewegen, mit ihnen aufzutreten? Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme, die erste Begegnung,

Stress bei der Generalprobe und Glückseligkeit nach dem Auftritt – unsere Redakteurin Frederike Arns durfte alles

miterleben.

74 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa MUSIC

22. August 2014. 14 Uhr. Hradec Králové, Tschechien.

Der zweite Festival-Tag des legendären Hip

Hop Kemp. Kaum wach. Irgendwie noch matschig

im Gesicht. Man hat den ersten Tag schon in den

Knochen. Hitze. Ein heruntergekommener, staubiger

Hinterhof in der Praska-Trida-Straße 686, weit

entfernt vom Festivalgelände. Alle anderen Festivalbesucher

schlafen sicher noch.

Man betritt einen Proberaum. Kein Unterschied

zu allen anderen Proberäumen dieser Welt: kaum

Platz, Schaumstoff-Dämmung an den Wänden, ein

rot-ranziges Sofa, Mikrofone, Gitarre, Bass, Schlagzeug,

Marshall-Verstärker und weitere Instrumente.

Es sieht nach Rock’n’Roll aus. Wenn da nicht die

beiden Turntables wären und ein Banner, auf dem

„Champion Sound“ steht.

Die Band Champion Sound ist Hip-Hop par excellence.

Vielleicht kann man sogar sagen, dass die

Mitglieder Radimo (Bandleader – Saxofon, Flöte,

Drumpad und Samples), Mrak (Gitarre), Watcha

(Bass), Gury (Schlagzeug) und Tomáš (Soundmann)

ein kleines bisschen wie The Roots aus Osteuropa

sind. Die meiste Zeit jedenfalls sind Champion

Sound die Haus- und Hofband der tschechischen

Hip-Hop-Instanz Prago Union. Sie haben schon mit

allen Künstlern, die in Tschechien oder der Slowakei

im Hip-Hop Rang und Namen haben, zusammengearbeitet.

Darüber hinaus sind sie viel in Europa unterwegs

und sorgen für die Breakbeats bei großen

B-Boy-Veranstaltungen wie Battle of the Year, The

Notorious IBE oder Juste Debout. Auch gewisse

Ami-Rapper können die Finger nicht von ihnen lassen.

Was liebt ihr an Hip-Hop und wie seid ihr darauf

gekommen, ihn als Liveband zu begleiten?

Tomáš: Ich liebe die einfache, klare Energie der

Beats. Und sehr gute Lyrics – wenn sie nicht von Autos,

Drogen und Bitches handeln.

Watcha: Ich liebe die Improvisation, wenn wir Tänzer

begleiten. Da kommt alles zusammen, was einen

guten Vibe erschafft: Musik, Lyrics, Tanz und Style.

Radimo: Die Idee von einer Hip-Hop-Liveband hatte

ich schon ziemlich früh. Ich lernte The Roots kennen,

der Inbegriff von Hip-Hop durch eine Band. Unser

Vorbild, auch wenn es uns fern liegt, sie zu kopieren.

Es gab auch noch andere Bands, die Hip-Hop live

gespielt haben. Das war aber nie das, was ich mir

vorgestellt, erhofft und gewünscht hätte. Seitdem

war es mein Traum, eine eigene Band zu haben, die

Hip-Hop-Künstler auf die Art und Weise begleitet,

wie ich es für richtig halte. Mein Traum ist wahr geworden

– Champion Sound gibt es seit 1997.

Was macht ihr denn anders als die anderen?

Radimo: Was uns von anderen unterscheidet, ist

die Herangehensweise. Man stelle sich ein klassisches

Orchester-Sample vor. Ganz viele Bands

würden es mit einem Streicher-Sound vom Keyboard

imitieren. Das ist schon ein bisschen grauenvoll.

(lacht) Wir hingegen diggen den Beat bis aufs

Äußerste, tauchen in ihn ein und analysieren ihn bis

ins kleinste Detail. Dann experimentieren wir und

schauen, wie wir am allernächsten an das Original

herankommen. Deswegen suchen wir auch immer

nach dem Original-Song und samplen diesen erneut

– wie der

Produzent es

selbst auch

schon getan

hat. Wir durchleben

also den

ganzen Sampling-Prozess

erneut. Wenn

wir auftreten, sind die Drums und der Bass immer

live. So stellen wir die Live-Energie in der Rhythmus-Sektion

sicher. Wenn es einen Gitarren-Part

gibt, bauen wir den auch noch ein. Wenn wir einen

Sound überhaupt nicht zuordnen können, ist die

Gitarre meistens in der Lage, ihn zu imitieren. Ähnlich

das Saxofon, die Flöte oder die Percussions.

Der Rest kommt dann entweder vom Computer

oder Drumpad. Also: Wir sind mit Sicherheit nicht

die beste Band, die Hip-Hop begleitet. Aber in unserer

Methode sind wir die Besten. Das verhilft uns

tschechischen Jungs dann auch dazu, dass wir die

Ehre haben, mit Leuten wie Diamond D oder Black

Moon zu spielen.

Mit Diamond D sind Champion Sound 2012

beim Hip Hop Kemp aufgetreten und danach mit

ihm auf Tour gegangen. Heute stehen das erste

Treffen und gleichzeitig die Generalprobe mit

Black Moon an.

Deswegen zurück in den Proberaum irgendwo

in Hradec Králové. Als stiller Beobachter

schleicht man sich auf das alte Sofa, um die

Musik auf sich wirken zu lassen. Man hört ein

waberndes, glimmerndes, fast wüstenartiges

Sample, die Gitarre macht „Düdeldüdeldüdeldüüü“

und der Bass geht schwerfällig immer

zwei Schritte nach vorne. Eine gehörige Portion

Jazz. Unverkennbar Black Moons beziehungsweise

Da Beatminerz’ Signature-Sound und das

Intro von „Who Got da Props“. Was für eine Willkommenshymne

für die BACKSPIN-Redakteurin

im Proberaum! Als sich der Beat vollends ausbreitet,

will man am liebsten aufspringen, weil

der Sound einen so gefangen nimmt. Champion

Sound haben nicht zu viel versprochen: Ihre live

gespielten Instrumentals sind von den Originalen

kaum zu unterscheiden.

Eine Sache fehlt aber noch: der Rap von Black

Moon. Bis jetzt haben sich Buckshot, 5ft und DJ

Evil Dee nicht im Proberaum blicken lassen, obwohl

sie laut Ankündigung schon längst hätten

da sein müssen. Typisch. Hip-Hop-Protagonisten

sind öfter zu spät. Sie befänden sich gerade noch

bei KFC – Lángos kennen beziehungsweise mögen

sie wohl nicht – und würden sich daraufhin

direkt auf den Weg machen. Nun gut. Genug Zeit,

um weiteren Instrumentals wie „Powaful Impak!“

„SIE KLINGEN GUT, SIE SPIELEN

GUT UND SIE SEHEN GUT AUS“

(BUCKSHOT)

oder dem Saxofon-Intro von „Shit Iz Real“ zu lauschen.

Weiteres Fachsimpeln auf Tschechisch –

nur Radimo kann fließend Englisch. Letzte Verbesserungen

an den Beats. Die Ruhe vor dem Sturm.

Auf einmal fährt ein Wagen vor. Und sie sind

da. Auf dem „Enta da Stage“-Cover ist nicht zu

erkennen, dass DJ Evil Dee tatsächlich so ein

Koloss ist. Seine mit einem Tuch aufgetürmten

Rastas verstärken diesen Eindruck noch. Die Körpergröße

von Buckshot und 5ft ist das genaue

Gegenteil. Sie hat man zwar klein, aber nicht so

klein – nahezu winzig – erwartet. Bizarr ist das

richtige Wort für diese erste Begegnung. Übliche

Hip-Hop-Begrüßungsformeln und -gesten, Smalltalk,

Sprachbarrieren. Die BACKSPIN-Redakteurin

muss von beiden gemeinsam posierenden Bands

Fotos machen. Die einen fühlen sich wohl, die anderen

weniger. Buckshot drückt einigen Champion-Sound-Mitgliedern

neue Sneaker für das Foto

in die Hand. Die Preisschilder sind noch befestigt,

offenbar ist das sein neues Business neben Hip-

Hop …

Was ist euer Alleinstellungsmerkmal? Warum

wollen 90er-Größen wie Diamond D oder Black

Moon mit euch arbeiten?

Radimo: Schwierige Frage, da kann ich nur spekulieren.

Wie gesagt, unsere Interpretationen der

Beats liegen sehr nah am Original. Der andere

Grund ist sicher ein praktischer: Wir sind Europäer.

Wenn ein 90er-Rapper auf Tour geht, hat er

meistens nicht die finanziellen Mittel, eine ganze

Liveband einzufliegen. Wir leben in Tschechien

und sind nicht die Teuersten. Zudem erfordern

Instrumentals keine sprachliche Ebene – das ist ja

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 75


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

auch unser Vorteil bei Breakbeats für B-Boy-Veranstaltungen.

Um zu connecten, brauchen wir nur

das Feeling der Musik.

Wie leitet ihr die Zusammenarbeit ein? Das

stelle ich mir schwierig vor …

Radimo: Zuallererst überlegen wir uns natürlich,

mit wem wir gerne zusammenarbeiten möchten.

Weitere Traum-Kollaborationspartner von uns

sind übrigens Q-Tip, Madlib oder KRS-One, falls

die das hier lesen sollten. (lacht) Dann suchen wir

den ersten Kontakt, was sich oft als sehr schwierig

gestaltet. Aber dafür haben wir zwei Asse im

Ärmel. Zum einen Affro, unseren Manager und

Organisator des Hip Hop Kemp, und zum anderen

Karin, die Bookerin von Subotage Entertainment.

Die beiden kennen einfach jeden, der im Hip-Hop

Rang und Namen hat. Wenn der erste Kontakt

steht und die Künstler nicht abgeneigt sind, beginnen

wir, deren Beats zu proben und aufzunehmen.

Wir lassen sie hereinhören und schauen, ob ihnen

unsere Arbeit überhaupt gefällt. Dazu nutzen wir

YouTube, wo wir Aufnahmen von unseren Proben

hochladen. Für Black Moon haben wir das

mit einer Session von „Shit Iz Real“ getan. Dann

kommt die Zu- oder Absage. In Black Moons Fall

hat uns Dru Ha von Duck Down Music die Setlist

geschickt. Dann ging unsere Arbeit richtig los. Wir

waren zeitlich schon sehr in Verzug, weswegen

wir die Band um Hilfe bei der Suche nach den

Sample-Originalen gebeten haben. Aber wie es

scheint, erinnern sie sich an einige Samples selbst

nicht mehr. (lacht) Aber wir haben es gemeistert.

Kurz vor dem Auftritt haben wir dann nur eine Generalprobe

und den Soundcheck.

Deswegen muss nach der ausführlichen Begrüßung

und dem Fotoshooting mit den Sneakern

auch direkt die Arbeit angepackt werden.

Während Buckshot an seinem Handy herumspielt,

fragt er mit halber Aufmerksamkeit: „Seid

ihr mit unserer Musik vertraut?“ Ein bisschen witzig

ist das schon. Am liebsten möchten Champion

Sound mit „Nein!“ antworten. Aber natürlich

bleiben sie höflich. Es muss wahrscheinlich erst

einmal angezeigt werden, wer hier der Boss ist.

Machtspiele mit einer gehörigen Prise Testosteron.

Es wird vorgespielt. Buckshot und 5ft zappeln

herum, gucken sich um und wirken aufgrund des

Konsums gewisser Substanzen weiterhin ein wenig

unaufmerksam und dennoch hyperaktiv.

DJ Evil Dee greift mehrfach zu seinem Asthma-

Spray, man ist ein wenig besorgt um ihn. Grundsätzlich

gefällt ihm der Sound, er hat lediglich einige

Anmerkungen zu den Drums: „Sie müssen

den Bass dominieren. Hart und laut auf einer kickenden

Snare. Ich weiß, wovon ich spreche, ich

bin selbst Drummer.“ Der Drummer Gury kann

diese Anforderung schnell umsetzen, auch wenn

er kaum Englisch versteht.

Irgendwann ist die Stimmung nicht mehr so

gemäßigt. Es entfacht eine Diskussion über die

Samples vom Computer – den letzten Rest, den

Champion Sound nicht live reproduzieren können.

Es geht um die Enden der Songs: „Ich will auf der

Bühne eine gute Zeit haben und das Publikum unterhalten.

Spielt einfach weiter, wenn das Sample

ausläuft“, so Buckshot. Laut Radimo sei dies nur

begrenzt möglich, weil die Originalität des Beats

darunter leide. Die Gesichter werden ernster.

Aus dem Umstand, dass die Spontaneität zu

einem gewissen Maß limitiert ist, entwickelt sich

später ein richtiger Streit. Man bekommt regelrecht

Angst, ob das mit dem Auftritt noch etwas

wird. Buckshot äußert bestimmt und ernst: „Bei

einer Liveshow sind wir das Gegenteil von Robotern!

Bei euch bin ich mir da nicht so sicher!“

DJ Evil Dee setzt dem Ganzen die Krone auf und

schreit: „Ihr macht alles, was ich hasse! Als Hip-

Hop-DJ hat man alle Spontaneität der Welt und ihr

als Liveband verbaut uns das!“

An dieser Stelle hält man es als BACKSPIN-Redakteurin

für die richtige Entscheidung, die Generalprobe

zu verlassen, weil die Situation zu heikel

ist. Hier verliert die Paparazzo-Manier gegen die

Hip-Hop-Liebe.

Meistens seht ihr die amerikanischen Acts ja nur einen

Tag, bevor ihr mit ihnen auf dem Hip Hop Kemp

performt. Die Generalprobe ist gleichzeitig die erste

Begegnung. Wie bei Black Moon erlebt, kann das

sehr anstrengend sein …

Radimo: Ja, mit Black Moon war es zeitweise sehr

anstrengend und schwierig. Aber auf der anderen

Seite haben sie auch versucht, freundlich zu sein

und sich zu bedanken. Ich kann ihr Verhalten auch

sehr gut verstehen. Sie lieben eben ihre Musik.

Sie kämpfen dafür, dass sie live zusammen mit

uns das beste Ergebnis abliefern. Am Ende haben

wir uns wider Erwarten zusammengerauft. Wir

können jetzt sagen, dass die Show großartig wird.

Black Moon ist die Spontaneität am wichtigsten,

das mussten sie uns klarmachen.

Bei Diamond D lief es ganz anders ab. Er ist auch

einen Tag vorher zur Generalprobe gekommen,

hat sich hingesetzt und uns gebeten, das Set einmal

komplett durchzuspielen. Er saß da und hörte

aufmerksam zu. Als wir fertig waren, schwieg er

eine Zeitlang und bat uns, das ganze Set noch einmal

zu spielen. Wir waren ziemlich irritiert. Dann

waren wir wieder fertig, er schwieg erneut und

irgendwann sagte er: „Großartig, so machen wir

das morgen!“ Dann ist er wieder gegangen. (lacht)

Der Stress hängt immer von vielen Faktoren ab:

Zwischenmenschliches, technische Probleme,

Zeitdruck und vieles mehr. Wenn wir beim B-

Boying spielen, haben wir ähnliche Probleme. Bei

Battles musst du unheimlich auf die Tänzer, den

Wechsel und die Zeit achten, sonst wird es unfair.

Das ist auch sehr anstrengend. Andererseits entsteht

das Beste eben unter Druck. Wenn ich zurückdenke,

waren die besten Shows meistens die,

76 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa MUSIC

für die wir nur eine Woche oder weniger Zeit zur

Vorbereitung hatten. Jeder hätte gern ein Leben

ohne Stress, aber so läuft es eben nicht.

Seid ihr nun aufgeregt, so kurz vor dem Auftritt?

Tomáš: Positiv aufgeregt, aber nicht gestresst. Es

wird eine Oldschool-Live-Invasion!

Radimo: Jeder fühlt sich anders. Ich für meinen

Teil als Bandleader habe so viele Dinge im Kopf,

die schiefgehen könnten. Da ist kein Platz für positive

Aufregung. Auch danach, wenn alles vorbei

und gut gelaufen ist, bin ich einfach nur fix und

fertig. (lacht) Dann spreche ich erst einmal mit

niemandem. Und dann „entfriere“ ich irgendwann

und alle Bedenken über technische Probleme driften

weg. Erst dann werde ich langsam glücklich

und die positive Aufregung kommt heraus.

Watcha: Ich bin im Stand-by-Modus. Wie eine Art

Meditation.

Mrak: Bei mir ist es gerade die Ruhe vor dem

Sturm. Aber der Soundcheck lief super, deswegen

bin ich frohen Mutes. Es soll jetzt endlich losgehen!

Und es geht los. 23. August 2014. 18 Uhr. Main

Stage. Am dritten Festival-Tag des Hip Hop Kemp

ist es für Black Moon und Champion Sound so

weit. Zwar kein Headliner-Slot, dafür aber mit

einem schwer begeisterten Publikum. Die Oldschool-Live-Invasion,

von der Tomáš sprach, gelingt.

Jedes Timing stimmt und Buckshot und 5ft

wird trotzdem genug Freiraum für Spontaneität

und Interaktion mit dem Publikum eingeräumt. Sie

springen in den Bühnengraben und geben ihr Bestes

im direkten Kontakt mit dem Publikum an der

Absperrung. Trotzdem bleiben Buckshots Sneaker

an den Füßen wie neu und die Preisschilder sind

immer noch nicht abgeschnitten. Fragen danach,

wer das beste Weed im Publikum raucht, amüsieren.

Die Hände und Körper bouncen. Freestyles

beweisen, dass die beiden kleinen Rapper es immer

noch drauf haben. „Who Got da Props“ ist der

letzte Song der Show und feiert das 20-jährige Jubiläum

von Black Moons Meilenstein-Album „Enta

da Stage“.

Nach dem Auftritt „entfriert“ Radimos Körper

ganz langsam, er kann endlich die ganzen technischen

Bedenken über Bord werfen und glücklich

und zufrieden über den Auftritt sein. Die Strapazen

haben sich gelohnt.

Der Auftritt zusammen mit Black Moon ist nur

der Anfang der Zusammenarbeit. Im November

und Dezember sind die beiden Bands gemeinsam

auf Europatour durch Deutschland, Tschechien,

Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland und

die Schweiz gegangen. Zudem brachten Champion

Sound im November ihre erste 7-Inch-Vinyl

heraus. Auf der A-Seite befindet sich ein eigener

Funk-Soul-Song mit der deutschen B-Boy-Legende

Storm als Sänger. Auf der B-Seite ist eine Kollaboration

mit dem dänischen Scratch-Wunder DJ

Static.

Das letzte Wort wird Black Moon überlassen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Champion

Sound?

5ft: Bei der Probe mussten wir uns erst einmal

kennenlernen. Wir drei sind sehr eingespielt,

Champion Sound mussten wir erst zeigen, wie es

bei uns bei Auftritten läuft.

DJ Evil Dee: Das war nichts Persönliches, das war

nur Business. Wir mussten es in Gang bringen, damit

es funktioniert und wir den allerbesten Sound

abliefern. Verstehst du, was ich meine?

Buckshot: Jetzt matchen wir mit ihnen. Sie klingen

gut, sie spielen gut und sie sehen gut aus.

Mehr Infos zu Champion Sound unter:

www.championsound.cz

antilopen gang aversion

TOUR 2014/2105

04.12.14 DRESDEN / GROOVESTATION (AUSVERKAUFT)

05.12.14 JENA / KASSABLANCA

06.12.14 MÜNCHEN / FEIERWERK (AUSVERKAUFT)

11.12.14 OSNABRÜCK / KLEINE FREIHEIT

12.12.14 BRAUNSCHWEIG / NEXUS

13.12.14 BREMEN / LAGERHAUS

14.12.14 HAMBURG / HAFENKLANG (AUSVERKAUFT)

18.12.14 WIESBADEN / SCHLACHTHOF (AUSVERKAUFT)

19.12.14 REUTLINGEN / FRANZ.K

20.12.14 KÖLN / GEBÄUDE 9 (AUSVERKAUFT)

11.02.15 MÜNSTER / GLEIS 22

12.02.15 MARBURG / KFZ

13.02.15 FRANKFURT / ZOOM

14.02.15 STUTTGART / 1210

15.02.15 ULM / CLUB SCHILLI

19.02.15 HEIDELBERG / HÄLL

20.02.15 KONSTANZ / KULTURLADEN

21.02.15 AARAU (CH) / KIFF

22.02.15 KARLSRUHE / SUBSTAGE

25.02.15 MÜNCHEN / STRØM (ZUSATZKONZERT)

26.02.15 WÜRZBURG / CAIRO

27.02.15 ERLANGEN / E-WERK

28.02.15 GRAZ (A) / PPC BAR

01.03.15 WIEN (A) / B72

12.03.15 GÖTTINGEN / MUSA

13.03.15 LEIPZIG / UT CONNEWITZ

14.03.15 BERLIN / SO36 (ZUSATZKONZERT)

19.03.15 ROSTOCK / PETER WEISS HAUS

20.03.15 LÜBECK / TREIBSAND

21.03.15 HANNOVER / FAUST

27.03.15 HAMBURG / KNUST (ZUSATZKONZERT)

31.03.15 OLDENBURG / AMADEUS

01.04.15 BOCHUM / BHF LANGENDREER

02.04.15 DÜSSELDORF / ZAKK

DAS ALBUM »AVERSION« ALS

CD, DOPPEL-VINYL UND DOWNLOAD.


INTERVIEW: NIKO HÜLS

FOTOS: DANIEL ESSWEIN

DIE LP

MEINES LEBENS:

mit Vega

Seine Wahl hatte er schnell getroffen.

„Leben“ von Azad hat Vega

als die LP seines Lebens auserkoren.

Warum sich der Frankfurter,

der am 16. Januar 2015 sein neues

Album „Kaos“ veröffentlicht, für

genau diesen Longplayer entschieden

hat und was er mit der

LP verbindet, das erzählt er hier.

„FÜR MICH WAREN ‚LEBEN‘ UND ‚FEUER-

WASSER‘ VON CURSE GENAU DIE MUCKE,

DIE ICH IMMER MACHEN WOLLTE.“

Vega, die Frage, welches Album die LP deines

Lebens ist, hast du mit „Leben“ von Azad beantwortet.

Warum hat dich Azads Debütalbum

so beeindruckt?

Das hat viele Gründe. Erstens ist es schlichtweg

das Album, das mich am längsten begleitet hat.

Es hat mich auch am meisten beeinflusst und mir

in meiner Jugend – ich war circa 16, als es erschienen

ist – am meisten gegeben. Den Legendenstatus

aber, diesen 100-prozentigen Wert, den habe

ich erst die letzten zwei, drei Jahre geschätzt.

Warum?

Es ist unglaublich vielseitig und war für den damaligen

Zeitpunkt auch technisch sehr ansprechend.

Zugleich hat es eine unglaubliche Tiefe und Message.

Und von der Produktion her, dadurch, dass

Azad es selbst produziert hat, war es das erste

Album, das diesen Frankreich-Touch hatte – mit

den vielen Pianos und so weiter. Für mich war es

seiner Zeit einfach weit voraus.

Erinnerst du dich, wie du damals mitbekommen

hast, dass es dieses Album gibt? Und hast

du es dir gekauft?

So genau weiß ich das gar nicht mehr. Aber ich

glaube, dass ich das „Napalm“-Video gesehen

habe, was ja wahrscheinlich vorher rauskam. Ich

will da jetzt aber auch nichts Falsches sagen. Jedenfalls

habe ich auch vorher schon Deutschrap

gehört, aber „Napalm“ war der erste Song, das

erste Video, was von der Stimmung und von der

Richtung her genau meinen Geschmack traf. Die

vermummten Leute in dem Video, es wirkte so

Untergrund-mäßig. Und es war Frankfurt. Außerdem

hatte der Song einen anderen Sound als die

Rap-Sachen, die ich schon kannte. Ich muss dazu

sagen, dass das auch der Anfang meiner Rap-Karriere

als Fan war. Und ich war dann so krass geflasht,

dass ich zu einem Plattenladen gegangen

bin, Ramtam. Das war so ein kleiner Plattenladen

in der Wetterau, und der konnte das vorbestellen.

Und da hast du dir das Album dann gekauft?

Genau, die haben das vorbestellt und ich bin am

Release-Tag dahin und holte es ab. Lustigerweise

bin ich an dem Tag zum ersten Mal mit meinen Eltern

in den Urlaub an die Ostsee gefahren. Ich saß

dann hinten im Auto mit meinem neuen Discman,

der 50 Sekunden shock-resistant war. Der spielte

die CD auch weiter, wenn man mal über einen

Hubbel fuhr. Sechs Stunden sind wir damals mit

dem Auto gefahren, und ich habe die ganze Zeit

das Album gehört. Ich kann das gar nicht in Worte

fassen. Und auch das Artwork fand ich unglaublich.

Auf dem Album ist auch der Song „Gegen den

Strom“, in dem Azad einigen Rappern vorwarf,

sich zu sehr in Richtung Mainstream zu bewegen.

Wie hast du den Song damals aufgefasst?

Darüber habe ich mir damals noch keine Gedanken

gemacht. Dafür war ich noch zu jung. Ich

habe mir mit diesem Album erst meine Meinung

gebildet und fühlte mich danach immer mehr von

dieser Hardcore-Rap- und Real-Hip-Hop-Ecke angezogen.

Besonders kritisiert hat Azad auf dem Album

Samy Deluxe. Nun hast du dich vor einigen

Monaten auch über ihn geäußert. Schließt sich

da ein Kreis?

Was heißt, da schließt sich ein Kreis? Ich denke,

78 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


dass ich heute erwachsen genug bin, das, was

Samy jetzt macht, distanziert beurteilen zu können.

Damals, als 16-Jähriger, fand ich ihn halt

bescheuert, weil Azad ihn bescheuert fand. Samy

war damals in Frankfurt ein Tabuthema. Aber

die Musik war auch so grundverschieden. Wenn

man Azad gefeiert hat, hat man doch automatisch

Samy nicht gefeiert.

Kann man sagen, dass Azad mit diesem Album einen

großen Effekt auf die jungen Typen in Frankfurt

hatte? Wie hast du das wahrgenommen?

Mein direktes Umfeld wurde von dem Album begleitet

und bis zu einem gewissen Punkt auch miterzogen.

Das ist das, was ich meine, wenn Azad

auf „Leben“ Zeilen hat, in denen er sagt: „Sei ein

guter Mensch, denn dein Charakter

bestimmt dein Schicksal.“ Der war

damals halt schon der Allergrößte.

Er war unser Idol, die Nummer eins.

Und wenn du ein Idol hast, das dir

so einen Grundtenor mitgibt, dann

nimmst du dir das krass zu Herzen

und versuchst, es umzusetzen. Er

hat auf diesem Album Straßenrap

gemacht und hardcore Leute gedisst.

Gleichzeitig hat er aber auch

gesagt: „Bleib ein guter Mensch.“

Verglichen mit heute, wo die Kinder

gesagt bekommen: „Der ist ein Hurensohn

und dessen Freundin ficke

ich weg“ ist das schon grundverschieden.

Hat es für dich eine Rolle gespielt,

dass das Album auf 3p, also einem

Frankfurter Label, erschienen ist?

Auch darüber habe ich damals nicht

nachgedacht. Die RHP-Sachen hatte ich nicht direkt

mitbekommen, dafür war ich damals noch zu

jung. Als ich später Leute traf, die schon länger in

der Szene waren, bekam ich aber mit, dass das

damals eine relativ verrückte Geschichte gewesen

sein muss. 3p stand ja für kommerzielle Musik.

Dennoch haben sie von Azad so ein Underground-

Ding releast. Als ich dann später anfing, Moses zu

hören, war das Thema, dass man einen als Kommerz-Rap-Chabo

verschrien hat, auch schon wieder

vorbei. Ich feiere Moses jedenfalls unglaublich

und habe ihn auch auf meinem Album.

Wenn man sich deine Karriere anschaut, wird

deutlich, dass das, was Azad und Frankfurt schon

damals vertreten haben, auch in deiner Musik

von Anfang an eine sehr große Rolle gespielt hat.

Wie viel Einfluss hatte das Album auf dich als

Rapper und auf deinen Karriereweg?

Es hatte einen unglaublichen Einfluss. Für mich

waren „Leben“ und „Feuerwasser“ von Curse

genau die Mucke, die ich immer machen wollte.

Das hört man natürlich. Wenn ich mir in meiner

Findungsphase eine Richtung hätte aussuchen

können, in die die Sachen gehen sollen, hätten

sie auf jeden Fall wie „Feuerwasser“ von Curse

und „Leben“ von Azad geklungen. „Leben“ war

in meinen Augen von der Vielfalt und von dem

Sound her nahezu perfekt. Natürlich habe ich

mich daran in meiner Anfangsphase brutalst orientiert.

Also kann man sagen, dass du diesen typischen

Frankfurt-Rap, den Leute wie Azad gestartet

haben, ein Stück weit fortführst?

Ich denke, dass es einen Frankfurt-Sound gibt,

den man auch immer noch hört. Aber den kann

man nicht allein Azad auf die Mütze schreiben.

Vor ihm gab es Konkret Finn oder auch die Asiatic

Warriors, wobei die noch auf Englisch gerappt haben.

Zu diesem Frankfurt-Sound haben jedenfalls

viele Köpfe etwas beigetragen – und das wird in

der Stadt von Generation zu Generation weitergegeben.

Jedenfalls haben wir uns an denen orientiert

und die, die nachkommen, werden sich dann

wahrscheinlich an Haftbefehl oder vielleicht Bosca

oder mir orientieren. Und so bleibt der Sound

dann traditionell erhalten.

Ist dir das wichtig?

Ja, ich finde das schon wichtig. Gerade in den

Staaten hast du das ja auch ganz extrem, dass gewisse

Regionen einen gewissen Sound vertreten.

Und ich finde es wichtig, dass wir das in Frankfurt

auch haben. Ich glaube auch, dass wir damit in

Deutschland relativ alleine sind. Man kann sagen,

dass alles, was aus dieser Stadt kommt, diesen

Frankfurt-Sound hat. Das hat man woanders nicht

so krass.

Hörst du heute noch manchmal das „Leben“-

Album?

Sehr sporadisch. Aber Azad macht ja immer noch

Mucke. Und ich freue mich immer, wenn er etwas

Neues herausbringt und ich feiere auch seine Weiterentwicklung.

Die neuen Sachen sind wesentlich

besser gerappt, und sie klingen auch besser.

Demnach höre ich dann eher die neuere Mucke.

Auf deinem Album habt ihr einen gemeinsamen

Song. Wie war die Zusammenarbeit?

Für mich war das eine unglaubliche

Erfahrung, zu sehen, wie er arbeitet

und wie perfektionistisch er ist.

Das bringt auch ein bisschen Licht

ins Dunkel, weil das ganze Land ja

gerne mal jahrelang auf seine LP

wartet. Wenn man einmal mit ihm

zusammengearbeitet hat, weiß

man, warum. Er will es perfekt machen

und ist sehr detailverliebt. Es

war für mich auch viel mehr, als

nur diesen Song aufzunehmen. Ich

habe viel mit ihm geredet, auch

über alte Zeiten. So bekommt man

einen Einblick in eine frühere Frankfurter

Rap-Welt, den man sonst

in meinem Alter nicht bekommen

kann. Die Gespräche und die Zeit,

die ich mit ihm da verbracht habe,

waren am Ende fast wertvoller als

das Stück Musik, das dabei herausgekommen ist.

Strebst du als Rapper danach, auch so ein Album

in deiner Diskografie zu haben, wie es Azads

„Leben“ für dich ist?

Natürlich wünscht man sich das. Wobei es auch

sein könnte, dass ich – wenn man das auf meine

Gegend bezieht – das vielleicht schon habe. Ich

sehe, dass viele von den jungen Leuten, die hier in

Frankfurt anfangen, Musik zu machen, mein erstes

Album „Lieber bleib ich broke“ ähnlich beeinflusst

hat wie mich damals „Leben“. Das Album ist allerdings

noch relativ jung, es kam 2009. Aber ich

habe die Hoffnung, dass in zehn Jahren jemand

dasselbe über dieses Album sagen wird wie ich

über „Leben“.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 79


G-SHOCK

kommt in neuem

Tarngewand

Der Trend Camouflage ist nun auch in

der neuen Casio G-SHOCK Kollektion

zu finden. Auch, wenn die Muster

entwickelt wurden, um in der Natur

mit dem Hintergrund verschmelzen

zu können, geschieht in der Mode

das Gegenteil. Denn das auffallend

unauffällige Muster steht modisch im Kontrast

zum größtenteils einfarbig und schlicht gehaltenen

Mainstream. Mit „Meant to hide, worn

to show off“ erschuf Casio 2014 einen starken

Leitfaden für die G-SHOCK GD-120CM, die GD-

X6900CM und die GA-100CF.

Seit Ende November stehen nun auch drei neue

Versionen der stoßfesten und Outdoor-geprüften

Chronographen zum Verkauf. Die Neuerscheinungen

gibt es jeweils in unterschiedlichsten

Farbvariationen, im starken All Over-Print.

Die komplett im Laubtarn-Camo gehaltenen

Modelle GA-110CM und GA-100CM und die im

Tiger-Camo gemusterte GD-X6900TC erscheinen

in den klassischen vom Militär genutzten

Camouflage-Farben Grün/Braun und Schwarz/

Grau/Weiß, sowie in neuen Tönen wie Gelb,

Dunkelrot und einem starken Grün. Die GA-

100CF stellt die dezentere Version der auffälligen

G-SHOCK Serie Reihe dar. Zu schwarzem

Gehäuse und schwarzem Armband aus Resin

steht das gemusterte Zifferblatt im Kontrast.

Auch hier sind die Farbvariationen Oliv/Braun

und zwei Versionen in Schwarz/Grau/Weiß

verfügbar. Das grün-braun gemusterte Zifferblatt

zeichnet sich durch goldene Akzente aus,

die Versionen in Grautönen bestechen mit silbernen

Details.

Die technische Ausstattung der Camo-Series

glänzt mit der typischen G-SHOCK Stoßfestigkeit,

stabilem Mineralglas, Super Auto LED-Beleuchtung,

Alarm- und Stoppuhrfunktion sowie

einer Datumsanzeige. Zusätzlich dazu besitzen

alle Uhren eine Weltzeitfunktion, eine 7 Jahre

haltende Batterie und einen Display Flasher.

Preislich liegt die GA-110CM bei 159,- , die GA-

100CM und GD-X6900TC bei 149,- und die GA-

100CF bei 119 . Weitere Informationen zu den

neuen G-SHOCK Camouflage Modellen unter

www.g-shock.eu/de/.

80 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


Mehr Informationen und Tickets unter fourartists.com

+ MILONAIR, HANYBAL, DOE, DJ MAXXX & BAND

LASS DIE AFFEN AUS’M ZOO TOUR 2015

05.02. MÜNCHEN - BACKSTAGE / 06.02. WIEN - FLEX / 07.02. FULDA - KREUZ / 09.02. NÜRNBERG - HIRSCH

10.02. LEIPZIG - TÄUBCHENTHAL / 11.02. BERLIN - ASTRA / 13.02. HAMBURG - MOJO CLUB

14.02. MÜNSTER - SKATERS PALACE / 15.02. FRANKFURT - BATSCHKAPP / 17.02. ZÜRICH - EXIL

18.02. STUTTGART - LKA-LONGHORN / 19.02. KÖLN - UNDRGROUND

NICO SUAVE

UNVERGESSLICH TOUR 2015

17.03. BREMEN 18.03. HANNOVER 19.03. BOCHUM 20.03. KÖLN

21.03. FRANKFURT A. M. 24.03. STUTTGART 25.03. MÜNCHEN

26.03. ERLANGEN 27.03. LEIPZIG 28.03. BERLIN

29.03. HAMBURG

DIE ORSONS TOUR 2015

08.04. FRANKFURT 10.04. ZÜRICH 11.04. WIEN

12.04. MÜNCHEN 13.04. NÜRNBERG 15.04. LEIPZIG

16.04. BERLIN 17.04. HANNOVER 18.04. MÜNSTER

19.04. HAMBURG 21.04. BOCHUM 22.04. KÖLN

23.04. HEIDELBERG 24.04. WÜRZBURG 25.04. STUTTGART

FutureDeutscheWelle Tour 2015

06.03. ERFURT 07.03. WIEN 08.03. MÜNCHEN

09.03. NÜRNBERG 15.03. HANNOVER 16.03. HAMBURG

17.03. BREMEN 21.03. ZÜRICH 22.03. STUTTGART

23.03. SAARBRÜCKEN 24.03. KÖLN 26.03. DORTMUND

27.03. WIESBADEN 08.04. MAGDEBURG

09.04. DRESDEN 10.04. LEIPZIG

11.04. BERLIN


„Natürlich bin ich nicht die ‚Nummer Einz’“

INTERVIEW: SHANA KOCH

FOTOS: WILMA PETERS

Wagt man einen Rückblick, war B-Tight in der Vergangenheit alles andere als untätig. Mit „Drinne“ wagt er eine

Exkursion in die Crossover-Szene, tritt mit der Platte beim Bundesvision Songcontest 2012 an und wird ganz

nebenbei noch Familienvater. Sieben Jahre nach „Goldständer“ – dem letzten Hip-Hop-Album von B-Tight – ist

der ehemalige Aggro-Berlin-Künstler zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Im Januar 2015 soll mit „Retro“ seine

neue Platte in den Läden stehen. Ein guter Anlass, um B-Tight fünf Fragen zu stellen.

DIE HOHE FÜNF MIT

B-TIGHT

„Zum Glück habe ich die Kurve immer wieder gekriegt

und bin jetzt kein Junkie unter der Brücke.“

Wirft man einen Blick in deine Biografie, stolpert

man über Worte wie „frauenfeindlich“ und „drogenverherrlichend“,

die dich früher charakterisiert

haben. Das trifft heute nicht mehr ganz auf

dich zu, oder?

Nicht ganz. Natürlich habe ich das früher total

verherrlicht und den Lebensstil zelebriert. Aber

stell dir mal vor, ich würde jetzt immer noch so

abgehen wie vor zehn Jahren. Dann wäre ich jetzt

entweder hängen geblieben oder tot. Das ist doch

beides scheiße! (lacht) Wenn ich mein Leben Revue

passieren lasse, gibt es Dinge, die mir geholfen

haben, und Dinge, bei denen ich mich frage,

wie ich danach überhaupt weitergekommen bin.

Ab und zu denkt man sich da schon: Zum Glück

habe ich die Kurve immer wieder gekriegt und bin

jetzt kein Junkie unter der Brücke.

Was hat Aggro Berlin für dich getan?

Aggro hat mein Leben verändert und positiv beeinflusst.

Teilweise hat es sogar mein Leben gerettet.

Aggro hat mich zu dem gemacht, was ich

heute bin. Im Rückblick auf die Aggro-Zeit haben

sich meine Werte aber krass verschoben. Damals

war es mir wichtig, dass ich nach dem Konzert

eine Braut abschleppe, genug Drogen habe und

schön besoffen bin. Mittlerweile sieht das ganz

anders aus, wenn ich auf Tour bin. Da lege ich inzwischen

Wert auf meine Gesundheit. Ich trinke

nicht mehr zu viel und achte darauf, dass ich am

nächsten Tag nicht zu kaputt bin, um mit meiner

Familie zu telefonieren.

Wie ist mittlerweile eigentlich das Verhältnis

zwischen Sido und dir?

Inzwischen hat jeder von uns sein eigenes Privatleben,

das er auf die Reihe kriegen muss. Das

heißt, wir können einfach nicht mehr jeden Tag

chillen und uns einen nach dem anderen reinpfeifen.

Wir können nicht mehr unbewusst durch das

Leben eiern. Es ist also sehr viel weniger geworden,

aber jedes Mal, wenn wir telefonieren, schreiben

oder uns sehen, ist es so, als wäre nur eine

Minute vergangen. Dieses brüderliche Gefühl ist

da und das wird es auch immer sein.

Lässt man das Projekt „Drinne“ kurz außen vor,

kam mit „Goldständer“ 2008 dein letztes Hip-Hop-

Album. Wie bewertest du das aus heutiger Sicht?

„Goldständer“ war ein durchwachsenes Album.

Die erste CD war sehr experimentell – ich wollte

sehen, was man so machen kann. Die zweite CD

war dagegen total persönlich. Alles klassische

Hip-Hop-Dinger mit viel Inhalt. „Goldständer“ ist

eines der schönsten Alben, die ich je gebracht

habe, es ist trotz allem sehr rund geworden. Mit

„Drinne“ war ich aber sehr viel zufriedener. Da

gab es jedoch das Problem, dass die Hip-Hopper

nichts damit anfangen konnten, die Rocker aber

auch nicht. Es gab nur eine kleine Schnittmenge.

„Drinne“ war ein schwieriges Experiment, aber es

hat so viel Spaß gemacht, dass es sich definitiv

gelohnt hat.

Was kann man von „Retro“ erwarten?

„Retro“ ist im Vergleich zu früher vom Sound und

vom Text her aufgewertet, es hat mehr Wortwitz.

„Retro“ heißt für mich, mich wieder jung

zu fühlen. Nicht darüber nachdenken, sondern

einfach angeben und Eier zeigen – das, was man

im Rap nun mal so macht. Natürlich bin ich nicht

die „Nummer Einz“, natürlich bin ich nicht in der

Szene unerreicht. Aber wer solche Aussagen meinerseits

auf die Goldwaage legt, hat mich nicht

verstanden. Jeder, der ein bisschen Menschenverstand

in sich trägt, sollte wissen, dass ich das

alles nicht todernst meine.

82 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


NEUES

ZEIT

ALTER

DIE BACKSPIN APP-ERHȦ . LTLICH IM APP STORE


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa MUSIC

„Manchmal darf man auch eindeutig sein“

Geheimtipp-Dasein. DIY-Attitüde. „Zeckenrap“. Die Antilopen Gang ist kein unbekannter Name

mehr in der deutschen Hip-Hop-Szene. Jedoch brauchte es fünf Jahre – von ihrer Gründung 2009

bis zum November 2014 – bis ihr offizielles Debütalbum erscheint. Dazwischen liegt die Anti Alles

Aktion, diverse Releases in unterschiedlichen Konstellationen, der tragische Tod des Antilopen-

Mitglieds NMZS (R.I.P.) und schlussendlich der Deal beim Düsseldorfer Label JKP.

INTERVIEW: SHANA KOCH

FOTOS: THOMAS SCHERMER

DIE HOHE FÜNF MIT

ANTILOPENGANG

Mit „Aversion“ steht das erste Lebenszeichen

der „neuen Antilopen

Gang“ in den Plattenregalen des

Landes. Musikalisch irgendwo zwischen

Rap und Pop angesiedelt, wird

der politische Zeigefinger stets aufrecht

in das Gesicht der Gesellschaft

gehalten. Mit einer ordentlichen

Portion bitterbösem Sarkasmus öffnet

die Antilopen Gang ihrem Publikum

die Augen für den politischen

Alltagswahnsinn. Wir haben uns die

„Aversion“ zum Anlass genommen,

um Koljah, Danger Dan und Panik

Panzer fünf Fragen zu stellen.

Songs wie „Beate Zschäpe hört U2“ haben

euch neben jeder Menge neuer Fans auch eine

Klage von Ex-RBB-Moderator Ken Jebsen beschert,

den ihr in dem Stück als „Pseudo-Gesellschaftskritiker“

und „KenFM-Weltverbesserer“

betitelt. Stellt euch doch mal bitte vor, ihr

müsstet fünf Minuten in einem Raum mit Ken

Jebsen verbringen. Was würdet ihr ihm sagen

wollen?

Panik Panzer: Was für eine unangenehme Vorstellung.

Koljah: Wir würden ihm mitteilen, dass wir den

Raum nun verlassen werden. Dann würden wir

den Raum von außen abschließen.

Was wäre der ultimative Wahlspruch, mit dem

die Antilopen Gang ihre Wähler überzeugen

würde, wäre sie eine Partei?

Panik Panzer: Deutsche raus aus Deutschland!

Danger Dan: Rinder statt Kinder!

Koljah: Todesstrafe für Kinder!

Und wenn sie dann gewählt würden, wofür

würde sie sich konkret einsetzen, die Antilopen-Partei?

Panik Panzer: Wahrscheinlich ist es – wie immer

– viel einfacher zu sagen, wogegen wir uns einsetzen

würden. Aber da haben wir schon zu viel

gesagt. Litschis, Kaugummis usw. Gegen all das

haben wir schon öffentlich gestatet. Jungs, fällt

euch denn noch was ein?

Danger Dan: Die Shitlers. Sie nerven langsam

doch.

Koljah: Ich würde mich für die Abschaffung des

Parteiensystems einsetzen und gegen Rauchverbote.

Wie viel Anti Alles Aktion steckt eigentlich

noch in der heutigen Antilopen Gang?

Koljah: 2005 wurde die Anti Alles Aktion gegründet,

seit dem haben wir immer Alben und EPs

gebracht – das war eigentlich die Basis für alles,

wenn man so will. Wir haben damals viel mehr

live gespielt, in Jugendzentren und diversen alternativen

Locations. Shows, nach denen wir da

auf dem Boden schlafen mussten – da haben wir

schon unsere dues gepayed. Ich meine, wir haben

nicht umsonst einen Song auf „Aversion“,

der „Anti Alles Aktion“ heißt. Das Statement

passt auf jeden Fall noch immer.

Ein Antilopen-Text, der nicht vor Ironie strotzt,

ist schwer vorstellbar. Warum spielt das Stilmittel

in eurer Musik eine so enorm große Rolle?

Koljah: Ironie ist häufig ein Fehler, kann nerven

und ist oft unumgänglich als Stilmittel. Eigentlich

wird das ganze Ironie-Gehabe aber überbewertet

und viel zu oft genutzt und übertrieben. Ich finde

es furchtbar, wenn Leute heutzutage Künstler

wie Haftbefehl oder Schwesta Ewa auf so eine

ironische Art und Weise feiern. Davon gibt es viel

zu viele. Die finden die nicht wirklich cool, sondern

betrachten deren Kunst mit einem Augenzwinkern.

Das sind zwei Künstler, die ich persönlich

wirklich gern mag und ich kann es nicht ab,

wenn Leute dann zwar eine gewisse Faszination

für so jemanden hegen, ihn aber gar nicht wirklich

feiern. Manchmal darf man auch einfach mal

eindeutig sein.

84 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


strassen-koeter.de

vivaconagua.org

strassenkoeter präsentiert: Artists 4 Viva con Agua

Alle Erlöse aus dem Verkauf der Bilder gehen an Viva con Agua

Alle Portraits & Infos zu der Ausstellungsreihe auf:


TEXT: CHRISTIAN LUDA

Back In The Days

THA ALKOHOLIKS

n den Jahren 1992 und 1993, als Dr. Dre

und Snoop Dogg mit ihrem G-Funk die

Hip-Hop-Welt dominieren, erscheint zeitgleich

eine neue Westcoast-Generation auf

der Bildfläche, die gern als Gegenentwurf

zum vorherrschenden Gangsta-Rap gehandelt

wird. Zu ihren Vertretern zählt neben den Hieroglyphics,

Freestyle Fellowship und The Pharcyde

die Gruppe Tha Alkaholiks, bestehend aus dem

DJ, Produzenten und Gelegenheitsrapper E-Swift

(Eric Brooks) sowie den MCs Tash (Rico Smith)

und J-Ro (James Robinson). Ihre Geschichte

zeigt jedoch, dass die beliebte Aufteilung der

Westcoast-Szene in Gangsta-Rap und True-

School-Hip-Hop so einfach nicht ist. Während

aus dem Umfeld der Gruppe später so unterschiedliche

Künstler wie Madlib und Xzibit hervorgehen,

ist mit King Tee einer der Pioniere des

Westcoast-Rap ihr Mentor.

MITTE DER 1980ER-JAHRE bildet J-Ro

unter anderem mit King Tee sowie DJ Pooh die

Gruppe Total Control und bestreitet Shows im

Vorprogramm von Ice-T. Außerdem taucht er

1987 in den Credits der zweiten King-Tee-Single

„The Coolest“ auf. Auf deren B-Seite „Ya Better

Bring a Gun“ wird J-Ro, der eigentlich aus der

Nachbarschaft Pacoima stammt, als Mitglied der

Compton Posse um Mix Master Spade geführt.

Als King Tee seine Solokarriere vorantreibt

und einen Plattendeal bei Capitol Records unterschreibt,

macht sich J-Ro auf die Suche nach

einem DJ, mit dem er Demos aufnehmen kann.

Ein Freund stellt ihm E-Swift vor, über den er wiederum

Tash kennenlernt. Beide hat es zuvor von

Ohio nach Los Angeles verschlagen. Zwischen

den dreien entwickelt sich schnell eine Freundschaft

– neben Hip-Hop teilen sie die Leidenschaft

fürs Feiern von ausgiebigen Partys.

1990 wird E-Swift von King Tee als DJ für dessen

zweites Album „At Your Own Risk“ verpflichtet.

Auf dem von ihm zusammen mit DJ Pooh

produzierten DJ-Track „E Get Swift“ präsentiert

er sich zudem mit einem kurzen Rap-Part. Im

Jahr darauf nehmen E-Swift, Tash und J-Ro unter

dem Namen E.S.P. (Everyday Street Poets)

ein Demotape mit Features von Künstlern wie

MC Eiht und Threat auf.

King Tee verpasst dem Trio schließlich den

Namen Tha Alkaholiks und platziert seine Schützlinge

1992 auf den Singles „Bus Dat Ass“ und

„Got It Bad Y’all“ seines dritten Werks „Tha Triflin’

Album“. Die eindrucksvollen Gastauftritte bescheren

der Gruppe einen Deal beim noch jungen

Label Loud Records, das ungefähr zeitgleich

auch den Wu-Tang Clan unter Vertrag nimmt.

1993 erscheint das Debütalbum „21 & Over“,

das mit zehn Songs und einer Spielzeit von 36

Minuten kurz, aber auch kurzweilig ausfällt. Tash

und J-Ro beschränken sich weitestgehend auf

ihre Lieblingsthemen Alkohol, Party und Frauen,

tun dies aber mit sehr hohem Spaßfaktor sowie

unbestreitbaren Skills. Darüber hinaus zeigt sich

E-Swift mit seinem Mix aus Eastcoast-Boom-Bap

und Westcoast-Funk als respektabler Produzent.

Das Album bringt drei Singles hervor: den bis

heute beliebten Partysong „Make Room“ sowie

„Likwit“ mit King Tee und „Mary Jane“, produziert

von Madlib. Dieser sorgt zudem für den

Albumsong „Turn tha Party Out“, auf dem seine

Gruppe Lootpack erstmals zu hören ist. Sie bildet

zusammen mit King Tee und den Alkaholiks den

Kern der Likwit Crew.

King Tees viertes Album „IV Life“ präsentiert

1994 ein neues Crew-Mitglied: Auf der Single

„Free Style Ghetto“ feiert Xzibit an der Seite von

Tash und J-Ro sein Debüt.

Im Jahr darauf veröffentlichen die Alkaholiks ihr

zweites Werk „Coast II Coast“, das nahtlos an

die Klasse des Vorgängers anknüpft. Während

die erste Single „DAAAM!“ ein für die Gruppe

typischer Partysong ist, fällt die Produktion

des Albums insgesamt jazziger aus. Neben den

üblichen verdächtigen King Tee, Lootpack und

Xzibit sind zwei prominente New Yorker als Gäste

vertreten: Diamond D auf der zweiten Single

„The Next Level“, die er ebenso wie den starken

Albumsong „Let It Out“ produziert, sowie Q-Tip

auf „All the Way Live“. Dieser Song featuret ursprünglich

Erick Sermon, jedoch verwenden die

Alkaholiks dessen Part nicht, da der „Green-Eyed

Bandit“ ihn bereits an anderer Stelle benutzt hat.

Den Titelsong „Coast II Coast“ findet man kuri-

86 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


oserweise ausschließlich auf dem im Neptunes verpflichtet, außerdem nennt

selben Jahr erscheinenden „Friday“-

Soundtrack.

sich das Trio nur noch Tha Liks. Während

daher einige im Vorfeld vermuten,

man wolle sich dem Mainstream anbiedern,

E-Swift platziert zu jener Zeit Beats auf

zeigt das gute Album vielmehr

den Alben der New Yorker King Sun, eine zeitgemäße Weiterentwicklung

Heltah Skeltah sowie O.G.C. und produziert

drei Songs für Xzibits Debütalbum

BACK

IN THE

„At the Speed of Life“, das 1996 ebenfalls

bei Loud erscheint. J-Ro und Tash

sind zudem auf dem Albumsong „Bird’s

Eye View“ zu hören.

Im Folgejahr erscheint das dritte Alkaholiks-Album

„Likwidation“, das nicht

die Qualität der Vorgänger erreicht, aber

dennoch einige Highlights wie die Single

„Hip Hop Drunkies“ mit Ol’ Dirty Bastard

bietet.

Unterdessen wird Anfang 1999 die

nächste Generation der Likwit Crew

mit gefeierten Debütalben vorstellig:

Lootpack veröffentlichen ihr Werk

„Soundpieces: Da Antidote!“, worauf

der Crew-Song „Likwit Fusion“ zu finden

ist, und Defari bringt „Focused Daily“

heraus, das vier von E-Swift produzierte

Songs beinhaltet, darunter den Posse-

Track „Likwit Connection“ mit den Alkaholiks,

Xzibit und Phil the Agony.

Nachdem er im Vorjahr mit Mos

Def und Q-Tip auf Rawkus den Underground-Hit

„Body Rock“ gelandet hat,

veröffentlicht Tash Ende 1999 sein Soloalbum

„Rap Life“, das trotz positiver

Kritiken und namhafter Gäste wie Raekwon,

OutKast und B-Real kommerziell

enttäuscht.

2001 liefern die Alkaholiks mit „X.O. Experience“

ihr letztes Album für Loud ab.

Für die Single „Best U Can“ werden The

des Likwit-Sounds. Der große Erfolg

bleibt jedenfalls erneut aus, und in der

Folgezeit wird es leiser um die Liks. Das

2006 über Koch Records veröffentlichte

„Firewater“ ist das letzte Album der

Gruppe und erfährt wie die anschließenden

Solo-Releases von J-Ro und

Tash wenig Beachtung.

Nach jahrelangen Unstimmigkeiten mit

Xzibit überrascht dessen Comeback-

Album „Napalm“ 2012 mit einer Likwit-Crew-Reunion:

Der selbst ernannte

„Dysfunctional Member of the Alkaholik

Family“ versammelt nicht nur die Liks,

sondern auch King Tee auf dem von Dr.

Dre produzierten Track „Louis XIII“.

Auf dem großartigen Song „2014“

wagte J-Ro 1995 einen Blick in die Zukunft

und prophezeite: „In 2014, Alkaholiks

still rulin’.“ Nüchtern betrachtet

sieht die Gegenwart so aus: Dope Folks

Records veröffentlicht 2014 die sechs

Songs des E.S.P.-Demos in limitierter

Vinyl-Auflage, die Fans warten auf das

Erscheinen der seit 2011 angekündigten

„Liknuts“-EP mit den Beatnuts, und die

Liks sind mit ihrem umfangreichen Katalog

an Rap-Hits weiterhin regelmäßig

auf Tour – aber Vorsicht: „‘Cause when

you bring your ass to a Likwit show, you

gonna get wet if you in the front row!“

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 87


PROTOKOLL: DANIEL SPRAUER,

STELLA KUKLINSKI

Album der Ausgabe

„Märtyrer“

KOOL

SAVAS

Ein Nachmittag im BACKSPIN-Büro Anfang Dezember. Niko und Dennis haben sich Sleepwalker eingeladen, um

mit dem Gold- und Platin-Produzenten über „Märtyrer“ von Kool Savas zu sprechen. Um eins gleich vorwegzunehmen:

Alle drei halten Savas für einen der, wenn nicht den besten Rapper Deutschlands – zumindest technisch

gesehen. Das sollte man beim Lesen dessen, was nun kommt, nicht vergessen. Denn auch wenn gerade Dennis

und Sleepwalker hier und da Kritik äußern, so ist das am Ende wohl nichts anderes als Meckern auf höchstem

Niveau. Zumal der König am eigenen Hofe bekanntlich ja ohnehin nicht so viel zählt …

Niko: „Kool Savas – ‚Märtyrer’. Das Album ist auf

der Eins gechartet. Du hast es noch nicht gehört?“

Sleepwalker: „Ich hörte davon, dass es das gibt.

Mehr weiß ich noch nicht. Aber nun bin ich ja

hier.“ Niko: „Was erwartest du von einem Kool-

Savas-Album?“ Sleepwalker: „Naja, wer sich

selbst King nennt, der legt die Messlatte hoch.

Ich erwarte jedenfalls einiges.“ Niko: „Und du?“

Dennis: „Ich war eher skeptisch, ob es mich begeistern

würde. ‚Aura’ war schon nicht so meins.

Ich hoffe bei Savas aber immer, wie auch bei einigen

anderen Rappern, dass er etwas macht, was

ich geil finde.“ Niko: „Muss sich ein Savas neu

erfinden? Oder reicht es, wenn er das tut, was

er am besten kann?“ Dennis: „Natürlich kann es

auch gut werden, wenn er in seiner Komfortzone

bleibt. Aber bei jemandem, der das Handwerk so

perfekt beherrscht wie er, hoffe ich, dass er seine

Skills dafür nutzt, auch mal in neue Richtungen zu

gehen.“

Es geht los: „Intro“ feat. Tim Bendzko. Sleepwalker:

„Das wirkte sehr angespannt.“ Niko: „Ja,

eigentlich kommt es ruhig rein und wirkt etwas

futuristisch, wie aus dem ‚Tron’-Soundtrack. Und

mit einem Mal geht’s los. Wie aus der Pistole geschossen.“

Sleepwalker: „Er hat gleich mit 180

Prozent losgelegt und den Faden auch beibehalten.

Verstanden habe ich aber so gut wie nichts.“

Dennis: „‚Ich schlachte dich wie ein Sparschwein‘,

hat er zum Beispiel gesagt.“ Sleepwalker: „Okay.

Tim Bendzko hat mich hier überrascht. Gefällt.“

Niko: „Für das Feature wurde Savas kritisiert.“

Dennis: „Ich frage mich auch, warum ausgerechnet

Tim Bendzko auf einem Savas-Song ist. Aber

er singt gut. Das funktioniert.“

Weiter geht es mit: „Märtyrer“. Dennis: „In puncto

Rap finde ich den Track sehr gut. Savas flowt

perfekt zu dem Beat. Und den Beat selbst finde ich

auch gut. Das Einzige, was mich an dem Song ein

kleines bisschen gestört hat, ist, dass ich als Hörer

nicht so richtig angesprochen werde. Der Song

wirkt, als mache Savas das alleine mit dem Beat

aus. Ich konnte da gar nicht richtig einsteigen.“

Niko: „Da braucht es dann eben vier oder fünf

Hördurchgänge. Was ich hier nicht so gut fand, ist

dieses ‚Märtyrer’ im Refrain.“ Sleepwalker: „Mir

gefällt das ‚Märtyrer’ in der Hook auch nicht. Aber

sonst habe ich hier nichts zu meckern.“

Es folgt: „Es ist wahr / S A zu dem V“. Sleepwalker:

„Den Song find’ ich geil, den Beat, den Chorus,

alles. Der Chorus bockt. Und was wir nicht

vergessen dürfen: Wir können noch so viel über

die Technik reden, ein Song muss ja einfach nur

zum Hören sein. Und den würde ich mir anhören,

vielleicht im Auto mal ein paar Dinger mitrappen,

wenn ich den Text verstanden habe.“ Niko: „Mir

fiel eben auf, wie du beim Hören eine Passage

abgefeiert hast. Von diesen Passagen gibt es auf

dem Album jede Menge. Und je häufiger man es

hört, desto mehr realisiert man die.“ Dennis: „An-

88 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


fangs dachte ich noch, was sollen hier nun wieder Track von Kool Savas.“ Sleepwalker: „An mir geht

diese Kinderstimmen, aber als der Beat losging, der Song mal eiskalt vorbei“. Dennis: „Ich fand den

war das für mich alles dope.“ Sleepwalker: „Was Song auch musikalisch nicht so stark wie die anderen

bisher.“

stört dich denn sonst an den Kinderstimmen?“

Dennis: „Die wirken auf mich immer wie billige Der nächste Song: „2 the Essence“ feat. Masta

Versuche, in die ‚Hard Knock Life’-Kerbe zu hauen.“

Sleepwalker: „Aber es gibt doch auch in Hor-

Allerdings hätte der Beat für mich in den Strophen

Ace und Tajai. Sleepwalker: „Der ist schön straight.

rorfilmen Kinderstimmen, die einfach diese Atmosphäre

erzeugen.“ Dennis: „Hm.“ Niko: „Auf mich sonst alles cool.“ Dennis: „Savas’ Einstieg ist na-

mehr gebraucht als Drums, Filter und Breaks. Aber

wirkt der Song, als wäre er vor allem für die Bühne türlich extrem derbe mit seiner Masta-Ace-Reminiszenz.

Die Cuts finde ich auch cool, das ist ein

gemacht. Ich freue mich jetzt schon darauf, wenn

Tausende in den Hallen und auf den Festivals ‚S A schöner Hip-Hop-Track.“ Niko: „Finde ich auch.“

zu dem V’ rufen.“

Sleepwalker: „Und Savas muss sich nicht verstecken.

Für mich hat es sich sogar so angehört, als

Als nächstes kommt: „Zweifel und Bestätigung“.

Dennis: „Ist das da Laas Unltd. am Anfang?“ Niko: hätte Tajai sich an ihm ein Beispiel genommen.“

„Ich denke schon. Das ist ein typischer Savas- Weiter geht es mit: „Es rappelt im Karton“. Sleep-

Move, finde ich. Er bündelt all das, was ihm an walker: „Der fängt derbe interessant an, wie er da

Kritik und Disrespekt entgegenkommt, und zeigt so melodisch losspittet. Das hätte man in dem

es dann allen. Jedenfalls wirkt der Song auf mich Song weiterverfolgen sollen.“ Dennis: „Diesen

so.“ Dennis: „Auf mich wirkt das etwas überambitioniert.

Klar, Rap ist immer Competition, aber hört.“ Niko: „‚Limit’ fandet ihr beide cool, den

Song habe ich inhaltlich nun zwei-, dreimal ge-

ich denke, im Großen und Ganzen muss Savas da hier nicht. Kann das daran liegen, dass es hier

„MUSS SICH EIN SAVAS NEU ERFINDEN?

ODER REICHT ES, WENN ER DAS TUT, WAS

ER AM BESTEN KANN?“ (NIKO)

nicht mehr drauf eingehen.“ Niko: „Sehe ich auch

so.“ Sleepwalker: „Für mich haben sich die Songs

bisher ohnehin so angehört, als wolle Savas etwas

beweisen. Für mich muss er das nicht.“

Weiter geht es mit: „Limit“ feat. Alex Prince.

Sleepwalker: „Der Song ist derbe stimmig. Und

Alex Prince finde ich sowieso bombe, die singt

da eine richtig geile Hook. Den Track kann ich mir

richtig gut anhören.“ Dennis: „Mir gefällt der auch,

der Chorus ist gut, Savas’ Performance finde ich

auch stark. Der Song hat mich richtig gut abgeholt.“

Niko: „Und er sagt richtig schlaue Sätze zwischendurch.“

Sleepwalker: „Ja, und er überfordert

mich als Hörer nicht. Ich kann ganz entspannt

zuhören.“ Niko: „Mit seinem Satz, er brauche keine

Mütter zu hacken, um andere zu ficken, rennt

er hier ja auch offene Türen bei uns ein.“ Dennis:

„Bei mir ist auch hängen geblieben, dass er sagt:

‚Du erlebst mich am Mic nur im Rocky-Modus’.

Das ist genau das, was ich vorhin meinte.“

Es folgt: „Matrix“. Dennis: „Nachdem ich nun

andere Songs des Albums gehört habe, muss

ich sagen: Den finde ich im Vergleich eher weniger

stark.“ Niko: „Na ja, Zeilen wie ‚Ich bin nicht

der King dieser Mucke, ich bin diese Mucke’ sind

schon ziemlich gut. Der Song wird ein Legenden-

keine Hook gibt?“ Dennis: „Möglich.“ Sleepwalker:

„‚Limit’ wurde ganz anders präsentiert, sodass

man den besser aufnehmen konnte. Hier ist

mir zu viel Ratatata.“ Niko: „Andere werden für

ihre 100-Bars-Songs groß abgefeiert.“ Dennis:

„Von mir nicht.“ Niko: „Aber allgemein.“ Dennis:

„Ich will einen geilen Song hören und nicht 1.000

Bars. Für mich ist Rap heute mehr als nur Vocal-

Darbietung.“

Es folgt: „Rap über Rap“. Sleepwalker: „Der

Chorus ist geil, der Beat ist geil – und der Rap ist

der Rap.“ Dennis: „Aus dem Songtitel hätte man

mehr machen können, den finde ich cool. Der

hat etwas Selbstironisches.“ Niko: „Für mich ist

das Autofahr-Kopfnicker-Mucke.“ Sleepwalker:

„Mein größtes Problem bisher ist, dass er mich

mit den Strophen nicht so abholt, auch wenn er

echt geile Vergleiche und so was hat.“

Weiter geht es mit: „Summa Summarum“.

Dennis: „Der Beat ist ein gutes Beispiel dafür,

dass man mit einfachen Mitteln etwas machen

kann, das abgeht.“ Sleepwalker: „Der wird live

richtig abgehen.“ Niko: „Der hat mich nun überhaupt

nicht mitgenommen.“

Nun kommt: „Neue Namen“. Dennis: „Die

Hook transportiert eine ziemlich geile Idee, aber

in den Strophen geht die für mich dann ein bisschen

unter.“ Sleepwalker: „Das dachte ich auch.“

Es folgt das Skit: „Anekdote aus Istanbul“. Dennis:

„Geil vorgelesen, so schön Hörspiel-tauglich.“

Sleepwalker: „Endlich kommt mal etwas Persönliches.

Man erfährt was über den Menschen Savas.“

Niko: „Nachdem sein Vater auf dem letzten

Album das Intro gesprochen hat, baut er hier wieder

jemanden aus seiner Familie ein. Das scheint

ihm am Herzen zu liegen.“

Und schließlich der letzte Song: „Lang genug

gewartet“. Sleepwalker: „Nach dem Skit eben

habe ich etwas Persönliches erwartet. Aber er ist

wieder im Rap-Roboter-Modus, der mir sagt, dass

er der Geilste ist und allen anderen Rambo-like

einschenkt.“ Niko: „Aber genau so hat er sich auf

den Thron gerappt.“ Dennis: „Ja, aber ich bleibe

dabei: Wenn einer handwerklich so unfassbar gut

ist, dann kann er doch auch noch mehr machen.“

Niko: „Ich mag den Song.“ Sleepwalker (lacht):

„Das haben wir nun schon öfter festgestellt.“

Dennis: „Weil der Song etwas verträumt klingt?“

Niko: „Ja.“ Sleepwalker: „Aber es gibt keine verträumten

Lyrics.“ Niko: „Auch wie er sich selbst

zitiert – das braucht Eier.“ Dennis: „In der Szene

ist dieses ‚Ihr habt lang genug gewartet’ ja schon

ein geflügelter Satz – und Savas ist der Urheber.“

Niko: „Eben. Und auf seine Alben wartet man ja

eigentlich immer.“ Sleepwalker: „Ich finde, etwas

mehr Materie wäre gut. Klar kann er sagen, dass

er der Beste ist und allen in den Hals kackt, aber

ich hätte das gerne in mehr Variationen und Bildern

gehört.“ Niko: „Vielleicht ist das ja da, aber

du konntest das eben nicht entdecken, weil er so

Orkan-artig rappt.“ Dennis: „In den Strophen gibt

es diese Bilder sicherlich, aber ich würde die dann

auch gerne an einer weißen Wand aufgehängt sehen,

sodass sie nicht nur an mir vorbeirauschen.“

Sleepwalker: „Die Songideen, die ja da waren, zumindest,

wenn man sich die Hooks anhört – die

hätten in den Strophen für meine Begriffe noch

etwas mehr ausgearbeitet werden können. Dieses

Technik-Branding ist für mich ein bisschen sein

Fluch geworden.“ Niko: „Dennoch: Ist ‚Märtyrer’

sein bestes Album geworden?“ Dennis: „Für mich

nicht. Auch wenn Savas selbst das nicht so sieht,

halte ich ‚Tot oder lebendig‘ für seine beste LP.“

Niko: „Savas wurde ja gerne dafür kritisiert, dass

er auf seinen Alben mit elf oder zwölf Songs oft

verhältnismäßig viele Features hatte. Bis auf den

Track mit den beiden Amis hat er hier nun keine

Rap-Features. Das sind zwölf Savas-Songs.“ Sleepwalker:

„Was ich mir eben außerdem dachte: Vielleicht

fehlt es hier manchmal an jemandem, der

so ein Album zur Abwechslung auch mal in etwas

andere Bahnen lenkt.“

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 89


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

SOUND

CHECK

2.0

DEUTSCH

Haftbefehl

„Russisch Roulette“

Kalim

„Sechs Kronen“

Kool Savas

„Märtyrer“

Shindy

„FVCKB!TCHE$-

GETMONE¥“

Eko Fresh

„Deutscher Traum“

Mortis

„Hollywoodpsychose“

Olli Banjo

„Hits & Raritäten“

28

24

24

24

23

23

23

90 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015

NIKO PHIL RIKE

Wow. Es ist einfach immer wieder

beeindruckend, wie gut dieser

Kerl auf den perfekt gewählten

Beats flowt – und abliefert. Unglaublich!

Eine der Überraschungen des Jahres.

Klasse Mixtape mit einem

stimmigen Vibe. Macht Lust auf

ein Album.

Für mich wahrscheinlich das beste

Album des Altmeisters. „Ich

mach‘ Rap über Rap, ihr macht

Rap über nichts.“ Punkt.

Die Plagiatsvorwürfe sind hier

wirklich schwer von der Hand zu

weisen. Aber losgelöst davon, ein

in sich stark performtes Album.

Ein richtig gutes Album. Eko Fresh

liefert weiterhin sehr solide auf hohem

Niveau ab. Und das in einem

sehr kurzen Veröffentlichungszyklus.

Starker Mortis. Wahrscheinlich echt

noch zu sehr unterschätzt, was schade

ist. Denn hier ist alles aufeinander

abgestimmt. Musik, Text, Rap, Visualität.

Wenn man sich diese Sammlung

anschaut, wird mal wieder klar, wie

viel Olli schon gemacht hat – und

wie viele gute Nummern schon dabei

waren. Chapeau. Wann kommt

das neue Album?

Es wird wieder eifrig über Rap diskutiert

in den Feuilletons – objektiv

betrachtet auf einem weitaus niedrigeren

Niveau, als sich dieses Album

befindet.

10 8

Sicher die größte Überraschung

in dieser Rangliste. Nicht zu Unrecht:

Eine eingängige Stimme

und rollende Beats erzeugen einen

unverwechselbaren Vibe.

Für Savas grundsolide, für Rap-

Deutschland verdammt gut, für

mich einen Tick unter den Erwartungen.

Leider geil!

Das mittlerweile achte (!) Album

von Eko – und sein wahrscheinlich

bestes. Sehr gute Beats, wohlüberlegte

Themen und abwechslungsreicher

Rap.

Die grundlegendsten Dinge des Lebens

auf eine sehr sympathische

Weise transportiert. Kann man machen!

Da sind im Laufe der Jahre schon

eine Menge krasser Tracks zusammengekommen.

Ein lyrisches

Feuerwerk auf 60 Tracks, das man

unmöglich an einem Stück durchhören

kann.

A(zzlack)vantgarde … Hier mag

ich sogar auf einmal Autotune!

Wenn du es „Zehn Boxen“ genannt

hättest, hättest du sie von mir bekommen.

So gibt es nur neun für den

geliebten 90er-Flow und ebensolche

Beats mit nur 22 Jahren. „Stadtrundfahrt“

ist eine Hymne und mit

Aaliyah hast du so recht!

8 7

9

Passgenauer Flow wie immer und

(zu) moderne Beats am Zahn der

Zeit. Nachdenklichkeit, kein Stillstand

und Weiterentwicklung.

Kann man gut hören. Aber Tim

Bendzko hat im Hip-Hop nichts zu

suchen!

9 8 7

Bei Kanye, Rick, Drake usw. abgeschautes,

dennoch sehr gutes

Beat-Material und eine authentischwitzige

Darstellung Stuttgarter und

Bietigheimer Bonzen. Von der italienischen

Bitch mit French Nails habe

ich schon Albträume.

8 8 8

Oldschoolige Beatliebe, geschmeidiger

Flow, alle wichtigen

Features mit Rang und Namen und

ein über-produktiver Ekrem Bora.

Ein mehr als solides 360-Grad-

Modell. Aber Tim Bendzko hat im

Hip-Hop nichts zu suchen!

8 8 7

8 7

8

8

Leben, Erfahrungen sammeln,

Fehler machen und nach Ewigkeiten

das Debütalbum herausbringen.

Ein kluger, richtiger Weg.

Alles der Musik zuliebe. Gute Einstellung

von diesem Mortis.

10

Olli ist ein deutsches Hip-Hop-Urgestein,

das ewig dabei ist und schon

mit jedem gearbeitet hat. Das beweist

diese Platte. Auch wenn „Warum

ist Kanye West so scheiße?“

sehr witzig ist, gefallen die neuen

Sachen nicht besonders.

8

7


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa SOUNDCHECK 2.0

NIKO PHIL RIKE

Olson

„Ballonherz”

Pierre Sonality

„Magdeburg“

(inkl. EPs)

Sido

„30-11-80 (Live)“

Dexter

„Palmen & Freunde“

Nico Suave

„Unvergesslich“

23

23

23

22

22

21

Senkrechtstarter. Starkes Album,

dass nach weit mehr klingt, als es

den Fans der ersten Stunde gefallen

dürfte. Olson ist für die großen

Bühnen vorbereitet. Allein: Jetzt versuch‘

das hier mal zu toppen.

Sein bisher bestes Album. Stimmig,

vielseitig und ebenso viel zu

sehr unterm Radar, was die breite

Masse anbelangt. Ob er da überhaupt

hin will …

Großes Album in 2013, mit einem

Instant-Classic-Albumtitel-Song.

Und in der Live-Version nicht weniger

stark, wie auch der Rest. Die

Emotionen der Protagonisten kommen

hier an.

Der beste rappende Produzent der

Neuzeit, oder? Zumindest ein richtig

mitnehmendes Album, das gut

in die Spätsommertage gepasst

hat.

Das Album ist getreu dem Zeitgeist

gestaltet und für die Bühnen

(bis in den Pop-Kosmos) vorbereitet.

Alleine die Frage, ob da für

Nico noch Platz ist, bleibt offen.

Mir hat der Vorgänger besser gefallen.

Hier ist mir alles einen Tick

zu monoton.

Eine Menge gelungener Zitate aus

der zeitgenössischen Popkultur

und etwas zu wenig Alleinstellungsmerkmale.

9 7

8

On point!

Sido und Live-Alben haben ja mittlerweile

schon Tradition – und man

bekommt das, was man erwartet.

Der richtige Soundtrack für Scotch

& Sofa.

Das Album hat auf jeden Fall

mehr Aufmerksamkeit verdient

,als es wahrscheinlich bekommen

wird. Runde Sache.

Ist mir an der ein oder anderen

Stelle leider etwas zu kitschig,

ansonsten wäre es sicher eine 8

geworden.

7

Das Album ist tatsächlich ein

großes, schönes, knallrotes Ballonherz,

das niemals zerplatzt,

weil keine Ecken und Kanten erlaubt

und gewollt sind.

Ein Blick auf die Vergangenheit.

Eine Heimat-Ästhetik, die sich über

das Artwork als Gesamtkunstwerk-

Trilogie ausbreitet. Ein Blick in Gegenwart

und Zukunft. Da kommt

noch viel. Kann man sich sehr gut

anhören.

Das verschmitzt-sympathische,

wenn auch poppige Entertainment

mit der Signature-Stimme ist

auch live sehr gut. Zwischendurch

wehmütig wie auf dem Konzert

„Dadadadaaada!“ gröhlen/summen/denken

macht froh.

7 8 8

Ein viel beschäftigter Produzier-Arzt,

bei dem alles so wirkt, als würde

er es locker aus dem Ärmel schütteln.

Die Zeile „McFit, pump‘ den

Bizeps, weil jeder Chabo jetzt auch

auf Boombap-Beats rappt“ kriegt

einen Preis.

7 7 8

Einfach nur schöne Musik aus Hamburg!

7 7 8

Nachdenkliche Außenseiter und

zurückgezogene Eigenbrötler mag

man immer.

7

8

Chakuza

„Exit“

Curse

„Uns“

Teesy

„Glücksrezepte“

21

21

Wie eine Lesestunde vom Altmeister

der gefühlsorientierten Texter

im Deutschrap. Stark. Aber man

sollte gut zuhören.

Der Junge ist echt ein Multitalent

und das Album stellt das unter

Beweis.

7 6

8

7

Ich komm‘ irgendwie nicht wirklich

drauf klar, schade!

Singen, Rappen, Beats picken –

Teesy kann eigentlich alles ziemlich

gut. Leider gibt es ein paar

unerwartete Ausschläge nach

unten, trotzdem ein Künstler, dem

die Zukunft gehört.

6

8

Erwachsen, Familienmensch, weiterhin

nachdenklich und reflektiert.

Rock, Indie, Electro. Das ist Curse

jetzt! Voll okay, aber die jüngere,

ungestümere, impulsivere Hip-Hop-

Version war cooler.

Verzogener Mund durch zu viel

romantischen Pathos. Erinnert

an Carter – also Nick, Aaron und

Girlies, nicht Shawn. Stellenweise

soulig, aber vielmehr die

schleimige Chimperator‘sche Geschmacksverirrung.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 91

8

7

6


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

SOUND

CHECK

2.0

Apollo Brown & Ras

Kass

„Blasphemy“

Logic

„Under Pressure“

Run DMC

„The Box Set Series”

Ghostface Killah

„36 Seasons”

DJ Premier & Royce

da 5‘9‘‘

„Prhyme“

Common

„Nobody‘s Smiling”

Diamond D

„The Diam Piece”

INT.

27

26

25

25

25

24

24

92 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015

NIKO PHIL RIKE

Richtig gutes Ding. Und spätestens

seit unserem gemeinsamen

Abend auf dem Hip Hop Kemp

2014 ist Ras Kass bei mir hoch

im Kurs.

Krass gut produziert. Unheimlich

stimmig. Für mich einer der Überraschungen

der letzten Wochen.

Meine Hip-Hop- und Rap-Sozialisation

wurde maßgeblich durch

diese Combo geprägt. Darum

unf***bar. Zumindest in den frühen

Jahren.

Weit besser, als das groß aufgezogene

Clan-Release. Abwechselungsreich

und mit Liebe zum

Detail. Stark!

Starke Combo. Und auch ein paar

echt gute Nummern. Aber meine

Erwartungshaltung an das Projekt

war im Vorfeld noch höher.

Ist er mittlerweile eigentlich ein

Schauspieler, der rappt? Oder immer

noch ein Rapper, der schauspielert?

Auf jeden Fall hier wieder

mehr Common, wie ich es mag.

Daumen hoch. Auch wenn mich

vieles vom Altmeister in der Vergangenheit

nicht unbedingt angesprochen

hat, ist das hier echt auf

Dauerschleife gelaufen.

Zwei Riesen auf Augenhöhe – und

bis dato das beste Apollo-Brown-

Album.

9 9

Man hört schon ziemlich stark den

Einfluss von Drake und Kendrick –

aber das bedeutet in dem Fall nichts

Schlechtes.

Hit an Hit!

Yeah! Ghostdini mit seinem wahrscheinlich

stärksten Album seit

„Ironman“.

Für mich eines der besten Alben

des Jahres und nah an einer 10.

Für mich eines der schlechtesten

Common-Alben, leider.

Schon ein ziemlich solides Album,

aber ist mir dann doch etwas zu

Nostalgie-behaftet.

Apollos unglaubliche Beats und

Rasys reibeiserne Ehrlichkeit. Die

beiden gehören zu den Allerbesten

und -liebsten. Ich freue mich, dass

das Album unsere internationale

#1 ist. Verdient! „Please Don‘t Let

Me“ ist der Banger!

Aufmerksame Beobachtung, erfrischende

Betrachtungsweise und

ausgefeilter Rap. Die Beats bergen

Anderes und Neues in sich,

blicken aber auch auf das Alte zurück.

Man hört sehr gerne zu, kein

Grund, unter Druck zu geraten.

9 9

8

Was soll man hier schreiben?

Alles, was das Hip-Hop-Herz begehrt!

9 7 9

Soulige Beats und konzeptionelle

Lyrics, alles richtig gut! Wenn

man das Wu-Tang-Album nicht

hören kann, wird man hier mehr

als entschädigt.

8 8 9

Alles, was Preeeeemo anfasst …

Nun ja.

8 9 8

9 7

7

7

Wie Urlaub in Chicago! Nicht als

richtiger Touri, sondern Einheimische

besuchen, Geheimtipps, jede

hinterste Ecke und auch Schattenseiten

gezeigt bekommen. Jetzt

habe ich Fernweh und will unbedingt

mal nach Chicago.

Die besten Beats, die aus jedem

Feature das Beste herausholen,

der beste Produzent am Mikro, die

beste Crew und die anmutigste

Erscheinung. Ein Diamond bleibt

ein Diamond.

9

8

10


aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa SOUNDCHECK 2.0

NIKO PHIL RIKE

T.I.

„Paperworks“

Stalley

„Ohio”

Asap Ferg

„Ferg Forever”

The Game

„Blood Moon – Year

of the Wolf”

Big K.R.I.T.

„Cadillactica“

Killer Mike & El-P

„Run the Jewels 2“

Rick Ross

„Hood Billionaire“

Wu-Tang Clan

„A Better Tomorrow“

24

24

24

23

22

22

22

22

Das ist mal richtig groß hier. Alles

klingt irgendwie nach Bravo-Chartshow

und dennoch schafft es T.I.,

dem Ganzen seinen Stempel aufzudrücken.

Hochglanz.

Hab ihn im Sommer auf den Festivals

gesehen. Und das Album

hält das Versprechen, das er da

gegeben hat.

Das Ding macht richtig Spaß. Gut

zu wissen, dass aus der Crew

noch einer was kann außer Asap

Rocky

An den Hunger des ersten Albums

wird er wahrscheinlich nie wieder

herankommen. Aber das hier versprüht

zumindest wieder ein wenig

mehr von dem Biss, den ich früher in

seinen Sachen gehört habe.

Schon richtig gut gemacht. Mir

fehlen eigentlich nur die echten

Knaller.

Ich fand den Vorgänger stärker. Ein

wenig von der Wucht, die Part 1

versprüht hat, fehlt dem hier.

Ich bin durch das Album wieder

voll im Rick-Ross-Modus.

Bounce!

Viel Tamtam um ein Album, das

diesen Ansprüchen gar nicht gerecht

werden kann. Alte Männer

rappen gesittet auf dem Vibe der

Vergangenheit.

9

8

Gewohnt hochwertige Musik für

den Club, aber irgendwie auch

nichts Unerwartetes.

Der bekannte Stalley-Vibe auf Albumlänge,

was ziemlich gut ist – da

sind sich auch ausnahmsweise mal

die Rezensenten komplett einig.

Der Harlemer Trap-Lord haut ein

Mixtape auf Album-Niveau raus!

Ich hätte nie gedacht, dass ich ein

Game-Album mal mehr feiere als

Kollege Hüls!?

Ein paar weniger Tracks und es

wäre locker eine 8 geworden!

Für mich eine der positiven Überraschungen

in dieser Runde. Sehr

abwechslungsreiche, zeitgemäße

Beats und Lyrics auf hohem Niveau!

Siehe T.I.!

Ich weiß noch nicht genau, was ich

davon halten soll. Angesichts der

Tatsache, dass man auf Wu-Alben

immer viele Jahre warten muss, ist

das etwas zu wenig.

7

8

Pop-Rap mit viel Charme, der keine

Kosten und Mühen scheut für

eine breite Produktion und gerade

gefragte Features.

Bei diesem Debütalbum hat man

vor Augen, wie Stalley mit seinem

dicken Auto durch seine Heimat

Ohio fährt, allem Tribut zollt, was

von dort kommt und dort entstanden

ist. Ein Ohio Player, der sich

zu Hause fühlt.

Der Trap-Lord aus Harlem hustlet

hier ein Asap-Mob-Mixtape, wie

es sich gehört.

9 8 7

Auch wenn The Game die Farbe

Rot mag, fehlt hier der rote Faden.

Zu heterogen, zu zerstreut, zu viele

Features. Auch jenes ab Minute

2:30 in „Or Nah“ verwirrt. Mehr

Fokus auf sich selbst wie in „Bigger

Than Me“ hätte gutgetan.

8 9 6

8

7 7

9

8

7

7

Leichtes, angenehmes, funky

„Soul Food“ aus Mississippi oder

von einem anderen Planeten

namens „Cadillactica“.

7 7

Die beiden sind so was wie Public

Enemy und Bomb Squad von

heute.

Ricky Rozay und Riki Rosé mögen

sich leider nicht.

Wer mystische Knarzigkeit erwartet

hat, ist natürlich enttäuscht. Ist der

geniale Dilettantismus heutzutage

überhaupt noch möglich? Freuen

sollte man sich, dass die Herren, ihre

Charaktere und die Organisation das

Album möglich gemacht haben.

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 93

8

8

8

6

7


TEXT: PHONK RIBERY

Die Welt brennt. In allen möglichen Ländern schwelen die Konfliktherde. Schockstarre? Schon irgendwie. Weggucken? Fehlende Empathie?

Abgestumpft? Alles schon, irgendwie! Uns geht’s ja gut. Gibt es Soundtracks, die uns wachrütteln könnten? Fela Kuti, James

Brown, Joe Bataan, Gil Scott-Heron oder Nina Simone verbanden in den aufrührerischen Sechzigern Charisma, Individualität, Inhalt

und Sound zu musikalischen Revolutionen, die heute noch wirken und inspirieren! In dieser „Beatcorner“-Ausgabe soll auf große Werke

dieser Prägung hingewiesen und gleichzeitig sollen aktuelle kleine Perlen hervorgehoben werden. Die große Revolution ist eben doch

nicht dein neues Smartphone – das sind revolutionäre Töne, die für die Ewigkeit in Vinyl geschnitten sind.

THE SOULJAZZ ORCHESTRA

„Manifesto“

Label: Do Right Music

Format: Vinyl/CD/MP3

ihre Weise. Tropicalia, dieser Mix aus Psychedelic Rock,

Bolero, Samba, Bossa Nova, Funk und Jazz wurde zum

Sound eines anderen, offeneren und menschenfreundlicheren

Brasiliens. Der amerikanische Rolling Stone wählte

Platte einen noch spannenderen Weg. Sie samplen The

Clash und mischen das mit Afro House und Schnipseln

kongolesischer Musik der 1970er-Jahre. Diese wilden

postkolonialistischen Klangwelten defi nieren sich hier als

Global-Bass-Flaggschiff. Die MCs spitten in Quicongo,

Zulu, Englisch und Portugiesisch, als wäre es das Normalste

der Welt. Und das ist auch gut so.

SCHWARZKAFFEE

„Radio Freakquency”

Label: Transport Music

Format: Vinyl/CD/MP3

Die kanadische Multikulti-Kapelle spielt einen leidenschaftlichen,

schweißtreibenden und zu 100 Prozent authentischen

Mix aus polyrhythmischen Feuerwerken zwischen

Afrobeat, Latin, Funk und Jazz. Ihr aktuelles Werk „Inner

Fire“ vertieft den Schwerpunkt Latin Grooves aus dem

„Nuyorican Melting Pot“ der Siebziger. Ihre wahren Meisterwerke

haben sie jedoch bereits 2007 („Freedom No Go

Die“) und 2008 („Manifesto“) abgeliefert. Hier fi ndet man

das ehrliche, gebührende und wütende Erbe Fela Kutis.

Wuchtige Percussions treffen auf fi ebrige Sax-Angriffe –

die als Weiterführung des Afrobeat-Paten aus Nigeria zu

verstehen sind. Explosiv, aggressiv, genial und vielleicht

sogar das organische Pendant zu „It Takes a Nation of Millions

to Hold Us Back“.

VARIOUS ARTISTS

„Tropicalia – Ou Panis et Circencis”

Label: Soul Jazz Records

Format: Vinyl/CD/MP3

Die remasterte Version des 1968er-Klassikers „Tropicalia

– Ou Panis et Circencis” ist nun im WM-Taumel und

Brasilien-Hype über das britische Liebhaberlabel Soul Jazz

Records erneut aufgelegt worden. Tropicalia nennt sich

eine Musikrichtung, die sich in den 1960er-Jahren in Brasilien

etablierte. Damals herrschte dort eine Militärdiktatur,

Gewalt, Unterdrückung und Zensur waren an der Tagesordnung.

Einige brasilianische Musiker wehrten sich auf

diese Compilation mit Stars wie Caetano Veloso, Gilberto

Gil, Tom Zé, Os Mutantes, Nara Leão und Gal Costa auf

Platz zwei der 100 bis dato besten brasilianischen Alben.

BATIDA

„Dois”

Label: Soundway Records

Format: Vinyl/CD/MP3

Die ultimative globale Soundkraft vereint das portugiesische

Kollektiv Batida. Weltweit feierte man den außergewöhnlichen

Soundmix ihres 2012er Debüts als Paradebeispiel

für eine Platte, die Resistance sein möchte und

es auch kann. Im Kuduro Anglos verwurzelt spielen sich

hier fantastische Experimente zwischen Polyrhythmen und

elektronischen Beats ab. Dabei gehen sie auf der zweiten

Wenn es eine Funk-Kapelle gibt, die mich in letzter Zeit

wirklich nachhaltig unterhalten hat, dann ist das Schwarzkaffee

aus Hamburg. Funk ist ja irgendwie gerade überall

und in jeglicher Form. Den authentischen, rohen und auf

das Nötigste reduzierte Funk fi ndet man jedoch nicht

mehr so oft. Synkopen, Licks, Drums, Bläser plus charismatisches

Crooning! Nachhaltig bleiben einem da die

perfektionistischen J.B.’s-Kopien von Osaka Monaurail im

Gedächtnis – und im Case. Was den grandiosen Japanern

irgendwie fehlte, war die Spielerei mit den Elementen und

eine Portion Humor, um das puristische Dasein nicht anstauben

zu lassen. Das wiederum haben die Hamburger

geballt in petto. Da gibt es sogar schöne Ausfl üge zur Talkbox

oder zum Hip-Hop. Diese Platte ist eine richtig gute

Funk-Sause.

94 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


WAS FÜR

Unterwegs

DIE BACKSPIN APP-ERHȦ . LTLICH IM APP STORE


MPC STUDIO ist die erste portable MPC, die du direkt mit deinem Computer verbindest. Sie kombiniert das legendäre

MPC-Feeling mit den Ressourcen moderner Computer in einem ultrakompakten Gehäuse. MPC Studio verfügt über ein hintergrundbeleuchtetes

LCD, 16 MPC Pads und weitere typische Features, welche dir komplette Produktionen direkt vom Hardware

Controller aus ermöglichen. Wir verlosen 1x MPC Studio!

// www.akaipro.com // Stichwort: „MPC STUDIO“

Check this out: BERLIN BOOMBOX Fans können sich ab sofort auf eine ganz

besondere Edition ihrer Lieblingslautsprecher für Smartphones und MP3-Player

freuen. Das Design der YO! MTV RAPS BOOMBOX ist inspiriert vom Look der

legendären MTV Show, die von 1988 bis 1995 Musikgeschichte schrieb. In 2 Farben

erhältlich, zollt BERLIN BOOMBOX mit diesen coolen Ghettoblastern allen HipHop

Größen der letzten 20 Jahre gebührenden Respekt. Die BOOMBOX haben wir zusammen

mit dem limitierten YO! MTV RAPS Boombox T-Shirt für euch in der Verlosung.

// www.berlinboombox.com // Stichwort: „YO! MTV RAPS“

Feralstuff – Schluss mit Langeweile im Kleiderschrank

Das junge Modelabel Feralstuff sorgt seit Oktober 2013 für grenzenlose Abwechslung auf Sweatern und Shirts. Wie das geht?

Mit wechselbaren Patches zum Ankletten. So kann zum Beispiel der Lieblingssweater nach Lust und Laune neu und ganz

persönlich gestaltet werden. Mit den Patches in Dreiecksform bieten die zwei Freunde Nikolai Bender und Trutz von Klodt eine

neue, freshe und lässige Alternative zu immergleichen Kleidungsstücken. Momentan stehen dafür im Onlineshop 18 Motive zur

Auswahl wie zum Beispiel das coole Flamingo-Paar, das wir zusammen mit einem schwarzen Sweater 3 x verlosen.

// www.feralstuff.com // Stichwort: „FERALSTUFF“

EA SPORTS FIFA 15 – Feel The Game. Fußball ist mehr als nur das Spiel auf dem Platz. Fußball ist Einstellung und

Glaube. Ist Athletik und Präzision. Ist Dramatik und Emotion. Fußball ist immer wieder neu, unvorhersehbar und einzigartig.

Die nächste Chance, die nächste Szene kann alles ändern, kann das Spiel entscheiden und die unfassbaren Emotionen dieses

Sports entfesseln. Das ist Fußall. Das ist FIFA 15. Wir haben das Spiel 3x für euch in der Verlosung!

// www.easportsfussball.de // Stichwort: „FIFA 15“

INFERNO RAGAZZI: It‘s not just a brand, it‘s a lifestyle! Das Hamburger Modelabel

von Designer Flemming Pinck verbreitet gute Laune und Feierstimmung pur. Die

coolen Teile sind ein Statement – für die Liebe zum Leben und die Lust auf Party. Die

farbenfrohe Kollektion besteht aus T-Shirts, (Kapuzen-) Sweatern, Boardshorts und

Snap Back-Caps mit Statement-Prints, verwaschenen Dip-Dye- oder wilden Camouflage-Mustern.

Und darauf stehen nicht nur Cro und Marteria, sondern auch Lena Gercke

und viele mehr. Wir verlosen ein Set bestehend aus Sweater, T-Shirt und Badehose!

// www.infernoragazzi.com // Stichwort: „INFERNO RAGAZZI“

96 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015


WATCH OUT! All Eyes On Hip Hop ist ein belgisches Kollektiv, das Konzerte und Partys mit nationalen und internationalen

Künstlern organisiert. Die Jungs haben es sich zur Aufgabe gemacht, beste Qualität unters Volk zu bringen - egal ob New Skool

oder Old Skool. Zusammen mit den Headwear-Spezialisten von New Era liefert AEOHH die perfekte Cap für alle, die

Hip-Hop lieben.

// www.neweracap.eu // Stichwort: „NEW ERA CAP“

Tragt den flexiblen CitiScape Frames von Philips wie eure favourite Sonnenbrille

und genießt den hochpräzisen Klang wo immer ihr seid. Falls die Headphones doch

mal verstaut werden müssen, einfach zusammenfalten und in der Schutzhülle verstauen.

Die Shoqbox XL liefert einen hammer Sound, der jeden Raum füllt. Auflerdem

ist kabellose Radioübertragung über Bluetooth vorhanden, also kein Kabelstress. Wir

haben je 1 Exemplar für euch in der Verlosung.

// www.philips.de // Stichwort: „CITISCAPE“ od. „SHOQBOX XL“

Für leidenschaftliche Musiker, ist klar, dass bei einer Aufnahme ein exzellentes Ergebnis erzielt werden muss. Philips setzt, mit

dem neuen Voice Tracer DVT6500, klare Maßstäbe für technisch einwandfreie Musikaufnahmen. Ob Solo-Künstler oder

Band, jeder hat nun die Möglichkeit, mit dem neuen Audio-Recorder seinen persönlichen Sound einfach und in beeindruckender

Qualität aufzunehmen. Wir verlosen den Voice Tracer 3x!

// www.dictation.philips.com/de/produkte/category/voice_recorders/

Stichwort: „VOICE TRACER DVT6500“

Zum Underberg-Musikwettbewerb gibt´s jeden Sound in bester Qualität. Mach mit beim

Underberg Musikwett ewerb. Jeder kann sich bewerben. Es winken tolle Preise zum Start in

die Musikkarriere. Das Finale findet am 13. März 2015 vor prominenter Jury (Jupiter

Jones, VoXXclub) auf der Zugspitze statt.Neugierig geworden? Dann lade Deinen

Song hoch unter: www.sing-dich-auf-den-underberg.de // Erlebe deinen Song im besten

Sound und gewinne einen von vier Fidelio M1 Kopfhörern von Philips (199,00 Euro). Die

hochwertigen Kopfhörer bieten überall ein authentisches Musikvergnügen in HD Qualität.

// www.sing-dich-auf-den-underberg.de // Stichwort: „UNDERBERG/PHILIPS“

Der Marleaux kombiniert das High-Top-Design des Alomar mit dem einfachen,

leichten Profil des Prelow. Das minimalistische und erhöhte Design des

Marleaux verdeutlicht die modische Orientierung der Vans OTW Kollektion.

Der Marleaux präsentiert sich in hochwertigen Farbkombinationen in den Anti-

Camo und Clash-Packs. Dazu gibt es die Vans Consort Jacket.

// http://shop.vans.de // Stichwort: „VANS OTW“

Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 97


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K

K

O N

R

T

A

AUS DEM

SCHATTEN

INS

LICHT

DAS NEUE ALBUM

AB DEM

06.02.15


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