BACKSPIN Magazin #116
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#116
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WINTER 2014/15
GUTE MUSIK FINDET MAN SELTEN IN DEN CHARTS
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Editorial
#116
Jahreswechsel. Zeit, sich zu besinnen
und über das vergangene
Jahr nachzudenken. Und um endlich
ein neues BACKSPIN MAG auf
den Markt zu werfen. Die Gründe,
warum wir uns mit den Veröffentlichungen
immer ein wenig verzögern, sind vielseitig.
Wichtig ist am Ende aber immer, dass es
wieder eine BACKSPIN gibt. Und auch für diese
Ausgabe #116 haben wir uns ein paar schöne
Dinge einfallen lassen.
Der 25. September 2014 war ein Trauertag in
Hamburg, denn der Künstler und Sprayer Oz
kam bei einem seiner Streifzüge durch die Hansestadt
ums Leben. Ein Mann, dessen Schaffen
kontrovers diskutiert wurde und wird, der aber
zweifelsohne seinen Stempel auf das Bild unserer
Heimatstadt gedrückt hat wie kein Zweiter.
Darum widmen wir ihm dieses Cover, drucken
einen Nachruf und lassen ein paar Szene-Größen
ein paar Worte dazu verlieren, in Gedenken
an Walter Josef Fischer.
Einen großen Impact auf die hiesige Rap-Szene
hatten auch die beiden Gäste des neuen
Stammtisches der Ausgabe. Sowohl Curse als
auch der „King of Rap“, Kool Savas, beglückten
die Fangemeinde mit neuen Alben. Ein gelungener
Anlass, um die beiden zusammen an einen
Tisch zu bekommen und über „gute, alte
Zeiten“ zu reden und wie das eigentlich mit dem
Finanzamt läuft, wenn man zwar Rapper, aber
kein Business-Mensch ist.
Über „gute, alte Zeiten“ ging es auch in der Gesprächsrunde,
die unser Autor Sascha Weigelt
zusammengestellt bekommen hat. Mit seinen
Gästen Storm, Kai Eikermann, Marc Hype, Frank
Salewski, Poise aka Waffel und Runex entstand
so ein „Gespräch über die Hip-Hop-Szenen in
Ost und West zu Zeiten der Wende“. Nostalgisch
und informativ zugleich – und passend zum
25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls.
Auch wir sind nun schon 20 Jahre alt. Eine lange
Zeit. Und da wir es in 2014 nicht geschafft
haben, diesen Geburtstag zu zelebrieren (die
Gründe ähneln denen vom Anfang des Textes
hier), werden wir dies in 2015 nachholen. Wie,
wann und in welcher Form wird sich noch zeigen.
Aber: Wir werden weitermachen. Denn
die Regel gilt immer noch wie seit dem Tag des
Comebacks. „Wenn ihr denkt, wir waren weg,
heißt das nur, wir haben gearbeitet.“
In diesem Sinne: Alles Gute für 2015 und viel
Spaß beim Lesen!
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 3
HERAUSGEBER:
Niko Hüls / BACKSPIN Media
CHEFREDAKTEUR:
Niko Hüls
ART-DIREKTION:
Goran Tesanovic
LAYOUT:
Stephan „Gizmo“ Haramina
REDAKTION:
Benjamin Auch, Lara Borchers, Martin Fischer, Stephan „Gizmo“ Haramina,
Tim Kinkel (Textchef), Steffen Köster, Dennis Kraus (Chef vom Dienst),
Stella Kuklinski, Zdravko Misir, Daniel Sprauer, Mark Todt
AUTOREN DIESER AUSGABE:
Frederike Arns, Oliver Bartelds, Fume, Peter Hagen a.k.a. Phonk Ribery, Christian Luda,
Tim Kinkel, Shana Koch, Phil Kühn, Philipp Lembke, Zdravko Misir, Ralf Theil, Sascha Weigelt
FOTOS:
Eric Anders, Frederike Arns, Bums, Daniel Esswein, Jim Gramming, Kanzlei Dr. Gau,
James Minchin (Sony Music),Wilma Peters, Petra (HipHop Kemp) Juel Poulsen, Oliver Rath, Thomas Schermer,
Sleepwalker, Ole Westermann, Robert Winter
GRAFFITI-SEITEN:
Tobias Maier-Beck
GRAFFITI-KONTAKTE:
Tim Carstens & Tim Karger
E-Mail: Graffiti@backspin.de
REDAKTION TECHNICS:
Torben Bowm, Sleepwalker
E-Mail: Torben.Bowm@backspin.de
REDAKTION PERFORMANCE:
Benjamin Auch
E-Mail: Benjamin.Auch@backspin.de
ANZEIGENLEITUNG:
Benjamin Jäger
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4 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
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BACKSPIN#116
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06 ········································ Art: Hombre
08 ·········· Ohne Worte : MC Fitti, Curse, J-Ro, Rasco
12 ········································· BlogReport
14 ······················ Kommentar : Die Rapper-Falle
16 ··································· Hut ab! Kontra K
18 ············ Wie war das noch mal?: Pierre Sonality
20 ···················· Stammtisch: Kool Savas & Curse
28 ····························· Music: Den Sorte Skole
32 ··································· 50 Fragen an: T.I.
35 ················· Die hohe 5 mit: Eloquent & I.L.L. Will
36 ············································· Art: Oz
40 ········································ Art: Dr. Gau
44 ······································ Graffiti: Trains
48 ······································ Graffiti: Walls
54 ···················· Graffiti: Special - Caber ASC TA
56 ························ Tales From A Dirty Old Man
58 ········································· Art: Bums
62 ········ Performance: B-Boying zur Zeit der Wende
66 ····Technics: Sleepy´s World of Music @ BACKSPIN
68 ····················· Producer Spotlight: Just Blaze
70 ·· Technics: Review – Neues von Native Instruments
72 ································ Technics: Produkte
73 ··································· Promotion: BOLD
74 ·························Music: Champion Sound
78 ······················ Die LP meines Lebens: Vega
80 ································ Promotion: G-SHOCK
82 ·····························Die hohe 5 mit: B-Tight
84 ····················Die hohe 5 mit: Antilopen Gang
86 ···················· Back in the Days Tha Alkaloliks
88 ································ Album der Ausgabe
90 ······································· Soundcheck
94 ········································ Beatcorner
96 ······································· Verlosungen
98 ··············································· ABO
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 5
6 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 7
Foto: Ole Westermann
MC FITTI WANN NIMMST DU DEINEN BART AB?
8 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Foto: Ole Westermann
CURSE WIE HABEN SICH SECHS JAHRE PAUSE ANGEFÜHLT?
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 9
Foto: Eric Anders
J-RO ALS IHR ZUSAMMEN MIT ODB „HIP HOP DRUNKIES“
AUFGENOMMEN HABT, WIE HOCH WAR DA DEIN ALK-PEGEL?
10 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Foto: Eric Anders
RASCO EAST- UND WESTCOAST – IMMER NOCH RIVALEN?
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 11
TEXT: CHRISTIAN LUDA
Im Herbst feierten zwei Heimkehrer nach
langer Zwangspause ihre Comebacks. Nachdem
Lil Boosie im März aus dem Gefängnis
entlassen worden war und zunächst nur einzelne
Songs und Features ablieferte, erschien
Ende Oktober unter dem neuen Namen Boosie
Bad Azz endlich das mit Spannung erwartete
erste Mixtape. Auf „Life After Deathrow“ zeigt
Boosie, warum ihn seine Fans vermisst haben:
Nur wenige bieten solch ehrliche und emotionale
Raps wie der Mann aus Baton Rouge, der auf
vielen der insgesamt 18 Tracks tiefen Einblick in
seine Gefühlslage nach fünf Jahren hinter Gittern
gewährt.
Noch länger – beinahe sieben Jahre – weggesperrt
war Remy Ma. Zwei Monate nach ihrer
Entlassung meldete sich die ehemalige First Lady
der Terror Squad mit ihrem Mixtape „I’m Around“
zurück. Ehemann Papoose ist der einzige Gast,
neben Sean C & LV, Ron Browz und Buckwild
sorgt eine Reihe unbekannter Produzenten für die
Beats. Während diese nicht immer überzeugen,
beweist Remy Ma, dass sie noch immer zu den
besten Female MCs zählt.
Derweil gibt es auch neue Hoffnungsträger für
alle, die sich mehr weibliche Rapper wünschen.
Dej Loaf aus Detroit ist eine von ihnen. Nachdem
ihr die Single „Try Me“ ein Co-sign von Drake sowie
einen Deal bei Columbia bescherte, legt die
23-Jährige ihr Mixtape „$ell Sole“ vor, das sie weitestgehend
im Alleingang bestreitet und auf dem
sie nicht nur Rap-Skills, sondern auch Gesangstalent
beweist.
Und dann wäre da noch eine junge Dame namens
Tink. Die 19-jährige Rapperin und Sängerin aus
Chicago hat bereits mehrere Mixtapes auf ihrem
Konto und steht mittlerweile bei Timbaland unter
Vertrag. Dieser geriet bei einem „The Breakfast
Club“-Interview ins Schwärmen. Er verglich
seinen Schützling mit Lauryn Hill und packte als
ersten Beweis die Originalversion vom aktuellen
Rick-Ross-Song „Moving Bass“ aus, auf der Tink
eindrucksvoll an der Seite von Ricky Rozay und
Jay Z rappt. Mit ihrem Song „Tell the Children“
lieferten Tink und Timbaland zudem eine der wenigen
nennenswerten musikalischen Reaktionen
auf den umstrittenen Freispruch von Ferguson ab.
Ansonsten sorgte vor allem der auf einem Fanvideo
festgehaltene Gefühlsausbruch von Killer
Mike bei einem Konzert in St. Louis am Tag des
Urteils für Aufsehen. Angesichts der zahlreichen
Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze wünscht
man sich mehr politischen, wütenden Rap, wie ihn
Killer Mike und El-P auf ihrem großartigen „Run the
Jewels 2“-Album bieten, das die beiden auf ihrer
Website zum kostenlosen Download anbieten.
1988 nahmen N.W.A ihren Song „Fuck the Police“
auf, der leider nicht an Aktualität verloren
hat. Jenes goldene Hip-Hop-Jahr dient als Inspiration
für das aktuelle Mixtape von Grafh. Auf „88
Crack Era“ reproduziert DJ Ted Smooth die Beats
beliebter Klassiker der späten 1980er und frühen
1990er, während Grafh in Erinnerung ruft, warum
er einst zu den vielversprechendsten MCs aus
New York zählte. Ein Highlight ist das Update des
Onyx-Klassikers „Walk in New York“ mit Vado
und Raekwon. Letzterer hat unterdessen das
Mixtape „We Wanna Thank You“ veröffentlicht,
auf dem sämtliche Beiträge seiner #TBT-Serie
zu finden sind, in deren Rahmen sich der Chef 20
Wochen lang jeden Donnerstag einen bekannten
R&B- und Soul-Klassiker zur Brust genommen hatte.
Abschließend noch einige weitere empfehlenswerte
Releases: „Ferg Forever“ von Asap Ferg,
Roc-Marciano-Kumpel Hus Kingpin mit seiner
„NAHRIGHT Hype“-LP, The Lox mit dem im Gegensatz
zu den Vorgängern als freier Download
veröffentlichten dritten Teil ihrer „Trinity“-Serie
sowie drei starke Releases aus Atlanta – „Spaghetti
Junction“ von Geheimtipp Scotty ATL,
Future’s neues Mixtape „Monster“ und die fast
vollständig von Cardo produzierte EP „Live Life 2“
von Shootingstar OG Maco.
12 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
– OUT NOW –
05/02 – MÜNCHEN – BACKSTAGE
06/02 – WIEN – FLEX
07/02 – FULDA – KREUZ
LASS DIE AFFEN
AUS’M ZOO TOUR 2015
09/02 – NÜRNBERG – HIRSCH
10/02 – LEIPZIG – TÄUBCHENTAL
11/02 – BERLIN – ASTRA
13/02 – HAMBURG – MOJO
14/02 – MÜNSTER – SKATERS PALACE
15/02 – FRANKFURT – BATSCHKAPP
17/02 – ZÜRICH – EXIL
18/02 – STUTTGART – LKA
19/02 – KÖLN – UNDERGROUND
TEXT: DENNIS KRAUS
DIE RAPPER-FALLE
Eigentlich müssten sich derzeit alle die
Hände reiben, die in irgendeiner Form
in das hiesige Rapgeschäft involviert
sind. Wobei: Hört man den einen oder
anderen Produzenten, Beatmaker oder
wie man diejenigen auch immer nennen
möchte, die den Rappern die Mucke liefern,
so entsteht ab und an der Eindruck, dass es im
Rapgeschäft nicht so viel anders läuft als etwa
in der Textilbranche – von den Umsätzen bleibt
nicht bei jedem aus der Produktionskette ein fairer
Teil hängen. Viel zu oft müssen sich Produzenten
mit Sätzen wie „Du kriegst dein Geld ja von der
Gema“ abspeisen lassen, vom Künstler respektive
von dessen Label kassieren sie wenig bis gar kein
Honorar oder einen Lizenzvorschuss. Von Beteiligungen
an den Gagen für Auftritte, bei denen die
Rapper mit den Beats der Produzenten auftreten,
ganz zu schweigen.
Nun kann das Geld, das man als Produzent von
der Gema bekommt, durchaus glücklich machen.
Verkauft sich ein Album, auf dem 14 Songs sind,
zum Beispiel 20.000 Mal, fallen pro Song durch die
sogenannten Mechanischen Rechte allein schon
einige hundert Euro Gema-Geld an – sofern der
Produzent allein die Rechte an der Musik bekommen
hat, erhält er pro Song, den er produziert hat,
davon die Hälfte. Dieses Geld muss er natürlich
noch versteuern, aber immerhin. Allein: Als Wertschätzung
von Seiten des Rappers kann er dieses
Geld nicht sehen. Der Rapper nämlich muss hierfür
auf keinen Cent seines Geldes verzichten, es
sei denn, er finanziert die Pressung selbst. Würde
er dem Producer ein Honorar oder wenigstens
einen Lizenzvorschuss auf dessen Verkaufsbeteiligung
zahlen, wäre es eine tatsächliche Wertschätzung
der Arbeit des Producers. Doch viel zu oft
bleibt das aus. Und das ist traurig.
Um die Jahrtausendwende, zu Zeiten des ersten
Deutschrap-Booms, haben viele Producer den
vermeintlich ach so bösen Major-Labels Verkaufsbeteiligungen
abverhandeln können und erhielten
so, neben dem obligatorischen Honorar, auch
noch einen Lizenzvorschuss. Heute, wo nicht
selten Leute aus der Szene an den Schaltstellen
sitzen, sollte man dies eigentlich für eine Selbstverständlichkeit
halten. Aber nichts da.
Nun kann man freilich einwenden, dass der
Produzent im Grunde gar nicht so wichtig ist.
Dass jemand eine Deutschrap-Veröffentlichung
kauft, weil Produzent XY für die Beats gesorgt
hat, dürfte eher selten vorkommen. Dazu kommt,
dass sich viele Rapper längst losgelöst von jedem
musikalischen Bezug darstellen. Daraus folgt: Es
spielt überhaupt keine Rolle, wer zum Beispiel auf
den Alben einiger zuletzt sehr erfolgreicher Rapper
die Beats gemacht hat. Die Musik ist einfach
eine Dienstleistung, die man so billig wie möglich
einkauft. Der Beat ist nichts weiter als ein Hintergrund,
vor dem sich der Rapper darstellt.
All das darf am Ende aber nicht als Rechtfertigung
dienen, einem Produzenten weder Honorar
oder Lizenzvorschuss auf seine Verkaufsbeteiligung
zuzugestehen. Schließlich hat er ebenso
seine Investitionen getätigt und hart an der Musik
gearbeitet. Eventuell hat er dem Rapper mit seinen
Beats sogar erst zu dessen unverkennbarem
Stil verholfen.
Durch den Wankelmut einiger Rapper werden
Produzenten obendrein nicht selten in eine
weitere schwierige Lage versetzt. Sucht sich ein
Rapper von einem Produzenten einen Beat aus,
kann es passieren, dass der Producer für lange
Zeit nichts mehr von dem Rapper hört. Den Beat
jemandem anderen anbieten, kann er jedoch auch
DIE MUSIK IST EINFACH EINE
DIENSTLEISTUNG, DIE MAN SO BILLIG
WIE MÖGLICH EINKAUFT.
nicht, jedenfalls nicht, solange er sich korrekt verhalten
will. Er sitzt, wenn man so will, in der Rapper-Falle.
Und wenn er Pech hat, hört er nach zwei
Jahren, dass der Rapper den Beat nun doch nicht
mehr haben will. Was soll der Produzent nun mit
seinem mindestens zwei Jahre alten Instrumental
machen?
Man möge diese Zeilen nicht falsch verstehen.
Ich würde von einem Rapper nicht verlangen,
dass er den Produzenten mit 50 Prozent seiner
Einnahmen bedenkt. Das wäre unrealistisch. Zumal
der Rapper am Ende das Gesicht des Produkts,
ja, seiner Marke ist. Unter Umständen zahlt
er einen hohen Preis für seine Bekanntheit, für die
er kontinuierlich hart arbeitet. Und doch möchte
ich an die Rapper appellieren, mit den Produzenten
fairer umzugehen. Vielleicht könnte man
ja auch eine Art Siegel einführen, das Releases
kennzeichnet, für die die Produzenten fair bezahlt
wurden. Ein Fair Trade Beats-Gütesiegel wäre da
so eine Idee. Releases mit diesem Siegel würden
garantieren, dass die Produzenten fair behandelt
wurden. Ihnen wurden keine Beats geklaut, der
gefeaturte Sänger hat keine Urheberrechte an der
Musik eingefordert, weil er die vom Instrumental
vorgegebene Melodie nachgesungen hat, der
Producer hat ein Honorar, einen Lizenzvorschuss
auf seine Beteiligung am Verkauf des Releases eingeräumt
bekommen und er wurde stets auf dem
Laufenden gehalten, wie es um seine Beats und
deren Verwendung steht. Das wäre doch etwas.
14 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
HUT AB,
du signst bei Four Music –
einem Label, das auf den
ersten Blick nichts mit
Straßenrap am Hut hat.
Warum diese Wahl?
INTERVIEW: NIKO HÜLS, STELLA KUKLINSKI
FOTOS: OLIVER RATH
KONTRA K
Das hatte nichts damit zu tun, ob die jetzt Straßenrap
machen oder nicht. Ich habe mich da am
wohlsten gefühlt. Ich hatte mehrere Angebote auf
dem Tisch, aber für mich war es einfach naheliegend.
Das Team, mit dem ich gearbeitet habe,
war cool. Deshalb habe ich das gemacht und jetzt
bin ich auch zufrieden. Es hat sich bisher nur positiv
ausgewirkt.
Warum war es naheliegend?
Es ist immer schwer für jemanden, der aus einer
Gegend kommt wie ich, diesen Schritt zu wagen
– aber man muss ihn ja irgendwann machen.
Es ist schwer zu erklären. Es war eine Bauchentscheidung.
Ich saß mit vielen Leuten zusammen.
Ich war mit vielen Leuten essen. Wir haben
über viele verschiedene Dinge gequatscht, und
ich habe vielen meine Musik gezeigt. Bei Four
Music war die Reaktion die beste und auch die
ehrlichste. Das war dann auch der Grund für die
Entscheidung.
Wie liefen die Gespräche ab? Hast du dich richtig
verstanden gefühlt?
Bei den Gesprächen mit Four Music hatte der A&R
von Anfang an Bock, das zu machen. Und dann
war der Rest nur noch Vertragssache, das hat mein
Manager gut geregelt. Das war auch eine wichtige
Entscheidung. Mit der Wahl von meinem Management
bin ich sehr zufrieden. Der freut sich hier
neben mir gerade. (lacht) Dir wird halt viel Honig
um den Mund geschmiert bei großen Labels, die
wollen ja auch alle Geld verdienen. Da muss jeder
für sich erkennen, was er will.
Aber es ist ja schon sehr wichtig, dass man das
Gefühl dafür bekommt, dass das, was man als
Künstler will, auch auf der anderen Seite verstanden
wird. Kannst du beschreiben, wie das
im Gespräch mit Four abgelaufen ist?
Grob kann ich dir sagen, dass es fett war. Überkrasse
Sachen, es war eigentlich mehr die Reaktion
der Leute. Wenn ich einen Song angemacht
habe und was die dazu gesagt haben und wie
wir uns unterhalten haben. Man merkt, ob das
jetzt eher so ein interner Hype war bei den Leuten
und die dann sagen: „Auf den müssen wir
mal ein Auge werfen.“ Oder ob die wirklich Interesse
zeigen. Ich habe halt gesehen, dass da
Leute sitzen, die sich wirklich für mich interessieren.
Gut, bei Warner Music waren auch coole
16 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Leute, aber letztendlich waren das Angebot und
die Perspektive bei Four Music besser.
Hattest du keine Angst, auf einem Label, das
Marteria und Casper in den Olymp begleitet
hat, unterzugehen?
Nein, ich glaube ja an meine Sachen. Das heißt
jetzt nicht, dass ich mich für den Größten halte,
aber ich glaube einfach an das, was ich mache.
Und da war es mir eigentlich egal, mit wem ich
auf einem Label bin. Solange die Leute, die dort
arbeiten, sagen, dass sie 100 Prozent geben
oder ich der Meinung bin, dass sie 100 Prozent
geben, dann passt es. Und deswegen hatte ich
keine Angst.
Was muss man über einen Typen wie dich
wissen, damit man dich richtig als Künstler betreuen
kann?
Das ist wirklich sehr schwer, da müsstest du eigentlich
die beiden Personen neben mir fragen.
Ich bin als Künstler sehr kompliziert. (Zu seinem
Manager) Sag’ mal du, Lachs. Was muss man
wissen über mich als Künstler?
David: Man braucht Geduld und viel Ruhe.
Genau. Man muss mit Paranoia und kurzen
Ausrastern klarkommen, aber die sind nie böse
gemeint.
Worin lassen die sich begründen? In deinem
Perfektionismus?
Einfach in allem. Ich traue Menschen nicht so
schnell. Deswegen ist es schwer für die Leute,
die mit mir zusammenarbeiten, Dritte an mich
ranzuführen, wenn der und der das macht. Ich
sehe da immer gleich wilde Verschwörungen.
Das haben wir aber auch sehr gut hinbekommen,
bis jetzt.
Bist du denn zufrieden mit den Leuten, die dich
umgeben? Fühlst du dich angekommen?
Ja, soweit schon. Es läuft alles. Ich fliege mit
irgendeinem Flugzeug irgendwohin und drehe
irgendwelche Videos. Ich habe mit „Wölfe“ dreimal
so viel verkauft wie mit „12 Runden“. Das
war schon ein guter Schritt. Die Leute haben
Bock, ich merke einfach, ich bin an der richtigen
Stelle. Ob ich jetzt Straße mache oder nicht,
oder ob das Label Straße macht, liegt immer
noch an mir.
Was bringt einem die Straße bei, was einem im
Major-Musikbusiness am ehesten weiterhilft?
Menschenkenntnis. Das merkt man, wenn jemand
lügt. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig.
Man muss Leute und Situationen einschätzen
können. Zwar bin ich in keiner Situation, wo es
jetzt irgendwie brenzlig wäre, aber es geht halt
auch um meine Zukunft und um Geld. Jeder
lacht in diesem Geschäft, aber nicht jedes Lachen
ist gleich ein Lachen. Das ist das Einzige,
was ich mitgenommen habe. Und ich weiß, wie
„ICH ZIEHE DIE LEUTE, DIE MIT
MIR GEHEN, EHER MIT HOCH
ALS RUNTER.“
ich mich zu verhalten habe. Ich traue nicht gleich
jedem, und das hat mir bisher immer geholfen.
Du hast gesagt: „Ich bin kein Schaf, das folgt
und Scheiße baut, sondern einer, der anführt.“
Wie kann man das auf deine Musik-Karriere
beziehen?
Oh, sehr gut sogar. Ich war in einer Gruppe von
Jungs, die alles zusammen gemacht haben –
wie Schafe kann man jetzt vielleicht nicht sagen,
eher wie ein blindes Rudel. Daraus bin ich auch
von einem jüngeren Kerl zu einem erwachsenen
Mann geworden, der auch selber Vater ist.
Ich ziehe die Leute, die mit mir gehen, eher mit
hoch als runter.
Wer ist denn dein schärfster Kritiker?
Meine Frau und mein Vater. Aber eigentlich ich
selber an erster Stelle, aber dann direkt mein
Vater.
Und wie gehst du mit Kritik um?
Meinem Vater widerspreche ich natürlich nicht,
aber Kritik von außen ist mir eigentlich relativ
egal. Meine Arbeit bestätigt sich ja immer wieder.
Wenn ich merke, es erreicht Menschen,
dann mache ich es gut. Und wenn ich die irgendwann
nicht mehr erreiche, dann merke ich,
dass ich irgendwas falsch gemacht oder mich
wiederholt habe. Bisher musste ich mit sehr wenig
Kritik kämpfen.
Das neue Album „Aus dem Schatten ins Licht“
klingt vielseitig, stellenweise fast poppig. Ist
das die logische Entwicklung deines Sounds
oder ein Tribut an das neue Umfeld?
Ein Großteil der Songs war ja schon fertig, bevor
ich zum Major gegangen bin. Und das war
jetzt einfach die Entwicklung meiner Musik. Musikalisch
verändert sich eigentlich nichts, nur
dass man mehr und besser arbeiten kann. Ich
kann im Radio stattfinden, aber den Song hätte
ich auch so gebracht. Also nichts, was mein
Umfeld großartig gemacht hat, sondern meine
Musik verändert sich ja mit mir.
Aber die Möglichkeiten, nun mehr machen zu
können, sind da, oder?
Es ist viel besser. Ich kann machen, was ich will.
Wenn ich Bock hätte, was mit XY zu machen,
dann muss ich nur kurz irgendwo anrufen und
der wird dann kontaktiert. Oder ich will das und
das Studio oder fliege jetzt erst mal nach Norwegen
und drehe ein Musikvideo. Meine Möglichkeiten
sind einfach um ein Hundertfaches
gestiegen, wenn nicht um ein Tausendfaches.
Das ist definitiv besser für meine Musik.
Trotzdem stehen in deinem Pressetext Dinge
von dir, die man so nicht erwartet hätte …
Naja, vielleicht würde das jemand nicht erwarten,
der hängengeblieben ist auf einem alten
Straßenfilm. Aber man verändert sich als
Mensch, und so verändert sich dann auch die
Musik. Ich glaube, die Leute, die sich wirklich
mit mir auseinandersetzen, die erwarten das.
Das ist einfach der logischste Schritt. Jemand,
der mich jetzt nur beiläufig mitbekommt, erwartet
das vielleicht nicht.
Du hast auch gesagt: „Erfolg ist kein Glück,
sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiß
und Tränen.“ Was sind deine Ziele?
Der wahrste Satz. Dazu stehe ich auch. Ich
möchte zufrieden sein, genug Geld verdienen,
um mich und mein Umfeld zu versorgen, dass
es uns gut geht und wir entspannt leben können.
Einfach Musik zu machen, wie ich es jetzt
machen kann und einfach nicht gestresst zu sein
mit Druck und Altlasten. Einfach nur entspannt
arbeiten, Musik machen, ein cooles Leben führen
und ein guter Vater sein und später vielleicht
noch ein Haus in der Toskana. Die Ziele wachsen
mit mir und es kommen immer wieder neue
Ziele.
Wenn man sich mit anderen über dich unterhält,
mutmaßt mancher, du könntest der nächste
große Rap-Künstler des Landes sein. In
dem Pressetext zu deinem neuen Album steht
auch so etwas. Spürst du eine Erwartungshaltung
von außen?
Nein. Ich bin niemandem zu Loyalität verpflichtet,
außer denen, die schon immer bei mir sind.
Wenn du hoch auf der Welle schwimmst, sind
ganz viele immer bei dir, aber wenn du wieder
auf den Felsen klatschst, dann zeigt sich,
wo der harte Kern ist. Es ist wichtiger, dass du
den Leuten, die schon immer bei dir waren, Rechenschaft
ablegst. Das ist so ein kurzlebiges
Geschäft, wer weiß, ob ich morgen überhaupt
noch da bin. Wer weiß, ob das nur ein kurzer
Hype ist. Ich bin wie ich bin, und das macht ja
auch meine Musik aus.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 17
Wie war das noch mal,
PIERRE SONALITY,
als die Mauer gefallen ist?
Kannst du dich daran erinnern?
Ich war neun Jahre alt, als die Mauer fiel. Für meinen Bruder und mich war das eine spannende Sache. Vieles hat sich mit
einem Mal geändert. Zum Beispiel mussten wir nicht mehr diese nervigen Fahnenappelle machen. Vor der Wende hatten wir
samstags immer noch Schule und mussten zum Fahnenappell antreten. Da banden wir uns unsere Jungpionier-Halsbänder
um, standen auf dem Schulhof und durch die Lautsprecher kamen Ansagen und die DDR-Hymne, um uns auf Kurs zu bringen.
Das zum Beispiel fiel dann weg und wir konnten die „Turtles“ im TV schauen, nachdem unsere Blöcke mit Kabel-TV
versorgt wurden. Auch waren aus Gründen der Staatssicherheit mit einem Mal einige Lehrer weg und neue, frische Lehrer
kamen zu uns an die Schule. Und als wir kurz nach dem Mauerfall mit unserem Trabant über den Grenzübergang Marienborn
bei Helmstedt gefahren sind, meinte unsere Mutter zu uns: Alles, was gleich durch die Fenster fliegt, müsst ihr in die Beutel
packen. Und als wir dann über die Grenze waren, kam tatsächlich immens viel Schokolade, Spielzeug etc. durch die Fenster
ins Auto geflogen. Da konnten wir uns unser Begrüßungsgeld sparen, so viele Geschenke haben wir bekommen.
An was kannst du dich außerdem erinnern?
Als ich älter wurde, habe ich auch die unschönen
Dinge realisiert. Magdeburg war ja eine riesige Industriestadt
für die Schwermetallindustrie. Nach
der Wende aber waren all die Werke von Investoren
aufgekauft und in die Pleite getrieben worden. So
wurde ein großer Schlag von Arbeitern plötzlich arbeitslos.
Bei fast all meinen Freunden in Magdeburg
waren plötzlich Eltern und Großeltern ohne Arbeit.
Und die fanden dann auch keine neuen Jobs mehr.
So war Mitte der 90er sehr viel Not am Mann.
Hat dich das geprägt?
Da war alles dann ziemlich abgefuckt, gerade finanziell.
Es gab wenig Lehrstellen, dazu Armut etc. So
etwas kannten die Leute ja vorher nicht, weil es das
während des Regimes nicht gab. Daher konnten die
Eltern ihren Kindern auch nicht so richtig erklären,
was da vor sich ging. Die wussten ja selber nicht,
wie es weitergeht. Vor dem Weggehen hatten viele
ebenfalls Angst. Würde man es schaffen? Alles war
sehr ungewiss.
Und wann kam Hip-Hop in dein Leben?
18 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Genau, das hatte sich Pierre von Helden dabei gedacht.
Lustigerweise heißt der auch Pierre und ist
dieses Mal keine „Aka“-Erfindung von mir. Ein Kumpel
zeigte mir im Netz seine Bilder und ich fand die
interessant. Eines seiner Bilder hat mich gleich an
mich absolut irrelevant ist, die liegt im Auge jedes
einzelnen Betrachters. Aber ab und an mal drüber zu
sprechen, das finde ich wichtig. Allerdings ist meine
„Magdeburg“-Trilogie nicht als ostalgische Rundreise
zu verstehen. Das soll sie nicht sein!
„ICH DENKE EINFACH, DASS ALLES SEINE
BERECHTIGUNG HAT UND EINE ABSOLUTE NOTWENDIG-
KEIT BESTEHT, DIE DINGE ZU KONSERVIEREN.“
INTERVIEW: NIKO HÜLS, LARA BORCHERS
FOTOS: JIM GRAMMING
Bei mir ging das erst so 1996/97 los. Aber dass das
so kam, habe ich wahrscheinlich auch der Wende zu
verdanken. Wobei: In der DDR gab es bereits eine
Breakdance-Kultur, die nicht nur geduldet, sondern
teilweise sogar gefördert wurde. Breakdance galt in
der DDR ja als antiimperialistischer Tanz.
Vor der Wende hast du selbst also von Hip-Hop
rein gar nichts mitbekommen?
Nein. Bei uns gab es damals Mofa-Gangs, die Electro-Musik
gehört haben. Kontakt mit denen hatte ich
aber keinen.
Du hast noch bis 2003 in Magdeburg gewohnt,
bist dann zuerst nach Leipzig und 2011 schließlich
nach Hamburg gezogen. Magdeburg ist
aber dennoch das große Thema deiner neuen
Trilogie. Die Bilder des Artworks sollen ja die Geschichte
der DDR darstellen …
„Peter im Park“, eines meiner Lieblingsbilder, erinnert.
Das ist auch im Stil des sozialistischen Realismus.
Diese Bilder erinnern mich an die, die bei uns
im Kindergarten und in der Schule hingen. Das ist
genau dieser Stil. Dass den heute jemand macht,
fand ich cool. Daher lag es für mich nah, ihn zu fragen,
ob wir für mein Album etwas zusammen machen
können.
Was genau verbindest du denn mit den Bildern
von Pierre von Helden, die nun auf deinen Covers
zu sehen sind?
Bei dem Cover-Bild zu „Fundament“ ist es recht einfach,
da siehst du Leute, die tatsächlich an einem
Fundament arbeiten. Und für mich ist es ja auch
das erste Album, oder die erste EP. Und diese Reise
hin zu meinem musikalischen Horizont. Es geht darum,
wo ich angefangen habe und was ich anfangs
halt so geil fand. Diesen Sound, diese Ruppigkeit,
dieses Da-wird-an-etwas-Gearbeitet – das ist mein
Fundament. Das zweite Cover zeigt diesen großen
Neubau-Block und ist ganz trivial erklärt: Das ist das
Neubaugebiet Olvenstedt, wo ich herkomme. Das
dritte Cover-Bild, auf dem ein Arbeiter mit einer Sichel
in der Hand zu sehen ist, der aus dem Fenster
schaut – mit dem will ich fragen: Was bringt mir der
Morgen?
Behandelst du auf deiner „Magdeburg“-Trilogie
denn vor allem ostdeutsche Themen?
Nein, auch wenn meine Mentalität selbstverständlich
die „Dunkeldeutsche“ ist.
Warum ist es dir wichtig, diese ostdeutsche Mentalität
hochzuhalten?
Es scheint ja ein Interesse zu geben, diese Zeit in
gewisser Weise zu konservieren. Ich denke einfach,
dass alles seine Berechtigung hat und eine absolute
Notwendigkeit besteht, die Dinge zu konservieren.
Wenn wir vergessen, was damals war, gehen uns
nun mal sehr, sehr viele Sachen flöten – und das
wäre schade. Wobei die Wertung dieser Dinge für
Sondern?
An meiner funky Lebenseinstellung, wenn ich das
mal so sagen kann, kann man doch merken, dass
es mir besser geht in diesem System. Mittlerweile
haben wir alle beziehungsweise fast alle aus meiner
Generation hier Fuß gefasst. In diesen 25 Jahren haben
wir das gelernt. Wie gesagt: Eine sentimentale
Verklärung ist das in jedem Fall nicht. Die war nie
mein Ziel.
Was steckt stattdessen inhaltlich in deiner
„Magdeburg“-Trilogie?
Ich möchte rüberbringen, dass da ein gereifter Ex-
Jugendlicher drinsteckt. Gut, geistig bin ich immer
noch ein Jugendlicher, aber vor allem bin ich ein
gereifter Musiker. Ich habe allmählich rausgefunden,
was ich machen und wie weit ich gehen kann. Auf
der Trilogie sind viele Sachen drauf, die ich vor fünf
Jahren vielleicht schon so ähnlich gemacht hätte.
Nur hätte ich mich da nicht getraut, die zu veröffentlichen.
Heute kann ich das, weil ich bemerkt habe,
dass das qualitativ gut genug ist und ich mich da
nicht in irgendeine Richtung verbiege, in die keiner
mitgehen kann.
Du hast eben von dir als gereiften Musiker gesprochen.
In die Rolle bist du mit der Zeit reingewachsen?
Ich bin nun auf jeden Fall viel mehr Pierre als Marcus.
Ich bin – und das soll nicht abgedroschen
klingen – der Fulltime-Musiker, der ab und zu mal
Pizza backen geht. Musik ist mein Job, und in den
bin ich reingewachsen. Das hat mich inzwischen
mehr eingenommen, als ich anfangs dachte. Und
die „Magdeburg“-Trilogie ist das Beste, was ich je
gemacht habe, das, womit ich am meisten zufrieden
bin und von dem ich sage, dass ich das nicht besser
hätte machen können.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 19
„Diese Werte haben wir beide“
Der eine hat die hiesige Rap-Landschaft geprägt wie
kaum ein anderer. Der andere hat ihr ebenfalls einen
unübersehbaren Stempel aufgedrückt. Beide veröffentlichten
Ende 2014 ihre neuen Alben. Wir baten Kool Savas
und Curse in Berlin an einen Tisch, um mit ihnen zusammen
über Vergangenes und Aktuelles zu sprechen.
INTERVIEW: NIKO HÜLSS
FOTOS: OLE WESTERMANN
EIN STAMMTISCH MIT
KOOL SAVAS & CURSE
20 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Savas, wenn du von heute aus zurückblickst auf
deine bisherige Karriere, wie ordenst du die dann
für dich ein?
Savas: Das Musik-Ding hat sich immer anders angefühlt
als das wahre Leben. Ich hatte zwei parallele
Sachen am Laufen. Besonders deutlich wurde
das im letzten Jahr. Da hatte ich eine ziemliche
Abfuck-Phase. Ich war erfolgreich, wir gingen gerade
Gold und mit Xavier zusammen Platin. Ich
war überall am Start, hatte mehr Cash als sonst.
Alles lief viel besser. Doch persönlich war ich richtig
abgefuckt. Burn-out war es nicht, aber ich habe
gemerkt, irgendwas stimmt da nicht. Das war
alles überhaupt nicht im Gleichgewicht. Deshalb
schaue ich meine Karriere, überhaupt eine Rap-
Karriere, immer wie ein Film an. Wie zum Beispiel
„8 Mile“ oder „Get Rich or Die Tryin‘“. Ich muss
im Nachhinein sagen, dass der Film bei mir aussah,
als ob alles richtig gewesen wäre. Ich habe
meine Ups, ich habe meine Downs, aber trotzdem
hat es sich in irgendeiner Form immer verbessert.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich künstlerisch
sehr viel Wert auf die Frage lege, was zu tun ich im
Stande bin. Wenn ich merke: Krass, ich komme
dem näher, was ich von mir selber will oder von
einem MC erwarte, dann fühlt es sich für mich
immer besser an. Ich habe Dinger wie „Freunde
der Sonne“, auf die ich nicht übertrieben stolz
bin, aber wo ich sage, das ist Teil meiner Karriere.
Und natürlich denke ich mir bei einigen alten
Musik meiner aktuellen Gefühlslage entspricht.
Natürlich gibt es auch die Trennung zwischen
der Privatperson und dem Rapper, aber trotzdem
habe ich immer versucht, ziemlich nah an dem zu
sein, was in meinem Kopf und meinem Herz vorgeht.
Ich glaube, ich bin wahrscheinlich nicht der
einzige Mensch, der auch mal sprunghaft ist und
sich verändert. Deswegen gibt es da auch manche
Momente, wo man denkt: „Boa, das ist jetzt aber
stilistisch weit von dem usw.“ Aber wenn man die
innere Entwicklung als Richtwert nimmt, dann ist
es sehr stringent. Betrachtet man es hingegen stilistisch,
dann sagt man vielleicht, dass „10 Rapgesetze“
und „Hand hoch“ nicht viel miteinander zu
tun haben. Das ist halt eine Sicht. Bei der inneren
Sicht kann man dann feststellen, dass in den fünf
Jahren zwischen diesen beiden Songs eine Menge
passiert ist. Und wenn du darauf blickst, dann ist
es die logisch nachvollziehbare und auch extrem
ehrliche Entwicklung.
Von außen betrachtet könnte man dir aber auch
eine etwas größere Experimentierfreudigkeit attestieren
als Savas. Einverstanden?
Savas: Am Anfang mit Sicherheit. Er war vielseitiger,
ich hingegen dogmatischer und immer auf
mein Rap-Ding bezogen. Ich war auch experimentierfreudig,
habe irgendwelche Homer-Simpson-
Dinger gesampelt oder irgendein behindertes Zeug
gemacht. Wenn ich ganz kurz diese Anekdote er-
Savas: Diese Werte haben wir alle. Ich denke,
Samy und Azad kannst du das Gleiche fragen. Die
werden auch diese Werteskala haben, auch wenn
die sich mit der Zeit verändert hat und man ein
bisschen loslässt. Das hängt auch mit der Zeit zusammen,
aus der wir kommen.
Formuliert diese Werte doch mal! Was bedeutet
für euch Rap?
Curse: Alter Schwede! Wir kommen ja aus einer
Zeit, in der das technische Handwerk krass großgeschrieben
wurde. Wir kommen aber auch aus
einer Zeit, wo es schon Leute gab wie Public Enemy
oder Big Daddy Kane oder Rakim. Leute, die
technisches Handwerk hatten und krasse Sachen
erzählt haben. Rap hat jedenfalls über Jahre mein
komplettes Leben definiert. Rap und Hip-Hop waren
der größte Lebensinhalt. Das ist auch nicht
weniger geworden, aber es sind mehr Dinge dazugekommen.
Und warum hast du angefangen, zu rappen?
Curse: Als ich das erste Mal Rap gehört habe, war
ich fünf. Da war ich im Kindergarten. Wir hatten
einen Zivi, der kam aus Berlin und war in einer
Breakdance-Crew. Er fing dann an, uns Breakdance
zu zeigen. Diese Musik und all das, was da
ablief, war wie eine Klatsche für mich. Dann kamen
die Fat Boys – und mein sechster Geburtstag
war ein Breakdance-Geburtstag. Alle hatten
„DAS MUSIK-DING HAT SICH IMMER ANDERS ANGEFÜHLT
ALS DAS WAHRE LEBEN.“ (SAVAS)
Fotos oder Videos: „Oh, Dicker, was hast du da
gemacht?“ Aber ich glaube, dass ich einer Linie
treu geblieben bin. Und das hat sich für mich immer
ausgezahlt. Das habe ich zum Beispiel bei
„Tot oder lebendig“ gemerkt. Obwohl es nicht so
erfolgreich war, hat sich das im Laufe der Jahre
gefestigt. Für mich fühlt es sich gut an.
Curse, würdest du sagen, dass du deinen Weg
ähnlich konsequent gegangen bist wie Savas?
Curse: Bis auf manche Momente eigentlich
schon. Von heute aus betrachtet gibt es, wie Savas
schon gesagt hat, natürlich Momente, wo
man denkt, das hätte ich anders machen können.
Aber ich hatte die ganze Zeit schon das Gefühl, es
geht konsequent in eine Richtung. Bei mir war die
Richtung halt nie so etwas Festes. Es gibt nicht nur
einen Style oder ein Ziel, auf das ich die nächsten
zehn, 20 Jahre hinarbeite. Mein Ziel war immer
ein sehr Persönliches. Ich versuche, dass meine
zählen darf? Ich war bei Curse in Minden und er hat
mir ein paar Songs von sich gezeigt, so Konzept-
Songs. Und ich habe nie Konzept-Songs gemacht.
Ich habe auch gebraucht, an so einen Punkt zu
kommen wie Curse, dass er zum Beispiel über seine
Ex gesprochen hat. Ich sage das extra so explizit,
weil er ja sehr gerne darauf festgenagelt wurde.
Bei dir hatte man immer den Eindruck, dass du
dein Ding schon recht früh gefunden hast. Die
Leute lieben dich ja auch genau dafür. Und diesen
Weg hast du dann sehr konsequent weiterverfolgt
…
Savas: Bis dann jemand wie Xavier mir geholfen
hat, auch mal was anderes zu machen. Das hat mir
sehr gutgetan. Für mich ist das Album mit Xavier
sehr wichtig.
Eure Werte in Bezug auf Rap sind aber dennoch
die gleichen, oder?
Schweißbänder und Adidas-Trainingsanzüge an.
Als ich dann neun war, habe ich meinen ersten
Rap-Song geschrieben. Ohne Scheiß, ich war
neun und ich kam mir damals vor wie 15. Für mich
war die Motivation dieser Selbstausdruck. Wie
Graffiti entstanden ist. In einer riesigen Stadt wie
New York. Irgendein Typ, der aus der Anonymität
raus ist, der seinen Namen an die Wand gesprüht
und gezeigt hat: „Hier, ich bin da!“ Bei mir war es
halt eine Kleinstadt in Ostwestfalen, aber trotzdem
war die Motivation die gleiche. Diese Energie, das
war ja Revolution und Aufstand in Musik. Und das
zu atmen, in so einem Alter, wo man sich selber
fragt: „Wer bin ich?“ Dieser Spirit, dieses komplett
Einnehmende, das hat mich geprägt. Ich habe damals
auf Englisch gerappt, aber mein Englisch war
einfach nicht so gut. Die Motivation war aber auch
nicht, dass man jetzt dick Geld machen will. Das
war völlig absurd. Man wollte halt der Erste sein,
sowie Rakim oder Nas.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 21
Savas: Bei mir kam das ein bisschen später. Um es
kurz zu sagen, Rap war das Erste, in dem ich gut
war. Ich habe direkt eine Akzeptanz bekommen.
Und ich spreche jetzt nicht von Rap-Rap, sondern
davon, LL Cool Js „I Need Love“ nachzuschreiben.
Ich habe das mit meiner Tante geschrieben
und einem Kumpel gezeigt. Und der fand, dass es
gut war. Ich habe zu dem Zeitpunkt auch getaggt.
Aber wenn es um Graffiti ging, hat nie jemand gesagt,
dass es gut sei. Rap war halt die erste Sache,
in der ich gut war und dann bin ich direkt nach
Kreuzberg. Rhyme Guns, meine erste Rap-Crew –
und alle anderen meinten, dass ich talentiert bin.
Da habe ich gemerkt, dass ich dafür ein Händchen
habe. Seit dem war für mich das Wichtigste, Bestätigung
zu bekommen und das, was ich mache,
so gut wie möglich zu machen. Ich hatte einen
Graffiti-Background, aber als ich dann auf Jams
gegangen bin, habe ich auch den Respekt für
Hip-Hop gelernt. Dass es eine Kultur ist, dass das
alles zusammengehört. Auch Dinge, wie einen
Ghostwriter zu haben, waren absolut undenkbar.
Das sind alles so Werte, die wir noch von früher
kennen. Deswegen gibt es ja Tracks wie „10 Rapgesetze“.
Und da sagen die Leute dann, dass es
dogmatisch ist, aber ich finde es nicht schlimm.
Curse: Was das Ghostwriting angeht: Es gab ein,
zwei Momente, wo Leute aus meinem Business-
Team meinten, dass sie da so eine Idee für eine
Chorus-Zeile hätten. Da dachte ich dann, der Teufel
kommt. Das ging gar nicht!
Was war noch verpönt?
Savas: Biten.
Curse: Biten.
Savas: Wobei das jeder gemacht hat – bis zu
einem gewissen Maß. Außerdem gab es ja auch
Rapper, die von der Community nie akzeptiert
wurden. Young MC zum Beispiel. Das ist heute
anders. Heute kannst du alles machen.
Curse hat die eine oder andere Grenze irgendwann
mal ein Stück weit überschritten. Wolltest
du damit anecken?
Curse: Ich habe nie diesen Film geschoben,
dass ich absichtlich eine Regel breche oder ein
ungeschriebenes Gesetz neu definiere. Für mich
hat sich das einfach richtig angefühlt. Ab einem
gewissen Punkt bin ich einfach ein bisschen aus
diesem sehr stark definierten Hip-Hop-Ding herausgekommen.
Im Jahr 2000 haben mir mehrere
Platten gut gefallen, darunter drei, die gar nicht
Rap waren und zwei Rap-Platten, die extrem von
diesem Neo-Soul-Sound geprägt waren. So merkte
ich, dass sich das, was mir persönlich gefällt, in
diese Richtungen entwickelte. In der Folge machte
ich dann auch Songs, die eher in diese Richtungen
gingen. Das war allerdings kein bewusster Prozess.
Meine Hörgewohnheiten hatten sich schlicht
dahingehend verändert. Und diese vorher so viel
beschworene Realness wäre für mich dann nicht
gegeben gewesen, wenn ich mich an den alten
Regeln festgehalten hätte, obwohl mich mein Herz
woanders hinführt. Real bist du ja nur, wenn es dir
selber als richtig erscheint.
Kannst du nachvollziehen, was Curse sagt?
Savas: Voll. Aus seiner Sicht natürlich. Ich habe
ihn auch nie in irgendeiner Form dafür verurteilt.
Außerdem: „He earned his stripes.“ Er war ja
schon ein General. Für mich ist jetzt „Wir brauchen
nur uns“ kein Rap-Song. Und er ist für mich auch
„WENN MAN AUS DEMSELBEN KERN KOMMT, MUSS MAN NICHT BEI
JEDEM ALBUM AUFS NEUE DIE FRAGE STELLEN, OB DER KÜNSTLER
GUT ODER SCHLECHT IST.“ (CURSE)
22 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
nicht der geilste Song, den ich von Curse gehört
habe. Aber Curse hat „Wahre Liebe“ gemacht, er
hat den Song „Rap“ gemacht. Ey, er kann machen,
was er will. Für mich wird er immer einer der Top
5 der deutschsprachigen MCs sein. Nichts, was er
jetzt ansatzweise tut, kann irgendwas davon wegmachen.
Curse: Wenn man aus demselben Kern kommt,
muss man nicht bei jedem Album aufs Neue die
Frage stellen, ob der Künstler gut oder schlecht
ist. An dem Kern der Sache ändert sich ja nichts.
Alles andere ist persönliche Entwicklung, persönlicher
Geschmack, Lebensweg, Umstände etc.
Wenn du im Kindergarten mit jemandem befreundet
warst und du weißt, dass du diesen Menschen
liebst, dann kannst du den auch jahrelang nicht
sprechen und dieser Mensch kann sich in irgendwelche
Richtungen entwickeln – wenn du den
wiedersiehst, dann sprichst du mit dem gleichen
Menschen. Du weißt, wo er herkommt und was
für Werte und Ideale er hat. Und dann ist es auch
egal, ob er heute Arzt ist oder Bäcker. Du liebst
diesen Menschen immer noch, auch wenn man
unterschiedliche Lebenswege gegangen ist. Diese
grundsätzliche Frage stellt man sich da einfach
nicht mehr.
In der Rap-Welt scheinen sich viele genau diese
Frage doch immer wieder zu stellen. Bei beinahe
jedem der letzten Samy-Deluxe-Releases hört
man hier und da, wer sich alles den alten Samy
zurückwünscht …
Savas: Das sage ich auch immer. (lacht)
Curse: Ich glaube, dass das, wenn Savas das
sagt, etwas anderes ist. Es ist, wie ich eben gesagt
habe: Die grundsätzliche Frage stellt er sich doch
über Samy nicht mehr. Sein Kommentar erfolgt
hier doch klar auf der Basis großer Anerkennung
und großen Respekts. Er sagt damit doch eigentlich,
dass die Platte nicht seinen persönlichen Geschmack
trifft. Das ist für mich etwas anderes, als
respektlos zu meckern, ohne Anerkennung und
Wertschätzung zu zeigen.
Savas: Das ist auch das Internetzeitalter. Die Leute
denken immer, man wäre empfindlich. Dabei ist
man nur realistisch. Für mich ist es einfach eine
Unverschämtheit, wenn ein 15- oder 16-Jähriger
sich rausnimmt, über einen gestandenen Artist
oder einen Menschen, der einfach was geleistet
hat, irgendetwas zu behaupten und das auf so einfache
Sachen zu reduzieren. Wir hatten noch eine
andere Art der Euphorie. Für mich war es ein Ziel,
in Oakland mit Leuten wie Shock G oder A-Plus
zu cyphern. Meine Songs wurden da im Radio
gespielt. Und Curse stand in New York mit Non
Phixion oder mit wem auch immer auf der Bühne,
und hat mit denen gerappt. Da haben wir uns
unsere Anerkennung geholt. Heute machen Leute
Tutorial-Videos und suchen damit nach Akzeptanz.
Das ist mir fremd. Aber das ist eben so. Heute holt
man sich die Akzeptanz über Likes. Unsere Euphorie
war meiner Meinung nach greifbarer, total
real. Für uns war es ein Ritterschlag, wenn KRS-
One nach der Show kam, einem auf die Schulter
klopfte und meinte, der Shit wäre dope. Joell Ortiz
hat sich mal eines meiner Konzerte angesehen
und später zu mir gesagt: „Real Hip-Hop in it’s flesh.“
Ich sehe ihn zwar in meinem Kopf nicht über
mir, aber er ist ein echter MC aus New York, aus
dem Mekka des Hip-Hop. Da habe ich mir gesagt:
Alles richtig gemacht!
Wundert es euch eigentlich, wenn beim splash!
bei einer Beginner-Show sehr viele junge Leute
vor der Bühne stehen und die „Bambule“-Songs
abfeiern, obwohl die vielleicht vier oder fünf Jahre
alt waren, als die Platte rauskam?
Curse: Auch da gibt es Unterschiede. Ich habe
letzten Sommer ein Konzert gespielt, und da waren
14- oder 15-Jährige in der ersten Reihe, die die
Texte von „Feuerwasser“ mitgerappt haben. Das
ist dann mal etwas Positives in puncto Internetzeitalter.
Die Information ist da. Wenn sich jemand für
die Art von Sachen interessiert, dann findet der
alles, lernt es auswendig und feiert es. Es ist dann
also egal, ob er zu der Zeit, als die Platte rauskam,
drei war oder 13.
Wenn ihr auf eure bisherigen Karrieren zurückblickt:
Welche herausragenden Eckpunkte seht
ihr dann?
Curse: Bei mir sind das natürlich mehrere – musikalische
wie persönliche. Um auf der musikalischen
Ebene zu bleiben, war zum Beispiel „Und
was ist jetzt?“ so ein Punkt. Das war 2003. Ruf
dir mal in Erinnerung, was damals im deutschen
Hip-Hop passierte. Und da habe ich mich dann
hingesetzt und hatte den Flash zu sagen, dass das
auch über die Performance-Dynamik funktionieren
„DAS MUSIK-DING HAT SICH IMMER ANDERS ANGEFÜHLT
ALS DAS WAHRE LEBEN.“ (SAVAS)
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 23
muss, über die emotionale Achterbahn und über
Inhalt, der einen berührt. Nicht zu vergessen das
Piano, das für diese Dynamik sorgt. Ich setzte
mich also mit Patrick Ahrend hin und machte diesen
Song. Aber kein Radiosender hat ihn gespielt,
kein Fernsehsender. Alle fragten sich bloß: Was
macht der da? Das Ding hatte aber eine emotionale
Durchschlagskraft, die die Leute, die sich
emotional darauf eingelassen haben, extrem berührt
hat. Wenn ich diesen Song heute noch live
performe, sprengt der die Frage, ob es real ist
oder nicht. Da entsteht etwas Echtes. Das war für
mich ein Turning Point. Auch „Wahre Liebe“ war
so einer. Dabei geht es auch nicht darum, dass
Leute sagen, ich sei der Krasseste oder Realste.
Mein Weg liegt darin, dass eine bestimmte Anzahl
von Menschen eine Verbindung zu meiner Musik
herstellen kann. Diese Eckpfeiler haben bestätigt,
dass dieser Weg der richtige sein wird. „Und was
ist jetzt?“, „Wahre Liebe“, „Heilung“, „Wüstenblume“,
„Herbstwind“ – diese Songs sind der Grund,
warum das neue Album so klingt, wie es klingt.
Savas: Ich glaube, bei mir waren das Sachen wie
„Haus & Boot“. Bei „Aura“ war es so, als ich „Und
dann kam Essah“ geschrieben habe, da war ich im
Auto und schrieb den Song sozusagen im Kopf. Ich
wusste ganz genau, wie ich den Song haben wollte,
damit er funktioniert. Im Studio sagte ich dann zu
Sergej, dass wir in einem Jahr auf der splash!-Bühne
stehen und die Leute diesen Song mitrappen
werden. Genau so kam es. Bei „Haus & Boot“ war
es auch so. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas mit
diesem absurden Beat von Mel machen kann, mit
den übertrieben harten Snares und diesem ganz
weichen Gesang von Valezka. Dabei stand ich nicht
für R&B oder Soul. Ich stand einfach fürs Auf-die-
Kacke-hauen. Und dann kam dieser übertrieben
harte Kontrast mit meinem Rap, Stakkato-Style, und
das hat dann auch genau so funktioniert. Bei „King
of Rap“ hatte ich das noch nicht. Ich habe davor immer
Musik gemacht, ohne über die Konsequenzen
nachzudenken. Sonst hätte ich „LMS“ bestimmt
„FÜR MICH IST ES EINFACH EINE UNVERSCHÄMTHEIT, WENN
EIN 15- ODER 16-JÄHRIGER SICH RAUSNIMMT, ÜBER EINEN GE-
STANDENEN ARTIST ODER EINEN MENSCHEN, DER EINFACH WAS
GELEISTET HAT, IRGENDETWAS ZU BEHAUPTEN UND DAS AUF SO
EINFACHE SACHEN ZU REDUZIEREN.“ (SAVAS)
24 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
anders geschrieben. Den habe ich im Jugendzentrum
geschrieben, in einer halben Stunde. Aber
als ich dann Tracks gemacht habe, wo ich mir über
legt hatte, wie die ankommen, und als ich gelernt
habe, Emotionen einzufangen, kam es genau so
an, wie ich es mir gedacht habe. In Songs wie „Futurama“,
„Rapfilm“, „Immer wenn ich rhyme“ oder
„Tribut“ ging es mir immer um die Stimmung. Cr7z
sagt, er sieht die Dinge in Farben. Für mich hätten
die dann auch eine bestimmte Farbe. Deswegen
war ich beim Graffiti so enttäuscht von mir, weil
ich im Kopf irgendwelche krassen Styles am Start
hatte, sie aber nicht umsetzen konnte. Ich liebe
Writer, die mit Silber, Schwarz und Weiß ein krasses
Piece malen können. Diese Dudes von der
Oldschool, das ist einfach straight.
Was war außerdem wichtig?
Savas: Für mich war wichtig, mit einem großen
Bruder, der noch mal viel krassere Sachen macht
– und ich spreche nicht von Verkäufen – mal etwas
zusammen zu machen. Wenn man Xavier sieht
und mitbekommt, wie 20.000 oder 30.000 Leute
seinen Song mitsingen, wenn die zwei Stunden
mitsingen und heulen – da habe ich gemerkt, dass
ich von ihm noch so viel lernen kann. Und dann
diese Konsequenz, wie er Musik macht. Er war
immer fair, wir haben alles 50/50 gemacht, von A
bis Z. Er schreibt einfach drauflos, das hat mich
voll aus meiner Komfortzone gerissen. Damit
musste ich erst mal klarkommen. Er war immer
schneller. Durch ihn habe ich auch gelernt, dass
ich über alles schreiben kann. Manchmal habe ich
nicht verstanden, was er will. Als er es dann erklärt
hat, meinte ich, die Leute werden das niemals peilen.
Aber er meinte nur, dass es seine Gedanken
sind und er damit machen kann, was er will und
es keiner wissen muss. Bei „Lass nicht los“ habe
ich viele Passagen aus einem Gespräch mit einer
Person übernommen. Ein Außenstehender kann
diesen Song niemals verstehen. Aber für mich
macht der total Sinn. Deswegen ist dieses Album
so wichtig. Ich habe gelernt, dass ich alles machen
kann, was ich will. Ich muss es keinem Recht
machen. Da habe ich auch das erste Mal über Beziehungen
und Liebe gerappt. Ich habe auf Beats
gerappt, die ich selber vielleicht gar nicht gewählt
hätte – und mit den Themen war es halt genauso.
Als eure Karrieren begannen, sah das Business
noch anders aus als heute. Wie seht ihr die Umbrüche
in der Rap- beziehungsweise Musikindustrie?
Curse: Als ich angefangen habe, in dieses
Deutschrap-Business einzutauchen, gab es MZEE
Records, Yo Mama und so. Majors haben sich
nicht für Rap interessiert. Das stand noch bevor.
Es war also auch eine krasse Pionierzeit, was das
Business-Ding angeht. Ich weiß noch, als Fast
Forward damals Put Da Needle To Da Records
gegründet hat, da wollte er mein Demo als erste
Maxi rausbringen und faxte mir einen Vertragsentwurf
zu. Ich sprach dann mit ihm und sagte,
dass ich schon Bock hätte, das zu machen. Aber
für mein Album wollte ich lieber einen Major-Deal.
Weil man aber mit Maxis nichts verdient, hätte
ich es nicht fair gefunden, die bei ihm zu machen.
Aber im Grunde hatte ich null Ahnung vom Business.
Andererseits hatte ich aber auch das Gefühl,
dass man was ganz Krasses machen muss. Rückblickend
war meine Anfangszeit aber cool. Mit der
Zeit habe ich mich dann als Künstler verändert,
die Szene hat sich verändert und der Marktwert
auch. Ich bin aber sehr, sehr lange Zeit, fast meine
ganze Karriere, in denselben Strukturen geblieben.
Und darüber bin ich echt froh, denn heutzutage
ist jeder Typ, der gerade sein erstes Mixtape
rausbringt, auch irgendwie International Business
Mastermind …
… das muss doch aber nicht gleich schlecht
sein …
Curse: Nein, das ist supergeil! Heute sind die
Strukturen aber eben auch anders. Ich habe mir
„HEUTE SCHEINEN EINIGE SCHON DEN BUSINESS- UND MARKE-
TING-PLAN ZU HABEN, BEVOR SIE ÜBERHAUPT MUSIK MACHEN.
KÜNSTLER BAUEN SICH HEUTE IHR IMAGE AUCH MAL NACH MARKT-
FORSCHUNGSKRITERIEN AUF.“ (CURSE)
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 25
früher überhaupt gar keinen Kopf über Marketing
gemacht, über Promotion, oder darüber, wie die
Fotos aussehen. Heute scheinen einige schon den
Business- und Marketing-Plan zu haben, bevor sie
überhaupt Musik machen. Künstler bauen sich
heute ihr Image auch mal nach Marktforschungskriterien
auf. Das wäre früher absurd und wahrscheinlich
auch unfassbar whack gewesen.
Savas: Fakt ist, damals gab es ein paar Institutionen,
es gab ein Major-Label, es gab einen Verlag,
es gab so etwas wie einen Manager, es gab Viva,
es gab MTV – und wenn du dich nicht innerhalb
dessen bewegt hast, dann hattest du theoretisch
keine Chance, dich auf breiterer Ebene präsentieren
zu können. Wenn du dein Video nicht mit einer
entsprechenden Produktion gemacht hast und
nicht den richtigen Dude hattest, der das bei MTV
einreicht, dann lief dein Video auch nicht. A&R-
Manager hingegen sind meiner Meinung nach
die überflüssigsten Menschen im Musikbusiness.
Die sind gekommen und haben einem irgendeine
Scheiße erzählt, von der sie selber keine Ahnung
hatten. Ich sage es jetzt ganz offiziell: Ich entschuldige
mich noch mal bei Peter Sreckovic (Fast Forward,
Anm. d. Red.) Ich war früher auch auf einem
anderen Film, aber meiner Meinung nach war er
noch die fairste Person, die ich im Musikbusiness
kennengelernt habe. Er war zwar verplant, aber er
hat das Business so gehandelt, wie ich es mir im
Nachhinein gewünscht hätte. Er hat mich immer
machen lassen. Das war für mich eine echte Art
und Weise, mit der Musik umzugehen. Götz Gottschalk
(mit dem neben vielen anderen Rappern
auch Curse lange zusammenarbeitete, Anm. d.
Red.) war da schon eine andere Persönlichkeit. Mit
dem saß ich mal im Auto und Ono (Rapper von
Walking Large, heute Data MC, Savas war früher
mal sein Back-up-Rapper, Anm. d. Red.) meinte,
ich solle ihm doch mal meine neuen Songs vorspielen.
Ich spielte ihm also meine Songs vor,
darunter, glaube ich, auch „LMS“. Und er meinte
nur, dass ich damit nirgends einen Deal kriegen
würde. Das waren die Songs, die mich hinterher
bekannt gemacht haben. Moses (Pelham, Anm.
d. Red.) ist damals auf die ausgerastet. Ich hätte
auch mit ihm arbeiten können. Aber was ich sagen
wollte: Man wurde im Musikbusiness sehr
schnell schlecht beraten. Und heute bin ich ein
ekliger Kontrollfreak. Man kann kein Foto, Video
oder irgendwas veröffentlichen, ohne dass ich das
nicht approved habe. Für mich sollte ein Manager
auch einfach nur dafür da sein, geile Deals an Land
zu ziehen und einem dabei zu helfen, seine musikalische
Vision umzusetzen und einen in gutes
Licht zu stellen. Niemand muss einem sagen, wie
man Mucke macht. Das feiere ich an dieser Zeit
auch so: Dass man tatsächlich einen Künstler hat,
der selber seine Videos schneidet. Bei mir hat das
alles zehn Jahre gedauert, ich hing in meinen Deals
fest. Ich habe mich damals wie eine Nutte gefühlt.
Aber heute kann ich machen, was ich will. Ich würde
jedem Künstler raten, independent zu sein. Seitdem
du nicht mehr bei MTV oder Viva oder Radiosendern
blasen musst, kannst du einfach alles machen.
Schau dir Cro an. Chimperator. Sebastian Schweizer
hat davor in meinem Büro gearbeitet und jetzt hat
er Cro rausgebracht und ist Millionär oder was weiß
ich. Es funktioniert alles, Alter.
Und wie war euer erster Kontakt mit dem Finanzamt?
Für viele bedeutete der ja ein böses
Erwachen …
Curse: Ich hatte damals mit meinem Steuerberater
gesprochen, der arbeitete für so eine riesige
Kanzlei in Berlin. Da war ich 21 und dachte mir:
Bei so einem Laden muss ich mir keine weiteren
Gedanken machen, zumal die meinten, dass sie
sich um alles kümmern würden. Irgendwann kam
dann ein Steuerbescheid vom Finanzamt, dass ich
180.000 Mark zahlen müsste. Ich konnte das nicht
glauben. Nicht mal einen Bruchteil davon hatte ich
auf meinem Konto. Ich bin dann erst mal zu einer
Freundin meiner Eltern, die so Basic-Finanzsachen
gemacht hat. Durch die kam heraus, dass diese
Kanzlei mich über Jahre ganz krass abgezogen hat.
Das war richtig kriminell! Für mich war das jedenfalls
eine Katastrophe. Also bin ich zum Finanzamt
und habe denen erzählt, dass ich 21 Jahre alt
bin und es niemanden in meinem Umfeld gibt,
der so etwas je schon mal gemacht hätte und ich
niemanden hätte, der mir einen Rat hätte geben
können und man mir nun keine bösartigen Dinge
unterstellen sollte. Zum Glück haben die das verstanden.
So etwas ist aber auch vielen anderen
passiert. Nach ein paar Jahren war ich dann wieder
zurück auf null.
Savas: Ich habe alles viel zu freundschaftlich
gesehen. Mein Anwalt musste mich erst überzeugen,
dass ich von den anderen ein paar Prozente
nehme. Ich bekam einen Vorschuss, habe
davon ein Auto gekauft, den anderen ihr Leben
bezahlt, mir ein gutes Leben gegönnt und auf
einmal meldet sich die Bank und sagt, dass das
Konto überzogen ist. Da war ich gerade in New
York und habe mir irgendwelchen Müll gekauft.
Inzwischen habe ich aber dazugelernt. Bei der
„John Bello Story 2“ hatte ich noch mal eine
harte Phase. Da sollte ich 200.000 Euro an das
Finanzamt zahlen. Da hatte ich tatsächlich auch
vier Autos, ein Haus gemietet, immer dick Essen
mit den Jungs. Daraufhin habe ich gemerkt, dass
ich das nicht mehr will. Ich leiste mir immer noch
Dinge, die ich mir leisten will, aber es muss in
einem gewissen Verhältnis stehen.
Curse, du hast mit Indie neue Welt nun dein eigenes
Label gegründet. Dort hast du auch dein
neues Album veröffentlicht. Nach all den Jahren
bei Subword/BMG machst du nun im Business
noch mal neue Erfahrungen, oder?
Curse: Am Ende des Tages ist das nicht mehr so
schwierig. Ich weiß, wie viel Geld man ausgeben
kann und wie viel man verkaufen muss, um es
wieder reinzubekommen. Wir werden sehen, ich
bin ja gerade mittendrin. Das Schwierige ist, wirklich
nicht zu übertreiben, sondern realistisch zu
bleiben. Was ich außerdem kurz sagen will, weil
der Name Götz Gottschalk gefallen ist: Ich habe
lange mit ihm zusammengearbeitet und überhaupt
kein Problem mit ihm. Ich habe sehr großen
Respekt vor Götz.
Savas: Ich wollte auch nicht respektlos sein.
Curse: Es ist mir einfach wichtig zu sagen, dass
ich zwölf Jahre mit ihm zusammengearbeitet
habe. Er ist ein sehr spezieller Mensch, aber bei
manchen Konstellationen ist das einfach perfekt.
Savas, du hast eben den A&R-Manager als die
überflüssigste Person im Musikgeschäft bezeichnet.
Du selbst warst für Optik Records doch sicherlich
auch der A&R. Wie hast du das denn zu
handhaben versucht?
Savas: Ich habe sehr viel über mich und das Business
gelernt. Ich weiß jetzt, ein Büro mit vier Leuten
zu betreiben, heißt noch lange nicht, dass das
Label automatisch Platten verkauft. Ich bin aber
auch nicht der typische Chef, der hingeht und
durchgreift. Da war Aggro mit Specter, Halil und
Spaiche deutlich besser beraten. Die konnten von
drei gleichberechtigten Seiten ganz anders mit
den Artists arbeiten. Die haben dieses A&R-Ding
sehr gut gemacht. Für mich war der freundschaftliche
Respekt viel zu groß. Auch wenn mir etwas
nicht gefallen hat – ich hatte immer viel zu großen
Respekt vor dem Menschen, um meinen Mund
aufzumachen. Wenn ich jetzt ein A&R wäre, würde
ich bei einem Label arbeiten, wo ich angestellt
bin und mit den Künstlern nicht auf einer freundschaftlichen
Ebene stehe.
Curse, würdest du deine bisherige Karriere als
erfolgreich bezeichnen?
Curse: Wenn du mich fragst, hätte ich es verdient
gehabt, von jedem Album und jeder
Single das Doppelte verkauft zu haben. (lacht)
Ernsthaft: Ich habe kein Gold-Album und keine
Nummer eins. Aber daran messe ich auch nicht
meinen Erfolg.
Wenn du siehst, wer heute alles in die Top 10 oder
gar in die Top 5 kommt – bereust du manchmal
diese sechsjährige Pause, die du gemacht hast?
26 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Curse: Null! No way! Diese sechs Jahre Pause
waren so schön. Jetzt ist es teilweise schon
wieder stressig und nervig. Jetzt gerade merke
ich wieder, warum ich aufgehört habe. Aber insgesamt
sehe ich es tatsächlich entspannter als
vorher – und humorvoller. Ich schaffe es auch,
mir das mal von außen anzusehen. Das amüsiert
mich sehr. An dem Punkt, an dem ich aufgehört
habe, war es ja so, dass ich einen Deal für das
nächste Album gehabt hätte. Ich hätte einen
Verlagsdeal gehabt und hätte gewusst, dass ich
für die nächsten drei Jahre finanziell abgesichert
gewesen wäre. Ich habe mich ja entschieden,
das nicht zu machen, weil ich einfach gemerkt
habe, wenn ich jetzt weiter Musik mache, dann
werde ich mich enttäuschen. Und jetzt habe ich
mich entschieden, wieder ein Album zu machen,
und wenn das Album erfolgreich wird, dann verdiene
ich gutes Geld. Aber wer sagt mir, dass es
so kommt? Keiner gibt mir eine Garantie. Und
keiner hat in dem Sinne darauf gewartet. Das ist
auch nicht meine Motivation. Ich musste mich
vielmehr überwinden, dieses Album zu machen.
Ich war mit meinem Leben auch ohne das Musikmachen
sehr zufrieden. Aber dann bekam ich
doch Bock darauf, wieder auf der Bühne zu stehen,
Texte zu schreiben und Musik zu machen.
Das ist einfach in mir drin. Ich spreche ja immer
vom Glücklichsein – und ohne das Musikmachen
fehlt mir dann doch ein Stück zum Glücklichsein.
Zum Abschluss: Wie würdet ihr den Status des
anderen bezeichnen?
Curse: King Kool Savas. Punkt.
Savas: Ich habe es auf dem splash! gesagt: King
Curse. Er ist ein Pionier. Er ist eine Ikone.
„HEUTE BIN ICH EIN EKLIGER KONTROLLFREAK.“ (SAVAS)
„MEIN ZIEL WAR IMMER EIN SEHR PERSÖNLICHES.“ (CURSE)
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 27
„Die Extreme sind sehr reizvoll“
INTERVIEW: RALF THEIL
FOTOS: JUEL POULSEN
Ein Interview mit
DEN SORTE SKOLE
Simon Dokkedal und Martin Højland von Den Sorte Skole im Gespräch über die Entstehung ihres Albums „Lektion III“, für
das sie Tausende von Soundschnipseln aus 51 Ursprungsländern verwendeten, über die Bedeutung von Urheberrechten,
moderne Sampling-Kultur und den Gig, der für sie alles veränderte.
2010 wurdet ihr gebeten, ein DJ-Set zum 40.
Jubiläum des Roskilde Festivals zu spielen, des
größten Musikfestivals Nordeuropas. Was bedeutete
das für euch?
Martin: Das war ein wahnsinnig interessanter Job,
weil wir uns mit allen Künstlern befassen mussten,
die jemals dort gespielt hatten. Wir haben sehr
lange recherchiert und ein riesiges Archiv von
Songs gesammelt. Wir hatten noch nicht einmal
in den großen Clubs in Kopenhagen gespielt, und
plötzlich standen wir vor 30.000 Menschen auf der
zweitgrößten Bühne Dänemarks. Der Hype und die
Energie waren unglaublich – ein völlig verrücktes,
zweistündiges Mitsing-Inferno.
Dabei konntet ihr zum ersten Mal nicht nur
Musik verwenden, die ihr schon kennt und
mögt. Ihr musstet einen Zugang zu Musik finden,
die ihr sonst nicht gehört hättet …
Martin: Das war das Beste, was uns passieren
konnte. Dadurch war unser Ansatz viel offener,
als wir mit der Arbeit an „Lektion III“ anfingen.
Ein Problem war aber auch, dass wir von heute
auf morgen wahnsinnig viele neue Fans hatten,
die ein völlig anderes Bild von uns hatten als
wir selbst. Als dann „Lektion III“ herauskam,
fanden sich einige Leute auf der ganz falschen
Party wieder. (lacht)
Ihr habt genau das Gegenteil dessen gemacht,
was man erwartet hätte. Ihr hattet all diese neuen
Fans, und euer nächstes Projekt war das Unzugänglichste,
was es je von euch zu hören gab.
Wie wurde daraus statt eines weiteren Mixtapes
dieses viel komplexere Album?
Simon: Wir wollten etwas machen, das wir verkaufen
könnten. Wir wollten tiefer ins Produzieren
einsteigen und obskure Samples finden, anstatt
wieder fremde Beats zu nehmen.
Martin: DJ Shadow und RJD2 waren große Vorbilder
für uns. Wir wollten etwas erschaffen, das
in der Tradition dieser Künstler steht. Ein komplett
samplebasiertes Album, das dieser Art von
28 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
„Wir hatten noch nicht einmal in den großen Clubs
in Kopenhagen gespielt, und plötzlich standen wir
vor 30.000 Menschen auf der zweitgrößten Bühne
Dänemarks.“ (Martin Højland)
Musik auch etwas Neues hinzufügen kann. Wir
wollten das Gefühl haben, diese Musik selbst gemacht
zu haben.
Simon: Auch wenn wir drei Jahre an einem Mixtape
gearbeitet hatten, wurde das immer anders
wahrgenommen, weil man die Musik anderer
Leute spielte. Jahrelang mussten wir uns fragen
lassen, wann wir denn etwas Eigenes machen
würden.
Martin: Das ist eben so ein Hip-Hop-Ding. Man will
es den Leuten dann beweisen.
Und wann wurde euch klar, dass ihr auch „Lektion
III“ nicht offiziell verkaufen können würdet?
Martin: Wir wollten mit der dänischen Vertretung
der IFPI einen Weg finden, pauschal alle Samples
zu klären. Erst, als wir buchstäblich am letzten Tag
des dreijährigen Produktionsprozesses im Mastering-Studio
saßen, wurde uns gesagt, wir müssten
das Album verwerfen, weil es keine Möglichkeit
zur Freigabe gäbe. Da stand aber schon fest, dass
wir es als freien Download herausbringen würden.
Es wäre nur schön gewesen, auch auf iTunes und
Spotify zu sein – eben dort, wo Leute Musik hören.
Simon: Jetzt gibt es den Download auf unserer
Website, wo man auch spenden kann. Erstaunlich
viele Leute haben das getan – wahrscheinlich, weil
sie so das Gefühl haben, näher an der Quelle zu
sein. Es ist eine persönlichere Verbindung.
Bisher hat euch niemand verklagt?
Martin: Nein. Man spendet auch nicht für das Album,
sondern allgemein für unsere Arbeit. Und
das Album wird über eine Gesellschaft veröffentlicht,
wir haften also nicht als Privatpersonen
dafür.
Der Fall zeigt aber, dass die Musikindustrie und
die Gesetzgebung immer noch nicht adäquat
mit samplebasierter Musik umgehen können.
Wie könnte denn ein System aussehen, auf dessen
Grundlage man eine Platte wie „Lektion III“
legal veröffentlichen kann?
Martin: Man bräuchte eine zentrale Einrichtung,
die sich um die Klärung von Samples kümmert.
Bei Coverversionen ist es ja so, dass jeder einen
Song nachspielen darf. Man muss die veraltete
Denkweise hinter sich lassen, dass man sich weigern
kann, gesamplet zu werden. Sampling passiert
ständig. Wenn du Architekt oder Designer
bist, hast du auch kaum Kontrolle darüber, wer
was aus deiner Arbeit macht. Man muss sich öffnen
und Sampling grundsätzlich zulassen, aber
dafür braucht man ein System, das die Einkünfte
gerecht aufteilt.
Simon: So, wie es jetzt ist, klären viele Leute ihre
Samples nicht, weil der offizielle Weg zu teuer
oder zu kompliziert wäre. Deswegen bekommen
viele Urheber gar nichts ab. In einem neuen System
könnte der Urheber eines Samples aber auch
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 29
INFOKASTEN // HISTORY
Ob Den Sorte Skole nun eine DJ-Crew oder ein Produzententeam ist, ob man „Lektion III“ als wahnsinniges Mixtape-Projekt
verbucht oder doch als Großtat der Sampling-Kunst neben „Endtroducing…..“ ins Regal sortiert – man sollte nicht zu viel
Zeit auf solche Defi nitionsfragen verschwenden. Die Fakten: 2003 als DJ-Trio in Kopenhagen gegründet, spielte Den Sorte
Skole (Dänisch: „Die schwarze Schule“) auf bis zu sechs Plattenspielern minutiös arrangierte Sets, in denen Hip-Hop-
Acapellas auf einen musikalischen Backdrop von Dr. Octagon über Afrika Bambaataa bis Neil Young montiert wurden. Das
Mixtape „Lektion #1“ erschien 2006 und sorgte für nationale Aufmerksamkeit, zwei Jahre später wurde es mit „Lektion
#2“ musikalisch noch vielfältiger und der Hype immer größer – bis der Verband der dänischen Musikindustrie mit rechtlichen
Schritten wegen der unerlaubt verwendeten Songs drohte. Den Sorte Skole konnten sich keinen Rechtsstreit leisten
und verschwanden für ein Jahr mitsamt ihren Mixtapes von der Bildfl äche – bis die Anfrage von Roskilde kam. „Lektion III“
ist seit 2013 als freier Download auf densorteskole.net und als aufwendig gestaltetes, limitiertes Dreifach-Vinyl erhältlich.
Rechte an der neuen Produktion haben.
Martin: Natürlich ist es interessant, wenn man
nicht weiß, welches Sample jemand benutzt hat.
Aber es ist unfair. Ich mag zum Beispiel die Sachen
von Gaslamp Killer, aber wer weiß da schon, was
er selbst gemacht hat, und ob der Urheber etwas
abbekommt? Kaum jemand sucht nach den Originalen,
die er verwendet. Deswegen gibt es zu unserem
Album ein Buch, in dem wir alle Samples
auflisten. Damit kann man losgehen und seinen
musikalischen Horizont erweitern.
Stimmt es, dass ihr die Samples nicht verändert
und die ursprüngliche Tonlage beibehalten habt?
Simon: Wir haben Filter und EQs benutzt, ein paar
Effekte, aber wir wollten den Originalsound behalten
und die Samples nicht kaputtbearbeiten. Es
sollte nicht nach Computer klingen
Martin: Es gibt eine Ausnahme, einen Track haben
wir um einen Halbton gepitcht. Die Leute dürfen
gern herausfinden, welcher das war. Als klar war,
dass wir ein samplebasiertes Album produzieren
wollten, sprachen wir viel darüber, wie es sich von
„Endtroducing…..“ oder „Since We Last Spoke“
unterscheiden könnte. Wir wollten zum Beispiel
keine Samples aus Nordamerika und Europa benutzen,
und über das Internet konnten wir an Vinyl
aus der ganzen Welt kommen. Außerdem sollte es
nicht so beatlastig sein. Wir wollten samplebasierte
Musik machen, der man nicht anhört, dass sie
aus Samples besteht.
Wenn man Musik aus der ganzen Welt hört, ist
es immer interessant, aus welchem sozialen und
politischen Kontext sie stammt, wer sie warum
gemacht hat. Beim Sampling setzt man ein Stück
in einen ganz neuen Kontext. Habt ihr darüber
nachgedacht?
Simon: Auf jeden Fall. Uns sind viele Verbindungen
klargeworden, von Blues zu westafrikanischer
Musik zum Beispiel, und es gibt Dinge, die
gleichzeitig in Indonesien und in Honduras passiert
sind, ohne dass die Musiker voneinander wussten.
Martin: Wir haben viel über die Geschichten hinter
den Samples nachgedacht, und das Album ist voller
solcher Geschichten. An manchen Stellen haben
wir auf Samples verzichtet, weil wir wussten,
dass die Aufnahme einen religiösen Hintergrund
hat, der nicht gepasst hätte. Und manchmal hatten
wir auch einfach keine Ahnung, was wir da gerade
kombinierten.
Ein anderer interessanter Aspekt an Roskilde
2010 war, dass ihr damals zum ersten Mal widerwillig
mit digitalen DJ-Systemen gearbeitet habt.
Heute benutzt ihr ein komplett digitales Setup …
Martin: Ja. Ich hasse es immer noch. Die MPD-
Controller sind natürlich sinnvoll, aber bei Serato
fehlt mir etwas. Wenn ich ein Bläsersample spiele,
fühlt es sich nicht so an, als wäre es wirklich unter
meinen Fingern. Mit dem Originalsample von
Platte wäre es viel eher so, als würde ich das Instrument
selbst spielen. Ich mochte die DJ-Shows
lieber, bei denen wir nur Vinyl gespielt haben, aber
„Lektion III“ könnten wir nie von den Originalplatten
spielen. Das wäre völlig unmöglich.
Wie funktioniert denn die Live-Umsetzung?
Martin: Es sind Tausende von kleinen Schnipseln,
die wir vorbereitet haben. Wie bei fast jeder Band,
die du heute siehst, gibt es einen Backing-Track,
30 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
über den wir verschiedene Spuren live spielen.
Über Serato und MIDI-Controller.
Simon: Auf großen Bühnen mit sehr viel Bass ist
es auch wegen der Rückkopplungen fast unmöglich,
Vinyl zu spielen – das haben wir oft genug
versucht.
Ihr spielt viel live und habt mit den unterschiedlichsten
Crowds zu tun. Wenn man es als DJ-Set
sieht, wie findet ihr die Balance zwischen „Entertainment“
und „Education“?
Simon: Es ist grundsätzlich eine Herausforderung
für das Publikum, wenn wir live spielen. Unsere
Musik ist oft sehr ruhig, und Gäste in Clubs unterhalten
sich lieber, als sich auf die Musik zu konzentrieren.
Besonders in Dänemark. Deswegen
haben wir auch energiereichere Tracks, die in unser
Universum passen. Wir selbst stellen uns nicht
so sehr in den Vordergrund. Man soll nicht Martin
und mich sehen, zwei bleiche Typen aus Kopenhagen.
Es geht um die Musik, das Licht und die
Stimmung.
In welche Richtung werdet ihr euch in Zukunft
bewegen?
Martin: In Dänemark haben wir im Juni mit einem
Kammerorchester unsere erste Symphonie uraufgeführt.
Das Orchester (des staatlichen Rundfunks,
Anm. d. Verf.) wurde leider inzwischen geschlossen,
aber wir haben noch zwei weitere Symphonien
geplant, die wir mit einem anderen Orchester
umsetzen wollen. Wir haben die komplette Musik
geschrieben und stehen mit auf der Bühne – es ist
also wie ein Konzert von Den Sorte Skole, nur viel
größer.
Simon: Die erste Symphonie wird im Oktober veröffentlicht.
Das war schon verrückt, da sucht man
jahrelang nach Samples auf irgendwelchen Platten,
arbeitet an nichts anderem, und dann spielt
plötzlich ein ganzes Orchester deinen Loop.
Martin: Ich glaube, in Zukunft werden wir einerseits
Sachen mit mehr Energie produzieren, andererseits
aber auch noch verkiffteres freaky Zeug.
Diese Extreme sind sehr reizvoll.
„Wir selbst stellen uns nicht so sehr in den Vordergrund.
Man soll nicht Martin und mich sehen, zwei bleiche Typen
aus Kopenhagen. Es geht um die Musik, das Licht und die
Stimmung.“(Simon Dokkedal)
DAS NEUE ALBUM VON
VEGA
AB DEM
16. JANUAR
IM HANDEL!
CHAP
one
INTERVIEW: TIM KINKEL
FOTOS: SONY/JAMES MINCHIN
„Wir hätten da mindestens 100
Millionen herausholen können“
50 FRAGEN AN
TI
Paris, Juli 2014. Das WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien steht kurz bevor. Sony hat die internationale
Fachpresse ins prunkvolle Le Royal Monceau-Raffles am Triumphbogen geladen, um das neue Album „Paperwork“
von T.I. vorzustellen. Im Anschluss an die Vorführung im hauseigenen Kinosaal werden dem BACKSPIN-Autor
15 Minuten Einzelinterview zugestanden. Und in der Liga sind 15 Minuten exakt 15 Minuten …
32 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
1. Wie gefällt dir Paris?
Paris ist phänomenal.
2. Interessierst du dich für Fußball?
Während der Weltmeisterschaft, ja.
3. Wer wird das Finale gewinnen?
Ich mag Argentinien.
4. Was ist das Gegenteil von Mittelmäßigkeit (in
Anlehnung an die Single „No Mediocre“, Anm. d.
Red.)?
Das Gegenteil von Mittelmäßigkeit ist Crème de la
Crème.
5. Warum DJ Mustard?
Er hatte den richtigen Vibe und den richtigen
Sound für diesen bestimmten Song.
6. Ein Wort, das Iggy Azalea am besten beschreibt?
Phänomenal.
7. Was steckt hinter dem Titel deines neuen Albums
„Paperwork“?
Authentizität. Die Zertifizierung von Authentizität.
8. Features?
Nicht viele, aber bedeutsame.
9. Produzenten?
Pharrell, DJ Toomp, DJ Mustard.
10. Was kann Pharrell, was andere Produzenten
nicht können?
Platten verkaufen und Songs machen. (lacht) Nein,
ich denke: Pharrell kann Glücklichsein hart aussehen
lassen.
11. Was denkst du über den Trap von heute?
Ich heiße ihn willkommen und weiß ihn zu schätzen.
12. Was war der Grund dafür, mit Grand Hustle
zu Columbia zu wechseln?
Ich sage es mal so: Wir haben T.I., der ein Künstler
von Grand Hustle ist, zu Columbia gebracht. Wir
haben noch immer Iggy bei Def Jam, B.o.B bei
Atlantic, Travis Scott bei Epic. Wir sind nirgendwo
exklusiv. Bis jetzt.
13. Wer hustlet härter: Grand Hustle oder Strange
Music?
Ich. Auf jeden Fall. (lacht)
14. Kennst oder benutzt du die Eisenhower-Matrix?
Kenne ich nicht. Was ist das?
Ein System, um Produktivität zu managen …
Okay, du meinst eine systematische Strategie, um
Aufgaben effizient fertigzustellen?
Exakt …
Verstehe. Nein, benutze ich nicht.
15. Warum hast du keinen eigenen Drink?
Ich arbeite daran. Ich befinde mich gerade in Verhandlungen,
um einen Deal für meinen eigenen
Tequila zu finalisieren.
16. Was ist wichtiger für den Erfolg: Talent oder
Arbeitsmoral?
Das geht Hand in Hand.
17. Wann stehst du morgens auf?
Wann immer der Anlass das von mir verlangt.
18. Was ist das Letzte, was du tust, bevor du
schlafen gehst?
Ich schließe meine Augen. (lacht)
19. Hast du irgendwelche Routinen im Studio
oder während des Schreibprozesses?
Das ist unterschiedlich und abhängig von der Session
und dem Song, der gemacht wird.
20. Was magst du lieber: live oder Studio?
Ich weiß beides auf seine Art zu schätzen.
21. Wie oft checkst du deinen Twitter-Account?
Täglich.
22. Welcher ist der wichtigste Song deiner Karriere?
Der nächste. (lacht)
23. Welcher ist dein Lieblingssong von dir selbst?
„About the Money“, „No Mediocre“ – beide.
24. Was ist dein Erfolgsrezept für Langlebigkeit?
Beständigkeit und Ausdauer.
25. Wer soll deine Klamotten tragen?
Coole Kids.
26. Kids?
(Überlegt) Ja, ich denke, coole Kids diktieren den
Markt. Wenn ich Kids sage, meine ich das nicht
auf das Alter bezogen. Mit coolen Kids meine ich
die Hipster der Gesellschaft.
27. Hast du je darüber nachgedacht, gebrandete
Gummibänder zu verkaufen?
Man, da sprichst du was an. Nein, habe ich nicht.
Ich habe meine eigene Modelinie gestartet und
andere Sachen gemacht, die zu der Zeit auf einem
sehr viel höheren Level stattfanden. Ich war so
erfolgreich und Geld kam von allen Seiten, dass
ich den hab auf dem Tisch liegen lassen. Ich habe
mich diesbezüglich von Lance Armstrong schlagen
lassen. Aber ich bin mir sicher, wir hätten da
mindestens 100 Millionen herausholen können.
28. Kaufst du noch Häuser in Bankhead?
Nein. Wobei, weißt du was, wir fangen wohl wieder
damit an. Wir haben eine Zeitlang aufgehört,
weil der Markt kollabiert ist. Für einen Moment
wurden die Preise für die Häuser von den Auslobenden
nicht unterstützt. Dann hat sich das
umgekehrt und die Häuser kosteten erheblich
weniger, als sie wert waren. Heute ist das ausgeglichen.
29. Was bedeutet Atlanta für dich?
Heimat.
30. Was denkst du über Young Thug? Wie groß
kann er werden?
So groß, wie er es sich selbst erlaubt. Er hat das
Talent. Bei ihm geht es nur noch um seine Arbeitsmoral
und Strategie.
31. Gleiche Frage zu Big K.R.I.T.?
Gleiche Antwort. Es geht um seine Strategie und
darum, wie er seine Skills ausliefert. Er ist definitiv
einer der Talentiertesten der neuen Generation.
32. Ist Kendrick Lamar der neue König des Westens?
„PHARRELL KANN GLÜCKLICHSEIN
HART AUSSEHEN LASSEN.“
Ja. Wobei, warte: Nein, ist er nicht. Dr. Dre ist immer
noch der König des Westens: Dr. „Billionaire“
Dre. (lacht)
33. Besteht die Chance, dich mal auf einer Produktion
von Dr. Dre zu hören?
Sicher. Wir reden immer mal wieder darüber. Ich
glaube, er startet „Detox“ erneut und will dafür mit
mir zusammenarbeiten. Und ich kann es kaum erwarten.
34. Gleiche Frage, anderer Produzent: DJ Premier?
Sicher. Weißt du was? Das werde ich machen.
35. Kannst du drei Rap-Künstler benennen, mit
denen du gerne arbeiten würdest?
Ich weiß nicht …
36. Snoop?
Mit Snoop habe ich schon diverse Male zusammengearbeitet.
Ich glaube, ich bin auf seinem
nächsten Album, was übrigens abgeht! Ansonsten,
ich weiß nicht – das hängt vom Song ab. Ich
möchte einen Song hören und dann darüber nachdenken,
welche Person am besten dazu passt und
auf diese Weise mit Leuten zusammenarbeiten. Ich
möchte nicht mit jemandem zusammenarbeiten,
nur weil er zurzeit angesagt ist. Wer auch immer
der Meinung ist, er ist der Beste in dem, was er
tut, und herausfinden möchte, ob das stimmt – der
sollte sich bei mir melden. Ich werde ihm zeigen,
was er hat.
37. Kannst du Künstler abseits des Rap nennen,
mit denen du gerne arbeiten würdest?
Stevie Wonder, Carrie Underwood, Lady Gaga.
38. Was gefällt dir an einem Mercedes Benz am
besten?
Die Technik und der Weg, wie die Vehikel sich von
Model zu Model entwickeln und wie integrative
Möglichkeiten gefunden werden, das Fahrerlebnis
zu verbessern.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 33
39. Kannst du dir vorstellen, mit einem Künstler
aus Deutschland zusammenzuarbeiten? Kennst
du Rapper aus Deutschland?
Ich kenne keine. Aber wenn sie dope sind, arbeite
ich gerne mit ihnen zusammen.
40. Was können sie tun, wenn sie mit dir zusammenarbeiten
wollen?
Scheiße, sie müssen mich finden. Dann können
wir versuchen, etwas zu arrangieren.
41. Dein Lieblingsrapper aller Zeiten?
2Pac.
42. Dein Lieblingsrapper aktuell?
(Überlegt) Das entscheidet sich zwischen Kendrick
Lamar, Drake, B.o.B. und Lil Wayne.
43. Dein Lieblingsproduzent aller Zeiten und aktuell?
Pharrell, DJ Toomp.
44. Pharrell aller Zeiten und DJ Toomp aktuell?
Ich denke, sie stehen beide auf einer Stufe. Wie
wär’s damit: Dr. Dre aller Zeiten, Pharrell und DJ
Toomp aktuell.
45. Wann können wir mit „Rodeo“ von Travis
Scott rechnen?
Alter, hör zu: Ich rede schon so lange auf ihn ein,
dass er sein Material verpackt und schön präsentiert
kriegt. Mein Mann, Alter, mein Mann. Er
hat eine Menge Inspiration um sich herum und
manchmal hält ihn das davon ab, die Sachen zu
tun, die er tun sollte. Aber die Musik ist immer herausragend.
Er wird nur manchmal so aufgeregt,
dass Dinge passieren, die fehl am Platz sind, was
die Uhr etwas zurücksetzt. Aber die Musik ist immer
herausragend.
46. Ist es möglich, echte Freunde im Musikgeschäft
zu finden?
Ja, sicher ist es das. Es ist schwierig, aber nicht
unmöglich.
47. In welchem Land außerhalb der USA hast du
die meisten Fans?
Keine Ahnung, hoffentlich Deutschland.
48. Was ist das Nervigste an Interviews?
Immer wieder die gleichen Fragen beantworten zu
müssen. (lacht)
49. Kannst du dir vorstellen, die Krone irgendwann
abzugeben?
Sicher, das kann ich mir auf jeden Fall vorstellen.
Da gibt es eine Menge Kandidaten, aber du musst
in ungefähr vier Bereichen ein bestimmtes Level
„DR. DRE IST IMMER NOCH DER
KÖNIG DES WESTENS.“
an Bedeutsamkeit halten, bevor du als König betrachtet
werden kannst …
An dieser Stelle unterbricht die nette Pressedame
von der US-amerikanischen Sony-Division
das Interview – die 15 Minuten sind um. Diskussionsspielraum
gibt es da keinen. Das macht aber
nichts, denn die letzte Frage lautete: Möchtest
du unseren deutschen Lesern noch irgendetwas
sagen?
34 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Interview: Dennis Kraus
Fotos: Robert Winter, privat
DIE HOHE FÜNF MIT
ELOQUENT & I.L.L. WILL
mit Eloquent und I.L.L. Will
Mit „Skizzen in Grau“ liefern der Wiesbadener Rapper Eloquent und der Hamburger
Produzent I.L.L. Will den Nachfolger ihrer EP „Skizzen in Blau“. In unserem
Kurzinterview sprechen die beiden über ihre Zusammenarbeit und ihre
Vorliebe für den Jazz. Zudem stellen sie klar, dass ihre „Skizzen“ eigentlich
weit mehr sind als, nun ja, Unfertiges.
Eloquent, I.L.L. Will, ihr habt im Herbst 2014 euer
Album „Skizzen in Grau“ veröffentlicht. Davor
gab es von euch bereits „Skizzen in Blau“. War
die Fortsetzung für euch zwangsläufig?
I.L.L. Will: Das kam eher aus der Lust heraus,
weil es mit „Skizzen in Blau“ schon so wunderbar
klappte. Und mit „Skizzen in Grau“ lief es noch
besser. Wir schickten uns die Songs hin und her
und nach dreieinhalb Wochen war das Album im
Kasten.
Eloquent: Dem kann ich noch hinzufügen, dass
wir eigentlich an einem anderen Projekt gearbeitet
haben. Das nennt sich „Jazz Knuckles“, da
arbeiten wir mit Julian Rogers aus Berlin zusammen.
Der hat allerdings parallel noch sein Soloalbum
fertig gemacht, sodass er seinen Teil für
unser Projekt nicht so schnell abliefern konnte.
Ich hatte meinen Part allerdings schon fertig und
war noch so im Modus, dass sich relativ schnell
herauskristallisierte, einen Nachfolger zu „Skizzen
in Blau“ aufzunehmen.
Dadurch, dass in dem Albumtitel das Wort „Skizzen“
steht, könnte, hat man die LP nicht gehört,
der Eindruck entstehen, es handele sich um etwas
Skizziertes, Unvollständiges. Warum habt
ihr nach „Skizzen in Blau“ weiter an dem Wort im
Titel festgehalten?
Eloquent: Die Titel beziehen sich unter anderem
auf meine Schreibweise. Die erste Demoversion
eines Songs steht bei uns jedenfalls meist ziemlich
schnell. Doch dann steckt Willy noch mal
eine Menge Arbeit in die Songs, sodass sie am
Ende nicht wie hingerotzt klingen. Ich finde aber
auch, dass ein Rapsong nicht notwendigerweise
einen Refrain, eine Brücke sowie einen A- und B-
Teil braucht. Es ist schön, wenn ein Song das hat,
aber es ist für mich nicht erforderlich, um schöne
Rapmusik zu machen.
I.L.L. Will: Vielleicht spielt da auch mit rein, dass
ich die unfertigen Demo-Stücke „Skizzen“ nenne.
Wenn ich ihn frage: „Was hältst du von dem
Beat?“, dann ist der natürlich nie ganz ausgearbeitet,
sondern nur eine Skizze. Ich hatte auch mal einen
Ordner mit ein paar Beats aus Jux „Skizzen in
Grau“ genannt – und ihm gefiel der Name.
Auf „Skizzen in Grau“ sind auf einigen Songs
auch Instrumente wie eine Bass-Klarinette oder
eine Querflöte live eingespielt worden. Inwiefern
ist euch das für eure Musik wichtig?
I.L.L. Will: Ich lade mir schon länger Musiker ein und
bitte sie, etwas zu meinen Tracks dazuzuspielen.
Für mich ist das sehr wichtig. Das Instrumental bekommt
so einen anderen Charakter. Das bringt einfach
mehr Dynamik rein, und darauf stehe ich total.
Eloquent: Das gibt dem Track eine neue Dimension.
Die ersten Sachen, die ich von Willy kenne,
waren von seiner „Nicht vollständig EP“ – und da
sind auch viele Gastbeiträge drauf. Deswegen war
es auch mir von Anfang an wichtig, Gastmusiker
dabeizuhaben. Allerdings ist das auch immer ein
Balanceakt. Wird es zu viel, finde ich das schwierig.
Ich liebe Livemusik. Und ich bin großer Rap-Fan –
und wenn ich ein Rap-Album mache, will ich am
Ende immer das Gefühl haben, dass es ein Rap-
Album ist.
Für die, die „Skizzen in Grau“ noch nicht gehört
haben: Wie klingt das Album?
I.L.L. Will: Es ist ein smoother, relaxter Sound. Ich
glaube, bei dieser LP ist es überwiegend Jazz gewesen.
Ich suche auch meistens in Jazz-Sachen.
Das ist irgendwie mein Ding. Ich liebe Jazz so sehr,
dass ich das auch bei meinen Hip-Hop-Sachen mit
einfließen lasse.
Eloquent: Das sehe ich ähnlich. Dass wir beide
Jazz sehr mögen, ist eine gute Basis der Zusammenarbeit.
Wir müssen nicht lange darüber reden,
in welcher Art von Musik wir nach Samples suchen.
Es gibt genug Künstler, die wir beide feiern
und von denen wir Platten zu Hause stehen haben.
Dadurch ist es alles recht einfach und deshalb geht
das auch alles so schnell.
In deinen Texten finden sich viele Battle-Rap-Passagen.
Hier und da streust du dann aber auch Persönliches
ein. Typische persönliche Songs sucht
man auf „Skizzen in Grau“ vergeblich. Warum
lässt du all das zusammenfließen, anstatt daraus
verschiedene Songs zu machen?
Eloquent: Das ist einfach meine Herangehensweise.
Ich habe das schon bei vielen Tracks gemacht
– auch welche, von denen man sagen kann, dass
sie einfach nur nachdenklich sind. Mit Seelenstriptease-Tracks
habe ich aber so meine Probleme.
Auch auf „Skizzen in Grau“ gibt es Momente, bei
denen ich Bedenken hatte, ob ich das so raushauen
kann. Denn das, was ich in meinem Zimmer
fabriziere und das, was ich mit den Leuten teile,
sind zwei verschiedene Dinge. Wenn ich ein Rap-
Album höre, dann will ich geilen Rap auf geilen
Beats hören. Wenn der Rapper dann noch etwas
zu erzählen hat, super – aber mir ist die Musik dann
doch manchmal wichtiger als der Inhalt. Ich persönlich
versuche da, eine Mischung zu finden, mit
der ich mich wohlfühle.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 35
TEXT: DENNIS KRAUS, ZDRAVKO MISIR
FOTOS: NIKO HÜLS
OZ
Der Hamburger Sprayer Oz
ist tot. Ein Nachruf.
36 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Oz ist tot. Er starb am Abend des 25. Septembers
2014. Offenbar war er gegen 22:30 Uhr von einer
S-Bahn der Linie S1 auf den Gleisen zwischen
den Stationen Hauptbahnhof und Berliner Tor erfasst
worden. Etwa eine Dreiviertelstunde später
hatte ein Bahn-Mitarbeiter die Leiche gefunden.
Neben ihr soll eine Sprühdose gelegen haben,
auf der Abdeckung einer Stromschiene am Fundort
befand sich zudem angeblich ein frischer Tag
von ihm. Warum Oz die herannahende S-Bahn
nicht hörte, die ihn erfasste, weiß man nicht.
Über einiges an Erfahrung dürfte er ja verfügt
haben. In den Medien ist von rund 120.000 Tags
die Rede, die Oz während seiner Sprayer-Karriere
auf den Wänden Hamburgs hinterlassen haben
soll. Subjektiv betrachtet sind es aber wohl mehr
als eine Million Zeichen wie die typischen Kringel,
Punkte, Smileys, Tags und Striche, die Oz
Mein Graffiti-Papa ist jetzt weg!!! Papa wurde
oft für seine freischaffenden Taten bestraft,
eingesperrt und verprügelt. Ich bin traurig.
Razor
in der ganzen Stadt, in jeder Straße, entlang der
Bahnstrecken und in den Tunnelanlagen hinterlassen
hat.
Seit 1977 soll Oz aktiv gewesen sein, schrieben
die Hamburger Tageszeitungen. Dem Autor
dieses Textes waren irgendwann Ende der
1980er-Jahre in Hamburg zum ersten Mal seine
Smileys aufgefallen, die er auf Verkehrsschilder
im gesamten Hamburger Stadtgebiet gesprüht
hatte – was jedoch nicht bedeuten soll, Oz wäre
nicht auch schon vorher aktiv gewesen.
Als Graffiti im klassischen Sinne wahrgenommen
hatte der Autor dieses Textes die Smileys
seinerzeit nicht. Mit den damals an vielen Wänden
zu findenden Parolen á la „Amis raus aus
Nicaragua“ waren sie aber ebenso wenig zusammenzubringen.
Dazu kam, dass die Smileys ob
Oz war für mich ein absolutes Phänomen, ich war
jedes Mal auf’s Neue fasziniert, wo er überall
seine Spuren hinterlassen hat. Der Einzige, der
den Titel Allcity verdient in Hamburg. Ein großer
Künstler ist von uns gegangen …
CanTwo
Das Erste Bild von Oz, das ich unglaublich fand, sah ich circa 1993 auf dem Weg zur Schule. Es war eine
etwa 30 oder 40 Meter lange Farbwurst, die so skurril war, dass mir fast die Augen rausgefallen sind. Ab
da war ich Fan. Danach wurde Oz visuell immer omnipotenter in Hamburg. Oz ist seit den letzten 20 Jahren
aus dem Hamburger Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Jeder kennt seine Bilder! Man stelle sich vor, man
ist das erste Mal als Tourist in Hamburg und fragt sich, wer das macht? Auf Dächern, Brücken, Wänden,
Stromkästen etc. – der reine Wahnsinn. Bei Wikipedia findet man ihn, in den Nachrichten ist er mehrfach
aufgetaucht, man kann Bücher kaufen und es gibt und gab immer Nachahmer. Mehr kann sich ein Sprüher
nicht wünschen. Im eigentlichen Sinne ist er ja kein klassischer Stylewriter, aber dennoch hat er wohl allen
gezeigt, was in ihm steckt. Wholecity zu sein, hat seit Oz wohl eine neue Bedeutung bekommen. Keiner ist
so allcity unterwegs gewesen wie Oz. Zu jeder Zeit, an jedem Ort in Hamburg sichtbar. Das bedarf wohl
keiner weiteren Erklärung. Der tragische, tödliche Unfall war fast zwangsläufig. Mit 64 Jahren kann ein
Graffitikünstler das Pensum und die damit verbundenen Anforderungen einfach nicht mehr bewältigen.
Sprühen ist gefährlich. Some people like him, most people hate him? Ist das so? Möge er in Frieden ruhen.
Cide
ihrer Omnipräsenz schon beinahe amtlich wirkten.
Dass hinter dieser unfassbaren Masse etwas
Illegales stecken konnte, war nicht vorstellbar.
Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre, als
der Autor dieses Textes dann etwas tiefer eingetaucht
war in die Graffiti-Welt, hörte er bald erste
Geschichten über diesen schon etwas älteren
Typen, der die Stadt mit seinen Smileys, seinem
Tag „Oz“ sowie seinen etwas surreal anmutenden
Farbflashes überzogen hatte.
Mit dem Graffiti, das einem Bücher wie „Subway
Art“ oder Filme wie „Style Wars“ zeigten,
waren diese Werke für viele damals allerdings
erst mal nicht in Einklang zu bringen. Oz hatte
irgendwie eine Sonderrolle in der Sprayer-Welt
der Hansestadt eingenommen.
Anfang der 1990er-Jahre hatte er außerdem
begonnen, diverse Wände von Gestrüpp und
Der freieste Künstler von allen, keiner hat ein
solch kompromissloses Werk geschaffen wie Oz.
Er hat Hamburg zu etwas Besonderem gemacht.
Tasek
Ästen zu befreien, um anschließend seine bunten
Farbflächen, die einige gerne Pizzateppiche
nannten, darauf zu sprühen. Er hatte sich einfach
neue Wände gesucht, um bestehende Pieces
nicht crossen zu müssen.
Auch suchte er den Kontakt zu den Writern.
Er betrachtete sich als deren Vorarbeiter, sagte er
immer. Damit meinte er, dass andere seine Bilder
gerne als Hintergrund für ihre nutzen könnten.
Auch geschah es manchmal, dass Oz an einigen
Bildern anderer Sprüher weitermalte und diese
mit einem Mal mit Hunderten von Punkten versehen
waren. Bei einigen Writern freilich hatte das
Wut ausgelöst.
Ende der 1990er-Jahre entstanden dann immer
abstraktere Formen, gemalt mit intensiven
Farbtönen, sodass Oz mehr und mehr Zuspruch
bekam – und zwar nicht allein aus der Graffiti-
Szene. Inzwischen bestand er dann auch darauf,
dass seine Bilder erhalten bleiben sollten.
Und auch als Mensch war er vollkommen anders
als die allermeisten Writer. Er war wohl immer
mindestens 20 Jahre älter als all die anderen
Sprayer der Stadt. Wenn man ihn traf, schimpfte
er manchmal über die „scheiß Bullen“ und die
„Sauberpolitik“. Was viele aber nicht wussten: Oz
war ein herzensguter Mensch, umweltbewusst,
Naturfreund mit Ornithologen-Ambitionen, sehr
hilfsbereit und ein guter Netzwerker. Er kannte
alle möglichen Leute in der ganzen Stadt aus
allen möglichen Bereichen. Auch nahm er jede
Veränderung der Stadt wahr. Immer wieder reinigte
er Wände von Moos, er säuberte von Writern
stark frequentierte Spots von leeren Dosen – und
war doch gleichzeitig der Sündenbock der gesamten
Stadt, wenn es um irgendeine Form des
Vandalismus ging.
Seinen Antrieb als Sprüher schöpfte er wohl
weniger aus dem Gedanken des Getting-up. Vielmehr
hatte Oz den grauen Flächen der Stadt seinen
ganz persönlichen Krieg erklärt. Eine graue
Wand schien etwas in ihm auszulösen. Das hieß
auch, dass er offenbar grundsätzlich keine Pieces
anderer Writer übermalte (seine waren dafür
öfter mal den Pieces anderer Writer zum Opfer
gefallen). Zudem war er in der Wahl seiner Spots
schlichtweg krasser als die meisten anderen. So
Ozozoz … Bis der letzte Kringel von der
Oberfläche getilgt ist, werden hoffentlich noch
Jahrzehnte ins Land gehen. Bleibt abzuwarten,
ob der Sell-out seiner Leinwände nicht früher
beginnt. Schützt seine Werke auf der Straße und
unterstützt nicht den Ausverkauf!
Regie, GMS
gut wie keine Wand war vor ihm sicher, egal, wie
unerreichbar sie auch schien. Und dafür, dass Oz
so gut wie nie Züge bemalte, sollte ihm der HVV
eigentlich auf ewig dankbar sein.
Mit der Zeit fanden sich in der Hamburger Writer-Szene
immer mehr Sprüher, die in irgendeiner
Form Kontakt zu Oz hatten. Einige Writer hatten
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 37
Kein Künstler zuvor hat jeweils sein Werk mit so
einer Ehrfurcht einflößenden Kompromisslosigkeit
betrieben. Jenseits jeder Norm führte hier ein
einzelner, zerbrechlicher Mann seinen Aufstand
der Zeichen. Hamburg hat nun einen seiner großen
Mahner verloren – und mit jedem Kringel, jedem
Tag oder Smiley, der entfernt wird, verliert sie ihr
unverwechselbares Antlitz.
Amit 2.OZ
den Kontakt wohl aus Neugier gesucht, andere
lernten ihn eher zufällig kennen. Entmystifiziert
hat ihn das nicht. Die Faszination, mit der man
auf das Phänomen Oz blickte, blieb auch nach
persönlichen Treffen. Und der Respekt vor seinem
Werk wuchs und wuchs. Writer, die aus dem
Ausland zu Besuch in Hamburg waren, hielten Oz
meist für eine Crew und fragten, wie viele Leute
das denn wären. Sagte man ihnen, dass das ein
etwas älterer Mann sei, glaubte einem das erst
mal niemand.
Trotzdem hatte er in der Graffiti-Szene nicht nur
Fans. Einigen Writern war wohl klargeworden,
Oz. Gelebter künstlerischer Widerstand in Reinform.
Fuck the Norm!
1010
dass sie selber vielleicht nicht mal fünf Prozent
von dem geschafft haben, was Oz geschafft hatte.
Er war einfach eine Malmaschine, die jeden
einzelnen Tag 100 Prozent gab.
Im Jahr 2009 erschien dann ein erstes, sozusagen
offizielles Buch über ihn. In dem Bildband
„Es lebe der Sprühling“, für das der Autor dieses
Textes die Redaktion
übernommen hatte, sind
etliche Oz-Bilder zu sehen,
dazu schildern einige
Prominente wie etwa Jan
Delay oder Peter Michalski
ihre Wahrnehmung
des Phänomens Oz. Zur
Releaseparty des Buches
fand in der Vicious Gallery
auf St. Pauli in Hamburg
eine Vernissage statt, bei
der zahlreiche von Oz gemalte
Leinwände zu sehen
waren. Im Gegensatz
zu Marina Abramovi war
der Künstler bei seiner
Vernissage allerdings nicht
zugegen. Wobei einige
Besucher beobachtet haben
wollen, wie ein dunkel
gekleideter älterer Mann
mit seinem Fahrrad das
Treiben in der Galerie aus sicherer Entfernung beobachtet
hat.
In der Aufmerksamkeit, die ihm nicht zuletzt,
wenn er wieder mal vor Gericht stand, zuteil
wurde, hat er sich jedenfalls nie gesonnt. Selbst
in kleiner Runde mochte er nur wenig über seine
Aktionen verraten. Für „Es lebe der Sprühling“
wurden mehrere Versuche unternommen,
Oz zu interviewen. Man saß zusammen, wählte
Fotos aus, die in dem Buch gezeigt werden
sollten, und unterhielt sich. Der etwas wirre
Eindruck, den Oz dann und wann bei flüchtigen
Graffiti ist nichts für die Ewigkeit: Das Leben ist
endlich. Aber Großes, wie Oz es schuf, bleibt in
den Köpfen der Menschen und in den Straßen
Hamburgs. Ein Lebenswerk. Ruhen Sie in Frieden,
Herr Fischer!
Caber One
Aufeinandertreffen machte, war verschwunden.
Er sprach deutlich und überlegt und fühlte sich
offensichtlich wohl. Sogar einige wenige Details
zu seinen Aktionen ließ er sich beim Fotosgucken
entlocken. Doch als dann das Diktiergerät auf dem
Tisch lag, passte er. Er sei müde und würde lieber
Ich kann mich noch genau erinnern, wie meine
Oma, die wirklich kein ausgewiesener Graffiti-Fan
ist, mir einmal sagte, wie schön sie es findet,
dass die Stadt überall die Smileys auftragen lässt,
damit alles etwas netter und bunter wird. Auf die
Anmerkung, dass die Stadt vielleicht gar nicht der
Auftraggeber sei, kam die Antwort, dass es anders
gar nicht möglich wäre, da die ja überall seien,
sogar mitten im Hauptbahnhof.
Thomas, UP
38 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
nach Hause gehen, sagte er und schwieg.
Stand er wegen seiner Sprüherei vor Gericht,
was nicht selten passierte, gab Oz gerne den Buhmann
der Gesellschaft, den Ausgestoßenen, den
Ungeliebten, die Randfigur. Die Autoritäten der
Stadt sollen zudem wenig zimperlich mit ihm umgegangen
sein, während Oz selbst Gewalt wohl
so fremd war wie die Idee, dass eine graue Wand
Waldi, alter Knaller, ich vermisse dich schon jetzt.
Du warst einfach ein geiler Typ. Wie habe ich
deinen gesamten Stuff und deine Art gefeiert, wie
feier’ ich es jetzt noch. Eigensinnig, entschlossen,
unbeugsam, wütend, dagegen. Meine Fresse, hast
du abgewaltert. Alles zugeknallt, was nicht nietund
nagelfest war. Du warst eine Ein-Mann-Armee.
Ein Nonstop-Bomber. Dabei so eigen und bescheiden.
Hast dich nicht unterkriegen lassen und mit
den ganzen Wichsern auf deine Art abgerechnet.
Geil!
Danke für alles! Fuck the Norm – es lebe der
Sprühling.
ZZTop
einfach grau bleiben sollte. Er kassierte mehrere
Haftstrafen für sein Treiben, was ihn nie davon abbringen
konnte, wieder zur Dose zu greifen, sowie
er in Freiheit war.
Auch soll es vorgekommen sein, dass zum Beispiel
die U-Bahn-Wachen ihm auflauerten und ihn
(vor den laufenden Überwachsungskameras in
den Bahnhöfen) misshandelten. 1999 soll er von
der Hamburger S-Bahn-Wache fast zu Tode geprügelt
worden sein.
Trotzdem blieb er unermüdlich. Eine der vielen
urbanen Legenden über ihn besagt, dass er
mal bei einer Aktion unweit des Hauptbahnhofs
geschnappt und von der Polizei mit auf die Wache
genommen worden sei. Und kaum hatten sie
ihn wieder gehen lassen, soll er sich neue Dosen
besorgt haben, zurück zu seinem unvollendeten
Bild geradelt sein, um es fertigzustellen.
Oz’ Werk ist sogar in einem Hollywood-Film zu
sehen. In „Unknown Identity“ mit Liam Neeson,
der größtenteils in Berlin spielt, sieht man an
den Wänden immer wieder Oz-Tags. Ob die von
ihm selbst in Berlin gesprüht wurden oder ob
sich einfach nur ein Requisiteur, der eine urban
wirkende Kulisse bauen sollte, ein bisschen ausgetobt
hat, ist hingegen nicht überliefert. Seine
Signatur jedenfalls ging so um die Welt.
In den Augen der breiten Öffentlichkeit war
Oz oft aber doch nur ein Schmierfink, ein Sachbeschädiger.
Gleichwohl, zu diesem Eindruck
konnte man in den letzten Jahren kommen,
immer mehr Menschen auch einen nicht selten
klammheimlichen Funken Bewunderung für diesen
nicht aufzuhaltenden Sprayer aufbrachten.
Der Ausstellung in der Vicious Gallery folgten
weitere, vor allem die OZM Art Space Gallery in
Hamburg widmete ihm einiges an Aufmerksamkeit.
Die Lokalpresse berichtete und ganz langsam
ergab sich für viele eine neue Perspektive
auf das Phänomen Oz – nämlich die, dass es vielleicht
doch (Protest)-Kunst ist, was dieser Typ da
Tag für Tag, Nacht für Nacht durchzog.
Anfang 2013 hatte Oz einen schweren Unfall.
Er war auf einen etwa vier Meter hohen Strommast
gestiegen, um da auf einem Schild seinen
Tag anzubringen. Dabei wurde er von einem
sogenannten Lichtbogen getroffen und fiel vier
Meter tief auf das Gleisbett. Der Stromschlag
ging durch seinen Körper und platzte aus seinen
Füßen wieder heraus. Laut Ärzten würden neun
von zehn Menschen, denen so etwas passiert,
sterben. Oz überlebte.
Eineinhalb Jahre später starb Oz dann doch.
Wie es aussieht, wohl bei der Ausübung seiner
Leidenschaft. Seine Arbeiten werden, genau wie
er selbst, hoffentlich nie vergessen werden. Denn
beides war einmalig, und zwar weltweit. Und so
Es gab, gibt oder wird nie wieder einen Bomber
wie Oz geben. Oz war einmalig und das nicht nur
im Graffitikontext. Oz war dermaßen konsequent
in seinem Tun, was aus meiner Sicht ein Resultat
der gesellschaftlichen Kälte war, mit der er
augenscheinlich tagtäglich konfrontiert wurde. Ich
hatte die Ehre, ihn kennenzulernen, und da wurde
mir sehr schnell klar, dass diese Tag-Maschine ein
Ergebnis der Ablehnung unserer Gesellschaft war.
Dennoch hielt ihn nichts auf. Zum einen war er ein
Held, denn eine Person mit einer solchen Standhaftigkeit
sucht man verzweifelt in der heutigen
Welt und zum anderen ein zu bedauernder Mensch,
dem viel zu wenig Liebe entgegengebracht wurde.
Ruhe er in Frieden. Und hoffentlich erfährt er auch
ein wenig Wärme und wahrhaftige Wertschätzung,
wo immer er jetzt sein mag!
Fume
wurde im Oktober auf dem Friedhof in Hamburg-
Ohlsdorf ein liebevoller Mann verabschiedet, der
Hamburg ein ganzes Stück farbenfroher gemacht
hat und der wohl einer der krassesten Straßen-
Tagger der Welt war.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 39
INTERVIEW: MARK TODT
FOTOS: KANZLEI DR. GAU
„Graffiti ist die Flamme
des Prometheus“
Ein Interview mit
DR. GAU
Writer bekommen schnell Probleme, sind sie illegal nachts unterwegs. Der Staat mit seinen Gesetzen ist ihnen stetig
auf den Fersen, meist in Form der Sonderkommissionen der Polizei. Kennt man sich mit dem Strafgesetzbuch
gut aus, gibt es oftmals keine Probleme. Die meisten von euch Writern können jedoch gerade mal bis drei zählen.
Für die Leuchten der Szene gibt es Anwälte wie Dr. Patrick Gau – für die, die einfach nur Pech hatten, natürlich
auch. Der Verteidiger aus Dortmund haut sie alle raus, glaubt man dem Gossip der Straße. Aber auch er hat seine
Grenzen, und seien sie nur gesetzlich. Mittlerweile gibt es in fast jeder größeren Stadt mit einer halbwegs großen
Szene einen solchen Anwalt. Grund genug, Herrn Doktor Gau nach seinen Beweggründen zu fragen, warum ausgerechnet
Graffiti den Großteil seiner Arbeit ausmacht.
40 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Seit wann bist du als Anwalt tätig?
Seit etwa zehn Jahren. Mit einer Anfangsunterbrechung
von sechs Wochen ausschließlich als
Strafverteidiger. In den sechs Wochen, in denen
ich planmäßig für eine große Wirtschaftskanzlei in
Düsseldorf die Filiale schmeißen sollte, habe ich
gemerkt, dass ich ohne Strafrecht nicht kann. Also
habe ich das Handtuch geworfen und angefangen,
die Welt zu retten.
Was war der Grund für die Wahl Strafrecht?
Jeder hat etwas, was ihn antreibt. Was mich antreibt,
ist die Liebe zum Strafrecht. Ich habe als
Student schon freiwillig an kriminologischen Studien
teilgenommen, habe nach meinem Examen
aus purem Spaß weiter Strafrechtsvorlesungen
besucht und kurz danach in einem Jahr den Doktor
in Strafprozessrecht gemacht. Ich kann nur
Strafrecht, aber manche sagen, das ziemlich gut.
Sind Graffiti-Straftaten dein Hauptaugenmerk,
oder ist es dir egal, wen und wofür du verteidigst?
Ich mache nicht nur Graffiti. Graffiti ist meine Leidenschaft,
aber nebenbei Weißrussen zu verteidigen,
die von der Ukraine aus Banküberfälle in
NRW durchziehen, hat auch seinen Charme. Ich
mache fast alles an Strafrecht. Gestern kam jemand,
dem gewerbsmäßiges Handeltreiben mit
Kokain vorgeworfen wird, kurz davor einer, der zu
Weihnachten mit dem Messer ein bisschen sein
Arbeitslosengeld aufbessern wollte, kurz danach
ein Ultra, dem Landfriedensbruch vorgeworfen
wird. Alles hat seinen Reiz. Meine Grenze liegt bei
Kindern. Der Teufel soll mich holen, wenn ich mal
einen Pädophilen verteidige. Auch wenn derjenige
vielleicht unschuldig ist, ich wäre der falsche
Verteidiger, und das sage ich in solchen Fällen
auch deutlich.
Was an Graffiti findest du faszinierend? Und was
eher störend?
Ich finde die Kreativität vieler Maler beeindruckend.
Und ich bin überzeugt, dass Kreativität
einer der Hauptmotoren jeder Kultur ist. Die Studie
des Sachverständigen Florida hat doch zum
Beispiel für Hamburg gezeigt, dass eine Stadt den
Bach runtergeht, wenn die Kreativen flüchten. Maler
sind genau die Kreativen, die die Städte brauchen,
die Thinktanks der Moderne. Die Toleranz,
denn in der Crew ist es egal, ob dein Kumpel Moslem
oder Jude ist, ob er aus Italien oder Deutschland
kommt. Den Ehrgeiz – denn derselbe Typ, der
morgens nicht den Arsch hochbekommt, um zur
Arge zu gehen, ist nachmittags unterwegs, um zu
checken, zu planen, zu bunkern, zu malen. Graffiti
zeigt doch, dass all diese Skills in den Jungs stecken,
und dass es der Staat einfach nicht schafft,
diese Fähigkeiten zu fördern. Graffiti gibt es schon
immer. In Pompeji, in der Hagia Sophia, überall zu
jeder Zeit gab es den Wunsch der Menschen, sich
zu verewigen. Graffiti ist die Flamme des Prometheus,
die von Malergeneration zu Malergeneration
weitergegeben wird. Auf der anderen Seite
stört mich an Graffiti nichts. Rein gar nichts.
„WENN ICH ANFANGE, WIE EINE
KRÄMERSEELE ZU DENKEN, HÄNGE
ICH MEINE ROBE AN DEN NAGEL.“
Können legale Wände illegales Graffiti deiner
Meinung nach stoppen, oder gibt es generell eine
Methode, um Graffiti zum Erliegen zu bringen?
Ich glaube nicht, dass legale Wände Graffiti stoppen
können. Was meinst du? An der Hall übst du
Skills, genießt das Bier und den Grill, aber nachts
im Schacht zu stecken, ist damit nicht vergleichbar.
Und das ist es ja, was die Jungs nachts suchen.
Eine harte Strafverfolgung, wie zum Beispiel
in Bayern, führt schon dazu, dass den Malern für
einen gewissen Zeitraum die Luft ausgeht. Aber
das ist ja, extrem gesagt, in totalitären Systemen
überall so. Ich bin trotzdem der Meinung, dass
Graffiti auch durch eine Nulltoleranzstrategie nicht
ausstirbt. So wie sich die Natur das Verlassene
Stück für Stück wiedererobert, bleibt die Idee bestehen.
Sobald die Strafverfolgung zurückgeht,
wird der Samen wieder keimen.
Gibt es ansonsten eine Methode, um Graffiti-
Sprüher zu entkriminalisieren?
Ja, eine Änderung des Strafgesetzbuches. Warum
darf jemand bis zu zwei Jahre ins Gefängnis
geschickt werden, wenn er das Aussehen eines
Gegenstandes verändert? Warum darf seine komplette
Zukunft verbaut werden? Das ist falsch.
Graffiti ist in der momentanen Gesellschaft nicht
en vogue, einverstanden. Aber mehr als eine Ordnungswidrigkeit
sehe ich da nicht.
Kannst du deine Klientel in ein paar Worten charakterisieren?
Eloquent. Kreativ. Gebildet. Neugierig.
Was rätst du einem frisch verhafteten Sprüher?
Wie sollte er sich verhalten, um strafrechtliche
Schadensbegrenzung zu erlangen?
Klappe halten. Nichts zustimmen. Mich anrufen.
Durchatmen, eine Kippe rauchen, einen Kaffee
trinken und zusammen nüchtern an die Sache
rangehen.
Was sind deiner Meinung nach die größten Fehler
bei den Ermittlungen der Polizei?
Es gibt so viele Fehler. Willkürliche Durchsuchungen
ohne Beschluss. Ungenauigkeit in der
Spurensicherung. Mangelnde Präzision in der
Auswertung. Der Wunsch nach Verurteilung, was
in den Aktenvermerken deutlich wird und mir
die Möglichkeit lässt, an der Objektivität zu zweifeln.
Sollte sich das ändern, nehme ich es, wie es
kommt. Wächst mein Gegner, wachse ich.
Hast du Spaß daran, deine Klienten rauszuhauen
oder ist dir der finanzielle Aspekt wichtiger?
Ich habe tierischen Spaß dabei. Es ist schon ein
Messen mit den Ermittlungsbehörden. Wer weiß
mehr, wer hat die besseren Argumente, den dickeren
Stiernacken. Finanziell sind andere Delikte,
zum Beispiel BtM-Verteidigungen, natürlich
viel lukrativer. Aber das ist okay.
Gibt es Fälle, bei denen du dir die Haare raufst
und denkst: „Man, wie dumm kann man sich erwischen
lassen!“?
Sich erwischen zu lassen, kann jedem passieren.
Ich habe Maler von 14 bis 40, die richtig
erfahrenen Oldschooler. Auch die haben mal
Probleme. Aber manchmal frage ich mich, warum
man so viele Indizien zu Hause aufbewahrt.
Wenn man Fotos runterlädt und sammelt oder
andere Namen skizziert, warum hat man das alles
zu Hause? Ist doch klar, dass die Jungs von der
Soko annehmen, man hätte all das gemalt. Und
wenn man davon auch noch eine ganze Masse
zu Hause hat – mein Highlight waren 15.000 Datensätze
einer einzigen Crew zu Hause bei einem
meiner Mandanten. Dann packe ich mir schon an
den Kopf. Dann sehe ich viel, sehr viel Arbeit auf
mich zukommen.
Bezüglich der Rechtsprechung, was war bisher
das deiner Meinung nach gerechteste Urteil, bei
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 41
dem du mitgewirkt hast? Recht hat ja bekanntlich
nicht unbedingt etwas mit Gerechtigkeit zu
tun …
Allgemein? Ein Mandant hat mal der Polizei in Hagen
geglaubt, dass es besser wäre, alles rauszulassen.
Also hat er 120 Ankaufshandlungen von ein
paar Gramm Gras zum Eigenkonsum zugegeben.
In der ersten Instanz vor dem Schöffengericht gab
das ein Jahr und vier Monate. Nach einer erfolgreichen
Revision vor dem OLG Hamm nur noch
eine Einstellung gegen 600 Euro. Oder meinst du
im Graffitibereich? Ein Mandant einer bekannten
Crew aus Osnabrück hatte eine Kiste bemalt, den
Schaden trotz Armut wiedergutgemacht und war
seitdem strafrechtlich clean. In der ersten Instanz
bekam er eine Geldstrafe, nach Urteilsaufhebung
eine etwas mildere und nach erneuter Urteilsaufhebung
durch das OLG Oldenburg wurde zwar
festgestellt, dass er sich grundsätzlich schuldig
gemacht hat, es wurde aber von einer Strafe abgesehen,
und die Revisionskosten musste er auch
nicht tragen. Das fand ich gerecht. Wenn jemand
für das, was passiert ist, geradesteht, sollte man
nicht noch auf den eintreten, der am Boden liegt.
Ärgerlich zwar, dass wir zwei Jahre vor Gericht
standen, aber letzten Endes gerecht.
Ist es dir wichtig, die „großen Fische“ der Szene
als Klienten zu haben, oder ist dir das völlig egal?
Das ist mir egal. Ich verteidige jeden so gut, wie
ich kann. Ganz ehrlich. Wenn mir die Mutti eines
„kleinen“ Malers aus Nürnberg Wein als Dankeschön
schickt, bin ich genauso überwältigt, wie
wenn ich plötzlich ein Foto eines Window-Downs
von einem „Großen“ bekomme, wo steht: „Dr.
Gau saved our lives“.
Da Graffiti und die Hip-Hop-Szene zum Teil ja
auch von rechten Gruppierungen instrumentalisiert
werden, gibt es da für dich Grenzen bei
dem, wen du vertrittst? Sprich: Würdest du Nazi-
Writer vertreten?
Ich hatte noch nie so einen Fall. Meistens verteidige
ich die Jungs vom Schwarzen Block oder
die, die mir von der Roten Hilfe geschickt werden.
Aber ich bin grundsätzlich ein großer Fan unserer
Demokratie. Wenn ich gegenüber solchen Leuten
intolerant wäre, weil ich deren Intoleranz kritisiere,
ist das dann nicht Etikettenschwindel?
In den frühen Jahren der Szene gab es ja keine
Graffitianwälte – bist du der Meinung, dass es
nötig war, Anwälte mit einem solchen Schwerpunkt
zu haben?
Ja. Die Spezialisierung auf bestimmte Gebiete
bringt extrem viel. Wenn der Soko-Beamte im
Zeugenstand schon sagt: „Na, Sie wissen das
doch alles eh am besten, Herr Dr. Gau.“ Und man
dann seine Meinung als die eines sachverständigen
Anwalts präsentieren kann, ist das Gold
wert.
Hast du manchmal das Gefühl, da es nun Graffitianwälte
gibt, dass manche Writer das als eine
Art Freifahrtschein sehen, noch mehr zu machen
und aufs Gesetz zu „scheißen“?
Nein, sehe ich nicht so. Vielleicht ist es so, dass
ich jemanden länger vor dem Bau bewahre, als
wenn er keinen Anwalt hätte, aber aufs Gesetz
scheißen tut er trotzdem nicht. Das klingt ein
bisschen wie eine Soko-Argumentation. Maler
haben die Idee, am Gemeinschaftseigentum teilzuhaben,
indem sie Gegenstände mitgestalten.
Wenn mir der Staat eine Werbung vor meine
Wohnung donnert, muss ich das hinnehmen,
denn es bringt ihm Geld. Wenn ich aber Werbung
dafür mache, dass ich existiere, dass man
mich gefälligst wahrzunehmen hat, dass ich nicht
anonym bin, keine Nummer, dann bekomme ich
eine Strafe. Die Frage ist also eher, ist so ein Gesetz
gerecht oder nicht, nicht: Scheißt ein Maler
darauf?
Siehst du einen Sinn in dem, was du tust?
Merkt man das nicht? Ich bin immer ehrlich. Ich
komme aus dem Ruhrpott, aus Dortmund, habe
mein Herz auf der Zunge und mache aus meinem
Herzen auch keine Mördergrube. Ich stamme aus
einer Malocherfamilie, durch und durch. Da, wo
ich herkomme, hat man eine bestimmte Weltsicht.
Und wenn eine Wand mich davon trennt,
sie zu verwirklichen, spanne ich meine Nackenmuskeln
an. Das tut vielleicht kurz weh, aber ich
drehe so die Welt ein kleines Stück in die richtige
Richtung. Das ist der Sinn.
Inwieweit versuchen die Soko-Beamten, dich zu
instrumentalisieren? Bist du schon mal beschattet
worden oder Ähnliches? Die Verhältnismäßigkeit
wird bei Graffiti-Straftaten ja leider oft
sehr gedehnt …
Nein, wer das versucht, würde merken, wie wenig
dehnbar das Gesetz bei Anwälten ist. Ein Vorsitzender
eines Gewerbeausschusses in einer Stadt
hat es allerdings mal versucht.
Welche Writer findest du persönlich besonders
gut?
Does, Bond, Royal, Sweet, Kochkurs.
Dein Auftreten in den Medien, insbesondere in der
Werbung, erinnert immer schnell an Mafiafilme.
Siehst du dich ein wenig in einer solchen Rolle?
Oder denkst du, dass du damit mehr Klientel ansprichst?
Wirke ich auf dich so? Wie der Pate? Vielleicht bin
ich eher ein bisschen Consigliere, ein Kriegsanwalt.
Insoweit stimmt das. Ich sage immer, zwischen
mir und meinen Mandanten passt kein Stück Papier.
Ich nehme sie und ihre Sorgen ernst, jeden
einzelnen. Als ich noch Glatze trug, meinten alle,
das kannst du nicht machen, das schreckt alle ab.
Es war mir so was von egal. Wenn ich anfange,
„WÄCHST MEIN GEGNER,
WACHSE ICH.“
wie eine Krämerseele zu denken, hänge ich meine
Robe an den Nagel.
Kannst du Writern, die im Ausland gebustet wurden,
auch Hilfe anbieten?
Nur psychische. Ich kann im Ausland nicht als Anwalt
tätig werden. Ich überlege, das zu ändern, zumindest
im Bereich Schweiz und Österreich. Aber
die Hürden sind hoch und im Moment fehlt mir die
Zeit, die dafür nötigen Prüfungen abzulegen.
Welche Musik hörst du?
Vor der Verhandlung Clawfinger, Metallica, Kategorie
C. Nach der Verhandlung oft AkteOne. Beim
Grillen Too Strong. Mit meinem Mädchen abends
bei einer Flasche Rotwein Rachmaninov. Mit meinen
Kids beim Pölen oder Malen Gentleman. Je
nach Stimmung eben.
Was meinst du, wohin die Reise bezüglich Graffiti
noch geht? Wage mal einen Ausblick in die Zukunft!
Graffiti geht mehr in anderen Subkulturen auf. Ultras,
Antifas usw. Die individuellen Namen verblassen
mehr und mehr. Crews sind auf dem Vormarsch,
weil die Zuordnung schwieriger wird und die Zusammengehörigkeit
in den Vordergrund tritt. Am
Ende wird Graffiti aus dem StGB gestrichen. Die
Sokos werden wegrationalisiert und bearbeiten
Fahrraddiebstähle. Graffiti an semi-legalen Walls wie
an Ruinen oder alten Militärkasernen wird offiziell
geduldet.
42 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
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HELDEN?
Revolution, Rebellion, Widerstand. Ja,
los, wir lehnen uns gegen die bestehende
Ordnung auf und kämpfen gegen
das System. Mit Farben ballern wir
die Welt zu! Gemeinsam bringen wir
die durch Kapitalismus ungerecht gewordene
Welt ins Wanken. Gegen den Status quo
ankämpfen hat etwas Ehrenvolles und ist meines
Erachtens nach eine Tätigkeit, die getan werden
muss. In der heutigen Zeit erlebe ich allerdings
eine Entwicklung, die kann und will ich nicht gutheißen
und ich hoffe, ihr auch nicht.
Religiös fehlgeleitete Menschen ziehen in den
Krieg gegen die Welt, die mir zum Teil auch
nicht gefällt. Ich dachte immer, wenn sich jemand
gegen das Establishment auflehnt und
rebelliert, dann mache ich mit und man kämpft
schon für eine gute Sache, aber das ist hier
nicht der Fall. Radikale Islamisten sind im Endeffekt
nicht mehr als Faschisten. Ich will Helden,
die sich gegen das System auflehnen und mit
denen ich mich identifizieren kann und keine
langbärtigen Lemminge, die sich aufgrund der
Tatsache, dass ihnen 72 Jungfrauen im Jenseits
versprochen wurden, in den Heiligen Krieg ziehen.
Für mich bekommt da die Bewertung „Die
ticken nicht richtig“ eine völlig neue Bedeutung,
denn die ticken schließlich wie Zeitbomben.
Ach ja, und seien wir doch mal ehrlich, scheiße
aussehen tun sie noch dazu. Ähnlich diesen
Hipstern mit ihren Bärtchen und Jutebeuteln,
nur dass die niemandem Leid zufügen, mal ganz
vom Optischen abgesehen. Nein, ich bin nicht
von der Rasiermesserindustrie angeheuert worden,
das nur so am Rande!
Ein wahrer Held war Oz, ruhe er in Frieden!
Er machte sich nichts aus dem, was andere von
ihm dachten und er geierte auch nicht nach
schnödem Mammon oder Versprechungen
aus irgendeinem religiösen Buch. Er machte
und das mit einer Vehemenz, die ihresgleichen
sucht. Unscheinbar und dennoch auffällig. Er
lebte sein Ideal und wurde stetig missverstanden
und missachtet, dennoch machte er weiter.
Da konnte selbst eine Stadt wie Hamburg, der
es in erster Linie nur darum geht, nach außen
hin zu scheinen und finanziell dem Mainstream
angepasst zu sein, nicht gegen an. Oz sollte ein
Idol und eine Leitfigur für all die jungen Menschen
sein, die keinen Sinn mehr in der modernen
Welt sehen. Sie sind doch schließlich alle
ständig auf der Suche nach einem Kick. Nun,
ich denke, Oz hatte diesen Kick jeden Tag und
fühlte sich dabei gut oder zumindest ausgeglichen,
denn er ließ sich nicht unterkriegen. War
bei einem seiner letzten Interviews folgendes Zitat
schließlich anscheinend sein Lebensmotto:
„Lieber tot, als vor denen den Schwanz einziehen!“
Dennoch – oder gerade deswegen – hat er
niemandem wehgetan, außer sich selbst. Er
ging an seine Grenzen. Grenzen, die die Jugend
heutzutage vergeblich versucht, sinnvoll zu erschließen.
Da gehen manche Vollpfosten doch
ernsthaft los und köpfen Menschen. Au! Allein
der Gedanke daran tut in meinem Kopf weh!
Viele werden sich jetzt denken, dass man mit
ein wenig Farbe doch die Welt nicht verändern
kann, aber da liegt ihr falsch. Bisher haben nur
die friedlichen Revolutionen nachhaltige Effekte
erzielt, siehe Gandhis Feldzug gegen die
Kolonisten in Indien oder die Montagsdemonstranten
im ehemaligen Osten unserer Republik
– DDR ade. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Bei
einem friedlichen Protest rennt die Gegenposition
nur offene Türen ein und wird später ganz
nebenbei vereinnahmt. Schaue ich mir die Terroristen
von heute an, dann sehe ich die Leichen
von morgen und es hat sich nichts geändert –
Lebensziel verpasst! Oz hat es geschafft, die
Stadt an der Elbe nachhaltig zu verändern, denn
seine Zeichen werden auch noch in 100 Jahren
zu sehen sein, so up war er. An einen einzelnen
Dschihadisten erinnert sich doch schon seit gestern
keiner mehr und erst recht nicht mehr an
das, wofür er eintrat. Da ist unsere durch Disney
geprägte Gesellschaft viel zu schnelllebig für.
Und gerade deswegen bin ich manchmal der
Moderne dankbar, dennoch trete ich ihr kritisch
entgegen! Denn im Endeffekt sind wir Writer
jetzt alle ein wenig Oz!
In diesem Sinne
Euer alter, dreckiger F….
„Oz sollte ein Idol und eine Leitfigur für
all die jungen Menschen sein, die keinen
Sinn mehr in der modernen Welt sehen.“
56 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
„Leicht soll es aussehen“
Im beschaulichen Mannheim traf
sich BACKSPIN mit Bums One, einer
wahren Ein-Mann-Armee. Ein Name,
der im Gedächtnis bleibt wie ein
Schlag ins Gesicht – sozusagen eine
mit Fatcap gesprühte Punchline. Es
kursieren Gerüchte, Bums sei eine
Crew, zum Gespräch erscheint jedoch
ein einzelner freundlicher
junger Mann …
INTERVIEW: OLIVER BARTELDS
FOTOS: BUMS
Ein Interview mit
BUMS
58 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Bums, als ich das erste Mal Pieces von dir sah,
dachte ich: Was ist das nur für ein selten blöder
Sprühername? Jetzt, wo ich dich als durchaus intelligenten
Menschen kennengelernt habe, frage
ich mich umso mehr: Warum wählt so jemand
wie du ein solches Pseudonym?
Naja, nachdem die Behörden meinen möchtegern-kometenhaften
Aufstieg in der Graffiti-Szene
beendet hatten, spielte die reine Verbreitung eines
Namens keine große Rolle mehr für mich, sodass
ich Namen immer dann gewechselt habe, wenn
mir die Ideen ausgingen.
Bums war Jahre später
der erste Name, mit dessen
Gesamtkonzept ich
zufrieden war. Die Buchstaben
liegen mir, fordern
mich aber auch immer
wieder heraus und
sind mir bis heute nie
spröde geworden. Das
U geht mir bis heute am
meisten auf die Nerven.
Das M liebe ich am innigsten.
Außerdem mag
ich die – wenn auch etwas
prollige – Verbindung zur
nur mit Fatcaps, da mit Skinnies das Kraftvolle
und Besondere an einer Dose total flöten geht
und ich auf feine Details sowieso kaum Wert lege.
Mir ist wichtig, dass man meine Bilder sofort versteht,
und nicht erst 100 Pfeile und Verbindungen
optisch entknoten muss. Schließlich male ich einen
Namen, keine geometrische Gleichung, und
ich will, dass die Buchstaben wirken, weil sie geil
sind, nicht weil sie vor etlichen Farben strotzen
und vor einem Grand Canyon oder gepimpten
Auto stehen.
gemacht. Man muss ja aber auch fairerweise dazu
sagen, dass ich selten länger als zwei Stunden
für ein Bild aufwende. Häufig ist es weniger. Und
wenn es die Flächen hergeben, mache ich auch
gerne mehrere an einem Tag, denn wie gesagt:
Wenn ich könnte, würde ich am liebsten die ganze
Zeit nur Outlines ziehen.
Kannst du dich noch an jede einzelne Session
erinnern? Oder hast du manchmal das Gefühl
„Jetzt reicht es, wieder nur eins fürs Buch“? Oder
„DIE HALL-OF-FAME-REALITÄT KOMMT DOCH HÄUFIG IN FORM VON
BEREITS HUNDERTFACH HERGENOMMENEN FLÄCHEN DAHER, DENEN
MAN IHREN DURCHGENUDELTEN CHARAKTER SOFORT ANSIEHT!“
Sexgymnastik, und die mit dem Namen einhergehende
Verwandlung, die eine Fläche durchmacht,
wenn sie „gebumst“ wird. Letzten Endes blieb der
Name plötzlich auch bei Leuten hängen, die primär
nichts mit Graffiti zu tun hatten, sodass „Bums“
beispielsweise auch mal auf der Gästeliste eines
Clubs auftauchte, was die Entscheidung noch erleichterte.
Wenn ich mir deine Pieces ansehe, gefällt mir
diese Lockerheit im Strich, die immer gute
Farbcombo und eine gekonnte Mischung aus
Fade-Background und grafischen Elementen.
Beschreibe doch mal selbst deinen Style!
„… die Lockerheit im Strich …“ – das ist ein tolles
Kompliment, danke! Leicht soll es aussehen,
so simpel wie möglich – was mir viel zu selten
gelingt –, schwungvoll, kraftvoll und farbenfroh
mit möglichst viel Swing sowie sich möglichst nie
wiederholenden Outlines. Daher male ich auch
Mannheim – Stylestadt. Wer hat deinen Style
geprägt, denn nach Vorbildern fragt man Herren
in unserem Alter nicht mehr – oder doch?
Basco fand ich immer geil, Beast unglaublich
erfrischend, innovativ und beneidenswert. So
richtig ins Nirwana geschossen hat mich aber vor
allem Scare. Was er Mitte bis Ende der Neunziger
in Mannheim abgezogen hat, ist für mich bis heute
Champions League und hat mich sehr beeindruckt.
Stichwort Einfachheit ... Scare. Top!
Du bist ja dafür bekannt, viel zu malen. Ich kenne
da zum Beispiel dieses Special mit 300 Pieces in
einem Jahr! Wie viel hast du denn in 2014 schon
gemalt?
Das waren wirklich viele, stimmt. Allerdings frage
ich mich bis heute, wie ich das gemacht habe beziehungsweise
was ich momentan falsch mache,
denn so viel habe ich danach nie wieder gemalt.
Im ersten Viertel dieses Jahres habe ich etwa 50
noch schlimmer – wieder das Gleiche, nur in anderen
Farben?
Das geht mir ständig so. Dann stehe ich da und
denke mir: Meine Güte, was ‘ne Gurke! Andererseits
macht es mir nach wie vor viel mehr Spaß, zu
sprühen, als zu zeichnen, sodass ich mir kurz nach
einem solchen Moment denke, dass das besser
geht – und male noch eins. Das Jetzt-reicht-es-Gefühl
habe ich bislang nicht. So lange ich mich nach
wie vor abends beim Einschlafen und morgens
beim Aufwachen beim Gehirn-Sketching erwische,
mache ich mir da keine Sorgen. An jede einzelne
Session kann ich mich spontan zwar nicht
erinnern, wenn ich die Fotobücher durchschaue,
kommen die Erinnerungen jedoch alle zurück.
Hast du ein Lieblingsbild aus den letzten Jahren?
Wenn ja, wie ist die Story dazu?
Zum Glück gibt es einige, die da infrage kämen.
Spontan fällt mir aber vor allem dieses an dem
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 59
Betonpfeiler aus Rumänien ein. Er ist für mich die
Erinnerung an einen meiner besten Urlaube bisher.
Ich war auf einer VW-Bus-Tour mit Rey611
und Kaot durch Osteuropa. An unserem zweiten
Abend in Rumänien hatten wir eine sehr unangenehme,
schon fast gruselige Begegnung. Umso
erleichterter waren wir am nächsten Tag, als alles
gut gegangen war. An diesem Fluss machten wir
Mittagspause mit Bier, Wassermelone, Sonne und
Mittagsschlaf. Kurz bevor wir aufgebrochen sind,
habe ich noch dieses Schnelle gemacht. Ich mag
es sehr, weil ich wohl – wenn ich könnte – am
liebsten fast nur so und an solchen Spots malen
würde. Das steht für mich sinnbildlich für eine unschlagbare
Zeit mit den beiden Jungs, und zudem
hat es eine sehr gute Resturlaubszeit eingeläutet.
Die vielen Abandoned Places, gerade in Osteuropa,
kommen deiner Malweise auch ziemlich
entgegen, oder?
Auf jeden Fall! Ich mag verlassene Orte, die eine
Geschichte haben und selbst ohne Foto schon
sehr beeindrucken. Außerdem können diese Orte
wie ein großer, leerer Zeichenblock sein. Ich sketche
nicht ernsthaft, kritzel’ eher viel und ständig
rum. In einem sauberen Gelände rumzulaufen mit
einem Beutel voll Farbe, ist, wie viele leere, weiße
Seiten Papier vor sich zu haben. Ausprobieren und
los. Die Hall-of-Fame-Realität kommt doch häufig
in Form von bereits hundertfach hergenommenen
Flächen daher, denen man ihren durchgenudelten
Charakter sofort ansieht! Ich bin mittlerweile auch
zu alt und realistisch geworden, um nicht in jedes
danach schreiende Gelände reinzurennen. Denn
wenn sich jemand auf den Schlips getreten fühlt,
können die Konsequenzen ähnlich unangenehm
sein wie bei allen anderen Untergründen. Umso
dankbarer müssen wir hier über unseren Schlosspark
in Mannheim sein, der zahlreiche Flächen
bietet, die selbst auf den zweiten Blick noch nicht
unbedingt nach Hall aussehen.
Wie sehr vermisst du Streetfiles? Früher gingst
du ja regelmäßig auf die Startseite!
Es hält sich in Grenzen. Klar hat es Spaß gemacht,
sich durch die Seiten zu klicken. Allerdings war irgendwann
dermaßen viel Schrott online, dass der
Spaß rapide nachgelassen hat. Dazu kommt, dass
viele Leute mit dem Mitmachinternet 2.0 nicht
umgehen können und das behütete Moment der
eigenen vier Wände erstaunlich viel Bullshit hervorbringt.
Vor ein paar Jahren im Januar hatte ich
nachts im Suff Sawone gefragt, was wohl passieren
würde, wenn ich jeden Tag ein neues Piece
hochladen würde. Gesagt, getan. Innerhalb dieses
Jahres hatte ich zwar über eine Million Klicks, allerdings
zu 99,9 Prozent von Typen, die ich natürlich
nicht kannte und deren Feedback für mich
daher quasi wertlos war. Erschreckend war vor
allem die Missgunst und gegen Ende des Jahres
der blanke Hass, der mir aus Unverständnis, Neid
oder was weiß ich in Form von Drohungen sowie
Feindseligkeiten aller Art entgegengebracht wurde.
So gesehen kann ich ohne diese Plattform gut
leben. Es war jedoch eine interessante Erfahrung.
Mich hat vor allem immer geärgert, dass andere
miese Handyfotos von meinen Sachen hochgeladen
haben. Welche Bedeutung hat eine gute
Fotokomposition für dich?
Hoch! Wenn ich mir einen Spot zum Malen suche,
achte ich in der Regel mehr auf das Drumherum,
„VIELE LEUTE KÖNNEN MIT DEM MITMACHINTERNET 2.0 NICHT
UMGEHEN UND DAS BEHÜTETE MOMENT DER EIGENEN VIER WÄNDE
BRINGT ERSTAUNLICH VIEL BULLSHIT HERVOR.“
60 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
als auf eine Fläche selbst. Ein noch so geiles Piece
kann schließlich durch ein liebloses Frontalfoto
völlig kastriert werden, wohingegen die Einbeziehung
der Umgebung so geil sein kann, dass aus
einem vergleichsweise normalen Piece ein absoluter
Kracher wird.
Wenn es eine Graffiti-Hall-of-Fame gäbe, und du
würdest aufgenommen – wen wünschtest du dir
als Laudatoren? Und warum?
Ursprünglich waren derart Halls ja mal für diejenigen
gedacht, die sich ihren Fame in allen Disziplinen
zu Recht verdient hatten: mit Tags, Throwups,
Trains, WCs, Line-Dingern und, und, und …
was auf mich ja gar nicht zutrifft. Für legales Graffiti
gibt’s keinen Fame, daher stellt sich mir diese Frage
nicht beziehungsweise ich werde nie zu Recht
in diese Situation kommen. Würde es um eine
simplere Form der Anerkennung oder eine Hallof-legale-Flächen-Anmaler
gehen und ginge es
dabei wesentlich um den Style, dann könnte ein
Laudator gerne Otis sein. Seit Jahren treibt mich
der Typ an den Rand des Wahnsinns. 19 von 20
seiner Sachen finde ich so geil, dass mir die Worte
fehlen. Ich kenne ihn jedoch nicht persönlich. Und
der menschliche Aspekt wäre in diesem Fall dann
doch mitentscheidend. Daher würde hierfür nur
Sawone infrage kommen. Ich bewundere ihn für
seinen sehr eigenen Style, seine Beharrlichkeit, Individualität
und Kontinuität. Ich feiere seine Pieces
und noch mehr seine Lebensfreude, Gesellschaft,
Loyalität und Freundschaft. One Love, Sawone …
es könnte daher nur er sein.
Apropos Liebe: Wann gehst du eigentlich mit
Sper eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein?
Das ist längst überfällig, allerdings hat er immer
noch keine großen Brüste, auf die ich nun
mal stehe. Andererseits bringt er ansonsten alle
Qualitäten mit, die infinitiv für unsere Heirat sprechen.
Wir werden dann noch eben schnell Toxic,
Rey611, Clash, Super6, Amit2.0, Dekay, Arsen,
Clue, Supe, Druck, Sem, Riseko und Yazem adoptieren
müssen, denn ohne die geht es nicht.
Im Ernst, er hat mir tatsächlich die Tür in die nordische
Welt und zu Menschen geöffnet, die ich unheimlich
mag, und die ich alle gerne viel öfter sehen
möchte, als ich kann. Ich vermisse euch alle.
Ständig. SperOne – Wahnsinnstyp, Inspiration.
Dynamite-Dolphin – Idol, Freund, Liebe. Hdgdl.
Hier ist noch Platz, Dankeschöns, Street-knowledge
und Grüße anzubringen!
1995 saß ich als kleiner Nullchecker im Schulbus
und hab’ vor mir den damaligen Chief-Hipster
in seinen freshen Airwalks gesehen, wie er die
BACKSPIN durchgeblättert hat. Ich hab’ die Pieces
darin gesehen, hab’ Stromkästen mit Tags gesehen,
ab da ging’s los ... daher freut es mich sehr,
dass ich in diesem Mag diese Seiten bekomme.
Danke. Sprühen hat mich in die Arme so vieler
Leute getrieben, die ich sehr schätze: Soldat, Noogat,
Crek, Cose, Zack, Zoolo …
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 61
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
INTERVIEW: SASCHA WEIGELT
FOTOS: OLE WESTERMANN
„Die politisch gezogenen Grenzen
haben wir nie anerkannt“
EIN GESPRÄCH ÜBER DIE
HIP-HOP-SZENEN IN OST
UND WEST ZU ZEITEN DER
WENDE
Storm
Kai Eikermann
Frank Salewski
Am 9. November vor 25 Jahren fiel die Berliner Mauer. Infolgedessen wurde nicht nur Deutschland wiedervereint.
Es trafen auch zwei Hip-Hop-Szenen aufeinander, die vorher kaum etwas voneinander wussten. BACKSPIN wollte
wissen, wie weit diese beiden Schauplätze auseinander lagen. Oder kannte Hip-Hop die Mauer, die Grenze zwischen
Ost und West, gar nicht? Wir baten Frank Salewski von den Stralsunder Melodics, die gerade ihr 30-jähriges Jubiläum
feierten, zum Gespräch. Mit Storm von der Kieler Battle Squad brachte Frank direkt seinen Gegenpol mit.
Electric Buddha Kai Eikermann konnte mit seiner Geschichte am meisten Gänsehaut erzeugen. A Real Dope Thing
und Rock da Most verschmolzen 1989 sofort zu einer Einheit. Wie das passieren konnte, erzählen Poise alias Waffel
sowie Runex. Mit Marc Hype taucht zudem ein Joker auf. War er doch der Einzige, der den Tag vor wie auch den Tag
nach dem Mauerfall auf den Straßen Berlins miterlebte. Das entstandene Gespräch hätte das Zeug zum Bestseller.
Hier eine Kostprobe.
62 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
PERFORMANCE
Wie habt ihr den Mauerfall erlebt?
Storm: Ich lief morgens zum Supermarkt. Dort
standen lauter Trabis mit Bananen und Blumen auf
den Motorhauben. Da war mir klar, was passiert
ist. In den Nachrichten erfuhr ich, dass so etwas
anstehen könnte, aber niemand rechnete damit.
Als es so weit war, habe ich mich natürlich gefreut.
Wir konnten Anknüpfung finden, weshalb Swift
und ich im Dezember 1989 gleich eine Jam organisierten.
Die Zulu Boyz kamen, Kartoffel von Break
Connection mit seinem Manager, Dieter Klarholz,
und einige Dresdner. Das hat richtig Spaß gemacht!
Frank, stand bei den Melodics in Stralsund das
Tanzen auch gleich im Vordergrund?
Frank: Am Tag der Maueröffnung war ich bei meiner
Armee-Einheit. Eine Woche später fuhr ich
nach Stralsund, wo sich die Melodics trafen. Kontakt
in den Westen gab es nicht, auch nicht mehr
zu den Wolgaster Zulu Boyz und den Rostocker
Crazy 7. Das kam erst mit der Wende zurück. Mit
Jens Ströming verloren wir bereits im Sommer
1989 einen guten Tänzer. Wir überlegten, wie es
weitergeht. Bei der Armee gab es keinen Platz zum
Tanzen. Ich war zu diesem Zeitpunkt also auch
nicht mehr aktiv. Deshalb übernahm ich das Organisatorische.
Die Vorwende-Melodics tanzten
gut ein Jahr weiter, bevor sie durch Arbeit und
Ausbildung auseinandergingen. 1992 fanden sie
sich durch Jokestar und SMC, die Musik machten,
wieder zusammen: Es kamen neue Tänzer, die bereits
1989 beim großen Workshop in Leipzig dabei
waren. Sie integrierten sich und schrieben die Geschichte
der Melodics fort.
Weshalb hast du den Kontakt zu Storm gesucht,
obwohl du nicht mehr aktiv warst?
Frank: Ich las seine Biografie, „Von Swipe zu
Storm“, in der er die Melodics erwähnte. Also
wollte ich ihn näher kennenlernen. Erst 2006 liefen
wir uns über den Weg. Battle Squad fingen parallel
zu uns vor 30 Jahren mit dem Tanzen an. Sie
zogen wie wir 1989 in die gesamtdeutsche Szene.
Ich bringe die Melodics in Stralsund regelmäßig
zusammen, um das Gefühl der Gemeinschaft, das
wir vor dem Mauerfall hatten, zurückzuholen. Dieses
Jahr war Storm dabei.
Waffel, du hast 1983 mit Musik begonnen?
Waffel: Ja, mit East Side Attack. Der Name wurde
verboten, weshalb wir uns Downtown Lyrics
nannten. Electric B & The Full Electric Posse aus
Dresden organisierten viel für uns. In der DDR hatte
nicht jeder ein Telefon. Also lief viel postalisch.
Runex, das war vermutlich auch in Westberlin der
Fall, oder?
Runex: Wir hatten überhaupt keinen Kontakt, wie
auf einer Insel. Rock da Most waren die ersten, die
man auf Jams nach Westdeutschland holte.
„IN DER DDR ERLEBTEN WIR DEN
ANGEBLICH NICHT EXISTENTEN RASSIS-
MUS. MAN NANNTE MEINE MUTTER EINE
NEGERNUTTE.“ (KAI EIKERMANN)
Waffel, was hast du gemacht, als die Mauer fiel?
Waffel: Ich graste jeden Turnschuhladen der Stadt
ab. Im Vorfeld war ich auf den Demonstrationen
dabei, durfte alles hautnah miterleben und eine
Nacht im Knast verbringen.
Wie erfuhrst du von der Jam, auf der du zwei Monate
später Roskoe trafst?
Waffel: Downtown Lyrics traten zur Wende mit
den Stereo MCs und Snap im Palast der Republik
auf, und Blacky war vor Ort. Er musste sich verpissen,
hatte Stress mit den 36 Boys. Wir suchten
einen DJ. Blacky stellte uns DJ Pumi vor. Gleichzeitig
kam das Angebot, in Zürich zu spielen. Wir
standen bereits 1988 mit den Stereo MCs in der
Berliner Werner-Seelenbinder-Halle auf der Bühne.
Blacky fragte, ob er uns nach Zürich begleiten
dürfe. So lernten wir Roskoe, Empire und Runex
kennen. Musikalisch waren wir genauso weit wie
sie, weshalb es keine Berührungsängste gab. In
der Schweiz saßen wir als einzige Ostler im Backstage,
neben Advanced Chemistry und den Fantas.
Und was machten die Stereo MCs? Sie setzten
sich zu uns. Das war natürlich ein Erlebnis.
Storm: Battle Squad waren ebenfalls dort, und
Downtown Lyrics, keine Ausländer. Die DDR war
vorbei, und wir waren keine westdeutschen Breaker
mehr. Die politisch gezogenen Grenzen erkannten
wir als solche nie an. Hip-Hop war unser
Ding! Der einzige Unterschied lag darin, dass wir
vor dem Mauerfall keine Verbindung aufnehmen
konnten.
Kai, du hast als Kind die DDR-Erziehung genossen,
bevor du mit zehn Jahren nach Ghana ausgewandert
bist. Wie war das, als du 1981 nach
Westberlin kamst?
Kai: Du fängst gerade mittendrin an. Neun Jahre
lebte ich in Ghana. Das war schon eine andere
Welt. In dieser Zeit war ich einmal zu Besuch in
der DDR, 1978. Mir wurde klar, dass ich in dieses
Land nicht mehr zurückgehen kann. Man hat uns
15 Stunden an der Grenze festgehalten, weil ich als
15-Jähriger nicht den Unterschied zwischen BRDund
DDR-Bürgern kannte. Bei Staatsbürgerschaft
schrieb ich nämlich „Deutsch“ hin. 1978 hörte ich
bei einem hochrangigen Parteimitglied, dessen
Sohn dennoch Westradio hörte, Kraftwerk. 1981
kam ich nach Westberlin, wo ich mich, wie in der
DDR, nicht willkommen fühlte. Tanzen war meine
Rettung. Als beim Jazzfest Wiggles und Fable auftraten,
bin ich danach die Potsdamer heruntergelaufen,
hatte meinen Walkman mit Kraftwerk auf,
und war völlig breit von dem, was ich gesehen
hatte. Mir war klar: Ich tanze weiter! Berlin war ein
schwieriges Pflaster. Das Einzige, was mich hier
hielt, waren wirklich das Tanzen und die Künstlerszene.
Die Künstler waren genauso schräg wie ich,
kamen aus dem Ausland und hatten keine Grenzen
im Kopf.
Der Mauerfall war also ein Befreiungsschlag für
dich?
Kai: Das ist für mich bis heute eine sehr emotionale
Geschichte. Meine Familie war getrennt.
Meine Mutter zog mit mir nach Ghana, um dort
zu heiraten. In der DDR erlebten wir den angeblich
nicht existenten Rassismus. Man nannte meine
Mutter eine Negernutte. Dahingehend gab es keinen
Unterschied zwischen Ost und West. Als die
Mauer fiel, war ich mit meiner Frau im Kino. Wir
kamen heraus, und da fuhren Trabis herum. Alles
hupte! Zwei Tage war meine Familie aus der DDR
zu Besuch. Unter Millionen sind wir den Kudamm
entlanggelaufen. Das war ein Gefühl! Neulich war
ich in Dömitz, wo die Elbe die Grenze war. Meine
Freundin aus Hessen fragte, weshalb dort alles
verfallen sei. Menschen hatten dort früher nichts
zu suchen. Alles, was bis zu einem Kilometer an
der Elbe lag, war Sperrgebiet. Die Trennung meiner
Familie sah nicht anders aus. Mein Vater brach
den Kontakt zu uns nicht ab und trat auch nicht
der Partei bei. Dafür wurde er nicht befördert. Auf
dem Geburtstag meiner Oma in Ostberlin traf ich
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 63
Marc Hype MC Poise DJ Runex
eine Cousine. Sie meinte, eigentlich dürften wir
uns nicht begrüßen. Sie freue sich aber, dass ich
da wäre. Ihr Typ war bei der Stasi und notierte
sich alles. Wir waren im Friedrichstadtpalast, wo
wir Tommy aus Dresden trafen. Boogie Wave
machten diesen Schein, den man in der DDR zum
Tanzen haben musste. Da wurde mir klar: Dieses
System wird zusammenbrechen! Es herrschte
Aufbruchstimmung. Manche meinen, früher wäre
alles besser gewesen. Du hast keine Ahnung!
Hat der Mauerfall auch heute noch eine Bedeutung
für euch?
Kai: Die Geschichte des Mauerfalls wird im Nebel
verschwinden. Meinen Kindern kann ich heute
nicht einmal mehr zeigen, wo die Mauer stand. Das
waren zwei Mauern, nicht nur eine! Heute gehen
die Leute zur Eastside Galery und sagen, das wäre
die Mauer. Das Ding war früher weiß! Da wurde
jede Katze erschossen, die sich dorthin verirrte.
Vor ein paar Jahren war ich in Korea. Den Koreanern
macht unsere Geschichte Hoffnung. Das war
eine Revolution ohne einen Tropfen Blut! In der
Wendewoche brach ich mein Studium ab, wollte
nur noch tanzen, und beschloss, meine Freundin
zu heiraten. Mein ältester Sohn wurde gezeugt, die
Mauer fiel. Großes Kino!
Storm: In Korea erlebt man, was heute wäre, hätten
sie 1989 die Maßnahmen verschärft, anstelle
dieser friedlichen Lösung. Ich war 20 Jahre alt,
als die Mauer fiel. Mein ganzes Leben drehte sich
ums Tanzen. Es gab nichts anderes! Je mehr Zeit
verstreicht, desto bedeutungsvoller wird die Wende
für mich. Fahre ich heute nach Wannsee und
komme in Dreilinden an, bin ich glücklich, dass
der Grenzübergang so einfach ist. Ich bin froh, die
Zeit damals miterlebt zu haben. Dadurch wurde
mir bewusst, was Freiheit und ein anderes Leben
bedeuten.
Waffel: Der Mauerfall wird nicht aus unseren Köpfen
verschwinden. Was bei Storm das Tanzen war,
war bei mir die Musik. Der Übergang war nahtlos,
mit einem großen Peng! Wir sollten das Erlebte
bewahren, und die gesammelten Erfahrungen
weitergeben. Mir hat der Mauerfall unheimlich viel
gebracht. Ich konnte plötzlich ausleben, was ich in
mir trug, und mich frei entfalten. Das möchte ich
nicht mehr missen.
Frank: Weihnachten 1989 fuhr ich völlig unwissend
nach Berlin und suchte die Grenze. Meine
100 D-Mark Begrüßungsgeld trug ich zu WOM. Die
Platten legte ich an der Kasse aber wieder zurück.
Das hätten meine letzten 100 D-Mark sein können,
weil sie Anfang des Jahres die Grenze vielleicht
wieder geschlossen hätten! Die Wende erlebte ich
in meiner Einheit. Also war es schwierig für mich,
Emotionen aufzubauen. Um mich herum war niemand.
In Berlin sah ich immer ein Stück der Grenze,
den Todesstreifen, Stacheldraht, Panzersperren,
die schneeweiße Wand mit den Kübel-Trabis
dazwischen. Ich bin froh, dass dieser Mist weg ist.
Die Wende hat jedem von uns etwas gebracht.
Marc Hype: Wir hatten unsere hübsche Grenze,
und alles war geregelt. Man ist abgeprallt von der
Mauer und hat sich zum Kloppen auf dem Kudamm
getroffen. Zwar konnten wir immer über
die Mauer, aber der Zwangsumtausch fiel weg.
Wir fuhren auch nicht über die Grenze, um Urlaub
„DIE HÜTCHENSPIELER ZOGEN DEN
LEUTEN IHR BEGRÜSSUNGSGELD
AB.“ (MARC HYPE)
zu machen. Allemal sind wir dort rüber, um Verwandte
zu besuchen. Westberlin reichte uns völlig
aus! Auf einmal war Neuland da, eine Freifläche,
ein anderes Land. Klar war das Deutschland, aber
ein anderes Deutschland. Mich interessierte nie,
was hinter der Mauer passierte. Auf einmal war da
etwas, was eigentlich nie weg war. Man fuhr einfach
rüber und schaute sich um. Als am Montag
64 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
die Geschäfte öffneten, war der Kudamm voller
Menschen. Die Hütchenspieler zogen den Leuten
ihr Begrüßungsgeld ab. Davon lebten sie, und die
anderen mussten lernen, mit dieser neuen Welt
umzugehen.
Runex: Wir hatten keine Ahnung, was es bedeutet,
wenn unsere große Leinwand, die Mauer, wegfällt.
Wir freuten uns und lernten die PDM-Posse kennen.
Eine tolle Zeit! Waffel lud uns auf eine Party
ein, auf der alle ihre alten Sachen anzogen. Voll
witzig! Zum Anfang der 80er starteten wir mit Musik.
Dann kamen Stresser auf die Jams: Jeder Bezirk
hatte seine Gang und wollte zeigen, dass er der
Beste ist. Drüben im Osten hatte ich dann plötzlich
wieder dieses Anfangsgefühl. Hip-Hop war wie
neu geboren! Die Leute waren friedlich, und wir
hatten nur ein Ziel: zusammen etwas aufzubauen.
Ich fand das total klasse, wie man uns aufnahm.
WMF, Tresor, die Globus Bar, das war wie im Wilden
Westen! Es gab den U-Club, den besten Hip-
Hop-Laden, den wir jemals hatten, mit Hype und
Domain. Heute ist alles wieder wie früher: überall
schauten sich an. Mir war klar, dass etwas passiert
sein musste.
Und wie kamt ihr in den Stau?
„ICH BIN FROH, DIE ZEIT DAMALS
MITERLEBT ZU HABEN. DADURCH
WURDE MIR BEWUSST, WAS FREI-
HEIT UND EIN ANDERES LEBEN
BEDEUTEN.“ (STORM)
Die Wende führte dich also von West nach Ost?
Runex: Ich war in Westberlin sehr glücklich, bin
in unserer kleinen Hip-Hop-Gemeinde völlig aufgegangen.
Als wir hörten, die Mauer wäre offen,
sind wir aus Wannsee zur Glienicker Brücke gelaufen,
um zu schauen, was los ist. Dort kamen
die Massen rüber. Wir waren begeistert, dass alle
wieder zusammen sind. Allerdings war uns das
zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. Wir
sahen nur, dass sich etwas Aufregendes tat. Natürlich
war es schade, dass unsere coole Mauer
nun weg war. Aber die Zeit danach, die neue Insel
Niemandsland, auf der neue Clubs öffneten, der
verschlossene Parzellen, und man kann nicht mehr
hingehen, wo man will.
Marc, du warst vor dem Mauerfall auf der Straße
unterwegs. Was fiel dir auf?
Marc Hype: Ich war viel auf dem Kudamm, mit
Straßenhändlern und Hütchenspielern. Einer von
ihnen war Tray DM, der Manager von Rock da
Most. Am 9.11. erzählte uns eine ältere Frau, die
Mauer wäre gefallen. Wir lachten sie aus. Dann
war dieses Gefühl der Unruhe, wie ich es später an
9/11 noch einmal erlebte. Keiner sagte etwas, alle
Marc Hype: Tray DM lud mich am Tag vor dem
Mauerfall mit Rock da Most auf eine Jam nach
München ein. Am nächsten Tag fuhren wir los.
Die Mauer war gefallen, und da standen wir: 200
Kilometer vor und hinter uns nur Trabis. Nichts
ging mehr. Wir spazierten über die Autobahn und
trafen Kai Eikermann mit TDB, die auch nach München
unterwegs waren. Mit alledem hatte niemand
gerechnet!
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 65
TEXT: SLEEPWALKER
FOTOS: SLEEPWALKER, SOFTUBE
SLEEPY’S WORLD
OF MUSIC @ BACKSPIN Console 1
Moin Moin und herzlich willkommen zu meiner neuen Rubrik „Sleepy’s World of Music“. Der eine oder
andere kennt mich vielleicht unter dem Namen Sleepwalker, mit dem ich als Produzent einige Songs
zur deutschen Hip-Hop-Geschichte beigetragen habe. 1988 baute ich meine ersten Beats im Keller
meiner Eltern und zehn Jahre später fing ich an, von der Musik zu leben. Heute betreibe ich ein
kleines Studio mit dem Namen „twenty4seven“, ich produziere immer noch leidenschaftlich gerne
und doziere an der HipHop Academy Hamburg. Diese 25-jährige Erfahrung möchte ich ab jetzt mit
euch teilen und ich hoffe doch, dass wir uns regelmäßig hier lesen.
INFOKASTEN // SLEEPY‘S HISTORY
PRODUKTIONSCREDITS :
Samy Deluxe – „Weck mich auf“, Panjabi MC – „Jogi“, Xavas – „Die Zukunft trägt
meinen Namen“, Die Prinzen – „Ersatz“ u. v. a. m. // Mix-Credits: Bass Sultan
Hengzt – „Schmetterlingseffekt“, BOZ – „Ich brauch dich nicht“, Die Profis – „Boom
Bap“, Swiss – „Große Freiheit“ u. v. a. m.
MIX-CREDITS :
Bass Sultan Hengzt – „Schmetterlingseffekt“, BOZ – „Ich brauch dich nicht“, Die
Profis – „Boom Bap“, Swiss – „Große Freiheit“ u. v. a. m.
ch werde für euch aus einer alltäglichen
Studio-Perspektive heraus berichten und
versuchen, euch interessante Themen vorzustellen,
die uns nicht nur auf dem Papier mit
unserer Musik voranbringen werden, sondern sich
auch in der Praxis beweisen können. Diskutieren
können wir darüber dann auf meiner neuen Plattform
audio-praxis.de. Bitte teilt mir dort euer Feedback
mit und überschüttet mich mit Vorschlägen
und Anregungen, damit wir diese Rubrik für alle
nützlich gestalten können.
Bevor ich jetzt anfange, über die „Console 1“ zu
reden, möchte ich mich noch kurz bei Uwe und
Christian vom Audiowerk
bedanken, die mir
die Konsole zum Testen
bereitgestellt haben. Männers! Immer wieder ein
Traum mit euch!
WER SEID DAS IHR?!
Die „C1“ ist ein hochwertiger Hardware-Channelstrip-Controller,
der ausschließlich Software-
Plug-ins der Firma Softube kontrollieren kann.
Mitgeliefert wird ein von SSL zertifizierter Software-Channel-strip,
der den kompletten Umfang
des Controllers abdeckt. Da Softube mit zu den
Besten auf dem Plug-in-Markt gehören, muss es
nicht unbedingt schlecht sein, nur deren Software
benutzen zu können. Im Gegensatz zu anderen
Controllern haben alle Bedienelemente immer die
gleiche Funktion, was dem Workflow spürbar zugutekommt.
HARDWARE
Schon beim Auspacken wird klar, dass dieser Controller
auf keinen Fall in irgendeine Billig-Liga einzuordnen
ist. Softube umhüllt die „C1“ mit einem
knackigen Stahlmantel, spendiert mir 26 hochwertige
Drehregeler, 40 Tasten und sorgt mit mehreren
LEDs für ein 1A-Disco-Mix-Erlebnis. Alles ist
wunderbar beschriftet und schön übersichtlich angeordnet.
Optisch schon mal bombe, der Kasten.
SOFTWARE
Mit der Konsole zusammen erhält man den von
SSL zertifizierten legendären „SL 4000 E Channel
Strip“ (Low- und High-Cut-Filter, Gate/Expander,
66 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Black-Knob-EQ 242, Channel-Kompressor), der als
Hardware rund um den Globus in vielen Studios
zum Einsatz kommt. Ein Drive-Regler emuliert eine
harmonische Verzerrung, wie sie zum Beispiel
entsteht, wenn ein analoges SSL-Mischpult in den
roten Bereich gefahren wird. Zusätzlich kann noch
der Charakter der Verzerrung eingestellt werden.
Der „Transient Designer“ wurde von Softube emuliert
und vollendet für mich alles, was man für einen
kompletten Channel-strip benötigt.
DAS ERSTE DATE
Als ich die „Console 1“ bekam, steckte ich tief im
Album-Mix von Swiss’ „Große Freiheit“ und ich
mochte nicht gleich meinen Workflow komplett
umstellen, um – wie vom Hersteller gedacht – alle
Vorteile nutzen zu können. Für Experimente im
Studio war die Deadline einfach zu knapp bemessen.
Also insertierte ich ganz entspannt hier und
da mal die „C1“ und hantierte hier und da mal an
einigen Parametern umher. Und allein schon das
Gefühl, einen Software-EQ oder -Kompressor mit
Hardware-Reglern bedienen zu können, war von
Anfang an geil. Alles ging mit einem Mal schneller
und fühlte sich einfach nur gut an. Von Song zu
Song öffnete ich während des Album-Mischens
immer mehr Instanzen des Plug-ins und im Nu war
die „Console 1“ ein Hauptbestandteil meiner Mixe.
Hergeben wollte ich sie nun schon nicht mehr.
Vielmehr wollte ich sie, zusammen mit meinen
Avid-Mix-Controllern, als neue DAW-Steuerzentrale
nutzen.
PRAXISBEISPIEL
Am Beispiel einer Schlagzeug-Gruppe hier mal ein
Exempel, wie ich die „Console 1“ nutze und was
mir so gut an ihr gefällt. Ich beginne meine Mixe
eigentlich zu 99 Prozent mit den Drums. Als Hip-
Hop-Engineer empfehle ich das jedem von euch,
da der Beat nun mal extrem wichtig ist für unsere
Musik. Eine Drum-Gruppe bei dem Swiss-Album
sieht zum Beispiel so aus: Subkick, Kick, Snare,
Hi-Hats, Raum-Mikro 1, Raum-Mikro 2, Stereo-
Overheads. Ich insertiere das „C1“-Plug-in auf allen
Spuren, fange an, die Input-Level korrekt einzustellen
und mische mir die Verhältnisse mit meinen
Avid-Mix-Fadern ein wenig zurecht. Hier wäre kurz
zu erwähnen, dass bei mir die Software der „C1“
nicht die Cubase-DAW-Spurnamen automatisch
übernimmt, so wie es eigentlich sein sollte. Bockt
nicht, aber das ist nichts, was ein Update nicht
beheben könnte. Ich bearbeite also die Subkick
mit ein bisschen Low-Cut und einem extremen
High-Cut runter bis auf 100 Hertz. Die normale
Kick beschneide ich unten einen Hauch mehr und
ich fange an, damit das Gate einzustellen, um den
Rest vom Schlagzeug so weit wie möglich auszublenden.
Hier war einer der ersten Wow-Effekte
„ALLEIN SCHON DAS GEFÜHL, EINEN SOFTWARE-EQ ODER
-KOMPRESSOR MIT HARDWARE-REGLERN BEDIENEN ZU
KÖNNEN, WAR VON ANFANG AN GEIL.“
für mich, wie schnell ich da ans Ziel gelangte. Bei
dem SSL-Duende-Channel-strip-Gate, das ich davor
immer benutzt hatte, habe ich mich da einige
Male mies k. o. gefummelt. Bombe! An der Snare
mache ich ähnliche Einstellungen wie bei der Kick,
denn auch hier muss ich das Gate benutzen, um
die anderen Sounds etwas verschwinden zu lassen.
Die Hi-Hat beschneide ich unten herum extremer,
da ich dort eigentlich nichts an Frequenzen
brauche, und drehe zusätzlich gleich mal ein paar
Höhen bei zwölf bis 15 Kilohertz rein. Der SSL-EQ
klingt super und ich benutze ihn nicht nur, um störende
Frequenzen herauszufiltern, sondern auch,
um bestimmte Frequenzen hervorzuarbeiten (was
ich bei einigen anderen Software-EQs nicht empfehlen
würde). Bei dem Raum-Mikro 1 setze ich
das erste Mal den SSL-Channel-strip-Kompressor
an und stelle ihn so ein, dass er ordentlich zum
Rhythmus der Musik pumpt. Da ich das Glück
habe, mehrere Softube-Plug-ins zu besitzen, besteht
für mich die Möglichkeit, bei Raum-Mikro
2 den Kompressor individuell zu ersetzen. Hier
wähle ich meinen heiß geliebten FET-Kompressor
und fahr den Lachs bis an die Schmerzgrenze.
Bämm, Degga! Die Regler an der Hardware bleiben
dabei aber immer dieselben. An den EQs der
beiden Kanäle drehe ich nach Belieben, mit zum
Teil extremen Low- und High-Cut-Einstellungen.
Als Letztes bearbeite ich dann die Stereo-Overheads
mit einem Low-Cut zwischen 100 und 150
Hertz, komprimiere sie leicht und dämpfe am EQ
die Kick- und Snare-Frequenzen ein bisschen, um
meinen Solospuren mehr Präsenz zu verleihen.
Mit den Tastern an der Hardware schalte ich immer
wieder einzelne Kanäle auf solo, um hier und
da Feinheiten zu regeln. Den Drive-Regler betätige
ich immer wieder mal zwischendurch nach Lust
und Laune, um einzelnen Spuren mehr Charakter
zu verleihen. Die Drum-Gruppe steht jetzt erst mal,
und ich route alle Spuren in Cubase in eine neue
Audio-Gruppe, um dort wieder eine Instanz der
„C1“ auf die Summe legen zu können. Hier würde
ich dann wieder individuell einen Kompressor auswählen,
ihn zum Tempo der Musik einstellen und
mithilfe der Parallelkompression das Ganze ein
bisschen zusammenschweißen und druckvoller
gestalten. Der Rest ist Feintuning und verändert
sich sowieso im Laufe des Mixes noch.
FAZIT
Ich war lange nicht so begeistert von einem Gerät.
Durch die „Console 1“ kann ich meine Arbeit
übersichtlicher und entspannter erledigen, als
wenn ich nur mit der Maus umherklicken müsste.
Das kommt meinem ganzen Workflow zugute und
macht obendrein auch noch Spaß. Es gibt noch
Kleinigkeiten hier und da, die verbesserungswürdig
sind, aber die werden mit Updates sicherlich zu
beheben sein. Da bin ich mir sicher. Natürlich benutze
ich auch andere Plug-ins und werde es auch
weiterhin tun, doch ich kann sagen, dass Softube,
auch durch die „Console 1“, einen immer größer
werdenden Anteil an meinen Produktionen und
Mixen hat. Da noch weitere Channel-strips angekündigt
sind, freue ich mich schon auf interessante
Emulationen und andere Ideen dieser innovativen
Firma.
Ich möchte diese Kombination aus Hard- und
Software jedem empfehlen, der seine Musik auch
mischt. Für Mix-Engineers würde ich sogar so weit
gehen und sagen, dass sie sich das Teil unbedingt
zulegen müssen. Für diejenigen, die nur Beats basteln,
könnte es vielleicht zu viel des Guten sein,
und auch zu teuer. 800 Euro sind ja nicht gerade
wenig.
INFOS
Für mehr Details checkt: www.softube.com
Fragen und Feedback zu diesem Artikel hier:
www.audio-praxis.de
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 67
INTERVIEW: PHILIPP LEMBKE
Producer Spotlight
JUST BLAZE
Alter: 40
Wohnort: NEW YORK
Produziert seit: 1992
Favourite Break: Billy Squier: „The Big Beat“ – aber das kann sich morgen schon wieder ändern.
Favourite current Hip-Hop-Song: Ilovemakonnen: „I Don’t Sell Molly No More“.
Favourite Hip-Hop-Song you wish you had produced: Wu-Tang Clan: „Protect Ya Neck“.
Favourite Hip-Hop-Producer: Die Antwort auf all diese Fragen sollte
sein, dass ich keine Favourites habe. Ich bin ein Produkt von
all dem, was um mich herum war. Von Hip-Hop zu Soul,
Gospel, Pop bis hin zu Rap und Punk, New Wave. Es gibt
einfach zu viel gute Musik. Das kannst du so drucken.
Wenn mich Leute nach meinen Favoriten fragen, fragen
sie nach einer Person, die die absolut beste ist.
Ich kann das nicht machen, da ich nicht glaube, dass
es diese eine Person gibt. Sobald du denkst, du bist
der Beste, kommt jemand und ist besser als du. Meine
Einstellung ist: Vergiss den Besten, freue dich lieber
über jeden, der rauskam und was gemacht hat!
„MEINE PRODUKTIONEN MACHE ICH BESONDERS FÜR
DIE DJS. DARUM HABEN SIE IMMER EINEN GROSSEN
BUILD-UP UND DANN EINEN GROSSEN DROP.“
68 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
Wie hast du mit dem Produzieren angefangen?
Hattest du einen Mentor?
Nein, meine Mentoren waren das Radio und die
Platten, die ich gehört habe. Seit meiner Kindheit
spiele ich schon Keyboards. Es gibt auch keinen
wirklichen Startzeitpunkt – Musik ist etwas, das ich
schon immer gemacht habe.
Du bist aber auch seit frühen Jahren immer
schon DJ gewesen. Inwieweit hat das dein Produzieren
beeinflusst?
Der Grund, warum ich auflege, ist: Ich liebe meine
Platten. Und meine Produktionen mache ich für
DJs. Also, natürlich auch für alle anderen, aber
besonders für DJs. Viele meiner Produktionen
haben einen großen Build-up und dann einen
großen Drop. Mit Absicht. Heute machen das ja
nicht mehr so viele, aber als ich ein Kind war und
Leuten wie Pete Rock oder Clark Kent auf 107.5
oder Chuck Chillout, Red Alert oder Marley Marl
– die ganze 80er-Jahre-Mixshow-Ära – zuhörte,
gab es immer Backspins mit den Anfängen der
Platten. Ich produziere in diesem Stil. Ich habe das
nicht bewusst gemacht, aber über die Jahre ist
mir klar geworden, dass ich schon so produziere,
dass DJs das cutten können. Deswegen platziere
ich ja auch meinen Namen an derselben Stelle auf
jedem Track direkt vor dem Drop, sodass man ihn
20-mal hören kann. (lacht) Das ist die Art, wie ich
mich zur Marke mache.
Und das machst du nach wie vor?
Ja, wenn es sich anbietet.
Wir befinden uns hier bei dir im Studio und hier
ist all dieses Equipment. Du hast ja auf einem
ASR-10 angefangen. Hast du noch ein Lieblingsgerät?
Mein Lieblingsgerät sind meine Ohren. Wenn du
die nicht hast, hast du gar nichts.
Hip-Hop war schon vor einer Dekade sehr produzentenorientiert.
Wie siehst du die Rolle des
Produzenten heutzutage?
Es ist noch mehr geprägt von Produzenten. Ich
denke, Leute wie Puff, Pharrell, Pete Rock – man
kann es wirklich zurückverfolgen. Leute wie Pete
Rock und Premier standen ganz vorne, da sie Teil
einer Gruppe waren. Jam Master Jay eher als DJ,
nicht so als Produzent, obwohl er viel kreative
Energie lieferte. Bei Gang Starr war es klar, dass
Premo die Platten produzierte, bei Pete Rock & CL
Smooth war es klar, dass Pete Rock produzierte.
Bis dahin wurde der Produzent ja nur als Beatmaker
angesehen. Dann kam Puff – er fasste keine
Drum Machines an oder programmierte, er war
mehr der Produzent im traditionellen Sinne. Er
übermittelte die Vision. Dr. Dre natürlich auch. Dre
ist wahrscheinlich der erste Superproduzent, der
auch von der breiten Masse wahrgenommen wurde.
Aber es hat wirklich bis zu der Ära von Pharrell,
Kanye und mir selbst gedauert, bis sie einen Produzenten
als eigenständigen Künstler angesehen
hat – mit der Ausnahme von Dre. Wir sind genauso
Künstler wie die Künstler, die wir produzieren.
In manchen Fällen wurde der Produzent sogar
größer als der Künstler. Man kann sich an eine
Tonne von Hits erinnern, die Pharrell für Künstler
produziert hat, die heute nicht mehr da sind.
Und er hatte gerade eines seiner größten Jahre.
Es gibt also definitiv eine Entwicklung in der Rolle
des Produzenten. Es ist großartig, und es gehört
weit mehr zu einer Platte als die Person, die auf
der Bühne steht.
Du hast mit den bekanntesten MCs in diesem
Game gearbeitet. Schaust du auch aktiv selbst
nach neuen Talenten?
Ich schaue nicht aktiv. Ich habe Leute, mit denen
ich arbeite, die das machen. Meine Einstellung ist
immer noch dieselbe und es ist egal, ob du ein
neuer Künstler bist oder etabliert, ob du Geld hast
oder nicht: Mag ich deine Musik? Das ist der entscheidende
Faktor.
Woran arbeitest du gerade?
An Auftritten. Die letzten zwei Jahre habe ich auf
vielen Festivals gespielt. Ich wollte eine Studiopause
machen, ich wollte raus. Es ist eine andere
Art, auf Menschen zu reagieren. Du siehst einfach,
was in den verschiedenen Teilen der Welt funktioniert,
und so kommst du frisch ins Studio zurück
und kannst die Musik auf ganz andere Weise wieder
angehen. Das einzige Projekt, was ich gerade
aktiv betreue, ist das neue Slaughterhouse-Album
für Eminem und Shady Records. Ansonsten toure
ich und habe eine gute Zeit.
Wie stehst du heutzutage zum Thema Sampling?
Wenn du ein gutes Sample findest, benutze es. Ich
sample nur in einem Fall nicht: wenn die Rechte
praktisch nicht zu klären sind. Man möchte einfach
nicht durch diesen Heartbreak gehen, wenn man
einen tollen Beat hat und dann feststellt: Oh, die
Rechte liegen bei den Beatles. Wobei, ich habe in
der letzten Zeit Songs gesamplet, die Paul McCartney
geschrieben hat, was ich normalerweise nicht
machen würde, da er so groß ist. Ich wusste es
aber nicht, bis der Song fertig war. Also haben wir
versucht, das Sample zu klären und er liebte es,
es war kein Problem. Man kann also nie wissen.
Gibt es noch jemanden, mit dem du unbedingt
arbeiten möchtest?
Nicht wirklich. Ich habe einfach Spaß gerade. Ich
liebe immer noch das, was ich da tue. Aber ich bin
jetzt an einem anderen Punkt in meiner Karriere,
ich habe meinen Beitrag geleistet, habe mein Geld
gemacht. Ich werde auch weiterhin beitragen und
Geld machen, aber ich muss es nicht erzwingen.
Für mich muss es einfach interessant sein und
Spaß machen. Es geht nicht darum, wie viel Geld
du hast.
Die Länge deiner Karriere ist beachtlich. Was ist
dein Schlüssel zur Langlebigkeit?
Es sind zwei Sachen. Zum einen: Höre auf das,
was gerade passiert. Sound verändert sich, da
die Zeit sich verändert. Aber du kannst immer die
Sounds nehmen und dein eigenes Ding daraus
machen. Viele Produzenten kommen mit ihrem
eigenen originalen Sound ins Spiel und dann passen
die meisten sich an. Manche kommen ohne
originalen Sound, aber finden ihren Sound. Wenn
du deinen Sound gefunden hast, finde Mittel und
Wege, deinen Sound im Jetzt zu behalten. Der andere
Punkt ist: Do good business! Es gibt Zeiten,
da habe ich drei Hits draußen, werde im Radio gespielt,
toure auf der ganzen Welt. Und dann gibt es
Zeiten, wo nichts geht. Aber dann kriege ich den
Anruf: Hey, möchtest du Musik für den „Ice Age“-
Film oder den neuen Sprite-Werbespot machen?
Diese Anrufe kommen natürlich wegen meinem
Talent und weil ich respektiert werde, aber ich
habe auch immer gutes Business gemacht. So
viele in diesem Geschäft haben ihr Ego als Antrieb
und sie treffen Entscheidungen darauf basierend.
Wenn man aber einigen Leuten falsch begegnet
ist, werden sie nach einer Weile nicht mehr mit
dir arbeiten wollen beziehungsweise es nur noch
tun, wenn sie es müssen. Ich bin lieber der Typ,
den du anrufst, weil du mit mir arbeiten willst. Wir
schaffen ein gutes Endprodukt und es gibt keine
Überheblichkeit. Ich werde dich nicht abziehen
oder dir den Arm verdrehen, damit ich mehr Geld
bekomme. Natürlich gibt es Situationen, wo es etwas
haarig wird, aber am Ende des Tages bleibe
ich dabei: Wenn du gutes Business machst, werden
sich dir immer Möglichkeiten bieten. Das ist
alles. Halte durch, verändere dich mit der Zeit und
mache gutes Business – und Leute werden immer
mit dir arbeiten wollen.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 69
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
INTERVIEW: TORBEN BOWM
FOTOS: NATIVE INSTRUMENTS
NEUES VON NATIVE
INSTRUMENTS
„Komplete 10 Ultimate“, „Komplete Kontrol“-Midi-Keyboard und „Kontrol S8“
Zum Weihnachtsgeschäft 2014 ließ Native Instruments sein neues Produktionsflaggschiff
vom Stapel. Und nicht nur das. Die Berliner Firma hat neben „Komplete 10 Ultimate“ nun
auch noch die passende Hardware im Angebot. Mit den „Komplete Kontrol“-Midi-Keyboards
lässt sich das umfangreiche „Komplete“-Bundle dann auch viel besser bedienen als mit herkömmlichen
Midi-Keyboards. Aber alles der Reihe nach.
omplete 10“ wiegt einiges, vor allem in
der „Ultimate“-Version, so viel gleich
vorab. Die reguläre Version beinhaltet
Software und Libraries in einem Umfang
von 130 Gigabyte. Verglichen mit
der „Ultimate“-Version scheint das aber plötzlich
schon wieder wenig. Sage und schreibe 440 Gigabyte
sind auf der Festplatte, die sich im Karton
der „Ultimate“-Version befindet, enthalten.
Darunter freilich eine Menge Altbewährtes, das
der vertraute Nutzer schon von vorherigen „Kompletes“
kennt – die „Reaktor“-Plattform mit ihren
wunderbaren Synthies, „Kontakt 5“ mit so wunderbaren
Libraries wie dem „Rickenbacker Bass“
oder den „Session Strings Pro“ und, und, und.
Selbstverständlich ist auch „Guitar Rig“ wieder
mit an Bord, hier nun sogar in der
5-Pro-Version.
Letzteres ist im Übrigen ein gutes
Testwerkzeug für all jene, die mal gucken
möchten, ob ihr Rechner noch
dem State of the Art entspricht. Kein
Sat-1-Ball oder eine endlose Sanduhr? Wunderbar.
Doch ein sich ewig drehender Sat-1-Ball oder
eine nicht weichen wollende Sanduhr? Dann ist es
Zeit für neue Hardware. So weit, so gut.
Kommen wir zu weiteren Neuheiten, die in
„Komplete 10 Ultimate“ zu finden sind. Da wären
nämlich zum Beispiel die auf der „Reaktor“-
Plattform basierenden Synthesizer „Kontour“ und
„Rounds“. Ersterer ist ein Phase-modulierender
Synthie, der organisch klingende Texturen genau
so erzeugen kann wie verzerrte Noise-Sounds.
Hervorzuheben ist hier die Performance-Ansicht.
Man hat direkten Zugriff auf vier Makro-Regler,
die jeweils mit mehreren Parametern verknüpfbar
sind. „Rounds“ wiederum basiert auf einer
analogen Sound-Engine und sorgt entsprechend
für eher warme und harmonische Wellen, die
eine FM-Engine sowie zweipolige Filter verbinden.
So erstreckt sich das Klangbild von glasklar
bis metallisch-verzerrt. Außerdem lassen sich mit
70 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa TECHNICS
dem Voice-Programmer acht Blöcke mit je vier
Zellen in 32 unabhängige Sound-Slots wandeln.
Individuelle Klangfolgen entstehen und fünf unterschiedliche
Voicing-Modi können auf die einzelnen
Slots verteilt werden. Auch hier wurde die
Performance-Funktion mit Makro-Reglern ausgestattet
und eine Verbindung zum Midi-Keyboard
über die Remote-Octave-Funktion geschaffen, die
das Arrangieren weiter vereinfacht. Und der eingebaute
LFO erlaubt die Integration der „Rounds“-
eigenen Effekte für jeden einzelnen Sound.
Ebenfalls neu ist der Drum-Synthesizer „Polyplex“.
Acht Stimmen und die Möglichkeiten
kreativen Layerings in Verbindung mit Randomize-Funktionen
führen zu unvorhersehbaren
Kreationen. Ist ein Sound gefunden, können alle
vier Layer jedes Sound-Slots weiter bearbeitet
werden. 18 Effekte können über einen Envelope-
Follower integriert werden und tun ihr Übriges
dazu.
„Drumlab“ ist ebenfalls neu in „Komplete 10“.
Hier besteht die Möglichkeit, über eine vergleichsweise
übersichtliche Oberfläche synthetische
Drums mit analogen Drum-Sounds zu kombinieren.
Zudem soll „Drumlab“ perfekt auf die Arbeit
mit „Maschine“ abgestimmt sein.
Die „Kontakt“-Plattform bietet in „Komplete 10
Ultimate“ nicht nur Bewährtes wie die gesamte
„Scarbee“-Bass-Palette, die „Abbey Road“-Drum-
Collection oder „Session Strings Pro“. Im Gegensatz
zu „Komplete 9 Ultimate“ kommen die
„Session Horns“ nun als „Session Horns Pro“ mit
deutlich mehr Artikulationsmöglichkeiten daher.
Neu für „Kontakt“ ist auch „Action Strikes“, dem
man „gewaltige orchestrale Drum-Sounds“ entlocken
kann. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch
das neue „Rise & Hit“-Instrument für die leichte
Kreation ausdrucksstarker Build-ups.
Die enthaltenen Studioeffekte kriegen den „Supercharger
GT“ als Röhrenkompressor an die Seite
gestellt. Neu ist auch der auf der „Reaktor“-Plattform
basierende „Molekular“ mit 35 verfügbaren
Effekten, die in ein eigenes, modulares System
integrierbar sind. Als Sahnehäubchen kann man
ein Morphing-Field definieren und vier Master-
Modulationen sowie eine Center-Position festlegen.
Das Verschieben Letzterer sowie das Blenden
zwischen den Koordinaten ist der Grundstein
für eine Vielzahl von Variationen des Klangbilds.
Ein neues Feld, auf dem sich Native Instruments
schon im Segment des DJ-Equipments mit Erfolg
fortbewegt, hält nun auch in Form der „Kontrol
Keyboard“-Serie Einzug in die Studios. Ausgestattet
mit wahlweise 25/49/61 Tasten kann man
Midi-Keyboards mit erweiterter nativer Steuerung
für die „Komplete“-Kollektion erwerben. Angefangen
bei den Browse-Möglichkeiten über die
„Komplete Kontrol“-Software, die auf der einen
Seite als übergeordnete Steuerungsmöglichkeit
für die einzelnen Instrumente und Plug-ins
fungiert, auf der anderen Seite selbst ein Plugin
in der DAW der Wahl darstellt. Tag-basierte
Suchfunktionen erleichtern das Browsen. Zuweisungen
für die meistgenutzten Parameter der
einzelnen Instrumente wurden über Native-Map-
Technologie bereits voreingestellt, können aber
auch den eigenen Wünschen angepasst werden.
Die bekannte Farbcodierung wird über die Light-
Guide-Funktion des Keyboards verwirklicht. Seien
es die einzelnen Drum-Zellen in „Battery 4“ oder
Tonleitern, Akkorde und Arpeggien – sie alle können
direkt oberhalb der Tasten als eine der bekannten
Farbabstufungen dargestellt werden. Die
True-Performer-Funktion eröffnet die Möglichkeit,
mit einer Taste ganze Akkorde zu spielen oder
Arpeggien zu triggern. Das ist über weitere Einstellungsmöglichkeiten
noch ausbaubar. Mit den
Touchstrips, die ebenfalls pre-mapped sind oder
sich individuell zuweisen lassen, hat man auch
hier Automationen, Warping oder Sound-Bending
per Fingerwisch verfügbar.
Für all diejenigen, die sich auf den verschwimmenden
Grenzen zwischen Produzent und DJ
befinden, sich jedoch eher letzterer Gruppe zugehörig
fühlen, ist der „Kontrol S8“ das neue Bollwerk
in Sachen Kontrolle über die DJ-Software
„Traktor“.
First things first: Native Instruments hat die Jogwheels
geopfert. An ihre Stelle treten mit ungleich
höherem Informationsgehalt zwei hochauflösende
Displays, die dafür sorgen sollen, dass der
angeschlossene Rechner nicht mehr die Augen
des DJs fesselt. Browsen, Effekt-Kontrolle, Remix-
Deck- oder Loop-Kontrolle sowie die Freeze-View
für den Freeze-Modus sorgen dafür, dass man den
großen Monitor nicht vermisst. Das auf den ersten
Blick erschlagend wirkende Design des „S8“ gehorcht
einer klaren Gliederung, die vor allem auf
Bedienbarkeit und Kreativität ausgelegt ist.
In der Mitte ist ein Vier-Kanal-Mixer vorhanden.
Neu ist die Möglichkeit, den Filter pro Kanal
an- oder auszuschalten. Das lästige Drücken von
Shift gefolgt von einem Drehen des Filter-Reglers
und folgendem Loslassen der Shift-Taste für eine
abrupte Änderung des Filter-Zustands kann nun
durch einfaches Drücken einer Taste erfolgen.
Der „S8“ kann durch seine Anschlüsse ebenfalls
als analoger Vier-Kanal-Mixer fungieren und Input-Signale
von Plattenspielern oder CD-Playern
aufnehmen, wie vom „Z2“ bekannt über die
„Traktor“-Mode-Buttons. Eingänge gibt es viermal
Cinch, zweimal Mikrofon sowie Midi-In und -Out.
An Ausgängen kommt mit Cinch, ¼“ Booth und
den Club-gängigen XLR-Anschlüssen alles zum
Einsatz, was gebraucht wird. Die Fader wurden
weiter verbessert und bieten nun mehr Schutz vor
den Gefahren eines langen Clubabends, wodurch
sie eine längere Lebensdauer gewährleisten. Zum
Austausch eines Faders muss angesichts der
Schrauben auf dem Front-Panel auch keine Seitenlange
ifixit.com-Anleitung gewälzt werden.
Beim Performen zeigt sich die Stärke des „S8“
ganz deutlich. Direkter Zugriff auf alle bekannten
und neuen Funktionen von „Traktor“. Die Remix-
Decks werden pro Deck zwar nur mit acht Zellen
repräsentiert, dafür fallen weitere Kontroller wie
ein „F1“ zum Beispiel weg. Die gleichen acht Pads
steuern in Track-Decks die Cue-Punkte an und
können für erweitertes Live-Rearrangieren auch
einzelne Slices im Freeze-Modus triggern.
Die Touchstrips ersetzen zahlreiche Funktionen
der weggefallenen Jogwheels suffizient,
indem sie die Möglichkeit zum Pitchbend geben
und Needle-Dropping/Track-Search sowie Vinyl-
Scratch-Emulation ermöglichen.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 71
Numark NV
Für Serato-User zeigt sich Numark mit dem „NV“ auf einem Weg, der Robustheit mit
Zugriff auf alle Funktionen vereint. Die Jogwheels sind vom Ansprechen und der
Bedienbarkeit her großartig. Die beiden gut lesbaren LCD-Displays bieten alle nötigen
Informationen, ohne auf den PC schauen zu müssen, und die Buttons ermöglichen ein
einfaches und ermüdungsfreies Mixen von bis zu vier Kanälen. Über die RGB-beleuchteten
Buttons kann man Samples, Cue-Punkte und Slices direkt ansteuern. Finger-Drumming ist
dank der Anschlagdynamik eine Freude. Bekannt sein könnten auch die berührungsempfindlichen
Regler für FX, EQs und Filter aus dem „NS7II“. Die Effekte von Serato werden
inklusive der zwölf exklusiven iZotope-FX mit dezidierten Reglern gesteuert. Die Jogwheels
sind aufgrund ihrer Bauweise in der Lage, sich an die äußeren Bedingungen hinsichtlich Temperatur
und Luftfeuchtigkeit anzupassen und stets mit adäquatem Ansprechen zu reagieren. So
kann das Jogwheel nicht nur zum Browsen und Scrollen, sondern auch zum präzisen Scratchen
genutzt werden. Passend zum (optionalen) Einsatz und Auftauchen des Sync-Buttons kann auch
dieser zum automatischen Beatmatching per Tastendruck verwendet werden. Oder man nutzt die
einfache BPM-Anzeige zur manuellen Anpassung von Songs. Als Ausgänge stehen Cinch und XLR
zur Verfügung, des Weiteren gibt es je einen 3,5/6,3 Millimeter Klinkenanschluss für Kopfhörer. Über
den AUX-Input oder Mic-Eingang können externe Signale eingeschleift werden.
Sugar Bytes Egoist
iZotope Ozone 6 Advanced
TECHNICS
PRODUKTE
Der „Egoist“ von Sugar Bytes ist ein Effekt-/Groove-Instrument und bietet die Möglichkeit, ein
Sample (bis hin zu einem ganzen Song) zu laden und es mit der eingebauten Drum-Maschine und
dem Bassline-Generator zusammen als eine Art simplifizierte DAW zu nutzen. Man nimmt sich
als Beispiel einen Song, den man gut findet, lädt ihn in den „Egoist“ und bestimmt die einzelnen
Slices wie Cue-Punkte. Dann kann entweder durch eine Randomize-Funktion eine unvorhergesehene
Abfolge generiert werden oder man programmiert seine eigene. Im Bass-/Beat-Tab fügt
man dem so erstellten Pattern eine Bassline und Drums hinzu, wobei hier das Augenmerk auf
Einfachheit und Bedienbarkeit liegt. Mit der nachgeschalteten Effects-Sektion können dann sieben
Effekte, die von „Effectrix“ oder „Turnado“ bekannt sein könnten, in wunderbar animierter Art und Weise den Spuren zugewiesen
werden. Hier und im Song-Sequencer kann die Random-Funktion erneut zu unerwarteten Ergebnissen führen. Mit dem Slice-Keys-
Feature können programmierte Patterns auf einem Keyboard live rearrangiert oder per Sequencer die erzeugten einzelnen Patterns
zu einem neuen Song verbunden werden. Als Performance-Oberfläche kann dann auf das „Egoist“-Tab zurückgegriffen werden,
der den Zugriff auf die wichtigsten Funktionen erleichtert.
Demo für 30 Tage unter: www.sugar-bytes.de/content/download/demo/index.php?lang=de
In einem vollkommen überarbeiteten Gewand stellt sich iZotopes Mastering-Tool „Ozone“
in der Version 6 vor. Die Gestaltung des eigenen, gewünschten Sounds soll damit verbessert
werden, ebenso wie der Workflow bei der Nutzung der einzelnen Funktionen. Neu sind
mehrere EQ-Filterkurven, die den Hardware-Baxandall-Tiefen- und Höhen-Filtern nachempfunden
wurden, ebenso wie die iZotope-typische, hochqualitative Neuauflage eines „Proportional-Q
Filters“ im API-Style. Die Bypass-Funktion wurde für den besseren Vorher/Nachher-Vergleich
optimiert, ebenfalls sind die Signalketten in der Standalone-Version ebenfalls
mit VST/AU-Plug-ins anderer Hersteller erweiterbar. Ein besserer Überblick über die Eingriffe
in das Signal wird über die Transient-Emphasis ermöglicht, wobei die klangliche Abrundung
des gewünschten Ergebnisses nun auch mit dem Exciter-Modus (Triode- und Dual-Triode-Modus), der Stereolize-Control und
verschiedenen Kompressionen über die variable Knee-Compression oder die Dynamics-Detection-Enhancements erfolgen kann.
Neue Presets in der Advanced-Version zeigen, wie all diese Features zusammenarbeiten. In der Advanced-Version kommt mit dem
Dynamic-EQ-Modul zudem ein EQ hinzu, der mehr oder minder eine Brücke schlägt zwischen der Präzision, die ein EQ bietet, und
dem Einfluss gepaart mit der Anpassungsfähigkeit eines Kompressors. Um sich annähernd ein Bild von den Möglichkeiten zu machen,
ist es ratsam, sich eine Demo-Version im Rahmen der Zehn-Tage-Trial-Version herunterzuladen.
72 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa PROMOTION
FARAH VINTAGE ist „Brit Chicì , den man mit Brands wie Fred Perry, Ben Sherman
oder Bench vergleichen kann und kommt aus dem Hause Perry Ellis, wozu auch
das bekannte Label Original Penguin gehört. Farah Vintage wurde bereits 1920
in den USA gegr¸ndet und besitzt seit den 1970er Jahren Kultstatus - insbesondere
in Groflbritannien. Dem UK ansässigen Brand gelingt eine Balance zwischen
Tradition und Zeitgeist. Durch die Verbindung von klarem Designs mit den
zeitlosen Traditions-Sportswear-Styles entsteht der für Farah Vintage typische
Look. www.farah.co.uk
Wie von PHILIPS FIDELIO zu erwarten, bietet
auch der neue M2L höchste Soundqualität
und ist zudem der erste Kopfhörer
mit Lightning-Anschluss. Mit leistungsstarken
40-mm-HD-Neodym- Magneten
als Lautsprechertreiber steht ein grofles
Dynamikspektrum zur Verfügung. Durch
das Design mit geschlossener Rückwand
wird aus gereifte Geräuschisolierung sowie
ein kontrollierter, dynamischer Bass
erreicht. www.philips.de
Absolute Präzision. Zuverlässigkeit in jedem Moment. Weltweit einsetzbar.
Attribute, die eine Uhr wie die neue GPW-1000RAF für die Piloten
der Royal Air Force unverzichtbar machen. So ist es kein Wunder, dass
für die erneute Zusammenarbeit zwischen G-SHOCK und der Air Force
auf die GPW-1000 zurückgegriffen wurde – dank Hybridtechnologie verarbeitet
sie sowohl GPS-Signale als auch Funkwellen und bleibt so an
jedem Punkt der Erde zuverlässig und exakt. Ihre Zugehörigkeit zeigt
die Limited Edition mit dem exakt gleichen Grauton des Gehäuses, den
die legendären Chinook Hubschrauber tragen.
www.g-shock.eu/de/uhren/premium/
Hervorgegangen aus der niederländischen
NGO Solidaridad, wollten die Gründer mit der
Etablierung von nachhaltig produzierter
Baumwolle den Denim-Markt einst revolutionieren.
Doch die groflen Player zeigten nur
wenig Interesse. Motivation genug für die
Macher von Solidaridad, um kurzerhand ihr
eigenes Label zu kreieren: KUYICHI. Seither
gilt die Marke als Pionier für nachhaltig produzierte,
hochwertige Denims.
www.kuyichi.com
Mit dem Military Blanket Pack widmet sich PALLADIUM diesen Winter speziell den Männern.
Inspiriert von klassischen Militärdecken erscheinen die Modelle Tactical Plus und
Pallabrouse Baggy Plus in einem spannenden Mix aus vegetarisch gefärbtem Glattleder
und gestreiftem Filz. Ebenfalls im Military Blanket Pack: Der Pampa Tactical WP für
Frauen und Männer aus hochwertigem, wasserfestem Leder. www.palladiumboots.de
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 73
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
INTERVIEW & TEXT: FREDERIKE ARNS
FOTOS: FREDERIKE ARNS, NIKO HÜLS, PETRA (HIP HOP KEMP)
Champion Sound:
„entas da Stage!“
Ein Interview mit
CHAMPION SOUND
Wie schaffen es fünf tschechische Jungs, mit ihrer Band Champion Sound 90er-Helden wie Diamond D oder Black
Moon dazu zu bewegen, mit ihnen aufzutreten? Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme, die erste Begegnung,
Stress bei der Generalprobe und Glückseligkeit nach dem Auftritt – unsere Redakteurin Frederike Arns durfte alles
miterleben.
74 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa MUSIC
22. August 2014. 14 Uhr. Hradec Králové, Tschechien.
Der zweite Festival-Tag des legendären Hip
Hop Kemp. Kaum wach. Irgendwie noch matschig
im Gesicht. Man hat den ersten Tag schon in den
Knochen. Hitze. Ein heruntergekommener, staubiger
Hinterhof in der Praska-Trida-Straße 686, weit
entfernt vom Festivalgelände. Alle anderen Festivalbesucher
schlafen sicher noch.
Man betritt einen Proberaum. Kein Unterschied
zu allen anderen Proberäumen dieser Welt: kaum
Platz, Schaumstoff-Dämmung an den Wänden, ein
rot-ranziges Sofa, Mikrofone, Gitarre, Bass, Schlagzeug,
Marshall-Verstärker und weitere Instrumente.
Es sieht nach Rock’n’Roll aus. Wenn da nicht die
beiden Turntables wären und ein Banner, auf dem
„Champion Sound“ steht.
Die Band Champion Sound ist Hip-Hop par excellence.
Vielleicht kann man sogar sagen, dass die
Mitglieder Radimo (Bandleader – Saxofon, Flöte,
Drumpad und Samples), Mrak (Gitarre), Watcha
(Bass), Gury (Schlagzeug) und Tomáš (Soundmann)
ein kleines bisschen wie The Roots aus Osteuropa
sind. Die meiste Zeit jedenfalls sind Champion
Sound die Haus- und Hofband der tschechischen
Hip-Hop-Instanz Prago Union. Sie haben schon mit
allen Künstlern, die in Tschechien oder der Slowakei
im Hip-Hop Rang und Namen haben, zusammengearbeitet.
Darüber hinaus sind sie viel in Europa unterwegs
und sorgen für die Breakbeats bei großen
B-Boy-Veranstaltungen wie Battle of the Year, The
Notorious IBE oder Juste Debout. Auch gewisse
Ami-Rapper können die Finger nicht von ihnen lassen.
Was liebt ihr an Hip-Hop und wie seid ihr darauf
gekommen, ihn als Liveband zu begleiten?
Tomáš: Ich liebe die einfache, klare Energie der
Beats. Und sehr gute Lyrics – wenn sie nicht von Autos,
Drogen und Bitches handeln.
Watcha: Ich liebe die Improvisation, wenn wir Tänzer
begleiten. Da kommt alles zusammen, was einen
guten Vibe erschafft: Musik, Lyrics, Tanz und Style.
Radimo: Die Idee von einer Hip-Hop-Liveband hatte
ich schon ziemlich früh. Ich lernte The Roots kennen,
der Inbegriff von Hip-Hop durch eine Band. Unser
Vorbild, auch wenn es uns fern liegt, sie zu kopieren.
Es gab auch noch andere Bands, die Hip-Hop live
gespielt haben. Das war aber nie das, was ich mir
vorgestellt, erhofft und gewünscht hätte. Seitdem
war es mein Traum, eine eigene Band zu haben, die
Hip-Hop-Künstler auf die Art und Weise begleitet,
wie ich es für richtig halte. Mein Traum ist wahr geworden
– Champion Sound gibt es seit 1997.
Was macht ihr denn anders als die anderen?
Radimo: Was uns von anderen unterscheidet, ist
die Herangehensweise. Man stelle sich ein klassisches
Orchester-Sample vor. Ganz viele Bands
würden es mit einem Streicher-Sound vom Keyboard
imitieren. Das ist schon ein bisschen grauenvoll.
(lacht) Wir hingegen diggen den Beat bis aufs
Äußerste, tauchen in ihn ein und analysieren ihn bis
ins kleinste Detail. Dann experimentieren wir und
schauen, wie wir am allernächsten an das Original
herankommen. Deswegen suchen wir auch immer
nach dem Original-Song und samplen diesen erneut
– wie der
Produzent es
selbst auch
schon getan
hat. Wir durchleben
also den
ganzen Sampling-Prozess
erneut. Wenn
wir auftreten, sind die Drums und der Bass immer
live. So stellen wir die Live-Energie in der Rhythmus-Sektion
sicher. Wenn es einen Gitarren-Part
gibt, bauen wir den auch noch ein. Wenn wir einen
Sound überhaupt nicht zuordnen können, ist die
Gitarre meistens in der Lage, ihn zu imitieren. Ähnlich
das Saxofon, die Flöte oder die Percussions.
Der Rest kommt dann entweder vom Computer
oder Drumpad. Also: Wir sind mit Sicherheit nicht
die beste Band, die Hip-Hop begleitet. Aber in unserer
Methode sind wir die Besten. Das verhilft uns
tschechischen Jungs dann auch dazu, dass wir die
Ehre haben, mit Leuten wie Diamond D oder Black
Moon zu spielen.
Mit Diamond D sind Champion Sound 2012
beim Hip Hop Kemp aufgetreten und danach mit
ihm auf Tour gegangen. Heute stehen das erste
Treffen und gleichzeitig die Generalprobe mit
Black Moon an.
Deswegen zurück in den Proberaum irgendwo
in Hradec Králové. Als stiller Beobachter
schleicht man sich auf das alte Sofa, um die
Musik auf sich wirken zu lassen. Man hört ein
waberndes, glimmerndes, fast wüstenartiges
Sample, die Gitarre macht „Düdeldüdeldüdeldüüü“
und der Bass geht schwerfällig immer
zwei Schritte nach vorne. Eine gehörige Portion
Jazz. Unverkennbar Black Moons beziehungsweise
Da Beatminerz’ Signature-Sound und das
Intro von „Who Got da Props“. Was für eine Willkommenshymne
für die BACKSPIN-Redakteurin
im Proberaum! Als sich der Beat vollends ausbreitet,
will man am liebsten aufspringen, weil
der Sound einen so gefangen nimmt. Champion
Sound haben nicht zu viel versprochen: Ihre live
gespielten Instrumentals sind von den Originalen
kaum zu unterscheiden.
Eine Sache fehlt aber noch: der Rap von Black
Moon. Bis jetzt haben sich Buckshot, 5ft und DJ
Evil Dee nicht im Proberaum blicken lassen, obwohl
sie laut Ankündigung schon längst hätten
da sein müssen. Typisch. Hip-Hop-Protagonisten
sind öfter zu spät. Sie befänden sich gerade noch
bei KFC – Lángos kennen beziehungsweise mögen
sie wohl nicht – und würden sich daraufhin
direkt auf den Weg machen. Nun gut. Genug Zeit,
um weiteren Instrumentals wie „Powaful Impak!“
„SIE KLINGEN GUT, SIE SPIELEN
GUT UND SIE SEHEN GUT AUS“
(BUCKSHOT)
oder dem Saxofon-Intro von „Shit Iz Real“ zu lauschen.
Weiteres Fachsimpeln auf Tschechisch –
nur Radimo kann fließend Englisch. Letzte Verbesserungen
an den Beats. Die Ruhe vor dem Sturm.
Auf einmal fährt ein Wagen vor. Und sie sind
da. Auf dem „Enta da Stage“-Cover ist nicht zu
erkennen, dass DJ Evil Dee tatsächlich so ein
Koloss ist. Seine mit einem Tuch aufgetürmten
Rastas verstärken diesen Eindruck noch. Die Körpergröße
von Buckshot und 5ft ist das genaue
Gegenteil. Sie hat man zwar klein, aber nicht so
klein – nahezu winzig – erwartet. Bizarr ist das
richtige Wort für diese erste Begegnung. Übliche
Hip-Hop-Begrüßungsformeln und -gesten, Smalltalk,
Sprachbarrieren. Die BACKSPIN-Redakteurin
muss von beiden gemeinsam posierenden Bands
Fotos machen. Die einen fühlen sich wohl, die anderen
weniger. Buckshot drückt einigen Champion-Sound-Mitgliedern
neue Sneaker für das Foto
in die Hand. Die Preisschilder sind noch befestigt,
offenbar ist das sein neues Business neben Hip-
Hop …
Was ist euer Alleinstellungsmerkmal? Warum
wollen 90er-Größen wie Diamond D oder Black
Moon mit euch arbeiten?
Radimo: Schwierige Frage, da kann ich nur spekulieren.
Wie gesagt, unsere Interpretationen der
Beats liegen sehr nah am Original. Der andere
Grund ist sicher ein praktischer: Wir sind Europäer.
Wenn ein 90er-Rapper auf Tour geht, hat er
meistens nicht die finanziellen Mittel, eine ganze
Liveband einzufliegen. Wir leben in Tschechien
und sind nicht die Teuersten. Zudem erfordern
Instrumentals keine sprachliche Ebene – das ist ja
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 75
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
auch unser Vorteil bei Breakbeats für B-Boy-Veranstaltungen.
Um zu connecten, brauchen wir nur
das Feeling der Musik.
Wie leitet ihr die Zusammenarbeit ein? Das
stelle ich mir schwierig vor …
Radimo: Zuallererst überlegen wir uns natürlich,
mit wem wir gerne zusammenarbeiten möchten.
Weitere Traum-Kollaborationspartner von uns
sind übrigens Q-Tip, Madlib oder KRS-One, falls
die das hier lesen sollten. (lacht) Dann suchen wir
den ersten Kontakt, was sich oft als sehr schwierig
gestaltet. Aber dafür haben wir zwei Asse im
Ärmel. Zum einen Affro, unseren Manager und
Organisator des Hip Hop Kemp, und zum anderen
Karin, die Bookerin von Subotage Entertainment.
Die beiden kennen einfach jeden, der im Hip-Hop
Rang und Namen hat. Wenn der erste Kontakt
steht und die Künstler nicht abgeneigt sind, beginnen
wir, deren Beats zu proben und aufzunehmen.
Wir lassen sie hereinhören und schauen, ob ihnen
unsere Arbeit überhaupt gefällt. Dazu nutzen wir
YouTube, wo wir Aufnahmen von unseren Proben
hochladen. Für Black Moon haben wir das
mit einer Session von „Shit Iz Real“ getan. Dann
kommt die Zu- oder Absage. In Black Moons Fall
hat uns Dru Ha von Duck Down Music die Setlist
geschickt. Dann ging unsere Arbeit richtig los. Wir
waren zeitlich schon sehr in Verzug, weswegen
wir die Band um Hilfe bei der Suche nach den
Sample-Originalen gebeten haben. Aber wie es
scheint, erinnern sie sich an einige Samples selbst
nicht mehr. (lacht) Aber wir haben es gemeistert.
Kurz vor dem Auftritt haben wir dann nur eine Generalprobe
und den Soundcheck.
Deswegen muss nach der ausführlichen Begrüßung
und dem Fotoshooting mit den Sneakern
auch direkt die Arbeit angepackt werden.
Während Buckshot an seinem Handy herumspielt,
fragt er mit halber Aufmerksamkeit: „Seid
ihr mit unserer Musik vertraut?“ Ein bisschen witzig
ist das schon. Am liebsten möchten Champion
Sound mit „Nein!“ antworten. Aber natürlich
bleiben sie höflich. Es muss wahrscheinlich erst
einmal angezeigt werden, wer hier der Boss ist.
Machtspiele mit einer gehörigen Prise Testosteron.
Es wird vorgespielt. Buckshot und 5ft zappeln
herum, gucken sich um und wirken aufgrund des
Konsums gewisser Substanzen weiterhin ein wenig
unaufmerksam und dennoch hyperaktiv.
DJ Evil Dee greift mehrfach zu seinem Asthma-
Spray, man ist ein wenig besorgt um ihn. Grundsätzlich
gefällt ihm der Sound, er hat lediglich einige
Anmerkungen zu den Drums: „Sie müssen
den Bass dominieren. Hart und laut auf einer kickenden
Snare. Ich weiß, wovon ich spreche, ich
bin selbst Drummer.“ Der Drummer Gury kann
diese Anforderung schnell umsetzen, auch wenn
er kaum Englisch versteht.
Irgendwann ist die Stimmung nicht mehr so
gemäßigt. Es entfacht eine Diskussion über die
Samples vom Computer – den letzten Rest, den
Champion Sound nicht live reproduzieren können.
Es geht um die Enden der Songs: „Ich will auf der
Bühne eine gute Zeit haben und das Publikum unterhalten.
Spielt einfach weiter, wenn das Sample
ausläuft“, so Buckshot. Laut Radimo sei dies nur
begrenzt möglich, weil die Originalität des Beats
darunter leide. Die Gesichter werden ernster.
Aus dem Umstand, dass die Spontaneität zu
einem gewissen Maß limitiert ist, entwickelt sich
später ein richtiger Streit. Man bekommt regelrecht
Angst, ob das mit dem Auftritt noch etwas
wird. Buckshot äußert bestimmt und ernst: „Bei
einer Liveshow sind wir das Gegenteil von Robotern!
Bei euch bin ich mir da nicht so sicher!“
DJ Evil Dee setzt dem Ganzen die Krone auf und
schreit: „Ihr macht alles, was ich hasse! Als Hip-
Hop-DJ hat man alle Spontaneität der Welt und ihr
als Liveband verbaut uns das!“
An dieser Stelle hält man es als BACKSPIN-Redakteurin
für die richtige Entscheidung, die Generalprobe
zu verlassen, weil die Situation zu heikel
ist. Hier verliert die Paparazzo-Manier gegen die
Hip-Hop-Liebe.
Meistens seht ihr die amerikanischen Acts ja nur einen
Tag, bevor ihr mit ihnen auf dem Hip Hop Kemp
performt. Die Generalprobe ist gleichzeitig die erste
Begegnung. Wie bei Black Moon erlebt, kann das
sehr anstrengend sein …
Radimo: Ja, mit Black Moon war es zeitweise sehr
anstrengend und schwierig. Aber auf der anderen
Seite haben sie auch versucht, freundlich zu sein
und sich zu bedanken. Ich kann ihr Verhalten auch
sehr gut verstehen. Sie lieben eben ihre Musik.
Sie kämpfen dafür, dass sie live zusammen mit
uns das beste Ergebnis abliefern. Am Ende haben
wir uns wider Erwarten zusammengerauft. Wir
können jetzt sagen, dass die Show großartig wird.
Black Moon ist die Spontaneität am wichtigsten,
das mussten sie uns klarmachen.
Bei Diamond D lief es ganz anders ab. Er ist auch
einen Tag vorher zur Generalprobe gekommen,
hat sich hingesetzt und uns gebeten, das Set einmal
komplett durchzuspielen. Er saß da und hörte
aufmerksam zu. Als wir fertig waren, schwieg er
eine Zeitlang und bat uns, das ganze Set noch einmal
zu spielen. Wir waren ziemlich irritiert. Dann
waren wir wieder fertig, er schwieg erneut und
irgendwann sagte er: „Großartig, so machen wir
das morgen!“ Dann ist er wieder gegangen. (lacht)
Der Stress hängt immer von vielen Faktoren ab:
Zwischenmenschliches, technische Probleme,
Zeitdruck und vieles mehr. Wenn wir beim B-
Boying spielen, haben wir ähnliche Probleme. Bei
Battles musst du unheimlich auf die Tänzer, den
Wechsel und die Zeit achten, sonst wird es unfair.
Das ist auch sehr anstrengend. Andererseits entsteht
das Beste eben unter Druck. Wenn ich zurückdenke,
waren die besten Shows meistens die,
76 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa MUSIC
für die wir nur eine Woche oder weniger Zeit zur
Vorbereitung hatten. Jeder hätte gern ein Leben
ohne Stress, aber so läuft es eben nicht.
Seid ihr nun aufgeregt, so kurz vor dem Auftritt?
Tomáš: Positiv aufgeregt, aber nicht gestresst. Es
wird eine Oldschool-Live-Invasion!
Radimo: Jeder fühlt sich anders. Ich für meinen
Teil als Bandleader habe so viele Dinge im Kopf,
die schiefgehen könnten. Da ist kein Platz für positive
Aufregung. Auch danach, wenn alles vorbei
und gut gelaufen ist, bin ich einfach nur fix und
fertig. (lacht) Dann spreche ich erst einmal mit
niemandem. Und dann „entfriere“ ich irgendwann
und alle Bedenken über technische Probleme driften
weg. Erst dann werde ich langsam glücklich
und die positive Aufregung kommt heraus.
Watcha: Ich bin im Stand-by-Modus. Wie eine Art
Meditation.
Mrak: Bei mir ist es gerade die Ruhe vor dem
Sturm. Aber der Soundcheck lief super, deswegen
bin ich frohen Mutes. Es soll jetzt endlich losgehen!
Und es geht los. 23. August 2014. 18 Uhr. Main
Stage. Am dritten Festival-Tag des Hip Hop Kemp
ist es für Black Moon und Champion Sound so
weit. Zwar kein Headliner-Slot, dafür aber mit
einem schwer begeisterten Publikum. Die Oldschool-Live-Invasion,
von der Tomáš sprach, gelingt.
Jedes Timing stimmt und Buckshot und 5ft
wird trotzdem genug Freiraum für Spontaneität
und Interaktion mit dem Publikum eingeräumt. Sie
springen in den Bühnengraben und geben ihr Bestes
im direkten Kontakt mit dem Publikum an der
Absperrung. Trotzdem bleiben Buckshots Sneaker
an den Füßen wie neu und die Preisschilder sind
immer noch nicht abgeschnitten. Fragen danach,
wer das beste Weed im Publikum raucht, amüsieren.
Die Hände und Körper bouncen. Freestyles
beweisen, dass die beiden kleinen Rapper es immer
noch drauf haben. „Who Got da Props“ ist der
letzte Song der Show und feiert das 20-jährige Jubiläum
von Black Moons Meilenstein-Album „Enta
da Stage“.
Nach dem Auftritt „entfriert“ Radimos Körper
ganz langsam, er kann endlich die ganzen technischen
Bedenken über Bord werfen und glücklich
und zufrieden über den Auftritt sein. Die Strapazen
haben sich gelohnt.
Der Auftritt zusammen mit Black Moon ist nur
der Anfang der Zusammenarbeit. Im November
und Dezember sind die beiden Bands gemeinsam
auf Europatour durch Deutschland, Tschechien,
Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland und
die Schweiz gegangen. Zudem brachten Champion
Sound im November ihre erste 7-Inch-Vinyl
heraus. Auf der A-Seite befindet sich ein eigener
Funk-Soul-Song mit der deutschen B-Boy-Legende
Storm als Sänger. Auf der B-Seite ist eine Kollaboration
mit dem dänischen Scratch-Wunder DJ
Static.
Das letzte Wort wird Black Moon überlassen.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Champion
Sound?
5ft: Bei der Probe mussten wir uns erst einmal
kennenlernen. Wir drei sind sehr eingespielt,
Champion Sound mussten wir erst zeigen, wie es
bei uns bei Auftritten läuft.
DJ Evil Dee: Das war nichts Persönliches, das war
nur Business. Wir mussten es in Gang bringen, damit
es funktioniert und wir den allerbesten Sound
abliefern. Verstehst du, was ich meine?
Buckshot: Jetzt matchen wir mit ihnen. Sie klingen
gut, sie spielen gut und sie sehen gut aus.
Mehr Infos zu Champion Sound unter:
www.championsound.cz
antilopen gang aversion
TOUR 2014/2105
04.12.14 DRESDEN / GROOVESTATION (AUSVERKAUFT)
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12.12.14 BRAUNSCHWEIG / NEXUS
13.12.14 BREMEN / LAGERHAUS
14.12.14 HAMBURG / HAFENKLANG (AUSVERKAUFT)
18.12.14 WIESBADEN / SCHLACHTHOF (AUSVERKAUFT)
19.12.14 REUTLINGEN / FRANZ.K
20.12.14 KÖLN / GEBÄUDE 9 (AUSVERKAUFT)
11.02.15 MÜNSTER / GLEIS 22
12.02.15 MARBURG / KFZ
13.02.15 FRANKFURT / ZOOM
14.02.15 STUTTGART / 1210
15.02.15 ULM / CLUB SCHILLI
19.02.15 HEIDELBERG / HÄLL
20.02.15 KONSTANZ / KULTURLADEN
21.02.15 AARAU (CH) / KIFF
22.02.15 KARLSRUHE / SUBSTAGE
25.02.15 MÜNCHEN / STRØM (ZUSATZKONZERT)
26.02.15 WÜRZBURG / CAIRO
27.02.15 ERLANGEN / E-WERK
28.02.15 GRAZ (A) / PPC BAR
01.03.15 WIEN (A) / B72
12.03.15 GÖTTINGEN / MUSA
13.03.15 LEIPZIG / UT CONNEWITZ
14.03.15 BERLIN / SO36 (ZUSATZKONZERT)
19.03.15 ROSTOCK / PETER WEISS HAUS
20.03.15 LÜBECK / TREIBSAND
21.03.15 HANNOVER / FAUST
27.03.15 HAMBURG / KNUST (ZUSATZKONZERT)
31.03.15 OLDENBURG / AMADEUS
01.04.15 BOCHUM / BHF LANGENDREER
02.04.15 DÜSSELDORF / ZAKK
DAS ALBUM »AVERSION« ALS
CD, DOPPEL-VINYL UND DOWNLOAD.
INTERVIEW: NIKO HÜLS
FOTOS: DANIEL ESSWEIN
DIE LP
MEINES LEBENS:
mit Vega
Seine Wahl hatte er schnell getroffen.
„Leben“ von Azad hat Vega
als die LP seines Lebens auserkoren.
Warum sich der Frankfurter,
der am 16. Januar 2015 sein neues
Album „Kaos“ veröffentlicht, für
genau diesen Longplayer entschieden
hat und was er mit der
LP verbindet, das erzählt er hier.
„FÜR MICH WAREN ‚LEBEN‘ UND ‚FEUER-
WASSER‘ VON CURSE GENAU DIE MUCKE,
DIE ICH IMMER MACHEN WOLLTE.“
Vega, die Frage, welches Album die LP deines
Lebens ist, hast du mit „Leben“ von Azad beantwortet.
Warum hat dich Azads Debütalbum
so beeindruckt?
Das hat viele Gründe. Erstens ist es schlichtweg
das Album, das mich am längsten begleitet hat.
Es hat mich auch am meisten beeinflusst und mir
in meiner Jugend – ich war circa 16, als es erschienen
ist – am meisten gegeben. Den Legendenstatus
aber, diesen 100-prozentigen Wert, den habe
ich erst die letzten zwei, drei Jahre geschätzt.
Warum?
Es ist unglaublich vielseitig und war für den damaligen
Zeitpunkt auch technisch sehr ansprechend.
Zugleich hat es eine unglaubliche Tiefe und Message.
Und von der Produktion her, dadurch, dass
Azad es selbst produziert hat, war es das erste
Album, das diesen Frankreich-Touch hatte – mit
den vielen Pianos und so weiter. Für mich war es
seiner Zeit einfach weit voraus.
Erinnerst du dich, wie du damals mitbekommen
hast, dass es dieses Album gibt? Und hast
du es dir gekauft?
So genau weiß ich das gar nicht mehr. Aber ich
glaube, dass ich das „Napalm“-Video gesehen
habe, was ja wahrscheinlich vorher rauskam. Ich
will da jetzt aber auch nichts Falsches sagen. Jedenfalls
habe ich auch vorher schon Deutschrap
gehört, aber „Napalm“ war der erste Song, das
erste Video, was von der Stimmung und von der
Richtung her genau meinen Geschmack traf. Die
vermummten Leute in dem Video, es wirkte so
Untergrund-mäßig. Und es war Frankfurt. Außerdem
hatte der Song einen anderen Sound als die
Rap-Sachen, die ich schon kannte. Ich muss dazu
sagen, dass das auch der Anfang meiner Rap-Karriere
als Fan war. Und ich war dann so krass geflasht,
dass ich zu einem Plattenladen gegangen
bin, Ramtam. Das war so ein kleiner Plattenladen
in der Wetterau, und der konnte das vorbestellen.
Und da hast du dir das Album dann gekauft?
Genau, die haben das vorbestellt und ich bin am
Release-Tag dahin und holte es ab. Lustigerweise
bin ich an dem Tag zum ersten Mal mit meinen Eltern
in den Urlaub an die Ostsee gefahren. Ich saß
dann hinten im Auto mit meinem neuen Discman,
der 50 Sekunden shock-resistant war. Der spielte
die CD auch weiter, wenn man mal über einen
Hubbel fuhr. Sechs Stunden sind wir damals mit
dem Auto gefahren, und ich habe die ganze Zeit
das Album gehört. Ich kann das gar nicht in Worte
fassen. Und auch das Artwork fand ich unglaublich.
Auf dem Album ist auch der Song „Gegen den
Strom“, in dem Azad einigen Rappern vorwarf,
sich zu sehr in Richtung Mainstream zu bewegen.
Wie hast du den Song damals aufgefasst?
Darüber habe ich mir damals noch keine Gedanken
gemacht. Dafür war ich noch zu jung. Ich
habe mir mit diesem Album erst meine Meinung
gebildet und fühlte mich danach immer mehr von
dieser Hardcore-Rap- und Real-Hip-Hop-Ecke angezogen.
Besonders kritisiert hat Azad auf dem Album
Samy Deluxe. Nun hast du dich vor einigen
Monaten auch über ihn geäußert. Schließt sich
da ein Kreis?
Was heißt, da schließt sich ein Kreis? Ich denke,
78 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
dass ich heute erwachsen genug bin, das, was
Samy jetzt macht, distanziert beurteilen zu können.
Damals, als 16-Jähriger, fand ich ihn halt
bescheuert, weil Azad ihn bescheuert fand. Samy
war damals in Frankfurt ein Tabuthema. Aber
die Musik war auch so grundverschieden. Wenn
man Azad gefeiert hat, hat man doch automatisch
Samy nicht gefeiert.
Kann man sagen, dass Azad mit diesem Album einen
großen Effekt auf die jungen Typen in Frankfurt
hatte? Wie hast du das wahrgenommen?
Mein direktes Umfeld wurde von dem Album begleitet
und bis zu einem gewissen Punkt auch miterzogen.
Das ist das, was ich meine, wenn Azad
auf „Leben“ Zeilen hat, in denen er sagt: „Sei ein
guter Mensch, denn dein Charakter
bestimmt dein Schicksal.“ Der war
damals halt schon der Allergrößte.
Er war unser Idol, die Nummer eins.
Und wenn du ein Idol hast, das dir
so einen Grundtenor mitgibt, dann
nimmst du dir das krass zu Herzen
und versuchst, es umzusetzen. Er
hat auf diesem Album Straßenrap
gemacht und hardcore Leute gedisst.
Gleichzeitig hat er aber auch
gesagt: „Bleib ein guter Mensch.“
Verglichen mit heute, wo die Kinder
gesagt bekommen: „Der ist ein Hurensohn
und dessen Freundin ficke
ich weg“ ist das schon grundverschieden.
Hat es für dich eine Rolle gespielt,
dass das Album auf 3p, also einem
Frankfurter Label, erschienen ist?
Auch darüber habe ich damals nicht
nachgedacht. Die RHP-Sachen hatte ich nicht direkt
mitbekommen, dafür war ich damals noch zu
jung. Als ich später Leute traf, die schon länger in
der Szene waren, bekam ich aber mit, dass das
damals eine relativ verrückte Geschichte gewesen
sein muss. 3p stand ja für kommerzielle Musik.
Dennoch haben sie von Azad so ein Underground-
Ding releast. Als ich dann später anfing, Moses zu
hören, war das Thema, dass man einen als Kommerz-Rap-Chabo
verschrien hat, auch schon wieder
vorbei. Ich feiere Moses jedenfalls unglaublich
und habe ihn auch auf meinem Album.
Wenn man sich deine Karriere anschaut, wird
deutlich, dass das, was Azad und Frankfurt schon
damals vertreten haben, auch in deiner Musik
von Anfang an eine sehr große Rolle gespielt hat.
Wie viel Einfluss hatte das Album auf dich als
Rapper und auf deinen Karriereweg?
Es hatte einen unglaublichen Einfluss. Für mich
waren „Leben“ und „Feuerwasser“ von Curse
genau die Mucke, die ich immer machen wollte.
Das hört man natürlich. Wenn ich mir in meiner
Findungsphase eine Richtung hätte aussuchen
können, in die die Sachen gehen sollen, hätten
sie auf jeden Fall wie „Feuerwasser“ von Curse
und „Leben“ von Azad geklungen. „Leben“ war
in meinen Augen von der Vielfalt und von dem
Sound her nahezu perfekt. Natürlich habe ich
mich daran in meiner Anfangsphase brutalst orientiert.
Also kann man sagen, dass du diesen typischen
Frankfurt-Rap, den Leute wie Azad gestartet
haben, ein Stück weit fortführst?
Ich denke, dass es einen Frankfurt-Sound gibt,
den man auch immer noch hört. Aber den kann
man nicht allein Azad auf die Mütze schreiben.
Vor ihm gab es Konkret Finn oder auch die Asiatic
Warriors, wobei die noch auf Englisch gerappt haben.
Zu diesem Frankfurt-Sound haben jedenfalls
viele Köpfe etwas beigetragen – und das wird in
der Stadt von Generation zu Generation weitergegeben.
Jedenfalls haben wir uns an denen orientiert
und die, die nachkommen, werden sich dann
wahrscheinlich an Haftbefehl oder vielleicht Bosca
oder mir orientieren. Und so bleibt der Sound
dann traditionell erhalten.
Ist dir das wichtig?
Ja, ich finde das schon wichtig. Gerade in den
Staaten hast du das ja auch ganz extrem, dass gewisse
Regionen einen gewissen Sound vertreten.
Und ich finde es wichtig, dass wir das in Frankfurt
auch haben. Ich glaube auch, dass wir damit in
Deutschland relativ alleine sind. Man kann sagen,
dass alles, was aus dieser Stadt kommt, diesen
Frankfurt-Sound hat. Das hat man woanders nicht
so krass.
Hörst du heute noch manchmal das „Leben“-
Album?
Sehr sporadisch. Aber Azad macht ja immer noch
Mucke. Und ich freue mich immer, wenn er etwas
Neues herausbringt und ich feiere auch seine Weiterentwicklung.
Die neuen Sachen sind wesentlich
besser gerappt, und sie klingen auch besser.
Demnach höre ich dann eher die neuere Mucke.
Auf deinem Album habt ihr einen gemeinsamen
Song. Wie war die Zusammenarbeit?
Für mich war das eine unglaubliche
Erfahrung, zu sehen, wie er arbeitet
und wie perfektionistisch er ist.
Das bringt auch ein bisschen Licht
ins Dunkel, weil das ganze Land ja
gerne mal jahrelang auf seine LP
wartet. Wenn man einmal mit ihm
zusammengearbeitet hat, weiß
man, warum. Er will es perfekt machen
und ist sehr detailverliebt. Es
war für mich auch viel mehr, als
nur diesen Song aufzunehmen. Ich
habe viel mit ihm geredet, auch
über alte Zeiten. So bekommt man
einen Einblick in eine frühere Frankfurter
Rap-Welt, den man sonst
in meinem Alter nicht bekommen
kann. Die Gespräche und die Zeit,
die ich mit ihm da verbracht habe,
waren am Ende fast wertvoller als
das Stück Musik, das dabei herausgekommen ist.
Strebst du als Rapper danach, auch so ein Album
in deiner Diskografie zu haben, wie es Azads
„Leben“ für dich ist?
Natürlich wünscht man sich das. Wobei es auch
sein könnte, dass ich – wenn man das auf meine
Gegend bezieht – das vielleicht schon habe. Ich
sehe, dass viele von den jungen Leuten, die hier in
Frankfurt anfangen, Musik zu machen, mein erstes
Album „Lieber bleib ich broke“ ähnlich beeinflusst
hat wie mich damals „Leben“. Das Album ist allerdings
noch relativ jung, es kam 2009. Aber ich
habe die Hoffnung, dass in zehn Jahren jemand
dasselbe über dieses Album sagen wird wie ich
über „Leben“.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 79
G-SHOCK
kommt in neuem
Tarngewand
Der Trend Camouflage ist nun auch in
der neuen Casio G-SHOCK Kollektion
zu finden. Auch, wenn die Muster
entwickelt wurden, um in der Natur
mit dem Hintergrund verschmelzen
zu können, geschieht in der Mode
das Gegenteil. Denn das auffallend
unauffällige Muster steht modisch im Kontrast
zum größtenteils einfarbig und schlicht gehaltenen
Mainstream. Mit „Meant to hide, worn
to show off“ erschuf Casio 2014 einen starken
Leitfaden für die G-SHOCK GD-120CM, die GD-
X6900CM und die GA-100CF.
Seit Ende November stehen nun auch drei neue
Versionen der stoßfesten und Outdoor-geprüften
Chronographen zum Verkauf. Die Neuerscheinungen
gibt es jeweils in unterschiedlichsten
Farbvariationen, im starken All Over-Print.
Die komplett im Laubtarn-Camo gehaltenen
Modelle GA-110CM und GA-100CM und die im
Tiger-Camo gemusterte GD-X6900TC erscheinen
in den klassischen vom Militär genutzten
Camouflage-Farben Grün/Braun und Schwarz/
Grau/Weiß, sowie in neuen Tönen wie Gelb,
Dunkelrot und einem starken Grün. Die GA-
100CF stellt die dezentere Version der auffälligen
G-SHOCK Serie Reihe dar. Zu schwarzem
Gehäuse und schwarzem Armband aus Resin
steht das gemusterte Zifferblatt im Kontrast.
Auch hier sind die Farbvariationen Oliv/Braun
und zwei Versionen in Schwarz/Grau/Weiß
verfügbar. Das grün-braun gemusterte Zifferblatt
zeichnet sich durch goldene Akzente aus,
die Versionen in Grautönen bestechen mit silbernen
Details.
Die technische Ausstattung der Camo-Series
glänzt mit der typischen G-SHOCK Stoßfestigkeit,
stabilem Mineralglas, Super Auto LED-Beleuchtung,
Alarm- und Stoppuhrfunktion sowie
einer Datumsanzeige. Zusätzlich dazu besitzen
alle Uhren eine Weltzeitfunktion, eine 7 Jahre
haltende Batterie und einen Display Flasher.
Preislich liegt die GA-110CM bei 159,- , die GA-
100CM und GD-X6900TC bei 149,- und die GA-
100CF bei 119 . Weitere Informationen zu den
neuen G-SHOCK Camouflage Modellen unter
www.g-shock.eu/de/.
80 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
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08.04. FRANKFURT 10.04. ZÜRICH 11.04. WIEN
12.04. MÜNCHEN 13.04. NÜRNBERG 15.04. LEIPZIG
16.04. BERLIN 17.04. HANNOVER 18.04. MÜNSTER
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06.03. ERFURT 07.03. WIEN 08.03. MÜNCHEN
09.03. NÜRNBERG 15.03. HANNOVER 16.03. HAMBURG
17.03. BREMEN 21.03. ZÜRICH 22.03. STUTTGART
23.03. SAARBRÜCKEN 24.03. KÖLN 26.03. DORTMUND
27.03. WIESBADEN 08.04. MAGDEBURG
09.04. DRESDEN 10.04. LEIPZIG
11.04. BERLIN
„Natürlich bin ich nicht die ‚Nummer Einz’“
INTERVIEW: SHANA KOCH
FOTOS: WILMA PETERS
Wagt man einen Rückblick, war B-Tight in der Vergangenheit alles andere als untätig. Mit „Drinne“ wagt er eine
Exkursion in die Crossover-Szene, tritt mit der Platte beim Bundesvision Songcontest 2012 an und wird ganz
nebenbei noch Familienvater. Sieben Jahre nach „Goldständer“ – dem letzten Hip-Hop-Album von B-Tight – ist
der ehemalige Aggro-Berlin-Künstler zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Im Januar 2015 soll mit „Retro“ seine
neue Platte in den Läden stehen. Ein guter Anlass, um B-Tight fünf Fragen zu stellen.
DIE HOHE FÜNF MIT
B-TIGHT
„Zum Glück habe ich die Kurve immer wieder gekriegt
und bin jetzt kein Junkie unter der Brücke.“
Wirft man einen Blick in deine Biografie, stolpert
man über Worte wie „frauenfeindlich“ und „drogenverherrlichend“,
die dich früher charakterisiert
haben. Das trifft heute nicht mehr ganz auf
dich zu, oder?
Nicht ganz. Natürlich habe ich das früher total
verherrlicht und den Lebensstil zelebriert. Aber
stell dir mal vor, ich würde jetzt immer noch so
abgehen wie vor zehn Jahren. Dann wäre ich jetzt
entweder hängen geblieben oder tot. Das ist doch
beides scheiße! (lacht) Wenn ich mein Leben Revue
passieren lasse, gibt es Dinge, die mir geholfen
haben, und Dinge, bei denen ich mich frage,
wie ich danach überhaupt weitergekommen bin.
Ab und zu denkt man sich da schon: Zum Glück
habe ich die Kurve immer wieder gekriegt und bin
jetzt kein Junkie unter der Brücke.
Was hat Aggro Berlin für dich getan?
Aggro hat mein Leben verändert und positiv beeinflusst.
Teilweise hat es sogar mein Leben gerettet.
Aggro hat mich zu dem gemacht, was ich
heute bin. Im Rückblick auf die Aggro-Zeit haben
sich meine Werte aber krass verschoben. Damals
war es mir wichtig, dass ich nach dem Konzert
eine Braut abschleppe, genug Drogen habe und
schön besoffen bin. Mittlerweile sieht das ganz
anders aus, wenn ich auf Tour bin. Da lege ich inzwischen
Wert auf meine Gesundheit. Ich trinke
nicht mehr zu viel und achte darauf, dass ich am
nächsten Tag nicht zu kaputt bin, um mit meiner
Familie zu telefonieren.
Wie ist mittlerweile eigentlich das Verhältnis
zwischen Sido und dir?
Inzwischen hat jeder von uns sein eigenes Privatleben,
das er auf die Reihe kriegen muss. Das
heißt, wir können einfach nicht mehr jeden Tag
chillen und uns einen nach dem anderen reinpfeifen.
Wir können nicht mehr unbewusst durch das
Leben eiern. Es ist also sehr viel weniger geworden,
aber jedes Mal, wenn wir telefonieren, schreiben
oder uns sehen, ist es so, als wäre nur eine
Minute vergangen. Dieses brüderliche Gefühl ist
da und das wird es auch immer sein.
Lässt man das Projekt „Drinne“ kurz außen vor,
kam mit „Goldständer“ 2008 dein letztes Hip-Hop-
Album. Wie bewertest du das aus heutiger Sicht?
„Goldständer“ war ein durchwachsenes Album.
Die erste CD war sehr experimentell – ich wollte
sehen, was man so machen kann. Die zweite CD
war dagegen total persönlich. Alles klassische
Hip-Hop-Dinger mit viel Inhalt. „Goldständer“ ist
eines der schönsten Alben, die ich je gebracht
habe, es ist trotz allem sehr rund geworden. Mit
„Drinne“ war ich aber sehr viel zufriedener. Da
gab es jedoch das Problem, dass die Hip-Hopper
nichts damit anfangen konnten, die Rocker aber
auch nicht. Es gab nur eine kleine Schnittmenge.
„Drinne“ war ein schwieriges Experiment, aber es
hat so viel Spaß gemacht, dass es sich definitiv
gelohnt hat.
Was kann man von „Retro“ erwarten?
„Retro“ ist im Vergleich zu früher vom Sound und
vom Text her aufgewertet, es hat mehr Wortwitz.
„Retro“ heißt für mich, mich wieder jung
zu fühlen. Nicht darüber nachdenken, sondern
einfach angeben und Eier zeigen – das, was man
im Rap nun mal so macht. Natürlich bin ich nicht
die „Nummer Einz“, natürlich bin ich nicht in der
Szene unerreicht. Aber wer solche Aussagen meinerseits
auf die Goldwaage legt, hat mich nicht
verstanden. Jeder, der ein bisschen Menschenverstand
in sich trägt, sollte wissen, dass ich das
alles nicht todernst meine.
82 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
NEUES
ZEIT
ALTER
DIE BACKSPIN APP-ERHȦ . LTLICH IM APP STORE
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa MUSIC
„Manchmal darf man auch eindeutig sein“
Geheimtipp-Dasein. DIY-Attitüde. „Zeckenrap“. Die Antilopen Gang ist kein unbekannter Name
mehr in der deutschen Hip-Hop-Szene. Jedoch brauchte es fünf Jahre – von ihrer Gründung 2009
bis zum November 2014 – bis ihr offizielles Debütalbum erscheint. Dazwischen liegt die Anti Alles
Aktion, diverse Releases in unterschiedlichen Konstellationen, der tragische Tod des Antilopen-
Mitglieds NMZS (R.I.P.) und schlussendlich der Deal beim Düsseldorfer Label JKP.
INTERVIEW: SHANA KOCH
FOTOS: THOMAS SCHERMER
DIE HOHE FÜNF MIT
ANTILOPENGANG
Mit „Aversion“ steht das erste Lebenszeichen
der „neuen Antilopen
Gang“ in den Plattenregalen des
Landes. Musikalisch irgendwo zwischen
Rap und Pop angesiedelt, wird
der politische Zeigefinger stets aufrecht
in das Gesicht der Gesellschaft
gehalten. Mit einer ordentlichen
Portion bitterbösem Sarkasmus öffnet
die Antilopen Gang ihrem Publikum
die Augen für den politischen
Alltagswahnsinn. Wir haben uns die
„Aversion“ zum Anlass genommen,
um Koljah, Danger Dan und Panik
Panzer fünf Fragen zu stellen.
Songs wie „Beate Zschäpe hört U2“ haben
euch neben jeder Menge neuer Fans auch eine
Klage von Ex-RBB-Moderator Ken Jebsen beschert,
den ihr in dem Stück als „Pseudo-Gesellschaftskritiker“
und „KenFM-Weltverbesserer“
betitelt. Stellt euch doch mal bitte vor, ihr
müsstet fünf Minuten in einem Raum mit Ken
Jebsen verbringen. Was würdet ihr ihm sagen
wollen?
Panik Panzer: Was für eine unangenehme Vorstellung.
Koljah: Wir würden ihm mitteilen, dass wir den
Raum nun verlassen werden. Dann würden wir
den Raum von außen abschließen.
Was wäre der ultimative Wahlspruch, mit dem
die Antilopen Gang ihre Wähler überzeugen
würde, wäre sie eine Partei?
Panik Panzer: Deutsche raus aus Deutschland!
Danger Dan: Rinder statt Kinder!
Koljah: Todesstrafe für Kinder!
Und wenn sie dann gewählt würden, wofür
würde sie sich konkret einsetzen, die Antilopen-Partei?
Panik Panzer: Wahrscheinlich ist es – wie immer
– viel einfacher zu sagen, wogegen wir uns einsetzen
würden. Aber da haben wir schon zu viel
gesagt. Litschis, Kaugummis usw. Gegen all das
haben wir schon öffentlich gestatet. Jungs, fällt
euch denn noch was ein?
Danger Dan: Die Shitlers. Sie nerven langsam
doch.
Koljah: Ich würde mich für die Abschaffung des
Parteiensystems einsetzen und gegen Rauchverbote.
Wie viel Anti Alles Aktion steckt eigentlich
noch in der heutigen Antilopen Gang?
Koljah: 2005 wurde die Anti Alles Aktion gegründet,
seit dem haben wir immer Alben und EPs
gebracht – das war eigentlich die Basis für alles,
wenn man so will. Wir haben damals viel mehr
live gespielt, in Jugendzentren und diversen alternativen
Locations. Shows, nach denen wir da
auf dem Boden schlafen mussten – da haben wir
schon unsere dues gepayed. Ich meine, wir haben
nicht umsonst einen Song auf „Aversion“,
der „Anti Alles Aktion“ heißt. Das Statement
passt auf jeden Fall noch immer.
Ein Antilopen-Text, der nicht vor Ironie strotzt,
ist schwer vorstellbar. Warum spielt das Stilmittel
in eurer Musik eine so enorm große Rolle?
Koljah: Ironie ist häufig ein Fehler, kann nerven
und ist oft unumgänglich als Stilmittel. Eigentlich
wird das ganze Ironie-Gehabe aber überbewertet
und viel zu oft genutzt und übertrieben. Ich finde
es furchtbar, wenn Leute heutzutage Künstler
wie Haftbefehl oder Schwesta Ewa auf so eine
ironische Art und Weise feiern. Davon gibt es viel
zu viele. Die finden die nicht wirklich cool, sondern
betrachten deren Kunst mit einem Augenzwinkern.
Das sind zwei Künstler, die ich persönlich
wirklich gern mag und ich kann es nicht ab,
wenn Leute dann zwar eine gewisse Faszination
für so jemanden hegen, ihn aber gar nicht wirklich
feiern. Manchmal darf man auch einfach mal
eindeutig sein.
84 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
strassen-koeter.de
vivaconagua.org
strassenkoeter präsentiert: Artists 4 Viva con Agua
Alle Erlöse aus dem Verkauf der Bilder gehen an Viva con Agua
Alle Portraits & Infos zu der Ausstellungsreihe auf:
TEXT: CHRISTIAN LUDA
Back In The Days
THA ALKOHOLIKS
n den Jahren 1992 und 1993, als Dr. Dre
und Snoop Dogg mit ihrem G-Funk die
Hip-Hop-Welt dominieren, erscheint zeitgleich
eine neue Westcoast-Generation auf
der Bildfläche, die gern als Gegenentwurf
zum vorherrschenden Gangsta-Rap gehandelt
wird. Zu ihren Vertretern zählt neben den Hieroglyphics,
Freestyle Fellowship und The Pharcyde
die Gruppe Tha Alkaholiks, bestehend aus dem
DJ, Produzenten und Gelegenheitsrapper E-Swift
(Eric Brooks) sowie den MCs Tash (Rico Smith)
und J-Ro (James Robinson). Ihre Geschichte
zeigt jedoch, dass die beliebte Aufteilung der
Westcoast-Szene in Gangsta-Rap und True-
School-Hip-Hop so einfach nicht ist. Während
aus dem Umfeld der Gruppe später so unterschiedliche
Künstler wie Madlib und Xzibit hervorgehen,
ist mit King Tee einer der Pioniere des
Westcoast-Rap ihr Mentor.
MITTE DER 1980ER-JAHRE bildet J-Ro
unter anderem mit King Tee sowie DJ Pooh die
Gruppe Total Control und bestreitet Shows im
Vorprogramm von Ice-T. Außerdem taucht er
1987 in den Credits der zweiten King-Tee-Single
„The Coolest“ auf. Auf deren B-Seite „Ya Better
Bring a Gun“ wird J-Ro, der eigentlich aus der
Nachbarschaft Pacoima stammt, als Mitglied der
Compton Posse um Mix Master Spade geführt.
Als King Tee seine Solokarriere vorantreibt
und einen Plattendeal bei Capitol Records unterschreibt,
macht sich J-Ro auf die Suche nach
einem DJ, mit dem er Demos aufnehmen kann.
Ein Freund stellt ihm E-Swift vor, über den er wiederum
Tash kennenlernt. Beide hat es zuvor von
Ohio nach Los Angeles verschlagen. Zwischen
den dreien entwickelt sich schnell eine Freundschaft
– neben Hip-Hop teilen sie die Leidenschaft
fürs Feiern von ausgiebigen Partys.
1990 wird E-Swift von King Tee als DJ für dessen
zweites Album „At Your Own Risk“ verpflichtet.
Auf dem von ihm zusammen mit DJ Pooh
produzierten DJ-Track „E Get Swift“ präsentiert
er sich zudem mit einem kurzen Rap-Part. Im
Jahr darauf nehmen E-Swift, Tash und J-Ro unter
dem Namen E.S.P. (Everyday Street Poets)
ein Demotape mit Features von Künstlern wie
MC Eiht und Threat auf.
King Tee verpasst dem Trio schließlich den
Namen Tha Alkaholiks und platziert seine Schützlinge
1992 auf den Singles „Bus Dat Ass“ und
„Got It Bad Y’all“ seines dritten Werks „Tha Triflin’
Album“. Die eindrucksvollen Gastauftritte bescheren
der Gruppe einen Deal beim noch jungen
Label Loud Records, das ungefähr zeitgleich
auch den Wu-Tang Clan unter Vertrag nimmt.
1993 erscheint das Debütalbum „21 & Over“,
das mit zehn Songs und einer Spielzeit von 36
Minuten kurz, aber auch kurzweilig ausfällt. Tash
und J-Ro beschränken sich weitestgehend auf
ihre Lieblingsthemen Alkohol, Party und Frauen,
tun dies aber mit sehr hohem Spaßfaktor sowie
unbestreitbaren Skills. Darüber hinaus zeigt sich
E-Swift mit seinem Mix aus Eastcoast-Boom-Bap
und Westcoast-Funk als respektabler Produzent.
Das Album bringt drei Singles hervor: den bis
heute beliebten Partysong „Make Room“ sowie
„Likwit“ mit King Tee und „Mary Jane“, produziert
von Madlib. Dieser sorgt zudem für den
Albumsong „Turn tha Party Out“, auf dem seine
Gruppe Lootpack erstmals zu hören ist. Sie bildet
zusammen mit King Tee und den Alkaholiks den
Kern der Likwit Crew.
King Tees viertes Album „IV Life“ präsentiert
1994 ein neues Crew-Mitglied: Auf der Single
„Free Style Ghetto“ feiert Xzibit an der Seite von
Tash und J-Ro sein Debüt.
Im Jahr darauf veröffentlichen die Alkaholiks ihr
zweites Werk „Coast II Coast“, das nahtlos an
die Klasse des Vorgängers anknüpft. Während
die erste Single „DAAAM!“ ein für die Gruppe
typischer Partysong ist, fällt die Produktion
des Albums insgesamt jazziger aus. Neben den
üblichen verdächtigen King Tee, Lootpack und
Xzibit sind zwei prominente New Yorker als Gäste
vertreten: Diamond D auf der zweiten Single
„The Next Level“, die er ebenso wie den starken
Albumsong „Let It Out“ produziert, sowie Q-Tip
auf „All the Way Live“. Dieser Song featuret ursprünglich
Erick Sermon, jedoch verwenden die
Alkaholiks dessen Part nicht, da der „Green-Eyed
Bandit“ ihn bereits an anderer Stelle benutzt hat.
Den Titelsong „Coast II Coast“ findet man kuri-
86 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
oserweise ausschließlich auf dem im Neptunes verpflichtet, außerdem nennt
selben Jahr erscheinenden „Friday“-
Soundtrack.
sich das Trio nur noch Tha Liks. Während
daher einige im Vorfeld vermuten,
man wolle sich dem Mainstream anbiedern,
E-Swift platziert zu jener Zeit Beats auf
zeigt das gute Album vielmehr
den Alben der New Yorker King Sun, eine zeitgemäße Weiterentwicklung
Heltah Skeltah sowie O.G.C. und produziert
drei Songs für Xzibits Debütalbum
BACK
IN THE
„At the Speed of Life“, das 1996 ebenfalls
bei Loud erscheint. J-Ro und Tash
sind zudem auf dem Albumsong „Bird’s
Eye View“ zu hören.
Im Folgejahr erscheint das dritte Alkaholiks-Album
„Likwidation“, das nicht
die Qualität der Vorgänger erreicht, aber
dennoch einige Highlights wie die Single
„Hip Hop Drunkies“ mit Ol’ Dirty Bastard
bietet.
Unterdessen wird Anfang 1999 die
nächste Generation der Likwit Crew
mit gefeierten Debütalben vorstellig:
Lootpack veröffentlichen ihr Werk
„Soundpieces: Da Antidote!“, worauf
der Crew-Song „Likwit Fusion“ zu finden
ist, und Defari bringt „Focused Daily“
heraus, das vier von E-Swift produzierte
Songs beinhaltet, darunter den Posse-
Track „Likwit Connection“ mit den Alkaholiks,
Xzibit und Phil the Agony.
Nachdem er im Vorjahr mit Mos
Def und Q-Tip auf Rawkus den Underground-Hit
„Body Rock“ gelandet hat,
veröffentlicht Tash Ende 1999 sein Soloalbum
„Rap Life“, das trotz positiver
Kritiken und namhafter Gäste wie Raekwon,
OutKast und B-Real kommerziell
enttäuscht.
2001 liefern die Alkaholiks mit „X.O. Experience“
ihr letztes Album für Loud ab.
Für die Single „Best U Can“ werden The
des Likwit-Sounds. Der große Erfolg
bleibt jedenfalls erneut aus, und in der
Folgezeit wird es leiser um die Liks. Das
2006 über Koch Records veröffentlichte
„Firewater“ ist das letzte Album der
Gruppe und erfährt wie die anschließenden
Solo-Releases von J-Ro und
Tash wenig Beachtung.
Nach jahrelangen Unstimmigkeiten mit
Xzibit überrascht dessen Comeback-
Album „Napalm“ 2012 mit einer Likwit-Crew-Reunion:
Der selbst ernannte
„Dysfunctional Member of the Alkaholik
Family“ versammelt nicht nur die Liks,
sondern auch King Tee auf dem von Dr.
Dre produzierten Track „Louis XIII“.
Auf dem großartigen Song „2014“
wagte J-Ro 1995 einen Blick in die Zukunft
und prophezeite: „In 2014, Alkaholiks
still rulin’.“ Nüchtern betrachtet
sieht die Gegenwart so aus: Dope Folks
Records veröffentlicht 2014 die sechs
Songs des E.S.P.-Demos in limitierter
Vinyl-Auflage, die Fans warten auf das
Erscheinen der seit 2011 angekündigten
„Liknuts“-EP mit den Beatnuts, und die
Liks sind mit ihrem umfangreichen Katalog
an Rap-Hits weiterhin regelmäßig
auf Tour – aber Vorsicht: „‘Cause when
you bring your ass to a Likwit show, you
gonna get wet if you in the front row!“
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 87
PROTOKOLL: DANIEL SPRAUER,
STELLA KUKLINSKI
Album der Ausgabe
„Märtyrer“
KOOL
SAVAS
Ein Nachmittag im BACKSPIN-Büro Anfang Dezember. Niko und Dennis haben sich Sleepwalker eingeladen, um
mit dem Gold- und Platin-Produzenten über „Märtyrer“ von Kool Savas zu sprechen. Um eins gleich vorwegzunehmen:
Alle drei halten Savas für einen der, wenn nicht den besten Rapper Deutschlands – zumindest technisch
gesehen. Das sollte man beim Lesen dessen, was nun kommt, nicht vergessen. Denn auch wenn gerade Dennis
und Sleepwalker hier und da Kritik äußern, so ist das am Ende wohl nichts anderes als Meckern auf höchstem
Niveau. Zumal der König am eigenen Hofe bekanntlich ja ohnehin nicht so viel zählt …
Niko: „Kool Savas – ‚Märtyrer’. Das Album ist auf
der Eins gechartet. Du hast es noch nicht gehört?“
Sleepwalker: „Ich hörte davon, dass es das gibt.
Mehr weiß ich noch nicht. Aber nun bin ich ja
hier.“ Niko: „Was erwartest du von einem Kool-
Savas-Album?“ Sleepwalker: „Naja, wer sich
selbst King nennt, der legt die Messlatte hoch.
Ich erwarte jedenfalls einiges.“ Niko: „Und du?“
Dennis: „Ich war eher skeptisch, ob es mich begeistern
würde. ‚Aura’ war schon nicht so meins.
Ich hoffe bei Savas aber immer, wie auch bei einigen
anderen Rappern, dass er etwas macht, was
ich geil finde.“ Niko: „Muss sich ein Savas neu
erfinden? Oder reicht es, wenn er das tut, was
er am besten kann?“ Dennis: „Natürlich kann es
auch gut werden, wenn er in seiner Komfortzone
bleibt. Aber bei jemandem, der das Handwerk so
perfekt beherrscht wie er, hoffe ich, dass er seine
Skills dafür nutzt, auch mal in neue Richtungen zu
gehen.“
Es geht los: „Intro“ feat. Tim Bendzko. Sleepwalker:
„Das wirkte sehr angespannt.“ Niko: „Ja,
eigentlich kommt es ruhig rein und wirkt etwas
futuristisch, wie aus dem ‚Tron’-Soundtrack. Und
mit einem Mal geht’s los. Wie aus der Pistole geschossen.“
Sleepwalker: „Er hat gleich mit 180
Prozent losgelegt und den Faden auch beibehalten.
Verstanden habe ich aber so gut wie nichts.“
Dennis: „‚Ich schlachte dich wie ein Sparschwein‘,
hat er zum Beispiel gesagt.“ Sleepwalker: „Okay.
Tim Bendzko hat mich hier überrascht. Gefällt.“
Niko: „Für das Feature wurde Savas kritisiert.“
Dennis: „Ich frage mich auch, warum ausgerechnet
Tim Bendzko auf einem Savas-Song ist. Aber
er singt gut. Das funktioniert.“
Weiter geht es mit: „Märtyrer“. Dennis: „In puncto
Rap finde ich den Track sehr gut. Savas flowt
perfekt zu dem Beat. Und den Beat selbst finde ich
auch gut. Das Einzige, was mich an dem Song ein
kleines bisschen gestört hat, ist, dass ich als Hörer
nicht so richtig angesprochen werde. Der Song
wirkt, als mache Savas das alleine mit dem Beat
aus. Ich konnte da gar nicht richtig einsteigen.“
Niko: „Da braucht es dann eben vier oder fünf
Hördurchgänge. Was ich hier nicht so gut fand, ist
dieses ‚Märtyrer’ im Refrain.“ Sleepwalker: „Mir
gefällt das ‚Märtyrer’ in der Hook auch nicht. Aber
sonst habe ich hier nichts zu meckern.“
Es folgt: „Es ist wahr / S A zu dem V“. Sleepwalker:
„Den Song find’ ich geil, den Beat, den Chorus,
alles. Der Chorus bockt. Und was wir nicht
vergessen dürfen: Wir können noch so viel über
die Technik reden, ein Song muss ja einfach nur
zum Hören sein. Und den würde ich mir anhören,
vielleicht im Auto mal ein paar Dinger mitrappen,
wenn ich den Text verstanden habe.“ Niko: „Mir
fiel eben auf, wie du beim Hören eine Passage
abgefeiert hast. Von diesen Passagen gibt es auf
dem Album jede Menge. Und je häufiger man es
hört, desto mehr realisiert man die.“ Dennis: „An-
88 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
fangs dachte ich noch, was sollen hier nun wieder Track von Kool Savas.“ Sleepwalker: „An mir geht
diese Kinderstimmen, aber als der Beat losging, der Song mal eiskalt vorbei“. Dennis: „Ich fand den
war das für mich alles dope.“ Sleepwalker: „Was Song auch musikalisch nicht so stark wie die anderen
bisher.“
stört dich denn sonst an den Kinderstimmen?“
Dennis: „Die wirken auf mich immer wie billige Der nächste Song: „2 the Essence“ feat. Masta
Versuche, in die ‚Hard Knock Life’-Kerbe zu hauen.“
Sleepwalker: „Aber es gibt doch auch in Hor-
Allerdings hätte der Beat für mich in den Strophen
Ace und Tajai. Sleepwalker: „Der ist schön straight.
rorfilmen Kinderstimmen, die einfach diese Atmosphäre
erzeugen.“ Dennis: „Hm.“ Niko: „Auf mich sonst alles cool.“ Dennis: „Savas’ Einstieg ist na-
mehr gebraucht als Drums, Filter und Breaks. Aber
wirkt der Song, als wäre er vor allem für die Bühne türlich extrem derbe mit seiner Masta-Ace-Reminiszenz.
Die Cuts finde ich auch cool, das ist ein
gemacht. Ich freue mich jetzt schon darauf, wenn
Tausende in den Hallen und auf den Festivals ‚S A schöner Hip-Hop-Track.“ Niko: „Finde ich auch.“
zu dem V’ rufen.“
Sleepwalker: „Und Savas muss sich nicht verstecken.
Für mich hat es sich sogar so angehört, als
Als nächstes kommt: „Zweifel und Bestätigung“.
Dennis: „Ist das da Laas Unltd. am Anfang?“ Niko: hätte Tajai sich an ihm ein Beispiel genommen.“
„Ich denke schon. Das ist ein typischer Savas- Weiter geht es mit: „Es rappelt im Karton“. Sleep-
Move, finde ich. Er bündelt all das, was ihm an walker: „Der fängt derbe interessant an, wie er da
Kritik und Disrespekt entgegenkommt, und zeigt so melodisch losspittet. Das hätte man in dem
es dann allen. Jedenfalls wirkt der Song auf mich Song weiterverfolgen sollen.“ Dennis: „Diesen
so.“ Dennis: „Auf mich wirkt das etwas überambitioniert.
Klar, Rap ist immer Competition, aber hört.“ Niko: „‚Limit’ fandet ihr beide cool, den
Song habe ich inhaltlich nun zwei-, dreimal ge-
ich denke, im Großen und Ganzen muss Savas da hier nicht. Kann das daran liegen, dass es hier
„MUSS SICH EIN SAVAS NEU ERFINDEN?
ODER REICHT ES, WENN ER DAS TUT, WAS
ER AM BESTEN KANN?“ (NIKO)
nicht mehr drauf eingehen.“ Niko: „Sehe ich auch
so.“ Sleepwalker: „Für mich haben sich die Songs
bisher ohnehin so angehört, als wolle Savas etwas
beweisen. Für mich muss er das nicht.“
Weiter geht es mit: „Limit“ feat. Alex Prince.
Sleepwalker: „Der Song ist derbe stimmig. Und
Alex Prince finde ich sowieso bombe, die singt
da eine richtig geile Hook. Den Track kann ich mir
richtig gut anhören.“ Dennis: „Mir gefällt der auch,
der Chorus ist gut, Savas’ Performance finde ich
auch stark. Der Song hat mich richtig gut abgeholt.“
Niko: „Und er sagt richtig schlaue Sätze zwischendurch.“
Sleepwalker: „Ja, und er überfordert
mich als Hörer nicht. Ich kann ganz entspannt
zuhören.“ Niko: „Mit seinem Satz, er brauche keine
Mütter zu hacken, um andere zu ficken, rennt
er hier ja auch offene Türen bei uns ein.“ Dennis:
„Bei mir ist auch hängen geblieben, dass er sagt:
‚Du erlebst mich am Mic nur im Rocky-Modus’.
Das ist genau das, was ich vorhin meinte.“
Es folgt: „Matrix“. Dennis: „Nachdem ich nun
andere Songs des Albums gehört habe, muss
ich sagen: Den finde ich im Vergleich eher weniger
stark.“ Niko: „Na ja, Zeilen wie ‚Ich bin nicht
der King dieser Mucke, ich bin diese Mucke’ sind
schon ziemlich gut. Der Song wird ein Legenden-
keine Hook gibt?“ Dennis: „Möglich.“ Sleepwalker:
„‚Limit’ wurde ganz anders präsentiert, sodass
man den besser aufnehmen konnte. Hier ist
mir zu viel Ratatata.“ Niko: „Andere werden für
ihre 100-Bars-Songs groß abgefeiert.“ Dennis:
„Von mir nicht.“ Niko: „Aber allgemein.“ Dennis:
„Ich will einen geilen Song hören und nicht 1.000
Bars. Für mich ist Rap heute mehr als nur Vocal-
Darbietung.“
Es folgt: „Rap über Rap“. Sleepwalker: „Der
Chorus ist geil, der Beat ist geil – und der Rap ist
der Rap.“ Dennis: „Aus dem Songtitel hätte man
mehr machen können, den finde ich cool. Der
hat etwas Selbstironisches.“ Niko: „Für mich ist
das Autofahr-Kopfnicker-Mucke.“ Sleepwalker:
„Mein größtes Problem bisher ist, dass er mich
mit den Strophen nicht so abholt, auch wenn er
echt geile Vergleiche und so was hat.“
Weiter geht es mit: „Summa Summarum“.
Dennis: „Der Beat ist ein gutes Beispiel dafür,
dass man mit einfachen Mitteln etwas machen
kann, das abgeht.“ Sleepwalker: „Der wird live
richtig abgehen.“ Niko: „Der hat mich nun überhaupt
nicht mitgenommen.“
Nun kommt: „Neue Namen“. Dennis: „Die
Hook transportiert eine ziemlich geile Idee, aber
in den Strophen geht die für mich dann ein bisschen
unter.“ Sleepwalker: „Das dachte ich auch.“
Es folgt das Skit: „Anekdote aus Istanbul“. Dennis:
„Geil vorgelesen, so schön Hörspiel-tauglich.“
Sleepwalker: „Endlich kommt mal etwas Persönliches.
Man erfährt was über den Menschen Savas.“
Niko: „Nachdem sein Vater auf dem letzten
Album das Intro gesprochen hat, baut er hier wieder
jemanden aus seiner Familie ein. Das scheint
ihm am Herzen zu liegen.“
Und schließlich der letzte Song: „Lang genug
gewartet“. Sleepwalker: „Nach dem Skit eben
habe ich etwas Persönliches erwartet. Aber er ist
wieder im Rap-Roboter-Modus, der mir sagt, dass
er der Geilste ist und allen anderen Rambo-like
einschenkt.“ Niko: „Aber genau so hat er sich auf
den Thron gerappt.“ Dennis: „Ja, aber ich bleibe
dabei: Wenn einer handwerklich so unfassbar gut
ist, dann kann er doch auch noch mehr machen.“
Niko: „Ich mag den Song.“ Sleepwalker (lacht):
„Das haben wir nun schon öfter festgestellt.“
Dennis: „Weil der Song etwas verträumt klingt?“
Niko: „Ja.“ Sleepwalker: „Aber es gibt keine verträumten
Lyrics.“ Niko: „Auch wie er sich selbst
zitiert – das braucht Eier.“ Dennis: „In der Szene
ist dieses ‚Ihr habt lang genug gewartet’ ja schon
ein geflügelter Satz – und Savas ist der Urheber.“
Niko: „Eben. Und auf seine Alben wartet man ja
eigentlich immer.“ Sleepwalker: „Ich finde, etwas
mehr Materie wäre gut. Klar kann er sagen, dass
er der Beste ist und allen in den Hals kackt, aber
ich hätte das gerne in mehr Variationen und Bildern
gehört.“ Niko: „Vielleicht ist das ja da, aber
du konntest das eben nicht entdecken, weil er so
Orkan-artig rappt.“ Dennis: „In den Strophen gibt
es diese Bilder sicherlich, aber ich würde die dann
auch gerne an einer weißen Wand aufgehängt sehen,
sodass sie nicht nur an mir vorbeirauschen.“
Sleepwalker: „Die Songideen, die ja da waren, zumindest,
wenn man sich die Hooks anhört – die
hätten in den Strophen für meine Begriffe noch
etwas mehr ausgearbeitet werden können. Dieses
Technik-Branding ist für mich ein bisschen sein
Fluch geworden.“ Niko: „Dennoch: Ist ‚Märtyrer’
sein bestes Album geworden?“ Dennis: „Für mich
nicht. Auch wenn Savas selbst das nicht so sieht,
halte ich ‚Tot oder lebendig‘ für seine beste LP.“
Niko: „Savas wurde ja gerne dafür kritisiert, dass
er auf seinen Alben mit elf oder zwölf Songs oft
verhältnismäßig viele Features hatte. Bis auf den
Track mit den beiden Amis hat er hier nun keine
Rap-Features. Das sind zwölf Savas-Songs.“ Sleepwalker:
„Was ich mir eben außerdem dachte: Vielleicht
fehlt es hier manchmal an jemandem, der
so ein Album zur Abwechslung auch mal in etwas
andere Bahnen lenkt.“
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 89
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
SOUND
CHECK
2.0
DEUTSCH
Haftbefehl
„Russisch Roulette“
Kalim
„Sechs Kronen“
Kool Savas
„Märtyrer“
Shindy
„FVCKB!TCHE$-
GETMONE¥“
Eko Fresh
„Deutscher Traum“
Mortis
„Hollywoodpsychose“
Olli Banjo
„Hits & Raritäten“
28
24
24
24
23
23
23
90 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
NIKO PHIL RIKE
Wow. Es ist einfach immer wieder
beeindruckend, wie gut dieser
Kerl auf den perfekt gewählten
Beats flowt – und abliefert. Unglaublich!
Eine der Überraschungen des Jahres.
Klasse Mixtape mit einem
stimmigen Vibe. Macht Lust auf
ein Album.
Für mich wahrscheinlich das beste
Album des Altmeisters. „Ich
mach‘ Rap über Rap, ihr macht
Rap über nichts.“ Punkt.
Die Plagiatsvorwürfe sind hier
wirklich schwer von der Hand zu
weisen. Aber losgelöst davon, ein
in sich stark performtes Album.
Ein richtig gutes Album. Eko Fresh
liefert weiterhin sehr solide auf hohem
Niveau ab. Und das in einem
sehr kurzen Veröffentlichungszyklus.
Starker Mortis. Wahrscheinlich echt
noch zu sehr unterschätzt, was schade
ist. Denn hier ist alles aufeinander
abgestimmt. Musik, Text, Rap, Visualität.
Wenn man sich diese Sammlung
anschaut, wird mal wieder klar, wie
viel Olli schon gemacht hat – und
wie viele gute Nummern schon dabei
waren. Chapeau. Wann kommt
das neue Album?
Es wird wieder eifrig über Rap diskutiert
in den Feuilletons – objektiv
betrachtet auf einem weitaus niedrigeren
Niveau, als sich dieses Album
befindet.
10 8
Sicher die größte Überraschung
in dieser Rangliste. Nicht zu Unrecht:
Eine eingängige Stimme
und rollende Beats erzeugen einen
unverwechselbaren Vibe.
Für Savas grundsolide, für Rap-
Deutschland verdammt gut, für
mich einen Tick unter den Erwartungen.
Leider geil!
Das mittlerweile achte (!) Album
von Eko – und sein wahrscheinlich
bestes. Sehr gute Beats, wohlüberlegte
Themen und abwechslungsreicher
Rap.
Die grundlegendsten Dinge des Lebens
auf eine sehr sympathische
Weise transportiert. Kann man machen!
Da sind im Laufe der Jahre schon
eine Menge krasser Tracks zusammengekommen.
Ein lyrisches
Feuerwerk auf 60 Tracks, das man
unmöglich an einem Stück durchhören
kann.
A(zzlack)vantgarde … Hier mag
ich sogar auf einmal Autotune!
Wenn du es „Zehn Boxen“ genannt
hättest, hättest du sie von mir bekommen.
So gibt es nur neun für den
geliebten 90er-Flow und ebensolche
Beats mit nur 22 Jahren. „Stadtrundfahrt“
ist eine Hymne und mit
Aaliyah hast du so recht!
8 7
9
Passgenauer Flow wie immer und
(zu) moderne Beats am Zahn der
Zeit. Nachdenklichkeit, kein Stillstand
und Weiterentwicklung.
Kann man gut hören. Aber Tim
Bendzko hat im Hip-Hop nichts zu
suchen!
9 8 7
Bei Kanye, Rick, Drake usw. abgeschautes,
dennoch sehr gutes
Beat-Material und eine authentischwitzige
Darstellung Stuttgarter und
Bietigheimer Bonzen. Von der italienischen
Bitch mit French Nails habe
ich schon Albträume.
8 8 8
Oldschoolige Beatliebe, geschmeidiger
Flow, alle wichtigen
Features mit Rang und Namen und
ein über-produktiver Ekrem Bora.
Ein mehr als solides 360-Grad-
Modell. Aber Tim Bendzko hat im
Hip-Hop nichts zu suchen!
8 8 7
8 7
8
8
Leben, Erfahrungen sammeln,
Fehler machen und nach Ewigkeiten
das Debütalbum herausbringen.
Ein kluger, richtiger Weg.
Alles der Musik zuliebe. Gute Einstellung
von diesem Mortis.
10
Olli ist ein deutsches Hip-Hop-Urgestein,
das ewig dabei ist und schon
mit jedem gearbeitet hat. Das beweist
diese Platte. Auch wenn „Warum
ist Kanye West so scheiße?“
sehr witzig ist, gefallen die neuen
Sachen nicht besonders.
8
7
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa SOUNDCHECK 2.0
NIKO PHIL RIKE
Olson
„Ballonherz”
Pierre Sonality
„Magdeburg“
(inkl. EPs)
Sido
„30-11-80 (Live)“
Dexter
„Palmen & Freunde“
Nico Suave
„Unvergesslich“
23
23
23
22
22
21
Senkrechtstarter. Starkes Album,
dass nach weit mehr klingt, als es
den Fans der ersten Stunde gefallen
dürfte. Olson ist für die großen
Bühnen vorbereitet. Allein: Jetzt versuch‘
das hier mal zu toppen.
Sein bisher bestes Album. Stimmig,
vielseitig und ebenso viel zu
sehr unterm Radar, was die breite
Masse anbelangt. Ob er da überhaupt
hin will …
Großes Album in 2013, mit einem
Instant-Classic-Albumtitel-Song.
Und in der Live-Version nicht weniger
stark, wie auch der Rest. Die
Emotionen der Protagonisten kommen
hier an.
Der beste rappende Produzent der
Neuzeit, oder? Zumindest ein richtig
mitnehmendes Album, das gut
in die Spätsommertage gepasst
hat.
Das Album ist getreu dem Zeitgeist
gestaltet und für die Bühnen
(bis in den Pop-Kosmos) vorbereitet.
Alleine die Frage, ob da für
Nico noch Platz ist, bleibt offen.
Mir hat der Vorgänger besser gefallen.
Hier ist mir alles einen Tick
zu monoton.
Eine Menge gelungener Zitate aus
der zeitgenössischen Popkultur
und etwas zu wenig Alleinstellungsmerkmale.
9 7
8
On point!
Sido und Live-Alben haben ja mittlerweile
schon Tradition – und man
bekommt das, was man erwartet.
Der richtige Soundtrack für Scotch
& Sofa.
Das Album hat auf jeden Fall
mehr Aufmerksamkeit verdient
,als es wahrscheinlich bekommen
wird. Runde Sache.
Ist mir an der ein oder anderen
Stelle leider etwas zu kitschig,
ansonsten wäre es sicher eine 8
geworden.
7
Das Album ist tatsächlich ein
großes, schönes, knallrotes Ballonherz,
das niemals zerplatzt,
weil keine Ecken und Kanten erlaubt
und gewollt sind.
Ein Blick auf die Vergangenheit.
Eine Heimat-Ästhetik, die sich über
das Artwork als Gesamtkunstwerk-
Trilogie ausbreitet. Ein Blick in Gegenwart
und Zukunft. Da kommt
noch viel. Kann man sich sehr gut
anhören.
Das verschmitzt-sympathische,
wenn auch poppige Entertainment
mit der Signature-Stimme ist
auch live sehr gut. Zwischendurch
wehmütig wie auf dem Konzert
„Dadadadaaada!“ gröhlen/summen/denken
macht froh.
7 8 8
Ein viel beschäftigter Produzier-Arzt,
bei dem alles so wirkt, als würde
er es locker aus dem Ärmel schütteln.
Die Zeile „McFit, pump‘ den
Bizeps, weil jeder Chabo jetzt auch
auf Boombap-Beats rappt“ kriegt
einen Preis.
7 7 8
Einfach nur schöne Musik aus Hamburg!
7 7 8
Nachdenkliche Außenseiter und
zurückgezogene Eigenbrötler mag
man immer.
7
8
Chakuza
„Exit“
Curse
„Uns“
Teesy
„Glücksrezepte“
21
21
Wie eine Lesestunde vom Altmeister
der gefühlsorientierten Texter
im Deutschrap. Stark. Aber man
sollte gut zuhören.
Der Junge ist echt ein Multitalent
und das Album stellt das unter
Beweis.
7 6
8
7
Ich komm‘ irgendwie nicht wirklich
drauf klar, schade!
Singen, Rappen, Beats picken –
Teesy kann eigentlich alles ziemlich
gut. Leider gibt es ein paar
unerwartete Ausschläge nach
unten, trotzdem ein Künstler, dem
die Zukunft gehört.
6
8
Erwachsen, Familienmensch, weiterhin
nachdenklich und reflektiert.
Rock, Indie, Electro. Das ist Curse
jetzt! Voll okay, aber die jüngere,
ungestümere, impulsivere Hip-Hop-
Version war cooler.
Verzogener Mund durch zu viel
romantischen Pathos. Erinnert
an Carter – also Nick, Aaron und
Girlies, nicht Shawn. Stellenweise
soulig, aber vielmehr die
schleimige Chimperator‘sche Geschmacksverirrung.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 91
8
7
6
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
SOUND
CHECK
2.0
Apollo Brown & Ras
Kass
„Blasphemy“
Logic
„Under Pressure“
Run DMC
„The Box Set Series”
Ghostface Killah
„36 Seasons”
DJ Premier & Royce
da 5‘9‘‘
„Prhyme“
Common
„Nobody‘s Smiling”
Diamond D
„The Diam Piece”
INT.
27
26
25
25
25
24
24
92 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
NIKO PHIL RIKE
Richtig gutes Ding. Und spätestens
seit unserem gemeinsamen
Abend auf dem Hip Hop Kemp
2014 ist Ras Kass bei mir hoch
im Kurs.
Krass gut produziert. Unheimlich
stimmig. Für mich einer der Überraschungen
der letzten Wochen.
Meine Hip-Hop- und Rap-Sozialisation
wurde maßgeblich durch
diese Combo geprägt. Darum
unf***bar. Zumindest in den frühen
Jahren.
Weit besser, als das groß aufgezogene
Clan-Release. Abwechselungsreich
und mit Liebe zum
Detail. Stark!
Starke Combo. Und auch ein paar
echt gute Nummern. Aber meine
Erwartungshaltung an das Projekt
war im Vorfeld noch höher.
Ist er mittlerweile eigentlich ein
Schauspieler, der rappt? Oder immer
noch ein Rapper, der schauspielert?
Auf jeden Fall hier wieder
mehr Common, wie ich es mag.
Daumen hoch. Auch wenn mich
vieles vom Altmeister in der Vergangenheit
nicht unbedingt angesprochen
hat, ist das hier echt auf
Dauerschleife gelaufen.
Zwei Riesen auf Augenhöhe – und
bis dato das beste Apollo-Brown-
Album.
9 9
Man hört schon ziemlich stark den
Einfluss von Drake und Kendrick –
aber das bedeutet in dem Fall nichts
Schlechtes.
Hit an Hit!
Yeah! Ghostdini mit seinem wahrscheinlich
stärksten Album seit
„Ironman“.
Für mich eines der besten Alben
des Jahres und nah an einer 10.
Für mich eines der schlechtesten
Common-Alben, leider.
Schon ein ziemlich solides Album,
aber ist mir dann doch etwas zu
Nostalgie-behaftet.
Apollos unglaubliche Beats und
Rasys reibeiserne Ehrlichkeit. Die
beiden gehören zu den Allerbesten
und -liebsten. Ich freue mich, dass
das Album unsere internationale
#1 ist. Verdient! „Please Don‘t Let
Me“ ist der Banger!
Aufmerksame Beobachtung, erfrischende
Betrachtungsweise und
ausgefeilter Rap. Die Beats bergen
Anderes und Neues in sich,
blicken aber auch auf das Alte zurück.
Man hört sehr gerne zu, kein
Grund, unter Druck zu geraten.
9 9
8
Was soll man hier schreiben?
Alles, was das Hip-Hop-Herz begehrt!
9 7 9
Soulige Beats und konzeptionelle
Lyrics, alles richtig gut! Wenn
man das Wu-Tang-Album nicht
hören kann, wird man hier mehr
als entschädigt.
8 8 9
Alles, was Preeeeemo anfasst …
Nun ja.
8 9 8
9 7
7
7
Wie Urlaub in Chicago! Nicht als
richtiger Touri, sondern Einheimische
besuchen, Geheimtipps, jede
hinterste Ecke und auch Schattenseiten
gezeigt bekommen. Jetzt
habe ich Fernweh und will unbedingt
mal nach Chicago.
Die besten Beats, die aus jedem
Feature das Beste herausholen,
der beste Produzent am Mikro, die
beste Crew und die anmutigste
Erscheinung. Ein Diamond bleibt
ein Diamond.
9
8
10
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa SOUNDCHECK 2.0
NIKO PHIL RIKE
T.I.
„Paperworks“
Stalley
„Ohio”
Asap Ferg
„Ferg Forever”
The Game
„Blood Moon – Year
of the Wolf”
Big K.R.I.T.
„Cadillactica“
Killer Mike & El-P
„Run the Jewels 2“
Rick Ross
„Hood Billionaire“
Wu-Tang Clan
„A Better Tomorrow“
24
24
24
23
22
22
22
22
Das ist mal richtig groß hier. Alles
klingt irgendwie nach Bravo-Chartshow
und dennoch schafft es T.I.,
dem Ganzen seinen Stempel aufzudrücken.
Hochglanz.
Hab ihn im Sommer auf den Festivals
gesehen. Und das Album
hält das Versprechen, das er da
gegeben hat.
Das Ding macht richtig Spaß. Gut
zu wissen, dass aus der Crew
noch einer was kann außer Asap
Rocky
An den Hunger des ersten Albums
wird er wahrscheinlich nie wieder
herankommen. Aber das hier versprüht
zumindest wieder ein wenig
mehr von dem Biss, den ich früher in
seinen Sachen gehört habe.
Schon richtig gut gemacht. Mir
fehlen eigentlich nur die echten
Knaller.
Ich fand den Vorgänger stärker. Ein
wenig von der Wucht, die Part 1
versprüht hat, fehlt dem hier.
Ich bin durch das Album wieder
voll im Rick-Ross-Modus.
Bounce!
Viel Tamtam um ein Album, das
diesen Ansprüchen gar nicht gerecht
werden kann. Alte Männer
rappen gesittet auf dem Vibe der
Vergangenheit.
9
8
Gewohnt hochwertige Musik für
den Club, aber irgendwie auch
nichts Unerwartetes.
Der bekannte Stalley-Vibe auf Albumlänge,
was ziemlich gut ist – da
sind sich auch ausnahmsweise mal
die Rezensenten komplett einig.
Der Harlemer Trap-Lord haut ein
Mixtape auf Album-Niveau raus!
Ich hätte nie gedacht, dass ich ein
Game-Album mal mehr feiere als
Kollege Hüls!?
Ein paar weniger Tracks und es
wäre locker eine 8 geworden!
Für mich eine der positiven Überraschungen
in dieser Runde. Sehr
abwechslungsreiche, zeitgemäße
Beats und Lyrics auf hohem Niveau!
Siehe T.I.!
Ich weiß noch nicht genau, was ich
davon halten soll. Angesichts der
Tatsache, dass man auf Wu-Alben
immer viele Jahre warten muss, ist
das etwas zu wenig.
7
8
Pop-Rap mit viel Charme, der keine
Kosten und Mühen scheut für
eine breite Produktion und gerade
gefragte Features.
Bei diesem Debütalbum hat man
vor Augen, wie Stalley mit seinem
dicken Auto durch seine Heimat
Ohio fährt, allem Tribut zollt, was
von dort kommt und dort entstanden
ist. Ein Ohio Player, der sich
zu Hause fühlt.
Der Trap-Lord aus Harlem hustlet
hier ein Asap-Mob-Mixtape, wie
es sich gehört.
9 8 7
Auch wenn The Game die Farbe
Rot mag, fehlt hier der rote Faden.
Zu heterogen, zu zerstreut, zu viele
Features. Auch jenes ab Minute
2:30 in „Or Nah“ verwirrt. Mehr
Fokus auf sich selbst wie in „Bigger
Than Me“ hätte gutgetan.
8 9 6
8
7 7
9
8
7
7
Leichtes, angenehmes, funky
„Soul Food“ aus Mississippi oder
von einem anderen Planeten
namens „Cadillactica“.
7 7
Die beiden sind so was wie Public
Enemy und Bomb Squad von
heute.
Ricky Rozay und Riki Rosé mögen
sich leider nicht.
Wer mystische Knarzigkeit erwartet
hat, ist natürlich enttäuscht. Ist der
geniale Dilettantismus heutzutage
überhaupt noch möglich? Freuen
sollte man sich, dass die Herren, ihre
Charaktere und die Organisation das
Album möglich gemacht haben.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 93
8
8
8
6
7
TEXT: PHONK RIBERY
Die Welt brennt. In allen möglichen Ländern schwelen die Konfliktherde. Schockstarre? Schon irgendwie. Weggucken? Fehlende Empathie?
Abgestumpft? Alles schon, irgendwie! Uns geht’s ja gut. Gibt es Soundtracks, die uns wachrütteln könnten? Fela Kuti, James
Brown, Joe Bataan, Gil Scott-Heron oder Nina Simone verbanden in den aufrührerischen Sechzigern Charisma, Individualität, Inhalt
und Sound zu musikalischen Revolutionen, die heute noch wirken und inspirieren! In dieser „Beatcorner“-Ausgabe soll auf große Werke
dieser Prägung hingewiesen und gleichzeitig sollen aktuelle kleine Perlen hervorgehoben werden. Die große Revolution ist eben doch
nicht dein neues Smartphone – das sind revolutionäre Töne, die für die Ewigkeit in Vinyl geschnitten sind.
THE SOULJAZZ ORCHESTRA
„Manifesto“
Label: Do Right Music
Format: Vinyl/CD/MP3
ihre Weise. Tropicalia, dieser Mix aus Psychedelic Rock,
Bolero, Samba, Bossa Nova, Funk und Jazz wurde zum
Sound eines anderen, offeneren und menschenfreundlicheren
Brasiliens. Der amerikanische Rolling Stone wählte
Platte einen noch spannenderen Weg. Sie samplen The
Clash und mischen das mit Afro House und Schnipseln
kongolesischer Musik der 1970er-Jahre. Diese wilden
postkolonialistischen Klangwelten defi nieren sich hier als
Global-Bass-Flaggschiff. Die MCs spitten in Quicongo,
Zulu, Englisch und Portugiesisch, als wäre es das Normalste
der Welt. Und das ist auch gut so.
SCHWARZKAFFEE
„Radio Freakquency”
Label: Transport Music
Format: Vinyl/CD/MP3
Die kanadische Multikulti-Kapelle spielt einen leidenschaftlichen,
schweißtreibenden und zu 100 Prozent authentischen
Mix aus polyrhythmischen Feuerwerken zwischen
Afrobeat, Latin, Funk und Jazz. Ihr aktuelles Werk „Inner
Fire“ vertieft den Schwerpunkt Latin Grooves aus dem
„Nuyorican Melting Pot“ der Siebziger. Ihre wahren Meisterwerke
haben sie jedoch bereits 2007 („Freedom No Go
Die“) und 2008 („Manifesto“) abgeliefert. Hier fi ndet man
das ehrliche, gebührende und wütende Erbe Fela Kutis.
Wuchtige Percussions treffen auf fi ebrige Sax-Angriffe –
die als Weiterführung des Afrobeat-Paten aus Nigeria zu
verstehen sind. Explosiv, aggressiv, genial und vielleicht
sogar das organische Pendant zu „It Takes a Nation of Millions
to Hold Us Back“.
VARIOUS ARTISTS
„Tropicalia – Ou Panis et Circencis”
Label: Soul Jazz Records
Format: Vinyl/CD/MP3
Die remasterte Version des 1968er-Klassikers „Tropicalia
– Ou Panis et Circencis” ist nun im WM-Taumel und
Brasilien-Hype über das britische Liebhaberlabel Soul Jazz
Records erneut aufgelegt worden. Tropicalia nennt sich
eine Musikrichtung, die sich in den 1960er-Jahren in Brasilien
etablierte. Damals herrschte dort eine Militärdiktatur,
Gewalt, Unterdrückung und Zensur waren an der Tagesordnung.
Einige brasilianische Musiker wehrten sich auf
diese Compilation mit Stars wie Caetano Veloso, Gilberto
Gil, Tom Zé, Os Mutantes, Nara Leão und Gal Costa auf
Platz zwei der 100 bis dato besten brasilianischen Alben.
BATIDA
„Dois”
Label: Soundway Records
Format: Vinyl/CD/MP3
Die ultimative globale Soundkraft vereint das portugiesische
Kollektiv Batida. Weltweit feierte man den außergewöhnlichen
Soundmix ihres 2012er Debüts als Paradebeispiel
für eine Platte, die Resistance sein möchte und
es auch kann. Im Kuduro Anglos verwurzelt spielen sich
hier fantastische Experimente zwischen Polyrhythmen und
elektronischen Beats ab. Dabei gehen sie auf der zweiten
Wenn es eine Funk-Kapelle gibt, die mich in letzter Zeit
wirklich nachhaltig unterhalten hat, dann ist das Schwarzkaffee
aus Hamburg. Funk ist ja irgendwie gerade überall
und in jeglicher Form. Den authentischen, rohen und auf
das Nötigste reduzierte Funk fi ndet man jedoch nicht
mehr so oft. Synkopen, Licks, Drums, Bläser plus charismatisches
Crooning! Nachhaltig bleiben einem da die
perfektionistischen J.B.’s-Kopien von Osaka Monaurail im
Gedächtnis – und im Case. Was den grandiosen Japanern
irgendwie fehlte, war die Spielerei mit den Elementen und
eine Portion Humor, um das puristische Dasein nicht anstauben
zu lassen. Das wiederum haben die Hamburger
geballt in petto. Da gibt es sogar schöne Ausfl üge zur Talkbox
oder zum Hip-Hop. Diese Platte ist eine richtig gute
Funk-Sause.
94 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
WAS FÜR
Unterwegs
DIE BACKSPIN APP-ERHȦ . LTLICH IM APP STORE
MPC STUDIO ist die erste portable MPC, die du direkt mit deinem Computer verbindest. Sie kombiniert das legendäre
MPC-Feeling mit den Ressourcen moderner Computer in einem ultrakompakten Gehäuse. MPC Studio verfügt über ein hintergrundbeleuchtetes
LCD, 16 MPC Pads und weitere typische Features, welche dir komplette Produktionen direkt vom Hardware
Controller aus ermöglichen. Wir verlosen 1x MPC Studio!
// www.akaipro.com // Stichwort: „MPC STUDIO“
Check this out: BERLIN BOOMBOX Fans können sich ab sofort auf eine ganz
besondere Edition ihrer Lieblingslautsprecher für Smartphones und MP3-Player
freuen. Das Design der YO! MTV RAPS BOOMBOX ist inspiriert vom Look der
legendären MTV Show, die von 1988 bis 1995 Musikgeschichte schrieb. In 2 Farben
erhältlich, zollt BERLIN BOOMBOX mit diesen coolen Ghettoblastern allen HipHop
Größen der letzten 20 Jahre gebührenden Respekt. Die BOOMBOX haben wir zusammen
mit dem limitierten YO! MTV RAPS Boombox T-Shirt für euch in der Verlosung.
// www.berlinboombox.com // Stichwort: „YO! MTV RAPS“
Feralstuff – Schluss mit Langeweile im Kleiderschrank
Das junge Modelabel Feralstuff sorgt seit Oktober 2013 für grenzenlose Abwechslung auf Sweatern und Shirts. Wie das geht?
Mit wechselbaren Patches zum Ankletten. So kann zum Beispiel der Lieblingssweater nach Lust und Laune neu und ganz
persönlich gestaltet werden. Mit den Patches in Dreiecksform bieten die zwei Freunde Nikolai Bender und Trutz von Klodt eine
neue, freshe und lässige Alternative zu immergleichen Kleidungsstücken. Momentan stehen dafür im Onlineshop 18 Motive zur
Auswahl wie zum Beispiel das coole Flamingo-Paar, das wir zusammen mit einem schwarzen Sweater 3 x verlosen.
// www.feralstuff.com // Stichwort: „FERALSTUFF“
EA SPORTS FIFA 15 – Feel The Game. Fußball ist mehr als nur das Spiel auf dem Platz. Fußball ist Einstellung und
Glaube. Ist Athletik und Präzision. Ist Dramatik und Emotion. Fußball ist immer wieder neu, unvorhersehbar und einzigartig.
Die nächste Chance, die nächste Szene kann alles ändern, kann das Spiel entscheiden und die unfassbaren Emotionen dieses
Sports entfesseln. Das ist Fußall. Das ist FIFA 15. Wir haben das Spiel 3x für euch in der Verlosung!
// www.easportsfussball.de // Stichwort: „FIFA 15“
INFERNO RAGAZZI: It‘s not just a brand, it‘s a lifestyle! Das Hamburger Modelabel
von Designer Flemming Pinck verbreitet gute Laune und Feierstimmung pur. Die
coolen Teile sind ein Statement – für die Liebe zum Leben und die Lust auf Party. Die
farbenfrohe Kollektion besteht aus T-Shirts, (Kapuzen-) Sweatern, Boardshorts und
Snap Back-Caps mit Statement-Prints, verwaschenen Dip-Dye- oder wilden Camouflage-Mustern.
Und darauf stehen nicht nur Cro und Marteria, sondern auch Lena Gercke
und viele mehr. Wir verlosen ein Set bestehend aus Sweater, T-Shirt und Badehose!
// www.infernoragazzi.com // Stichwort: „INFERNO RAGAZZI“
96 BACKSPIN #116 Winter 2014 / 2015
WATCH OUT! All Eyes On Hip Hop ist ein belgisches Kollektiv, das Konzerte und Partys mit nationalen und internationalen
Künstlern organisiert. Die Jungs haben es sich zur Aufgabe gemacht, beste Qualität unters Volk zu bringen - egal ob New Skool
oder Old Skool. Zusammen mit den Headwear-Spezialisten von New Era liefert AEOHH die perfekte Cap für alle, die
Hip-Hop lieben.
// www.neweracap.eu // Stichwort: „NEW ERA CAP“
Tragt den flexiblen CitiScape Frames von Philips wie eure favourite Sonnenbrille
und genießt den hochpräzisen Klang wo immer ihr seid. Falls die Headphones doch
mal verstaut werden müssen, einfach zusammenfalten und in der Schutzhülle verstauen.
Die Shoqbox XL liefert einen hammer Sound, der jeden Raum füllt. Auflerdem
ist kabellose Radioübertragung über Bluetooth vorhanden, also kein Kabelstress. Wir
haben je 1 Exemplar für euch in der Verlosung.
// www.philips.de // Stichwort: „CITISCAPE“ od. „SHOQBOX XL“
Für leidenschaftliche Musiker, ist klar, dass bei einer Aufnahme ein exzellentes Ergebnis erzielt werden muss. Philips setzt, mit
dem neuen Voice Tracer DVT6500, klare Maßstäbe für technisch einwandfreie Musikaufnahmen. Ob Solo-Künstler oder
Band, jeder hat nun die Möglichkeit, mit dem neuen Audio-Recorder seinen persönlichen Sound einfach und in beeindruckender
Qualität aufzunehmen. Wir verlosen den Voice Tracer 3x!
// www.dictation.philips.com/de/produkte/category/voice_recorders/
Stichwort: „VOICE TRACER DVT6500“
Zum Underberg-Musikwettbewerb gibt´s jeden Sound in bester Qualität. Mach mit beim
Underberg Musikwett ewerb. Jeder kann sich bewerben. Es winken tolle Preise zum Start in
die Musikkarriere. Das Finale findet am 13. März 2015 vor prominenter Jury (Jupiter
Jones, VoXXclub) auf der Zugspitze statt.Neugierig geworden? Dann lade Deinen
Song hoch unter: www.sing-dich-auf-den-underberg.de // Erlebe deinen Song im besten
Sound und gewinne einen von vier Fidelio M1 Kopfhörern von Philips (199,00 Euro). Die
hochwertigen Kopfhörer bieten überall ein authentisches Musikvergnügen in HD Qualität.
// www.sing-dich-auf-den-underberg.de // Stichwort: „UNDERBERG/PHILIPS“
Der Marleaux kombiniert das High-Top-Design des Alomar mit dem einfachen,
leichten Profil des Prelow. Das minimalistische und erhöhte Design des
Marleaux verdeutlicht die modische Orientierung der Vans OTW Kollektion.
Der Marleaux präsentiert sich in hochwertigen Farbkombinationen in den Anti-
Camo und Clash-Packs. Dazu gibt es die Vans Consort Jacket.
// http://shop.vans.de // Stichwort: „VANS OTW“
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 97
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