BACKSPIN Magazin #116
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Genau, das hatte sich Pierre von Helden dabei gedacht.
Lustigerweise heißt der auch Pierre und ist
dieses Mal keine „Aka“-Erfindung von mir. Ein Kumpel
zeigte mir im Netz seine Bilder und ich fand die
interessant. Eines seiner Bilder hat mich gleich an
mich absolut irrelevant ist, die liegt im Auge jedes
einzelnen Betrachters. Aber ab und an mal drüber zu
sprechen, das finde ich wichtig. Allerdings ist meine
„Magdeburg“-Trilogie nicht als ostalgische Rundreise
zu verstehen. Das soll sie nicht sein!
„ICH DENKE EINFACH, DASS ALLES SEINE
BERECHTIGUNG HAT UND EINE ABSOLUTE NOTWENDIG-
KEIT BESTEHT, DIE DINGE ZU KONSERVIEREN.“
INTERVIEW: NIKO HÜLS, LARA BORCHERS
FOTOS: JIM GRAMMING
Bei mir ging das erst so 1996/97 los. Aber dass das
so kam, habe ich wahrscheinlich auch der Wende zu
verdanken. Wobei: In der DDR gab es bereits eine
Breakdance-Kultur, die nicht nur geduldet, sondern
teilweise sogar gefördert wurde. Breakdance galt in
der DDR ja als antiimperialistischer Tanz.
Vor der Wende hast du selbst also von Hip-Hop
rein gar nichts mitbekommen?
Nein. Bei uns gab es damals Mofa-Gangs, die Electro-Musik
gehört haben. Kontakt mit denen hatte ich
aber keinen.
Du hast noch bis 2003 in Magdeburg gewohnt,
bist dann zuerst nach Leipzig und 2011 schließlich
nach Hamburg gezogen. Magdeburg ist
aber dennoch das große Thema deiner neuen
Trilogie. Die Bilder des Artworks sollen ja die Geschichte
der DDR darstellen …
„Peter im Park“, eines meiner Lieblingsbilder, erinnert.
Das ist auch im Stil des sozialistischen Realismus.
Diese Bilder erinnern mich an die, die bei uns
im Kindergarten und in der Schule hingen. Das ist
genau dieser Stil. Dass den heute jemand macht,
fand ich cool. Daher lag es für mich nah, ihn zu fragen,
ob wir für mein Album etwas zusammen machen
können.
Was genau verbindest du denn mit den Bildern
von Pierre von Helden, die nun auf deinen Covers
zu sehen sind?
Bei dem Cover-Bild zu „Fundament“ ist es recht einfach,
da siehst du Leute, die tatsächlich an einem
Fundament arbeiten. Und für mich ist es ja auch
das erste Album, oder die erste EP. Und diese Reise
hin zu meinem musikalischen Horizont. Es geht darum,
wo ich angefangen habe und was ich anfangs
halt so geil fand. Diesen Sound, diese Ruppigkeit,
dieses Da-wird-an-etwas-Gearbeitet – das ist mein
Fundament. Das zweite Cover zeigt diesen großen
Neubau-Block und ist ganz trivial erklärt: Das ist das
Neubaugebiet Olvenstedt, wo ich herkomme. Das
dritte Cover-Bild, auf dem ein Arbeiter mit einer Sichel
in der Hand zu sehen ist, der aus dem Fenster
schaut – mit dem will ich fragen: Was bringt mir der
Morgen?
Behandelst du auf deiner „Magdeburg“-Trilogie
denn vor allem ostdeutsche Themen?
Nein, auch wenn meine Mentalität selbstverständlich
die „Dunkeldeutsche“ ist.
Warum ist es dir wichtig, diese ostdeutsche Mentalität
hochzuhalten?
Es scheint ja ein Interesse zu geben, diese Zeit in
gewisser Weise zu konservieren. Ich denke einfach,
dass alles seine Berechtigung hat und eine absolute
Notwendigkeit besteht, die Dinge zu konservieren.
Wenn wir vergessen, was damals war, gehen uns
nun mal sehr, sehr viele Sachen flöten – und das
wäre schade. Wobei die Wertung dieser Dinge für
Sondern?
An meiner funky Lebenseinstellung, wenn ich das
mal so sagen kann, kann man doch merken, dass
es mir besser geht in diesem System. Mittlerweile
haben wir alle beziehungsweise fast alle aus meiner
Generation hier Fuß gefasst. In diesen 25 Jahren haben
wir das gelernt. Wie gesagt: Eine sentimentale
Verklärung ist das in jedem Fall nicht. Die war nie
mein Ziel.
Was steckt stattdessen inhaltlich in deiner
„Magdeburg“-Trilogie?
Ich möchte rüberbringen, dass da ein gereifter Ex-
Jugendlicher drinsteckt. Gut, geistig bin ich immer
noch ein Jugendlicher, aber vor allem bin ich ein
gereifter Musiker. Ich habe allmählich rausgefunden,
was ich machen und wie weit ich gehen kann. Auf
der Trilogie sind viele Sachen drauf, die ich vor fünf
Jahren vielleicht schon so ähnlich gemacht hätte.
Nur hätte ich mich da nicht getraut, die zu veröffentlichen.
Heute kann ich das, weil ich bemerkt habe,
dass das qualitativ gut genug ist und ich mich da
nicht in irgendeine Richtung verbiege, in die keiner
mitgehen kann.
Du hast eben von dir als gereiften Musiker gesprochen.
In die Rolle bist du mit der Zeit reingewachsen?
Ich bin nun auf jeden Fall viel mehr Pierre als Marcus.
Ich bin – und das soll nicht abgedroschen
klingen – der Fulltime-Musiker, der ab und zu mal
Pizza backen geht. Musik ist mein Job, und in den
bin ich reingewachsen. Das hat mich inzwischen
mehr eingenommen, als ich anfangs dachte. Und
die „Magdeburg“-Trilogie ist das Beste, was ich je
gemacht habe, das, womit ich am meisten zufrieden
bin und von dem ich sage, dass ich das nicht besser
hätte machen können.
Winter 2014 / 2015 #116 BACKSPIN 19